ARD-Jahrbuch 2010 - Inhalt und Artikel
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<strong>Jahrbuch</strong> 10
_ <strong>ARD</strong>-<strong>Jahrbuch</strong> 10<br />
42. Jahrgang<br />
Herausgegeben von der<br />
Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen<br />
R<strong>und</strong>funkanstalten der B<strong>und</strong>esrepublik<br />
Deutschland (<strong>ARD</strong>)<br />
unter Mitwirkung der<br />
<strong>ARD</strong>-Werbung<br />
Verantwortlich für den Herausgeber<br />
Peter Boudgoust,<br />
Intendant des Südwestr<strong>und</strong>funks
_ redaktion<br />
Doris Rehme-Lauer (doris.rehme@dra.de),<br />
Catherine Artzt (catherine.artzt@dra.de),<br />
Gudrun Augustin (gudrun.augustin@dra.de),<br />
Adrian Haus (adrian.haus@dra.de)<br />
Jutta Weismüller (jutta.weismueller@dra.de),<br />
Deutsches R<strong>und</strong>funkarchiv (DRA).<br />
_ produktion <strong>und</strong> vertrieb<br />
Jutta Weismüller (jutta.weismueller@dra.de),<br />
Cornelia Springer (cornelia.springer@dra.de),<br />
Deutsches R<strong>und</strong>funkarchiv (DRA).<br />
_ geschäftsführung<br />
Hans-Gerhard Stülb, Deutsches R<strong>und</strong>funkarchiv (DRA).<br />
_ anschrift von redaktion <strong>und</strong> geschäftsführung<br />
Bertramstr. 8, 60320 Frankfurt am Main,<br />
Telefon (0 69) 15 68 72 11, Fax (0 69) 15 68 71 00<br />
E-Mail: ardjahrbuch@dra.de<br />
_ umschlag<br />
Stefanie Miller, Karlsruhe. _ layout, typografie <strong>und</strong> grafik-design<br />
Peter Wolf KommunikationsDesign, Hainburg.<br />
_ reproduktionen<br />
_ gesetzt<br />
_ druck<br />
Dinges & Frick GmbH, Wiesbaden.<br />
in BSK Garamond <strong>und</strong> Thesis.<br />
Druck- <strong>und</strong> Verlagshaus Zarbock GmbH & Co. KG,<br />
Frankfurt am Main.<br />
_ verlag<br />
_ auslieferung<br />
Hans-Bredow-Institut, Hamburg <strong>2010</strong>.<br />
Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden.<br />
_ alle rechte vorbehalten.<br />
Nachdruck nur mit Genehmigung des Herausgebers.<br />
_ isbn 978-3-8329-6235-7<br />
_ Der Umschlag des <strong>ARD</strong>-<strong>Jahrbuch</strong>s ist aus einem Wettbewerb<br />
hervorgegangen, den die <strong>ARD</strong> an der Hochschule für<br />
Gestaltung (HfG) Karlsruhe veranstaltet hat.<br />
_ Im Sinne einer besseren Lesbarkeit hat sich die<br />
Redaktion entschieden, Begriffe wie Hörer, Zuschauer,<br />
Redakteur geschlechtsneutral zu verwenden.<br />
Selbstverständlich sind immer Hörer <strong>und</strong> Hörerinnen,<br />
Zuschauer <strong>und</strong> Zuschauerinnen, Redakteure <strong>und</strong><br />
Redakteurinnen gemeint.
_ <strong>Artikel</strong><br />
Mit 60 ein Best Ager<br />
Verlässlich <strong>und</strong> glaubwürdig in die Zukunft<br />
Von Peter Boudgoust _ 13<br />
Meine Jahre mit der <strong>ARD</strong><br />
Ein kritischer Beobachter schaut zurück<br />
Von Lutz Hachmeister _ 15<br />
»In der ersten Reihe«<br />
Das B<strong>und</strong>esverfassungsgericht <strong>und</strong> der<br />
öffentlich-rechtliche R<strong>und</strong>funk<br />
Von Karl-Dieter Möller _ 21<br />
Die sechs politischen Magazine im Ersten<br />
Eine vergleichende Übersicht _ 29<br />
Mediale Visitenkarte der B<strong>und</strong>esrepublik<br />
Die Deutsche Welle im Wandel<br />
Von Erik Bettermann _ 36<br />
Den Finger in die W<strong>und</strong>e legen<br />
Reporter-Pools beim <strong>ARD</strong>-Radio bringen eine<br />
neue journalistische Qualität<br />
Von Bernhard Hermann <strong>und</strong> Arthur Landwehr _ 43<br />
. . . auch jenseits ausgetretener Pfade<br />
Literatur im Radio – eine Bestandsaufnahme<br />
Von Frank Johannsen _ 49<br />
Literatur im Radio<br />
Literatursendeplätze im <strong>ARD</strong>-Hörfunk<br />
Von Gudrun Augustin _ 59<br />
Die Todeszone<br />
Die Öl-Katastrophe am Golf von Mexiko im Fokus<br />
der <strong>ARD</strong>-Berichterstattung<br />
Von Ralph Sina _ 63<br />
Als Journalist im Gottesstaat Iran<br />
Pressefreiheit: ein Fremdwort<br />
Von Peter Mezger _ 67<br />
Land der Finsternis – Land des Lichts<br />
Von Gegensätzen <strong>und</strong> Widersprüchen in Südafrika<br />
Von Richard Klug _ 72<br />
Präsent sein in der digitalen Welt<br />
Die Multiplattformstrategie der <strong>ARD</strong><br />
Von Heidi Schmidt _ 76<br />
Junge Wilde <strong>und</strong> Zielstrebige Trendsetter<br />
Die junge Generation nach MedienNutzerTypologie 2.0<br />
Von Ekkehardt Oehmichen _ 81<br />
Von Clara <strong>und</strong> Lilipuz<br />
Klassik, Kinder <strong>und</strong> Jugend in der <strong>ARD</strong><br />
Von Carsten Dufner _ 86<br />
WDR Kinderstudio, WDR Abenteuerreise <strong>und</strong> mehr<br />
Medienkompetenz am Beispiel des WDR<br />
Von Annette Busch-Wiesenthal <strong>und</strong> Ute teigler _ 93<br />
Qualitätspartnerschaft<br />
Die neue Vereinbarung zwischen <strong>ARD</strong><br />
<strong>und</strong> Produzentenallianz<br />
Von Christoph E. Palmer <strong>und</strong> Johannes Kreile _ 99<br />
Die FIFA Fußball-Weltmeisterschaft <strong>2010</strong><br />
Das <strong>ARD</strong>-WM-Team setzte Maßstäbe<br />
in Deutschland <strong>und</strong> Südafrika<br />
Von Bertram Bittel <strong>und</strong> Thomas Wehrle _ 103<br />
Olympische Winterspiele <strong>2010</strong> in Vancouver<br />
Startschuss für Das Erste HD<br />
Von Gabriele Arlt <strong>und</strong> Volker Frank _ 108<br />
IT versus R<strong>und</strong>funktechnik<br />
Digitalisierung <strong>und</strong> Vernetzung in den Funkhäusern<br />
Von Heiko Block _ 109<br />
Reihe Medienmenschen<br />
»Und nun schalten wir um ...«<br />
Die Inspizientin Annette Dols _ 113<br />
Von Gudrun Augustin<br />
Wenn Millionen zuschauen<br />
Der Sendeingenieur Jochen Groß _ 116<br />
Von Adrian Haus<br />
Es klappert nicht einfach so<br />
Der Geräuschemacher Max Bauer _ 119<br />
Von Adrian Haus<br />
_ Chronik <strong>und</strong> Berichte<br />
Chronik 2009 _ 125<br />
<strong>ARD</strong> <strong>und</strong> R<strong>und</strong>funkanstalten _ 125<br />
Wettbewerbe <strong>und</strong> Veranstaltungen _ 146<br />
R<strong>und</strong>funkpolitik 2009/<strong>2010</strong> _ 162<br />
Von Verena Wiedemann _ 162<br />
Reform der R<strong>und</strong>funkfinanzierung _ 162 I Dreistufentests<br />
abgeschlossen _ 163 I »Tagesschau« für Smartphones<br />
in der Kritik _ 165 I Krise . . . welche Krise? _<br />
166 I Renditegeschenk für die Privaten: Product<br />
Placement _ 166 I Trotz positiver Zahlen: Rückgang<br />
<strong>Inhalt</strong> A R D - J A H R B U C H 1 0 5
der Informationsangebote bei den Privaten _ 167 I<br />
Ehrliche Debatte notwendig _ 167 I Verbot von<br />
Werbung <strong>und</strong> Sponsoring bei <strong>ARD</strong> <strong>und</strong> ZDF _ 168 I<br />
Jugendmedienschutz-Staatsvertrag unterzeichnet _<br />
168 I Internet-Enquete eingesetzt _ 168 I Qualitätspartnerschaften<br />
der <strong>ARD</strong> _ 169<br />
R<strong>und</strong>funkfinanzen 2009 _ 170<br />
Gesamtergebnis: Finanziell wieder ein schwieriges Jahr<br />
für die Landesr<strong>und</strong>funkanstalten _ 170 I Ertragslage:<br />
trotz Gebührenerhöhung stieg Gebührenaufkommen<br />
nur gering an _ 172 I Aufwandsentwicklung: Intensive<br />
Sparaktivitäten, Aufwendungen trotz erhöhter<br />
Rückstellungsbildung auf Vorjahresniveau,<br />
Aufwendungen für den Gebühreneinzug erneut<br />
gesunken _ 175 I Finanzierungsstruktur: Eigenkapitalquote<br />
leicht vermindert _ 176 I Aktiva _ 176 I<br />
Passiva _ 176<br />
Produktion <strong>und</strong> Technik 2009 _ 177<br />
Sender, Leitungsverbindungen <strong>und</strong> Studios 2009 _ 178 I<br />
HDTV auf dem Weg zum Regelbetrieb _ 179 I DVB-T ist<br />
der terrestrische TV-Standard _ 180 I Verhaltener DAB-<br />
Ausbau _ 181 I Programmverbreitung via Kabel <strong>und</strong><br />
Satellit _ 182 I Neue Möglichkeiten im World Wide<br />
Web _ 193 I UKW-Versorung wird weiter verbessert _<br />
184 I Mit HYBNET-Neu <strong>und</strong> HDTV in die Zukunft _<br />
184 I Neue Technik von Tel Aviv bis Saarbrücken _ 185 I<br />
Hörfunk als digitale Basis für Multimedialität _ 186 I<br />
HDTV als Richtschnur in der Fernsehproduktion _ 186 I<br />
Mobile Technik allerorts auf dem neuesten Stand _ 187 I<br />
Großereignisse: NATO-Gipfel, Leichtathletik-WM <strong>und</strong><br />
20 Jahre Mauerfall _ 188 I IRT: Technologie verstehen<br />
<strong>und</strong> umsetzen _ 189 I RBT: Ingenieurbüro von <strong>ARD</strong> <strong>und</strong><br />
ZDF _ 189<br />
Gemeinschaftseinrichtungen 2009 _ 190<br />
Degeto Film GmbH: Erfolgreiche Auftragsproduktionen<br />
für die <strong>ARD</strong> _ 190 I Deutsches R<strong>und</strong>funkarchiv: Aufarbeitung<br />
der DDR-Bestände <strong>und</strong> Vernetzung der modernisierten<br />
Datenbanken _ 191 I Gebühreneinzugszentrale:<br />
Gebührenerhöhung stabiliert Gesamterträ-<br />
ge _ 192 I <strong>ARD</strong>.ZDF medienakademie: Ganz nah an den<br />
R<strong>und</strong>funkanstalten _ 193<br />
Medienforschung 2009 _ 194<br />
Sehdauer bleibt hoch _ 195 I Das Erste <strong>und</strong> die Dritten<br />
vorn _ 195 I Das Informationsangebot des Ersten <strong>und</strong><br />
dessen Nutzung haben zugenommen _ 196 I<br />
»Tagesschau« nach wie vor meistgesehene Nachrich-<br />
tensendung _ 196 I »Eurovision Song Contest«<br />
6 <strong>Inhalt</strong> A R D - J A H R B U C H 1 0<br />
<strong>und</strong> »2009 – Das Quiz« meistgesehene<br />
Unterhaltungssendungen im Ersten _ 197 I <strong>ARD</strong>/<br />
ZDF-Wahlmonitor 2009 _ 198 I Große Resonanz auf<br />
Fußball-Länderspiele _ 199 I Das Erste: Wertschätzung<br />
auf konstant hohem Niveau _ 199 I Dritte Programme<br />
in der Summe an der Spitze _ 200 I <strong>ARD</strong>/ZDF-<br />
Online-Studie 2009 _ 201 I Unterhaltungssendungen<br />
<strong>und</strong> Ratgeber stark nachgefragt _ 202 I JIM-Studie<br />
2009 _ 203 I Media Analyse <strong>2010</strong> Radio I: <strong>ARD</strong>-<br />
Programme dominieren weiter den Markt _ 206 I<br />
Kultur- <strong>und</strong> Infoprogramme bleiben erfolgreich _ 206 I<br />
Unterschiede in den Regionen _ 207 I DW-TV, DW-<br />
RADIO <strong>und</strong> DW-WORLD.DE: Multiplattform-Angebote<br />
sprechen internationale Zielgruppen an _ 208<br />
Hörfunk 2009 _ 209<br />
Modernes Informationsradio: hr-iNFO r<strong>und</strong>um<br />
erneuert _ 210 I Die Hörfunkprogramme der <strong>ARD</strong><br />
2009 _ 210 I Noch informativer: Der neue Abend in<br />
SWR2 _ 211 I hr3 <strong>und</strong> WDR 2: noch mehr attraktive<br />
Angebote _ 212 I Funkhaus Europa jetzt auch in<br />
Berlin <strong>und</strong> Brandenburg _ 212 I BR Klassik: Die ganze<br />
Welt der Klassik unter einem Dach _ 212 I Neue<br />
Sendungen: Von »Play Jazz« bis »Opern-Lunch« _ 213<br />
I Programmwochen <strong>und</strong> Schwerpunktprogramme _<br />
215 I Aktuelles <strong>und</strong> thematische Schwerpunkte: »Klima<br />
konkret« – Information <strong>und</strong> Service im <strong>ARD</strong>-Radio _<br />
216 I Akzente <strong>und</strong> Jahrestage: »60 x Deutschland« <strong>und</strong><br />
»Mauersplitter« – Deutschlands Umbrüche im <strong>ARD</strong>-<br />
Radio _ 218 I Hörspiel <strong>und</strong> Medienkunst: »Chronik der<br />
Gefühle« – Die Welt des Alexander Kluge als Hörspiel<br />
_ 222 I Auslandsprogramme 2009: Synergien schaffen:<br />
DW-RADIO <strong>und</strong> DW WORLD mit gemeinsamen<br />
Redaktionen _ 225<br />
<strong>ARD</strong>-Themenwoche 2009 _ 226<br />
»Ist doch Ehrensache – Wie Menschen sich für die<br />
Gesellschaft engagieren« _ 226<br />
Fernsehen 2009 _ 228<br />
Das Erste _ 228<br />
Politik, Gesellschaft, Kultur: Dauerwahlkampf im<br />
Zeichen der Wirtschaftskrise _ 229 I Die Fernsehprogramme<br />
der <strong>ARD</strong> 2009 _ 230 I Sport: Leichtathletik<br />
in HD _ 231 I Fernsehfilm: »Mein Leben« <strong>und</strong> »Der<br />
Baader Meinhof Komplex« _ 232 I Spielfilm: Beste<br />
Fernsehunterhaltung – die Auftragsproduktionen <strong>und</strong><br />
Kinohighlights der <strong>ARD</strong> Degeto _ 233 I Unterhaltung:<br />
Markenzeichen – Wissen- <strong>und</strong> Quizsendungen _ 234 I<br />
Kirche: Neues Konzept für »Gott <strong>und</strong> die Welt« _ 236 I<br />
Familie: »Bei uns <strong>und</strong> um die Ecke« _ 237 I Ausland: Der<br />
Papst in Israel _ 237 I Vorabend: Relaunch der Dailys _<br />
237
Die Dritten Programme<br />
Bayerisches Fernsehen: Stark in der Region _ 238 I<br />
hr-fernsehen: Frische, hessische <strong>Inhalt</strong>e _ 239 I MDR<br />
FERNSEHEN: 20 Jahre Mauerfall: Der MDR feierte mit _<br />
239 I NDR Fernsehen in Zusammenarbeit mit Radio<br />
Bremen: Nah dran, streitbar <strong>und</strong> unterhaltsam _ 240<br />
I rbb Fernsehen: 20 Jahre friedliche Revolution _ 241 I<br />
SWR Fernsehen <strong>und</strong> SR Fernsehen: NATO-Gipfel <strong>und</strong><br />
Amoklauf _ 241 I WDR Fernsehen: Programmreform<br />
<strong>und</strong> neue Formate _ 242<br />
Satelliten-, Digital- <strong>und</strong> Auslandsprogramme<br />
3sat: 25 Jahre 3sat _ 243 I ARTE: »24h Berlin« _ 244 I<br />
PHOENIX: Innovative Informationsvermittlung _ 245 I<br />
KI.KA: Mit Information, Vielfalt <strong>und</strong> Qualität zum<br />
Erfolg _ 245 I BR-alpha: »Hitler vor Gericht« _ 246 I <strong>ARD</strong><br />
Digital: Vielfalt <strong>und</strong> Qualität für alle _ 247 I EinsExtra:<br />
Nachrichten im Viertelst<strong>und</strong>entakt _ 247 I EinsFestival:<br />
Für Menschen, die Fernsehen lieben _ 247 I EinsPlus:<br />
Programm- <strong>und</strong> Ideenwerkstatt _ 248 I DW-TV:<br />
Im Zeichen von Regionalisierung <strong>und</strong> deutschen<br />
Jahrestagen _ 248<br />
Online 2009 _ 249<br />
12. R<strong>und</strong>funkänderungsstaatsvertrag <strong>und</strong><br />
Dreistufentest _ 249 I <strong>ARD</strong> Mediatheken: Noch benutzerfre<strong>und</strong>licher,<br />
mehr Premiuminhalte _ 250 I<br />
<strong>ARD</strong> Online: Verbessertes Layout _ 250 I Die <strong>ARD</strong> bei<br />
YouTube, Facebook, Twitter & Co. _ 250 I Information:<br />
Wahl-Specials <strong>und</strong> neue Formate im Internet _ 251 I<br />
Börse <strong>und</strong> Wirtschaft: Weltweite Finanzkrise _ 252 I<br />
Zeitgeschichte: 60 Jahre B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland,<br />
20 Jahre Mauerfall _ 252 I sportschau.de: Neue Adresse,<br />
bewährte Qualität _ 253 I Kultur: Botticelli, »Romy«,<br />
NDR Comedy Contest _ 253 I Bildung <strong>und</strong> Wissen:<br />
Mitlernen <strong>und</strong> Mitmachen _ 253 I Barrierefreiheit:<br />
Zugangsbarrieren sukzessive abgebaut _ 254 I DW-<br />
WORLD.DE: 60 Jahre B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland,<br />
»Generation ’89« _ 254<br />
_ Organisation <strong>und</strong> Personalien<br />
Stand 1. August <strong>2010</strong><br />
Personalien von A bis Z _ 258<br />
<strong>ARD</strong> _ 259<br />
Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen<br />
R<strong>und</strong>funkanstalten der B<strong>und</strong>esrepublik<br />
Deutschland _ 259<br />
<strong>Inhalt</strong> A R D - J A H R B U C H 1 0<br />
<strong>ARD</strong>-Einrichtungen _ 260<br />
Degeto _ 260 I <strong>ARD</strong>.ZDF medienakademie _ 260 I<br />
Deutsches R<strong>und</strong>funkarchiv _ 260 I Gebühreneinzugszentrale<br />
_ 260 I Institut für R<strong>und</strong> funktechnik _ 261 I<br />
R<strong>und</strong>funk-Betriebstechnik _ 261 I SportA Sport rechte-<br />
<strong>und</strong> Marketing-Agentur GmbH _ 261<br />
Gemeinsame Programme _ 262<br />
<strong>ARD</strong>-Gemeinschaftsprogramm Das Erste _ 262 I <strong>ARD</strong><br />
Digital _ 262 I EinsExtra _ 262 I Einsfestival _ 262 I<br />
EinsPlus _ 263 I KI.KA – Der Kinderkanal von <strong>ARD</strong><br />
<strong>und</strong> ZDF _ 263 I PHOENIX. Der Ereignis- <strong>und</strong> Dokumentationskanal<br />
von <strong>ARD</strong> <strong>und</strong> ZDF _ 263 I 3sat –<br />
Satellitenfernsehen des deutschen Sprachraums _ 263<br />
Auslandskorrespondenten _ 264<br />
Karte _ 264 I Liste _ 266<br />
<strong>ARD</strong>-R<strong>und</strong>funkanstalten _ 268<br />
Karte: Sendegebiete, Funkhäuser, Studios <strong>und</strong> Büros _<br />
268 I Bayerischer R<strong>und</strong>funk _ 269 I Hessischer<br />
R<strong>und</strong>funk _ 273 I Mitteldeutscher R<strong>und</strong>funk _ 275 I<br />
Norddeutscher R<strong>und</strong>funk _ 278 I Radio Bremen _ 282 I<br />
R<strong>und</strong>funk Berlin-Brandenburg _ 284 I Saarländischer<br />
R<strong>und</strong>funk _ 287 I Südwestr<strong>und</strong>funk _ 289 I Westdeutscher<br />
R<strong>und</strong>funk _ 293 I Deutsche Welle _ 296<br />
<strong>ARD</strong>-Beteiligungen _ 298<br />
Deutschlandradio _ 298 I ARTE Deutschland <strong>und</strong> ARTE<br />
G.E.I.E. _ 300<br />
<strong>ARD</strong>-Werbung <strong>und</strong> Werbegesellschaften _ 301<br />
Arbeitsgemeinschaft der <strong>ARD</strong>-Werbegesellschaften _<br />
301 I BRmedia _ 301 I hr werbung _ 301 I MDR-Werbung<br />
_ 302 I NDR Media _ 302 I Radio Bremen Media _<br />
302 I RBB Media _ 302 I SWR Media Services _ 303 I<br />
Werbefunk Saar _ 303 I WDR media group _ 303<br />
_ Statistik 2009<br />
Finanzstatistik 2009 _ 307<br />
Landesr<strong>und</strong>funkanstalten<br />
Vermögensrechnung: Statistische Zusammenfassung<br />
_ 308 I Landesr<strong>und</strong>funkanstalten einzeln _ 310<br />
Ertrags- <strong>und</strong> Aufwandsrechnung/Finanzrechnung:<br />
Statistische Zusammenfassung _ 312 I Bayerischer<br />
R<strong>und</strong>funk _ 314 I Hessischer R<strong>und</strong>funk _ 316 I Mitteldeutscher<br />
R<strong>und</strong>funk _ 318 I Norddeutscher R<strong>und</strong>funk<br />
_ 320 I Radio Bremen _ 322 I R<strong>und</strong>funk Berlin-<br />
Brandenburg _ 324 I Saarländischer R<strong>und</strong>funk _ 326 I<br />
Südwestr<strong>und</strong>funk _ 328 I Westdeutscher R<strong>und</strong>funk _<br />
330 I Grafik: Erträge <strong>und</strong> Aufwendungen 2009 _ 333<br />
Gesamtübersichten: Erträge aus Teilnehmergebüh-<br />
7
en _ 334 I Empfangsgeräte nach Einzugsgebieten _<br />
335 I Aufwendungen für die GEZ _ 336 I Aufwendun -<br />
gen für Befreiungsbearbeitung <strong>und</strong> Beauftragtendienst<br />
_ 336 I Anteil der Verwaltungskosten an den<br />
Gesamtkosten _ 336 I Ausstrahlungskosten _ 337 I<br />
Investitionen _ 337 I Besetzte Planstellen _ 338 I<br />
Finanzausgleich der <strong>ARD</strong> _ 338<br />
Deutsche Welle<br />
Ertrags- <strong>und</strong> Aufwandsrechnung _ 339 I<br />
Vermögensrechnung _ 340 I Investitionen _ 342<br />
Deutschlandradio<br />
Ertrags- <strong>und</strong> Aufwandsrechnung _ 343 I<br />
Vermögensrechnung _ 344 I Investitionen _ 346<br />
Werbestatistik 2009 _ 347<br />
Umsätze Werbefunk _ 348 I Umsätze Werbefernsehen<br />
_ 348 I Grafik: Programmanteile Werbefunk <strong>und</strong><br />
Werbefernsehen 2000 – 2009 _ 350<br />
Hörfunkstatistik 2009 _ 351<br />
Landesr<strong>und</strong>funkanstalten<br />
Bayerischer R<strong>und</strong>funk _ 352 I Hessischer R<strong>und</strong>funk _<br />
352 I Mitteldeutscher R<strong>und</strong>funk _ 354 I Norddeutscher<br />
R<strong>und</strong>funk _ 354 I Radio Bremen _ 356 I R<strong>und</strong>funk<br />
Berlin-Brandenburg _ 356 I Saarländischer R<strong>und</strong>funk _<br />
357 I Südwestr<strong>und</strong>funk _ 358 I Westdeutscher R<strong>und</strong>funk<br />
_ 358 I Gesamtübersicht _ 360<br />
Deutschlandradio<br />
Deutschlandradio Kultur <strong>und</strong> Deutschlandfunk _ 360<br />
Deutsche Welle<br />
Deutsches <strong>und</strong> Fremdsprachenprogramm _ 361<br />
Fernsehstatistik 2009 _ 362<br />
Erstes Deutsches Fernsehen<br />
Gesamtprogramm nach Erstsendungen <strong>und</strong> Wiederholungen<br />
_ 365 I Programmzulieferungen von <strong>ARD</strong>aktuell<br />
_ 365 I Gesamtprogramm nach Programmentstehung<br />
_ 366 I Grafik: Erstes Fernsehprogramm<br />
nach Erstsendungen, Wiederholungen <strong>und</strong> Programment<br />
stehung _ 366 I Grafik: Informationsanteil im Ersten<br />
<strong>und</strong> in den Dritten Programmen der <strong>ARD</strong> _ 367<br />
Dritte Fernsehprogramme<br />
Gesamtprogramme nach Ressorts _ 368 I Gesamtprogramme<br />
nach Programmentstehung _ 368 I Grafik:<br />
Dritte Fernsehprogramme nach Programmentste-<br />
hung _ 370<br />
Satellitenprogramm PHOENIX<br />
<strong>ARD</strong>-Anteil _ 368<br />
Satellitenprogramm KI.KA<br />
<strong>ARD</strong>-Anteil _ 369<br />
Satellitenprogramm 3sat<br />
<strong>ARD</strong>-Anteil nach Ressorts _ 370<br />
8 <strong>Inhalt</strong> A R D - J A H R B U C H 1 0<br />
Europäischer Kulturkanal ARTE<br />
<strong>ARD</strong>-Anteil nach Ressorts _ 371<br />
Bayerischer R<strong>und</strong>funk<br />
BR-alpha nach Ressorts <strong>und</strong> nach Erstsendungen/<br />
Wiederholungen _ 371<br />
Deutsche Welle<br />
DW-TV nach Sprachen _ 372 I DW-TV nach <strong>Inhalt</strong>en _<br />
372 I DW-TV nach Programmentstehung _ 372<br />
Medienforschungsdaten 2009 _ 373<br />
Hörfunknutzung 2009<br />
B<strong>und</strong>esweit _ 374 I BR-Sendegebiet _ 376 I HR-Sendegebiet<br />
_ 376 I MDR-Sendegebiet _ 377 I NDR-Sendegebiet<br />
_ 377 I Radio-Bremen-Sendegebiet _ 378 I<br />
RBB-Sendegebiet _ 378 I SR-Sendegebiet _ 379 I SWR-<br />
Sendegebiet _ 379 I WDR-Sendegebiet _ 380<br />
Fernsehen 2009<br />
Empfangspotenziale der Fernsehprogramme b<strong>und</strong>esweit<br />
2005 – 2009 _ 381 I Ebenen des Fernsehempfangs<br />
<strong>und</strong> Anzahl empfangbarer Programme 2005 – 2009 _<br />
381 I Nutzung b<strong>und</strong>esweit, Westdeutschland,<br />
Ostdeutschland, 2005 – 2009 _ 382 I Nutzung einzelner<br />
Programme in einzelnen Zeitabschnitten _ 383 I<br />
Grafik: Marktanteile einzelner Programme in der Prime<br />
Time _ 383 I Nutzung einzelner Programme in einzelnen<br />
Altersgruppen _ 384 I Marktanteile der Dritten<br />
Programme in den einzelnen Sendegebieten _ 384<br />
_ Dokumente<br />
Dreizehnter Staatsvertrag zur Änderung<br />
r<strong>und</strong>funkrechtlicher Staatsverträge<br />
(Dreizehnter R<strong>und</strong>funkänderungsstaatsvertrag)<br />
Vom 30. Oktober – 20. November 2009 _ 389<br />
Dreizehntes Gesetz zur Änderung des Gesetzes<br />
über den »Westdeutschen R<strong>und</strong>funk Köln«<br />
<strong>und</strong> des Landesmediengesetzes für das Land<br />
Nordrhein-Westfalen (LMG NRW)<br />
13. R<strong>und</strong>funkänderungsgesetz<br />
Vom 8. Dezember 2009 (Auszug) _ 395<br />
Gesetz zur Änderung des<br />
Bayerischen R<strong>und</strong>funkgesetzes <strong>und</strong><br />
des Bayerischen Mediengesetzes<br />
Vom 8. Dezember 2009 (Auszug) _ 403<br />
Gesetz zur Änderung r<strong>und</strong>funkrechtlicher<br />
Vorschriften<br />
Vom 24. Juni <strong>2010</strong> (Auszug) _ 404<br />
Art. 1: Änderung des Gesetzes über den Hessischen<br />
R<strong>und</strong>funk _ 404
Änderung des Radio-Bremen-Gesetzes<br />
Vom 23. März <strong>2010</strong> _ 406<br />
Fortentwicklung der »Bonner Beschlüsse«<br />
Auszug aus dem Bericht des <strong>ARD</strong>-Vorsitzenden an den<br />
Vorsitzenden der R<strong>und</strong>funkkommission der Länder<br />
Vom 16. November 2009 _ 409<br />
<strong>ARD</strong>-Richtlinien für Werbung, Sponsoring,<br />
Gewinnspiele <strong>und</strong> Produktionshilfe<br />
in der Fassung vom 12. März <strong>2010</strong> _ 410<br />
_ Register<br />
Personen _ 419 I Sachen _ 431 I Titel _ 440 I<br />
Abkürzungen _ 448 I Bildnachweis _ 451<br />
<strong>Inhalt</strong> A R D - J A H R B U C H 1 0<br />
9
<strong>Artikel</strong>
Mit 60 ein Best Ager<br />
Verlässlich <strong>und</strong> glaubwürdig in die Zukunft<br />
Von Peter Boudgoust<br />
60<br />
Jahresringe sind es inzwischen,<br />
schmalere für schwierige Jahre,<br />
dickere für gute. Die <strong>ARD</strong> ist in<br />
diesem Land gewachsen, stark<br />
geworden <strong>und</strong> auch in Zeiten sich verändernder<br />
»Lebensbedingungen« fest verwurzelt.<br />
Nie zuvor in unserer 60-jährigen Geschichte<br />
ist aber soviel darüber diskutiert worden, was<br />
wir dürfen <strong>und</strong> – vor allem – was nicht. Für das<br />
Internet haben wir inzwischen Klarheit: Die<br />
Dreistufentests sind abgeschlossen <strong>und</strong> bestätigen,<br />
dass unsere Internetangebote vor allem<br />
publizistisch unverzichtbar sind. Wer die Onlineauftritte<br />
der Landesr<strong>und</strong>funkanstalten oder<br />
etwa <strong>ARD</strong>.de, DasErste.de oder tagesschau.de<br />
nutzt, bekommt vielfältige Informationen <strong>und</strong><br />
Nachrichten aus allen wichtigen Bereichen.<br />
Information, Bildung <strong>und</strong> Unterhaltung – die<br />
drei Gr<strong>und</strong>pfeiler des öffentlich-rechtlichen<br />
Auftrages sind auch im Internet das Maß der<br />
Dinge. Natürlich ist es vor allem aus Sicht der<br />
Nutzer bedauerlich, dass wir mehr als eine<br />
Million Dokumente löschen oder depublizieren<br />
mussten <strong>und</strong> künftig <strong>Inhalt</strong>e nach Ablauf<br />
bestimmter Fristen aus dem Netz nehmen müssen.<br />
An der Qualität unserer Angebote ändert<br />
sich dadurch aber nichts. Im Gegenteil: Wir<br />
werden unser Profil weiter schärfen.<br />
Nun sollte man aber auch meinen, dass am<br />
Ende der Verfahren endlich die Stimmen verstummen,<br />
die hartnäckig das Gerücht befeuern,<br />
dass hochprofitable Zeitungsverlage <strong>und</strong> kommerzielle<br />
Sender durch uns <strong>und</strong> unsere Internetangebote<br />
in ihrer Existenz bedroht seien. Doch<br />
das Mantra von der angeblichen Schieflage <strong>und</strong><br />
Online-Expansion der Öffentlich-Rechtlichen<br />
klingt weiter. Das Depublizieren in unseren<br />
Angeboten beweist das Gegenteil. Außerdem<br />
machen die Online-Angebote der <strong>ARD</strong> auf<br />
Deutschland bezogen nach IVW-Erhebung<br />
(Informationsgemeinschaft zur Feststellung der<br />
Verbreitung von Werbeträgern e.V.) weniger als<br />
ein Prozent aus. Das ist also nicht einmal ein<br />
Stück vom großen Kuchen, sondern ein kleines<br />
Häppchen. Und auch sonst belegen nackte Zahlen<br />
am besten, dass ausgerechnet diejenigen,<br />
die am lautesten die angebliche Ungerechtigkeit<br />
beklagen, wirtschaftlich besonders gut dastehen.<br />
Die Axel Springer AG zum Beispiel hat<br />
im ersten Halbjahr <strong>2010</strong> einen Rekordgewinn<br />
erzielt <strong>und</strong> profitierte dabei von Wachstumseffekten<br />
im digitalen Geschäft. Ähnlich sieht es<br />
bei kommerziellen TV-Sendern wie etwa der<br />
Mediengruppe RTL aus. Die erwirtschaftete im<br />
absoluten Krisenjahr 2009 eine Traumrendite<br />
<strong>und</strong> erzielte vor allem wegen des wachsenden<br />
Fernsehwerbemarktes in Deutschland in den<br />
ersten sechs Monaten diesen Jahres das beste<br />
Ergebnis der Firmengeschichte. Erfolgsmeldun-<br />
gen sind auch von der ProSiebenSat.1 Media<br />
AG zu hören – trotz einer von den Finanzinvestoren<br />
aufgehäuften Schuldenlast. Respekt.<br />
Aber wieso dann immer wieder Selbstmitleid<br />
<strong>und</strong> Frontalangriff? Wir sind ganz sicher keine<br />
ökonomische Bedrohung – für niemanden. Die<br />
wirklichen Gegner im Kampf um Marktanteile<br />
im Internet sind ganz andere, zum Beispiel<br />
Google, Facebook <strong>und</strong> YouTube. Wir stehen<br />
mit unseren publizistisch wertvollen <strong>Inhalt</strong>en<br />
Editorial A R D - J A H R B U C H 1 0 13
für eine unabhängige, keinerlei kommerziellen<br />
Zwängen unterworfene Berichterstattung. Wir<br />
spielen fair <strong>und</strong> halten uns an die Regeln, die<br />
der Gesetzgeber vorgibt. Aber vermutlich geht<br />
es manchem Konkurrenten gar nicht mal um<br />
eine subjektiv empf<strong>und</strong>ene – wenn auch faktisch<br />
nicht vorhandene – Gefährdung, sondern<br />
um etwas ganz anderes: den Versuch, das duale<br />
System auszuhebeln <strong>und</strong> so eine neue Medienordnung<br />
anzustreben. Eine Ordnung, die sich<br />
nicht mehr in erster Linie an den Wünschen<br />
<strong>und</strong> Interessen der Menschen orientiert. Eine<br />
Ordnung, in der es vor allem um Profit geht,<br />
in der ökonomisches Streben wichtiger ist als<br />
das, was für unsere Gesellschaft wichtig <strong>und</strong> gut<br />
ist. Die <strong>ARD</strong> jedenfalls steht in der deutschen<br />
Medienlandschaft für unabhängige Berichterstattung<br />
<strong>und</strong> ist eine elementare Stütze unserer<br />
Demokratie.<br />
Ein deutliches Bekenntnis zum öffentlichrechtlichen<br />
R<strong>und</strong>funk haben die Ministerpräsidenten<br />
abgegeben mit ihrem neuen Modell zur<br />
R<strong>und</strong>funkfinanzierung, das modern <strong>und</strong> zukunftsfähig<br />
ist. Künftig soll es einen R<strong>und</strong>funkbeitrag<br />
pro Wohnung geben; der Besitz eines<br />
Radios oder Fernsehers, mit denen R<strong>und</strong>funk<br />
empfangen werden kann, ist dann nicht mehr<br />
entscheidend. Und das ist gerade mit Blick auf<br />
die technische Entwicklung vor allem bei mobilen<br />
Geräten folgerichtig. Die Politik will auch<br />
der hohen Zahl an Schwarzsehern bzw. -hörern<br />
begegnen <strong>und</strong> Hausbesuche von Gebührenbeauftragten<br />
weitgehend verzichtbar machen.<br />
Vieles dürfte einfacher werden – auch deshalb<br />
begrüßen wir das Modell der Länder. Wir gehen<br />
davon aus, dass wir durch die Umstellung<br />
nicht mehr Geld bekommen als jetzt, hoffen<br />
aber, dass der Trend zu immer weniger Einnahmen<br />
gestoppt werden kann <strong>und</strong> die Akzeptanz<br />
insgesamt gestärkt wird.<br />
Selbst dazu beitragen können wir am besten<br />
mit gutem Programm, das die Menschen erreicht,<br />
glaubwürdig ist, verlässlich <strong>und</strong> auf dem<br />
aktuellen Stand der Technik. Seit den Olympischen<br />
Winterspielen im Februar in Vancouver<br />
sendet Das Erste HD r<strong>und</strong> um die Uhr in High<br />
Definition – ohne Zusatzkosten, auch in Zukunft.<br />
Seither können unsere Zuschauer noch<br />
schärfere Bilder sehen als zuvor. Auch bei der<br />
Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika hat das<br />
für einen noch nie da gewesenen Fernsehgenuss<br />
gesorgt. Und der Anteil unserer nativen, also<br />
bereits in HD produzierten Sendungen steigt<br />
weiter. Jetzt schon sind das neben großen Sportereignissen<br />
vor allem Fernsehfilme, Dokumentationen<br />
<strong>und</strong> Magazine. Die Vorzüge jedenfalls<br />
sind seh- <strong>und</strong> hörbar. Ganz nebenbei haben wir<br />
bei der FIFA WM auch noch einen Rekord aufgestellt:<br />
Mehr als 31 Millionen Zuschauer haben<br />
das Halbfinale Deutschland gegen Spanien am<br />
Fernseher verfolgt, soviele wie nie zuvor. Das<br />
zeigt, dass wir richtig liegen, wenn wir derartige<br />
Sportveranstaltungen übertragen, Ereignisse,<br />
die ganz viele Menschen bewegen <strong>und</strong> ein gene -<br />
ratio nenübergreifendes Gemeinschaftsgefühl<br />
erzeugen. Wo, wenn nicht im öffentlich-rechtlichen<br />
R<strong>und</strong>funk, ist dafür der geeignete Platz?<br />
Auch Lena Meyer-Landrut ist ein gutes Beispiel<br />
dafür: Ein ganzes Land hat der Kandidatin, die<br />
vom Ersten, von Stefan Raab <strong>und</strong> den Popwellen<br />
der <strong>ARD</strong> gemeinsam gef<strong>und</strong>en wurde,<br />
die Daumen gedrückt. Der Eurovision Song<br />
Contest <strong>2010</strong> <strong>und</strong> der deutsche Sieg haben<br />
eine nicht gekannte b<strong>und</strong>esweite Begeisterung<br />
erzeugt, die noch lange nicht abgeebbt ist. Im<br />
kommenden Jahr werden wir nun selbst das<br />
Musikspektakel ausrichten.<br />
Das wird ein finanzieller Kraftakt – in<br />
Zeiten, in denen mehr denn je Sparen angesagt<br />
ist. Jede Landesr<strong>und</strong>funkanstalt hat spürbare<br />
Gebührenrückgänge zu verzeichnen, <strong>und</strong> wir<br />
alle müssen uns fragen, was wir uns künftig leisten<br />
wollen <strong>und</strong> können <strong>und</strong> was nicht. Schon<br />
jetzt intensivieren wir Kooperationen untereinander,<br />
harmonisieren technische Standards<br />
<strong>und</strong> gemeinsame Anschaffungen. Vieles davon<br />
ist unsichtbar <strong>und</strong> geschieht geräuschlos, was<br />
gut ist, denn Zuschauer, Hörer <strong>und</strong> Nutzer<br />
unserer Angebote sollen im Ergebnis von den<br />
Einsparungen so wenig wie möglich merken<br />
<strong>und</strong> auch in Zukunft vielfältige Angebote mit<br />
einem gewohnt hohen Qualitätsstandard von<br />
uns erhalten.<br />
Zu unseren 60 Jahresringen werden noch<br />
viele dazukommen. Um weiter zu gedeihen<br />
<strong>und</strong> zu blühen, beschneiden wir jetzt gezielt<br />
ein paar Äste, manche werden vielleicht sogar<br />
entfernt. Und natürlich geht es auch nicht ohne<br />
angemessene Licht- <strong>und</strong> Wasserzufuhr. Wenn<br />
also alles optimal zusammenkommt, dann werden<br />
wir ganz sicher kraftvoll <strong>und</strong> stark bleiben.<br />
14 <strong>Artikel</strong> A R D - J A H R B U C H 1 0
60 Jahre <strong>ARD</strong> – auf einer »Sentimental Journey« durch-<br />
streift Lutz Hachmeister Jahrzehnte seiner eigenen<br />
Medien-Biografie, er schaut auf <strong>ARD</strong>-Programme <strong>und</strong><br />
-Persönlichkeiten, lässt wichtige r<strong>und</strong>funkpolitische<br />
Ereignisse Revue passieren <strong>und</strong> berichtet von seinen<br />
vielfältigen Erfahrungen als Journalist, Kritiker,<br />
Autor <strong>und</strong> Filmproduzent. Heute ist Lutz Hachmeister<br />
Professor für Mediengeschichte <strong>und</strong> -politik an<br />
der Universität Dortm<strong>und</strong> <strong>und</strong> Geschäftsführer der<br />
Kölner Gesellschaft für Medienberatung HMR<br />
International. Im Februar 2006 eröffnete Hachmeister<br />
das wissenschaftliche Institut für Medien- <strong>und</strong><br />
Kommunikationspolitik (IfM) in Berlin-Charlottenburg.<br />
Seit 1997 übernimmt Hachmeister Regie <strong>und</strong> Kon-<br />
zeption für dokumentarische TV-Formate <strong>und</strong> Dokumen-<br />
tarfilme, einige davon inzwischen preisgekrönt.<br />
Foto oben: »Alma Mater«, Fernsehspiel<br />
von Dieter Meichsner <strong>und</strong> Rolf Hädrich<br />
Meine Jahre mit der <strong>ARD</strong><br />
Ein kritischer Beobachter schaut zurück<br />
Von Lutz Hachmeister<br />
M<br />
eine Zusammenarbeit mit den<br />
Sendern der <strong>ARD</strong> hat mir Begegnungen<br />
mit ehemaligen Attentätern<br />
der Rote Armee Fraktion<br />
(RAF), mit SPD-Parteivorsitzenden, mit Industrielenkern<br />
wie Edzard Reuter <strong>und</strong> Eberhard<br />
von Brauchitsch <strong>und</strong> auch mit dem Keyborder<br />
von Rammstein eingebracht. Für ZDF-Produktionen<br />
habe ich Claudia Cardinale, Omar<br />
Sharif, Sheikh Mohammed Al Maktoum oder<br />
Peter Lindbergh beim Shooting mit Isabella<br />
Rossellini interviewt. Meine Zeit mit, für <strong>und</strong><br />
mitunter auch gegen die <strong>ARD</strong> – als Autor, Kritiker,<br />
Beobachter – war wohl härter, politischer<br />
<strong>und</strong> mehr auf Entscheidungen gerichtet als die<br />
Engagements beim öffentlich-rechtlichen Konkurrenten<br />
– jedenfalls bislang.<br />
_ Erste Fernseherfahrungen<br />
In meiner Kindheit gab es zunächst nur »das<br />
Fernsehen«, ohne für meine Generation bedeutsame<br />
Sendermarken, in Schwarz-Weiß. Meine<br />
Eltern kauften sich zur Fußball-Weltmeisterschaft<br />
1966 ihr erstes TV-Gerät. Meine Altersgenossen<br />
<strong>und</strong> ich sahen »Immer wenn er Pillen<br />
nahm«, »Percy Stuart« oder »Belphegor«, ohne<br />
diese Programme <strong>ARD</strong> oder ZDF zuordnen zu<br />
können. Ein so einschneidendes Ereignis des<br />
Unterhaltungsfernsehens wie »Wünsch Dir was«<br />
mit Dietmar Schönherr <strong>und</strong> Vivi Bach hätte ich<br />
auch später ohne Umschweife immer der <strong>ARD</strong><br />
zugeordnet. In Wirklichkeit lief diese Show, mit<br />
der die sexuelle Revolution blitzartig mit den<br />
»Vollprogrammen« kompatibel schien – »die<br />
17-jährige Kandidatin Leonie Stöhr ließ in der<br />
Meine Jahre mit der <strong>ARD</strong> A R D - J A H R B U C H 1 0 15
Sendung vom 7. November 1970 ihre Brüste in<br />
einer transparenten Bluse sehen«, wie man noch<br />
heute bei Wikipedia detailliert nachlesen kann –,<br />
von 1969 bis 1972 unter Federführung des ORF<br />
beim ZDF.<br />
_ Die publizistische Weiterentwicklung<br />
Später lernte man natürlich in der politischen<br />
Ausrichtung das »ZDF-Magazin« von »Monitor«<br />
oder »Panorama« zu unterscheiden, aber<br />
die <strong>ARD</strong> als solche kam vor allem in mein<br />
Bewusstsein, als ich 1978 begann, Publizistik<br />
an der Universität Münster zu studieren. Die<br />
damals noch kleine Disziplin war erheblich<br />
politisierter als die heutige akademisch-brave<br />
Rudolf Rohlinger (l.) <strong>und</strong><br />
Claus-Hinrich Casdorff im Interview<br />
»Medienwissenschaft«. Führende Fachvertreter<br />
wie Peter Glotz oder Harry Pross, Wolfgang<br />
Langenbucher, Elisabeth Noelle-Neumann oder<br />
Otto B. Roegele waren mindestens so sehr in<br />
der praktischen Publizistik zu Hause wie in der<br />
Wissenschaft.<br />
Damals kündigten die CDU-Ministerpräsidenten<br />
Ernst Albrecht <strong>und</strong> Gerhard Stoltenberg<br />
den Staatsvertrag über den NDR, um ihn politisch<br />
zu »regionalisieren«. Es gab heftige Debatten<br />
um den angeblichen »Rotfunk« <strong>und</strong> die<br />
zu anarchistische WDR-»Radiothek«. Helmut<br />
Schmidt forderte den fernsehfreien Sonntag,<br />
die Einrichtung von Kabelpilotprojekten nebst<br />
(letztlich völlig folgenloser) Begleitforschung<br />
wurde beschlossen. Schließlich setzte das<br />
Trio Helmut Kohl, Leo Kirch <strong>und</strong> Christian<br />
Schwarz-Schilling den Privatfunk in (West-)<br />
Deutschland durch. Als Student hatte ich recht<br />
früh begonnen, medienpolitische Texte für<br />
die (von der Evangelischen Kirche herausgege-<br />
bene) Monatszeitschrift »medium« zu publizieren,<br />
mit deutlicher Gr<strong>und</strong>sympathie für das<br />
öffentlich-rechtliche R<strong>und</strong>funkprinzip, <strong>und</strong> so<br />
interviewte ich auch die damaligen Pressechefs<br />
Michael Schmid-Ospach (WDR) <strong>und</strong> Hansjörg<br />
Bessler (SDR) über die Möglichkeit einer<br />
öffentlich-rechtlichen Programmzeitschrift nach<br />
BBC-Vorbild. Damals galt noch Hans Bauschs<br />
Doktrin von der publizistischen Gewaltenteilung<br />
zwischen öffentlich-rechtlichem R<strong>und</strong>funk<br />
<strong>und</strong> privatwirtschaftlich organisierter Presse,<br />
<strong>und</strong> so waren sich die beiden <strong>ARD</strong>-Strategen<br />
einig, die Karte einer »Hörzu« der <strong>ARD</strong> nur »in<br />
einer Notwehrsituation« zu ziehen.<br />
_ Journalistische Gehversuche<br />
Als Student verbrachte man den wesentlichen<br />
Teil seiner Zeit in der Kneipe <strong>und</strong> im Kino,<br />
so dass sich die Rezeption von <strong>ARD</strong>-Fernsehprogrammen<br />
auf die »Sportschau« <strong>und</strong> gelegentliche<br />
»Tatorte« reduzierte – Präferenzmedium<br />
war deutlich der Hörfunk, vor allem das<br />
WDR-2-»Morgenmagazin« mit Gisela Marx<br />
oder Carola Stern. Interessanterweise gibt es bis<br />
heute keine zureichende Forschung über die<br />
Medienrezeption von Studenten, obwohl doch<br />
alle Medienunternehmen an der Nachwuchs-<br />
Elite als potenzielles Publikum interessiert sind.<br />
Im Studium lernte ich (über eine Lehrveranstaltung<br />
zur »Radiothek«) den WDR-Hörfunkredakteur<br />
Lothar Fend kennen, der mir die<br />
Möglichkeit eröffnete, an Hörfunk-Features zu<br />
arbeiten: über Georges Simenon, über Ulrike<br />
Meinhof, über den »SPIEGEL«, die außerparlamentarische<br />
Opposition in der Adenauer-Zeit<br />
<strong>und</strong> den von mir sehr bew<strong>und</strong>erten kanadischen<br />
Medienforscher Marshall McLuhan<br />
– für mich damals wie heute das Alpha <strong>und</strong><br />
Omega jeder avancierten Medientheorie. Die<br />
Honorare waren bescheiden, aber verlockend<br />
war die Möglichkeit, mit der »Nagra«, einem<br />
transportablen Tonbandgerät, loszuziehen <strong>und</strong><br />
in die biografische Nachwelt Ulrike Meinhofs<br />
einzutauchen; aus jener Zeit resultiert meine<br />
Bekanntschaft mit Stefan Aust.<br />
_ Erste Schritte als Fernsehkritiker<br />
1984 zog ich nach Berlin; mein Münsteraner<br />
Promotionsverfahren hing durch zwei formale<br />
Gegengutachten längere Zeit in der Luft; das<br />
eingemauerte Westberlin, obwohl geografisch<br />
weit im Osten, war immerhin Deutschlands<br />
16 <strong>Artikel</strong> A R D - J A H R B U C H 1 0
größte Stadt, machte durch Hausbesetzer, »taz«<br />
<strong>und</strong> Clubszene von sich reden (popkulturell<br />
war Münster allerdings auch erstaunlich weit<br />
vorne). Und nicht zuletzt: In Westberlin drohte<br />
kein Wehrdienst. Ich schrieb, neben der Arbeit<br />
an den WDR-Hörfunkessays, vor allem Fernsehkritiken<br />
<strong>und</strong> <strong>Artikel</strong> für die in Branchenkreisen<br />
seinerzeit wohl noch stärker beachtete Fachkorrespondenz<br />
»epd – Kirche <strong>und</strong> R<strong>und</strong>funk«<br />
– als Chefredakteur amtierte Hendrik Schmidt,<br />
bald darauf einer der frühen RTL-Fernsehmanager<br />
<strong>und</strong> später Ghostwriter der Memoiren von<br />
Danièle Thoma. Bald wurde ich der epd-Spezialist<br />
für den Sender Freies Berlin (SFB) <strong>und</strong> einer<br />
der drei, vier frühen »Medienjournalisten«, die<br />
sich mit der ebenso putzigen wie komplizierten<br />
publizistischen Szene Westberlins beschäftigten.<br />
Für den SFB schien der Begriff »Intendantenkrise«<br />
eigens erf<strong>und</strong>en worden zu sein. Vor<br />
meiner Berliner Zeit hatte der ehemalige SPD-<br />
Parteisprecher Franz Barsig in zwei Amtsperioden<br />
die kleine Anstalt vergeblich mit harter<br />
Hand zu führen versucht (»Sender Franz Barsig«).<br />
Im Gefolge der 1968er-Bewegung wähnte<br />
er zunehmend Haschrebellen <strong>und</strong> ideologische<br />
Wühlmäuse im eigenen Haus <strong>und</strong> auch bei<br />
anderen <strong>ARD</strong>-Sendern (besonders bei WDR<br />
<strong>und</strong> SWF), die seiner Meinung nach geistige<br />
Unterstützungsdienste für die RAF <strong>und</strong> andere<br />
harte Gesetzesbrecher leisteten. Nun hat wohl<br />
kein einziges <strong>ARD</strong>-Programm jemals irgendwen<br />
in die Hände von Terroristen oder in die<br />
harte Drogenszene gelotst. Aber Barsig schrieb<br />
später ein bitteres, heute ganz vergessenes, aber<br />
für medienpolitisch Interessierte wieder lesenswertes<br />
Buch über die »öffentlich-rechtliche Illusion«,<br />
in dem er für eine scharfe Begrenzung<br />
der Wirkungsmöglichkeiten des öffentlichrechtlichen<br />
Systems plädierte.<br />
Der SFB jedenfalls war personalpolitisch<br />
zerrüttet, die Gr<strong>und</strong>stimmung bei den Redakteuren<br />
depressiv bis wütend. Im R<strong>und</strong>funkrat<br />
dominierte inzwischen Eberhard Diepgens<br />
Mann fürs Grobe, der CDU-Fraktionsvorsitzende<br />
Klaus-Rüdiger Landowsky, als eine Art<br />
ständiger Neben-Intendant. Im Intendantenamt<br />
selbst hätten es in dieser Situation auch<br />
taktisch-strategische Genies nicht leicht gehabt.<br />
Der im August <strong>2010</strong> verstorbene Lothar Loewe<br />
verstand sich mehr als publizistischer Frontstadtkommandant<br />
<strong>und</strong> glaubte irrigerweise, von<br />
seinem Ruf als Vollblutjournalist länger zehren<br />
zu können. Sein Nachfolger Günter Herrmann,<br />
der ehemalige WDR-Justiziar, war ein wenig zu<br />
stolz darauf, den r<strong>und</strong>funkrechtlichen Kernbegriff<br />
der »Gr<strong>und</strong>versorgung« erf<strong>und</strong>en zu haben.<br />
Beide scheiterten vorzeitig <strong>und</strong> mit allerlei<br />
Getöse.<br />
Programmpolitisch wurde im SFB-Fernsehen<br />
Heinz Drache, den man vor allem aus<br />
den Edgar-Wallace-Verfilmungen kannte, als<br />
»Tatort«-Kommissar reaktiviert. In der SFB-<br />
»Abendschau« dominierte mir zu sehr der Ton-<br />
»Tatort« des SFB aus dem Jahr 1986:<br />
»Kleine Kanaille«, mit Heinz Drache (r.)<br />
als Hauptkommissar Bülow,<br />
Anja Jaenicke <strong>und</strong> Herbert Herrmann<br />
fall der Laubenpieper <strong>und</strong> Zehlendorfer (das<br />
war nicht das ganze SFB-Programm, um fair zu<br />
bleiben, es gab auch eine Talkshow wie »Leute«<br />
oder den »s-f-beat« im Hörfunk). Die SFB-Beobachtung<br />
brachte mir meine erste feste Stelle<br />
beim »Tagesspiegel« <strong>und</strong> den Auftrag ein, eine<br />
»Medienseite« zu gestalten, in der, so mein Vorschlag,<br />
nicht nur Hörfunk <strong>und</strong> Fernsehen, sondern<br />
auch Medienpolitik <strong>und</strong> -forschung, Pressekritik<br />
<strong>und</strong> die Ökonomie des publizistischen<br />
Gewerbes verhandelt werden sollten. Das klang<br />
für die Verlagsleitung des damaligen »Tagesspiegel«,<br />
die mit einer geplanten b<strong>und</strong>esweit<br />
vertriebenen Sonntagsausgabe überregionale<br />
Ambitionen hatte, zunächst attraktiv <strong>und</strong> modern,<br />
führte aber zwangsläufig zu zahlreichen<br />
Konflikten, da der »Tagesspiegel« natürlich medienpolitisch<br />
selbst Partei war, etwa in Fragen<br />
des Video- <strong>und</strong> Bildschirmtextes oder des RIAS-<br />
Meine Jahre mit der <strong>ARD</strong> A R D - J A H R B U C H 1 0 17
Fernsehens. Am Sturz der Intendanten Loewe<br />
<strong>und</strong> Herrmann hatte meine Kommentierung<br />
sicherlich Anteil. Ich bin darauf nicht stolz,<br />
im Gegenteil, diese ersten Berliner Jahre mit<br />
ihren Durchstechereien <strong>und</strong> Vereinnahmungen<br />
lehrten mich, einen überforcierten Journalismus<br />
ad personam kritisch zu betrachten, zumindest<br />
dann, wenn er zum Selbstzweck des publizistischen<br />
Angriffs wird. Einen <strong>Artikel</strong> für den<br />
»Tagesspiegel«, in dem ich dem SFB nach der<br />
Wahl von Günther von Lojewski zum Intendanten<br />
einen weiteren Absturz in die Bedeutungslosigkeit<br />
voraussagte, nahm die Chefredaktion<br />
ohne mein Wissen aus dem Blatt. Das<br />
war zu verschmerzen, da ich bereits der designierte<br />
Nachfolger von Hans Janke in der Leitung<br />
des Grimme-Instituts war.<br />
_ Im Adolf-Grimme-Institut<br />
Bei den Kuratoriumssitzungen des Grimme-<br />
Instituts in Marl, in der für viele unwirtlichen<br />
Emscher-Lippe-Provinz, sollte ich dann Günter<br />
Struve wiedertreffen, der dort, wenn ich mich<br />
recht erinnere, WDR-Vertreter in diesem erstaunlich<br />
hochrangig besetzten Gremium war.<br />
Struve <strong>und</strong> vor allem <strong>ARD</strong>-Programmdirektor<br />
Dietrich Schwarzkopf haben bei »Grimme«,<br />
mitunter kopfschüttelnd <strong>und</strong> mit feiner Ironie,<br />
sehr verlässlich meine Kante gehalten, wenn<br />
es zu Auseinandersetzungen mit Vertretern des<br />
Deutschen Volkshochschulverbandes (dem<br />
Träger des Instituts) oder Referenten des B<strong>und</strong>esministeriums<br />
für Bildung <strong>und</strong> Wissenschaft<br />
kam, zumeist in der Frage, wie stark Erwachsenenbildung<br />
oder praktisch-strategische Medienkritik<br />
(respektive medienpolitische Interventionen)<br />
in der Institutsarbeit gewichtet werden<br />
sollten.<br />
Qualitätsfernsehen gestern . . . :<br />
»Alma Mater« von Dieter Meichsner (1969,<br />
Foto links) <strong>und</strong> »Vier St<strong>und</strong>en vor Elbe 1«<br />
(1968) von Eberhard Fechner, mit Helga<br />
Feddersen (r.) <strong>und</strong> Carsta Löck (Foto oben)<br />
Mein Vorgänger Hans Janke, der zum ZDF-<br />
Fernsehspiel gewechselt war, hatte bereits mit<br />
seinen Vorstellungen von der zu preisenden<br />
»Qualität im Populären« vieles bewegt; ich<br />
selbst war der Meinung, dass auch außerordentliche<br />
Programmleistungen des Privatfernsehens<br />
gerade bei der Vergabe der Grimme-Preise sofort<br />
zu berücksichtigen waren – also mit den<br />
kreativen Köpfen von RTL oder Sat.1 nicht<br />
nach der Devise »Spiel nicht mit den Schmuddelkindern«<br />
verfahren werden durfte. So kam<br />
es etwa dazu, dass Marcel Ophüls seinen Film<br />
»Novembertage«, den Helmut Thoma mit einer<br />
spontanen Schlussfinanzierung für RTL eingekauft<br />
hatte, in Marl vorab präsentierte – ein<br />
heute <strong>und</strong>enkbarer Vorgang.<br />
Auf der anderen Seite waren die großen Autoren<br />
<strong>und</strong> Reporter des öffentlich-rechtlichen<br />
Fernsehens zu pflegen <strong>und</strong> ermutigen: Eberhard<br />
Fechner, Heinrich Breloer <strong>und</strong> Horst Königstein,<br />
Hajo Friedrichs, Georg Stefan Troller<br />
oder Dieter Meichsner, dessen »Alma Mater«<br />
ich schon aus formalästhetischen Gründen<br />
für eines der ungewöhnlichsten Fernsehspiele<br />
halte, das im <strong>ARD</strong>-Verb<strong>und</strong> jemals produziert<br />
wurde (übrigens mit Hans Bausch in der Rolle<br />
des Rektors der Freien Universität Berlin). Über<br />
»Grimme« gäbe es viel Anekdotisches <strong>und</strong><br />
Persönliches zu erzählen – bei einer Preisverleihung<br />
hatten etwa die vier ZDF-»Bellheimer«<br />
18 <strong>Artikel</strong> A R D - J A H R B U C H 1 0
Mario Adorf, Will Quadflieg, Heinz Schubert<br />
<strong>und</strong> Hans Korte mein Chefbüro als Redoute<br />
okkupiert, hielten mich für einen Beauftragten<br />
vom Service <strong>und</strong> verlangten, dass »der nette<br />
junge Mann« ein ums andere Mal die Versorgung<br />
mit westfälischem Pils übernehmen sollte.<br />
Einiges aus jenen Tagen hat institutionell bis<br />
heute überlebt: so die jährliche »Cologne Conference«<br />
als Forum für internationales Fernsehen<br />
<strong>und</strong> die globale Medienentwicklung oder<br />
das »<strong>Jahrbuch</strong> Fernsehen« für die unabhängige<br />
Fernseh- <strong>und</strong> Medienkritik (soweit vorhanden).<br />
Bei »Grimme« kam es allerdings auch zu<br />
dem härtesten Clash mit der <strong>ARD</strong>, als 1993<br />
einer meiner <strong>Artikel</strong> für »Die Woche« unversehens<br />
unter der Überschrift »Adieu <strong>ARD</strong>« als<br />
Titelstory erschien – pünktlich zur Eröffnung<br />
der Berliner Funkausstellung. Manfred Bissinger<br />
hatte mich – mit einem für heutige Verhältnisse<br />
fürstlichen Autorenhonorar – als medienpolitischen<br />
Kommentator für dieses neue Periodikum,<br />
das der »ZEIT« Konkurrenz machen<br />
wollte, engagiert. Meine <strong>Artikel</strong> waren auf Wirkung<br />
getextet, sie sollten <strong>und</strong> wollten Folgen<br />
haben: Darunter litten der damalige Premiere-<br />
Chef Bernd K<strong>und</strong>run (der seinen Mitarbeitern<br />
schriftlich verbot, einen meiner Texte demonstrativ<br />
in ihren Büros aufzuhängen), immer wieder<br />
der Bertelsmann-Konzern, der gerade die<br />
luxemburgische CLT übernahm, oder auch der<br />
Sender VOX, der dann (allerdings ohne mein<br />
Zutun) rasch insolvent wurde.<br />
Der konkrete Anlass für den <strong>ARD</strong>-<strong>Artikel</strong><br />
bestand darin, dass sich der WDR-Intendant<br />
Friedrich Nowottny recht brüsk <strong>und</strong>, wie ich<br />
fand, mit jener Überheblichkeit, in die große<br />
öffentlich-rechtliche Sender manchmal verfallen,<br />
von einem eigentlich verabredeten<br />
WDR-Engagement des Star-Interviewers Roger<br />
Willemsen (»0137« auf Premiere) verabschiedet<br />
hatte. Zudem hatte »Die Woche«-Redaktion<br />
manche Textstellen gekürzt <strong>und</strong> verschärft (worüber<br />
man sich als Journalist allerdings nie über<br />
Gebühr beklagen sollte), <strong>und</strong> natürlich hatte<br />
ich mit der Formulierung, das <strong>ARD</strong>-Logo habe<br />
»leise Anklänge an die faschistische Ästhetik«<br />
den Bogen auch deutlich überspannt. Es kam<br />
nun faktisch <strong>und</strong> im Tonfall zu verschärften<br />
Reaktionen: Der WDR drohte mit dem Entzug<br />
von Fördergeldern für das Institut, was die ohnehin<br />
gr<strong>und</strong>ängstlichen Mitarbeiter weiter mit<br />
Sorgen belud. Jobst Plog erk<strong>und</strong>igte sich bei<br />
NRW-Ministerpräsident Rau <strong>und</strong> bei der DVV-<br />
Vorsitzenden Rita Süssmuth, wie sicher ich im<br />
Amt sei (um es milde zu formulieren) – <strong>und</strong> im<br />
Nachhinein betrachtet ist es bei der Gemenge-<br />
<strong>und</strong> Gegnerlage auch ein kleines W<strong>und</strong>er, dass<br />
ich dann noch zwei eher ruhige Jahre im Marler<br />
Institutsdirektorat blieb.<br />
_ Neue Herausforderungen:<br />
von der Theorie zur Praxis<br />
Während der Arbeit bei »Grimme« hatte ich<br />
mir vorgenommen, irgendwann mit dem praktischen<br />
Fernseh- <strong>und</strong> Filmemachen zu beginnen<br />
– mit den Jurys über Timing, Text-Bild-Scheren<br />
oder Suspense zu diskutieren, war wohlfeil, es<br />
selbst zu probieren eine andere Herausforderung.<br />
Dazu kam eine auch durch das <strong>ARD</strong>-<br />
. . . <strong>und</strong> heute:<br />
»Eichmanns Ende – Liebe, Verrat, Tod«, mit<br />
Cornelia Kempers <strong>und</strong> Herbert Knaup<br />
(Foto links), <strong>und</strong> »Takiye – Spur des Terrors«,<br />
mit Erhan Emre (l.) <strong>und</strong> Ali Sürmeli (Foto<br />
rechts), liefen <strong>2010</strong> im Ersten.<br />
Meine Jahre mit der <strong>ARD</strong> A R D - J A H R B U C H 1 0 19
Programm – mit seinem »Film-Festival« oder<br />
den Reihen über die Nouvelle Vague – frühzeitig<br />
geweckte Faszination für die Kontingenz<br />
der audio-visuellen Ästhetik. »Collidoskope«<br />
(McLuhan) wie Doku-Dramen oder der Zusammenhang<br />
zwischen »gegenläufiger« Faktenrecherche<br />
<strong>und</strong> Dokumentarfilm begeistern mich<br />
bis heute. Für mein erstes 45-minütiges Fernseh-<br />
Feature begab ich mich, gemeinsam mit den<br />
Kollegen Freddie Röckenhaus <strong>und</strong> Petra Höfer,<br />
auf eher sicheres Terrain: Unter dem Titel »Der<br />
Bauch des Fernsehens« zeigten wir deutsche<br />
Programm-Manager <strong>und</strong> Einkäufer bei der MIP-<br />
TV in Cannes. Ermöglicht hat diese Reportage<br />
der dann früh verstorbene WDR-Redakteur<br />
Knut Fischer.<br />
Die Produktionen für <strong>ARD</strong>-Sender beschäftigten<br />
sich mit aufwändiger recherchierten zeitgeschichtlichen<br />
Themen, die nach Möglichkeit<br />
auch über das rein Filmische hinaus neue his-<br />
»Fre<strong>und</strong>schaft! Die Freie Deutsche Jugend«<br />
toriografische Fakten zutage fördern sollten: so<br />
eine Dokumentation über das US War Criminal<br />
Prison Nr. 1 in Landsberg (WDR/BR 2001),<br />
die Biografie des von der RAF ermordeten<br />
Arbeitgeber-Präsidenten Hanns Martin Schleyer<br />
(WDR/NDR, 2003) oder die Geschichte der<br />
Freien Deutschen Jugend (»Fre<strong>und</strong>schaft!«<br />
WDR/NDR/RBB, 2009). »Schleyer – eine deutsche<br />
Geschichte« brachte zwei Grimme-Preise<br />
ein, der FDJ-Film den Deutschen Fernsehpreis.<br />
Zuletzt zeigte sich die <strong>ARD</strong> anschlussfähig<br />
an das ZDF <strong>und</strong> ermöglichte mir, gemein-<br />
sam mit ARTE <strong>und</strong> der Filmstiftung NRW,<br />
Geschmackserlebnisse bei neun Drei-Sterne-<br />
Köchen auf der ganzen Welt, von New York<br />
bis Tokio. Es wird eine Zustandsbeschreibung<br />
der gegenwärtigen deutschen Sozialdemokratie<br />
folgen (WDR/SWR/RBB), an der zurzeit mit<br />
Interviews <strong>und</strong> szenischen Beobachtungen gearbeitet<br />
wird.<br />
Die <strong>ARD</strong> fördert zudem nach anfänglichem<br />
Zögern, überzeugt dann durch die Diplomatie<br />
Fritz Raffs, das Institut für Medien- <strong>und</strong> Kommunikationspolitik<br />
(IfM) mit Sitz in Berlin <strong>und</strong><br />
Köln, dessen Gründung von mir deshalb mit<br />
einer gewissen Zähigkeit betrieben wurde, weil<br />
ich dieses Politikfeld nach wie vor für strategisch<br />
wie intellektuell untersteuert halte, gerade<br />
in Zeiten neuer technologisch-publizistischer<br />
Verwerfungen durch das Internet. Peter Boudgoust<br />
<strong>und</strong> Lutz Marmor sind hier zurzeit die<br />
<strong>ARD</strong>-Vertreter im Kuratorium.<br />
_ Irgendwelche Wünsche, nach alldem?<br />
Ja, dass der <strong>ARD</strong>-Verb<strong>und</strong>, ebenso wie das ZDF,<br />
sich vor allem als großes Haus mit vielen Wohnungen<br />
für qualifizierte Rechercheure, Autoren,<br />
Filmemacher <strong>und</strong> Moderatoren versteht, denen<br />
die Zeit <strong>und</strong> die Mittel gewährt werden sollten,<br />
das aus sich herauszuholen, was in ihnen steckt.<br />
Dass die öffentlich-rechtlichen Sender sich<br />
ohne Arroganz der auch finanziell privilegierten<br />
Stellung bewusst sind, die sie de facto auch<br />
im europäischen Vergleich haben. Dass sie sich<br />
mitunter auch gegen bloß formale Okkupationen<br />
von Plätzen <strong>und</strong> Kanälen entscheiden,<br />
zugunsten der Konzentration auf publizistische<br />
Kernaufgaben, die auch intellektuell schärfer<br />
zu definieren wären. Und dass sie sich, bei aller<br />
Hinneigung zum Heimatlichen <strong>und</strong> liebenswert<br />
Provinziellen, auch als europäischer <strong>und</strong> globaler<br />
Faktor begreifen. Und ich wünsche mir<br />
als Partner Redakteure der <strong>ARD</strong>, die mehr zum<br />
Wagnis anspornen als gouvernantenhaft auf<br />
die unbedingte Einhaltung von Konventionen<br />
achten, die einem angeblichen Publikumsgeschmack<br />
entstammen – der sich ja nur dann ändert,<br />
wenn man ihm etwas zumutet.<br />
20 <strong>Artikel</strong> A R D - J A H R B U C H 1 0<br />
Lutz Hachmeister, Journalist, Sachbuchautor,<br />
Hochschullehrer <strong>und</strong> Filmproduzent
Die rheinland-pfälzische Landesregierung unter Minis-<br />
terpräsident Kurt Beck strebt beim B<strong>und</strong>esverfassungs-<br />
gericht ein Normenkontrollverfahren gegen den ZDF-<br />
Staatsvertrag an. Es geht um die Zusammensetzung der<br />
Aufsichtsgremien <strong>und</strong> die damit verb<strong>und</strong>ene parteipo-<br />
litische Einflussnahme auf Programm <strong>und</strong> Personal. An-<br />
lass sind die öffentlichen Kontroversen um die Vertrags-<br />
verlängerung des ZDF-Chefredakteurs Nikolaus Brender.<br />
Um das Thema Staatsferne ging es auch schon im ersten<br />
großen Fernsehurteil von 1961. Damals hat das B<strong>und</strong>es-<br />
verfassungsgericht das so genannte Adenauer-Fernse-<br />
hen u. a. mit Hinweis auf die Freiheit des R<strong>und</strong>funks vor<br />
staatlichen Einflüssen gestoppt.<br />
Seitdem hat das höchste Gericht immer wieder in R<strong>und</strong>-<br />
funkfragen entscheiden müssen <strong>und</strong> dabei wesentlich<br />
zur Ausformung der Medienordnung in Deutschland<br />
beigetragen.<br />
»In der ersten Reihe«<br />
Das B<strong>und</strong>esverfassungsgericht <strong>und</strong> der öffentlich-rechtliche R<strong>und</strong>funk<br />
Von Karl-Dieter Möller<br />
V<br />
erfassungsrichter sind Fernsehzuschauer<br />
– wie Millionen andere<br />
Bürger auch; Ärger über manche<br />
Programmentscheidungen mit eingeschlossen.<br />
So brachte ein ehemaliger Präsident<br />
des Gerichts wenig Verständnis gegenüber<br />
dem Autor dieser Zeilen dafür auf, dass am<br />
8. 10. 2006 Michael Schumacher, der Formel-<br />
1-Weltmeister, die Spitzenmeldung in der<br />
20.00-Uhr-»Tagesschau« war. Ein Motorschaden<br />
hatte einen erneuten Weltmeistertitel verhindert.<br />
Was das solle? Erklärungsversuche, dass<br />
dies ein Ereignis sei, das Millionen Zuschauer<br />
interessiere, hatten wohl nicht wirklich überzeugen<br />
können. Auch gelegentlich geübte Kritik<br />
der Damen <strong>und</strong> Herren in den roten Roben<br />
– am Programm von <strong>ARD</strong> <strong>und</strong> ZDF – hat die<br />
Gr<strong>und</strong>überzeugung für den öffentlich-rechtlichen<br />
R<strong>und</strong>funk in 60 Jahren nie erschüttern<br />
können. Im Gegenteil. Zum 60. Geburtstag<br />
der <strong>ARD</strong> lässt sich eine ebenso einfache wie<br />
wahre Behauptung aufstellen: Gäbe es das B<strong>und</strong>esverfassungsgericht<br />
(BVerfG) nicht, gäbe es<br />
den öffentlich-rechtlichen R<strong>und</strong>funk in seiner<br />
heutigen Ausprägung wohl nicht mehr. Beim<br />
BVerfG sitzt der öffentlich-rechtliche R<strong>und</strong>funk<br />
in der ersten Reihe. Aber er wird einiges<br />
tun müssen, damit er dort sitzen bleibt. Mit<br />
dem neuen Modell eines R<strong>und</strong>funkbeitrags pro<br />
Wohnung könnte ihm das im Sinne der Fortentwicklung<br />
der Rechtsprechung des Gerichts<br />
im Karlsruher Schlossbezirk gelingen.<br />
B<strong>und</strong>esverfassungsgericht <strong>und</strong> R<strong>und</strong>funk A R D - J A H R B U C H 1 0 21
Die Entscheidungen des BVerfGs zur R<strong>und</strong>funkfreiheit<br />
gehören zu den großen Traditionslinien<br />
seiner Rechtsprechung. Die Garantie der<br />
R<strong>und</strong>funkfreiheit wurde von den obersten Verfassungshütern<br />
in einer Reihe von R<strong>und</strong>funkurteilen<br />
<strong>und</strong> in mehreren Entscheidungen zu<br />
den R<strong>und</strong>funkgebühren im Laufe der letzten<br />
60 Jahre Schritt für Schritt mit relativ engmaschigen<br />
Strukturen versehen.<br />
Die Rechtsprechung des BVerfGs stand <strong>und</strong><br />
steht dabei nicht außerhalb öffentlicher Kritik.<br />
R<strong>und</strong>funkpolitisch sind es vor allem seine<br />
Aussagen zum so genannten dualen R<strong>und</strong>funksystem<br />
in Deutschland. Hier gibt es viele Befürworter,<br />
aber ebenso hat das System viele (Gift-)<br />
Pfeile auf sich gezogen.<br />
Das Gericht hat in den Augen seiner Kritiker<br />
den Gesetzgeber »nirgendwo so offensichtlich<br />
entmannt« wie auf diesem Gebiet <strong>und</strong> einen<br />
»verfassungsrechtlichen Jurisdiktionsstaat« eingeführt,<br />
so lautete die professorale Kritik.<br />
Nicht weniger kritisiert, aber von f<strong>und</strong>amentaler<br />
Bedeutung für den öffentlich-rechtlichen<br />
R<strong>und</strong>funk waren in seiner 60-jährigen Geschichte<br />
die so genannten R<strong>und</strong>funkgebühren-<br />
Urteile. Auffällig an diesen Urteilen ist der<br />
Aspekt, dass die Verfassungsrichter ein Gr<strong>und</strong>recht<br />
nutzen, um richterrechtliche Regeln über<br />
die R<strong>und</strong>funkordnung zu formulieren, deren<br />
Gestaltung doch eigentlich Sache der Länder<br />
ist. Das Gr<strong>und</strong>gesetz betont in Art. 5 Abs. 1<br />
Satz 2 »die Freiheit der Berichterstattung durch<br />
R<strong>und</strong>funk« <strong>und</strong> garantiert in Art. 5 Abs. 1 Satz<br />
1 Alt. 2 GG das Recht, »sich aus allgemein<br />
zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten«.<br />
Diese Vorgaben sind – was viele gar<br />
nicht wissen – vor allem als Reaktion auf das<br />
nationalsozialistische R<strong>und</strong>funkregime zu erklären,<br />
welches das Anhören ausländischer Sender<br />
unter Strafe gestellt <strong>und</strong> sich den R<strong>und</strong>funk als<br />
Propagandainstrument angeeignet hat. Vor diesem<br />
Hintergr<strong>und</strong> misst das BVerfG der gr<strong>und</strong>gesetzlichen<br />
Garantie der Freiheit des R<strong>und</strong>funks<br />
f<strong>und</strong>amentale Bedeutung bei, <strong>und</strong> zwar für das<br />
gesamte öffentliche, politische <strong>und</strong> gesellschaftliche<br />
Leben. Dabei haben die Verfassungsrichter<br />
das Gr<strong>und</strong>recht von Anfang an aber nicht nur<br />
aus der Perspektive der Bürger gesehen, sondern<br />
gerade auch aus der Sicht der R<strong>und</strong>funkveranstalter.<br />
_ Deutschland-Fernsehen GmbH<br />
Den Gr<strong>und</strong>stein für ihre R<strong>und</strong>funk-Rechtsprechung<br />
legten die Verfassungsrichter bereits im<br />
Ersten Fernsehurteil am 28. 2. 1961. Es war ein<br />
Urteil, das auch gleich zu einer erheblichen<br />
Missstimmung zwischen den Verfassungsorganen<br />
B<strong>und</strong>esverfassungsgericht <strong>und</strong> B<strong>und</strong>esregierung<br />
führte. Unter der Ägide des damaligen<br />
B<strong>und</strong>eskanzlers Konrad Adenauer hatte<br />
die B<strong>und</strong>esregierung im Juli 1960 die private<br />
»Deutschland-Fernsehen GmbH« gegründet.<br />
Hintergr<strong>und</strong> war, dass dem Kanzler die politische<br />
Ausrichtung des öffentlich-rechtlichen<br />
Fernsehens nicht passte. Es kam ihm <strong>und</strong> der<br />
B<strong>und</strong>esregierung daher sehr gelegen, dass der<br />
damalige technische Fortschritt durch Erschließung<br />
neuer Frequenzen ein weiteres Fernsehprogramm<br />
ermöglichte. Die Länder Hamburg<br />
<strong>und</strong> Hessen aber klagten vor dem BVerfG, <strong>und</strong><br />
die »roten Roben« kippten die »Deutschland-<br />
Fernsehen-GmbH«, erklärten sie für verfassungswidrig.<br />
Das Gericht entschied erstmals über die<br />
Kompetenzverteilung zwischen B<strong>und</strong> <strong>und</strong><br />
Ländern im Hinblick auf die R<strong>und</strong>funkgesetzgebung.<br />
Die zweite Kernaussage betraf die Feststellung,<br />
dass der R<strong>und</strong>funk staatsfrei zu organisieren<br />
ist. Die Entscheidung von 1961 gilt daher<br />
auch als »Magna Charta« der verfassungsrechtlichen<br />
R<strong>und</strong>funkordnung. Das hinderte den<br />
damaligen Kanzler Adenauer aber nicht daran,<br />
am 8. 3. 1961 seinen Ärger über das Karlsruher<br />
Urteil im Deutschen B<strong>und</strong>estag im rheinischen<br />
Tonfall loszuwerden.<br />
»Meine sehr verehrten Damen <strong>und</strong> Herren.<br />
Ich komme zum Fernsehstreit. Das Kabinett<br />
war sich darin einig, dass das Urteil des B<strong>und</strong>esverfassungsgerichts<br />
falsch ist, meine Damen<br />
<strong>und</strong> Herren.« Applaus aufseiten der Regierungspartei,<br />
Proteste <strong>und</strong> Buhrufe im Plenum bei der<br />
22 <strong>Artikel</strong> A R D - J A H R B U C H 1 0
Opposition. Adenauer aber fuhr unbeirrt fort:<br />
»Meine Herren! Meine Herren! Sie können<br />
doch wirklich nicht erwarten, dass ich mich<br />
hier hinstelle <strong>und</strong> sage, das ist ein gutes Urteil.«<br />
Karlsruhe reagierte empört. Der damalige Präsident,<br />
Gebhard Müller, wies die Kritik scharf<br />
zurück.<br />
Warum B<strong>und</strong>eskanzler Konrad Adenauer<br />
(Foto unten) das Urteil nicht passte, war klar.<br />
Die Richter schrieben in ihr Urteil, dass die<br />
R<strong>und</strong>funkfreiheit nicht nur ein individuelles<br />
Freiheitsrecht des Bürgers gegenüber dem Staat<br />
gewährleiste, sondern auch die Eigenständigkeit<br />
des R<strong>und</strong>funks als Institution garantiere.<br />
Bereits 1961 erwies das Gericht eine erstaunliche<br />
Weitsicht im Hinblick auf die technische Entwicklung.<br />
Das Gericht hielt es auch mit Art. 5<br />
GG für vereinbar, dass eine private Gesellschaft<br />
Fernsehen betreibt. Damit war bereits vor 50<br />
Jahren der Weg hin zu der später vorgenommenen<br />
Öffnung der R<strong>und</strong>funkordnung verfassungsrechtlich<br />
geebnet.<br />
_ Duales System <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>versorgung<br />
Die Gr<strong>und</strong>lage für eine duale R<strong>und</strong>funkordnung<br />
– also öffentlich-rechtlicher R<strong>und</strong>funk auf<br />
der einen, privater R<strong>und</strong>funk auf der anderen<br />
Seite – legte das Gericht aber erst 20 bzw. 25<br />
Jahre später, 1981 <strong>und</strong> 1986 mit seinem so genannten<br />
dritten <strong>und</strong> vierten R<strong>und</strong>funkurteil.<br />
1981 erkannte das B<strong>und</strong>esverfassungsgericht<br />
die Verfassungsmäßigkeit von privatem R<strong>und</strong>funk<br />
erstmals gr<strong>und</strong>sätzlich an <strong>und</strong> skizzierte<br />
dann fünf Jahre später, 1986, seine Vorstellungen<br />
von privatem <strong>und</strong> öffentlichem R<strong>und</strong>funk. Die<br />
Richter prägten den Begriff »Gr<strong>und</strong>versorgung«<br />
als Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Systems.<br />
Für die Sicherung der Gr<strong>und</strong>versorgung sei es<br />
daher erforderlich, so das Gericht, die technischen,<br />
finanziellen, organisatorischen <strong>und</strong><br />
personellen Bedingungen so auszugestalten,<br />
dass der öffentlich-rechtliche R<strong>und</strong>funk dieser<br />
Aufgabe gerecht werden könne. Beim privaten<br />
R<strong>und</strong>funk könnten geringere Anforderungen an<br />
die Breite des Programmangebots <strong>und</strong> die Sicherung<br />
gleichwertiger Vielfalt gestellt werden,<br />
solange die Gr<strong>und</strong>versorgung durch den öffentlich-rechtlichen<br />
R<strong>und</strong>funk gewährleistet ist.<br />
_ Lokaler R<strong>und</strong>funk<br />
»Halbe Kosten, halber Sieg?« Es wäre verfehlt,<br />
aus der Halbierung der Verfahrensgebühr, die<br />
Karlsruhe den Klägern <strong>und</strong> Beklagten auferlegte,<br />
auf ein Urteils-Patt zu schließen. Die<br />
Wahrheit ist: Der Süddeutsche R<strong>und</strong>funk<br />
(SDR) war der eigentliche Sieger beim fünften<br />
R<strong>und</strong>funkurteil des B<strong>und</strong>esverfassungsgerichts.<br />
»Die baden-württembergische Landtagsfraktion<br />
– der Verlierer«, schrieben die Stuttgarter<br />
Nachrichten am 5. 6. 1987. Anlass für den Bericht:<br />
ein 78-seitiger Beschluss des BVerfGs<br />
vom 24. 3. 1987. Er war ohne mündliche Verhandlung<br />
ergangen. Vorausgegangen war eine<br />
Verfassungsbeschwerde des SDR <strong>und</strong> des<br />
Südwestfunks (SWF) gegen Teile des badenwürttembergischen<br />
Landesmediengesetzes vom<br />
16. 12. 1985. Das Landesmediengesetz untersagte<br />
den öffentlich-rechtlichen R<strong>und</strong>funkanbietern<br />
die Veranstaltung von zusätzlichen, bisher nicht<br />
gesendeten regionalen <strong>und</strong> lokalen R<strong>und</strong>funkprogrammen.<br />
Den privaten R<strong>und</strong>funkveranstaltern<br />
sollte durch das Gesetz der Start erleichtert<br />
werden, indem ihnen im lokalen <strong>und</strong> regionalen<br />
Bereich ein Vorrang vor dem öffentlichrechtlichen<br />
R<strong>und</strong>funk eingeräumt wurde. Des<br />
Weiteren machte das Gesetz das Anbieten von<br />
Ton- <strong>und</strong> Bewegtbilddiensten auf Abruf (Online-Dienste)<br />
von einer besonderen Zulassung<br />
durch Gesetz oder Staatsvertrag abhängig. Beide<br />
Punkte sahen die Verfassungsrichter als einen<br />
Verstoß gegen die R<strong>und</strong>funkfreiheit an, erklärten<br />
die gesetzlichen Regelungen für nichtig.<br />
B<strong>und</strong>esverfassungsgericht <strong>und</strong> R<strong>und</strong>funk A R D - J A H R B U C H 1 0 23
Die Reaktionen auf diesen, am 4. 6. 1987 veröffentlichten<br />
Beschluss waren – je nach Interessenlage<br />
– unterschiedlich. Für den damaligen<br />
Intendanten des SDR, Hans Bausch, war die<br />
Entscheidung von gr<strong>und</strong>sätzlicher Bedeutung<br />
für die Entwicklung des öffentlich-rechtlichen<br />
R<strong>und</strong>funks im lokalen <strong>und</strong> regionalen Bereich.<br />
»Den Politikern in den Mehrheitsfraktionen der<br />
Landtage wird deutlich gemacht, dass sie nicht<br />
nach Belieben in die Selbstverwaltung <strong>und</strong> in<br />
die Programmpolitik der Anstalten hineinregie-<br />
R<strong>und</strong>funkgebührenurteil 1994:<br />
der damalige <strong>ARD</strong>-Vorsitzende Jobst Plog,<br />
Intendant des NDR (M.l.); Dieter Stolte, ZDF-<br />
Intendant (M.); Albert Scharf, Intendant des<br />
BR (r.), im »Plenum-Saal« des BVerfGs<br />
ren dürfen«, so Hans Bausch. Der Vorsitzende<br />
des B<strong>und</strong>esverbandes Kabel <strong>und</strong> Satellit, Jürgen<br />
Doetz, sprach dagegen davon, dass die Richter<br />
einen »Freibrief für Verdrängungswettbewerb<br />
erteilt« hätten, der die duale R<strong>und</strong>funkordnung<br />
erheblich infrage stelle.<br />
Einen Erfolg für künftige Privatanbieter<br />
konnte die baden-württembergische Landesregierung<br />
dann aber doch noch erzielen – was<br />
auch der Gr<strong>und</strong> für die Teilung der Kosten war:<br />
Karlsruhe verwehrte den öffentlich-rechtlichen<br />
Anstalten die Werbung im lokalen <strong>und</strong> regionalen<br />
R<strong>und</strong>funk, ebenso wie Pay-TV.<br />
Dieser Punkt aber änderte nichts daran, dass<br />
das »fünfte R<strong>und</strong>funkurteil« eine eindeutige<br />
Aussage aus Karlsruhe an die Politiker enthielt:<br />
Medienpolitik ist in der B<strong>und</strong>esrepublik nicht<br />
mit der Brechstange zu machen!<br />
_ Die Entwicklungsgarantie<br />
»Gr<strong>und</strong>versorgung heißt nicht Minimal-Versorgung«,<br />
hatten die Verfassungsrichter den Politikern<br />
in den Beschluss von 1987 geschrieben.<br />
»Gr<strong>und</strong>versorgung könne aber auch nicht auf<br />
einem einmal erreichten Stand eingefroren werden«,<br />
meinten sie dann 1991. Den Kernsatz des<br />
Urteils am 5. 2. 1991 las der Vorsitzende des Ersten<br />
Senats <strong>und</strong> Präsident des Gerichts, Roman<br />
Herzog, vor: »Mit der Gewährleistungspflicht<br />
wäre es unvereinbar, den öffentlich-rechtlichen<br />
R<strong>und</strong>funk auf den gegenwärtigen Entwicklungsstand<br />
in programmlicher, finanzieller <strong>und</strong> technischer<br />
Hinsicht zu beschränken. Der Gr<strong>und</strong>versorgungsauftrag<br />
lässt sich im dualen System<br />
unter den bestehenden Bedingungen vielmehr<br />
nur erfüllen, wenn der öffentlich-rechtliche<br />
R<strong>und</strong>funk nicht allein in seinem gegenwärtigen<br />
Zustand, sondern auch in seiner zukünftigen<br />
Entwicklung gesichert ist.«<br />
An diesen Maßstäben hatte das BVerfG verschiedene<br />
Bedingungen des Gesetzes über den<br />
WDR bzw. des Gesetzes für den privaten R<strong>und</strong>funk<br />
in NRW überprüft, bei dem es um die<br />
Frage ging, welche Angebote zum Gr<strong>und</strong>auftrag<br />
des öffentlich-rechtlichen R<strong>und</strong>funks gehören.<br />
Hier gaben die Richter zur Antwort, dass<br />
es nicht nur eine Entwicklungsgarantie geben<br />
müsse, sondern diese auch die Erschließung<br />
neuer Übertragungswege (beispielsweise Satellit<br />
<strong>und</strong> Kabel) umfasse.<br />
_ Die R<strong>und</strong>funkgebühr<br />
Wie viel es Gebührenzahler <strong>und</strong> Gebührenzahlerinnen<br />
kosten sollte, »in der ersten Reihe«<br />
sitzen zu dürfen, das hatten bis Mitte der 80er<br />
Jahre die Ministerpräsidenten der Länder ausgehandelt.<br />
Über die Gebührenerhöhung durften<br />
dann die Länderparlamente beschließen.<br />
Dem Ganzen war ein Verfahren vorgeschaltet,<br />
in dem ein Gremium – die 1975 eingesetzte<br />
Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs<br />
der R<strong>und</strong>funkanstalten, kurz KEF – die Bedarfsanmeldungen<br />
der Sender prüft <strong>und</strong> den<br />
Länderchefs entsprechend Vorschläge vorlegt.<br />
Davon wichen die Ministerpräsidenten in der<br />
Vergangenheit regelmäßig mit Rücksicht auf<br />
die Wählerstimmen nach unten ab. Mit dieser<br />
Verfahrensart der Gebührenfestsetzung hatte<br />
der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in einem<br />
Verfahren verfassungsrechtliche Probleme. Er<br />
setzte sein Verfahren daher aus <strong>und</strong> legte dem<br />
BVerfG das Problem auf den Tisch.<br />
24 <strong>Artikel</strong> A R D - J A H R B U C H 1 0
Damit war die »Kardinalfrage« gestellt: Wer<br />
darf die R<strong>und</strong>funkgebühren festsetzen? Oder,<br />
salopper formuliert, gilt tatsächlich: Wer zahlt,<br />
schafft an?<br />
Für die R<strong>und</strong>funk- <strong>und</strong> Fernsehanstalten<br />
schrillten alle Alarmglocken. Mit diesem Verfahren<br />
wurde das Finanzierungssystem des<br />
öffentlich-rechtlichen R<strong>und</strong>funks auf den<br />
Prüfstand gestellt. So führt die Präsenzliste des<br />
Verfassungsgerichts in diesem Verfahren nicht<br />
nur den Intendanten des BR, Albert Scharf, auf,<br />
sondern für die <strong>ARD</strong> Jobst Plog, Vorsitzender<br />
der <strong>ARD</strong> <strong>und</strong> Intendant des NDR, Hermann<br />
Fünfgeld, Intendant des SDR, <strong>und</strong> für das ZDF<br />
Intendant Dieter Stolte. Auch der Intendant des<br />
damaligen SWF, Peter Voß, war nach Karlsruhe<br />
gekommen. Von Baden-Baden hatte er den kürzesten<br />
Anreiseweg. Hatte die Bayerische Staatsregierung<br />
zur mündlichen Verhandlung noch<br />
den Staatssekretär <strong>und</strong> Leiter der Staatskanzlei,<br />
Herbert Huber, nach Karlsruhe geschickt, war<br />
es zur Urteilsverkündung nur noch ein Ministerialrat.<br />
So etwas wird beim Gericht sehr fein registriert<br />
<strong>und</strong> löst mehr als nur Stirnrunzeln aus.<br />
Es fehlt der Respekt vor dem Verfassungsorgan<br />
BVerfG.<br />
Die Verlesung des 65-seitigen Urteils am<br />
28. 2. 1994 teilten sich Präsident Roman Herzog<br />
<strong>und</strong> der Berichterstatter in dieser Sache, B<strong>und</strong>esverfassungsrichter<br />
Dieter Grimm. Ein Urteil,<br />
von dem Polemiker anschließend meinten, es<br />
sei mit einer »Heiligsprechung« des öffentlichrechtlichen<br />
R<strong>und</strong>funks zu vergleichen. Das sicher<br />
nicht, aber die Leitsätze der Entscheidung<br />
sprechen eine deutliche Sprache. Vor allem der<br />
dritte Leitsatz des Urteils: »Für die Gebührenfinanzierung<br />
gilt der Gr<strong>und</strong>satz der Programmneutralität.<br />
Im Verfahren der Gebührenfinanzierung<br />
ist von den Programmentscheidungen der<br />
R<strong>und</strong>funkanstalten auszugehen. Die Gebühr<br />
darf nicht zu Zwecken der Programmlenkung<br />
oder der Medienpolitik eingesetzt werden.«<br />
Die angereisten Intendanten, Justiziare <strong>und</strong><br />
Referenten konnten ihre Freude über das Urteil<br />
kaum verbergen. Im »Plenum-Saal« des<br />
Gerichts – im Rücken das Ölporträt des streng<br />
blickenden ehemaligen Präsidenten Hermann<br />
Höpker Aschoff – nahmen der <strong>ARD</strong>-Vorsitzende<br />
Jobst Plog <strong>und</strong> ZDF-Intendant Dieter<br />
Stolte auf einer improvisierten Pressekonferenz<br />
zum Urteil Stellung. Jobst Plog wörtlich: »Wir<br />
wollen doch wenigstens eine erste Bewertung<br />
versuchen, <strong>und</strong> die kann nur sein: Wir freuen<br />
uns über dieses Urteil <strong>und</strong> sehen darin eine<br />
erhebliche Stärkung der Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen<br />
R<strong>und</strong>funks. Nicht nur das,<br />
sondern im gegenwärtigen Zeitpunkt auch ein<br />
klares Stück Existenzsicherung in die Zukunft<br />
gewendet. Das ist zu einem Zeitpunkt, wo andere,<br />
die besonders schlau <strong>und</strong> klug sind, uns<br />
das Ende schon vorhergesagt haben.«<br />
Natürlich nahm dieser medienpolitische<br />
»Paukenschlag« auch im <strong>ARD</strong>-Programm breiten<br />
Raum ein. Der Beitrag über das Urteil in<br />
»Kurzberichterstattungs-Urteil« am 17. 2. 1998:<br />
WDR-Intendant Fritz Pleitgen (l.) <strong>und</strong><br />
BR-Intendant Albert Scharf sind schon früh<br />
zur Urteilsverkündung in den Gerichtssaal<br />
des BVerfGs gekommen.<br />
der Hauptausgabe der »Tagesschau« um 20.00<br />
Uhr hatte gar eine Länge von 2 Minuten <strong>und</strong><br />
11 Sek<strong>und</strong>en. Um 21.35 Uhr sendete Das Erste<br />
einen »Brennpunkt«, moderiert vom damaligen<br />
Chefredakteur des SDR, Ernst Elitz.<br />
»Tagesthemen«-Moderator Ulrich Wickert »verpackte«<br />
die Entscheidung am Ende des Tages<br />
so: »Es geht ums Geld, ums leidige Geld, <strong>und</strong><br />
wenn man sich da nicht einigen kann, läuft<br />
man zum Kadi. In diesem Fall war es für die<br />
<strong>ARD</strong> <strong>und</strong> das ZDF besonders schwierig; denn<br />
das B<strong>und</strong>esverfassungsgericht musste sich mit<br />
der Frage befassen, ob die Festsetzung der<br />
R<strong>und</strong>funkgebühren, die 23,80 DM im Monat<br />
betragen, von den politischen Parteien in den<br />
Landtagen abhängen darf, wie es im Augenblick<br />
B<strong>und</strong>esverfassungsgericht <strong>und</strong> R<strong>und</strong>funk A R D - J A H R B U C H 1 0 25
der Fall ist, oder nicht. Der bayerische Verwaltungsgerichtshof<br />
hält die bestehende Regelung<br />
für verfassungswidrig, da sie den Politikern<br />
einen zu großen Einfluss auf das Programm<br />
ermöglicht. Diesem Gedanken hat sich das<br />
B<strong>und</strong>esverfassungsgericht heute angeschlossen.«<br />
Das war der Tag des 8. R<strong>und</strong>funkurteils.<br />
Wer aber dachte, damit herrsche nun Ruhe<br />
in der Gebührenfrage, der irrte. Ein Nachrichtenmagazin<br />
formulierte es so: »Wenn ein Politiker<br />
sich auf sehr simple Weise in das Herz seiner<br />
Wähler einschmeicheln will, dann braucht<br />
er nur auf die R<strong>und</strong>funkgebühren zu schimpfen.«<br />
Auf solche Weise lassen sich ordentlich<br />
Ressentiments schüren.<br />
In ihrem ersten Gebührenurteil 1994 hatten<br />
die Verfassungsrichter ein Verfahren erzwungen,<br />
bei dem die Politik fast bis zum Schluss außen<br />
vor bleibt. Seither prüfen 16 unabhängige Sachverständige<br />
der KEF die Bedarfsanmeldung der<br />
R<strong>und</strong>funkanstalten <strong>und</strong> legen die Gebühren<br />
fest. Die unabhängigen Experten empfahlen<br />
Anfang 2004 nach eingehender Prüfung eine<br />
monatliche Gebührenerhöhung von 1,09 Euro<br />
zum 1. 1. 2005. Die Ministerpräsidenten der Länder<br />
kürzten den Betrag auf 88 Cent. Ihre Begründung:<br />
Die R<strong>und</strong>funkanstalten hätten noch<br />
Einsparpotenzial. Angesichts der angespannten<br />
wirtschaftlichen Lage könne der Gebührenzahler<br />
nicht noch mehr belastet werden.<br />
Nur die Faust in der Tasche ballen oder<br />
Verfassungsbeschwerden gegen die Gebührenentscheidung<br />
erheben <strong>und</strong> damit die Ministerpräsidenten<br />
verklagen, deren politisches<br />
Wohlwollen der öffentlich-rechtliche R<strong>und</strong>funk<br />
benötigt? Die Intendanten von <strong>ARD</strong> <strong>und</strong> vor<br />
allem der Intendant des ZDF waren sich nicht<br />
sicher. Ohne verfassungsrechtliches Risiko sind<br />
Verfassungsbeschwerden nicht, denn auch beim<br />
Verfassungsgericht gilt die amerikanisch-forensische<br />
Wahrheit: »Wer den Friseurladen betritt,<br />
muss damit rechnen, dass er rasiert wird.« Dann<br />
aber fand man doch noch zusammen. <strong>ARD</strong>,<br />
ZDF <strong>und</strong> Deutschlandradio legten Verfassungsbeschwerden<br />
ein.<br />
Dass Peter Boudgoust seinen ersten regulären<br />
Arbeitstag als neuer Intendant des SWR<br />
im B<strong>und</strong>esverfassungsgericht verbringen würde,<br />
hätte er sich auch nicht träumen lassen. Aber<br />
er unterstützte die Verfassungsklage durch seine<br />
Präsenz in Karlsruhe. Auf der Präsenzliste zur<br />
mündlichen Verhandlung am 2. 5. 2007 standen<br />
die Namen Fritz Raff, <strong>ARD</strong>-Vorsitzender <strong>und</strong><br />
Intendant des SR, Thomas Gruber, Intendant<br />
Urteilsverkündung am 11. 9. 2007<br />
zum Thema Gebührenerhöhung:<br />
die Vertreter der Länder, darunter<br />
Günther Oettinger (r.) <strong>und</strong> Kurt Beck (M.)<br />
des BR, Markus Schächter, Intendant des ZDF,<br />
<strong>und</strong> Ernst Elitz, Intendant des Deutschlandradios.<br />
Aufseiten der B<strong>und</strong>esländer waren die Ministerpräsidenten<br />
Beck aus Rheinland-Pfalz <strong>und</strong><br />
Oettinger aus Baden-Württemberg nach Karlsruhe<br />
gekommen. Was den Ersten Senat des<br />
Verfassungsgerichts allerdings überraschte, so<br />
konnte man später hinter vorgehaltener Hand<br />
in Karlsruhe hören, war die Tatsache, dass sich<br />
die deutschen Landtage insgesamt so wenig am<br />
Verfahren interessiert zeigten. Nur Schleswig-<br />
Holstein <strong>und</strong> Bayern hatten sich gemeldet.<br />
Immerhin ging es doch um die Rolle des Gesetzgebers<br />
im Prozess der Gebührenfinanzierung,<br />
<strong>und</strong> das sind in unserem staatsrechtlichen<br />
System eben die Bürgerschaften, Abgeordnetenhäuser<br />
<strong>und</strong> Landtage, unbeschadet natürlich<br />
der politisch-praktischen Wirklichkeiten des<br />
Gebührenfindungsverfahrens. Wer sich so wenig<br />
interessiert zeigt, muss sich nicht w<strong>und</strong>ern,<br />
wenn er am Ende wenig in den Händen hält.<br />
Nach der mündlichen Verhandlung im Mai<br />
2007 hatte man aufseiten der öffentlich-rechtlichen<br />
Anstalten das Gericht noch mit mehr als<br />
gemischten Gefühlen verlassen. Die kritischen<br />
Fragen von der Richterbank hatten Zweifel am<br />
Erfolg der Verfassungsbeschwerden aufkommen<br />
lassen. War man doch etwas zu forsch in den<br />
»Friseurladen« gegangen?<br />
Am Tag des Urteils überraschte der Erste<br />
Senat des BVerfGs dann wohl alle: Verfassungsbeschwerdeführer<br />
<strong>und</strong> Verfassungsbeschwerdegegner.<br />
Die erste Bemerkung des rheinland-<br />
26 <strong>Artikel</strong> A R D - J A H R B U C H 1 0
pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck nach<br />
dem Urteil an seinen Kollegen Oettinger war<br />
nicht für die Kameras bestimmt, aber ehrlich:<br />
Beck wörtlich: »Jetzt sind wir auf den Bauch<br />
gefallen.« In die Kameras sagte er: »Wenn <strong>ARD</strong>,<br />
ZDF <strong>und</strong> Deutschlandradio heute einen Gr<strong>und</strong><br />
haben zu feiern, dann ist es alleine derjenige,<br />
dass eine Entwicklungsgarantie auch in die digitale<br />
Welt heute mehrfach in dem Urteil bestätigt<br />
<strong>und</strong> betont worden ist.«<br />
Die Intendanten von <strong>ARD</strong> <strong>und</strong> ZDF übten<br />
sich nach dem Urteil in Bescheidenheit. Der<br />
damalige <strong>ARD</strong>-Vorsitzende Fritz Raff: »Es wird<br />
keine Sieger <strong>und</strong> Besiegten geben. Es gibt nur<br />
Rechtssicherheit.« Und der Intendant des SWR,<br />
Peter Boudgoust, ergänzte: »Es ist klargestellt<br />
worden, dass es diesen öffentlich-rechtlichen<br />
R<strong>und</strong>funk braucht für die Erhaltung der Meinungsvielfalt<br />
in diesem Land.«<br />
Das B<strong>und</strong>esverfassungsgericht entschied,<br />
dass die Finanzierung entwicklungsoffen <strong>und</strong><br />
entsprechend bedarfsgerecht gestaltet werden<br />
müsse. Das Gericht steht zur Bestands- <strong>und</strong><br />
Entwicklungsgarantie zugunsten des öffentlichrechtlichen<br />
R<strong>und</strong>funks. Sie ist vom Gericht<br />
aus der Erfahrung heraus formuliert, dass das,<br />
was besteht, häufig nur bestehen bleiben kann,<br />
wenn man ihm erlaubt, sich fortzuentwickeln.<br />
So schrieb es der ehemalige Verfassungsrichter<br />
Wolfgang Hoffmann-Riem als Berichterstatter<br />
ins 85-seitige Urteil, <strong>und</strong> so las es der<br />
damalige Präsident Hans-Jürgen Papier vor. Das<br />
Urteil wurde live in PHOENIX, dem Ereignis-<br />
<strong>und</strong> Dokumentationskanal von <strong>ARD</strong> <strong>und</strong> ZDF,<br />
aus Karlsruhe übertragen.<br />
Nach dem »Gebührenurteil« 2007:<br />
Der damalige <strong>ARD</strong>-Vorsitzende Fritz Raff steht<br />
den Journalisten für Fragen zur Verfügung.<br />
_ Der R<strong>und</strong>funkbeitrag<br />
Diesen Gedanken der bedarfsgerechten Finanzierung<br />
griff der ehemalige Verfassungsrichter,<br />
Staats- <strong>und</strong> Steuerrechtler Paul Kirchhof aus<br />
Heidelberg auf. Im Auftrag von <strong>ARD</strong>, ZDF<br />
<strong>und</strong> Deutschlandradio legte er im Mai <strong>2010</strong> ein<br />
Gutachten vor, in dem das bestehende Finanzierungssystem<br />
fortentwickelt <strong>und</strong> deutlich vereinfacht<br />
wird. Die R<strong>und</strong>funkgebühr soll nicht<br />
mehr länger nach der Zahl der Empfangsgeräte,<br />
sondern pro Wohnung berechnet werden. Am<br />
9. 6. <strong>2010</strong> stimmten die Ministerpräsidenten der<br />
Länder in einem Eckpunktepapier zu, dass für<br />
den öffentlich-rechtlichen R<strong>und</strong>funk künftig<br />
eine Abgabe pro Wohnung erhoben wird. »Der<br />
9. Juni <strong>2010</strong> ist zweifellos ein wichtiges Datum<br />
in der <strong>ARD</strong>-Vorsitzzeit des SWR«, sagte Peter<br />
Boudgoust, der derzeitige <strong>ARD</strong>-Vorsitzende,<br />
der zum Jahresende <strong>2010</strong> den Vorsitz an WDR-<br />
Intendantin Monika Piel abgeben wird.<br />
Ob der neue R<strong>und</strong>funkbeitrag – ab dem Jahr<br />
2013 – das »r<strong>und</strong>funkrechtliche Köchelverzeichnis«<br />
der R<strong>und</strong>funkentscheidungen, wie der ehemalige<br />
Verfassungsrichter Udo Steiner es einmal<br />
formulierte, weiter ansteigen lässt <strong>und</strong> um<br />
neue Urteile anreichert, bleibt abzuwarten. Zu<br />
befürchten ist es. Ganz sicher aber könnte das<br />
»r<strong>und</strong>funkrechtliche Köchelverzeichnis« noch<br />
um Urteile ergänzt werden, sollte das BVerfG<br />
Gelegenheit haben, die Auswirkungen der<br />
B<strong>und</strong>esverfassungsgericht <strong>und</strong> R<strong>und</strong>funk A R D - J A H R B U C H 1 0 27
Nach dem Urteil von 1998 haben Fernsehsender<br />
weiterhin das Recht, Kurzberichte von<br />
Sportveranstaltungen auszustrahlen.<br />
Werder Bremen – Hamburger SV am 8. 5. <strong>2010</strong><br />
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs<br />
in Luxemburg <strong>und</strong> des Europäischen Gerichtshofs<br />
für Menschenrechte in Straßburg im Bereich<br />
des öffentlich-rechtlichen R<strong>und</strong>funks <strong>und</strong><br />
seiner Finanzierung in seine Rechtsprechung<br />
mit einzubeziehen.<br />
_ Fernsehen <strong>und</strong> Fußball<br />
Eine Entscheidung soll zum Schluss nicht unerwähnt<br />
bleiben. Ob sie allerdings in die Reihe<br />
der »großen R<strong>und</strong>funkurteile« einzureihen ist –<br />
zumindest Fußballfans dürften das von Herzen<br />
bejahen. Es ging um die »schönste Nebensache<br />
der Welt«, um Fußball. 1998 schrieben die Damen<br />
<strong>und</strong> Herren in den roten Roben im »Namen<br />
des Volkes« ein Bürgerrecht auf Fußball<br />
(<strong>und</strong> sonstigen Spitzensport) im Fernsehen fest.<br />
In den Länderr<strong>und</strong>funkgesetzen <strong>und</strong> im<br />
R<strong>und</strong>funkstaatsvertrag war das Recht auf kostenlose<br />
Kurzberichterstattung verankert, das<br />
auch ohne den Erwerb von Senderechten die<br />
Ausstrahlung von Neunzig-Sek<strong>und</strong>en-Beiträgen<br />
erlaubte.<br />
Die B<strong>und</strong>esregierung, große Medienkonzerne<br />
<strong>und</strong> der Deutsche Fußballb<strong>und</strong> (DFB)<br />
sahen sich durch das winzige Recht auf kostenlose<br />
Kurzberichte im öffentlich-rechtlichen<br />
Fernsehen in ihrer Absicht gestört, aus bewegten<br />
Sportbildern eine handhabbare <strong>und</strong><br />
verknappbare, damit teure Ware werden zu<br />
lassen. Der Prozessbevollmächtigte der B<strong>und</strong>esregierung,<br />
der Münchner Staatsrechtsprofessor<br />
Hans-Jürgen Papier, hatte in der mündlichen<br />
Verhandlung im November 1997 gemeint, beim<br />
Sport gehe es »nur« um Unterhaltung, <strong>und</strong> dafür<br />
müsse halt nach der deutschen Rechts- <strong>und</strong><br />
Sozialordnung bezahlt werden. Alles andere sei<br />
»publizistische Sozialisierung«, mussten sich<br />
die Intendanten des WDR, Fritz Pleitgen, des<br />
BR, Albert Scharf, <strong>und</strong> des damaligen SDR,<br />
Hermann Fünfgeld, vorhalten lassen. Die B<strong>und</strong>esregierung<br />
hatte ihre Normenkontrollklage<br />
stellvertretend gegen das nordrhein-westfälische<br />
R<strong>und</strong>funkgesetz angestrengt <strong>und</strong> die Gesetzgebungskompetenz<br />
der Länder bestritten.<br />
Vier Monate später, im Februar 1998, fiel<br />
dann das Urteil: Zum Freiheitsrecht der Bürger<br />
auf ungehinderten Informationszugang <strong>und</strong><br />
zum Recht der Sender auf Informationstätigkeit<br />
gehören auch Sportereignisse. Wegen der Vielfalt<br />
des Angebots müssten Meinungsmonopole<br />
verhindert werden – <strong>und</strong> zwar rechtzeitig. Im<br />
Urteil zur »Kurzberichterstattung« geht es nicht<br />
um Marktanteile <strong>und</strong> Quoten, sondern um den<br />
Wert der Informationsvielfalt <strong>und</strong> um die Gefahren<br />
einer totalen Kommerzialisierung von<br />
Informationen.<br />
Für die Kurzberichte im Profi-Fußball aber<br />
muss ein Entgelt gezahlt werden. Fritz Pleitgen<br />
nach dem Urteil: »Ich denke, damit mussten<br />
wir rechnen. Da ist das B<strong>und</strong>esverfassungsgericht<br />
mit der Zeit gegangen. Und ich hatte das<br />
auch eigentlich für mich schon so in die Richtung<br />
gestellt.«<br />
Immer wieder haben die Hüter des Gr<strong>und</strong>gesetzes<br />
in ihren R<strong>und</strong>funkurteilen in den letzten<br />
60 Jahren versucht, die Welt des R<strong>und</strong>funks<br />
nach den hohen Ansprüchen des Gr<strong>und</strong>gesetzes<br />
zu formen. Das Wort »Gemeinwohl« hat dabei<br />
einen ganz neuen Klang bekommen.<br />
28 <strong>Artikel</strong> A R D - J A H R B U C H 1 0<br />
Karl-Dieter Möller, <strong>ARD</strong>-Rechtsexperte <strong>und</strong><br />
bis Ende <strong>2010</strong> Leiter der <strong>ARD</strong>-Fernsehredaktion<br />
Recht <strong>und</strong> Justiz beim SWR, Karlsruhe
mehrfach abgesichert <strong>und</strong> überprüft, jeder Beweis muss gut<br />
dokumentiert sein. Dies macht investigativen Journalismus<br />
oft mühselig – <strong>und</strong> kostspielig.<br />
Zuschriften, Zuschauertelefone, E-Mails, Blogs – alle<br />
Redaktionen kommunizieren auf vielfältige Weise mit<br />
ihren Zuschauern, um deren Lob, Kritik oder Anregungen<br />
aufzugreifen. »Kontraste«, »REPORT MAINZ« <strong>und</strong> »Report<br />
München« <strong>und</strong> bald auch »Panorama« sind auf Facebook<br />
(»REPORT MAINZ« auch bei Twitter) vertreten. Ziel ist es, mit<br />
Zuschauern aktiv in Kontakt zu treten <strong>und</strong> Internetnutzer<br />
über exklusive journalistische <strong>Inhalt</strong>e gezielt auf die Sendung<br />
aufmerksam zu machen <strong>und</strong> ein Feedback zu erhalten.<br />
»Kontraste« hat in den letzten Jahren sehr erfolgreich Blogs<br />
zu kontroversen Berichten im Internet eingerichtet, die sehr<br />
stark genutzt werden, mit überwiegend kompetenter <strong>und</strong><br />
informativer Resonanz. Seit Juni �0�0 hat auch »Report München«<br />
einen stark frequentierten Blog.<br />
Die sechs politischen Magazine im Ersten<br />
»Fakt«, »Kontraste«, »Monitor«, »Panorama«, »REPORT MAINZ« <strong>und</strong> »Report München« gehören<br />
zu den unverwechselbaren Markenzeichen der <strong>ARD</strong>. 1960 machte »Anno«, der Vorläufer von<br />
»Report«, später »Report München«, den Anfang. 2006 führte die letzte gr0ße Veränderung im<br />
Programmschema des Ersten dazu, dass die Sendezeit der Magazine um 15 auf 30 Minuten<br />
reduziert wurde. Anlässlich des 60-jährigen Geburtstags der <strong>ARD</strong> hat das <strong>ARD</strong>-<strong>Jahrbuch</strong> die Redak-<br />
tionsleiter der politischen Magazine einen Fragebogen beantworten lassen. Viele Unterschiede,<br />
aber auch Gemeinsamkeiten finden sich auf den nächsten Seiten.<br />
Fragen auf den folgenden Seiten:<br />
Wie charakterisieren Sie Ihr Magazin? Was ist das<br />
Besondere, worin unterscheidet sich Ihr Magazin von den<br />
anderen? Gibt es eine spezielle Ausrichtung des Magazins?<br />
Was waren »schlagzeilen«-Themen �009/�0�0? Wie<br />
erfolgt die themenauswahl ? Dominiert die Aktualität<br />
oder werden Entwicklungen langfristig verfolgt <strong>und</strong>/oder<br />
wieder aufgegriffen? Was betrachten Sie als größten Erfolg?<br />
Welche Beiträge haben nachhaltig gewirkt, hatten die<br />
höchste Resonanz oder politische konsequenzen? Auf<br />
welchen Wegen bzw. über welche quellen gelangen Sie<br />
an Ihre Informationen? Wie beurteilen Sie bzw. gewährleisten<br />
Sie die Validität von Informationen? Wie versuchen Sie,<br />
auch die jungen Zuschauer zu erreichen? Wenn Sie sich einen<br />
sendeplatz aussuchen könnten, welcher wäre das?<br />
kurrenz geprägt, kritisch <strong>und</strong> konstruktiv. Kooperationen<br />
gibt es, sind aber die Ausnahme, wie beispielsweise zwischen<br />
»Fakt« <strong>und</strong> »REPORT MAINZ« beim Thema »Schulen des<br />
Terrors – wie in Islamseminaren Hass gepredigt wird«. Gemeinsam<br />
entstanden zwei Beiträge, die in beiden Magazinen<br />
liefen, natürlich mit gegenseitigem Hinweis. Außerdem gibt<br />
es einmal im Jahr ein Treffen der Magazine.<br />
Tabu-Themen gibt es keine, direkten Druck auch nicht.<br />
Allerdings versuchen gut organisierte Lobbygruppen wie<br />
beispielsweise die Ärzte- <strong>und</strong> Pharma-Verbände, mit Kampagnen<br />
Druck aufzubauen. Nach einem Bericht von »REPORT<br />
MAINZ« über die Einkünfte von Fachärzten mobilisierte der<br />
Verband die Patienten: Mit Tausenden von Protestfaxen<br />
wurde wochenlang das Faxgerät der Redaktion lahmgelegt.<br />
Die Androhung von juristischen Schritten <strong>und</strong>/oder juristische<br />
Auseinandersetzungen auch schon in der Recherchephase<br />
nehmen zu, spezialisierte Anwälte drohen mit Klagen<br />
<strong>und</strong> Schadensersatzforderungen. Jede Behauptung muss<br />
So gab es Übereinstimmung bei der Frage nach einer<br />
gemeinsamen Dachmarke für die Magazine:<br />
»Jedes <strong>ARD</strong>-Magazin ist seine eigene Marke <strong>und</strong> hat sein<br />
eigenes Profil. Die Pluralität macht die <strong>ARD</strong>-Magazine stark.<br />
Die Redaktionen der sechs <strong>ARD</strong>-Politmagazine stehen für<br />
investigativen Journalismus <strong>und</strong> sind Garanten für die kontinuierliche<br />
Pflege dieser Form des Journalismus. Und dies<br />
muss auch durch eigenständige Sendungen deutlich gemacht<br />
werden. Gerade in Zeiten, in denen verstärkt über die Qualität<br />
des Journalismus diskutiert wird, ist dies ein besonders<br />
wichtiges Gut für die <strong>ARD</strong>. Und in der letzten <strong>ARD</strong>-Studie zu<br />
den Politikmagazinen sagten 70 Prozent der befragten Zuschauer,<br />
dass sie diese Vielfalt schätzen. Warum diese Stärke<br />
also aufgeben?«<br />
Gemeinsam stimmen sich die Magazine ab: Woche für<br />
Woche in Schaltkonferenzen <strong>und</strong> in Telefonaten. So werden<br />
Synergien hergestellt, doppelte Recherchen zu einem Thema<br />
vermieden, um mit Gebührengeldern sparsam umzugehen.<br />
Die Zusammenarbeit ist von einer fre<strong>und</strong>schaftlichen Kon-<br />
Die politischen Magazine im Ersten A R D - J A H R B U C H 1 0 29
30<br />
Nachdem »Fakt« wiederholt über einen in<br />
Deutschland lebenden mutmaßlichen Hauptverantwortlichen<br />
von Kriegsverbrechen im Kongo<br />
berichtet hatte, kam es zu dessen Verhaftung.<br />
Durch ein unsinniges Gesetz wurden über Nacht<br />
H<strong>und</strong>erttausende Verkehrsschilder ungültig. Auf<br />
die Kommunen kamen Kosten in dreistelliger Millionenhöhe<br />
zu. Am Tag nach dem »Fakt«-Bericht<br />
wurde das Gesetz gekippt.<br />
quellen Informationen über Missstände <strong>und</strong><br />
Skandale erreichen die Redaktion auf vielen<br />
Wegen – auch über unsere Zuschauer. Diese Informationen<br />
werden intensiv überprüft, denn die<br />
Richtigkeit der Recherchen ist der Maßstab für<br />
die Glaubwürdigkeit des Magazins. Seit einem<br />
Jahr arbeitet »Fakt« auch erfolgreich mit der<br />
medienübergreifenden MDR-Rechercheredaktion<br />
zusammen.<br />
junges publikum »Fakt« will möglichst alle Altersgruppen<br />
erreichen. Wir versuchen natürlich,<br />
Themen zu finden, die auch jüngere Zuschauer<br />
interessieren. Wir biedern uns diesem Personenkreis<br />
aber nicht an.<br />
wunsch-sendeplatz Der »Fakt«-Sendeplatz<br />
ist eigentlich in Ordnung. Wir würden uns eher<br />
einen deutlich besseren Vorlauf wünschen.<br />
»Fakt« (MDR) /// Start: 15. 7. 1992 /// Montag 21.45 Uhr /// Moderator: Thomas Kausch ///<br />
Redaktionsleiter: Wolfgang Fandrich /// MA 2009: 8,9 %<br />
sitzen, geht die Manipulation von Fußballspielen<br />
offenbar ungehindert weiter. 30. 11. 2009:<br />
Entenfleisch aus Stopfmastproduktion: Falsch<br />
etikettiertes Entenfleisch aus der qualvollen<br />
Stopfleberproduktion gelangt in den Handel <strong>und</strong><br />
in Restaurants. Die Reaktion kommt prompt: Das<br />
Fleisch wird umgehend vom Markt genommen.<br />
themenauswahl Hier gilt: die Mischung macht<br />
den Reiz aus. »Fakt« ist vor allem ein investigatives<br />
Magazin. Eigenrecherchierte Themen sind die<br />
Basis <strong>und</strong> gleichzeitig das oberste Qualitätsmerkmal<br />
für ein politisches Magazin. Die Geschichten<br />
werden selbstverständlich weiterverfolgt <strong>und</strong><br />
– wenn sich ein neuer Ansatz ergibt – auch wieder<br />
aufgegriffen. So beispielsweise im Mai <strong>2010</strong>,<br />
als »Fakt« nach zehn Jahren erneut über einen<br />
immer noch nicht geklärten Fall von Justiz-Irrsinn<br />
berichtete.<br />
konsequenzen Nach der »Fakt«-Berichterstattung<br />
über Gänseteile aus der qualvollen Stopfmastproduktion<br />
in IKEA-Restaurants wurden die<br />
Produkte umgehend vom Markt genommen.<br />
charakter »Fakt« ist das jüngste <strong>ARD</strong>-Politikmagazin<br />
<strong>und</strong> das einzige politische Magazin im<br />
deutschen Fernsehen, das in den neuen B<strong>und</strong>esländern<br />
produziert wird. Die Nähe zu den Problemen<br />
vor Ort bringt eine höhere Sensibilisierung<br />
der Redaktion für diese Themen mit sich, die sich<br />
regelmäßig in der Sendung wiederfinden. »Fakt«<br />
ist ein investigatives Meinungsmagazin. Die Recherchen<br />
sind auf jeden Fall ergebnisoffen, es<br />
gibt keinen »dogmatischen Leitfaden«. Ziel ist,<br />
Missstände <strong>und</strong> Fehlentwicklungen zu enthüllen.<br />
Im Blickfeld sind dabei alle Parteien, Verbände<br />
etc., keine Vereinigung wird gezielt ausgespart<br />
oder geschont.<br />
schlagzeilen-themen 3. 5. <strong>2010</strong>: Die streng<br />
geheime »Capture or kill«-Liste der NATO in Afghanistan.<br />
Bei den NATO-Truppen in Afghanistan<br />
existiert eine Liste mit den Namen gefährlicher<br />
Taliban-Kämpfer, die gefangengenommen<br />
oder getötet werden sollen. Diese Liste gilt als<br />
streng geheim. »Fakt« liegt exklusiv das Papier<br />
vor, das nicht einmal im B<strong>und</strong>estag bekannt ist.<br />
15. 3./3. 5. <strong>2010</strong>: Hintermänner <strong>und</strong> Hintergründe<br />
zum Fußball-Wettskandal. »Fakt« enthüllt: Obwohl<br />
die mutmaßlichen Drahtzieher des jüngsten<br />
Fußball-Wettskandals inzwischen im Gefängnis<br />
<strong>Artikel</strong> A R D - J A H R B U C H 1 0
Neuwahlen im B<strong>und</strong>esland Berlin. Geschichte geschrieben<br />
haben die Beiträge über die DDR in den<br />
1980er Jahren. Sie hatten eine besondere Bedeutung<br />
für die friedliche Revolution <strong>und</strong> den Fall der<br />
Mauer. Diese Beiträge haben zeitgeschichtliche<br />
Bedeutung erlangt. Die Beiträge zur DDR werden<br />
zum Teil als DVD <strong>und</strong> als Onlineangebot der B<strong>und</strong>eszentrale<br />
für politische Bildung in erster Linie<br />
Schulen zur Verfügung gestellt.<br />
quellen Die Autoren von »Kontraste« haben<br />
sich im Laufe der Jahre ein Netzwerk an Informationsquellen<br />
erarbeitet, das ihnen Zugang auch<br />
zu vertraulichen Quellen ermöglicht. Alle Informationen<br />
werden von uns sorgfältig gegengeprüft.<br />
Die Themen der Sendung werden überdies<br />
auch von freien Autoren außerhalb des RBB <strong>und</strong><br />
von Zuschauern an uns herangetragen. Selbstverständlich<br />
wird auch hier die journalistische<br />
Sorgfaltspflicht eingehalten.<br />
junges publikum Wir stellen in vielen Gesprächen<br />
fest, dass unser Magazin auch bei jüngeren<br />
Zuschauern Interesse hervorruft. Leider haben<br />
sich viele von ihnen ganz oder zu großen Teilen<br />
aus der Fernsehrezeption zurückgezogen. Hier<br />
wollen wir mit ästhetisch ansprechenden Filmen<br />
<strong>und</strong> mit auch für diese Zielgruppe interessanten<br />
Themen ein Gegengewicht schaffen. Darüber hinaus<br />
sprechen wir junge Zuschauer mit unseren<br />
Online- <strong>und</strong> Facebook-Auftritten an.<br />
wunsch-sendeplatz Wir sind mit unserem gegenwärtigen<br />
Sendeplatz sehr zufrieden.<br />
»Kontraste« (RBB) /// Start: 18. 1. 1968 /// Donnerstag 21.45 Uhr /// Moderatorin: Astrid Frohloff<br />
/// Redaktionsleiter: Reinhard Borgmann /// MA 2009: 10,4 %<br />
Gefahr durch tödliche Keime. In Deutschlands<br />
Kliniken lauert ein gefährlicher Keim: MRSA. Er ist<br />
gegen fast alle Antibiotika resistent <strong>und</strong> fordert<br />
viele Todesopfer pro Jahr. Die Krankenhäuser<br />
schweigen. Und die Ges<strong>und</strong>heitspolitik wartet<br />
ab, statt endlich zu handeln.<br />
themenauswahl »Kontraste« hat in den letzten<br />
Jahren eine besondere Expertise bei den Themen<br />
Ges<strong>und</strong>heit, B<strong>und</strong>eswehr, Deutsche Bahn,<br />
Rechtsextremismus <strong>und</strong> Atomkraft entwickelt.<br />
Diese Themen werden kontinuierlich weiterverfolgt.<br />
Auf der anderen Seite werden relevante aktuelle<br />
Fragestellungen im gesellschaftlichen <strong>und</strong><br />
politischen Raum aufgegriffen. »Kontraste« leistet<br />
durch eigene Themensetzungen einen Beitrag<br />
zum politischen <strong>und</strong> gesellschaftlichen Diskurs.<br />
konsequenzen Ein großer Erfolg war der Beitrag<br />
über das »Infektionsrisiko Krankenhaus« im<br />
Jahr 2009. In zahlreichen Reaktionen schilderten<br />
uns die Zuschauer ihre eigenen Erfahrungen mit<br />
ungenügender Hygiene <strong>und</strong> gefährlichen Keimen.<br />
Sie bestätigten unsere Recherchen, daraus<br />
entwickelte sich eine Folgeberichterstattung. Politische<br />
Auswirkungen hatte der Beitrag über<br />
den Berliner Bankenskandal im Jahr 2001. In der<br />
Folge kam es zum Rücktritt des Regierenden<br />
Bürgermeisters Eberhard Diepgen (CDU) <strong>und</strong> zu<br />
charakter »Kontraste« ist das investigative<br />
politische Magazin der <strong>ARD</strong> aus der Hauptstadt<br />
<strong>und</strong> Metropole Berlin. Die Sendung informiert<br />
politisch unabhängig, unbequem <strong>und</strong> ideologiefrei.<br />
»Kontraste« setzt auf selbst recherchierte<br />
Themen, die auch abseits des Mainstreams liegen<br />
können, <strong>und</strong> zeichnet sich durch sorgfältige <strong>und</strong><br />
hartnäckige Eigenrecherche aus. Einen inhaltlichen<br />
Schwerpunkt stellen zeitgeschichtliche<br />
Themen dar, deren besondere Bedeutung für die<br />
Gegenwart hervorgehoben wird. »Kontraste« hat<br />
keine »politische Linie«, aber engagiert sich politisch<br />
– durch vorurteilsfreie Aufklärung.<br />
schlagzeilen-Themen 29. 4. <strong>2010</strong>: Ausbildungsmängel<br />
– B<strong>und</strong>eswehr schlecht vorbereitet<br />
im Kriegseinsatz. Die Kämpfe in Afghanistan<br />
werden immer brutaler, die Zahl der Toten <strong>und</strong><br />
Verletzten steigt. Erstmals beklagen jetzt Soldaten<br />
in »Kontraste«, dass die B<strong>und</strong>eswehr sie nur<br />
ungenügend auf den Kampfeinsatz vorbereitet<br />
hat. 14. 1. <strong>2010</strong>: Gefährliche Reise – die Bahn spart<br />
beim ICE auf Kosten der Sicherheit, Pannen der<br />
Bahn sind keine Seltenheit. Der Konzern beruft<br />
sich oft auf das widrige Wetter. Doch in Wahrheit<br />
ist das Problem hausgemacht. »Kontraste«<br />
belegt, dass die Bahn bei Wartungsarbeiten<br />
spart – bisweilen sogar auf Kosten der Sicherheit.<br />
20. 8. 2009: Infektionsrisiko Krankenhaus –<br />
Die politischen Magazine im Ersten A R D - J A H R B U C H 1 0 31
32<br />
quellen Die Validität von Informationen wird<br />
bei »Monitor« in mehreren Stufen überprüft.<br />
Gr<strong>und</strong>sätzlich gilt das Vieraugenprinzip, d. h., an<br />
komplexen Themen arbeiten mehrere Autoren<br />
<strong>und</strong> mindestens ein festangestellter Redakteur.<br />
Jede Quelle wird auf Glaubwürdigkeit überprüft,<br />
Falsifizieren ist dabei erwünscht. Abnahmen erfolgen<br />
meist durch die gesamte Redaktion, um<br />
jede nur denkbare Lücke in der Recherche zu<br />
schließen. Außerdem arbeiten wir nach dem Primärquellenprinzip:<br />
keine Berichterstattung vom<br />
Hörensagen.<br />
junges publikum Jüngere Zuschauer erreichen<br />
wir durch gezielte Berichte zu ihrer Lebenswirklichkeit,<br />
aber auch durch selbst gesetzte Zukunftsthemen,<br />
wie etwa unsere Schwerpunktsendungen<br />
zu Demokratie, Welternährungskrise, Klimawandel.<br />
Immer wichtiger wird unsere Internetseite,<br />
die inhaltlichen Mehrwert <strong>und</strong> Diskussionen<br />
anbietet.<br />
wunsch-sendeplatz Donnerstags, direkt nach<br />
der »Tagesschau«, 45 Minuten, <strong>und</strong> das am liebsten<br />
wöchentlich.<br />
»Monitor« (WDR) /// Start: 21. 5. 1965 /// Donnerstag 21.45 Uhr /// Moderatorin <strong>und</strong><br />
Redaktionsleiterin: Sonia Mikich /// MA 2009: 11,2 %<br />
Atommüll-Lager Asse, am 2. 7. 2009: die Enttarnung<br />
von Stasi-Mitarbeitern beim Staatsschutz.<br />
themenauswahl Die Themenauswahl ist eine<br />
Mischung. Wir versuchen, aktuellen Entwicklungen<br />
eigene Aspekte abzugewinnen, oder liefern<br />
den notwendigen Hintergr<strong>und</strong> dazu. Wir setzen<br />
aber auch Themen, über die kaum gesprochen<br />
<strong>und</strong> geschrieben wird. Beispiele für originäre<br />
Filmessays: Internet <strong>und</strong> Demokratie, Gerechtigkeit<br />
<strong>und</strong> Finanzkrise, alternative Wirtschaftsmodelle,<br />
Wandel des Datenschutzes.<br />
konsequenzen Folgende Themen haben eine<br />
große Resonanz in der Politik, den Medien <strong>und</strong><br />
bei den Zuschauern gehabt: bezahlte Lobbyisten<br />
(»Leihbeamte«) in B<strong>und</strong>esministerien, die Defizite<br />
der Riester-Rente, die Schuldenfalle Studium, die<br />
Datenkrake ELENA (Elektronisches Entgeltnachweisverfahren),<br />
die Interessen der Pharmalobby<br />
(Beiträge zum Verband Forschender Arzneimittelhersteller<br />
vfa, zur Schweinegrippe, zum Institut<br />
für Qualität <strong>und</strong> Wirtschaftlichkeit im Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />
IQWiG, zum Antidepressivum Reboxetin).<br />
Die Berichte sorgten für Anfragen im B<strong>und</strong>estag,<br />
Interventionen des B<strong>und</strong>esrechnungshofs<br />
oder der Staatsanwaltschaft <strong>und</strong> bewirkten<br />
Korrekturen gängiger Praktiken.<br />
charakter Recherchieren, informieren, einmischen<br />
– das ist das Credo von »Monitor«. Die<br />
Redaktion will Machtstrukturen <strong>und</strong> Machtmissbrauch<br />
in der Politik, Wirtschaft <strong>und</strong> Gesellschaft<br />
enthüllen <strong>und</strong> den Zuschauern helfen, sich ein<br />
Urteil zu bilden. Investigativer, meinungsfreudiger<br />
Journalismus als Gegengewicht zur Flut oberflächlicher<br />
Mainstream-Informationen: In einer<br />
immer diffuseren Wirklichkeit möchten wir für<br />
Transparenz sorgen. Dazu gehören eine aufwändige<br />
Recherche <strong>und</strong> eine verständliche Erzählhaltung,<br />
selbst wenn es kompliziert wird. Wir haben<br />
keine Angst vor »großen Gegnern«, ob Konzern,<br />
Partei oder Institution. Die Ausrichtung des<br />
Magazins: kritisch nach allen Seiten, unabhängig<br />
davon, wer regiert oder das Sagen hat.<br />
schlagzeilen-themen 9. 9. <strong>2010</strong>: »Etikettenschwindel<br />
Laufzeitverlängerung«, 19. 8. <strong>2010</strong>:<br />
»Milliarden-Geschäft mit Klimazertifikaten«,<br />
20. 5. <strong>2010</strong>: »Betrug an Riester-Anlegern«, Sicherheitslücken<br />
beim sozialen Netzwerk Facebook,<br />
22. 4. <strong>2010</strong>, 25. 3. <strong>2010</strong>, 28. 1. <strong>2010</strong>, 5. 11. 2009,<br />
24. 9. 2009: Kriegsverbrechen in Afghanistan,<br />
23. 7. 2009: »Kosten der Endlagerung« über das<br />
<strong>Artikel</strong> A R D - J A H R B U C H 1 0
quellen Zentral bei »Panorama« ist die Beschaffung<br />
von gerichtsfesten Beweisen durch eigene<br />
Autoren. Recherche wird also nicht outgesourct.<br />
Die Redaktion kennt damit alle Quellen, auch die<br />
im Bericht evtl. nur anonym darstellbaren. Regelmäßig<br />
arbeitet »Panorama« dabei mit dem Reporterpool<br />
von NDR Info <strong>und</strong> dem neuen Recherchebeauftragten<br />
im NDR Fernsehen zusammen.<br />
junges Publikum Wird angesprochen vor allem<br />
durch die Einführung von »Panorama – Die<br />
Reporter« <strong>und</strong> die Übernahme einiger stilprägender<br />
Elemente dieser Sendung ins Erste. So<br />
ist die Machart von »Panorama – Die Reporter«<br />
deutlich auf die neuen Sehgewohnheiten des Publikums<br />
zugeschnitten <strong>und</strong> soll die Verjüngung<br />
des Programms nachhaltig f<strong>und</strong>ieren: schnellere<br />
Schnitte, der deutlichere Einsatz von Musik, aber<br />
auch ein inhaltlich weniger abstrakter Zugang<br />
als im klassischen »Panorama« zu komplexen<br />
Themen. Insgesamt entspricht »Panorama – Die<br />
Reporter« eher den im Internet gelernten Sehgewohnheiten.<br />
wunsch-Sendeplatz Donnerstags, 21.45 Uhr,<br />
15 Minuten länger (wie früher).<br />
»Panorama« (NDR) /// Start: 4. 6. 1961 /// Donnerstag 21.45 Uhr /// Moderatorin: Anja Reschke<br />
/// Redaktionsleiter: Stephan Wels <strong>und</strong> Volker Steinhoff /// MA 2009: 11,9 %<br />
Geheimdienstes gegen Oppositionelle in<br />
Deutschland, 7. 4. 2009: »Die KiK-Story – die<br />
miesen Methoden des Textildiscounters«. Einzelne<br />
Recherchen wie diese aus dem 2008 im<br />
NDR Fernsehen neu etablierten Magazin »Panorama<br />
– Die Reporter« fanden auch den Weg<br />
ins Erste.<br />
themenauswahl Nachhaltige Berichterstattung<br />
<strong>und</strong> Fach-Schwerpunkte bei bestimmten<br />
Magazinen werden vom Publikum durchaus<br />
honoriert. Solche Schwerpunkte gibt es bei »Panorama«<br />
u. a. bei den Themenbereichen Arbeitsmarkt,<br />
Ges<strong>und</strong>heitspolitik, Islamismus, Rechtsextremismus<br />
<strong>und</strong> Bankenkrise. Trotzdem bietet ein<br />
Magazin wie »Panorama« in der Regel auch Hintergründe<br />
zu aktuell relevanten Themen.<br />
konsequenzen Der größte Erfolg der letzten<br />
Jahre war die Aufdeckung des BND-Einsatzes in<br />
Bagdad zur Unterstützung des amerikanischen<br />
Angriffs auf den Irak. »Bomben auf Bagdad<br />
– Deutsche Agenten am Irak-Krieg beteiligt«,<br />
gesendet am 12.1.2006, war der entscheidende<br />
Auslöser des so genannten BND-Untersuchungsausschusses<br />
im B<strong>und</strong>estag.<br />
charakter »Panorama« ist der Klassiker des<br />
investigativen Fernseh-Journalismus in Deutschland.<br />
»Panorama« deckt Fehler der Mächtigen<br />
auf, <strong>und</strong> anders als in manch anderen Programmen<br />
werden die Verantwortlichen auch mit<br />
diesen Vorwürfen konfrontiert. Dabei hat »Panorama«<br />
das Lagerdenken längst verlassen: Ein<br />
Beitrag über Ausbeutung am Arbeitsmarkt findet<br />
genauso seinen Platz wie ein Bericht über die<br />
Notwendigkeit des Afghanistan-Einsatzes.<br />
schlagzeilen-themen 6. 8. 2009: »Milliardengrab<br />
Landesbanken: Banker kassieren, Politiker<br />
schauen zu« – Recherchen zu den fehlenden<br />
Gehaltsobergrenzen für Vorstandsmitglieder<br />
der Landesbanken von Nordrhein-Westfalen<br />
(WestLB) <strong>und</strong> Baden-Württemberg (LBBW), obwohl<br />
die Banken von staatlichen Hilfen abhängig<br />
sind. In diesem Zusammenhang fiel besonders<br />
der für die LBBW verantwortliche Ministerpräsident<br />
Günther Oettinger durch latente Drohungen<br />
vor laufender Kamera auf. 15. 10. 2009: »Iraner in<br />
Deutschland – wie das Regime seine Kritiker verfolgt«<br />
– Bericht zum Vorgehen des iranischen<br />
Die politischen Magazine im Ersten A R D - J A H R B U C H 1 0 33
34<br />
Blackwater berichtete. Schon in der Abmoderation<br />
konnte Moderator Fritz Frey verkünden, dass<br />
Heckler & Koch alle Geschäftsbeziehungen zu<br />
Blackwater aufgeben würde.<br />
quellen »REPORT MAINZ« arbeitet mit unterschiedlichen<br />
Quellen. Ganz wichtig ist das Informantennetz,<br />
das sich die Redakteure im Laufe<br />
der Jahre aufgebaut haben. Eine eherne Regel<br />
ist das Vorhandensein von mindestens zwei unterschiedlichen<br />
Quellen, also Dokumente <strong>und</strong><br />
Zeugenaussagen oder Studien <strong>und</strong> persönliche<br />
Erfahrungen oder Expertenwissen. Ebenso hilft<br />
die eigene Kompetenz, die sich die Mitarbeiter im<br />
Laufe der Jahre aufgebaut haben.<br />
junges publikum Die Aufgabe von »REPORT<br />
MAINZ« ist nicht in erster Linie, sich auf jüngere<br />
oder ältere Zuschauer zu fokussieren. Wir wollen<br />
Probleme aufdecken, kritikwürdige Zustände<br />
be nennen, Verantwortliche damit konfrontieren<br />
<strong>und</strong> darauf hinwirken, dass die Missstände<br />
behoben werden. Dabei werden immer wieder<br />
Themen aufgegriffen, die jüngere Zuschauer<br />
betreffen, beispielsweise die Missstände beim<br />
Bachelor-Studium, die Gefahren des Internets bei<br />
Magersucht oder die Ausbeutung durch Praktika.<br />
Gleichzeitig versuchen wir durch einen starken<br />
Internetauftritt <strong>und</strong> mit Podcasts <strong>und</strong> Platzierungen<br />
in sozialen Netzwerken auch dort vertreten<br />
zu sein, wo sich jüngere Politikinteressierte treffen.<br />
wunsch-sendeplatz »REPORT MAINZ« könnte<br />
mit jedem Sendeplatz am Hauptabend leben, sofern<br />
er einen guten Publikumsvorlauf bietet.<br />
»REPORT MAINZ« (SWR) /// Start: 25. 4. 1966 (als »Report Baden-Baden«) /// Montag 21.45 Uhr<br />
/// Moderator: Fritz Frey /// Redaktionsleiterin: Birgitta Weber /// MA 2009: 9,7 %<br />
scheide falsch sind. Alle bedeutenden Zeitungen<br />
<strong>und</strong> H<strong>und</strong>erte von Regionalausgaben zitierten<br />
»REPORT MAINZ«.<br />
themenauswahl Nachhaltigkeit hat einen<br />
großen Stellenwert. Das heißt: »REPORT MAINZ«<br />
bleibt an Themen dran, verfolgt deren Entwicklung<br />
kontinuierlich, um eigene Akzente zu setzen.<br />
Immer wieder im Fokus sind die Themengebiete<br />
wie Pflege, Missstände im Tierschutz <strong>und</strong> in der<br />
fleischverarbeitenden Industrie. Bei herausragenden<br />
politischen Themen prüft die Redaktion<br />
regelmäßig <strong>und</strong> mit viel Energie, ob es gelingt,<br />
einen eigenen, möglichst exklusiven Zugang zum<br />
Ereignis zu finden.<br />
konsequenzen Recherchen von »REPORT<br />
MAINZ« werden von Akteuren in Politik <strong>und</strong><br />
Wirtschaft ernst genommen, zwingen politisch<br />
Verantwortliche zum Reagieren: Die Sondierungsgespräche<br />
über eine rot-rot-grüne Koalition<br />
in Nordrhein-Westfalen etwa wären, das darf<br />
man vermuten, anders verlaufen, hätte »REPORT<br />
MAINZ« nicht über das fragwürdige Verhältnis<br />
der NRW-Linken zur DDR <strong>und</strong> Stasi berichtet.<br />
Konkrete unmittelbare Konsequenzen hatte<br />
auch unser Bericht über die Kaninchenhaltung in<br />
Deutschland: Sowohl REWE als auch tegut nahmen<br />
Kaninchenfleisch aus dem Sortiment. Die<br />
schnellste Reaktion auf einen Beitrag bekam die<br />
Redaktion, als sie über die strategische Partnerschaft<br />
des deutschen Waffenherstellers Heckler<br />
& Koch mit der umstrittenen US-Söldnerfirma<br />
charakter »REPORT MAINZ«, die Sendung mit<br />
dem Fuchs, spürt gesellschaftliche <strong>und</strong> politische<br />
Missstände auf. Das Magazin ist politisch unabhängig,<br />
investigativ <strong>und</strong> kritisch. Der Anspruch<br />
an die Beiträge lautet: Exklusivität <strong>und</strong> Relevanz.<br />
Beides ist zum Markenzeichen von »REPORT<br />
MAINZ« geworden. Im Zentrum der Arbeit steht<br />
die exklusive Recherche; ein Alleinstellungsmerkmal<br />
ist »Lisas Welt«, die Glosse am Ende der<br />
Sendung, die seit nunmehr vier Jahren aus Kinderperspektive<br />
regelmäßig die Berliner »Bühne«<br />
satirisch aufs Korn nimmt.<br />
schlagzeilen-themen 22. 3.<strong>2010</strong> / 19. 7. <strong>2010</strong>:<br />
Das größte Medienecho in diesem Jahr erreichten<br />
bislang die Enthüllungen über die Rolle von<br />
Robert Zollitsch bei der Aufdeckung von sexuellem<br />
Missbrauch in seinem ehemaligem Bistum.<br />
Die 20.00-Uhr-»Tagesschau« berichtete mehrere<br />
Male, in regionalen <strong>und</strong> überregionalen Zeitungen<br />
erscheinen an die 100 <strong>Artikel</strong>. Mehr als<br />
2 000 Onlinemedien zitierten »REPORT MAINZ«.<br />
24. 8. 2009: Auf dem Höhepunkt des B<strong>und</strong>estagswahlkampfes<br />
gab es einen Bericht über<br />
das Geburtstagsessen, das Kanzlerin Merkel<br />
auf Staatskosten für Deutsche-Bank-Chef Josef<br />
Ackermann im Kanzleramt gegeben hatte. Der<br />
Beitrag löste ein enormes Echo in Politik <strong>und</strong><br />
Medien aus <strong>und</strong> war tagelang Thema auch in der<br />
ausländischen Presse. 11. 1. <strong>2010</strong>: Eine Reportage<br />
deckte auf, dass H<strong>und</strong>ertausende Hartz-IV-Be-<br />
<strong>Artikel</strong> A R D - J A H R B U C H 1 0
gativen Journalismus tätig <strong>und</strong> entsprechend<br />
vernetzt sind. Aus diesem Kreis stammen die<br />
meisten Themenideen; Vorschläge von Zuschauern<br />
werden aber häufiger im Rahmen von Recherchen<br />
aufgegriffen. Im intensiven Kontakt<br />
zwischen den Autoren <strong>und</strong> dem Chef vom Dienst<br />
sowie in der redaktionellen Abnahme werden alle<br />
Rechercheergebnisse überprüft. Wann immer<br />
möglich wird auch versucht, die Betroffenen vor<br />
der Kamera mit den Recherchen zu konfrontieren.<br />
junges publikum »Report München« will Zuschauer<br />
aller Altersschichten erreichen. In den<br />
letzten Jahren wurde allerdings ein besonderes<br />
Augenmerk auf die Bindung jüngerer Zuschauergruppen<br />
gelegt. So wurde das Themenspektrum<br />
deutlich erweitert – es werden vermehrt Themen<br />
wie die Probleme junger Familien oder aus dem<br />
Bereich Bildung behandelt. Das Thema Politik<br />
wird nicht nur in Form der klassischen Parteienberichterstattung<br />
angegangen, sondern stark<br />
auf die konkreten Auswirkungen von politischen<br />
Entscheidungen auf die Lebenswirklichkeit der<br />
Menschen bezogen (beispielsweise Mängel bei<br />
der Qualifikation von Arbeitslosen). Hier tragen<br />
wir dem gewandelten Politikverständnis gerade<br />
der jüngeren Generation Rechnung.<br />
wunsch-sendeplatz »Report München«<br />
hat sich im Laufe seiner Geschichte auf jedem<br />
Sendeplatz erfolgreich behauptet <strong>und</strong> jegliche<br />
programmliche Herausforderung angenommen<br />
– wie auch zur Zeit auf dem schwierigen Montagabend-Sendetermin.<br />
»Report München« (BR) /// Start: 5. 8. 1962 (25. 10. 1960 als »Anno«) /// Montag 21.45 Uhr<br />
/// Moderatorin: Claudia Schick /// Redaktionsleiter: Stephan Keicher /// MA 2009: 10,0 %<br />
Entwicklungen in der Banken- <strong>und</strong> Finanzbranche<br />
sowie am Arbeitsmarkt <strong>und</strong> in der Bildungspolitik<br />
langfristig begleitet.<br />
konsequenzen Schlagzeilen machte der Bericht<br />
über den Palmölskandal bei deutschen<br />
Unternehmen, den »Report München« bereits<br />
im März 2007 als erstes politisches Magazin mit<br />
konkreten Zahlen aufdeckte <strong>und</strong> so das Ausmaß<br />
der Problematik von Palmöl als so genannter<br />
»Biokraftstoff« verdeutlichte. Der Film hat Branchenexperten<br />
zufolge eine Lawine ins Rollen<br />
gebracht. Ein besonders großes Echo hatte die<br />
Berichterstattung über die CDU-Parteispendenaffäre<br />
in den Jahren 1999/2000. Aufgr<strong>und</strong> der<br />
Recherchen musste der damalige CDU-Partei<strong>und</strong><br />
Fraktionsvorsitzende Wolfgang Schäuble<br />
ein weiteres Treffen mit dem Waffenhändler<br />
Schreiber <strong>und</strong> damit eine Lüge vor dem B<strong>und</strong>estag<br />
eingestehen. Wenige Tage nach der »Report<br />
München«-Sendung trat Wolfgang Schäuble<br />
von all seinen Parteiämtern zurück. Für großes<br />
Aufsehen sorgte 1984 eine Durchsuchungsaktion<br />
der B<strong>und</strong>esanwaltschaft in den Räumen der<br />
»Report München«-Redaktion. Der Auslöser: ein<br />
Film über den geheimen »B<strong>und</strong>eswehrplan 1985<br />
– 1997«. Fahnder des BKA beschlagnahmten damals<br />
die geheime Akte.<br />
quellen Die Redaktion zeichnet sich durch einen<br />
festen Stamm von Redakteuren <strong>und</strong> freien<br />
Autoren aus, die schon seit langem im investi-<br />
charakter »Report München« ist das Urgestein<br />
unter den deutschen Politmagazinen. Kernstücke<br />
der Berichterstattung sind für das inves tigative<br />
Magazin das Aufdecken von Missständen, die<br />
Frage nach der Verantwortlichkeit <strong>und</strong> die direkte<br />
Konfrontation mit den Verantwortlichen. Besonderes<br />
Augenmerk legt »Report München« auf die<br />
kontinuierliche Berichterstattung zu den Problemen<br />
der Mittelschicht <strong>und</strong> auf die Diskussion<br />
r<strong>und</strong> um das Thema Integration.<br />
schlagzeilen-themen Einen besonderen<br />
Schwerpunkt legte »Report München« 2009/<br />
<strong>2010</strong> auf die Banken- <strong>und</strong> Finanzkrise – z. B. mit<br />
Berichten über die Enthüllungen zu den Vorgängen<br />
r<strong>und</strong> um die Hypo Real Estate (HRE) <strong>und</strong> die<br />
Versäumnisse bei der Kontrolle. Die Rechercheergebnisse<br />
flossen in einen B<strong>und</strong>estagsuntersuchungsausschuss<br />
mit ein. B<strong>und</strong>esweit für Schlagzeilen<br />
sorgten auch die exklusiven Recherchen<br />
zum Thema »Uran im Trink- <strong>und</strong> Mineralwasser«,<br />
die die Diskussion um die Einführung von Grenzwerten<br />
entscheidend angestoßen haben, sowie<br />
die aufsehenerregende Dokumentation über<br />
»Die Tragödie von Solln – Wenn Zivilcourage tödlich<br />
endet«.<br />
themenauswahl »Report München« hat den<br />
Anspruch, zu aktuellen politischen Entwicklungen<br />
f<strong>und</strong>ierte Hintergr<strong>und</strong>berichte zu bieten.<br />
Dies gilt besonders für die intensive Beobachtung<br />
der Berliner Politik. Daneben werden besonders<br />
Die politischen Magazine im Ersten A R D - J A H R B U C H 1 0 35
Mediale Visitenkarte der B<strong>und</strong>esrepublik<br />
Die Deutsche Welle im Wandel<br />
Von Erik Bettermann<br />
Vor 50 Jahren wurde die DW als eigenständige Auslands-<br />
r<strong>und</strong>funkanstalt der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland<br />
etabliert. Davor war das 1953 gestartete Kurzwellen-<br />
programm für das Ausland Gemeinschaftseinrichtung<br />
der <strong>ARD</strong>-Mitglieder.<br />
War die DW in den Anfangsjahren vor allem »Brücke zur<br />
Heimat«, muss sie sich heute bei der medialen<br />
Außendarstellung des Landes im internationalen Wett-<br />
bewerb bewähren. Die fortschreitende Globalisierung,<br />
Digitalisierung <strong>und</strong> die Herausforderungen auf den<br />
weltweiten Medienmärkten erfordern neue Strategien.<br />
Laut Gesetz soll die DW »das Verständnis <strong>und</strong> den<br />
Austausch der Kulturen <strong>und</strong> Völker fördern«. Für Emp-<br />
fänger in Krisenregionen sowie in Ländern mit<br />
eingeschränkter Informationsfreiheit ist die DW oft<br />
einzige Quelle objektiver Nachrichten.<br />
L<br />
ange habe er Deutschland »nur mit<br />
Hitler <strong>und</strong> dem Fall der Berliner Mauer<br />
in Verbindung gebracht«, schrieb vor<br />
einiger Zeit ein junger Kenianer an die<br />
DW. Durch das Kisuaheli-Programm habe er<br />
dann viel mehr über Deutschland erfahren:<br />
dass ein deutscher Kardinal zum Papst <strong>und</strong> Angela<br />
Merkel zur ersten B<strong>und</strong>eskanzlerin gewählt<br />
worden seien. Der deutsche Auslandssender<br />
ist ein reichweitenstarkes Instrument, ein Bild<br />
unseres Landes in der Welt zu zeichnen. Der<br />
frühere B<strong>und</strong>espräsident Horst Köhler sagte bei<br />
seinem Besuch des Senders, dass Deutschland<br />
in der Welt einen Ruf als fairer <strong>und</strong> verlässlicher<br />
Partner genieße, dazu trage auch die DW bei.<br />
Und er stellte klar, Deutschland brauche »eher<br />
eine kräftigere Stimme draußen«, um seine Stärken<br />
<strong>und</strong> sein vielfältiges Engagement vermitteln<br />
zu können.<br />
_ Globale Wahrnehmung unverzichtbar<br />
Menschen in vielen Regionen der Erde schauen<br />
auf unser Land, wollen wissen, wie wir zu<br />
wichtigen internationalen Themen <strong>und</strong> Entwicklungen<br />
stehen – ob Klimawandel oder<br />
Finanzkrise, Nahost-Konflikt oder dieLage in<br />
Afghanistan. Deutschland genießt als neutraler<br />
Mittler hohes Ansehen in der Welt. Das ist ein<br />
Wert, den wir nicht hoch genug veranschlagen<br />
können.<br />
Deutschland ist als Export- <strong>und</strong> Kulturnation<br />
auf globale Wahrnehmung angewiesen.<br />
Dies kann nur mit klar vermittelten Perspektiven<br />
<strong>und</strong> Positionen aus deutscher Quelle gelingen.<br />
Wer sonst, wenn nicht wir selbst, sollte<br />
unser Land vertreten? Schon in Paris <strong>und</strong> Lon-<br />
36 <strong>Artikel</strong> A R D - J A H R B U C H 1 0
don sieht man Ereignisse <strong>und</strong> Entwicklungen<br />
mit anderen Augen als in Berlin. Wir müssen<br />
unsere Interessen im Wettbewerb der Nationen<br />
<strong>und</strong> Regionen ohne mediale Zwischenhändler<br />
artikulieren können.<br />
20 Jahre nach der Einheit sucht Deutschland<br />
auf manchen Feldern der internationalen Politik<br />
immer noch seine Rolle. 20 Jahre nach der<br />
Einheit muss unser Land wissen, ob es in seiner<br />
medialen Außendarstellung in der Regionalliga<br />
oder in der Champions League spielen will.<br />
Andere Nationen – die USA, Großbritannien,<br />
Frankreich, Russland <strong>und</strong> China, um nur die<br />
bedeutendsten zu nennen – haben hier bereits<br />
klar Position bezogen. China plant eine globale<br />
Medienoffensive, für die es Mittel in Milliardenhöhe<br />
bereitstellen will. »Chinas Stimme soll<br />
weltweit gehört werden«, so das für Ideologie<br />
<strong>und</strong> Medien zuständige Mitglied des Politbüros<br />
mit Blick auf die Expansion des staatlichen Senders<br />
China Central Television (CCTV). Weitere<br />
Staaten investieren in ihre mediale Außendarstellung<br />
– <strong>und</strong> verschärfen den Kampf beim<br />
weltweiten Publikum um das knappe Gut Aufmerksamkeit<br />
weiter.<br />
_ Juwel in der öffentlich-rechtlichen Senderfamilie<br />
Am 11. 6. 1953 unterzeichneten die damaligen<br />
Mitglieder der <strong>ARD</strong> den Vertrag über die Einrichtung<br />
eines gemeinschaftlichen Kurzwellenprogramms:<br />
Geburtsst<strong>und</strong>e der DW. Wenige<br />
Wochen vorher, am 3. 5., hatte sie in Köln mit<br />
einem Hörfunkprogramm in deutscher Sprache<br />
den Sendebetrieb aufgenommen. Bis 1956<br />
lag die Verantwortung für das Programm beim<br />
Nordwestdeutschen R<strong>und</strong>funk (NWDR), danach<br />
beim WDR. Für die Sendungen konnte<br />
der deutsche Auslandsr<strong>und</strong>funk auf das Gesamtangebot<br />
der Landesr<strong>und</strong>funkanstalten zurückgreifen.<br />
Die Intendanten von NWDR <strong>und</strong><br />
später WDR waren auch für die Deutsche Welle<br />
verantwortlich.<br />
Mit dem Gesetz über die Errichtung von<br />
R<strong>und</strong>funkanstalten des B<strong>und</strong>esrechts vom<br />
29. 11. 1960 wurde die DW eine eigenständige<br />
R<strong>und</strong>funkanstalt. Der Auftrag der <strong>ARD</strong> an<br />
den WDR, den deutschen Auslandssender als<br />
Gemeinschaftseinrichtung zu betreiben, erlosch.<br />
Am 7. 6. 1962 trat die DW dem öffentlichrechtlichen<br />
Senderverb<strong>und</strong> als Vollmitglied<br />
wieder bei. Auf den ersten Blick ein Exot in der<br />
öffentlich-rechtlichen Familie – bei näherem<br />
Hinsehen jedoch ein besonderes Juwel.<br />
International präsente Medien konkurrieren<br />
weltweit um ihr Publikum.<br />
_ Mediales Portfolio in 30 Sprachen<br />
Die Deutsche Welle ist die mediale Visitenkarte<br />
Deutschlands in der Welt. Angebote in Hörfunk,<br />
Fernsehen <strong>und</strong> Internet in 30 Sprachen,<br />
das ist das journalistische Portfolio. Sie werden<br />
produziert von Mitarbeitern aus über 60 Nationen.<br />
Hinzu kommt die DW-Akademie, die seit<br />
fast 50 Jahren Medienschaffende aus Entwicklungs-<br />
<strong>und</strong> Schwellenländern fortbildet. 2009<br />
hat sie zudem den bilingualen Master-Studiengang<br />
»International Media Studies« gestartet.<br />
Der Auftrag des Senders hat sich mit dem<br />
novellierten DW-Gesetz 2005 verändert: Bis<br />
dahin stand die Vermittlung eines Deutschlandbildes<br />
im Mittelpunkt. Heute sollen die Ange-<br />
DW-Studio beim NWDR 1953<br />
Deutsche Welle im Wandel A R D - J A H R B U C H 1 0 37
ote »Deutschland als europäisch gewachsene<br />
Kulturnation <strong>und</strong> freiheitlich verfassten demokratischen<br />
Rechtsstaat verständlich machen«<br />
– <strong>und</strong> das Verständnis <strong>und</strong> den Austausch der<br />
Kulturen <strong>und</strong> Völker fördern. Dazu gehört<br />
auch, Sichtweisen aus anderen Kontinenten<br />
wiederzugeben. Zugleich soll die DW die deutsche<br />
Sprache fördern.<br />
Die DW finanziert sich im Unterschied zu<br />
den anderen öffentlich-rechtlichen Sendern aus<br />
Steuermitteln. Staatsfern organisiert, berichtet<br />
sie umfassend, wahrheitsgetreu <strong>und</strong> pluralistisch:<br />
Sie ist weder Regierungssender noch PR-<br />
Agentur Deutschlands. »Unabhängig«, »glaubwürdig«,<br />
»dialogisch« <strong>und</strong> »deutsch«, das sind<br />
ihre zentralen Markenwerte. Weltweit hat sie<br />
sich damit bei Partnern <strong>und</strong> Nutzern über Jahrzehnte<br />
hinweg großes Ansehen erworben.<br />
Die DW ist mehr als ein Sender, sie ist Kommunikationspartner.<br />
Der partnerschaftliche Ansatz<br />
bedeutet, die zunehmend aktiven Hörer,<br />
Zuschauer <strong>und</strong> Internet-Nutzer in einen Dialog<br />
einzubinden, möglichst in ihrer jeweiligen<br />
Landessprache. Die DW: ein verlässlicher <strong>und</strong><br />
vertrauenswürdiger Experte, der Orientierung<br />
bietet <strong>und</strong> damit Sicherheit gibt.<br />
_ »Informationssuchende« im Fokus<br />
Das Bild von der »Brücke zur Heimat« hat<br />
hierzulande jahrzehntelang die Wahrnehmung<br />
der DW geprägt. Die deutschsprachigen Programme<br />
in Hörfunk <strong>und</strong> später auch Fernsehen<br />
waren für Deutsche <strong>und</strong> Deutschstämmige in<br />
aller Welt oft die einzige Quelle für Aktuelles<br />
aus Deutschland. Internet <strong>und</strong> Satelliten haben<br />
dieses Informationsmonopol gebrochen.<br />
Ob »Tagesschau« oder »Der Alte« (ZDF), ob<br />
»Deutschland sucht den Superstar« (RTL) oder<br />
»Galileo« (ProSieben) – deutschsprachige Inlandsprogramme<br />
bis hin zum Lokalradio sind<br />
heute fast überall im Ausland über Internet<br />
abrufbar.<br />
Das hat die Hierarchie der Zielgruppen<br />
nachhaltig beeinflusst. Im Mittelpunkt steht<br />
heute die Vermittlung deutscher Perspektiven<br />
an ausländische Informationssuchende: jene,<br />
die sich für vielfältige Sichtweisen interessieren<br />
<strong>und</strong> sich vor allem aus Medien informieren, die<br />
durch ihre gesellschaftliche Stellung Einfluss<br />
auf die öffentliche Meinungsbildung haben. In<br />
autoritären Staaten zielen wir insbesondere auf<br />
jene, die sich aktiv für Demokratie, Freiheits-<br />
Studierende des ersten Master-Studien-<br />
gangs »International Media Studies«<br />
rechte <strong>und</strong> Fortschritt einsetzen. Für sie ist die<br />
DW eine wichtige Quelle unzensierter Information.<br />
Noch immer leben zwei Drittel der Menschheit<br />
in Staaten, die ihren Bürgern Informations-,<br />
Meinungs- <strong>und</strong> Pressefreiheit verwehren.<br />
Die Existenz von immer mehr Kanälen <strong>und</strong><br />
Ausspielwegen für Informationen wie Blogs <strong>und</strong><br />
Twitter erschwert die Kontrolle durch Regierungen<br />
<strong>und</strong> Parteidiktaturen – so im Iran, auch<br />
in China oder Kuba. Die iranische Gesellschaft<br />
ist extrem jung, mehr als jeder Zweite ist unter<br />
30 Jahren – <strong>und</strong> damit besonders aufgeschlossen<br />
für die Chancen der Neuen Medien. Die Digitalisierung<br />
hat die Möglichkeiten des Einzelnen<br />
erweitert, seine individuellen Freiheitsrechte<br />
auszuüben: Eine Chance für die Bürger, eine<br />
Bedrohung für abgeschottete politische Systeme.<br />
Sie reduzieren »ihr« Internet gleichsam<br />
auf nationale Intranets, um die Bevölkerung<br />
von unerwünschten Informationen abzuhalten.<br />
Cyberpolizisten – allein in China mehr<br />
als 50 000 – überwachen <strong>Inhalt</strong>e <strong>und</strong> verfolgen<br />
potenzielle Systemgegner, organisieren Hackerangriffe<br />
<strong>und</strong> gezielte Postings, manipulieren<br />
Webseiten. Auch Auslandssender sind Restriktionen<br />
unterworfen: gezielte Störung der Über-<br />
38 <strong>Artikel</strong> A R D - J A H R B U C H 1 0
tragung (»Jamming«), Blockade <strong>und</strong> Zensur des<br />
Internets, Einschüchterung <strong>und</strong> Verhaftung von<br />
Korrespondenten gehören zur gängigen Praxis<br />
in unfreien Medienmärkten.<br />
Hier <strong>und</strong> in vielen anderen Ländern gibt es<br />
keine qualifizierte Aus- <strong>und</strong> Weiterbildung von<br />
Journalisten <strong>und</strong> auch kaum Studiengänge für<br />
angehende Journalisten. Diese Lücke hilft die<br />
DW-Akademie zu schließen, unter anderem mit<br />
dem neuen Master-Studiengang »International<br />
Media Studies«.<br />
Im Kampf für Medienfreiheit <strong>und</strong> bei der<br />
Förderung zivilgesellschaftlicher Prozesse spielt<br />
die DW eine wichtige Rolle.<br />
Die Informationssuchenden weltweit erreichen<br />
wir in der jeweiligen Muttersprache <strong>und</strong><br />
der Lingua franca Englisch. Das vielsprachige<br />
Angebot ist zugleich eine Bedingung, das Interesse<br />
an Deutsch als Fremdsprache zu wecken.<br />
Denn nur mit unseren <strong>Inhalt</strong>en in 30 Sprachen<br />
erreichen wir auch diejenigen, die noch kein<br />
oder nur wenig Deutsch sprechen – <strong>und</strong> die wir<br />
so auch auf unser kostenloses Deutschkursangebot<br />
verweisen. Natürlich wird die DW auch<br />
weiterhin mit Sendungen in deutscher Sprache<br />
präsent sein.<br />
In unseren Angeboten zeichnen wir Deutschland<br />
so, wie es ist. Seit zwei Jahren auch mit<br />
verstärkter Unterstützung durch die <strong>ARD</strong>-<br />
Landesr<strong>und</strong>funkanstalten <strong>und</strong> das ZDF. Die<br />
Kooperation hat neue Möglichkeiten eröffnet,<br />
deutschsprachige Zuschauer besser zu bedienen,<br />
das Programmvolumen in allen Sprachen zu<br />
erhöhen <strong>und</strong> die Wiederholungsrate zu senken.<br />
Auswahlkriterien für die Übernahme einzelner<br />
Beiträge oder ganzer Sendungen: Sie müssen<br />
in das Programmprofil des Auslandsfernsehens<br />
passen, <strong>und</strong> die weltweiten Rechte müssen vorhanden<br />
sein.<br />
Die tägliche Sendung »euromaxx – Leben<br />
<strong>und</strong> Kultur in Europa« besteht zu etwa zehn<br />
Prozent aus <strong>ARD</strong>/ZDF-Beiträgen, das Globalisierungsmagazin<br />
»GLOBAL 3000« zu einem<br />
Drittel, »IM FOCUS – Dokumentationen<br />
<strong>und</strong> Reportagen« zu r<strong>und</strong> 70 Prozent. DW-TV<br />
übernimmt von den öffentlich-rechtlichen<br />
Inlandsprogrammen auch ganze Sendungen,<br />
beispielsweise »Presseclub«, »hart aber fair«,<br />
»Maybrit Illner« <strong>und</strong> »ML Mona Lisa«.<br />
_ Dynamische Medienmärkte weltweit<br />
Die deutsche Medienlandschaft hat sich in den<br />
zurückliegenden Jahren unter dem Einfluss von<br />
Globalisierung, Digitalisierung <strong>und</strong> Konvergenz<br />
erheblich verändert. Auf internationaler Ebene<br />
ist die Dynamik noch ungleich größer. Wer hier<br />
Zur Förderung zivilgesellschaftlicher<br />
Prozesse bietet die DW-Akademie Kurse für<br />
angehende Journalisten in Afghanistan.<br />
Deutsche Welle im Wandel A R D - J A H R B U C H 1 0 39
erfolgreich agieren will, muss sich inhaltlich,<br />
technisch <strong>und</strong> strukturell auf die Herausforderungen<br />
einlassen. Permanente Reform <strong>und</strong><br />
Marktanpassung, so lautet das Rezept.<br />
In fast allen Weltregionen verbessert sich die<br />
technische Infrastruktur. Spätestens Ende <strong>2010</strong><br />
wird es in China mehr Breitband-Internetanschlüsse<br />
geben als in den USA. Fast zwei Drittel<br />
der Mobilfunknutzer (4,5 Mrd Handy-Verträge<br />
weltweit) leben in Asien <strong>und</strong> Afrika. In vielen<br />
Entwicklungs- <strong>und</strong> Schwellenländern zeichnen<br />
sich digitale Sprünge ab.<br />
Die fortschreitende Digitalisierung <strong>und</strong> die<br />
Etablierung neuer Empfangsplattformen führen<br />
zu radikalen Veränderungen bei der Produktion<br />
<strong>und</strong> Distribution von Medieninhalten.<br />
Neben das lineare Angebot der traditionellen<br />
Medien treten zeit- <strong>und</strong> ortsunabhängige, interaktive<br />
<strong>und</strong> auf die jeweiligen Bedürfnisse<br />
zugeschnittene <strong>Inhalt</strong>e. Zugleich entwickeln die<br />
Konsumenten von Medieninhalten neue Nutzungsmuster,<br />
Möglichkeiten <strong>und</strong> Bedürfnisse.<br />
So steigt weltweit die Nachfrage nach personalisierter<br />
<strong>und</strong> zeitunabhängiger Mediennutzung,<br />
beispielsweise durch Podcasts, Video- <strong>und</strong> Audio-on-Demand-Angebote<br />
oder E-Mail-Newsletter.<br />
Insbesondere Multiplikatoren <strong>und</strong> junge,<br />
gebildete Menschen verfügen in wohlhabenden<br />
<strong>und</strong> stärker entwickelten Regionen über immer<br />
mehr multifunktionsfähige Endgeräte <strong>und</strong> über<br />
Breitbandanschlüsse, die einen qualitativ hochwertigen<br />
<strong>und</strong> zeitsouveränen Medienkonsum<br />
erlauben. Dementsprechend werden immer<br />
mehr <strong>Inhalt</strong>e über Distributionswege wie<br />
Streaming, Podcasting <strong>und</strong> Downloads auf<br />
immer mehr Plattformen (Handys, Spielekonsolen,<br />
MP3-Player, IPTV) in immer mehr Nutzungskontexten<br />
(mobil, stationär, parallel, live,<br />
on demand) abgerufen.<br />
Bislang passive Konsumenten von Informationen<br />
betätigen sich aktiv als Produzenten – sei<br />
es mit Weblogs oder Twitter, mit Audio- oder<br />
Videoangeboten im Netz. Statistisch gesehen<br />
eröffnet heute in jeder Sek<strong>und</strong>e ein neues Weblog.<br />
In unfreien Medienmärkten sind sie zum<br />
unverzichtbaren Mittel freier Meinungsäußerung<br />
geworden.<br />
Das dynamische Umfeld auf den Medienmärkten<br />
verschärft den Wettbewerb, auch für<br />
die Auslandssender. Neben die seit längerer Zeit<br />
agierenden Akteure mit ähnlichen Aufträgen<br />
oder Zielen – wie DW, BBC World Service,<br />
CNN, Voice of America oder Radio France Internationale<br />
(RFI) – treten neue internationale<br />
Anbieter in den Markt ein, zum Beispiel Al<br />
Jazeera International, France 24, Russia Today<br />
<strong>und</strong> CCTV Englisch aus Peking.<br />
_ Neuausrichtung erforderlich<br />
Deutschland verfügt über ein hoch entwickeltes<br />
Mediensystem. Viele Länder beneiden uns<br />
um seine Vielfalt <strong>und</strong> Qualität. Stärken, die<br />
Deutschland in der medialen Außenpräsenz<br />
ausspielen kann <strong>und</strong> muss. Die DW will daher<br />
künftig noch mehr als bisher mit öffentlichrechtlichen<br />
<strong>und</strong> kommerziellen Medienunternehmen<br />
kooperieren. <strong>ARD</strong>-Landesr<strong>und</strong>funkanstalten,<br />
das ZDF, das Deutschlandradio,<br />
privatwirtschaftliche Medienunternehmen <strong>und</strong><br />
Institutionen laden wir ein, mit uns gemeinsam<br />
ihren Beitrag zu leisten, die Wahrnehmung<br />
Deutschlands in der Welt zu verbessern. Verantwortung<br />
tragen alle, die ein originäres Interesse<br />
an einer starken weltweiten Medienpräsenz unseres<br />
Landes haben. Es ist im Interesse aller, die<br />
attraktiven <strong>Inhalt</strong>e, die wir hierzulande haben,<br />
40 <strong>Artikel</strong> A R D - J A H R B U C H 1 0
esser nach draußen zu tragen. Ebenso können<br />
die B<strong>und</strong>esländer mit ihrer Kompetenz für Inlandsr<strong>und</strong>funk<br />
in diesen Prozess einbezogen<br />
werden.<br />
Wir brauchen den politischen Willen, die<br />
DW als die mediale Visitenkarte der B<strong>und</strong>esrepublik<br />
in der Welt zu stärken. Ziel ist eine<br />
gemeinsame Gestaltung <strong>und</strong> politische Verantwortung<br />
des B<strong>und</strong>es <strong>und</strong> der Länder. Die unterschiedlichen<br />
Zuständigkeiten für Inlands- <strong>und</strong><br />
Auslandsr<strong>und</strong>funk dürfen kein Hindernis für<br />
eine erfolgreiche Zusammenarbeit der öffentlich-rechtlichen<br />
<strong>und</strong> privaten Anbieter mit der<br />
DW bilden.<br />
Andere Länder sind weiter als Deutschland.<br />
So speist sich TV 5 aus <strong>Inhalt</strong>en öffentlich-rechtlicher<br />
Inlandssender in Frankreich, Belgien, der<br />
Schweiz <strong>und</strong> Kanada. BBC World Service <strong>und</strong><br />
das TV-Angebot BBC World News können auf<br />
das Team von BBC News zugreifen, auf die<br />
Korrespondentenbüros <strong>und</strong> auf 2 000 BBC-<br />
Journalisten weltweit. Das sind ganz andere<br />
Ressourcen, die für die Programmgestaltung zur<br />
Verfügung stehen. Frankreich hat die früher unabhängigen<br />
Sendeanstalten RFI, France 24 <strong>und</strong><br />
TV5 Monde im vergangenen Jahr unter dem<br />
Dach einer Holding zusammengeführt, der<br />
staatlichen R<strong>und</strong>funkgesellschaft »L’audiovisuel<br />
extérieur de la France«. Das erleichtert die<br />
Kooperation der beteiligten Sender. In diese<br />
Richtung müssen auch wir uns in Deutschland<br />
stärker bewegen.<br />
Mit ihrer Strategie für die Jahre <strong>2010</strong> bis<br />
2013, der gesetzlich geforderten »Aufgabenplanung«,<br />
gibt die DW die Initialzündung für eine<br />
politische Debatte in Deutschland. Über eine<br />
gemeinsame Gestaltung <strong>und</strong> politische Verantwortung<br />
des B<strong>und</strong>es <strong>und</strong> der Länder für die<br />
DW wurden bereits Gespräche mit den meisten<br />
Ministerpräsidenten geführt. Das Konzept ist<br />
auf sehr viel Zustimmung gestoßen. Die <strong>ARD</strong>-<br />
Intendanten haben eine Arbeitsgruppe gebildet,<br />
die sich mit diesen Fragen beschäftigt. Einbezogen<br />
in die Gespräche sind auch die Intendanten<br />
von ZDF <strong>und</strong> Deutschlandradio.<br />
In der Reihe »Gesichter Deutschlands«<br />
dokumentieren DW-Reporter, wie Menschen<br />
in Deutschland leben <strong>und</strong> arbeiten;<br />
darunter die Notfallärztin Dagmar Zillig (o.),<br />
der Almbauer Jakob Müller (M.) <strong>und</strong> die<br />
Busfahrerin Marion Thoma (u.).<br />
Deutsche Welle im Wandel A R D - J A H R B U C H 1 0 41
DW-Intendant Bettermann übergibt den<br />
Entwurf der Aufgabenplanung<br />
<strong>2010</strong> bis 2013 am 24. 3. an B<strong>und</strong>estagspräsident<br />
Norbert Lammert.<br />
_ Permanente Reform im Inneren<br />
Die politische Diskussion um die Zukunft der<br />
DW wird begleitet <strong>und</strong> unterstützt von weitreichenden<br />
Veränderungsprozessen in ihrem Inneren.<br />
In der digitalen Welt müssen <strong>Inhalt</strong>e so<br />
produziert werden, dass sie für die unterschiedlichsten<br />
Verbreitungswege eingesetzt werden<br />
können. Eine wichtige Voraussetzung für diese<br />
Anforderungen sind multimedial arbeitende<br />
Redaktionen.<br />
Schon vor zwei Jahren hat die DW begonnen,<br />
die vormals getrennten Redaktionen für<br />
Radio <strong>und</strong> Internet zusammenzuführen. Die<br />
DW ist eines der ersten deutschen Medienhäuser,<br />
das diesen zukunftsweisenden Weg geht.<br />
Die Multimedia-Redaktionen bieten maßgeschneiderte<br />
<strong>Inhalt</strong>e für die jeweilige Zielregion –<br />
Text, Bild, Audio <strong>und</strong> Video auf DW-WORLD.<br />
DE, über mobile Seiten <strong>und</strong> über zahlreiche<br />
Partner im Netz <strong>und</strong> Radio. Für die Verbreitung<br />
von Hörfunkangeboten setzt die DW auf<br />
Wege, die insbesondere die Ausstrahlung über<br />
Partner ermöglichen. Die gewählten Module<br />
müssen sowohl UKW-tauglich sein als auch on<br />
demand angeboten werden können. Darüber<br />
hinaus stellt die DW verstärkt Video-<strong>Inhalt</strong>e für<br />
die Verbreitung über Internet <strong>und</strong> mobile Plattformen<br />
zur Verfügung.<br />
Und das mit messbarem Erfolg: Im heiß umkämpften<br />
Markt in Mittel- <strong>und</strong> Südosteuropa<br />
beispielsweise steigerte die verstärkte Onlinepräsenz<br />
die Reichweite deutlich. Das serbische<br />
<strong>und</strong> das bulgarische Angebot verzeichneten im<br />
Januar <strong>2010</strong> doppelt so viele monatliche Nutzer<br />
wie im Jahr zuvor. Insgesamt stieg die Zahl der<br />
Seitenaufrufe aller Sprachen im vergangenen<br />
Jahr um 40 Prozent. Von der Kurzwelle hat sich<br />
die DW in der Region schon vor Jahren verabschiedet.<br />
Redaktionelle Kapazitäten, die früher für die<br />
Produktion einer Kurzwellensendung benötigt<br />
wurden, stehen heute zur Verfügung, um Audio-Module<br />
für reichweitenstarke UKW-Partner<br />
<strong>und</strong> On-demand-Angebote im Internet zu erstellen.<br />
Das ermöglicht es, thematisch näher am<br />
»K<strong>und</strong>en« zu sein, seine Interessen <strong>und</strong> Bedürfnisse<br />
besser zu befriedigen <strong>und</strong> das Angebot<br />
über die optimalen Plattformen zu verbreiten.<br />
Für die multimedial arbeitenden Redaktionen<br />
im Bonner Funkhaus nimmt die Video-Zukunft<br />
im Netz bereits konkrete Formen an – auf der<br />
Gr<strong>und</strong>lage von Nachrichtenfilmen von DW-TV<br />
in Berlin.<br />
Wo das Internet noch nicht flächendeckend<br />
verbreitet ist, setzt die DW auf UKW-Partner<br />
vor Ort: Die Afrikaprogramme etwa sind auf<br />
mehr als 250 Partnersendern präsent <strong>und</strong> erreichen<br />
wöchentlich r<strong>und</strong> 40 Millionen Menschen<br />
auf dem afrikanischen Kontinent. Die Angebote<br />
sind zudem als Podcast <strong>und</strong> per RSS-Feed<br />
erhältlich. Bereits heute bietet die DW »Videoon-Demand«<br />
in 22 Sprachen – ein Angebot, das<br />
laufend weiterentwickelt wird.<br />
Das vielfältige Interesse <strong>und</strong> die Sympathie,<br />
die Deutschland in vielen Regionen der Welt<br />
entgegengebracht wird, sind eine Chance für<br />
unser Land, die wir nutzen müssen. Auslandsr<strong>und</strong>funk<br />
behält seine Bedeutung – wie die Etablierung<br />
neuer international agierender Sender<br />
zeigt. Um uns herum erkennen die Staaten, wie<br />
wichtig in der globalisierten Welt der Kampf<br />
um die Informations- <strong>und</strong> Deutungshoheit<br />
ist. Die Neuausrichtung der Deutschen Welle<br />
kommt da zum richtigen Zeitpunkt.<br />
Erik Bettermann,<br />
Intendant der Deutschen Welle<br />
42 <strong>Artikel</strong> A R D - J A H R B U C H 1 0
Das SWR-Team »Reporter <strong>und</strong> Recherche« – allen voran<br />
der Journalist Wilm Hüffer – war u. a. maßgeblich<br />
an der Aufdeckung des milliardenschweren Finanzie-<br />
rungsskandals um den Freizeitpark Nürburgring in<br />
Rheinland-Pfalz beteiligt. Sie widerlegten die Behaup-<br />
tungen der rheinland-pfälzischen Landesregierung,<br />
dass private Geldgeber zur Hälfte die Kosten des Frei-<br />
zeitparks Nürburgring tragen würden, recherchierten<br />
windigen amerikanischen <strong>und</strong> arabischen Investoren<br />
hinterher <strong>und</strong> überführten maßgeblich Beteiligte der<br />
Falschaussage. Die Ergebnisse der Recherchen koste-<br />
ten u. a. den früheren rheinland-pfälzischen<br />
Finanzminister Ingolf Deubel sein Amt <strong>und</strong> sorgten<br />
dafür, dass ein parlamentarischer Untersuchungsaus-<br />
schuss sich mit der Aufklärung befasste.<br />
Bedingungen, Arbeitsweisen <strong>und</strong> Ziele der <strong>ARD</strong>-<br />
Reporter-Pools erläutert der folgende Text.<br />
Den Finger in die W<strong>und</strong>e legen<br />
Reporter-Pools beim <strong>ARD</strong>-Radio bringen eine neue journalistische Qualität<br />
Von Bernhard Hermann <strong>und</strong> Arthur Landwehr<br />
H<br />
olger Schmidts Werkzeug ist heute<br />
ein Aktenordner. Tagelang hat er<br />
Menschen interviewt. Protokolle aus<br />
Polizeiquellen <strong>und</strong> vertrauliche Details<br />
von Informanten, die nicht genannt werden<br />
können, sind zwischen den Deckeln, ein<br />
paar Fotos, ein paar Dokumente, deren <strong>Inhalt</strong><br />
Sprengstoff sein kann. Holger Schmidt ist einer<br />
der Experten <strong>und</strong> Reporter über Terrorismus<br />
<strong>und</strong> innere Sicherheit bei der <strong>ARD</strong>, Mitglied<br />
der Redaktion »Reporter <strong>und</strong> Recherche« beim<br />
SWR in Baden-Baden. Seine Story: Ein beliebter,<br />
von seinen Patienten <strong>und</strong> Nachbarn geschätzter<br />
Arzt in Baden-Württemberg, zugleich<br />
ein gesuchter Gesprächspartner von lokalen Politikern<br />
<strong>und</strong> Kirchenvertretern, soll sein Konto<br />
einer Terrorgruppe zur Geldwäsche überlassen<br />
haben. Mindestens. Es geht um nicht weniger<br />
als den spanischen Ermittlungsbericht zum<br />
Bombenattentat von Madrid. »Können Sie das<br />
beweisen?« Ein »Das hat mir jemand gesagt«<br />
gilt hier nicht. »Wer ist Ihre Quelle? Haben Sie<br />
Unterlagen, die die Aussage belegen?« »Die<br />
Quelle müssen Sie schützen? Die Information<br />
benutzen, aber zitieren geht nicht!« Und dann:<br />
»Dieses Wort können Sie einbauen, das andere<br />
geht zu weit <strong>und</strong> ist nicht präzise abgesichert!<br />
So ist das Manuskript in Ordnung – kann gesendet<br />
werden!«<br />
_ Die Spezialisten: <strong>ARD</strong>-Reporter- <strong>und</strong> Recherche-<br />
Pools<br />
Ein typischer Dialog, wenn Journalisten auf Juristen<br />
treffen. Das genau gehört zum Arbeitsalltag<br />
der Hörfunkredaktionen in der <strong>ARD</strong>, die<br />
sich auf investigativen Journalismus spezialisiert<br />
Reporter <strong>und</strong> Recherche A R D - J A H R B U C H 1 0 43
NDR-Info-Reporter deckten zweifelhafte Milliardengeschäfte<br />
der HSH Nordbank auf:<br />
Bild Mitte: HSH-Chef Dirk Jens Nonnenmacher<br />
wehrt alle Interviewversuche ab.<br />
Bild unten: NDR-Info-Reporter Peter Hornung<br />
(v.) <strong>und</strong> Jürgen Webermann werten die<br />
Unterlagen aus.<br />
haben. »Reporter <strong>und</strong> Recherche« beim SWR<br />
ist ein Team von vier Journalisten <strong>und</strong> einem<br />
Dokumentar sowie Spezialisten für Online-Recherche.<br />
Beim NDR in Hamburg sind es sechs<br />
feste Reporter, die als Pool seit 2005 für die exklusiven<br />
Geschichten sorgen. Sie stehen nicht<br />
unter Produktionsdruck, müssen also keine<br />
festen Sendeplätze »füllen«, sondern können<br />
sich für aufwändige <strong>und</strong> langfristige Recherchen<br />
die notwendige Zeit nehmen. Genauigkeit <strong>und</strong><br />
Qualität gehen hier vor Geschwindigkeit <strong>und</strong><br />
Redaktionsschluss. Nur so war es für den NDR<br />
möglich, die Pannen bei der HSH Nordbank<br />
aufzudecken, die geradezu für ein politisches<br />
Erdbeben in Norddeutschland gesorgt haben.<br />
NDR-Reporter brachten den Stein ins Rollen:<br />
Sie präsentierten der Öffentlichkeit Dokumente<br />
<strong>und</strong> Zeugen, die bestätigten, dass die Landesbank<br />
von Hamburg <strong>und</strong> Schleswig-Holstein<br />
fragwürdige <strong>und</strong> strafrechtlich relevante Milliardendeals<br />
zu verantworten hatte <strong>und</strong> in der<br />
Folge mit Steuermilliarden vor der Pleite gerettet<br />
werden musste.<br />
Eine Renaissance des Reporter-Journalismus<br />
im Hörfunk? Den Anschein hat es, denn in<br />
mehreren Funkhäusern der <strong>ARD</strong> werden inzwi -<br />
schen ganz bewusst solche Reporter-Redaktionen<br />
gebildet <strong>und</strong> mit den notwendigen Ressourcen<br />
ausgestattet. Beim HR ist es die »Story«-<br />
Redaktion« von hr-iNFO, die mit eigenen Recherchen<br />
<strong>und</strong> einer markanten Umsetzung das<br />
journalistische Profil der Welle stärkt. Sie hat im<br />
Sommer 2009 ihre Arbeit aufgenommen. Die<br />
Redaktion arbeitet eng mit den Programmmachern<br />
zusammen, identifiziert die Geschichten<br />
<strong>und</strong> organisiert die Recherchen. Ebenfalls Mitte<br />
2009 gründete der MDR im Landesfunkhaus<br />
Sachsen mit »PRO« eine eigene Recherche-<br />
Redaktion, nachdem man seit Jahren gute Erfahrungen<br />
im Landesfunkhaus Thüringen mit<br />
einer solchen Redaktion gemacht hatte. »PRO«<br />
steht dabei für »Planungs-, Recherche- <strong>und</strong><br />
Online-Redaktion«. Diese Redaktion ist trimedial<br />
angelegt, arbeitet an großen, mittelfristigen<br />
Themen <strong>und</strong> publiziert sie dann mit gemeinsamer<br />
medialer Kraft von Hörfunk, Fernsehen<br />
<strong>und</strong> Internet.<br />
_ Hörfunk, Fernsehen <strong>und</strong> Internet:<br />
gemeinsam sind sie stark<br />
Zusammenarbeit über die Medien hinweg ist<br />
überall eine wichtige Entwicklung. Beim NDR<br />
ist es unter anderem die enge Vernetzung mit<br />
Kollegen des NDR Fernsehens, von »Panorama«<br />
<strong>und</strong> der Online-Redaktion, beim SWR<br />
mit »REPORT MAINZ«, die den exklusiven<br />
Geschichten über die Medien hinaus Wirkung<br />
verleihen hilft.<br />
»Wühlmäuse« hat es immer gegeben unter<br />
den Radiojournalisten der <strong>ARD</strong>, Männer <strong>und</strong><br />
Frauen, die hartnäckig an einer Geschichte bleiben,<br />
bis sie all die Schichten abgetragen haben,<br />
die andere über die Fakten legen. Die sich nicht<br />
44 <strong>Artikel</strong> A R D - J A H R B U C H 1 0
abspeisen lassen mit dem Eindruck eines gepflegten<br />
Rasens, bis sie absolut sicher sind, dass<br />
dies nicht Gras ist, das jemand über einen Skandal<br />
hat wachsen lassen. Typisch für Hörfunkjournalismus<br />
waren sie lange Zeit nicht. Radio<br />
war eher »das schnellste Medium«, weniger »das<br />
exklusive <strong>und</strong> investigative«.<br />
_ Das Radio ist ganz vorn dran<br />
In der Folge lag die Priorität des Radios lange<br />
Zeit auf seiner Geschwindigkeit <strong>und</strong> der Fähigkeit,<br />
neue Informationen, die irgendwo auf<br />
der Welt an die Oberfläche kamen, innerhalb<br />
kürzester Zeit an die Hörer weiterzugeben.<br />
Bestens ausgebildete <strong>und</strong> hoch kreative Redakteure<br />
gestalten täglich viele H<strong>und</strong>ert St<strong>und</strong>en<br />
Programm, das die Hörer verlässlich über das<br />
Geschehen in der Welt <strong>und</strong> in ihrer Region informiert.<br />
Das Radio ist ganz vorn dran, wenn es um<br />
Berichterstattung geht. Das schnellste Medium<br />
– meist schneller als das Internet, weil das<br />
gesprochene Wort dank modernster Übertragungstechnik<br />
oft schon vom Ort des Geschehens<br />
live über den Sender geht.<br />
Das Radio ganz vorn dran bei der Information,<br />
als Urheber einer Geschichte – das haben<br />
sich inzwischen die genannten Sender zum<br />
Ziel gesetzt <strong>und</strong> diese Redaktionen gegründet,<br />
deren Aufgabe es ist, Geschichten auszugraben,<br />
exklusiv <strong>und</strong> originär zu berichten oder mit<br />
einfühlsamen <strong>und</strong> akustisch reizvollen Reportagen<br />
Ereignisse sinnlich erfahrbar zu machen,<br />
mit großem Erfolg, wie die häufigen Zitate in<br />
Zeitungsartikeln <strong>und</strong> auf Online-Seiten, die auf<br />
Erkenntnisse von Hörfunkreportern der <strong>ARD</strong><br />
verweisen, eindrucksvoll belegen.<br />
_ Das Radio setzt Themen<br />
Viele Radiofeatures geben einfach einen spannenden<br />
Einblick in Facetten unserer Gesellschaft,<br />
die den meisten Hörern nicht vertraut<br />
sind. Andere graben genau die Fakten aus, die<br />
der Stoff sind, aus dem Skandale gemacht werden.<br />
Da sind die vertuschten Umweltsünden<br />
aus Profitgier, da sind Fälle von Korruption<br />
in Politik <strong>und</strong> Verwaltung; manche klein <strong>und</strong><br />
überschaubar, andere so, dass bewusst Ges<strong>und</strong>heit<br />
<strong>und</strong> Leben von Menschen aufs Spiel<br />
gesetzt werden. Auch solche bringen die Radioreporter<br />
ans Licht <strong>und</strong> sorgen so dafür, dass Abhilfe<br />
geschaffen wird <strong>und</strong> Verantwortliche die<br />
Konsequenzen ziehen müssen.<br />
Finanzierungsskandal um den Freizeitpark<br />
Nürburgring: SWR-Reporter spürten betrügerische<br />
Geldgeber auf (Bild oben).<br />
Passkopie eines privaten Investors, des<br />
Amerikaners Pierre Sloan Dupont,<br />
den SWR-Reporter als international bekannten<br />
Finanzbetrüger namens James Rice<br />
enttarnten (Bild Mitte).<br />
SWR-Reporter Erwin Kohla, Kai Laufen, Wilm<br />
Hüffer <strong>und</strong> Stefan Giese (Bild unten, v. l.)<br />
»Darauf sind wir stolz«, sagt Joachim Knuth,<br />
Programmdirektor Hörfunk des NDR, der<br />
den Reporter-Pool von NDR Info 2005 als damaliger<br />
Chefredakteur initiiert hatte. »Immer<br />
häufiger sind es unsere Reporter, die die Themen<br />
setzen, über die die Republik diskutiert.«<br />
Beispiele dafür gibt es inzwischen viele: Der<br />
Reporter <strong>und</strong> Recherche A R D - J A H R B U C H 1 0 45
HR z. B. hat sehr genau die Pandemiepläne der<br />
Behörden in Hessen analysiert <strong>und</strong> veröffentlicht.<br />
Und passend zur FIFA Fußball-Weltmeisterschaft<br />
brachten hr-iNFO-Reporter Fakten<br />
<strong>und</strong> Hintergründe zum »Big Business Fußball«;<br />
erschreckend auch das Ergebnis einer Recherche<br />
beim SWR, in der nachgewiesen wurde, dass<br />
minderwertiger Stahl aus Asien in Leitplanken<br />
an deutschen Autobahnen verarbeitet wurde.<br />
Das Material ist spröde <strong>und</strong> hat wahrscheinlich<br />
schon zu tödlichen Unfällen geführt. Nur an<br />
welchen Straßen diese Leitplanken als tödliche<br />
Falle stehen, weiß niemand mehr. Und der<br />
NDR schließlich konnte nachweisen, dass H<strong>und</strong>erttausende<br />
Puten gekeult wurden, obwohl<br />
sie keine Vogelgrippen-Gefahr darstellten. Das<br />
Geld aus der Seuchenkasse war schnell verdient.<br />
_ Overnewsed but <strong>und</strong>erinformed?<br />
Redaktionen für spezielle Recherche <strong>und</strong> investigativen<br />
Journalismus sind in der <strong>ARD</strong><br />
aber weit mehr als eine Augenblicksidee. Diese<br />
Redaktionen sind Teil einer wichtigen Anstrengung<br />
des öffentlich-rechtlichen R<strong>und</strong>funks, den<br />
Journalismus zu stärken. Zuverlässige <strong>und</strong> verlässliche<br />
Information ist nämlich ein wertvolles<br />
Gut, das immer seltener wird. Angesichts der<br />
weltumspannenden, immer <strong>und</strong> überall verfügbaren<br />
Nachrichten im Internet mag dies im<br />
ersten Augenblick als widersprüchlich erscheinen.<br />
Information bieten über das Netz nicht<br />
nur Zeitungen, R<strong>und</strong>funk- <strong>und</strong> Fernsehsender<br />
oder spezielle Magazine. Jede Information ist<br />
aus Tausenden Quellen abrufbar, in Blogs, Foren,<br />
in sozialen Netzwerken wie Facebook oder<br />
frei Handy <strong>und</strong> Internet, geliefert über Twitter<br />
<strong>und</strong> andere Organisationen. Abonnierte Feeds<br />
liefern wenige Augenblicke nach dem Ereignis<br />
die passende Meldung. Die klassischen Medien<br />
sind ebenfalls voll mit Informationen, drucken<br />
<strong>und</strong> senden, was Journalisten schreiben. Selbst<br />
kleinste kommerzielle Hörfunksender liefern<br />
pünktlich Nachrichten <strong>und</strong> geben sich als Tor<br />
zum Wissen um das Geschehen in der Welt<br />
<strong>und</strong> in der Region. Auf der anderen Seite klagen<br />
die Zeitungen, dass ihre Meldungen <strong>und</strong><br />
Geschichten nicht mehr gefragt sind. Auflagen<br />
gehen zurück, weil die früheren K<strong>und</strong>en sich<br />
ihr Informationspaket selbst schnüren <strong>und</strong> auf<br />
Geschmack, Interessen <strong>und</strong> Zeitbudget hin<br />
m<strong>und</strong>gerecht zuschneiden. Ein Überangebot,<br />
<strong>und</strong> da setzt die <strong>ARD</strong> noch eins drauf?<br />
Ein Überangebot ist es nur scheinbar, was<br />
sich leicht mit einem einfachen Experiment<br />
feststellen lässt: mithilfe der alles könnenden<br />
Suchmaschine Google Meldungen zu einem<br />
Ereignis suchen <strong>und</strong> dann die unterschiedlichen<br />
Quellen vergleichen. Die wahrscheinliche Erkenntnis<br />
ist, dass selbst bei Quellen, die man<br />
nie miteinander in Verbindung bringen würde,<br />
die Meldungen absolut identisch sind. Die<br />
Ursache dafür ist einfach: Meist bedienen sich<br />
die Nachrichtenanbieter im Netz aus ein <strong>und</strong><br />
derselben Quelle, sehr häufig eine Agenturmeldung<br />
oder ein Zeitungsartikel, der irgendwo im<br />
Netz auftauchte. Wer weiterforscht, stellt fest,<br />
dass der Wahrheitsgehalt einer solchen Meldung<br />
in der Regel nicht überprüft wurde. Bei<br />
vielen Nachrichtenanbietern im Netz haben<br />
nicht einmal Journalisten diese Meldung gelesen,<br />
geschweige denn überprüft <strong>und</strong> redigiert.<br />
Maschinen haben sie ins Netz geholt. Crawler-<br />
Programme, die den ganzen Tag das Netz nach<br />
Nachrichten durchforsten, sind dort die Redak-<br />
46 <strong>Artikel</strong> A R D - J A H R B U C H 1 0
teure, häufig die einzigen. Die Anbieter haben<br />
in diesem Fall entschieden, dass Maschinen<br />
auswählen, was gemeldet wird, <strong>und</strong> richten sich<br />
dabei nach einem Wahrscheinlichkeitsalgorithmus,<br />
der Gesprächswert <strong>und</strong> Interesse danach<br />
beurteilt, wann <strong>und</strong> woher die Meldung kam<br />
<strong>und</strong> wie oft sie schon im Netz dupliziert wurde.<br />
_ Unerlässliche Recherche<br />
Es gibt ein traurig-berühmt gewordenes Beispiel<br />
dafür, welche Folgen das haben kann: Im Jahr<br />
2008 meldete die Nachrichtenseite von Google<br />
an einem Sonntag, die Fluggesellschaft United<br />
Airlines habe Konkurs angemeldet. Diese Meldung<br />
wurde von anderen Medien übernommen,<br />
unter anderem von einem Börsen-Informationsdienst.<br />
Die Wallstreet reagierte bereits<br />
am frühen Montagmorgen <strong>und</strong> schickte die<br />
United-Aktie in den Keller. Das Problem: Die<br />
Meldung war sechs Jahre alt <strong>und</strong> United längst<br />
aus der Krise. Ursache war ein Zeitungsartikel,<br />
der aus dem Archiv versehentlich mit aktuellem<br />
Datum verbreitet worden war. Nachgedruckt<br />
haben mehrere, nicht einer hat überprüft, recherchiert.<br />
Zu wenig Zeit, keine Kapazität – das<br />
sind die Erklärungen.<br />
Journalistische Information ist nicht nur ein<br />
wertvolles, sondern auch ein teures Gut. Guter<br />
Journalismus verlangt gut ausgebildete Journalisten,<br />
die ihr Handwerk verstehen <strong>und</strong> die<br />
ausreichend Zeit <strong>und</strong> Ressourcen haben, ihre<br />
Arbeit zu leisten. Es kommt ja nicht von ungefähr,<br />
dass beispielsweise der private Fernsehsender<br />
Sat.1 seine Nachrichtenangebote drastisch<br />
reduziert hat. Eine gute Nachrichtenredaktion<br />
benötigt eine hohe Investition, während mit<br />
Nachrichten nur schwer Geld zu verdienen ist.<br />
Andere suchen ihr Heil in einer neuen Definition<br />
dessen, was wichtige Informationen sind,<br />
<strong>und</strong> stellen den Boulevard in den Mittelpunkt<br />
ihrer Berichterstattung.<br />
hr-iNFO machte die Krisenszenarien<br />
der hessischen Landesregierung für den<br />
Fall einer Pandemie publik: Oliver<br />
Günther (l.) im Gespräch mit Christoph<br />
Unger, Präsident des B<strong>und</strong>esamtes<br />
für Bevölkerungsschutz <strong>und</strong> Katastrophenhilfe<br />
_ Die besondere Verantwortung des öffentlichrechtlichen<br />
R<strong>und</strong>funks<br />
Diese Entwicklung, dass Informationen zwar<br />
zugänglich sind, ihre Vervielfachung es aber<br />
unmöglich macht, klar zu erkennen, was wahr<br />
<strong>und</strong> was bewusst oder unbewusst manipuliert<br />
ist, gibt dem öffentlich-rechtlichen R<strong>und</strong>funk<br />
eine besondere Verantwortung. Diese liegt<br />
schon, unter veränderten Vorzeichen, dem<br />
ursprünglichen Auftrag zugr<strong>und</strong>e. Denn frei<br />
zugängliche, für jeden verfügbare <strong>und</strong> verlässliche<br />
Information ist eine der entscheidenden<br />
Säulen einer funktionierenden Demokratie.<br />
Dies ist der Gr<strong>und</strong> dafür, dass die Alliierten bei<br />
der Gründung der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland<br />
vor mehr als 60 Jahren so großen Wert darauf<br />
gelegt haben, unabhängigen Journalismus zu<br />
ermöglichen, zu verankern <strong>und</strong> zu sichern. Die<br />
Gründung der öffentlich-rechtlichen R<strong>und</strong>funkanstalten<br />
spielte in dieser Strategie zur<br />
Demokratisierung der deutschen Bevölkerung<br />
eine ganz wesentliche Rolle. Neben einem weit<br />
gefassten <strong>und</strong> unzensierten Kulturangebot, das<br />
den Menschen wieder zur Verfügung stand, war<br />
es vor allem die unabhängige, an der Wahrheit<br />
<strong>und</strong> den Bedürfnissen der Menschen orientierte<br />
journalistische Information, die die Basis für<br />
eine neue, stabile Gesellschaft legte.<br />
An diesem vor sechs Jahrzehnten gelegten<br />
F<strong>und</strong>ament hat sich im zweiten Jahrzehnt des<br />
21. Jahrh<strong>und</strong>erts ebenso wenig etwas geändert<br />
wie an den Aufgaben. Sehr wohl geändert haben<br />
sich die Kanäle, über die die Menschen<br />
heute die Information bekommen, auf deren<br />
Basis sie wichtige Entscheidungen treffen, die<br />
ihr persönliches Alltagsleben ebenso tangieren<br />
wie große politische Weichenstellungen, die<br />
unsere Gesellschaft lenken. Dafür benötigen<br />
sie Informationen, auf die sie sich verlassen<br />
können, weil sie von unabhängigen <strong>und</strong> professionell<br />
arbeitenden Journalisten recherchiert<br />
<strong>und</strong> aufbereitet wurden. Diese Notwendigkeit<br />
ist umso stärker, weil die Vervielfachung der<br />
Ausspielwege <strong>und</strong> die Informationsüberflutung<br />
durch das Internet für Verunsicherung sorgen.<br />
Reporter <strong>und</strong> Recherche A R D - J A H R B U C H 1 0 47
Mit der geschilderten quantitativen Vergrößerung<br />
des Angebots ist gleichzeitig die Qualität<br />
massiv gesunken.<br />
Diese Entwicklung verlangt von den öffentlich-rechtlichen<br />
R<strong>und</strong>funkanstalten in doppel ter<br />
Weise eine besondere Verantwortung, die der<br />
ihrer Gründerzeit in nichts nachsteht. Allerdings<br />
hat sich der Schwerpunkt dieser Verantwortung<br />
verschoben. Während es nach dem<br />
Zweiten Weltkrieg notwendig war, überhaupt<br />
erst einmal Information zur Verfügung zu<br />
stellen, ist die Rolle heute in erster Linie, den<br />
Menschen Sicherheit durch Zuverlässigkeit bei<br />
der Auswahl <strong>und</strong> Aufbereitung der Information<br />
zu geben. Dies gilt für Hörfunk, Fernsehen <strong>und</strong><br />
Internet gleichermaßen. Für einige Jahre, als<br />
Internet <strong>und</strong> kommerzielle Nachrichtenkanäle<br />
das »globale Dorf« der Informationsgesellschaft<br />
kreierten, schien es, als komme es vor allem darauf<br />
an, zu sichten, zu überprüfen, zu organisieren,<br />
das Wichtige vom Unwichtigen zu trennen<br />
<strong>und</strong> ein zuverlässiges <strong>und</strong> verlässliches Informationsangebot<br />
zu komponieren. Die Information<br />
selbst stand ja zur Verfügung. Dies hat der Hörfunk<br />
der <strong>ARD</strong> in hervorragender Weise erfüllt.<br />
_ Informationshäppchen der Öffentlichkeitsarbeiter<br />
. . .<br />
Jetzt, einige Jahre später, stellt sich die Lage anders<br />
dar. Die Überfülle ist geblieben, der echte<br />
Gehalt geht dramatisch zurück. Vor allem die<br />
Legionen von Öffentlichkeitsarbeitern in Politik<br />
<strong>und</strong> Wirtschaft haben die Hoheit über viele<br />
Themen erobert. Viel Geld ist hier investiert<br />
worden, genau wissend, dass gut aufbereitete<br />
<strong>und</strong> leicht zu verarbeitende Informationshappen<br />
gern genommen <strong>und</strong> verbreitet werden.<br />
Das erleichtert überlasteten Redaktionen die<br />
Arbeit, macht es oft erst möglich, Zeitungen,<br />
Sendungen oder Onlineseiten zu füllen. Inzwischen<br />
lassen Unternehmen fertige Hörfunkbeiträge<br />
oder Reportagen produzieren, die kostenlos<br />
zur Verfügung stehen, im Vertrauen darauf,<br />
dass sie gesendet werden, weil in Redaktionen<br />
kein Geld für gründlichen <strong>und</strong> eigenständigen<br />
Journalismus vorhanden ist. Vor diesem Hintergr<strong>und</strong><br />
lassen sich Missstände von den Beteiligten<br />
gut vertuschen.<br />
_ . . . contra Analyse <strong>und</strong> Hintergr<strong>und</strong><br />
Die Wahrheit ans Licht zu holen, Missstände<br />
aufzudecken, mit Zeit <strong>und</strong> Ressourcen zu<br />
hinterfragen, ob eigentlich stimmt, was Pressemitteilungen<br />
verkünden, das gehört zu den<br />
wichtigen Aufgaben des Journalismus. Journalismus<br />
als Vierte Gewalt im Staat kann nur dann<br />
diese Aufgabe ausfüllen, wenn er sich selbst die<br />
Aufgabe stellt, zu überprüfen, was in Politik,<br />
Wirtschaft oder Behörden als Fakten präsentiert<br />
wird. Die Aufgabe ist, Widersprüche <strong>und</strong> Unstimmigkeiten<br />
aufzudecken <strong>und</strong> die Interessen<br />
hinter dem Handeln zu analysieren <strong>und</strong> transparent<br />
zu machen.<br />
Und so waren <strong>und</strong> sind die Reporter des<br />
Hörfunks aktiv. Neben der HSH-Nordbank-<br />
Recherche des NDR gehörten sicher der Handel<br />
mit B<strong>und</strong>eswehrpistolen in Afghanistan,<br />
Datenlecks beim Finanzdienstleister AWD oder<br />
die unerlaubte Videoüberwachung in einer Drogeriekette<br />
zu den spektakulärsten Geschichten.<br />
Dass »Tagesschau« <strong>und</strong> »Tagesthemen« oder<br />
Printmedien wie die »Süddeutsche Zeitung« ein<br />
Hörfunkprogramm wie NDR Info mit Exklusivstorys<br />
zitieren, war früher fast ausgeschlossen.<br />
Genauso freut man sich beim SWR über<br />
Presseartikel, die ihre Berichterstattung über die<br />
skandalöse Finanzierung des Nürburgring-Freizeitparks<br />
mit Zitaten aus dem SWR belegen. Im<br />
Sommer war es eine erschütternde Reportage<br />
über den Handel mit Fußballtalenten aus afrikanischen<br />
Staaten in Europa, die für Aufsehen<br />
sorgte.<br />
Bei den Hörern jedenfalls scheinen diese<br />
Exklusiv-Berichte gut anzukommen, denn<br />
meist gibt es sehr viel Resonanz. Inzwischen ist<br />
es auch so, dass Menschen die Reporter als Gesprächspartner<br />
suchen, wenn ihnen etwas unter<br />
den Nägeln brennt. Die Landesr<strong>und</strong>funkanstalten<br />
haben aus dem nachhaltigen Erfolg die<br />
Konsequenz gezogen, u. a. mit dem <strong>ARD</strong> Radiofeature<br />
regelmäßig investigative Reportagen<br />
zu senden. Diese kommen abwechselnd von<br />
jeweils einem Sender <strong>und</strong> stehen allen anderen<br />
<strong>und</strong> damit dem Publikum in ganz Deutschland<br />
zur Verfügung.<br />
48 <strong>Artikel</strong> A R D - J A H R B U C H 1 0<br />
Bernhard Hermann, Hörfunkdirektor beim<br />
SWR <strong>und</strong> Vorsitzender<br />
der <strong>ARD</strong>-Hörfunk-Kommission<br />
Arthur Landwehr,<br />
Chefredakteur Hörfunk des SWR
Das allmähliche Verschwinden des Buches aus der<br />
Gesellschaft wird – <strong>und</strong> das nicht erst mit der wachsen-<br />
den Bedeutung der elektronischen Medien – immer<br />
G RA S HA LM E<br />
wieder prognostiziert. Dass Kulturpessimismus fehl am<br />
Dies hier im Gras<br />
Platz ist, zeigen nicht zuletzt immer wieder neue Gene-<br />
ist die Antenne<br />
rationen von begabten Nachwuchsautoren <strong>und</strong> leiden-<br />
meines Kofferradios<br />
schaftlichen Lesefans jeden Alters. Beide Gruppierungen<br />
<strong>und</strong> das dort<br />
bedient das Radio in idealer Weise, neben den Kultur-<br />
über der Saar<br />
wellen immer mehr auch die Jugendradios der <strong>ARD</strong>. on3-<br />
sind Angelruten,<br />
radio (BR) z. B. tourt in jedem Herbst mit seinen »Lese-<br />
ausgefahrene Grashalme<br />
reihen« quer durch Bayern <strong>und</strong> stellt Nachwuchsautoren<br />
neben der Lenkstange<br />
auf den Clubbühnen verschiedener Städte vor. »N-JOY<br />
meines abgestellten Mopeds.<br />
liest« heißt eine andere Aktion, in der das NDR-Jugend-<br />
Ich höre Nachrichten.<br />
radio ein Buch gemeinsam mit seinen Hörern im Radio<br />
Wallraff ist frei,<br />
liest. Oder die »1LIVE Plan B Shortstory«: Einmal im Mo-<br />
die griechische Junta<br />
nat vertont das junge WDR-Radio für sein Publikum eine<br />
ist entmachtet.<br />
Short Story, die Königsdisziplin aller Autoren.<br />
(Radiogedicht von Arnfrid Astel, 1978)<br />
. . . auch jenseits ausgetretener Pfade<br />
Literatur im Radio<br />
Von Frank Johannsen<br />
L<br />
iebe geht durch den Magen, heißt es.<br />
Ob solch altbackene Küchen-Weisheit<br />
in Zeiten der Generation Fastfood überhaupt<br />
noch belastbar ist? In der Welt<br />
der Literatur jedenfalls spielten süffig beschriebene<br />
Schmaus-<strong>und</strong>-Braus-Erlebnisse seit je eine<br />
wichtige <strong>und</strong> bisweilen auch erotisch aufgeladene<br />
Rolle.<br />
Nicht nur im hanseatisch feinen Universum<br />
der Lübecker Familie Buddenbrook wurde zum<br />
Lobpreis der großbürgerlichen Tafelkultur immer<br />
wieder gern gediegen aufgetischt. Vom<br />
kolossalen, wegen hemmungsloser Nitrat-Zufuhr<br />
ziegelrot prangenden Schinken mit brauner,<br />
säuerlicher Schalottensauce bis zum in Kris tallschüsseln<br />
servierten Gemisch aus Makronen,<br />
Himbeeren, Biskuits <strong>und</strong> Eiercreme, dem<br />
»Plettenpudding«. »Ja«, schrieb Thomas Mann,<br />
»man konnte eines nahrhaften Bissens gewärtig<br />
sein bei Buddenbrooks . . .«<br />
_ Literatur <strong>und</strong> Kulinarik: ein Genuss<br />
Kaum ein Roman kam <strong>und</strong> kommt ohne Küche,<br />
Tafel <strong>und</strong> Kochgeschirr aus. Kein Autor<br />
schickt seine Helden gern mit leerem Magen<br />
durch den Plot. Und Studien belegen, dass leidenschaftliche<br />
Leser auch gern gut essen.<br />
Die Literatur-Redaktion von Radio Bremen<br />
wagte deshalb ein Experiment. Man sei neugierig<br />
gewesen, berichtet Kulturchefin Lore<br />
Kleinert, ob es wohl klappen könnte, über<br />
Küche, Kulinarik <strong>und</strong> Lebensstil neue Leserschichten<br />
zu erreichen.<br />
Zum »Abend in der Küche« versammelten<br />
sich im Dezember 2009 die Autoren Lea Singer,<br />
Jan Weiler <strong>und</strong> Christoph Peters um den Herd<br />
Literatur im Radio A R D - J A H R B U C H 1 0 49
in der Lehrküche der Bremer Volkshochschule.<br />
Ein Spitzenkoch war auch dabei. Es wurde<br />
gelesen, geredet, gekocht <strong>und</strong> gekostet. Die<br />
Sendung wurde nicht nur live im Nordwestradio<br />
(Radio Bremen/NDR) übertragen, sondern<br />
auch im Internet, wo die Autoren <strong>und</strong> »Küchengott«<br />
Sebastian Dickhaut eigens ein Forum<br />
für diese neue Sendeart einrichteten. Mit Erfolg.<br />
Fortsetzung folgt: Die kalorienreiche Veranstaltung<br />
soll künftig dauerhaft auf der Speisekarte<br />
des Programms stehen.<br />
_ Literatur <strong>und</strong> Reisen: eine lange Tradition<br />
Wie das Essen zählt das Reisen zu den beständigen<br />
Motiven der Literatur: Goethe unterwegs<br />
ins Land, wo die Zitronen blühen, Johann<br />
Gottfried Seumes »Spaziergang nach Syrakus<br />
im Jahre 1802«, Jack Kerouacs »On the Road«<br />
auf der Landkarte der amerikanischen Beatnik-<br />
Kultur, Sten Nadolny mit der »Netzkarte« auf<br />
Zufallsreise durchs Schienenreich der B<strong>und</strong>esbahn<br />
oder Pascal Mercier im »Nachtzug nach<br />
Lissabon«. Schriftsteller sind gern »einfach mal<br />
weg« <strong>und</strong> unterwegs zu Abenteuern <strong>und</strong> neuen<br />
(Selbst-)Erfahrungen. Die Leser folgen ihnen<br />
<strong>und</strong> ihren Helden nur allzu bereitwillig auf den<br />
Streifzügen <strong>und</strong> kleinen Fluchten.<br />
Auf realen Reisewegen von da nach dort<br />
vermittelt der HR Literatur auf Hochgeschwindigkeits-Trassen.<br />
Bei 200 St<strong>und</strong>enkilometern<br />
sind wohlgesetzte Worte der Dichter bestens<br />
geeignet, nervige Handy-Belanglosigkeiten des<br />
Sitznachbarn unterhaltsam auszublenden <strong>und</strong><br />
bei Verspätungen vom wieder mal verpassten<br />
Anschluss tröstlich abzulenken. Gemeinsam<br />
mit der Deutschen Bahn <strong>und</strong> dem »Hörverlag«<br />
bietet hr2-kultur bereits seit 2001 auf Kanal 4<br />
für Reisende im ICE mit Kurzerzählungen aus<br />
allen literarischen Epochen <strong>und</strong> Genres nahrhaften<br />
Literatur-Proviant. Im März <strong>2010</strong> war<br />
bereits die 100. Staffel zu hören, mit Liebesgeschichten<br />
von Hermann Hesse.<br />
_ Literatur als Stützpfeiler der <strong>ARD</strong>-Kulturradios<br />
Ob auf sommerlicher Saar-Kreuzfahrt mit dem<br />
»SR 2-Krimischiff« oder im Rahmen der »lit.<br />
COLOGNE« beim »WDR 5-Literaturmarathon«<br />
als 24-stündiges Literatur-Happening mit 100<br />
Texten zu thematischen Schwerpunkten, ob<br />
beim »1LIVE Klubbing« Lesungen <strong>und</strong> DJ-Sets<br />
im rasanten Wechsel präsentiert werden, der<br />
HR zur Frankfurter Buchmesse die alljährliche<br />
Gala der »<strong>ARD</strong>-Radionacht der Bücher« veranstaltet<br />
oder literarischer Talk in der Kölner Bar<br />
»Zum scheuen Reh« angesagt ist: Auf welchen<br />
angestammten oder außergewöhnlichen Hör-<br />
Wegen auch immer sie vermittelt wird – die<br />
Literatur zählt zweifellos zum Kern-Repertoire<br />
der öffentlich-rechtlichen Kulturprogramme.<br />
Im RBB-Kulturradio findet Literatur im<br />
Gr<strong>und</strong>e »zu jeder Tages- <strong>und</strong> Nachtzeit statt«,<br />
sagt Wortchefin Claudia Ingenhoven, zum Beispiel<br />
in der werktäglichen Reihe »Lesestoff« mit<br />
Live-Rezensionen von Belletristik, Sach- <strong>und</strong><br />
50 <strong>Artikel</strong> A R D - J A H R B U C H 1 0<br />
. . . Aus Sicht des Menschen kann man Zukunft als die<br />
Summe aller Möglichkeiten beschreiben, die sich innerhalb<br />
einer Lebensspanne theoretisch realisieren<br />
könnten, also als unüberschaubare, vielleicht sogar<br />
unendlich große Menge von potenziellen Lebenswegen.<br />
Allein das ist schon gruselig: ein riesiges Möglichkeitenmonster.<br />
Die Zukunft schwarzsehen heißt,<br />
den größten Teil dieser möglichen Lebensverläufe als<br />
scheiternd zu betrachten. Damit gleicht die Zukunft<br />
einem Labyrinth aus Sackgassen, Irrwegen, Stolperfallen<br />
<strong>und</strong> anderen Gefahren, während nur wenige,<br />
schwer zu findende Wege einigermaßen heil durch<br />
den Schlamassel führen.<br />
Für den Einzelnen, der es mit einer solchen Zukunft<br />
aufnehmen will, folgt daraus: Jeder Schritt kann<br />
ein Fehler sein. Jede Entscheidung gewinnt existenzielle<br />
Bedeutung – wenn sie sich als falsch erweist,<br />
führt sie den Menschen in die Irre, er geht verloren<br />
<strong>und</strong> findet nicht mehr oder nur noch mit großer Anstrengung<br />
auf den richtigen Pfad zurück.<br />
Also, liebe Abiturienten, immer schön alles richtig<br />
machen! Aufpassen! Abwägen! Vernünftig sein! Ich<br />
hoffe, Sie haben sich bei der Wahl Ihrer Leistungskurse<br />
überlegt, ob der Studiengang, den Sie anstreben,<br />
an einen Numerus Clausus geb<strong>und</strong>en ist. Sehen<br />
Am 29. 6. <strong>2010</strong> hielt die Autorin <strong>und</strong> Juristin<br />
Juli Zeh eine Rede zum Thema »Das<br />
Mögliche <strong>und</strong> die Möglichkeiten« an die<br />
Abiturienten des Saarlands. 1999 rief<br />
u. a. der SR die »Abiturreden« in der Tradition<br />
der Schul reden ins Leben. Seither<br />
wendet sich jährlich ein Schriftsteller in<br />
einer öffentlichen Veranstaltung an die<br />
saarländischen Abiturienten.
Sie zu, dass Sie so schnell wie möglich mit Ihrer Ausbildung<br />
beginnen. Keine Zeit verschwenden! Keine<br />
Umwege! Überlegen Sie sich gut, welchen Beruf<br />
Sie ergreifen wollen, denken Sie antizyklisch, beziehen<br />
Sie Wirtschaftsp rognosen, Klimaentwicklung<br />
<strong>und</strong> Weltpolitik in Ihre Entscheidung ein. Falls Sie<br />
studieren, bloß nicht bummeln! Sie müssen schnell<br />
fertig werden, am besten schneller als alle anderen.<br />
Trotzdem sollten Sie mindestens zwei Fremdsprachen<br />
lernen, mindestens ein Semest er im Ausland verbringen,<br />
<strong>und</strong> vergessen Sie nicht, Praxiserfahrungen zu<br />
sammeln, die sind das A <strong>und</strong> O! Gehen Sie jobben,<br />
machen Sie Praktika <strong>und</strong> Volontariate. Beweisen Sie<br />
auch Ihre soziale Ader. Ehrenamtliche Betätigung <strong>und</strong><br />
soziales Engagement machen sich gut im Lebenslauf.<br />
Und bitte schön kein Fachidiot werden; Sie müssen<br />
vielseitig <strong>und</strong> flexibel sein; immerhin leben wir in einer<br />
Kommunikationsgesellschaft.<br />
Wenn Sie nach Ihren Hobbys gefragt werden,<br />
antworten Sie bitte nicht »Musik hören <strong>und</strong> Kino«.<br />
Da muss schon was Spezielleres dabei sein, Modellbau<br />
oder Schach oder Saxophon, aber auch nicht zu speziell,<br />
nicht so was Introvertiertes wie Fische züchten<br />
oder Radiergummis sammeln. Halten Sie sich schlank.<br />
Fettleibigkeit könnte als Zeichen von Dummheit<br />
oder fehlender Disziplin gedeutet werden. . . .<br />
Kinderbüchern. In der internen Themenstatistik<br />
rangiert Literatur denn auch regelmäßig an erster<br />
oder zweiter Stelle. »Wohl an die 1 000 Bücher<br />
pro Jahr« werden in den unterschiedlichen<br />
Formaten des Programms von NDR Kultur thematisiert,<br />
schätzt Literaturchef Stephan Lohr.<br />
»Bayern 2 hat seine Literaturformate in den<br />
vergangenen Jahren kontinuierlich weiterentwickelt«,<br />
betont Kulturchef Dieter Heß. Aufbauend<br />
auf einem breiten <strong>und</strong> hochrangigen Repertoire<br />
aus 60 Jahren Radiokultur verfolge man<br />
die Strategie, vielfältigste literarische Formen<br />
<strong>und</strong> Farben aus früherer <strong>und</strong> heutiger Zeit, aus<br />
aller Herren Länder sowie natürlich aus Bayern<br />
in sorgfältiger Auswahl zu präsentieren. Aktualität<br />
wie etwa Anfang <strong>2010</strong> bei einem Schwerpunkt<br />
zu Haiti, das unter den Folgen eines<br />
verheerenden Erdbebens leidet, spiele dabei<br />
ebenso eine Rolle wie die Lust auf Wiederentdeckung<br />
beinahe vergessener Autoren.<br />
Radio <strong>und</strong> Literatur – das gehört für Karl<br />
Karst zusammen wie Hören <strong>und</strong> Sprechen.<br />
Schließlich sei ja Literatur in ihrem Ursprung<br />
gesprochenes Wort, sagt der Programmchef<br />
der Kulturwelle WDR 3: »lebendig erzählte Geschichte«.<br />
_ Literatur für alle<br />
Der heiß umkämpfte Markt der Bücher ist<br />
kaum mehr zu überschauen. Als kulturellen<br />
Service helfen deshalb auch die populären Hörfunkwellen<br />
der Landesr<strong>und</strong>funkanstalten bei<br />
der Orientierung. In Sendungen wie »Abendrot«<br />
(SR 1 Europawelle) oder »1LIVE Plan B«<br />
(1LIVE/WDR) werden Bücher bewertet, Bestseller-Erfolge<br />
hinterfragt, Hörbuch-Tipps <strong>und</strong><br />
Empfehlungen zum Literaturangebot für Kinder<br />
gegeben.<br />
_ Redakteure als Scouts in der literarischen<br />
Landschaft<br />
Die eigentliche Domäne für die kritische Begleitung,<br />
aber auch für die Förderung der Lesekultur<br />
<strong>und</strong> der Literatur sind natürlich nach<br />
wie vor die Informations- <strong>und</strong> Kulturwellen der<br />
<strong>ARD</strong> <strong>und</strong> die Angebote von Deutschlandfunk<br />
<strong>und</strong> Deutschlandradio Kultur. Die Kulturradios<br />
bieten reichlich Sendeplätze für Kritik, für<br />
Schriftsteller-Porträts, für Gespräche mit Autoren<br />
<strong>und</strong> Rezensenten, für die Auseinandersetzung<br />
mit einem literarischen Werk oder einer<br />
ganzen Epoche.<br />
Die Literaturredakteure sind erfahrene<br />
Scouts im Labyrinth der Neuerscheinungen<br />
<strong>und</strong> im Stimmengewirr der Event-Kultur, <strong>und</strong><br />
sie vermessen mit Sorgfalt, Umsicht <strong>und</strong> mit<br />
dem Blick für das Besondere die literarischen<br />
Landschaften auch abseits der Pfade wohlfeiler<br />
Mainstream-Erfolgsgeschichten.<br />
Sie geben Einblicke in die Gedankenwelt<br />
von Schriftstellern <strong>und</strong> Anregungen für literarische<br />
Entdeckungen, <strong>und</strong> sie gewährleisten<br />
kompetente Orientierungshilfe zur Bewertung<br />
neuer Trends. An jedem ersten Dienstag im<br />
Monat stellt die SWR2-Literatur-Redaktion die<br />
aktuelle »SWR-Bestenliste« vor: »Vier Kritiker<br />
diskutieren, welche Neuerscheinungen sie wie<br />
<strong>und</strong> warum bewegt haben – gerührt oder geschüttelt,<br />
überrascht oder enttäuscht, erfreut<br />
oder geärgert. Ein etwas meinungsstärkerer Austausch<br />
über die etwas gewichtigeren Bücher«,<br />
beschreibt SWR2-Literaturchef Walter Filz das<br />
Profil der Reihe.<br />
Literatur im Radio A R D - J A H R B U C H 1 0 51
_ Im Radio: Leseförderung mit Breitenwirkung<br />
Wie es ja überhaupt eine der wichtigsten Aufgaben<br />
der Literatursendungen in den Kulturprogrammen<br />
ist, den Hörern auch Appetit auf<br />
die vielleicht etwas schwereren literarischen<br />
Hauptgänge zu machen. Denn die sind dann<br />
am Ende eben auch intellektuell sättigender<br />
als manch luftiges Amuse-Bouche. Und gerade<br />
die anspruchsvollere oder regional bedeutsame<br />
Literatur hat im Radio einen Verbündeten, wie<br />
sie ihn sich nicht besser wünschen könnte.<br />
Nach den Daten der Media Analyse <strong>2010</strong> Radio<br />
I nutzen jeden Tag 5,5 Millionen Menschen<br />
mindestens eines der öffentlich-rechtlichen Kultur-<br />
<strong>und</strong> Informationsprogramme. Innerhalb<br />
von 14 Tagen schalten 17,9 Millionen Hörer ein<br />
solches Programm ein. Selbst wenn nicht alle<br />
diese Hörer auch die literarischen Angebote des<br />
Hörfunks nutzen: Fest steht angesichts dieser<br />
Zahlen, dass alleine die Kulturprogramme der<br />
Literatur <strong>und</strong> den Autoren ein Publikum garantieren,<br />
das in dieser Zahl selbst ein Bestseller<br />
kaum erreichen kann.<br />
So wird das Radio selbst konstitutiver Teil<br />
der literarischen Welt, auch was die gesellschaftliche<br />
<strong>und</strong> politische Wirkung von Litera-<br />
tur anbelangt. Beispielsweise beim Brückenschlag<br />
zwischen Ost <strong>und</strong> West, bei der Zusammenführung<br />
der deutsch-deutschen Autoren,<br />
bei der Erweiterung der gegenseitigen Kenntnisse<br />
über die Leselandschaften der neuen <strong>und</strong><br />
der alten B<strong>und</strong>esländer. Dieser Aufgabe fühlt<br />
sich das »Lese-Café« von »MDR FIGARO« besonders<br />
verpflichtet. Mehr als 400 Sendungen<br />
sind bisher produziert <strong>und</strong> ausgestrahlt worden.<br />
Beim SR nehmen die wöchentlichen Formate<br />
»Literatur im Gespräch« <strong>und</strong> »BücherLese«<br />
kontinuierlich auch die literarischen Entwicklungen<br />
in Frankreich <strong>und</strong> Luxemburg in den<br />
Blick.<br />
»Diwan« heißt das Büchermagazin von Bayern<br />
2. Große Resonanz findet das »Diwan«-<br />
Rätsel – wie viele weitere literarische Suchspiele<br />
in den <strong>ARD</strong>-Kulturradios auch –, in dem nach<br />
einer literarischen Figur oder einem bekannten<br />
Werk der Weltliteratur gefragt wird. Zu gewinnen<br />
gibt es: »nur« ein Buch.<br />
_ Literatur im Radio unterwegs<br />
Wie hört sich welche literarische Szene an? Was<br />
hat sie zu sagen? Wen spricht sie an? Und wie<br />
ist die Resonanz aus der literarischen Welt?<br />
Die SWR2-Literatur-Redaktion hält das Mikrofon<br />
in Schriftsteller-Bars in der Ukraine, in<br />
Krimi-Clubs in Skandinavien, in Dichter-Cafés<br />
in Berlin oder belauscht die ortlosen Weblogs<br />
des weltweiten Netzes. Das Literatur-Feature<br />
thematisiert literarische Strömungen auf der<br />
ganzen Welt <strong>und</strong> präsentiert sie den Hörern in<br />
unterschiedlichsten Formen: politische Meinungen,<br />
gesellschaftliche Haltungen <strong>und</strong> ästhetische<br />
Bekenntnisse zwischen Hochliteratur <strong>und</strong><br />
literarischem Undergro<strong>und</strong>.<br />
Das Ungewöhnliche <strong>und</strong> Experimentelle<br />
in der Literatur, die Grenzüberschreitung zwischen<br />
Literatur <strong>und</strong> Musik, Wort <strong>und</strong> Klang<br />
macht seit 2001 »WDR 3 open: WortLaut« zum<br />
Programm. In <strong>Inhalt</strong> <strong>und</strong> Machart richtet man<br />
52 <strong>Artikel</strong> A R D - J A H R B U C H 1 0<br />
Musik aus The Adventures of Mark Twain (Max<br />
Steiner, Komponist)<br />
O-Ton Filmausschnitt aus: The Adventures of<br />
Mark Twain<br />
Es wird immer Überlegene <strong>und</strong> Unterdrückte<br />
geben, denke ich. Aber in unserem Land können<br />
<strong>und</strong> müssen wir an der Demokratie, an<br />
unserem Ideal festhalten, weil es ein fester Bestandteil<br />
unserer Gesellschaft ist. Pflegen wir<br />
auch in Zukunft unsere stolze Tradition der<br />
Freiheit <strong>und</strong> Toleranz. Schwören wir, dass aus<br />
Toleranz niemals Gleichgültigkeit wird <strong>und</strong><br />
aus Freiheit niemals Zügellosigkeit. Achten<br />
wir die Rechte des jeweils anderen, <strong>und</strong> verteidigen<br />
wir, möglichst mit der Feder, doch falls<br />
nötig auch mit dem Schwert unser unveräußerliches<br />
Privileg, als freies <strong>und</strong> vereintes Volk<br />
zu leben. applaus<br />
Sprecherin:<br />
Samuel Langhorne Clemens, genannt Mark<br />
Twain, richtet sich in diesem patriotischen<br />
Aufruf an das amerikanische Volk. Er appelliert<br />
an die Werte der Gründerväter, an die<br />
nationale Geschlossenheit seines Volkes <strong>und</strong><br />
schließlich an dessen Verteidigungsbereitschaft.<br />
Doch nur im Film, denn Mark Twain<br />
hat diese Rede nie gehalten. Es ist der Schau-<br />
Auszug aus »Mark Twain – Romantiker <strong>und</strong><br />
Kämpfer«, eine »wissenswert«Sendung<br />
in hr2kultur von Joachim Meissner zum<br />
100. Todestag des amerikanischen Schriftstellers
spieler Fredric March [mit Synchronstimme],<br />
der hier in der Rolle des Schriftstellers brilliert.<br />
Die Hollywood-Biografie The Adventures of<br />
Mark Twain stammt aus dem Kriegsjahr 1944.<br />
Damals suchte das amerikanische Kino nach<br />
nationalen Helden, <strong>und</strong> Mark Twain bediente<br />
den gutmütigen <strong>und</strong> volksnahen Charakter<br />
eines aufrechten <strong>und</strong> humorvollen Erzählers –<br />
doch nur um den Preis der Manipulation, wie<br />
Bill Whitaker in einem Kommentar zur Neuausgabe<br />
der Filmmusik schreibt.<br />
Zitator:<br />
Clara Clemens, die Tochter des Schriftstellers,<br />
weigerte sich, die dunkleren, bis dahin unveröffentlichten<br />
Werke ihres Vaters freizugeben,<br />
in denen er etwa die Religion anprangert <strong>und</strong><br />
den Kapitalismus kritisiert. Aber selbst wenn<br />
Clara bereit gewesen wäre, die Werke zu veröffentlichen:<br />
dies wäre für die amerikanische<br />
»Heimatfront« nicht der richtige Zeitpunkt<br />
gewesen, sich mit dieser Seite ihres nationalen<br />
Idols auseinanderzusetzen.<br />
Sprecherin:<br />
Aus Propagandagründen präsentierte man<br />
dem Publikum nur den »halben« Mark Twain.<br />
. . .<br />
sich in der St<strong>und</strong>e vor Mitternacht explizit an<br />
ein jüngeres Publikum <strong>und</strong> präsentiert Lautgedichte,<br />
Text- <strong>und</strong> Toncollagen, Performances<br />
<strong>und</strong> Dichter als DJs sowie in der Reihe »Homestory«<br />
regelmäßig eine »Spaßreise in Autoren-<br />
Haushalte mit einem Schriftsteller zum Anfassen«.<br />
Auf welchen Wegen kann die Literatur heute<br />
ihre Leser erreichen? Und wer liest eigentlich<br />
was <strong>und</strong> warum? Mit O-Ton-Reportagen aus<br />
der Stadtbibliothek, dem Bücherbus, der Gefängnis-Bibliothek<br />
oder den Büchereien in so<br />
genannten Problemstadtteilen räumt die Literatur-Redaktion<br />
von Radio Bremen immer wieder<br />
gern mit dem Vorurteil auf, dass die Freude an<br />
der Literatur eine Sache von per se kulturaffinen<br />
Milieus wie den in der »MedienNutzerTypologie<br />
2.0« beschriebenen »Kulturorientierten<br />
Traditionellen« oder den »Modernen Kulturorientierten«<br />
sei (vgl. Ekkehardt Oehmichen: Junge<br />
Wilde <strong>und</strong> Zielstrebige Trendsetter).<br />
_ Autoren <strong>und</strong> Radio: eine ganz besondere<br />
Beziehung<br />
Die Literatur <strong>und</strong> das Radio, das ist eine Geschichte,<br />
die so alt ist wie das elektronische<br />
Medium selbst, denn es besteht von Anfang an<br />
eine ganz besondere Beziehung zwischen den<br />
Schriftstellern <strong>und</strong> dem Kasten mit den vielen<br />
Tönen <strong>und</strong> Zwischentönen.<br />
Als er »blutjung« war, erinnert sich der 1929<br />
in Bern geborene Schriftsteller Paul Nizon,<br />
hatte er ein kleines weißes Radio, das wie ein<br />
Krankenhausgerät aussah. »Das Drehen auf der<br />
Skala war Magie. Das Ding war das Hörloch zur<br />
Welt. Guten Tag, Welt, sagte der junge Mann,<br />
Guten Tag, Menschheit.«<br />
Anders als beim Fernsehen werde man nicht<br />
von den transportierten kognitiven <strong>Inhalt</strong>en<br />
abgelenkt, meint der Schweizer Schriftsteller<br />
Adolf Muschg, denn das Auge sei auf schnelle<br />
Reizverarbeitung spezialisiert: »Sieh <strong>und</strong> vergiss.<br />
Aufmerksamkeit ist gefragt – Beteiligung<br />
nicht. Akustische Reize verlangen mehr von<br />
uns. Sie bedürfen der Interpretation, sie lassen<br />
etwas zu wünschen übrig, das heißt zu ergänzen,<br />
<strong>und</strong> das heißt: zu bedenken.«<br />
Von solch hehrem Anspruch an die dem<br />
Hör funk innewohnenden intellektuellen Spielräume<br />
war recht wenig zu spüren, als mit der<br />
ersten Übertragung aus dem Berliner Vox-Haus<br />
im Oktober 1923 die Radiogeschichte in<br />
Deutschland begann. Obwohl von seinen<br />
Veranstaltern erst einmal ausdrücklich als<br />
Unterhaltungs-R<strong>und</strong>funk bezeichnet <strong>und</strong> betrachtet,<br />
wurden alsbald auch die kulturellen<br />
Möglichkeiten des neuen Massenmediums debattiert.<br />
Schließlich faszinierte <strong>und</strong> inspirierte<br />
das »große W<strong>und</strong>er des R<strong>und</strong>funks« Technik-<br />
Enthusiasten, Schriftsteller <strong>und</strong> Publizisten gleichermaßen.<br />
Rudolf Arnheim etwa schwärmte – im<br />
Sprachduktus der 1920er Jahre – von der Überwindung<br />
räumlicher Isoliertheit, dem »Kulturimport<br />
auf den Flügeln der Welle« <strong>und</strong> dem<br />
»Überfliegen der Grenzen«. Insbesondere dem<br />
Künstler, dem Kunstfre<strong>und</strong> <strong>und</strong> dem Theoretiker<br />
verschaffe der R<strong>und</strong>funk ein ganz neues<br />
weites <strong>und</strong> in jeder Beziehung lohnendes Betätigungsfeld.<br />
In der Tat. Nicht zuletzt mit Blick auf die<br />
seinerzeit durchaus ansehnlichen Honorare für<br />
exklusive Funk-Arbeiten, vor allem aber wohl<br />
beflügelt vom Sendungs-Bewusstsein, mit literarischen<br />
Werken <strong>und</strong> Essays ein ungewohnt<br />
breites Publikum erreichen <strong>und</strong> womöglich gar<br />
Literatur im Radio A R D - J A H R B U C H 1 0 53
neue Schichten für die Kunst des Wortes erschließen<br />
zu können, erfasste die Autoren ein<br />
großer Radio-Eifer.<br />
_ Prominente Literaten im frühen Radio<br />
Walter Benjamin etwa schrieb Texte für den<br />
Kinderfunk der »Berliner Funkst<strong>und</strong>e«. Thomas<br />
Mann las bereits 1924 im Programm der Frankfurter<br />
Sendegesellschaft aus seinem noch unveröffentlichten<br />
Bildungsroman »Der Zauberberg«.<br />
Und Bertolt Brecht lieferte neben dem<br />
1929 urgesendeten Radio-Lehrstück »Der Lindberghflug«<br />
mit seinen Vorstellungen von der<br />
Verwandlung des R<strong>und</strong>funks aus einem Distributionsapparat<br />
in einen Kommunikationsapparat<br />
sogar die »Radio-Utopie« eines interaktiven<br />
Sender-Empfänger-Modells eine Vorstellung,<br />
die heute angesichts der vielfältigen interaktiven<br />
Möglichkeiten aktueller denn je ist.<br />
Nur allzu gern ließen die etablierten Geistesgrößen<br />
des vitalen Kulturbetriebs der Weimarer<br />
Republik in Sendereihen wie »St<strong>und</strong>e der<br />
Lebenden« oder »Der Dichter als Stimme der<br />
Zeit« von sich hören.<br />
Einmal abgesehen von solch altväterlich<br />
anmutenden Titeln sind die damals erprobten<br />
klassischen Vermittlungsformen von Literatur<br />
im Hörfunk, also Essays, Lesungen, »Dichterporträts«,<br />
Buchempfehlungen, kritische Rezensionen<br />
<strong>und</strong> Diskurs-Sendungen, bis heute<br />
gängige Praxis.<br />
_ Lesungen, das Herz des Literaturangebots<br />
Vor allem die Lesung hat im Radio noch jede<br />
Programmreform unbeschadet überstanden.<br />
Formate wie »Fortsetzung folgt« (SWR2<br />
<strong>und</strong> SR 2 KulturRadio), »Ohrclip« (WDR 5),<br />
»Lese buch« (Nordwestradio) oder »Lesezeit«<br />
(Deutschlandfunk) sind unverzichtbarer Bestandteil<br />
jedes öffentlich-rechtlichen Kulturprogramms.<br />
Die Lesungen sind beim Publikum so beliebt,<br />
dass zum Beispiel das Kulturprogramm<br />
des MDR neben der morgendlichen »FIGARO<br />
Lesezeit« <strong>und</strong> dem Wiederholungstermin am<br />
Abend Anfang 2008 zusätzlich eine viertelstündige<br />
Klassiker-Lesung unter dem Titel »Figarothek«<br />
ins Angebot nahm. Zum Start der Reihe<br />
geriet man beim MDR geradezu ins Schwärmen<br />
über all die vielen F<strong>und</strong>stücke aus den mit literarischem<br />
Tafelsilber prall gefüllten Schatzkammern<br />
der Funkhaus-Archive: Durch die Wieder-<br />
Monika Radl erhielt für ihren Text<br />
»Kaprun« 2009 den WalterSernerPreis des<br />
RBB. Die Autorin, geboren 1976 in Sulzbach<br />
Rosenberg in der Oberpfalz, lebt in Berlin.<br />
Von 1999 bis 2008 war sie als Schauspielerin<br />
<strong>und</strong> Autorin an den Uckermärkischen<br />
Bühnen Schwedt/Oder engagiert. Monika<br />
Radl schrieb Songtexte für verschiedene<br />
Musikgruppen <strong>und</strong> war Sängerin der Band<br />
»Monily <strong>und</strong> die Papierflieger«.<br />
begegnung oder eine erste Bekanntschaft mit<br />
Meisterwerken von Goethe, E.T.A. Hoffmann,<br />
Kafka, Keller <strong>und</strong> Fontane eröffnen sich den<br />
Hörern neue Welten.<br />
Samstags um 22.30 Uhr macht Deutschlandradio<br />
Kultur in einer »Lesung zur Nacht« die<br />
Geschichte des Begehrens hörbar. Unter dem<br />
Titel »Erotikon« präsentiert man sinnliche Literatur,<br />
die ihre herausfordernde Bildkraft jenseits<br />
der Schmuddelecken behauptet, <strong>und</strong> folgt dabei<br />
der schon für die Renaissance <strong>und</strong> das De-<br />
54 <strong>Artikel</strong> A R D - J A H R B U C H 1 0<br />
. . .<br />
Wenn ich ehrlich bin, denke ich jedes Mal, du<br />
spielst immer das gleiche Lied, Herr von Elo.<br />
Hol-mich-hier-raus-Polka, haha. Stimmt natürlich<br />
nicht. Vielleicht liegt es am Instrument Akkordeon,<br />
das keine große Interpretation zulässt,<br />
ich kenne mich damit nicht aus. Kleine französische<br />
Funken Hoffnung ins hektische Leben.<br />
Die Ballade der armen terminierten<br />
Tetrapakianer – so klingt, was du spielst, egal,<br />
was du spielst. Die Menschen aber, die halten<br />
nicht inne <strong>und</strong> denken mit dir über abendliche<br />
Fledermäuse am Seineufer nach, die werfen dir<br />
keine Münzen in den Akkordeonkasten, die wollen<br />
nur raus aus dem Tunnel. An wie viele Tunnel<br />
erinnerst du dich, Herr von Elo, wie viele Tunnel,<br />
aus denen die vielen Ders <strong>und</strong> Dies, mit <strong>und</strong> ohne<br />
Gedanken, Bindegewebszusammenbrüchen, nur<br />
raus wollten, so schnell es möglich war. Wenn es<br />
noch möglich war, raus. Wenn sie es überhaupt<br />
aus dem Zug, beispielsweise, geschafft hatten,<br />
aus dem Zug, in dem Hydrauliköl brannte, dessen<br />
Türen zu lange automatisch verschlossen<br />
geblieben waren. Wer es aus dem Zug geschafft<br />
hatte, dem blieb der höllische Tunnel. Raus aus<br />
dem Tunnel, was hieß das: Raus nach oben oder<br />
raus nach unten laufen, nach links oder rechts,
welcher Spurt führte ins Krankenhaus <strong>und</strong> welcher<br />
sofort in den Tod? Entscheiden Sie jetzt.<br />
Verquasseln Sie sich nicht. Wer jetzt kein Ticket,<br />
der nie mehr. Raus. In deiner Liedersammlung,<br />
Herr von Elo, wird nicht geschrien <strong>und</strong> nicht<br />
geröchelt. In den Erinnerungen, die du wach<br />
klimperst, wird geschwelgt, nicht erstickt. Disharmonien,<br />
kannst du sie für mich greifen, einen<br />
leuchtenden Schriftzug komponieren: Erinnern<br />
Sie sich denn nicht an Kaprun? Hier auf<br />
halber Strecke ist die Lebensgefahr für Sie<br />
doch am größten. Aber du greifst nur Wohlklänge,<br />
Herr von Elo, bist du möglicherweise<br />
todkrank? Todkrank nostalgisch? Bist du daher<br />
chronisch unempfindlich für drängende Menschen,<br />
stickige Luft <strong>und</strong> Höllenphantasien? Was<br />
geht in deinem Kopf vor, Herr von Elo, nickst du<br />
mir achtmal die Woche zu, weil du beschränkt<br />
bist, weil du nicht bemerkst, dass du in diesem<br />
Tunnel mit deinem Leben spielst? Oder hoffst<br />
du gerade darauf – bist du so oft über Buckel gejumpt,<br />
dass du keinen Kitzel mehr brauchst, leer<br />
gepumpter Chinchilla forever – wartest du in<br />
deiner Mittelkurve auf die Katastrophe, sitzt du<br />
deshalb achtmal die Woche hier vor deinem Akkordeon<br />
<strong>und</strong> spielst den immer gleichen Sums? . . .<br />
kameron des Boccaccio geltenden Überlegung,<br />
dass gerade in der kunstvollen Schilderung des<br />
Intimen <strong>und</strong> Privaten Gr<strong>und</strong>züge gesellschaftlichen<br />
Lebens öffentlich werden.<br />
_ Zukunftsweisend: Kooperation von Radio <strong>und</strong><br />
Hörbuch<br />
Neuproduktionen von Lesungen fürs Radio<br />
werden oft von vornherein in Zusammenarbeit<br />
mit Verlagen als Hörbuch konzipiert <strong>und</strong> kalkuliert.<br />
In einer monumentalen Gesamtlaufzeit<br />
von 67 St<strong>und</strong>en haben RBB, SWR, NDR, Radio<br />
Bremen <strong>und</strong> Der Audio Verlag DAV mit<br />
Ulrich Noethen die Lesung von Tolstois »Krieg<br />
<strong>und</strong> Frieden« produziert <strong>und</strong> als Hörbuch mit<br />
54 CDs publiziert.<br />
Christian Brückner, populär als Synchronstimme<br />
für Robert De Niro in zahllosen Filmen,<br />
hat mit seinem unverwechselbaren Timbre<br />
für den SR <strong>und</strong> den Parlando Verlag Irma<br />
Wehrlis neue Übersetzung von »Schau heimwärts,<br />
Engel« von Thomas Wolfe gelesen. In<br />
einer weiteren Produktion nahm er – sogar mit<br />
altgriechischen Original-Einschüben – einen<br />
Klassiker der Weltliteratur auf: Homers »Odyssee«,<br />
die Nietzsche als »Text ohne Ende für den<br />
Denkenden« bezeichnete, in einer Laufzeit von<br />
16 St<strong>und</strong>en <strong>und</strong> 53 Minuten.<br />
Gute Orientierung nach strengen Qualitäts-<br />
Maßstäben im längst unübersichtlichen Angebot<br />
auf dem deutschen Hörbuchmarkt bietet<br />
seit 1997 die monatlich erscheinende »hr2 Hörbuch-Bestenliste«.<br />
2008 wurde unter der Federführung des SWR<br />
von den Kulturprogrammen der <strong>ARD</strong> das bis<br />
dato größte Lyrik-Projekt der deutschen R<strong>und</strong>funkgeschichte<br />
umgesetzt: die Audio-Ausgabe<br />
der von Karl Otto Conrady herausgegebenen<br />
wichtigsten Anthologie deutschsprachiger Gedichte:<br />
»Lauter Lyrik – Der Hör-Conrady«. Die<br />
im Patmos Verlag publizierte, 21 CDs umfassende<br />
Edition wurde 2009 als einziges Hörbuch<br />
mit dem »Jahrespreis der Deutschen Schallplattenkritik«<br />
ausgezeichnet.<br />
Ein ebenso ambitioniertes <strong>und</strong> viel beachtetes<br />
Literaturprojekt legte der HR gemeinsam<br />
mit Random House im Juni <strong>2010</strong> zum 90. Geburtstag<br />
des Kritiker-»Papstes« Marcel Reich-<br />
Ranicki vor. Der den Erzählungen gewidmete<br />
Teil seines 2003 heftig diskutierten »Kanons<br />
der deutschen Literatur« erschien als Hörbuch<br />
auf 40 CDs mit 70 Novellen, Kurzgeschichten,<br />
Parabeln, Legenden, Kalendergeschichten <strong>und</strong><br />
Anekdoten von 61 Autoren aus den Epochen<br />
der deutschen Literatur, gelesen von prominenten<br />
Schauspielern wie Ulrich Matthes oder<br />
Nina Petri.<br />
»Ein gewichtiges Plädoyer für ein allzu leicht<br />
gerade im Deutschen vergessenes Genre. Ein<br />
Überblick über die Vielgestaltigkeit, die Größe<br />
der kleinen Form«, meinte der Rezensent der<br />
»Welt«. Und in der »ZEIT« schrieb Alexander<br />
Cammann: »Andere ästhetische Erfahrungen –<br />
Comics, Popmusik, Computerspiele, Internet<br />
– prägen heute die Vorstellungen vom dem, was<br />
Kunst ist, nicht zuletzt bei deren Deutern.« Insofern<br />
könne man auch ein bisschen wehmütig<br />
werden, wenn man das jüngste Werk des Literaturvermittlers<br />
»MRR« erlebe, diesmal hörend,<br />
nicht lesend oder fernsehend, denn »wann las<br />
man zuletzt Annette von Droste-Hülshoffs ›Judenbuche‹?<br />
Jedenfalls haben wir sie noch nie<br />
so erlebt wie durch Martina Gedecks zart zitternde,<br />
ahnungsvoll doppelbödige Stimme.«<br />
Literatur im Radio A R D - J A H R B U C H 1 0 55
_ Das Radio als Förderer für neue deutsche Literatur<br />
Es ist schön <strong>und</strong> wichtig, auf dem Hörbuchmarkt<br />
mit erfolgreichen Produktionen <strong>und</strong> in<br />
den Bestenlisten präsent zu sein. So hat z. B.<br />
der SR mit »Der Alchimist« von Paulo Coelho<br />
bei mehr als 250 000 verkauften CDs einen<br />
veritablen Hörbuch-Bestseller gelandet. Die<br />
Literatur-Redaktionen der öffentlich-rechtlichen<br />
R<strong>und</strong>funkanstalten sind sich allerdings seit<br />
jeher ihrer besonderen Aufgabe <strong>und</strong> Verantwortung<br />
bewusst, gerade auch jener Literatur<br />
ein Forum zu geben, die es schwer hat, den<br />
Erfolgskriterien des kommerziellen Buch- <strong>und</strong><br />
Hörbuchmarktes zu genügen.<br />
»Ein junger Autor, der in den 50er Jahren<br />
mit Schreiben anfing, hatte eines zu wissen:<br />
Über die R<strong>und</strong>en kommt man nur, wenn es<br />
beim Funk etwas gibt«, erinnerte sich in einem<br />
Beitrag zum 5o-jährigen Bestehen des WDR der<br />
Kölner Schriftsteller <strong>und</strong> langjährige Hörspielchef<br />
beim Deutschlandfunk Jürgen Becker.<br />
In einem Vortrag über Literatur im öffentlich-rechtlichen<br />
R<strong>und</strong>funk erinnerte der frühere<br />
BR-Kulturchef Christoph Lindenmeyer 2006<br />
daran, welch maßgebliche Verdienste die Literatur-Redaktionen<br />
in den Funkhäusern bei der<br />
Wiederentdeckung einer selbständigen, nicht<br />
länger gleichgeschalteten Literatur »für eine<br />
– wie wir heute gerne glauben – geradezu literatursüchtige<br />
Gesellschaft Westdeutschlands<br />
durch Sendeplätze, Vorschüsse <strong>und</strong> Honorare,<br />
Kongresse, Tagungen <strong>und</strong> aufwändige Studioproduktionen«<br />
hatten.<br />
Ohne das intellektuelle Profil <strong>und</strong> das kreative<br />
Miteinander der Schriftsteller <strong>und</strong> der<br />
Literatur-Redakteure, die nicht selten selbst<br />
Schriftsteller waren, urteilt Jürgen Becker, hätte<br />
sich die deutsche Literatur »wohl anders, armseliger«<br />
entwickelt. Die Funktion des öffentlichrechtlichen<br />
R<strong>und</strong>funks, nicht nur als zuverlässiger<br />
publizistischer Begleiter, sondern auch als<br />
bedeutender Faktor der Kultur <strong>und</strong> der Künste<br />
zu wirken, spielt vor allem auf dem Feld der<br />
Literatur auch heute noch eine wichtige Rolle.<br />
Kulturprogramme wie Bayern 2 verstehen<br />
nicht nur die Sendungen über <strong>und</strong> mit Literatur<br />
als konkrete Lese- <strong>und</strong> Literaturförderung. Man<br />
sieht sich vielmehr auch in der Verantwortung<br />
als direkter Förderer von Literatur-Projekten<br />
<strong>und</strong> von Schriftstellern <strong>und</strong> insbesondere von<br />
Nachwuchsautoren. »Wortspiele«, ein Festival<br />
internationaler junger Literatur in München,<br />
wird unter anderem mit dem Bayern 2-Wortspiele-Preis<br />
für junge Literatur unterstützt.<br />
T O M O R R O W ‘ S D A U G H T E R S<br />
I want to write a poem<br />
About pretty black girls<br />
Who don‘t relax and lie their dreams away<br />
Voices that curl<br />
The straight edges of history<br />
Hair thin slices of a movement<br />
Turning the world kinky<br />
I respect the disciplined silent screamers<br />
Who expose the holes<br />
Emily Dickinson, I am climbing through<br />
To your wooden shed of isolation<br />
Where the robin‘s song<br />
Robbed you of your sanity<br />
I revere people to my own detriment<br />
Perhaps you did too<br />
But when I enter your hallowed hearth<br />
Please don‘t turn me away<br />
I want to show pretty black girls<br />
How to look at their hearts<br />
With eyes blaring at full blast<br />
The way you did<br />
Together we can build a bridge<br />
To the promise in their faces<br />
And pull them towards poems<br />
By pretty black girls<br />
Wearing crowns of change<br />
»Bayern 2 Lesesommer« brachte anlässlich<br />
der FußballWM einen Schwerpunkt<br />
zu Afrika. Hier wurde u. a. dieses Gedicht<br />
von Lebogang Mashile, einer jungen<br />
südafrikanischen Autorin, die als eine der<br />
wichtigsten PoetryPerformerinnen ihres<br />
Landes gilt, in der Übersetzung von Arne<br />
Rautenberg vorgestellt.<br />
NDR Kultur pflegt Kulturpartnerschaften<br />
mit dem »VGH – Literaturfest Niedersachsen«,<br />
dem »Göttinger Literaturherbst« <strong>und</strong> dem »HarbourFront-Literaturfestival«.<br />
Daneben richtet<br />
das NDR-Kulturprogramm in Hamburg einen<br />
»Debütantensalon« aus. Bereits seit 1995 gibt<br />
es den für Kurzgeschichten ausgeschriebenen<br />
»MDR-Literaturwettbewerb«, dessen Preisträger<br />
traditionell auf Lesereise im MDR-Sendegebiet<br />
gehen.<br />
SWR2 vergibt regelmäßig »Schreib-Aufträge«<br />
an Schriftsteller. Zum Beispiel für den Sonder-<br />
56 <strong>Artikel</strong> A R D - J A H R B U C H 1 0
T Ö C H T E R V O N M O R G E N<br />
Ich will ein Gedicht schreiben<br />
Über schöne schwarze Mädchen<br />
Die sich nicht ihre Träume glätten <strong>und</strong> plätten lassen<br />
Über Stimmen die sich kräuseln<br />
Um die begradigten Kanten der Geschichte<br />
Haarkleine Teile einer Bewegung<br />
Machen die Welt krauser<br />
Ich respektiere die Disziplinierten die leise schreien<br />
Die Löcher zeigen<br />
Emily Dickinson, ich klettere durch<br />
In deinem hölzernen Verschlag der Isolation<br />
Wo der Gesang des Rotkehlchens<br />
Dir den Verstand geraubt hat<br />
Ich verehre Menschen zu meinem eigenen Nachteil<br />
Vielleicht hast du das auch getan<br />
Doch wenn ich deinen heiligen Herd betrete<br />
Verstoße mich bitte nicht<br />
Ich will schönen schwarzen Mädchen zeigen<br />
Wie sie ihre Herzen betrachten sollen<br />
Mit auf vollen Touren schmetternden Augen<br />
So wie du es getan hast<br />
Zusammen können wir eine Brücke bauen<br />
Zu der Verheißung in ihren Gesichtern<br />
Und sie herüberziehen zu Gedichten<br />
Von schönen schwarzen Mädchen<br />
Die Kronen des Wandels tragen<br />
termin »Die Erzählung« im Magazin »SWR2-<br />
LiteraturEN« oder für Hörspielproduktionen,<br />
die große Romane als Vorlage haben. SR 2 KulturRadio<br />
greift seit 1999 mit der »Abiturrede«<br />
eine freiheitliche Tradition des 18. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
auf <strong>und</strong> bittet zu jedem Schulabschluss deutschsprachige<br />
Schriftsteller wie Herta Müller (2001)<br />
oder Juli Zeh (<strong>2010</strong>) um eine exklusive Rede<br />
an die Abiturienten, die in Zeitungen vorabgedruckt<br />
wird <strong>und</strong> auch als Buch erscheint.<br />
Für den alljährlichen »Walter-Serner-Preis«<br />
wählt das Kulturradio (RBB) aus r<strong>und</strong> 1 000<br />
bislang unveröffentlichten Kurzgeschichten, die<br />
das »Leben in den großen Städten« zum Thema<br />
haben, die beste aus <strong>und</strong> prämiert sie in Zusammenarbeit<br />
mit dem Literaturhaus auf einer<br />
öffentlichen Veranstaltung. Der SR erinnert mit<br />
dem »Eugen-Helmlé-Preis« an den im Jahr 2000<br />
gestorbenen bedeutenden Übersetzer aus dem<br />
Französischen <strong>und</strong> Spanischen.<br />
Mithilfe der von hr2-kultur gestarteten<br />
Initiative »Literaturland Hessen« wird das li-<br />
terarische Erbe eines ganzen B<strong>und</strong>eslandes systematisch<br />
erschlossen <strong>und</strong> erlebbar gemacht.<br />
2004 wurde das Gemeinschaftsprojekt mit dem<br />
Hessischen Ministerium für Wissenschaft <strong>und</strong><br />
Kunst <strong>und</strong> dem Hessischen Literaturrat e.V. ins<br />
Leben gerufen, um die Literaturtradition des<br />
Landes stärker ins öffentliche Bewusstsein zu<br />
holen <strong>und</strong> die vielen Orte, an denen das literarische<br />
Erbe gepflegt <strong>und</strong> lebendig gehalten<br />
wird, als Ausflugs- <strong>und</strong> Reiseziele zu erschließen.<br />
Viele Tausend Besucher aus Hessen <strong>und</strong><br />
ganz Deutschland haben das »Literaturland<br />
Hessen« bereits für sich entdeckt, nicht zuletzt<br />
beim zweiten hessenweiten »Tag für die Literatur«,<br />
der im Frühjahr 2009 mehr als 20 000<br />
Besucher, Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler auf literarische<br />
Spurensuche lockte.<br />
_ Mit dem Internet auf neuen Wegen zum Hörer<br />
In seinem Beitrag für das <strong>ARD</strong>-<strong>Jahrbuch</strong> zur<br />
Bedeutung der Literatur im Radio musste Alfred<br />
Paffenholz, seinerzeit Leiter der Abteilung<br />
»Kultur <strong>und</strong> Gesellschaft« bei Radio Bremen,<br />
1988 noch einen Nachteil des »flüchtigen Mediums«<br />
Hörfunk gegenüber dem Buch einräumen:<br />
Als Zuhörer könne man leider nicht wie<br />
ein Leser zurückblättern <strong>und</strong> sich eine Textstelle<br />
noch mal vornehmen <strong>und</strong> bei einem Gedanken<br />
verweilen.<br />
Dieses »Manko unseres Mediums« gegenüber<br />
dem Buch ist heute dank Internet weitgehend<br />
überw<strong>und</strong>en. Viele Literatur-Formate<br />
wie »Fragen an den Autor« (SR 2 KulturRadio),<br />
»Das Gespräch« (NDR Kultur) oder »Forum<br />
Buch« (SWR2) können per Podcast oder Streaming<br />
on demand zeitsouverän genutzt werden.<br />
HR, SR, SWR <strong>und</strong> WDR bieten ihren<br />
Hörern mit dem »Radiorecorder« jeweils eine<br />
spezielle Software an, die problemlos von der<br />
Website heruntergeladen werden kann <strong>und</strong> die<br />
für den privaten Gebrauch Aufzeichnungen fast<br />
aller Sendungen <strong>und</strong> Abonnements kompletter<br />
Sendereihen ermöglicht.<br />
Längst selbstverständlicher Hörer-Service ist<br />
in allen Kulturwellen, dass die Themen der Literatursendungen<br />
auf der Homepage angekündigt<br />
<strong>und</strong> oft auch mit vertiefenden <strong>und</strong> visualisierenden<br />
Themendossiers erweitert werden. Die<br />
morgendliche Buchbesprechung im Kulturradio<br />
(RBB) wird auf der Website zum Beispiel von<br />
den Rezensenten zusammengefasst <strong>und</strong> der<br />
besprochene Text mit maximal fünf möglichen<br />
»Kulturradio-Ks« bewertet.<br />
Literatur im Radio A R D - J A H R B U C H 1 0 57
Der SR hat im Jahr 2007 Sendungen von<br />
Arnfrid Astel, deutscher Lyriker <strong>und</strong> von 1967<br />
bis 1998 Leiter der Literaturabteilung, aus dem<br />
ersten Jahrzehnt seiner Radioarbeit ausgesucht.<br />
Ein Schwerpunkt lag bei Autoren der Region,<br />
Grenzüberschreitungen waren willkommen.<br />
Die Sendungen wurden im Internet zugänglich<br />
gemacht <strong>und</strong> mit umfangreichem Hintergr<strong>und</strong>material<br />
versehen. Entstanden ist ein literatur-<br />
<strong>und</strong> regionalkulturgeschichtlich interessantes<br />
Dokument, das auch viel vom Zeitgeist der<br />
gesellschaftlichen <strong>und</strong> politischen Strömungen<br />
erzählt.<br />
Pionierarbeit auf dem Feld der Literaturvermittlung<br />
via Internet hat Radio Bremen<br />
in Zusammenarbeit mit Stadtbibliothek <strong>und</strong><br />
Universität beim Aufbau des ersten deutschen<br />
Literaturhauses im Netz geleistet. Lore Kleinert<br />
erinnert sich, dass dieses Vorhaben im Gründungsjahr<br />
2005 noch ziemlich verwegen klang:<br />
»Ein virtuelles Literaturhaus? Wie sollte das<br />
gehen?« Heute gilt das Unternehmen als wegweisend<br />
für literarische Online-Netzwerke. Als<br />
wichtige Plattform für den Austausch zwischen<br />
Autoren, Übersetzern, Lesern <strong>und</strong> Veranstaltern<br />
sowie als Forum für Debatten <strong>und</strong> Experimente<br />
wurde das Projekt mit nationalen Preisen belohnt<br />
<strong>und</strong> vergibt seinerseits einen Preis: die<br />
»Bremer Netzresidenz«. Ausgezeichnet werden<br />
Autoren, die im Internet neue literarische Formen<br />
realisieren <strong>und</strong> besonders die jüngeren<br />
Leser-Generationen ansprechen.<br />
_ iPad <strong>und</strong>/oder Buch?<br />
Auch die Literatur zieht hier also ihren Nutzen<br />
aus der allgegenwärtigen Verknüpfung alter <strong>und</strong><br />
neuer Medien. Aber in Zeiten der Konvergenz<br />
der Medien haben sich nicht nur Hörfunk <strong>und</strong><br />
Fernsehen neuen Herausforderungen zu stellen.<br />
Auch das älteste Massen-Medium, das Buch,<br />
muss nun den Weg ins neue digitale Zeitalter<br />
suchen.<br />
»Was werden wir in 20 Jahren lesen?«, fragte<br />
im Juni <strong>2010</strong> Klaus Brinkbäumer in seinem<br />
»SPIEGEL«-<strong>Artikel</strong> »Die Bücherformel« <strong>und</strong><br />
zitiert die Prognose eines Marketing-Experten:<br />
»Die Lesenden von morgen sind die Digital Natives<br />
von heute, denen es egal ist, ob sie einen<br />
Text am Bildschirm lesen oder ausgedruckt.«<br />
Lesegeräte wie der von Amazon propagierte<br />
e-Book-Reader Kindle <strong>und</strong> Tablet-PCs wie das<br />
kultige iPad von Apple sollen nach dem Willen<br />
der Elektronikgiganten das gute alte Buch zunehmend<br />
ablösen.<br />
Der Göttinger Verleger Gerhard Steidl hat<br />
sich in einem Gespräch mit der »Frankfurter<br />
R<strong>und</strong>schau« für diese »neue Welt« offen gezeigt:<br />
Er finde ja auch, dass bei einem Buch, das man<br />
sich für den Urlaub kauft, das man liest, um es<br />
dann wegzulegen <strong>und</strong> nie wieder anzuschauen,<br />
eine Online-Version völlig genüge. Gleichzeitig<br />
betonte Steidl den kulturellen <strong>und</strong> sinnlichen<br />
Wert hochwertiger Bücher, die eben weit mehr<br />
sind als nur ein austauschbares Trägermedium<br />
für einen literarischen <strong>Inhalt</strong>. Jedes Buch liege<br />
anders in der Hand, habe ein anderes Gewicht,<br />
fasse sich anders an. »Die Seiten fallen. Es<br />
macht Geräusch. Es ist angenehm, bei einem<br />
Buch die unterschiedlichen Papiere anzufassen.<br />
Da passiert etwas in den Fingerspitzen. Wenn<br />
Sie dann im Sessel sitzen <strong>und</strong> das Buch vor<br />
der Nase haben, dann merken Sie auch, wie es<br />
riecht.«<br />
Den ganz persönlichen Zugang <strong>und</strong> die individuelle<br />
genussvolle Wahrnehmung hat das<br />
Erlebnis Literatur in beiden Medien gemein.<br />
Denn anders als auf einem kalt funktionalen<br />
elektronischen Lesegerät behält Literatur im<br />
Hörfunk ihre sinnliche Qualität. Aus dem haptischen<br />
wird zwar akustisches Erleben, aber es<br />
schwinden weder Sinn noch Sinnlichkeit. Das<br />
ist sicher eine Erklärung für den anhaltend<br />
großen Erfolg, den Literatur in ihrer vorgelesenen<br />
Form im Radio <strong>und</strong> auf Tonträgern hat.<br />
Wie sehr gerade auch Schriftsteller das Radio<br />
mit seiner Vielfalt schätzen, hat Wolf Wondratschek<br />
auf Einladung der WDR 3-Sendung<br />
»Mosaik« unter dem Titel »Dichter am Äther«<br />
sehr schön auf den Punkt gebracht: Er habe<br />
beim Radiohören das Zuhören gelernt <strong>und</strong> das<br />
Staunen. Wenn man es richtig zu nutzen verstehe,<br />
könne das Radio eine Bibliothek sein,<br />
eine Börse, ein Konzertsaal, ein Märchenwald,<br />
eine Universität. »Und der beste Kumpel, wenn<br />
man unterwegs ist.«<br />
58 <strong>Artikel</strong> A R D - J A H R B U C H 1 0<br />
Frank Johannsen, Hörfunkdirektor <strong>und</strong><br />
stellvertretender Programmdirektor des SR
MO<br />
hr2-kultur<br />
6.20 Das Gedicht<br />
9.15 Buchempfehlung<br />
9.30 – 10.00 Die Lesung<br />
(Wh 15.05 – 15.30)<br />
MDR FIGARO<br />
9.05 – 9.35 Lesezeit (Wh<br />
19.05 – 19.35)<br />
9.45 – 10.00 Hörbuch (Wh<br />
14.15 – 14.30)<br />
15.10 – 15.45 Figarothek –<br />
die Klassikerlesung<br />
MDR INFO<br />
’15 – ’30 Hörbuch der Woche<br />
NDR Info<br />
10.56 Das politische Buch<br />
Judith Hermann las im RBB-<br />
Kulturradio aus ihrem neuen<br />
Roman »Alice«.<br />
NDR Kultur<br />
8.30 – 9.00 Am Morgen<br />
vorgelesen<br />
10.40 Lauter Lyrik<br />
ca. 12.40 Neue Bücher<br />
ca. 15.20 Neue Hörbücher<br />
22.00 – 22.35 Am Abend<br />
vorgelesen<br />
23.00 Lauter Lyrik<br />
Nordwestradio<br />
(Radio Bremen/NDR)<br />
10.20 Buchtipp<br />
11.40 Lesestück<br />
18.30 – 19.00 Lesebuch<br />
Radioeins (RBB)<br />
18.20 Schöner Lesen – die<br />
Radioeins Bücherliste<br />
Kulturradio (RBB)<br />
8.45 Lesestoff<br />
<strong>ARD</strong>-Radionacht der Hörbücher<br />
<strong>2010</strong>, live von der Leipziger<br />
Buch messe, Randi Crott (l.) <strong>und</strong><br />
Walter Filz.<br />
14.30 – 15.00 Lesung (Wh<br />
23.04 – 23.35)<br />
SR 2 KulturRadio<br />
15.04 – 15.30 Fortsetzung<br />
folgt<br />
SWR2<br />
14.30 – 14.55 Fortsetzung<br />
folgt<br />
14.55 – 15.00 Die Buchkritik<br />
WDR 3<br />
ca. 6.15 Text des Tages<br />
ca. 12.30 Text des Tages<br />
– Lyrik<br />
ca. 14.30 Buchrezensionen<br />
WDR 5<br />
10.50 Service Bücher<br />
10.58 <strong>und</strong> 12.57 Ein Gedicht<br />
Deutschlandfunk<br />
16.10 – 16.30 Büchermarkt<br />
19.15 – 20.00 Andruck<br />
Deutschlandradio Kultur<br />
9.33, 10.33, 11.33, 14.33,<br />
15.33, 16.33 Buchempfehlungen<br />
DI<br />
Bayern 2<br />
14.05 – 15.00 Bayern 2-<br />
Favoriten<br />
21.30 – 22.30 radioTexte<br />
hr2-kultur<br />
6.20 Das Gedicht<br />
9.15 Buchempfehlung<br />
9.30 – 10.00 Die Lesung (Wh<br />
15.05 – 15.30)<br />
MDR FIGARO<br />
7.40 – 7.50 Buch der Woche<br />
(Wh. 16.40 – 16.50)<br />
9.05 – 9.35 Lesezeit (Wh<br />
19.05 – 19.35)<br />
15.10 – 15.45 Figarothek –<br />
die Klassikerlesung<br />
NDR 1 Niedersachsen<br />
ca. 15.45 Margaretes<br />
Bücherwelt<br />
21.05 – 21.30 Bücherwelt<br />
NDR Info<br />
10.55 <strong>und</strong> 12.55 Das Buch<br />
der Woche<br />
NDR Kultur<br />
7.20 Stoltenberg liest<br />
8.30 – 9.00 Am Morgen<br />
vorgelesen<br />
10.40 Lauter Lyrik<br />
ca. 12.40 Neue Bücher<br />
ca. 15.20 Neue Hörbücher<br />
22.00 – 22.35 Am Abend<br />
vorgelesen<br />
23.00 Lauter Lyrik<br />
»Aber man hat ja noch den<br />
Sicherheitsgurt« lautete<br />
der Titel der Geschichte, für<br />
die Katha rina Hartwell 2009<br />
den MDR-Literaturpreis<br />
erhielt.<br />
Literatur im Radio A R D - J A H R B U C H 1 0<br />
Sunnyi Melles las in Bayern 2<br />
»radioTexte – Das offene Buch«.<br />
Nordwestradio<br />
(Radio Bremen/NDR)<br />
10.20 Buchtipp<br />
11.40 Lesestück<br />
18.30 – 19.00 Lesebuch<br />
Inforadio (RBB)<br />
8.55 Neu im Buchregal (Wh<br />
10.55, 12.55)<br />
Kulturradio (RBB)<br />
8.45 Lesestoff<br />
14.30 – 15.00 Lesung (Wh<br />
23.04 – 23.35)<br />
SR 2 KulturRadio<br />
15.04 – 15.30 Fortsetzung<br />
folgt<br />
20.04 – 21.00 Literatur im<br />
Gespräch<br />
SR 3 Saarlandwelle<br />
ca. 10.00 Lesezeichen<br />
SWR2<br />
14.30 – 14.55 Fortsetzung<br />
folgt<br />
14.55 – 15.00 Die Buchkritik<br />
22.05 – 23.00 Literatur<br />
WDR 3<br />
ca. 6.15 Text des Tages<br />
ca. 12.30 Text des Tages<br />
– Lyrik<br />
ca. 14.30 Buchrezensionen<br />
L i t e r at u r i m r a d i o<br />
59
L i t e r at u r i m r a d i o<br />
WDR 4<br />
10.40 Buchtipps<br />
WDR 5<br />
10.50 Service Bücher<br />
10.58 <strong>und</strong> 12.57 Ein Gedicht<br />
Deutschlandfunk<br />
16.10 – 16.30 Büchermarkt<br />
Deutschlandradio Kultur<br />
9.33, 10.33, 11.33, 14.33,<br />
15.33, 16.33 Buchempfehlungen<br />
19.30 – 20.00 Literatur<br />
MI<br />
B5 aktuell<br />
6.24 <strong>und</strong> 8.24 Neues vom<br />
Buchmarkt<br />
hr2-kultur<br />
6.20 Das Gedicht<br />
9.15 Buchempfehlung<br />
9.30 – 10.00 Die Lesung (Wh<br />
15.05 – 15.30)<br />
MDR FIGARO<br />
9.05 – 9.35 Lesezeit (Wh<br />
19.05 – 19.35)<br />
9.45 – 10.00 Buchvorstellung<br />
(Wh 14.15 – 14.30)<br />
15.10 – 15.45 Figarothek –<br />
die Klassikerlesung<br />
Günter Grass bei einer Hörbuchproduktion<br />
von NDR Kultur<br />
NDR Info<br />
10.56 Buch-Tipp<br />
NDR Kultur<br />
8.30 – 9.00 Am Morgen<br />
vorgelesen<br />
10.40 Lauter Lyrik<br />
ca. 12.40 Neue Bücher<br />
ca. 15.20 Neue Hörbücher<br />
22.00 – 22.35 Am Abend<br />
vorgelesen<br />
23.00 Lauter Lyrik<br />
Nordwestradio<br />
(Radio Bremen/NDR)<br />
10.20 Buchtipp<br />
11.40 Lesestück<br />
18.30 – 19.00 Lesebuch<br />
Kulturradio (RBB)<br />
8.45 Lesestoff<br />
14.30 – 15.00 Lesung (Wh<br />
23.04 – 23.35)<br />
SR 2 KulturRadio<br />
15.04 – 15.30 Fortsetzung<br />
folgt<br />
Ingo Schulze zu Gast bei »WDR 3<br />
open: WortLaut«<br />
SWR2<br />
14.30 – 14.55 Fortsetzung<br />
folgt<br />
14.55 – 15.00 Die Buchkritik<br />
WDR 3<br />
ca. 6.15 Text des Tages<br />
ca. 12.30 Text des Tages<br />
– Lyrik<br />
ca. 14.30 Buchrezensionen<br />
WDR 5<br />
10.58 <strong>und</strong> 12.57 Ein Gedicht<br />
<strong>ARD</strong> Radiofestival <strong>2010</strong>,<br />
Maxim Biller las<br />
»Hölderlin im Krieg«.<br />
Deutschlandfunk<br />
16.10 – 16.30 Büchermarkt<br />
20.30 – 21.00 Lesezeit<br />
Deutschlandradio Kultur<br />
9.33, 10.33, 11.33, 14.33,<br />
15.33, 16.33 Buchempfehlungen<br />
DO<br />
hr2-kultur<br />
6.20 Das Gedicht<br />
9.15 Buchempfehlung<br />
9.30 – 10.00 Die Lesung (Wh<br />
15.05 – 15.30)<br />
MDR FIGARO<br />
9.05 – 9.35 Lesezeit (Wh<br />
19.05 – 19.35)<br />
9.45 – 10.00 Buchvorstellung<br />
(Wh 14.15 – 14.30)<br />
15.10 – 15.45 Figarothek –<br />
die Klassikerlesung<br />
17.05 – 18.00 Sachbuch<br />
Journal (am ersten Do im<br />
Monat)<br />
22.00 – 23.00 Diskurs<br />
NDR Info<br />
10.55 <strong>und</strong> 12.55 Die Sachbücher<br />
des Monats (am ersten<br />
Donnerstag im Monat)<br />
NDR Kultur<br />
8.30 – 9.00 Am Morgen<br />
vorgelesen<br />
10.40 Lauter Lyrik<br />
ca. 12.40 Neue Bücher<br />
ca. 15.20 Neue Hörbücher<br />
60 <strong>Artikel</strong> A R D - J A H R B U C H 1 0<br />
22.00 – 22.35 Am Abend<br />
vorgelesen<br />
23.00 Lauter Lyrik<br />
Nordwestradio<br />
(Radio Bremen/NDR)<br />
10.20 Buchtipp<br />
11.40 Lesestück<br />
18.30 – 19.00 Lesebuch<br />
Funkhaus Europa<br />
(WDR/Radio Bremen)<br />
15.10 Buch-Tipp darin auch:<br />
Kinder-<strong>und</strong> Jugendbuchpreis<br />
›Luchs‹ (einmal monatl.)<br />
Kulturradio (RBB)<br />
8.45 Lesestoff<br />
14.30 – 15.00 Lesung (Wh<br />
23.04 – 23.35)<br />
Ulrich Matthes liest »Freiheit«<br />
von Jonathan Franzen für das RBB-<br />
Kulturradio.<br />
SR 2 KulturRadio<br />
15.04 – 15.30 Fortsetzung<br />
folgt<br />
SWR2<br />
14.30 – 14.55 Fortsetzung<br />
folgt<br />
14.55 – 15.00 Die Buchkritik<br />
WDR 3<br />
ca. 6.15 Text des Tages
ca. 12.30 Text des Tages<br />
– Lyrik<br />
ca. 14.30 Buchrezensionen<br />
23.05 – 24.00 WortLaut/<br />
Live<br />
Lesung mit Nobelpreisträgerin<br />
Herta Müller in WDR 3<br />
WDR 5<br />
10.50 Service Hörbücher<br />
10.58 <strong>und</strong> 12.57 Ein Gedicht<br />
Deutschlandfunk<br />
16.10 – 16.30 Büchermarkt<br />
Deutschlandradio Kultur<br />
9.33, 10.33, 11.33, 14.33,<br />
15.33, 16.33 Buchempfehlungen<br />
FR<br />
hr2-kultur<br />
6.20 Das Gedicht<br />
9.15 Hörbuchempfehlung<br />
9.30 – 10.00 Die Lesung (Wh<br />
15.05 – 15.30)<br />
MDR FIGARO<br />
9.05 – 9.35 Lesezeit (Wh<br />
19.05 – 19.35)<br />
9.45 – 10.00 Buchvorstellung<br />
(Wh 14.15 – 14.30)<br />
Christa Wolf las beim RBB aus<br />
ihrem neuen Buch »Stadt der Engel<br />
oder the overcoat of Dr. Freud«.<br />
15.10 – 15.45 Figarothek –<br />
die Klassikerlesung<br />
NDR Info<br />
10.56 Buch-Tipp<br />
NDR Kultur<br />
8.30 – 9.00 Am Morgen<br />
vorgelesen<br />
10.40 Lauter Lyrik<br />
ca. 12.40 Neue Bücher<br />
ca. 15.20 Neue Hörbücher<br />
22.00 – 22.35 Am Abend<br />
vorgelesen<br />
23.00 Lauter Lyrik<br />
Nordwestradio<br />
(Radio Bremen/NDR)<br />
10.20 Buchtipp<br />
11.40 Lesestück<br />
13.05 – 14.00 Literaturforum<br />
18.30 – 19.00 Lesebuch<br />
Radioeins (RBB)<br />
10.20 Favorit Drucksache –<br />
die Buchempfehlung<br />
Kulturradio (RBB)<br />
8.45 Lesestoff<br />
14.30 – 15.00 Lesung (Wh<br />
23.04 – 23.35)<br />
SR 2 KulturRadio<br />
15.04 – 15.30 Fortsetzung<br />
folgt<br />
SWR2<br />
14.30 – 14.55 Fortsetzung<br />
folgt<br />
14.55 – 15.00 Die Buchkritik<br />
1LIVE (WDR)<br />
23.05 – 24.00 1LIVE Klubbing<br />
– 1LIVE liest!<br />
WDR 3<br />
ca. 6.15 Text des Tages<br />
ca. 12.30 Text des Tages<br />
– Lyrik<br />
ca. 14.30 Buchrezensionen<br />
WDR 5<br />
10.50 Service Bücher<br />
10.58 <strong>und</strong> 12.57 Ein Gedicht<br />
Deutschlandfunk<br />
16.10 – 16.30 Büchermarkt<br />
Deutschlandradio Kultur<br />
9.33, 10.33, 11.33, 14.33,<br />
15.33, 16.33 Buchempfehlungen<br />
SA<br />
Bayern 2<br />
14.05 – 15.00 Diwan<br />
15.05 – 15.15 Hörbuchmagazin<br />
21.05 – 22.00 radioTexte am<br />
Samstag<br />
Die Autoren Christoph Peters<br />
<strong>und</strong> Jan Weiler (v. l.) mit Chefkoch<br />
Sebastian Dickhaut (r.) beim<br />
»Abend in der Küche« im Nordwestradio<br />
(Radio Bremen/NDR)<br />
hr2-kultur<br />
6.20 Das Gedicht<br />
9.25 – 10.00 Die Erzählung<br />
am Samstagmorgen<br />
17.05 – 18.00 Mikado<br />
Spezial – Bücher, Hörbücher<br />
<strong>und</strong> CDs<br />
20.05 Literatur im Kreuzverhör<br />
(siebenmal jährl.)<br />
MDR FIGARO<br />
19.05 – 19.30 Buchjournal<br />
(alle 14 Tage)<br />
Literatur im Radio A R D - J A H R B U C H 1 0<br />
Michael Krüger, Dichter,<br />
Essayist, Herausgeber, zu Gast<br />
bei »SWR2 Zeitgenossen«<br />
NDR Kultur<br />
8.30 – 9.00 Die Sonnabend-<br />
Story<br />
10.40 Lauter Lyrik<br />
18.30 – 19.00 Neue Sachbücher<br />
(am letzten Samstag im<br />
Monat)<br />
Nordwestradio<br />
(Radio Bremen/NDR)<br />
19.05 – 20.00 F<strong>und</strong>sachen<br />
(Lyrik) (zweiwöchentl.)<br />
Kulturradio (RBB)<br />
19.04 – 19.30 Kulturtermin<br />
Literatur<br />
SR 2 KulturRadio<br />
15.04 – 16.00 BücherLese<br />
inkl. HörbuchTipp<br />
SWR2<br />
14.05 – 15.00 SWR2 aus<br />
dem Land – Musik <strong>und</strong><br />
Literatur<br />
SWR cont.ra<br />
21.03 – 22.00 SWR2 aus<br />
dem Land – Musik <strong>und</strong> Literatur<br />
(Wh. von SWR2)<br />
L i t e r at u r i m r a d i o<br />
61
L i t e r at u r i m r a d i o<br />
WDR 5 Literaturmarathon,<br />
»100 Bücher – 100 Städte«, zum<br />
achten Mal führte WDR 5 <strong>2010</strong><br />
24 St<strong>und</strong>en live aus dem Funkhaus<br />
literarisch in <strong>und</strong> durch die unterschiedlichsten<br />
Städte.<br />
WDR 3<br />
ca. 6.15 Text des Tages<br />
WDR 5<br />
20.05 – 21.00 Bücher (Wh.<br />
sonntags 15.05 <strong>und</strong> montags<br />
1.05)<br />
21.05 – 23.00 Ohrclip<br />
20.05 – 22.00 Die telefonische<br />
Mord(s)beratung<br />
(sechsmal jährlich)<br />
Deutschlandfunk<br />
16.05 – 16.30 Büchermarkt<br />
– Bücher für junge Leser<br />
20.05 – 22.00 Studio LCB<br />
(letzter Sa im Monat)<br />
Deutschlandradio Kultur<br />
11.33 Buchempfehlungen<br />
17.30 – 18.00 Lesung<br />
22.30 – 23.00 Erotikon<br />
Zum 90. Geburtstag von Literaturkritiker<br />
Marcel Reich-Ranicki<br />
publizierten hr2-kultur <strong>und</strong> Random<br />
House die Erzählungen des<br />
»Kanons der deutschen Literatur«<br />
als Hörbuch.<br />
SO<br />
Bayern 2<br />
11.00 – 11.30 radioTexte –<br />
Das offene Buch<br />
10.05 – 11.00 Michael Skasa<br />
(Wh. 17.05 – 18.00 )<br />
hr2-kultur<br />
9.45 Das Gedicht<br />
12.05 Kulturszene Hessen<br />
MDR FIGARO<br />
9.45 – 10.00 F<strong>und</strong>us<br />
16.05 – 17.30 FIGARO-<br />
Lesecafé (14-täglich; Wh.<br />
dienstags 22.00 )<br />
NDR1 Niedersachsen<br />
6.20 Sinngedicht<br />
NDR 2<br />
8.40 Buchtipps<br />
NDR Info<br />
14.05 – 15:00 Buchtipps<br />
für Kinder<br />
(an jedem ersten Sonntag<br />
im Monat)<br />
NDR Kultur<br />
10.40 Lauter Lyrik<br />
13.05 – 14.00 Wickerts<br />
Bücher (an jedem ersten So<br />
im Monat)<br />
ca. 17.40 Das Buch der<br />
Woche<br />
20.00 – 21.55 Sonntagsstudio<br />
15. MDR-Literaturnacht,<br />
Leif Randt erhielt den ersten Preis<br />
des MDR-Literaturwettbewerbs<br />
Nordwestradio<br />
(Radio Bremen/NDR)<br />
15.05 – 16.00 Literaturzeit<br />
(Wh. montags 19.05<br />
– 20.00); darin auch:<br />
Kinder-<strong>und</strong> Jugendbuchpreis<br />
»Luchs« (einmal monatl.)<br />
Inforadio (RBB)<br />
ca. 10.24 Quergelesen (Wh.<br />
15.24 <strong>und</strong> montags 1.24)<br />
Radioeins (RBB)<br />
18.05 – 19.00 Seite Eins –<br />
Büchermagazin<br />
SR 2 KulturRadio/<br />
antenne saar<br />
11.04 – 12.00 Fragen an<br />
den Autor<br />
62 <strong>Artikel</strong> A R D - J A H R B U C H 1 0<br />
SWR2<br />
17.05 – 18.00 Forum Buch<br />
SWR cont.ra<br />
21.03 – 22.00 Forum Buch<br />
(Wh. von SWR2)<br />
DASDING (SWR)<br />
17.03 – 22.00 Schriftsteller<br />
(jeden 3. Sonntag im Monat)<br />
WDR 3<br />
12.05 – 13.00 Gutenbergs<br />
Welt (<strong>und</strong> feiertags)<br />
15.05 – 16.00 Literaturfeature<br />
(14-täglich <strong>und</strong> feiertags)<br />
16.10 – 16.30 Büchermarkt<br />
Deutschlandfunk<br />
16.05 – 16.30 Büchermarkt<br />
– Das Buch der Woche<br />
»Der Hörkanon«,<br />
herausgegeben <strong>und</strong> kommentiert<br />
von Marcel Reich-Ranicki, eine<br />
Auswahl auf 40 CDs<br />
Deutschlandradio Kultur<br />
0.05 – 1.00 Werkstatt/<br />
Literatur<br />
9.33, 11.33 Buchempfehlungen<br />
12.30 – 13.00 Lesart