FernUni Perspektive Nr. 51 | Frühjahr 2015
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<strong>FernUni</strong> <strong>Perspektive</strong> Seite 5<br />
Der Mauerfall<br />
Angekündigtes Chaos<br />
Stifterverband im Regionalzentrum Berlin<br />
Bildung durch digitale Medien<br />
Den berühmten roten Schal hatte<br />
er nicht mitgebracht, aber sonst<br />
war Walter Momper so, wie man<br />
ihn als Politiker kennt: bodenständig,<br />
ein Mann klarer Worte. So schilderte<br />
er auch im Lüdenscheider Gespräch<br />
des Instituts für Geschichte<br />
und Biografie der <strong>FernUni</strong>versität,<br />
wie er als Regierender Bürgermeister<br />
von Berlin den 9. November<br />
1989 erlebte. Für die vielen Interessierten<br />
hatte Momper zahlreiche<br />
bisher wenig bekannte Informationen<br />
„mitgebracht“: Ganz so überraschend,<br />
wie es die Berichte zum<br />
Jahrestag des historischen Ereignisses<br />
vermittelten, war der Mauerfall<br />
für die West-Berliner Politiker nicht.<br />
Während am 7. Oktober 1989 die<br />
Mächtigen der DDR den 40. Jahrestag<br />
des „Arbeiter- und Bauernstaates“<br />
feierten, ging bei der Demonstration<br />
Zehntausender bereits<br />
die Parole „Und jetzt zum Brandenburger<br />
Tor!“ um. Dies geschah zwar<br />
nicht, so Momper, „aber wir bereiteten<br />
uns auf den Tag X vor… Wir<br />
konnten uns gar nichts anderes vorstellen,<br />
als dass die Grenztruppen<br />
schießen würden, wenn Leute auf<br />
die Mauer klettern.“<br />
Weil die West-Berliner Verantwortlichen<br />
den Polizeifunk jenseits der<br />
Mauer abhörten, wussten sie: „Ost-<br />
Berlin ist voll mit Polizei.“ Sie bereiteten<br />
sich also auf ein Szenario<br />
vor, bei dem nach einem „Blutbad“<br />
etwa 30.000 Menschen über die<br />
Mauer flüchteten: „Vom Westen<br />
her konnten wir gar nichts machen,<br />
nur Blutkonserven bereithalten und<br />
Krankenhäuser vorbereiten.“<br />
Notfall-Pläne bei Smog-Alarm<br />
Am 29. Oktober 1989 fand ein Gespräch<br />
zwischen einer West-Berliner<br />
Delegation mit Momper und<br />
der neuen DDR-Führung mit SED-<br />
Generalsekretär Egon Krenz und<br />
Günter Schabowski, Mitglied des<br />
SED-Politbüros, statt. In dem Gespräch<br />
habe Schabowski, der auch<br />
Erster Sekretär der Ost-Berliner SED-<br />
Bezirksleitung war, beiläufig „Reisefreiheit<br />
auf Dauer oder auf Zeit“<br />
angekündigt. An die Organisation<br />
habe die DDR-Führung „keinen Gedanken<br />
verschwendet“, so Momper.<br />
Die West-Berliner schätzten,<br />
dass alleine am ersten Tag 500.000<br />
bis eine Million DDR-Besucherinnen<br />
und -Besucher kommen könnten.<br />
Der West-Berliner Senat setzte sofort<br />
Arbeitsgruppen ein: Die Berliner<br />
Verkehrsgesellschaft (BVG)<br />
wollte auf ihre Notfall-Fahrpläne<br />
bei Smog-Alarm mit Fahrverboten<br />
für Pkw und Lkw zurückgreifen.<br />
Momper „bequatschte“ den Bankenverband,<br />
das Begrüßungsgeld<br />
von 100 D-Mark auch sonntags auszuzahlen.<br />
Alle Poststellen und -filialen<br />
machten mit. Auch der Gesamtbetriebsrat<br />
der Berliner Verwaltung<br />
willigte ein, dass jeder Betrieb eine<br />
Zahlstelle einrichten sollte.<br />
Am 9. November bekam der Westberliner<br />
Senat einen Tipp von einem<br />
Journalisten aus dem Osten der<br />
Stadt: „Die machen heute die Reiseplanung.“<br />
Als abends die Pressekonferenz<br />
von DDR-Rundfunk und<br />
-Fernsehen live übertragen wurde,<br />
las Schabowski kurz vor 19 Uhr von<br />
einem Zettel ab, den Krenz im zugesteckt<br />
und den er zuvor nicht studiert<br />
hatte: „Privatreisen nach dem<br />
Ausland können ohne Vorliegen<br />
von Voraussetzungen … beantragt<br />
werden…“. Und: „Das tritt nach<br />
meiner Kenntnis … ist das sofort,<br />
unverzüglich.“<br />
Walter Momper war 1989 Regierender<br />
Bürgermeister von West-Berlin.<br />
„Die Lage ist da!“<br />
Sofort verbreiteten westliche Nachrichtenagenturen<br />
diese Nachricht,<br />
um 19.05 Uhr sprach Associated<br />
Press bereits von „Grenzöffnung“,<br />
um 19.17 Uhr sendete das ZDF<br />
Ausschnitte der Pressekonferenz.<br />
Momper wusste: „Jetzt ist die Lage<br />
da!“ Im Sender Freies Berlin (SFB)<br />
betonte er: „Das ist der Tag, auf<br />
den wir 28 Jahre gewartet haben!“<br />
Gleichzeitig bat er die DDR-Bürgerinnen<br />
und -Bürger, nicht alle sofort<br />
zu kommen, schon gar nicht<br />
mit dem Auto.<br />
„Ein Bild tiefsten Friedens“<br />
Aber was passierte? Als Momper<br />
selbst zu einer DDR-Grenzübergangsstelle<br />
fuhr, waren „die Grenzer<br />
auf einmal weg, ich stand alleine<br />
da mit 10.000 Menschen“. Er griff<br />
sich ein Megafon: „‚Wir freuen uns<br />
heute über den Tag‘… Alle jubelten,<br />
ich hätte auch aus einem Telefonbuch<br />
vorlesen können.“ An einer<br />
anderen Stelle regelten ein DDR-<br />
Grenz-Major, ein britischer Militärpolizist<br />
und ein West-Berliner Polizist<br />
gemeinsam den Fluss der Trabis<br />
und Wartburgs durch die Mauer:<br />
„Ein Bild tiefsten Friedens.“<br />
Momper heute im Rückblick: „Ich<br />
finde immer noch, dass wir ein<br />
glückliches Volk sind, weil wir die<br />
Einheit in Freiheit und ohne Blutvergießen<br />
bekommen haben!“ Da<br />
Was bedeutet Bildung im 21. Jahrhundert?<br />
Wie verändern sich Lernund<br />
Bildungsprozesse durch digitale<br />
Medien? Welche Bildung und<br />
welche Bildungsstrukturen benötigt<br />
die Gesellschaft der Zukunft? Unter<br />
dem Motto „Humboldt Digital“ diskutierten<br />
darüber Expertinnen und<br />
Experten aus Politik und Wissenschaft<br />
im Regionalzentrum Berlin<br />
der <strong>FernUni</strong>versität. Es war eine Veranstaltung<br />
des Stifterverbandes für<br />
die Deutsche Wissenschaft.<br />
Internationale Fichte-Tagung<br />
Ort der Ökonomie<br />
Johann Gottlieb Fichte (1762 –<br />
1814), einer der Hauptvertreter des<br />
Deutschen Idealismus, hat mit seiner<br />
Schrift „Der geschlossene Handelsstaat“<br />
aus dem Jahre 1800 einen<br />
wirtschaftsphilosophischen<br />
Traktat hinterlassen, der noch immer<br />
polarisiert. Fichte schreibt auf<br />
der einen Seite im Interesse der<br />
Freiheit gegen eine anonyme Herrschaft<br />
des Marktes an, auf der anderen<br />
aber entwirft er so etwas wie<br />
eine sozialistische Planwirtschaft.<br />
Diese scheint wenige Spielräume<br />
für individuelle Präferenzen und Lebensentwürfe<br />
zu lassen.<br />
Rektor Prof. Helmut Hoyer eröffnete den Diskussionsabend im Regionalzentrum Berlin<br />
der <strong>FernUni</strong>versität.<br />
Foto: David Ausserhofer/Stifterverband<br />
Eröffnet wurde der Diskussionsabend<br />
von <strong>FernUni</strong>-Rektor Prof. Dr.-<br />
Ing. Helmut Hoyer. Er betonte die<br />
besondere Bedeutung digitaler Medien<br />
für das flexible Fernstudiensystem<br />
der <strong>FernUni</strong>versität. Im Rahmen<br />
der Veranstaltung wurden auch die<br />
drei besten Teilnehmenden an dem<br />
Essay-Wettbewerb zum Thema<br />
„Bildung heute“ des Stifterverbandes<br />
in Kooperation mit dem „Hochschulforum<br />
Digitalisierung“ ausgezeichnet.<br />
Maria Friedrichowicz gewann<br />
den Wettbewerb mit ihrem<br />
Essay „Wie sieht Bildung im digitalen<br />
Zeitalter aus?“<br />
(www.fernuni-hagen.de/per<strong>51</strong>-05).<br />
Zum Abschluss des Fichte-Jahres<br />
2014 fand im Regionalzentrum Berlin<br />
der <strong>FernUni</strong>versität eine Tagung<br />
statt, auf der Fichte-Experten aus<br />
dem In- und Ausland neues Licht<br />
auf die „philosophische Politik“ des<br />
Denkers und späteren Gründungsrektors<br />
der Berliner Universität zu<br />
werfen versuchten. In Vorträgen<br />
und Diskussionen wurde rekonstruiert,<br />
aus welchen Diskussionszusammenhängen<br />
Fichtes Schrift<br />
hervorgegangen ist. Geklärt wurde<br />
aber auch, welche Stellung sie im<br />
Gesamtsystem von Fichtes Denkens<br />
einnimmt und welche Relevanz sie<br />
– gerade im Zeitalter der Globalisierung<br />
– noch immer haben kann.<br />
Die Tagung, die unter Leitung von<br />
Prof. Dr. Thomas Sören Hoffmann,<br />
Lehrgebiet Philosophie II der Fern-<br />
Universität in Hagen stattfand,<br />
schloss einen Vortrag von Prof. Dr.<br />
Douglas Moggach aus Ottawa (Kanada)<br />
unter dem Titel „Was heißt<br />
es, heute ein Idealist zu sein? Fichte<br />
über Freiheit und Geschichte“ ein.<br />
Der Vortrag zeigte auf, dass Fichtes<br />
Philosophie in der Tradition eines<br />
freiheitlichen Begriffs vom Menschen<br />
steht, der über Kant bis auf<br />
Leibniz zurückverfolgt werden kann<br />
und der an Attraktivität auch in Zeiten<br />
der „globalisierten“ ökonomischen<br />
„Sachzwänge“ nichts eingebüßt<br />
hat.<br />
Proe<br />
Referenten und Teilnehmer der Fichte-Tagung vor dem Regionalzentrum Berlin<br />
Das „Hochschulforum Digitalisierung“<br />
bildet eine unabhängige<br />
Plattform, um in verschiedenen<br />
Themengruppen aktuelle und zukunftsrelevante<br />
Fragen zur Digitalisierung<br />
in Hochschulen und besonders<br />
in der Hochschullehre zu diskutieren.<br />
Prof. Hoyer ist Themenpate<br />
der Gruppe „Qualitätssicherung<br />
und Curriculum Design“. fej<br />
Social Software<br />
kennen lernen<br />
Über große Entfernungen miteinander<br />
studieren? Kooperativ und kollaborativ<br />
zusammenarbeiten? Für<br />
den schnellen Austausch von Daten<br />
und Informationen unter Lernenden,<br />
aber auch zwischen Studierenden<br />
und Lehrenden sind passende<br />
Tools notwendig. Das Lehrgebiet<br />
Mediendidaktik hat für alle<br />
Studierenden der <strong>FernUni</strong>versität in<br />
Hagen die Social-Software-Werkstatt<br />
eröffnet.<br />
Auf dieser Plattform können sie seit<br />
Anfang des Jahres verschiedenste<br />
mediale Tools kennenlernen und<br />
ausprobieren – zum Beispiel Lern-<br />
Apps, das virtuelle Klassenzimmer,<br />
Blogs, Podcasts oder Wikis.<br />
Wissen, wie soziale Medien<br />
funktionieren<br />
Denn: Wer Infos schnell per Blog<br />
an andere weitergeben will, wer<br />
sich mit der Lerngruppe oder Freunden<br />
über soziale Netzwerke austauschen<br />
möchte, muss wissen, wie<br />
diese Tools funktionieren, wie sie<br />
optimal eingesetzt werden und welche<br />
Risiken sie möglicherweise bergen.<br />
Einloggen und mitmachen: Studierende<br />
der <strong>FernUni</strong>versität nutzen<br />
die moodle-Umgebung (https://<br />
moodle2.fernuni-hagen.de) und<br />
tauschen sich mit anderen Studierenden<br />
über Erfahrungen mit Social<br />
Software aus. Sie schildern dort<br />
ihren eigenen individuellen und beruflichen<br />
Umgang mit den unterschiedlichen<br />
Tools.<br />
bae