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Die Aufklärung vor der implantatprothetischen Rehabilitation ... - Spitta

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<strong>Die</strong> Aufklärung <strong>vor</strong> <strong>der</strong> <strong>implantatprothetischen</strong> <strong>Rehabilitation</strong><br />

Einleitung<br />

von F.P. Strietzel, Berlin<br />

Ziel dieser retrospektiven Untersuchung war es, durch inhaltliche Analysen von Gutachten<br />

Schlussfolgerungen zur Optimierung <strong>der</strong> Aufklärung <strong>vor</strong> <strong>implantatprothetischen</strong> <strong>Rehabilitation</strong>en zu ziehen.<br />

Ausgewertet wurden 29 zwischen 1996 und Ende 2001 angefertigte Sachverständigengutachten. In 72% <strong>der</strong><br />

begutachteten Fälle waren Aufklärungsmängel festzustellen. Ein signifikanter Zusammenhang wurde<br />

zwischen einer fehlenden Aufklärung über die notwendige Nachsorge <strong>der</strong> Implantate und einem schlechten<br />

Mundhygienestatus (p = 0,0005) sowie einer nicht erfolgten Vorbehandlung<br />

(Parodontitistherapie/Prophylaxe) (p = 0,016) festgestellt. Zwischen dem Rauchen und einem schlechten<br />

Mundhygienestatus (p = 0,003) bestand ein signifikanter Zusammenhang. An Aufklärungsmängeln standen<br />

eine fehlende Aufklärung über eingetretene Komplikationen, die mangelhafte Risikoaufklärung sowie die<br />

wirtschaftliche und Alternativaufklärung im Vor<strong>der</strong>grund.<br />

Hochwertige diagnostische Standards, ein breites Angebot an Weiterbildungsmöglichkeiten, die zertifizierte<br />

Fortbildung auf dem Gebiet <strong>der</strong> zahnärztlichen Implantologie einerseits und vielfältige Möglichkeiten zur<br />

Information über mo<strong>der</strong>ne Therapieverfahren sowie eine intensivere Präsenz teils spektakulärer<br />

Behandlungsmethoden und -ergebnisse in verschiedensten Medien führen zu einer gesteigerten<br />

Erwartungshaltung seitens des Behandlers, aber auch des Patienten. <strong>Die</strong>se Erwartungshaltung auf Seiten des<br />

Patienten wird durch den jeweiligen Informationsstand, sein Gesundheitsbewusstsein und seine<br />

Qualitätsansprüche, aber auch die zunehmend ins Blickfeld rückenden finanziellen Aspekte bei <strong>der</strong><br />

Anwendung von nicht durch die gesetzlichen Krankenversicherungen bezuschussten Therapieverfahren<br />

moduliert. <strong>Die</strong>s trifft in vollem Umfang auf die implantatprothetische <strong>Rehabilitation</strong> zu. Auch hier erwartet<br />

<strong>der</strong> Patient den höchstmöglichen funktionellen und ästhetischen Behandlungserfolg.<br />

Der Behandlungserfolg wird ganz wesentlich durch die realistische Erwartungshaltung und die Compliance<br />

des Patienten mitbestimmt. Aufgabe des Behandlers ist es, durch die Aufklärung des Patienten, diesen in die<br />

Lage zu versetzen, in freier Entscheidung und Kenntnis des Zweckes und Ablaufes und <strong>der</strong> damit<br />

verbundenen Risiken einer Behandlungsmaßnahme zuzustimmen. Gerade elektive Behandlungsmaßnahmen<br />

bedürfen einer intensiveren Aufklärung <strong>der</strong> Patienten über die Möglichkeiten und Grenzen <strong>der</strong><br />

<strong>implantatprothetischen</strong> <strong>Rehabilitation</strong>, des zu erwartenden Erfolges und seiner Qualität, <strong>der</strong><br />

Therapiesicherheit und <strong>der</strong> Alternativen zur Therapie.<br />

Allerdings scheint sich angesichts <strong>der</strong> steigenden Zahl an Gutachtenanfor<strong>der</strong>ungen seitens <strong>der</strong> Patienten, <strong>der</strong><br />

Gerichte und neuerdings auch <strong>der</strong> Krankenversicherungen zur Beurteilung <strong>der</strong> Ergebnisse <strong>der</strong><br />

<strong>implantatprothetischen</strong> Behandlung auch auf diesem medizinischen Gebiet eine zunehmende Tendenz<br />

forensischer Auseinan<strong>der</strong>setzungen abzuzeichnen (6).<br />

Sorgfältige Planung, Diagnostik und Behandlung können nicht in jedem Fall <strong>vor</strong> dem Auftreten von<br />

Komplikationen auf dem Gebiet <strong>der</strong> zahnärztlichen Implantologie schützen. Komplikationen können Anlass<br />

für die Behauptung von Behandlungsfehlern geben. An<strong>der</strong>erseits gewinnt die Behauptung einer mangelhaften<br />

Aufklärung über die Risiken und Komplikationen an Bedeutung als Ersatzklagegrund. Es ist gerade aufgrund<br />

des elektiven Charakters einer <strong>implantatprothetischen</strong> <strong>Rehabilitation</strong> notwendig, durch optimierte Aufklärung<br />

1


auch unter Berücksichtigung <strong>der</strong> Alternativen eine wirksame Einwilligung des Patienten in die Behandlung<br />

zu erreichen o<strong>der</strong> jedoch von einer solchen Behandlung Abstand zu nehmen.<br />

Ziel <strong>der</strong> <strong>vor</strong>liegenden retrospektiven Untersuchung war es, durch inhaltliche Analysen von<br />

Sachverständigengutachten Schlussfolgerungen zur Optimierung <strong>der</strong> Aufklärung sowohl <strong>vor</strong> als auch<br />

während des Verlaufes <strong>der</strong> <strong>implantatprothetischen</strong> <strong>Rehabilitation</strong> zu ziehen.<br />

Material und Methode<br />

Alle im Zeitraum von 1996 bis Ende 2001 durch einen Gutachter konsekutiv angefertigten 29<br />

Sachverständigengutachten im Zuständigkeitsbereich <strong>der</strong> Zahnärztekammer Berlin wurden inhaltlich<br />

retrospektiv ausgewertet.<br />

<strong>Die</strong> Auswertungskriterien sind in Tab. 1 aufgelistet.<br />

Alter<br />

Geschlecht<br />

Implantatverlust<br />

Ist die prothetische Versorgung <strong>der</strong> Implantate möglich?<br />

Erfolgte die notwendige Vorbehandlung?<br />

Verletzung implantatbenachbarter anatomischer Strukturen<br />

Feststellung eines diagnostischen Fehlers<br />

Feststellung eines Behandlungsfehlers<br />

Aufklärungsmängel allgemein<br />

Mangelhafte bzw. fehlende Risikoaufklärung<br />

Mangelhafte bzw. fehlende wirtschaftliche Aufklärung<br />

Mangelhafte bzw. fehlende Aufklärung über Behandlungsalternativen<br />

Mangelhafte bzw. fehlende Aufklärung über eingetretene Komplikationen<br />

Mangelhafte bzw. fehlende Aufklärung über Notwendigkeit <strong>der</strong> Nachsorge/Prophylaxe<br />

Raucher/Nichtraucher<br />

Tab. 1: Auswertungskriterien <strong>der</strong> Gutachten<br />

Dabei kamen für das Jahr 1996 2, für 1997 4, für 1998 bis 2000 jeweils 6 und 2001 5 Gutachten zur<br />

Auswertung. In 18 Fällen wurde das Gutachten durch den Patienten selbst in Vorbereitung einer rechtlichen<br />

Auseinan<strong>der</strong>setzung mit dem Behandler, in 9 Fällen durch Gerichte und in 2 Fällen durch<br />

Haftpflichtversicherung des Behandlers in Auftrag gegeben. In Bezug auf die Aufklärung <strong>der</strong> Patienten<br />

wurde die Dokumentation untersucht, die Reproduzierbarkeit <strong>der</strong> Antworten <strong>der</strong> begutachteten Patienten<br />

durch gezielte Befragung und wie<strong>der</strong>holte Fragestellungen überprüft.<br />

<strong>Die</strong> Auswertungskriterien wurden numerisch kodiert und durch Analyse <strong>der</strong> Häufigkeitsverteilungen<br />

statistisch ausgewertet. Da <strong>der</strong> Stichprobenumfang gering war und im Wesentlichen nominal skalierte<br />

Variablen ausgewertet wurden, kamen aufgrund <strong>der</strong> Datenstruktur und -verteilung die Kreuztabellenanalyse<br />

(Berechnung des c2-Likelihood-Quotienten) sowie die Berechnung weiterer Assoziationsmaße (j, h,<br />

Cramer-V, Kontingenz-koeffizient) zur Anwendung, um ggf. Zusammenhänge zwischen den Variablen<br />

darzustellen. <strong>Die</strong> statistische Auswertung erfolgte mittels SPSS für Windows (SPSS Version 10.0, SPSS Inc.<br />

Chicago, IL/USA).<br />

Ergebnisse<br />

Aus 29 Sachverständigengutachten bei 18 weiblichen (62 %) und 11 männlichen (38 %) Patienten mit einem<br />

Altersmedian von 49,5 Jahren (Minimum 21 Jahre, Maximum 92 Jahre, normal verteilt) zum Sachgebiet<br />

2


Implantologie wurden Daten zu verschiedenen Kriterien erhoben. Eine Übersicht über die<br />

Häufigkeitsverteilung <strong>der</strong> erhobenen Auswertungskriterien gibt Tab. 2.<br />

Kriterium Häufigkeit [%] Häufigkeit<br />

[absolut]<br />

Behandlungsfehler 76 22<br />

Notwendige Vorbehandlungen erfolgten nicht 66 18<br />

Keine prothetische Versorgung möglich 55 16<br />

Implantatverlust 48 14<br />

Diagnostischer Fehler 43 12<br />

Verletzung benachbarter anatomischer Strukturen 24 7<br />

Nervverletzungen 17 5<br />

Aufklärung nicht ausreichend 72 21<br />

Mangelhafte bzw. fehlende Aufklärung über eingetretene Komplikationen 72 21<br />

Mangelhafte bzw. fehlende Risikoaufklärung 52 15<br />

Mangelhafte bzw. fehlende wirtschaftliche Aufklärung 28 8<br />

Mangelhafte bzw. fehlende Aufklärung über Behandlungsalternativen 28 8<br />

Mangelhafte bzw. fehlende Aufklärung über Notwendigkeit <strong>der</strong> Nachsorge/Prophylaxe 28 8<br />

Tab. 2: Häufigkeit des Auftretens <strong>der</strong> einzelnen Auswertungskriterien <strong>der</strong> Gutachten (n = 29) Mehrfachnennungen möglich<br />

In 14 Fällen waren Implantatverluste Grund für die Unzufriedenheit <strong>der</strong> Patienten und damit<br />

Hauptgegenstand <strong>der</strong> Gutachten. Hinsichtlich <strong>der</strong> Kriterien "Behandlungsfehler", "diagnostischer Fehler",<br />

"fehlende Durchführung notwendiger Vorbehandlungen" und "Verletzung benachbarter anatomischer<br />

Strukturen" wurden keine Zusammenhänge mit einem Implantatverlust festgestellt.<br />

Bei den 7 Fällen einer Verletzung benachbarter anatomischer Strukturen des Implantats wurde in einem Falle<br />

die Dislokation eines Implantats in die Kieferhöhle festgestellt. In 5 Fällen war eine Sensibilitätsstörung als<br />

Hyp- und Parästhesie im Innervationsgebiet des Nervus mentalis auffällig.<br />

Bei Untersuchung des "diagnostischen Fehlers" und <strong>der</strong> "Nervschädigung" auf Assoziation wurde ein<br />

signifikanter Zusammenhang festgestellt (p = 0,003), noch deutlicher trat dieser Zusammenhang zwischen<br />

den Kriterien "diagnostischer Fehler" und "Verletzung benachbarter anatomischer Strukturen" her<strong>vor</strong> (p <<br />

0,0005).<br />

Zwischen einer fehlenden bzw. unzureichenden Aufklärung über die Notwendigkeit <strong>der</strong> Nachsorge und<br />

Prophylaxe einerseits und einem schlechten Mundhygienestatus zum Zeitpunkt <strong>der</strong> Begutachtung (p


Zwischen dem Vorliegen eines diagnostischen Fehlers und <strong>der</strong> fehlenden Aufklärung über eine eingetretene<br />

Komplikation ließ sich ein tendenzieller Zusammenhang vermuten (p = 0,05). Zwischen einer allgemein<br />

unzureichenden Aufklärung und einer unzureichenden Aufklärung über die Kosten (p = 0,04), <strong>der</strong> nicht<br />

adäquat erfolgten Aufklärung über das Auftreten von Komplikationen (p < 0,0005), einer fehlenden<br />

Risikoaufklärung (p = 0,001) und einer fehlenden Aufklärung über Behandlungsalternativen (p = 0,04) lagen<br />

signifikante Zusammenhänge <strong>vor</strong>.<br />

<strong>Die</strong> <strong>implantatprothetischen</strong> <strong>Rehabilitation</strong>en, <strong>der</strong>en Ergebnisse zu begutachten waren, wurden in insgesamt<br />

23 Praxen <strong>vor</strong>genommen. In einer Praxis häuften sich 6 Begutachtungen, in einer weiteren wurden 2 zu<br />

begutachtende Implantatbehandlungen <strong>vor</strong>genommen. In <strong>der</strong> Praxis mit den häufigsten Begutachtungen<br />

wurde von 5 Patienten angegeben, nicht ausreichend aufgeklärt worden zu sein, 4-mal war ein<br />

Implantatverlust Gegenstand des Gutachtens, und in einem Falle war das Implantat noch in situ, jedoch nicht<br />

prothetisch versorgbar. Eine erfor<strong>der</strong>liche Vorbehandlung im Sinne einer parodontologischen Initialtherapie<br />

und eine effektive Mundhygienekontrolle waren in keinem dieser Fälle erfolgt.<br />

Bei 21 von 29 Begutachten war festzustellen, dass über das Auftreten von Komplikationen bzw. prognostisch<br />

ungünstigen Befundän<strong>der</strong>ungen durch den jeweiligen Behandler nicht aufgeklärt worden war.<br />

Diskussion<br />

Mit <strong>der</strong> Integration <strong>der</strong> <strong>implantatprothetischen</strong> <strong>Rehabilitation</strong>en im zahnärztlichen Behandlungsspektrum und<br />

<strong>der</strong> Erweiterung <strong>der</strong> Indikationen auch unter ungünstigen anatomischen Ausgangssituationen ist auch eine<br />

Zunahme an Komplikationen zu erwarten. Schwere Komplikationen sind dabei insbeson<strong>der</strong>e Folgen einer<br />

inadäquaten Behandlungsplanung, falschen diagnostischen und therapeutischen Vorgehens und schlechter<br />

Ausgangsbedingungen für diese Behandlung ( 7).<br />

Parameter, die zu einem Erfolg <strong>der</strong> <strong>implantatprothetischen</strong> <strong>Rehabilitation</strong> beitragen, sind neben den<br />

materialkundlich dominierten (Biokompatibilität, mikro- und makroskopische Gestaltung des Implantats), <strong>der</strong><br />

qualitativen und quantitativen Beschaffenheit des Implantat-betts, <strong>der</strong> chirugischen Technik, <strong>der</strong> ungestörten<br />

Einheilphase und <strong>der</strong> adäquaten prothetischen Belastung und Behandlung auch die richtige Patientenauswahl<br />

und Indikationsstellung. Fehler bei <strong>der</strong> Indikationsstellung, bezogen auf allgemeingesundheitliche Parameter,<br />

jedoch auch auf Lebensgewohnheiten, die Compliance und nicht zuletzt psychologische Komponenten<br />

können den Erfolg <strong>der</strong> <strong>implantatprothetischen</strong> <strong>Rehabilitation</strong> infrage stellen. Eine hohe Erwartungshaltung<br />

des Patienten wird jedoch offenbar nicht grundsätzlich von einer positiven Compliance in Bezug auf die<br />

Mundhygiene und den damit verbundenen Zeitaufwand sowie die Einsicht in die Notwendigkeit einer<br />

regelmäßigen Untersuchung und erfor<strong>der</strong>lichenfalls Prophylaxe parodontaler und periimplantärer<br />

Erkrankungen flankiert. Unter diesem Aspekt sollte die Indikationsstellung <strong>vor</strong> Beginn einer<br />

<strong>implantatprothetischen</strong> <strong>Rehabilitation</strong> kritisch betrachtet werden.<br />

Ein Implantatverlust gilt nicht nur als das einschneidenste Kriterium des Misserfolgs einer<br />

<strong>implantatprothetischen</strong> <strong>Rehabilitation</strong> (4, 6), er ist offenbar auch für den Patienten Anlass, den Verlauf <strong>der</strong><br />

Behandlung kritisch zu betrachten, dies auch, obwohl <strong>der</strong> Implantatverlust im Rahmen von Komplikationen<br />

auftreten kann und <strong>der</strong> Patient in <strong>der</strong> Regel über diese Komplikationsmöglichkeit im Vorfeld <strong>der</strong> Behandlung<br />

informiert wurde. In fast <strong>der</strong> Hälfte <strong>der</strong> hier untersuchten Begutachtungen war <strong>der</strong> Implantatverlust<br />

Hauptgrund <strong>der</strong> Behauptung eines Behandlungsfehlers aus <strong>der</strong> Sicht des Patienten.<br />

Einer detaillierten und lückenlosen Dokumentation, die eine spätere Rekonstruktion des Planungs-,<br />

Diagnostik- und Operationsablaufes sowie des Verlaufes <strong>der</strong> Nachbehandlung und <strong>der</strong> prothetischen<br />

Versorgung <strong>der</strong> Implantate ermöglicht und den Inhalt <strong>der</strong> Aufklärungsgespräche wie<strong>der</strong>gibt, sollte ebenso<br />

4


wie <strong>der</strong> Aufbewahrung von Kopien <strong>der</strong> Kosten<strong>vor</strong>anschläge für die geplante Behandlung mehr<br />

Aufmerksamkeit gewidmet werden, um diese bei eventuellem späterem Klärungsbedarf zur Verfügung zu<br />

haben. In einer retrospektiven Untersuchung von 40 Gerichtsurteilen zum Sachgebiet Implantologie wurden<br />

in 45% <strong>der</strong> Fälle Verletzungen <strong>der</strong> Dokumentationspflicht festgestellt ( 5).<br />

Zwischen dem Rauchen und einer schlechten Mundhygiene, aber auch einer nicht erfolgten notwendigen<br />

Vorbehandlung im Sinne einer Prophylaxe bzw. parodontologischen Therapie stellten sich signifikante<br />

Zusammenhänge dar. Da zwischen dem Rauchen und einer ungünstigen Prognose von Implantaten objektiv<br />

Zusammenhänge nachgewiesen wurden (1), sollten Patienten, bei denen beide <strong>der</strong> prognostisch ungünstigen<br />

Faktoren - Rauchen und eine schlechte Mundhygiene - bestehen, intensiv über die Notwendigkeit einer<br />

Implantatnachsorge, Prophylaxe und auch die ungünstigere Prognose implantatprothetischer <strong>Rehabilitation</strong><br />

bei Rauchern aufgeklärt werden.<br />

Ein signifikanter Zusammenhang ergab sich zwischen dem Vorliegen eines diagnostischen Fehlers und dem<br />

Vorkommen einer Schädigung benachbarter anatomischer Strukturen des Implantats. Als Ursachen von<br />

Überschreitungen des Niveaus des Mandibularkanals durch Implantate waren Messfehler, ungenügende<br />

Erkennbarkeit des Mandibularkanals im Röntgenbild durch Einstellungsfehler und intraoperative<br />

Fehleinschätzung <strong>der</strong> tatsächlichen Kieferkammhöhe über dem Mandibularkanal nach <strong>vor</strong>heriger<br />

Reduzierung eines nach krestal spitz zulaufenden Kieferkamms und zu tiefes Implantieren bei stark<br />

spongiöser Knochenstruktur zu nennen. Als Vermessungsgrundlage lagen in allen zu begutachtenden Fällen<br />

mit Verletzung anatomischer Strukturen in Nachbarschaft des Implantats Panoramaschichtaufnahmen ohne<br />

Mitführung eines röntgenopaken Vermessungsmarkers <strong>vor</strong>. In einigen Fällen war <strong>der</strong> Verlauf des<br />

Mandibularkanals nicht deutlich erkennbar. Viele <strong>der</strong> Panoramaschichtaufnahmen wiesen Fehler <strong>der</strong><br />

Filmverarbeitung und <strong>der</strong> Einstellung sowie Beschriftungen o<strong>der</strong> Aufzeichnungen in diagnostisch relevanten<br />

Bereichen auf, sodass die Detailerkennbarkeit zusätzlich erschwert war. Damit war die For<strong>der</strong>ung nach einer<br />

Darstellung benachbarter Strukturen des geplanten Implantationsortes nicht erfüllt (2, 3).<br />

Bei 52% <strong>der</strong> begutachteten Patienten wurde eine Risikoaufklärung nicht adäquat durchgeführt bzw. nicht<br />

dokumentiert. In 72% <strong>der</strong> begutachteten Patienten verwirklichte sich das eine o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Risiko, ohne dass<br />

sie darüber informiert worden waren. Treten Komplikationen nach Implantationen o<strong>der</strong> aber auch in <strong>der</strong><br />

prothetischen Funktionsperiode <strong>der</strong> Implantate auf o<strong>der</strong> Befundän<strong>der</strong>ungen, die ein Abweichen von <strong>der</strong><br />

ursprünglich geplanten Behandlung erfor<strong>der</strong>n, so sind diese dem Patienten mitzuteilen und zu erklären.<br />

Auch heute scheint trotz <strong>der</strong> Fortschritte auf dem Gebiet <strong>der</strong> Implantologie und den vielfältigen<br />

Möglichkeiten <strong>der</strong> Anwendung enossaler Implantate auch unter anatomisch schwierigen<br />

Ausgangsbedingungen ein eher defensives Verhalten angezeigt. Aufwand, Risiko und Nutzen von adjuvanten<br />

Maßnahmen im Rahmen einer geplanten <strong>implantatprothetischen</strong> <strong>Rehabilitation</strong> sollten im Gespräch mit dem<br />

Patienten abgewogen werden. Angesichts <strong>der</strong> Häufung von mehreren Begutachtungen von Patienten eines<br />

Behandlers scheint es sinnvoll, die Konzepte <strong>der</strong> Aufklärung und Indikationsstellung sowie die eigenen<br />

Möglichkeiten <strong>der</strong> Diagnostik und Therapie sowie den logistischen Hintergrund <strong>der</strong> Praxis kritisch zu<br />

betrachten und bei komplizierteren Behandlungsschritten gelegentlich von <strong>der</strong> Überweisung an spezialisierte<br />

Kollegen Gebrauch zu machen.<br />

In die Aufklärung <strong>vor</strong> einer <strong>implantatprothetischen</strong> <strong>Rehabilitation</strong> müssen neben den Zielen <strong>der</strong> Behandlung,<br />

<strong>der</strong>en Ablauf und Zeitschema auch behandlungstypische Risiken und Komplikationen und <strong>der</strong>en<br />

Konsequenzen, postoperative Einschränkungen, die Notwendigkeit <strong>der</strong> regelmäßigen Nachsorge und auch die<br />

Kosten dieser Maßnahmen sowie die Alternativen einbezogen werden.<br />

Literatur<br />

5


1. Bain CA, Moy PK. The association between the failure of dental implants and cigarette smoking. Int<br />

J Oral Maxillofac Implants 1993; 8: 609-615 Zurück zum Text<br />

2. DGZMK. Stellungnahmen: Implantologie in <strong>der</strong> Zahnheilkunde. 1998. www. dgzmk.de Zurück zum Text<br />

3. Hoffmeister B, Kreusch T, Kirsch A. Innervationsstörungen nach präprothetischen Eingriffen und<br />

Implantaten im Unterkiefer. Dtsch Zahnärztl Z 1994; 49: 67-70 Zurück zum Text<br />

4. Jahn M, d"Hoedt B: Zur Definition des Erfolges bei dentalen Implantaten. Z Zahnärztl Implantol<br />

1992; 8: 221-226 Zurück zum Text<br />

5. Kleinheinz J, Figgener L, Katsch F, Joos U. <strong>Die</strong> Implantologie im Blickpunkt haftungsrechtlicher<br />

Auseinan<strong>der</strong>setzungen. Z Zahnärztl Implantol 2001; 17: 143-147 Zurück zum Text<br />

6. Roos J, Sennerby L, Lekholm U et al. A qualitative and quantitative method for evaluating implant<br />

success: A 5-year retrospective analysis of the Brånemark implant. Int J Oral Maxillofac Implants<br />

1997; 12: 504" 514 Zurück zum Text<br />

7. Worthington P. Medicolegal aspects of oral implant surgery. Aust Prosthodont J Suppl. 1995; 9:<br />

13-17 Zurück zum Text<br />

Peer-reviewed Paper<br />

Korrespondenzadresse:<br />

OA Dr. F. P. Strietzel<br />

Universitätsklinikum Charité<br />

<strong>der</strong> Humboldt-Universität zu Berlin<br />

Zentrum für Zahnmedizin<br />

Abteilung für Oralchirurgie und Zahnärztliche Röntgenologie<br />

Augustenburger Platz 1<br />

13353 Berlin<br />

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