Das schädelhirnverletzte Kind: Prävention ... - Hannelore Kohl Stiftung
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Chancen für ein<br />
neues Leben<br />
TAGUNGSBERICHT<br />
„<strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong>:<br />
<strong>Prävention</strong>, Epidemiologie,<br />
Langzeitversorgungsstrukturen“<br />
Zentrales Hörsaalgebäude<br />
der Universität Hamburg<br />
17. März 1999<br />
SYMPOSIUM<br />
im Rahmen der 1. gemeinsamen Jahrestagung<br />
der DGNKN und DGNR
Herausgeber:<br />
KURATORIUM ZNS für Unfallverletzte<br />
mit Schäden des Zentralen Nervensystems e.V.<br />
Rochusstraße 24<br />
53123 Bonn<br />
Telefon: 0228/97845-0<br />
Telefax: 0228/97845-55<br />
Erscheinungsjahr: 1999<br />
ISBN 3-88383-525-0<br />
Druck:<br />
BARMER Ersatzkasse, Wuppertal
Chancen für ein<br />
neues Leben<br />
TAGUNGSBERICHT<br />
„<strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong>:<br />
<strong>Prävention</strong>, Epidemiologie,<br />
Langzeitversorgungsstrukturen“<br />
Zentrales Hörsaalgebäude<br />
der Universität Hamburg<br />
17. März 1999<br />
SYMPOSIUM<br />
im Rahmen der 1. gemeinsamen Jahrestagung<br />
der DGNKN und DGNR
Inhaltsverzeichnis<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
Allgemeines<br />
Seite<br />
Dank 3<br />
Vorwort 5<br />
Begrüßung und Eröffnung 7<br />
Dr. h.c. <strong>Hannelore</strong> <strong>Kohl</strong><br />
Einführung 11<br />
Prof. Dr. Wolfgang J. Bock<br />
<strong>Prävention</strong>/Epidemiologie<br />
Ansätze zur <strong>Prävention</strong> von Schädelhirnverletzungen 21<br />
im <strong>Kind</strong>esalter<br />
Inke Schmidt<br />
<strong>Das</strong> Programm „<strong>Kind</strong> und Verkehr“ des Deutschen 39<br />
Verkehrssicherheitsrates e.V.<br />
Bettina Berg<br />
<strong>Prävention</strong> aus der Sicht der Schüler-Unfallversicherung 45<br />
Dr. Ulrich Winterfeld<br />
<strong>Das</strong> kindliche Schädel-Hirn-Trauma: 51<br />
Schädigungsursachen, Risikogruppen, Schweregrad,<br />
sowie Alter und Rehabilitationsergebnis<br />
Dr. Rainer Blank<br />
Unfallrettung und unfallchirurgische Erstversorgung: 59<br />
Verletzungsmuster, Schweregrad, Verlegung, zeitliche Abläufe<br />
Dr. Michael Aufmkolk<br />
<strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong> – neurochirurgische Versorgung 65<br />
Dr. Martina Messing-Jünger<br />
Langzeitversorgungsstrukturen<br />
Von der stationären Rehabilitation bis zur Langzeitversorgung 83<br />
hirnverletzter und neurologisch kranker <strong>Kind</strong>er<br />
und Jugendlicher<br />
Dr. Hans Helmut Richardt
Inhaltsverzeichnis<br />
Ein Patientenschicksal 93<br />
Hans Weber<br />
Langzeitversorgung beatmungspflichtiger Patienten 97<br />
Dr. Angelika Bockelbrink<br />
<strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong> – betreutes Wohnen 99<br />
und Heimpflege<br />
Gernot Steinmann<br />
Finanzierungsregelungen von der häuslichen Betreuung 105<br />
bis zur Heimunterbringung<br />
Peter Widekamp<br />
Konzept und Finanzierung einer Einrichtung 109<br />
der Langzeitversorgung, Phase F für <strong>Kind</strong>er<br />
Lothar Schwuntek<br />
Anschriftenverzeichnis 119<br />
<strong>Das</strong> KURATORIUM ZNS informiert 121
Danksagung<br />
<strong>Hannelore</strong> <strong>Kohl</strong><br />
Präsidentin des KURATORIUMS ZNS<br />
Dank<br />
Schädelhirnverletzungen bei <strong>Kind</strong>ern und Jugendlichen sind nach wie vor<br />
ein Problem, das die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit verdient sowie den<br />
Zuständigen in Ministerien, Ämtern, Behörden, Institutionen, Organisationen,<br />
Kliniken und Einrichtungen Ansporn zur Suche nach gemeinsamen<br />
Lösungen sein sollte. Mit diesem Symposium möchten wir im Rahmen der<br />
1. gemeinsamen Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Neurotraumatologie<br />
und Klinische Neuropsychologie sowie der Deutschen Gesellschaft<br />
für Neurologische Rehabilitation den augenblicklichen Sachstand und<br />
Überlegungen zu dem Thema “<strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong>: <strong>Prävention</strong>,<br />
Epidemiologie, Langzeitversorgungsstrukturen” vortragen und zur Diskussion<br />
stellen.<br />
<strong>Prävention</strong> ist immer noch die beste Rehabilitation. Doch nach wie vor werden<br />
sich Unfälle unabhängig von der Schuldfrage ereignen. Hier zu helfen, in<br />
einer möglichst nahtlosen Rehabilitationskette optimale Versorgungsstrukturen<br />
zu vertretbarem Kostenaufwand zu schaffen, ist die Aufgabe, die sich allen<br />
Verantwortlichen stellt und an deren Lösung das KURATORIUM ZNS mitarbeitet.<br />
Danken möchte ich an dieser Stelle der Deutschen Gesellschaft für Neurotraumatologie<br />
und Klinische Neuropsychologie sowie der Deutschen Gesellschaft<br />
für Neurologische Rehabilitation, die uns im Rahmen ihrer Jahres-<br />
3
4 ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />
tagung die organisatorischen Voraussetzungen für die Durchführung dieses<br />
Symposiums geschaffen haben. Mein besonderer Dank gilt den Referenten<br />
und selbstverständlich den Teilnehmern, die mit ihren Referaten und Diskussionsbeiträgen<br />
das Ergebnis dieser Veranstaltung prägen.<br />
Abschließend danke ich der Barmer Ersatzkasse, die den Druck dieses Tagungsberichtes<br />
ermöglicht hat.<br />
<strong>Hannelore</strong> <strong>Kohl</strong><br />
Präsidentin des KURATORIUMS ZNS
Vorwort<br />
Vorwort<br />
Jährlich erleiden in der Bundesrepublik Deutschland ca. 300.000 Personen<br />
Kopfverletzungen bei Unfällen im Straßenverkehr, am Arbeitsplatz, im häuslichen<br />
Bereich oder bei Spiel und Sport. 100.000 dieser Unfallopfer erleiden<br />
ein schweres Schädelhirntrauma, das bei ca. 45.000 Unfallopfern zu langanhaltenden<br />
oder andauernden Schäden führt. Statistische Erhebungen<br />
haben gezeigt, daß ca. 50% der Unfallopfer mit einem Schädelhirntrauma<br />
Jugendliche im Alter bis zu 25 Jahren sind.<br />
Ziel des KURATORIUMS ZNS ist es, durch Verbesserung der neurologischen<br />
Rehabilitation die Wiedereingliederung <strong>schädelhirnverletzte</strong>r Unfallopfer in<br />
Familie, Schule, Beruf und Gesellschaft zu erleichtern. Dazu werden Rehabilitationseinrichtungen<br />
bei der Beschaffung dringend benötigter diagnostischer<br />
und therapeutischer Geräte unterstützt, eine Vermittlungsstelle für<br />
Rehabilitationsplätze betrieben und Wissenschaft und Forschung zur Entwicklung<br />
und Erprobung neuer, noch effektiverer Rehabilitationsverfahren gefördert.<br />
Ein wichtiger Aspekt in der Öffentlichkeitsarbeit ist es jedoch auch, durch<br />
Hinweise auf Unfallrisiken und Unfallgefahren zu verantwortungsbewußtem<br />
und vorbildlichem Verhalten aufzurufen, um so die Unfallzahlen zu senken.<br />
Mit dem Symposium “<strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong>: <strong>Prävention</strong>, Epidemiologie,<br />
Langzeitversorgungsstrukturen” wird ein weiteres Mal auf die Problematik<br />
der Unfallgefährdung von <strong>Kind</strong>ern in unserem täglichen Leben hingewiesen.<br />
Mit den Verantwortlichen und Fachleuten werden Möglichkeiten zur<br />
Reduzierung von Unfällen gesucht und die Verbesserung der Behandlungsmethoden<br />
zur Eingrenzung von Schädigungsfolgen aufgezeigt.<br />
5
6 ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong>
Begrüßung und Eröffnung<br />
Begrüßung und Eröffnung<br />
<strong>Hannelore</strong> <strong>Kohl</strong><br />
Meine sehr verehrten Damen, meine Herren,<br />
recht herzlich möchte ich Sie heute zum Symposium des KURATORIUMS ZNS<br />
“<strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong>: <strong>Prävention</strong>, Epidemiologie, Langzeitversorgungsstrukturen”<br />
hier in Hamburg begrüßen.<br />
Ich freue mich, daß uns die “Deutsche Gesellschaft für Neurotraumatologie<br />
und Klinische Neuropsychologie” sowie die “Deutsche Gesellschaft für Neurologische<br />
Rehabilitation” im Rahmen ihrer ersten gemeinsamen Jahrestagung<br />
die Voraussetzungen für die Durchführung dieses Symposiums geschaffen<br />
haben und ich möchte dafür den Vorsitzenden, Herrn Professor von Wild und<br />
Herrn Privatdozent Dr. Hömberg recht herzlich danken.<br />
Danken möchte ich aber auch den Referenten, die sich spontan bereit erklärten,<br />
ihre Erfahrungen weiterzugeben, sich hier zur Diskussion zu stellen und<br />
damit den Inhalt und Rahmen dieses Symposiums vorzugeben. Es sei mir gestattet,<br />
an dieser Stelle namentlich Frau Inke Schmidt und Herrn Professor<br />
Bock besonders herzlich zu danken, die sich beide kurzfristig bereit erklärt<br />
hatten, für die erkrankten Kollegen Frau Professor Limbourg und Herrn Professor<br />
Mayer einzuspringen, denen ich von hier aus gute Besserung wünsche.<br />
Doch was wäre eine Tagung ohne Auditorium:<br />
– Sie sind es, an die sich die Referenten richten,<br />
– Sie sind es, die mit Ihren Diskussionsbeiträgen die Tagung beleben und<br />
durch Fragestellungen die Probleme aufzeigen.<br />
– Sie können aus Ihrer täglichen Arbeit praktische Lösungshinweise geben.<br />
Die epidemiologischen Untersuchungen sind die Meßlatte, an der Maßnahmen<br />
der <strong>Prävention</strong>, Rehabilitation und Langzeitversorgung immer wieder<br />
gemessen werden. Ziel dieser Tagung ist es, auf Schwierigkeiten und Probleme<br />
in diesen Bereichen hinzuweisen, Lösungsansätze aufzuzeigen und an diejenigen<br />
zu appellieren, die Mittel, Einfluß und Funktionen haben, um zur Verbesserung<br />
der neurologischen Rehabilitation von <strong>Kind</strong>ern und Jugendlichen<br />
beizutragen. <strong>Kind</strong>er und Jugendliche bedeuten Zukunft. Lassen Sie uns mit<br />
daran arbeiten, heute die Voraussetzungen zu schaffen, daß diese junge Generation<br />
zukünftig nicht nur ihr Ich-Gefühl auslebt, sondern auch ihrer Verantwortung<br />
gerecht wird.<br />
7
8<br />
Dies setzt rücksichtsvolles, vorbildhaftes und auch verantwortungsbewußtes<br />
Verhalten voraus. <strong>Das</strong> Funktionieren einer freien Gemeinschaft basiert auch<br />
auf Respekt vor dem Einzelnen und der Übernahme von Pflichten neben der<br />
Beanspruchung von Rechten.<br />
Immer noch werden hirnverletzte Mitmenschen aufgrund ihrer Behinderung,<br />
ihres Andersseins, ins Abseits gedrängt. Dies ist eine Situation, die häufig nicht<br />
nur den Patienten sondern auch seine Familie betrifft. Die Akut- und Rehabilitationsbehandlung<br />
ist ein relativ kurzer Zeitabschnitt, gemessen an der<br />
langen Phase, in der der Betroffene mit und trotz bleibender Schädigung sich<br />
in der Gesellschaft behaupten muß, um ein möglichst gleichberechtigtes<br />
Leben zu führen.<br />
Jedem von uns ist bewußt, daß sich trotz aller Gesetze, Verordnungen, Vorschriften<br />
und Unfallverhütungsmaßnahmen immer wieder Unfälle mit Personenschäden<br />
ereignen werden. Trotzdem gilt nach wie vor der Grundsatz:<br />
“<strong>Prävention</strong> ist die beste Rehabilitation”.<br />
ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />
Häufig ist die Überschätzung der eigenen Leistungsfähigkeit die Ursache von<br />
Unfällen, die wiederum die eigene oder sogar die Gesundheit von anderen<br />
gefährden. Wie häufig werden durch Leichtsinn oder auch Rücksichtslosigkeit<br />
Unfälle ausgelöst.<br />
Unterschiedliche Tendenzen sind aus den Zahlen der Straßenverkehrsunfallbilanz<br />
1998 bei regionaler Betrachtung zu entnehmen. In Nordrhein-Westfalen<br />
ist zum Beispiel ein Anstieg der getöteten <strong>Kind</strong>er zu verzeichnen,<br />
während im gesamten Bundesgebiet in 1998 die niedrigste Zahl der Getöteten<br />
seit 1953 verzeichnet wurde, dem Jahr, in dem diese Statistik eingeführt<br />
wurde.<br />
Dank der unermüdlichen Bemühungen der “Gewerblichen Berufsgenossenschaften”<br />
wurde in 1998 auch die niedrigste Zahl der Arbeitsunfälle registriert,<br />
doch nach wie vor ist jeder Unfall ein Unfall zu viel.<br />
Sind nicht vielen von uns folgende Aussagen im wesentlichen bekannt:<br />
– „86% aller Radfahrer erleiden Kopfverletzungen, wenn es zu einem Unfall<br />
kommt.“ (Universität München)<br />
– „53% aller Weichteilverletzungen, 83% der Frakturen, 48% aller Schädelhirnverletzungen<br />
könnten vermieden werden, wenn das Unfallopfer<br />
einen Radhelm getragen hätte.“ (Medizinische Hochschule Hannover)<br />
Um auf Unfallgefahren aufmerksam zu machen, hat das KURATORIUM ZNS<br />
die Produktion eines Informationsvideofilmes gemeinsam mit der Barmer
Begrüßung und Eröffnung<br />
Ersatzkasse finanziert: „Mit Helm ist doch klar – Update 2000“, ein Film, der<br />
besonders <strong>Kind</strong>er und Jugendliche anspricht, beim Fahrradfahren und Inline-<br />
Skaten entsprechende Schutzhelme zu tragen. Der Film ist über Media Contact/<br />
Köln erhältlich oder kann bei der DEA-Mediathek/Meckenheim ausgeliehen<br />
werden.<br />
Zusätzlich hat das KURATORIUM ZNS Broschüren zu folgenden Themen erstellt:<br />
– Sicher mit dem Rad<br />
– Sicher mit dem Auto<br />
– Sicherheit im Haus.<br />
Diese Broschüren werden Ihnen über unsere Geschäftsstelle auf Anfrage<br />
gerne zugesandt.<br />
Der Unfall fragt nicht nach Schuld, er kennt nur die Opfer. Hinter jedem Unfall<br />
steht häufig unermeßliches Leid. Bedenken Sie, jeder von uns kann von<br />
einer Sekunde auf die andere selbst Betroffener sein und hofft dann auf die<br />
verständnisvolle Hilfe des Nächsten.<br />
Ich hoffe, daß dieses Symposium ein Appell an viele sein wird, mit den ihnen<br />
zur Verfügung stehenden Möglichkeiten und Mitteln auch dazu beizutragen,<br />
Unfälle zu vermeiden. Eine effektive Rehabilitation, wirtschaftlich gestaltet,<br />
soll dazu führen, daß verletzungsbedingte Funktionsbeeinträchtigungen und<br />
Organschädigungen nicht ins soziale Abseits führen.<br />
Möge diese Tagung den Dialog zwischen den Betroffenen und ihren Angehörigen,<br />
sowie Leistungsanbietern, Behörden, Organisationen oder Institutionen<br />
intensivieren.<br />
Mögen in gemeinsamer Anstrengung Probleme und Schwierigkeiten der Rehabilitation<br />
beseitigt werden.<br />
Mögen zielgerichtete Langzeitversorgungsstrukturen für <strong>schädelhirnverletzte</strong><br />
<strong>Kind</strong>er und Jugendliche die Wiedereingliederung in Familie, Schule, Beruf und<br />
Gesellschaft erleichtern.<br />
Möge sich die Chance für ein neues, gleichberechtigtes Leben nach dem Unfall<br />
für <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong>er und Jugendliche eröffnen.<br />
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen einen interessanten<br />
Tagungsverlauf.<br />
9
10 ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong>
Eröffnungsvortrag<br />
Eröffnungsvortrag<br />
Wolfgang J. Bock<br />
Neurochirurgische Klinik der Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf<br />
<strong>Das</strong> Thema des Symposiums lautet “<strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong> – <strong>Prävention</strong>,<br />
Epidemiologie, Langzeitversorgungstrukturen”. <strong>Das</strong> letzte Symposium<br />
ähnlicher Thematik fand im Rahmen der REHA 1997 in Düsseldorf statt. <strong>Das</strong><br />
damalige Thema lautete: “Schädel-Hirn-Verletzungen bei <strong>Kind</strong>ern und Jugendlichen<br />
– <strong>Prävention</strong>, Rehabilitation, Reintegration –”.<br />
Es ist berechtigt zu fragen, was in diesen zwei Jahren erreicht worden ist.<br />
Haben sich die Statistiken geändert, ist nach den Behandlungen eine bessere<br />
Heilungschance zu verzeichnen? Nach wie vor ist es schwierig, saubere epidemiologische<br />
Daten zum Thema Schädel-Hirn-Verletzungen zu erhalten, speziell<br />
bei <strong>Kind</strong>ern und Jugendlichen. Die Daten des Statistischen Bundesamtes<br />
sind unzuverlässig, die dort abgespeicherten Diagnosen entsprechen fast nie<br />
der Wirklichkeit. Sie können allerdings auch nur so gut sein, wie sie von den<br />
Leistungserbringern gemeldet werden. Bereits zur Definition des Schädel-Hirn-<br />
Traumas wären viele Anmerkungen zu machen. Noch immer geistern Begriffe<br />
wie Commotio und Contusio in den Statistiken herum. Ein Beispiel sei aus<br />
einem Gutachten zitiert:<br />
Eine unfallchirurgische Abteilung definiert als Diagnose: Schädel-Hirn-Trauma<br />
Grad I. Es war aber notwendig, den Patienten über Wochen zu beatmen,<br />
teils mit vegetativen Symptomen. Hierbei dürfte auch den später behandelnden<br />
Reha-Kliniken eine wichtige Aufgabe zukommen, nämlich aufgrund<br />
ihres Datenmaterials eine saubere Klassifikation der Schwere des Schädel-Hirn-<br />
Traumas durchzuführen. Eine weitere Schwierigkeit liegt in der unterschiedlichen<br />
Beurteilung durch die einzelnen Versicherungsträger, sei es die Unfallversicherungsträger,<br />
die privaten Unfallversicherungsträger oder auch die einzelnen<br />
Krankenkassen und Krankenkassenverbände. Neben dem Statistischen<br />
Bundesamt werden hier verschiedene Klassifikationen verwandt, wobei die<br />
großen Mängel der ICD für die Gebiete Neurochirurgie und Neurologie hinreichend<br />
bekannt sind, was auch für die einzuführende ICD 10 gilt. Am besten<br />
sind bis heute noch die im Straßenverkehr erlittenen Verletzungsmuster<br />
dokumentiert.<br />
Eine weitere Aufgabe epidemiologischer Art dürfte sein, Vergleiche der einzelnen<br />
Länder, sei es in Europa oder auch im Vergleich mit den USA, zu erarbeiten.<br />
Auch hierbei stößt man immer wieder auf die bereits ausgeführten Schwierigkeiten<br />
der Definition, aber auch die Bewertung und die Behandlung des<br />
Schädel-Hirn-Traumas wird im internationalen Vergleich unterschiedlich<br />
durchgeführt.<br />
11
12<br />
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes aus dem Jahre 1995 verunglückten<br />
im Jahre 1994 allein im Straßenverkehr 51.635 <strong>Kind</strong>er, wovon 37.823 leicht<br />
verletzt, 13.381 schwer verletzt und 431 <strong>Kind</strong>er getötet wurden. Die damalige<br />
Mitteilung besagte, daß es ist die geringste Zahl seit 1953 sei. Bei Beachtung<br />
der Altersgruppen wurde festgestellt, daß jedes 4. <strong>Kind</strong> unter 6 Jahre alt war,<br />
wovon 50% als Pkw-Mitfahrer, 37% als Fußgänger und 10% als fahrradfahrende<br />
<strong>Kind</strong>er verunglückten, Jungen häufiger als Mädchen. Je 1.000 Einwohner<br />
entsprach die Unfallrate 72, dagegen 57 im Gesamtdurchschnitt aller<br />
Verunfallten. Rechnet man die häuslichen und Freizeitunfälle hinzu (Angaben<br />
der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und des Bundesverbandes der Unfallversicherungsträger),<br />
so kann man von einer Unfallrate von 2.000.000 <strong>Kind</strong>ern<br />
im Alter bis zu 14 Jahren ausgehen. Hierbei werden häusliche und Freizeitunfälle<br />
mit 44% geschätzt, 43% Schülerunfälle und 13% Verkehrsunfälle.<br />
Hierzu muß angemerkt werden, daß Schülerunfälle zum großen Teil auch<br />
Verkehrsunfälle sind, da sie sich auf dem Schulweg ereignen. Vergleicht man<br />
die Situation mit 1998, so stehen im Moment nur die Daten von Nordrhein-<br />
Westfalen zur Verfügung (Abb. 1).<br />
Verkehrsunfälle gesamt 532.862 (+ 4,2%)<br />
Zahl der Verletzten 94.333 (-1,4%)<br />
Zahl der Getöteten 1071 (-9,2%)<br />
davon <strong>Kind</strong>er 54 (+33%)<br />
Abb. 1: Unfallentwicklung Nordrhein-Westfalen 1998<br />
Quelle: Rheinische Post 25.02.1999<br />
ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />
Insgesamt kam es zu 532.862 Verkehrsunfällen,<br />
was einem Plus von<br />
4,2% entspricht. Es dürfte nicht<br />
schwerfallen, die Population des<br />
bevölkerungsreichsten Bundesland<br />
mit 4 zu multiplizieren, um den<br />
ungefähren Bundesdurchschnitt<br />
zu erhalten. Hierzu hat der ADAC<br />
vor 14 Tagen eine Statistik vorge-<br />
legt, die bei den Motorrädern ein Minus von 5,7% zeigt, bei Radfahrern ein<br />
Minus von 4,7% und bei Fußgängern ein solches von Minus 4%. Am geringsten<br />
sind die Rückgänge der Autounfälle mit 0,1%. Der ADAC zieht hieraus<br />
die Bilanz, daß Fußgänger immer sicherer seien, die Zahl der Verkehrstoten<br />
sei um 7,5% im Bundesdurchschnitt zurückgegangen.<br />
Getötete <strong>Kind</strong>er 54<br />
davon Fußgänger 9<br />
Radfahrer 7<br />
Mitfahrer PKW 6<br />
Abb. 2: Unfallentwicklung Nordrhein-Westfalen 1998<br />
Quelle: Rheinische Post 25.02.1999<br />
Wie sieht die Entwicklung bei den<br />
<strong>Kind</strong>ern aus. 1998 starben auf<br />
Nordrhein-Westfalens Straßen<br />
1.071 Menschen, das entspricht<br />
einem Minus von 9,2%, die <strong>Kind</strong>er<br />
allerdings mit 54 Getöteten<br />
haben ein Plus von 33% zu verzeichnen.<br />
Von diesen 54 getöteten<br />
<strong>Kind</strong>ern waren 9 Fußgänger, 7 Radfahrer<br />
und 6 Mitfahrer im Pkw<br />
(Abb. 2).
Eröffnungsvortrag<br />
Betrachtet man sich Düsseldorf, so<br />
findet sich eine Zunahme der Unfälle<br />
um 1.491, beteiligte <strong>Kind</strong>er<br />
unter 14 Jahren 335, wovon 2 verstarben<br />
(Abb. 3).<br />
Vergleicht man nun hierzu die Angaben<br />
aus anderen Ländern, so<br />
wird man erstens feststellen, daß<br />
es nur einzelne Mitteilungen gibt, zum anderen genauere Daten nur von<br />
regionalen Statistiken der unfallchirurgischen oder neurochirurgischen Kliniken.<br />
Eine epidemiologische Mitteilung findet sich bei Egbert und Teasdale zur<br />
dänischen Situation. Hier werden die Schädel-Hirn-Traumen bei <strong>Kind</strong>ern von<br />
1979 bis 1993 dargelegt, also einem Zeitraum von 15 Jahren entsprechend.<br />
Hierbei sind 49.594 <strong>Kind</strong>er verunglückt, 60% Jungen, 40% Mädchen, wobei<br />
die Alterspitze zwischen<br />
5 und 14 Jahren lag. Die angegebene<br />
Mortalität scheint<br />
mit 22% recht hoch zu sein.<br />
Man muß berücksichtigen,<br />
daß zu diesem Zeitpunkt<br />
noch keine so ausgebaute<br />
Frührehabilitation und<br />
Nachsorge existierte. Neuere<br />
Angaben zu Dänemark liegen<br />
mir nicht vor (Abb. 4).<br />
Aus Spanien findet sich eine<br />
Mitteilung, die sich nur auf<br />
eine einzelne Unfallstation<br />
bezieht und von Elorza-<br />
Arizmendi stammt. Erwähnenswert<br />
ist, daß von den<br />
152 <strong>Kind</strong>ern 95,4% in Parks,<br />
in der Schule oder zu Hause<br />
verunfallten. Auch ist mit<br />
66% das männliche Geschlecht<br />
führend, gegenüber<br />
33% Anteil an Mädchen<br />
(Abb. 5). Die Altersgruppen-<br />
Unfälle insgesamt 1998 23.165<br />
(1997) 21.674<br />
davon <strong>Kind</strong>er unter 14 Jahren 335<br />
(2 verstorben)<br />
Abb. 3: Verkehrsunfallentwicklung Düsseldorf 1998<br />
Quelle: Rheinische Post 25.02.1999<br />
Anzahl 49.594<br />
männlich 60%<br />
weiblich 40%<br />
Altersspitze zwischen 5–14 Jahre<br />
Mortalität 22%<br />
Abb. 4: Dänemark, Schädelhirntrauma bei <strong>Kind</strong>ern (1979–1993)<br />
Quelle: Engbert, A. Teascale, T.W., Eur. J. Epidemiol. 1998 14(2), 165–73<br />
analysiert 152 <strong>Kind</strong>er<br />
Unfallort: in Parks<br />
}<br />
in der Schule 95,4%<br />
zu Hause<br />
männlich 66%<br />
weiblich 33%<br />
häufigste Altersgruppe 7–14 Jahre<br />
Zeit bis Eintreffen 30–40 Min. (80%)<br />
Abb. 5: Spanien (Daten einer Unfallstation)<br />
Quelle: Elorza-Arizmendi, J.F. et al., Au. Esp. Pediatr. 1997, 46(5), S. 464–70<br />
angabe deckt sich fast mit der von Dänemark. Gemessen wurde hierbei auch<br />
die Zeit bis zum Eintreffen in der Unfallstation, wobei eine Zeit von 30 bis 40<br />
Minuten bei 80% ermittelt wurden.<br />
13
14<br />
Unfallrate zw. 175 bis 200/100.000 Einw.<br />
davon mit Todesfolge 56/Jahr<br />
Abb. 6: USA, Schädelhirntrauma<br />
Quelle: Kraus, J.F., McArthur, D.L., Neurol.Clin. 1996, 14(2), 235–50<br />
Für die USA geben Kraus und<br />
Mc. Arthur eine Unfallrate zwischen<br />
175 bis 200 pro 100.000<br />
Einwohner an. Unfälle mit<br />
Todesfolgen werden mit 56.000<br />
pro Jahr angegeben (Abb.6).<br />
Teilt man diese Zahl von 56.000<br />
durch 3, das entspricht ungefähr der Bevölkerung der Bundesrepublik, geht<br />
man von 240.000.000 Einwohnern in den USA aus, so kommt man auf eine<br />
Zahl von 14.600, damit noch immer doppelt so hoch wie die momentanen<br />
Zahlen in der Bundesrepublik, trotz Tempolimit und vielen restriktiveren Vorgaben<br />
als bei uns.<br />
Mortalität 69<br />
bei Autounfällen 31 (45%)<br />
davon nicht angeschnallt 25<br />
davon unter 4 Jahre 17<br />
als Fußgänger/Auto 19 (28%)<br />
davon unter 4 Jahre 10<br />
Fahrrad/Auto 4<br />
andere Ursachen 12<br />
Abb. 7: USA, Schädelhirntrauma bei <strong>Kind</strong>ern<br />
(5 Jahre – 2 Traumazentren in Georgia)<br />
Quelle: Boswell, W.-C. et. al., South Med. J. 1996, 89(2), 218–20<br />
ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />
Speziell zum Schädel-Hirn-Trauma<br />
bei <strong>Kind</strong>ern findet sich eine 5-Jahres-Statistik<br />
zweier traumatologischer<br />
Zentren in Georgia von Boswell<br />
und Mitarbeitern (Abb. 7). In<br />
diesen beiden Zentren fanden sich<br />
69 <strong>Kind</strong>er, die nach schweren Schädel-Hirn-Verletzungen<br />
verstarben,<br />
davon 31, entsprechend 45%, bei<br />
Autounfällen. Auch hier findet sich<br />
ein deutlich höherer Anteil als in<br />
der Bundesrepublik. Erschreckend<br />
allerdings ist die Tatsache, daß<br />
25 dieser <strong>Kind</strong>er nicht angeschnallt waren und 17 von diesen unter 4 Jahren<br />
gewesen sind. 19 dieser verstorbenen <strong>Kind</strong>er waren Fußgänger, die mit dem<br />
Auto kollidierten, das entspricht einer Quote von 28%, wovon 10 unter 4<br />
Jahren zu registrieren waren. Nur 4 kollidierten als Fahrradfahrer mit dem<br />
Auto, entsprechend 6% und nur 12 <strong>Kind</strong>er verstarben nach Schädel-Hirn-<br />
Trauma aus anderer Ursache. Diese Statistik zeigt deutlich den anderen Stellenwert<br />
des Verkehrsmittel.<br />
Eingehen möchte ich noch auf den Fahrradunfall. Hierzu gibt es aus dem<br />
Jahre 1997 eine Dissertation von Löbbecke aus Bonn mit interessanten Hinweisen.<br />
Wichtig zumindest für die Bundesrepublik sind die Verkehrsunfälle<br />
mit dem Fahrrad, inzwischen mindestens genauso bedeutsam wie in den Niederlanden.<br />
Die enorme Zunahme des Fahrrades als Verkehrsmittel ist am<br />
besten in unseren Städten zu beobachten, voran Münster als die fahrradfahrende<br />
Stadt Deutschlands.<br />
Ich erlaube mir, Ihnen einige der wichtigsten Ergebnisse aus dieser Arbeit vorzustellen.<br />
Betrachten wir uns zuerst die Altersverteilung, so wird sehr deut-
Eröffnungsvortrag<br />
Patienten (N)<br />
Abb. 8: Altersverteilung von Patienten mit Fahrradunfällen und übrigen Verkehrsunfällen<br />
Quelle: Löbbecke, G. Diss. Bonn, 1997<br />
Fahrradunfälle<br />
Übrige Verkehrsunfälle<br />
Alter (Jahre)<br />
lich, daß insgesamt bei den im Raume Bonn aufgetretenen Unfällen die Altersgruppe<br />
zwischen 10 und 29 Jahren überproportional beteiligt ist (Abb. 8).<br />
Auch hier findet sich eine gute Übereinstimmung zur internationalen Literatur.<br />
Betrachtet man sich die Fahrradunfälle allein, so ist die Altersgruppe 10<br />
bis 19 Jahre wiederum führend, erst mit 40 bis 49 Jahren dürfte eine Sicherheit<br />
im Straßenverkehr aufgetreten sein. Allerdings sind diese Zahlen auch so<br />
zu deuten, daß letztere Altersgruppe lieber mit dem Auto fährt. Deutlich dürfte<br />
aber sein, daß die <strong>Kind</strong>er und Jugendlichen überproportional bei den Verkehrsunfällen<br />
betroffen sind, ganz gleich ob Fahrradunfälle oder andere Verkehrsunfälle.<br />
Betrachtet man sich nun die Verletzungsarten, so ist ganz klar<br />
ersichtlich, daß bei den 159 Fahrradunfällen das Schädel-Hirn-Trauma führend<br />
ist (Abb. 9). Hierbei sind Mehrfach-Verletzungen berücksichtigt. Analysiert<br />
man die Begleitverletzungen, so ist die Mittelgesichtsfraktur häufigste<br />
Kopfverletzungen Anzahl Begleitverletzungen Anzahl<br />
(N) (N)<br />
Schädelfraktur 132 Mittelgesichtsfraktur 43<br />
Hirnkontusion 49 Wirbelkörperfraktur 13<br />
Epidurales Hämatom 33 Fraktur der oberen Extremität 31<br />
Akutes subdurales Hämatom 29 Fraktur der unteren Extremität 15<br />
Traumatische SAB 39 Thoraxtrauma 12<br />
Intracerebrale Blutung 4 Bauchtrauma 2<br />
Beckenfraktur 5<br />
Gesamt 286 Gesamt 121<br />
Abb. 9: Übersicht der Verletzungen bei 159 Fahrradunfällen<br />
Quelle: Löbbecke, G. Diss. Bonn, 1997<br />
15
16<br />
36 (23%)<br />
Abb. 10: Ursache von 159 Fahrradunfällen<br />
Quelle: Löbbecke, G. Diss. Bonn, 1997<br />
Verletzung. Diese sollte<br />
man zu den Kopfverletzungen<br />
hinzurechnen, da diese<br />
Kombination sehr häufig<br />
gegeben ist. Interessant ist<br />
auch, daß die obere Extremität<br />
häufiger frakturiert als<br />
die untere, nämlich doppelt<br />
so häufig. Zu bemerken ist<br />
auch, daß bei der Ursachenforschung<br />
das Selbstverschulden<br />
mit 46% weit füh-<br />
rend ist und nur in 23% ein Fremdverschulden auszumachen ist (Abb. 10).<br />
Der Leichtsinn, das unvorsichtige, unbekümmerte Fahrradfahren, das unbeleuchtete<br />
Fahrradfahren, das Fahren bei Rot über die Kreuzung sind nur wenige<br />
Beispiele. Umso unver-<br />
19 (12%)<br />
73 (46%)<br />
41 (26%)<br />
50 (31%)<br />
Abb. 11: Unfallort bei 159 Fahrradunfällen<br />
Quelle: Löbbecke, G. Diss. Bonn, 1997<br />
unbekannt<br />
Selbstverschulden<br />
Fremdverschulden<br />
ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />
ständlicher dürfte es sein,<br />
daß es eine Gesetzgebung<br />
erlaubt, im dichtesten Verkehr<br />
eine Einbahnstraße in<br />
die Gegenrichtung für Fahrradfahrer<br />
freizugeben.<br />
Untersucht wurde auch der<br />
Unfallort. Hier überwiegt<br />
die Straße vor dem Fahrradweg,<br />
d.h., das fahrradfahrende<br />
<strong>Kind</strong> ist auf der<br />
Straße am gefährdetsten<br />
(Abb. 11). Außerdem ist es ausgesprochen wichtig, die tageszeitliche Verteilung<br />
zu ermitteln. Hierbei hat Löbbecke herausgefunden, daß überproportional<br />
der Zeitraum zwischen 12 und 18 Uhr mit 40% als Unfallzeitpunkt festzustellen<br />
ist (Abb. 12). Damit<br />
42 (26%)<br />
13 (8%)<br />
22 (14%)<br />
Abb. 12: Tageszeitliche Verteilung<br />
von 159 Fahrradunfällen<br />
Quelle: Löbbecke, G. Diss. Bonn, 1997<br />
32 (20%)<br />
63 (40%)<br />
86 (54%)<br />
Straße<br />
Fahrradweg<br />
Feld- oder Privatweg<br />
unbekannt<br />
07.00 – 12.00 Uhr<br />
12.00 – 18.00 Uhr<br />
18.00 – 07.00 Uhr<br />
unbekannt<br />
aber ist klar, daß die Freizeit,<br />
nämlich der Nachmittag,<br />
für das fahrradfahrende<br />
<strong>Kind</strong> die gefährlichste Zeit<br />
darstellt. Ähnliche Ergebnisse<br />
finden sich bereits in der<br />
spanischen Untersuchung<br />
von Elorza-Arizmendi.<br />
Jahreszeitliche Unterschiede<br />
und die Häufigkeit des
Eröffnungsvortrag<br />
männlichen Geschlechts lassen sich ebenfalls demonstrieren. Verständlicherweise<br />
sind die Monate Mai bis September die häufigsten, in denen Unfälle<br />
auftreten. <strong>Das</strong> Überwiegen der Jungen ist ebenfalls nicht zu übersehen. Schlüsselt<br />
man die Schwere nach der Glasgow-Coma-Scale auf, so sind immerhin<br />
41% schwerste Schädel-Hirn-Verletzungen, aber auch Bagatelltraumen mit 41%<br />
zu registrieren.<br />
Hieraus leitet sich natürlich<br />
die Frage ab, wieviel <strong>Kind</strong>er<br />
waren zu ermitteln, die mit<br />
Helm fuhren und diese<br />
Statistik ist enttäuschend<br />
(Abb. 13). Es sind ganze 4%.<br />
Inzwischen liegen aus den<br />
USA, aber auch aus Deutschland<br />
und Dänemark sowie<br />
Schweden Auswertungen vor,<br />
die eindeutig den positiven<br />
Einfluß des Helmtragens belegen.<br />
So schreiben Thompson,<br />
Rivara und Thompson<br />
aus Seattle über 3.390 verun-<br />
7 (4%)<br />
152 (96%)<br />
Abb. 13: Anzahl der verunglückten Fahrradfahrer, die zum<br />
Unfallzeitpunkt einen Fahrradhelm trugen<br />
Quelle: Löbbecke, G. Diss. Bonn, 1997<br />
mit Helm<br />
ohne Helm<br />
fallte Fahrradfahrer von immerhin 29% der Verunfallten und 56% der kontrollierten<br />
Patienten, daß sie mit Helm fuhren. Sie teilten ein in <strong>Kind</strong>er unter<br />
6 Jahren, <strong>Kind</strong>er von 6 bis 12 Jahren, von 13 bis 19 Jahren und über 20 Jahre.<br />
Sie untersuchten hierbei den Effekt des Helms beim Unfall, speziell dann,<br />
wenn das Auto Gegner des Fahrradfahrers war. Sie schließen ihre Untersuchung<br />
mit der Zusammenfassung, daß helmtragende Fahrradfahrer eine<br />
substantielle Protektion gegenüber anderen Fahrradfahrern haben. Hierbei<br />
spielt es keine Rolle, ob ein Hartschalenhelm oder Dünnschalenhelm getragen<br />
wurde.<br />
In einer anderen Untersuchung aus den Vereinigten Staaten von Sosin und<br />
Mitarbeitern aus Atlanta mit einer sehr genauen Aufschlüsselung der Verletzungen<br />
wird resümiert, daß es notwendig ist, den stärkeren Gebrauch des Helms<br />
beim Fahrradfahren zu propagieren, insbesondere bei jungen <strong>Kind</strong>ern. Es wird<br />
betont, daß der Helm auch Gesichtsverletzungen vermeidet.<br />
Erwachsene sollten eine Vorbildfunktion haben, dieser Verpflichtung kommen<br />
sie jedoch nicht nach. Wieso soll ein <strong>Kind</strong> einsehen einen Helm zu tragen,<br />
wenn die Eltern es für sich selbst aber ablehnen. Wie sollen <strong>Kind</strong>er im<br />
Straßenverkehr ordnungsgemäß handeln, wenn Erwachsene mit Selbstverständlichkeit<br />
bei Rot über die Kreuzung gehen. Wie sollen <strong>Kind</strong>er ihr Fahrrad<br />
ordnungsgemäß bedienen, wenn Erwachsene noch nicht einmal die vorge-<br />
17
18<br />
schriebene Beleuchtung am Fahrrad montiert haben. Diese Liste ist beliebig<br />
fortzusetzen.<br />
Noch ein Wort zur Frührehabilitation und zur Rehabilitation. Über beides<br />
werden in den weiteren Beiträgen genauere Angaben gemacht. Auf diesem<br />
Gebiet hat das Kuratorium ZNS in den letzten Jahren Pionierarbeit geleistet<br />
durch Vergabe von Forschungsmitteln und Auslobung von Preisen. So sind<br />
eine Reihe von wissenschaftlichen Grundlagen geschaffen worden, die die<br />
Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit der Frührehabilitation und der späteren<br />
Rehabilitation aufzeigen. Weltweit wurden in zahlreichen Veröffentlichungen,<br />
die alle aufzuzählen hier gar nicht möglich ist, bewiesen, daß die nahtlose<br />
fachgerechte Betreuung dieser <strong>schädelhirnverletzte</strong>n <strong>Kind</strong>er ein besseres<br />
Ergebnis erzielt.<br />
Diese positiven Ergebnisse stammen zu einem großen Teil aus der deutschen<br />
Literatur und aus deutschen Rehabilitationszentren und neurochirurgischen<br />
Kliniken mit Frührehabilitation, wobei dieses Wort nicht immer im Kliniksnamen<br />
auftauchen muß. Wichtig aber ist, daß diese aktive Therapie noch im<br />
Stadium der intensivtherapeutischen Behandlung beginnt.<br />
Die beste Behandlung ist, wie wir alle wissen, die <strong>Prävention</strong>. Hier sind die<br />
Erwachsenen gefordert, Vorbild zu sein. Ich fürchte aber, daß dieser Appell an<br />
den tauben Ohren dieser Altersgruppe verhallt. Die prozentuale Zunahme des<br />
kindlichen Traumas im Vergleich zur Abnahme der Gesamtverletztenzahl dürfte<br />
mir leider Recht geben.<br />
Literatur<br />
Fußgänger immer sicherer: ADAC Motorwelt 3/99, S. 51.<br />
ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />
Bock, W.J.: Intensivmedizin und Rehabilitation. In: “Neurologische Frührehabilitation”,<br />
hrsg. v. K. v. Wild und H.-H. Janzin, Zuckschwerdt, München,<br />
1990, S. 102–106.<br />
Bock, W.J.: Was erwartet der Neurochirurg von der Frührehabilitation? In “Frührehabilitation<br />
für Hirnverletzte”, hrsg. v. Kuratorium ZNS, Kepnerdruck<br />
Eppingen, S. 23–41.<br />
Boswell, W.C. et al.: Prevention of pediatric mortality from trauma: are current<br />
measures adaequate? South Med. J. 89(2), 1996, 218–220.<br />
Egbert, A., Teasdale, T.W.: Traumatic brain injury in children in Denmark:<br />
A national 15-year study. Eur. J. Epidemiol., 14(2), 1998, S. 165–173.
Eröffnungsvortrag<br />
Elorza-Arizmendi, J.F. et al: Consideraciones sobre los traumatismos cranioencefalicos<br />
pediatricos desde un servicio de urgencias, An. Esp. Pediatr. 46(5),<br />
1997, S. 464–470.<br />
Haas-Pilwat, D.: <strong>Kind</strong>er besonders gefährdet, Rhein. Post, 25.2.99.<br />
Kraus, J.F., Mc. Arthur, D.L.: Epidemiologic aspects of brain injury. Neurol. Clin.<br />
14(2), 1996, S. 435–450.<br />
Löbbecke, G.: Schädel-Hirn-Verletzungen durch Fahrradunfälle. Diss., Bonn,<br />
1997.<br />
Mayer, K.: Einführung in das Thema in “Schädelhirnverletzungen bei <strong>Kind</strong>ern<br />
und Jungendlichen: <strong>Prävention</strong>, Rehabilitation, Re-Integration”, hrsg. v.<br />
Kuratorium ZNS, Bonn, 1998, S. 11–15.<br />
Ressing, A.: Mitteilung in Rhein. Post, 25.2.99.<br />
Sosin, D.M., Sackes, J.J., Webb, K.W.: Pediatric head injuries and deaths from<br />
bicycling in the United States. Pediatrics, 98(5), 1996, 868–870.<br />
Thompson, D.C., Rivara, F.P., Thompson, R.S.: Effectiveness of bicycle safety<br />
helmets in preventing head injuries. A case-control study. JAMA, 276(24), 1996,<br />
1968–1973.<br />
19
20 ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong>
Ansätze zur <strong>Prävention</strong> von Schädelhirnverletzungen im <strong>Kind</strong>esalter<br />
Ansätze zur <strong>Prävention</strong> von<br />
Schädelhirnverletzungen im <strong>Kind</strong>esalter<br />
Inke Schmidt<br />
Bundesvereinigung für Gesundheit, Bonn<br />
Maria Limbourg<br />
Universität GH Essen<br />
1. Einleitung<br />
Bei ca. 40% der Unfälle im <strong>Kind</strong>esalter ist der Kopfbereich von Verletzungen<br />
betroffen (Hubacher, 1994). Dadurch kommt es bei <strong>Kind</strong>erunfällen auch häufig<br />
zu Schädelhirnverletzungen (Obertacke u. a., 1997, Wörgötter u. a., 1995).<br />
Im Bereich der Heim- und Freizeitunfälle ist die Anzahl der Kopfverletzungen<br />
mit 46% noch höher als im Durchschnitt aller <strong>Kind</strong>erunfälle. Spitzenreiter<br />
sind dabei die Gehfreiunfälle mit 80% Kopfverletzungen (Bier, 1997). Die<br />
Spielplatzunfälle weisen eine Kopfverletzungsquote von 51% auf (Hubacher<br />
und Goethals, 1995, Schimpl, 1995). Im Bereich der Straßenverkehrsunfälle<br />
bewegt sich die Anzahl der Kopfverletzungen – je nach Art der Verkehrsteilnahme<br />
– zwischen 30% und 54% (Otte, 1997, Hubacher und Goethals, 1995).<br />
<strong>Kind</strong>er als Fußgänger sind dabei mit 54% am stärksten betroffen. An zweiter<br />
Stelle sind die kindlichen Radfahrer mit einem Kopfverletzungsanteil von<br />
40% zu finden. Die kindlichen Pkw-Mitfahrerunfälle weisen einen Anteil von<br />
30%–36% an Kopfverletzungen auf.<br />
Säuglinge und Kleinkinder erleiden bei Unfällen häufiger Kopfverletzungen<br />
als ältere <strong>Kind</strong>er. So wird bei Unfällen im ersten Lebensjahr bei 66% der <strong>Kind</strong>er<br />
der Kopf verletzt, in zweiten Lebensjahr sind es 58% und im dritten bis<br />
fünften Lebensjahr sind es 52% (Kapp, 1997).<br />
Ein Großteil dieser unfallbedingten Kopfverletzungen könnte durch eine<br />
effektive Unfallprophylaxe verhindert werden. Gute Beispiele für erfolgreiche<br />
Unfallpräventionsansätze bieten uns einige unserer Nachbarländer (Bergmann<br />
und Rivara, 1991, Purtscher, 1995, Limbourg, 1997). <strong>Das</strong> diese Programme auch<br />
wirksam sind, zeigt uns das Land Schweden: Dort beträgt die Unfall-Todesrate<br />
von <strong>Kind</strong>ern nur 4,1 je 100.000 Einwohner der entsprechenden Altersgruppe,<br />
während sie in Deutschland noch bei 7,0 tödlichen Unfällen je 100.000 <strong>Kind</strong>er<br />
liegt (Dörries u. a., 1997).<br />
2. Epidemiologie und Ursachen von Unfällen im <strong>Kind</strong>esalter<br />
Jahr für Jahr werden von den ca. 13 Mio. in Deutschland lebenden <strong>Kind</strong>ern<br />
unter 15 Jahren schätzungsweise 2.000.000 Opfer eines Unfalls (Henter, 1997).<br />
21
22<br />
ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />
Die Unfälle geschehen zu Hause, im <strong>Kind</strong>ergarten oder in der Schule, in der<br />
Freizeit, im Straßenverkehr oder beim Sport. Etwa die Hälfte der verunglückten<br />
<strong>Kind</strong>er (ca. 1.000.000) muß nach dem Unfall ärztlich behandelt werden<br />
und ca. 220.000 davon werden so schwer verletzt, daß sie in ein Krankenhaus<br />
stationär aufgenommen werden müssen. Bei rund 700–800 <strong>Kind</strong>ern pro Jahr<br />
sind die Unfallverletzungen oder ihre Folgeschäden tödlich (Henter, 1997, Statistisches<br />
Bundesamt, 1998). Weitere ca. 1.400 <strong>Kind</strong>er pro Jahr (nach Schätzungen<br />
der Weltgesundheitsorganisation WHO) bleiben nach dem Unfall lebenslang<br />
behindert – häufig als Folge von Kopfverletzungen.<br />
Die meisten tödlichen <strong>Kind</strong>erunfälle ereignen sich im Straßenverkehr (43%)<br />
und im Haushalt (ca. 22%). Die Sportunfälle sind mit jährlich ca. 12% bei<br />
den tödlichen Unfällen vertreten. Dazu kommen noch weitere 23% “sonstige<br />
tödliche Unfälle”. Während die <strong>Kind</strong>er im Vorschulalter (0–5 Jahre) häufiger<br />
im häuslichen Bereich verunglücken als im Verkehr, steht bei den 6- bis 14jährigen<br />
<strong>Kind</strong>ern der Verkehrsunfall im Vordergrund (1:4). Jungen erleiden fast<br />
wesentlich häufiger tödliche Unfälle als Mädchen (nahezu in einem Verhältnis<br />
von 2:1) (Statistisches Bundesamt, 1998, Henter, 1997, Hubacher, 1994, Dörries<br />
u. a., 1997).<br />
Der häufigste tödliche Unfall im Heim- und Freizeitbereich ist das Ertrinken<br />
mit ca. 140 getöteten <strong>Kind</strong>ern pro Jahr (die Hälfte davon im Alter unter 5 Jahren).<br />
Weitere häufige tödliche Unfallarten bei <strong>Kind</strong>ern sind das Ersticken (66),<br />
die Stürze (44), die Vergiftungen (55) und die Verbrennungen und Verbrühungen<br />
(16) (Statistisches Bundesamt, 1998, Kapp, 1997, Albermann, 1997, Bier,<br />
1997, Henter, 1997, Ellsässer, 1997). Die höchste Todesrate bei Verbrennungen<br />
und Verbrühungen liegt im Alter unter 30 Monaten (Katcher, 1998). Im Straßenverkehr<br />
sterben die <strong>Kind</strong>er am häufigsten als Mitfahrer im Auto (143),<br />
gefolgt von den Fußgängern (85) und von den Radfahrern (66) (Statistisches<br />
Bundesamt, 1998). Die Sportunfälle (85 getötete <strong>Kind</strong>er) zeigen einen ersten<br />
Anstieg mit 5 bis 6 Jahren, ein weiterer Anstieg der Häufigkeit erfolgt<br />
zwischen dem 10. und 12. Lebensjahr. Die meisten tödlichen Sportunfälle<br />
ereignen sich beim Radfahren, beim Reiten, beim Eislaufen, beim Rodeln und<br />
bei diversen Wassersportarten. Jungen verunglücken häufiger beim Radfahren<br />
(3:1), Mädchen beim Reiten (4:1). (Schmidt und Höllwarth, 1995, vgl.<br />
Limbourg, 1997).<br />
Die häufigste Unfallart in allen Altersgruppen ist der Sturz (ca. 50% aller Unfälle).<br />
Jungen stürzen im Vergleich zu Mädchen im Verhältnis von 3:2. Ca.<br />
15–25% der Unfälle ereignen sich durch Einwirkungen von Gegenständen<br />
und Maschinen und ca. 10–20% sind Zusammenstöße mit stehenden oder<br />
sich bewegenden Gegenständen. Weitere ca. 7–8% geschehen durch Einwirkungen<br />
von Menschen oder Tieren. Ca. 3–12% der Unfälle sind Verbrennun-
Ansätze zur <strong>Prävention</strong> von Schädelhirnverletzungen im <strong>Kind</strong>esalter<br />
gen oder Verbrühungen. 45% aller Verbrennungen und Verbrühungen ereignen<br />
sich im Alter unter 2 Jahren, insgesamt 80% unter 5 Jahren (Hubacher,<br />
1994, Schlintl und Goethals, 1992, Willital und Maragakis, 1992, Slongo und<br />
Kehrer, 1982). Anderen Unfallarten liegen in ihrer Häufigkeit zwischen 0,1<br />
und 4,0%. Sie dürfen aber trotzdem nicht vernachlässigt werden, weil sie –<br />
wie z.B. das Ertrinken – zwar selten sind, aber häufig sehr schwere bis tödliche<br />
Folgen haben (Schlintl und Goethals, 1992, Hubacher, 1994, Albermann, 1997).<br />
2.1 <strong>Kind</strong>erunfälle im Alter von 0–4 Jahren<br />
Diese Gruppe von <strong>Kind</strong>ern verunglückt am häufigsten, wobei die stärkste<br />
Gefährdung bei den Zweijährigen auszumachen ist (Schmidt und Höllwarth,<br />
1995). Unfälle in diesem Alter ereignen sich bei typisch kleinkindlichen Tätigkeiten,<br />
durch die das <strong>Kind</strong> seine Umwelt kennen und begreifen lernt (Köhler,<br />
1983–1995, Hubacher, 1994, Willital und Maragakis, 1992). Im Vordergrund<br />
stehen hierbei Stürze aus der Höhe (Stockbett, Fenster, Treppe usw.), die häufig<br />
auch schwere Verletzungen mit sich bringen. Zwei sehr spezifische Unfallarten<br />
bei den jüngsten <strong>Kind</strong>ern (erstes Lebensjahr) sind die Stürze aus Hochstühlen<br />
und aus Lauflerngeräten (Bier, 1997). Bei <strong>Kind</strong>ern ab ca. drei Jahren<br />
erlangen auch die Spielplatzunfälle Bedeutung. Hierbei stehen Rutschbahn<br />
und Kletterturm und Schaukel im Vordergrund (Schimpl, 1995, Schlintl und<br />
Goethals, 1992, Hubacher und Goethals, 1995).<br />
Ebenfalls einem relativ hohen Risiko sind die Unfälle durch Ertrinken/Untergehen<br />
zuzuordnen (Albermann, 1997 Quelle: Statistisches Bundesamt, 1996).<br />
Sie sind zwar nicht häufig, jedoch sehr folgenschwer (ca. 50 getötete <strong>Kind</strong>er<br />
unter fünf Jahren jährlich).<br />
An dritter Stelle kommen Vergiftungen, von denen in erster Linie <strong>Kind</strong>er zwischen<br />
sechs Monaten und drei Jahren betroffen sind. Vergiftungen durch chemische<br />
Stoffe ziehen die schwersten Verletzungen nach sich (Gossweiler-Brunner,<br />
1997, Brockstedt und Oberdisse, 1997, Hess u. a., 1997). Weniger ernsthafte<br />
Folgen haben im allgemeinen Medikamenten- und Kosmetika-Einnahmen.<br />
Bei den Unfällen durch thermische Einwirkungen machen <strong>Kind</strong>er bis zu drei<br />
Jahren den Hauptteil aus. Verbrennungen sind am häufigsten und zugleich<br />
am schwersten durch Berühren von heißen Herdplatten; sie ereignen sich aber<br />
auch an Backofen-Fenstern, Bügeleisen und offenen Feuern. Verbrühungen<br />
ereignen sich häufig beim Essen (leichtere Verletzungen) und beim Kochen<br />
(schwere Verletzungen) durch das Herunterreißen von Pfannen, Töpfen usw.<br />
Zu weiteren Verbrühungen kann es auch bei der Körperpflege (Baden, Duschen)<br />
kommen (Hubacher, 1994, Schlintl und Goethals, 1992, Willital und<br />
Maragakis, 1992, Slongo und Kehrer, 1982).<br />
23
24<br />
2.2 <strong>Kind</strong>erunfälle im Alter von 5–9 Jahren<br />
Bei <strong>Kind</strong>ern zwischen fünf und neun Jahren sind die Spielplatzunfälle besonders<br />
häufig. Die jüngeren <strong>Kind</strong>er dieser Altersgruppe (5- und 6jährige) sind<br />
auf Rutschbahnen und Klettertürmen relativ stark sturzgefährdet (Schütze, 1992,<br />
Hubacher, 1994, Schlintl und Goethals, 1992).<br />
Den Straßenverkehrs- und Sportunfällen kommen in dieser Altersgruppe eine<br />
zunehmend stärkere Bedeutung zu (Köhler, 1983–1995, Schütze, 1992, Hubacher,<br />
1994, Limbourg, 1995, Mirbach, 1995, Hübner, 1997, Henke, 1997). Im Straßenverkehr<br />
verunglücken, wie bereits beschrieben, fünf- bis neunjährige hauptsächlich<br />
als Fußgänger. Bei den Sportunfällen überwiegen die Ballsportunfälle,<br />
die Unfälle beim Geräteturnen (Reck, Barren usw.), die Fahrradunfälle und in<br />
den Wintersportgebieten die Schlitten- und Skiunfälle (Schütze, 1992).<br />
2.3 <strong>Kind</strong>erunfälle im Alter von 10–14 Jahren<br />
Ab dem 10. Lebensjahr überwiegen beim Sport die Fahrradunfälle. Bei den<br />
Mädchen ereignen sich häufig auch Reitunfälle. In Wintersportgegenden sind<br />
in dieser Altersgruppe die Wintersportarten (Skifahren, Eislaufen, Schlittenfahren<br />
usw.) stark vertreten (Schütze, 1992, Limbourg, 1997, Henke, 1997).<br />
2.4 Ursachen von <strong>Kind</strong>erunfällen<br />
ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />
Die Ursachen von <strong>Kind</strong>erunfällen sind nicht nur beim <strong>Kind</strong> selbst, sondern<br />
auch in seiner Umwelt zu finden. Neben den kindlichen Unfallfaktoren (z.B.<br />
Alter, Geschlecht, Entwicklungsstand, Hyperaktivität, Unaufmerksamkeit usw.)<br />
spielen auch noch verschiedene Umweltfaktoren bei der Entstehung eines<br />
Unfalls eine wichtige Rolle. Hierzu zählen z.B. die Stadt- und Verkehrsplanung,<br />
die Gestaltung von Spielplätzen und Sportstätten, das Verhalten von<br />
Erwachsenen gegenüber <strong>Kind</strong>ern, die familiäre und soziale Situation, soziokulturelle<br />
Einflüsse usw. (vgl. Übersicht bei Limbourg, 1994).<br />
<strong>Kind</strong>er sind erst mit ca. acht Jahren in der Lage, die für sie wichtigen Gefahren<br />
zu erkennen und vorherzusehen. Auch andere für die Unfallvermeidung erforderlichen<br />
Fähigkeiten wie z.B. Aufmerksamkeit, Konzentrationsfähigkeit,<br />
Reaktionsfähigkeit, psychomotorische Fähigkeiten, soziale Kompetenzen usw.<br />
sind erst im Alter von acht bis zehn Jahren ausreichend entwickelt (Limbourg,<br />
1994). Aus diesem Grund kann die Unfallprävention nicht nur am <strong>Kind</strong> ansetzen.<br />
Sie muß stärker die ökologischen und sozialen Faktoren im kindlichen<br />
Lebensumfeld beeinflussen, damit <strong>Kind</strong>er in einer sichereren Umwelt aufwachsen<br />
können.
Ansätze zur <strong>Prävention</strong> von Schädelhirnverletzungen im <strong>Kind</strong>esalter<br />
3. Unfallprävention im <strong>Kind</strong>esalter<br />
Eine erfolgreiche Unfallpräventionsarbeit für <strong>Kind</strong>er muß gleichzeitig auf drei<br />
verschiedenen Ebenen ansetzen (Kisser, 1995, Limbourg, 1997, Schmidt, 1999):<br />
• technische Maßnahmen und Normierung,<br />
• legislative Maßnahmen und Gesetzesvollzug,<br />
• Kommunikation und erzieherische Maßnahmen.<br />
3.1 Technische Maßnahmen und Normierung<br />
Technische Maßnahmen bieten sehr wirksame Möglichkeiten der Unfallprävention.<br />
Ein Schutzgitter um den Gartenteich schützt <strong>Kind</strong>er vor dem Ertrinken<br />
meistens zuverlässiger als Eltern, Großeltern und Geschwister. Ca. 70%<br />
der bestehenden Sicherheitsprobleme für <strong>Kind</strong>er könnten durch technische<br />
Lösungen beseitigt werden (Hugi, 1995). Leider werden Städte, Wohngebiete,<br />
Häuser, Wohnungen, Gartenteiche, Straßen, Spielplätze, Fahrzeuge, Hausgeräte,<br />
Möbel usw. durch eine wenig kindorientierte Planung noch immer so<br />
gebaut, daß eine Gefährdung von <strong>Kind</strong>ern nicht ausgeschlossen werden kann<br />
(Henter, 1997, Gruber, 1995, Schimpl u. a., 1995).<br />
3.2 Legislative Maßnahmen und Gesetzesvollzug<br />
Regeln und Vorschriften, die eine Auswirkung auf die Sicherheit von <strong>Kind</strong>ern<br />
haben, müssen vom Gesetzgeber erlassen und durch eine kontinuierliche und<br />
umfassende Überwachung in allen kindlichen Lebensbereichen durchgesetzt<br />
werden (Schuster, 1995, Rogmans, 1997). So könnte beispielsweise im Bereich<br />
des Straßenverkehrs Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit innerhalb von Ortschaften<br />
von den Verkehrsbehörden angeordnet und polizeilich überwacht<br />
werden, die Benutzung von <strong>Kind</strong>errückhaltesystemen im Auto könnte kontrolliert<br />
und die Fahrtüchtigkeit von Fahrrädern überprüft werden. Im Heimund<br />
Freizeitbereich könnten z.B. Vorschriften zum Thema “Produktsicherheit”<br />
für Haushaltsgeräte, Möbel, Spielzeug usw. erlassen und überwacht werden.<br />
3.3 Erziehung und Aufklärung<br />
Durch Planung, Technik, Regelung und Rechtsprechung lassen sich viele, aber<br />
nicht alle Unfallrisiken ausschalten. Deshalb müssen <strong>Kind</strong>er und ihre Bezugspersonen<br />
(Eltern, ErzieherInnen, LehrerInnen, SporttrainerInnen usw.) über<br />
die Unfallgefahren informiert und aufgeklärt werden. Außerdem sollten sie<br />
unfallvorbeugende und sicherheitsorientierte Verhaltensweisen erlernen (Kisser,<br />
1995).<br />
25
26<br />
Zu den pädagogisch-kommunikativen Aufgaben zählen:<br />
• Schaffung von Betroffenheit, Wecken der Aufmerksamkeit und Verbreitung<br />
von Informationen über das Problem<br />
• Information über die Art der Gefahr und die Wirkungsweise der Abwehrmaßnahmen<br />
• Hilfestellung bei der Umsetzung der empfohlenen Maßnahmen<br />
• Abbau sozialer Barrieren, Aufbau eines positiven Images der Maßnahmen<br />
• Einfache und klare Handlungsanleitungen und Setzen von Handlungsaufforderungen<br />
• Information über günstige Produkte, Bezugsquellen und sonstige Unterstützungen<br />
• Vermittlung eines möglichst hohen Nutzens der Maßnahmen durch Vermittlung<br />
geeigneter zusätzlicher Belohnungen (z.B. Imagegewinn, Selbstwertgefühl,<br />
soziale Anerkennung).<br />
3.4 Programme zur Unfallprävention<br />
Eine ausführliche Beschreibung von Programmen zu Erhöhung der <strong>Kind</strong>ersicherheit<br />
ist für Deutschland in der umfassenden Bestandsaufnahme der Bundesvereinigung<br />
für Gesundheit (1997) zu finden. Die Übersicht beschreibt die<br />
Aktionen und Maßnahmen zur <strong>Prävention</strong> von <strong>Kind</strong>erunfällen in Heim und<br />
Freizeit. Eine internationale Übersicht über wirksame Programme zur Unfallprävention<br />
im <strong>Kind</strong>esalter ist bei Rogmans und Hayes (1992) und bei Purtscher<br />
(1995) zu finden. Mit der <strong>Prävention</strong> von kindlichen Verkehrsunfällen befassen<br />
sich die Arbeiten von Limbourg (1995, 1997) und zum Thema “Unfallverhütung<br />
beim Sport” können die Arbeiten von Hübner (1997), Henke (1997)<br />
und Maragakis und Willital (1992) konsultiert werden.<br />
Die folgende Übersicht stellt wichtige Programme zur <strong>Kind</strong>erunfallprävention<br />
in Deutschland und im Ausland vor.<br />
Deutschland<br />
ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />
In Deutschland gibt es mehrere Institutionen, die für die <strong>Prävention</strong> von<br />
<strong>Kind</strong>erunfällen zuständig sind:<br />
Durch ihren gesetzlichen Auftrag, übernimmt die Gesetzliche Unfallversicherung<br />
die <strong>Prävention</strong> von Unfällen in <strong>Kind</strong>ergärten und Schulen. Für den Unterricht<br />
werden Materialien konzipiert und an Lehrer und Schüler werden<br />
Informationsschriften verteilt. Die Unfallkassen bilden eigene Sicherheitsbeauftragte<br />
aus, die ihre versicherten Institutionen bzgl. der Einhaltung der<br />
Sicherheitsbestimmungen beraten und kontrollieren.
Ansätze zur <strong>Prävention</strong> von Schädelhirnverletzungen im <strong>Kind</strong>esalter<br />
Maßnahmen zur <strong>Prävention</strong> von Verkehrsunfällen werden durch den Deutschen<br />
Verkehrssicherheitsrat (DVR) koordiniert. Seit 1980 führt der DVR das<br />
Programm “<strong>Kind</strong> und Verkehr”, ein Bildungsprogramm für Eltern, mit großem<br />
Erfolg durch. Die Zahl der im Straßenverkehr getöteten <strong>Kind</strong>er ist von<br />
1159 (nur alte Bundesländer) im Jahre 1980 auf 311 im Jahre 1997 (gesamtes<br />
Bundesgebiet) gesunken. Dieser Erfolg konnte trotz einer annähernden Verdopplung<br />
der Verkehrsdichte in diesem Zeitraum erreicht werden (Pistor, 1998).<br />
Für den Heim- und Freizeitbereich gab es lange Zeit keine zuständige Institution.<br />
Ende 1997 hat das Bundesministerium für Gesundheit zusammen mit<br />
namhaften Institutionen der Unfallprävention unter der Koordination der<br />
Bundesvereinigung für Gesundheit e.V. die Aktion “Mehr Sicherheit für <strong>Kind</strong>er<br />
– Safe Kids” ins Leben gerufen und zeitgleich haben die Institutionen sich<br />
zur Bundesarbeitsgemeinschaft “<strong>Kind</strong>ersicherheit” zusammengeschlossen. Die<br />
BAG hat sich zum Ziel gesetzt, die Koordination und die Kooperation zwischen<br />
den Akteuren auf dem Gebiet der Verhütung von <strong>Kind</strong>erunfällen zu<br />
verbessern und durch arbeitsteiliges und koordiniertes Vorgehen die <strong>Kind</strong>erunfälle<br />
– insbesondere in Heim und Freizeit – bzgl. ihrer Häufigkeit und Schwere<br />
zu reduzieren. Zur Zeit werden in Arbeitsgruppen (Maßnahmen-)Konzepte zu<br />
den Schwerpunkten “Praktische Maßnahmen zur Unfallverhütung in der<br />
Familie, in der Schule und in der <strong>Kind</strong>ertagesstätte”, “Strategische Maßnahmen<br />
zur Unfallverhütung”, “Epidemiologie, Evaluation und Gesundheitsberichterstattung”<br />
und “Produktsicherheit” entwickelt. Für 1999 ist ein bundesweiter<br />
Aktionstag der BAG zur <strong>Kind</strong>ersicherheit geplant.<br />
Europa<br />
ECOSA<br />
1985 wurde ECOSA, die European Consumer Safety Association als nichtstaatliche<br />
Organisation gegründet mit dem Ziel, in allen europäischen Staaten<br />
die Produktsicherheit und den Verbraucherschutz zu erhöhen und dadurch<br />
die Heim- und Freizeitunfälle innerhalb von 20 Jahren um 25% zu<br />
reduzieren. Die ECOSA unterstützt wissenschaftliche Untersuchungen, Aufklärungskampagnen,<br />
sie berät Ministerien und Behörden, gibt ein eigenes Journal<br />
für die Mitglieder heraus und organisiert jährlich eine internationale Konferenz<br />
zur Unfallverhütung (ECOSA, 1995).<br />
EHLASS<br />
EHLASS (European Health and Leisure Accident Surveillance System) ist das<br />
Informationssystem über Haus- und Freizeitunfälle, das von der Europäischen<br />
Gemeinschaft zur Verhütung von Verletzungen innerhalb des Aktionsprogramms<br />
im Bereich der öffentlichen Gesundheit von 1994–1997 durchgeführt<br />
wurde und nun voraussichtlich aufgrund der positiven Ergebnisse von<br />
27
28<br />
1999–2003 wieder aufgenommen werden soll. Ziel des Programms ist die<br />
Sammlung von Informationen zu Verletzungen – insbesondere Verletzungen<br />
durch Haus- und Freizeitunfälle zur Erleichterung der Ermittlung gefährlicher<br />
Produkte, zur Entwicklung neuer Ansätze oder innovativer Methoden, zur<br />
Problemlösung sowie zur gründlichen Analyse der Risikofaktoren und zur<br />
Entwicklung der entsprechenden <strong>Prävention</strong>sstrategien.<br />
Die Daten werden von den teilnehmenden Mitgliedsländern in Krankenhäusern<br />
und/oder anderen geeigneten Einrichtungen im Rahmen von Erhebungen<br />
gesammelt, wobei auf die Repräsentativität und die Qualität der Daten<br />
besonderer Wert gelegt wird (Europäische Union, 1998).<br />
Österreich<br />
“Große schützen Kleine”<br />
Seit 1997 führt das Österreichische Komitee für Unfallverhütung im <strong>Kind</strong>esalter<br />
das Projekt “Grosse schützen Kleine” durch. Ziel ist,<br />
• ein effektiv arbeitendes Netzwerk regionaler Kooperationspartner (Regionale<br />
Arbeitsgemeinschaften zur Unfallverhütung) aufzubauen,<br />
• eine nationale Datenbasis zu Unfällen in Österreich zu schaffen,<br />
• jährlich eine groß angelegte Kampagne durchzuführen (Grosse schützen<br />
Kleine, 1998).<br />
Es besteht eine enge Kooperation zu der amerikanischen Safe Kids Campaign<br />
und zu dem Projekt “Mehr Sicherheit für <strong>Kind</strong>er - Safe Kids” in Deutschland.<br />
Sichere Gemeinden (Safe Communities)<br />
ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />
<strong>Das</strong> Institut “Sicher Leben” hat von 1993 bis 1996 das Modellprojekt “Sichere<br />
Gemeinden” durchgeführt, in dem es darum geht, Betroffene zu Beteiligten<br />
(lokale Behörden, Vereine, Schülerorganisationen und engagierte Gemeindemitglieder)<br />
zu machen und ihnen damit die Möglichkeit einzuräumen, auf<br />
Gefahren hinzuweisen und bei der Verbesserung der Sicherheit in der Gemeinde<br />
mitzuwirken. Als Vorbild für das Modellprojekt dient das Konzept der<br />
gemeindenahen Unfallverhütung (“Safe Communities”) der Weltgesundheitsorganisation<br />
(WHO), das sich z.B. in Schweden schon als sehr erfolgreich erwiesen<br />
hat: nach 3 Jahren konnten dort die <strong>Kind</strong>erunfälle im Vorschulalter<br />
um 20–30% gesenkt werden.<br />
Während der dreijährigen Projektzeit in Österreich wurden in 14 Gemeinden<br />
des Bezirkes Bregenz rund 900 einzelne Sicherheitsaktionen durchgeführt,<br />
z.B. Kontrollen der Skibindungen im Sportfachhandel, Schulungen für junge<br />
Mütter in Geburtshilfestationen, Projekttage in Schulen, Verkehrserziehungstage<br />
in <strong>Kind</strong>ergärten mit der Polizei etc.
Ansätze zur <strong>Prävention</strong> von Schädelhirnverletzungen im <strong>Kind</strong>esalter<br />
Seit Beginn des Projektes konnte die Unfallzahl in der Region um 19% reduziert<br />
werden (alle Altersgruppen). <strong>Das</strong> Modell soll nun in weiteren Gemeinden<br />
verankert werden (Goethals u. a., 1997).<br />
Schweden<br />
Schweden hat seit 1954 eine zentrale Organisation für die <strong>Prävention</strong> von<br />
<strong>Kind</strong>erunfällen. Gegründet wurde sie als “Nationales <strong>Kind</strong>erunfallkomitee”<br />
von der schwedischen Gesellschaft für Pädiatrie, dem Roten Kreuz und von<br />
“Rettet das <strong>Kind</strong>”. Weitere Schlüsselpersonen aus Gesundheitsbehörden,<br />
Frauenvereinigungen, Elternvereinen und Sicherheitsorganisationen schlossen<br />
sich an. Auf ehrenamtlicher Basis wurde ein Netzwerk zur allgemeinen<br />
Aufklärung zur Schulung, Fortbildung und Erziehung von Eltern, <strong>Kind</strong>ern und<br />
Schlüsselpersonen aufgebaut. Nach 25 Jahren wurde dieses Komitee zuerst in<br />
ein Amt und später in eine staatliche Institution umgewandelt, die ihre Aufgabe<br />
als “<strong>Kind</strong>erombudsmann” wahrnimmt. Wichtigste Aufgabe ist, die<br />
nationalen, regionalen und lokalen Aktivitäten zur Unfallprävention zu koordinieren.<br />
Unterstützt wird der <strong>Kind</strong>erombudsmann auch weiterhin durch ein<br />
Netzwerk engagierter nichtstaatlicher Institutionen.<br />
In den letzten 4 Jahrzehnten (insgesamt hat Schweden 7 Millionen Einwohner)<br />
hat die Zahl der tödlichen <strong>Kind</strong>erunfälle von mehr als 400 auf nunmehr<br />
weniger als 80 abgenommen. Schweden nimmt u.a. durch seine hervorragenden<br />
Erfolge bei der <strong>Prävention</strong> von Ertrinkungsunfällen eine weltweite Vorbildfunktion<br />
ein. Im seen- und gewässerreichen Schweden konnten die Todesfälle<br />
durch Ertrinken von 100/Jahr auf 15–20/Jahr reduziert werden. Erreicht<br />
werden konnte dies, durch die Absicherung von Seen und Gewässern,<br />
durch das Angebot von Schwimmunterricht für Vorschulkinder und durch<br />
Aufklärung der Eltern und Betreuungspersonen.<br />
Schwerpunkte der schwedischen <strong>Prävention</strong>sarbeit sind, die<br />
• Aufbereitung der statistischen Daten<br />
• Bildung von regionalen Arbeitsgemeinschaften<br />
• Schaffung einer sicheren Umwelt für <strong>Kind</strong>er<br />
• Information und Aufklärung der Politiker, Gesetzgeber, Multiplikatoren<br />
sowie der Allgemeinbevölkerung<br />
• Sensibilisierung der Bevölkerung für das Thema durch Aktionstage und<br />
-wochen<br />
• Etablierung von Sicherheitsgesetzen.<br />
29
30<br />
Schweiz<br />
Die Schweizerische Beratungsstelle für Unfallverhütung (bfu) hat den gesetzlichen<br />
Auftrag zur Unfallverhütung im “Nichtberufssektor”, d.h. im Strassenverkehr,<br />
beim Sport, im Haushalt, im Garten und in der Freizeit. Sie hat zum<br />
Ziel, die Unfallrisiken durch zielgerichtete Maßnahmen zu senken und die<br />
Unfallfolgen zu mindern, um damit zur Hebung der Lebensqualität beizutragen.<br />
Die bfu arbeitet bei der Umsetzung von Maßnahmen mit “Sicherheitsdelegierten”<br />
in Kantonen und Gemeinden zusammen. Die Sicherheitsdelegierten<br />
werden von der Gemeinde gewählt. Sie sind die Kontaktperson<br />
für die Einwohner, Behörden und Institutionen. Sie informieren über Unfallgefahren,<br />
sie organisieren und koordinieren regionale Maßnahmen zur Unfallverhütung,<br />
wie z.B. “Happenings” (Aktionstage), Fortbildung von Politikern,<br />
Lehrern und Erziehern (bfu, 1994 und 1997).<br />
Niederlande<br />
Seit 1983 ist das Consumer Safety Institute die zentrale Organisation in den<br />
Niederlanden, die Kampagnen initiiert und evaluiert. Schwerpunkte der Arbeit<br />
ist die Verbesserung der Produktsicherheit und des Verbraucherschutzes.<br />
In den Jahren 1991–1993 hat die Stichting Consument en Veiligheid das<br />
Consumer Safety Institut ein Maßnahmenpaket für Aktionstage zu den Themen<br />
“Sichere Feiertage”, “Sicher ins Freie, Sicher im Wasser” und “Sicher zu<br />
Hause” entwickelt. <strong>Das</strong> verbindende Glied der Aktionstage war der “No<br />
Showbo-Expreß”, ein Ausstellungszug mit Sicherheitsprodukten der von Ort<br />
zu Ort gereist ist (Meyer, 1995).<br />
USA<br />
ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />
Die Safe Kids Campaign wurde auf Initiative des Children’s National Medical<br />
Centers in Washington 1988 gegründet. Die Philosophie der Campaign<br />
besteht darin, durch regional arbeitende “Local Coalitions” Maßnahmen zur<br />
<strong>Kind</strong>erunfallprävention vor Ort umzusetzen. Inzwischen gibt es über 263 “Local<br />
Coalitions” in allen Bundesstaaten der USA, in Canada und Puerto Rico. Von<br />
einem Safe Kids-Sekretariat in Washington werden Programme zur <strong>Prävention</strong><br />
der häufigsten tödlichen <strong>Kind</strong>erunfälle entwickelt und koordiniert. Die<br />
Umsetzung erfolgt regional bzw. lokal durch die ‘Local Coalitions’. Die zwei<br />
wichtigsten bzw. verbreitetsten Programme sind das ‘Buckle up’-Programm<br />
(Steigerung der Akzeptanz von <strong>Kind</strong>errückhaltesystemen im Auto, Unterstützung<br />
bei der Auswahl der passenden Systeme und deren korrekte Nutzung)<br />
sowie die ‘Helmets on Heads’-Initiative. Je nach Bedarf entwickeln die “Local<br />
Coalitions” darüber hinaus eigene, den regionalen Gegebenheiten entsprechende<br />
Maßnahmen zur Unfallprävention.
Ansätze zur <strong>Prävention</strong> von Schädelhirnverletzungen im <strong>Kind</strong>esalter<br />
Die wichtigsten Faktoren für die Arbeit der ‘Local Coalitions’ sind:<br />
• die Zusammenarbeit mit anderen,<br />
• die Prioritätensetzung,<br />
• die Aufstellung eines Zeit-Maßnahmeplans,<br />
• die Einbindung aller wichtigen Entscheidungsträger,<br />
• die gute Vorbereitung der Maßnahmen,<br />
• die Kontakte zu den Medien,<br />
• die Evaluation der Maßnahme.<br />
Ein jährlich wechselndes Schwerpunktthema wird im Rahmen der “Safe Kids<br />
Week” und in begleitenden Medienkampagnen aufgegriffen. <strong>Das</strong> Motto für<br />
1999 lautet ‘Helping every Generation Care for Kids’.<br />
Die Safe Kids Campaign besitzt eine hohe Akzeptanz bei der Bevölkerung, da<br />
sie von Schlüsselpersonen u.a. aus Politik, Medizin und Medien unterstützt<br />
wird.<br />
Die Zahl der tödlichen Unfälle konnte seit dem Start der Campaign um 26%<br />
gesenkt werden (National Safe Kids Campaign, 1998).<br />
Zusammenfassung<br />
Jahr für Jahr müssen in Deutschland ca. 1.000.000 <strong>Kind</strong>er unter 15 Jahren<br />
nach einem Unfall ärztlich behandelt werden – zu einem großen Teil (ca. 40%)<br />
wegen Verletzungen im Kopfbereich. Ca. 220.000 <strong>Kind</strong>er werden so schwer<br />
verletzt, daß sie stationär aufgenommen werden müssen. Bei ca. 1.000 <strong>Kind</strong>ern<br />
pro Jahr sind die Verletzungen tödlich, weitere ca. 1.000 <strong>Kind</strong>er bleiben<br />
nach dem Unfall lebenslang behindert – häufig als Folge von Schädelhirnverletzungen.<br />
Und viele <strong>Kind</strong>er können erst nach einer langen und leidvollen<br />
Genesungs- und Rehabilitationszeit wieder ein normales Leben führen.<br />
Die Ursachen für die erhöhte Gefährdung von <strong>Kind</strong>ern sind bei den Betroffenen<br />
selbst (entwicklungsbedingtes unzureichendes Gefahrenbewußtsein, leichte<br />
Ablenkbarkeit, starker Bewegungsdrang usw.), bei den Erwachsenen (Verletzung<br />
der Aufsichtspflicht, zu wenig Rücksicht <strong>Kind</strong>ern gegenüber) und bei<br />
einer wenig kindgerechten Umweltgestaltung zu finden.<br />
Da <strong>Kind</strong>er erst ab ca. 8 bis 10 Jahren in der Lage sind, Gefahren zu erkennen<br />
und vorherzusehen, müssen sie bis zu diesem Alter durch die Gesellschaft vor<br />
31
32<br />
Unfällen geschützt werden, ohne daß sie in ihrer physischen und psychischen<br />
Entwicklung zu sehr eingeschränkt werden.<br />
Viele <strong>Kind</strong>erunfälle könnten durch eine effektive <strong>Prävention</strong>sarbeit vermieden<br />
werden–das zeigen einige sehr erfolgreiche Beispiele aus dem In- und<br />
Ausland: National Safe Kids Campaign (USA), Programm “Sicher Leben für<br />
<strong>Kind</strong>er (A), Child Environment Council (S), Sicherheitsdelegierten-Organisation<br />
der Schweizerischen Beratungsstelle für Unfallverhütung (CH), Programm<br />
“<strong>Kind</strong> und Verkehr” (D), Consumer Safety Institute (NL).<br />
<strong>Kind</strong>erunfälle lassen sich durch technische Sicherheitsmaßnahmen, durch die<br />
Gestaltung einer kindgerechten Umwelt, durch Gesetzgebung und Rechtsprechung,<br />
durch Kontrolle und Überwachung und durch Erziehung und Aufklärung<br />
verhindern oder zumindest in ihren Folgen mildern.<br />
Die Prophylaxe von Unfällen sollte deshalb ein wichtiger Bestandteil der Präventivmedizin<br />
und der Gesundheitsförderung werden. Mediziner, Psychologen,<br />
Pädagogen, Ingenieure, Architekten, Stadt- und Verkehrsplaner, Juristen,<br />
Politiker usw. sollten gemeinsam einen Beitrag zur Erhöhung der <strong>Kind</strong>ersicherheit<br />
in unseren Städten und Gemeinden leisten.<br />
Literatur<br />
Albermann, K. (1997): Ertrinkungsunfälle im <strong>Kind</strong>esalter. In: Institut Sicher Leben<br />
(Hg.): <strong>Kind</strong>ersicherheit: Was wirkt? Fachbuchreihe Band 8, Wien/Essen,<br />
347–351.<br />
Berfenstam, R. (1998): <strong>Kind</strong>erunfälle: was wirkt? Gute Erfahrungen aus Schweden.<br />
Brandenburgisches Ärzteblatt, 5, 184–187.<br />
Bergmann, A. und Rivara, F.P. (1991): Schweden’s Experience in Reducing<br />
Childhood Injuries. Pediatrics, 88, 69–74.<br />
Bernasconi, B. (1997): Wer sorgt für die Sicherheit der Bevölkerung in der Gemeinde?<br />
In: Institut Sicher Leben (Hg.): <strong>Kind</strong>ersicherheit: Was wirkt? Fachbuchreihe,<br />
Band 8 Wien/Essen, 104–108.<br />
bfu (1994): bfu-Aktion “<strong>Kind</strong>er 95/96”. Konzept. bfu, Bern.<br />
bfu (1997): Erfolgskontrolle <strong>Kind</strong>eraktion. bfu, Bern.<br />
ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />
Bier, N. (1997): Gehfrei-Unfälle – Ergebnisse einer Umfrage an deutschen <strong>Kind</strong>erkliniken<br />
In: Institut Sicher Leben (Hg.): <strong>Kind</strong>ersicherheit: Was wirkt?<br />
Fachbuchreihe Band 8, Wien/Essen, 301–304.
Ansätze zur <strong>Prävention</strong> von Schädelhirnverletzungen im <strong>Kind</strong>esalter<br />
Brockstedt, M. und Oberdisse, U. (1997): Verhindern kindergesicherte Verschlüsse<br />
wirklich Zahl und Schweregrad kindlicher Vergiftungsunfälle? In: Institut<br />
Sicher Leben (Hg.): <strong>Kind</strong>ersicherheit: Was wirkt? Fachbuchreihe Band 8, Wien/<br />
Essen, 357–366.<br />
Brown, J. , Mackenzie, S.G., Flores, J. (1998): A survey of dog bites identified by<br />
the Canadian hospitals injury reporting and prevention program (CHIRPP).<br />
In: 4th World conference: Injury Prevention and Control, Volume 1, Amsterdam,<br />
395.<br />
Bundesvereinigung für Gesundheit (1997): Bestandsaufnahme der vorhandenen<br />
Aktionen und Maßnahmen zur <strong>Prävention</strong> von <strong>Kind</strong>erunfällen in Heim und<br />
Freizeit. Bonn.<br />
Deutsches Grünes Kreuz und Komitee zur <strong>Prävention</strong> von <strong>Kind</strong>erunfällen (1997):<br />
Aktionsprogramm: ”<strong>Prävention</strong> von <strong>Kind</strong>erunfällen”. Verlag im Kilian,<br />
Marburg.<br />
Dörries, A.; Bergmann, R.L. und Bergmann, K.E. (1997): Unfälle und Vergiftungen<br />
im <strong>Kind</strong>esalter – eine Übersicht und Vorschläge zur <strong>Prävention</strong>. <strong>Kind</strong>erärztliche<br />
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ECOSA (1995): Selbstdarstellungsbroschüre. ECOSA, Amsterdam.<br />
Ellsässer, G. (1997): <strong>Kind</strong>erunfälle im Land Brandenburg. In: Institut Sicher<br />
Leben (Hg.): <strong>Kind</strong>ersicherheit: Was wirkt? Fachbuchreihe Band 8, Wien/Essen,<br />
94–103.<br />
Europäische Union (1998): Geänderter Vorschlag für den Beschluß des Europäischen<br />
Parlaments und des Rates zur Annahme eines gemeinschaftlichen Aktionsprogramms<br />
(1999–2003) betreffend die Verhütung von Verletzungen innerhalb<br />
des Aktionsrahmens im Bereich der öffentlichen Gesundheit. EU, Brüssel.<br />
Feely, H.B. (1995): The National Safe Kids Campaign. In: Institut Sicher Leben<br />
(Hg.): <strong>Kind</strong>ersicherheit: Was wirkt? Fachbuchreihe, Band 6, Wien, 150–160.<br />
Frimodt-Möller, B. (1992): Safe Community Programme in Denmark. In: Rogmans<br />
and Hayes: Proceedings of the Conference on Communicating Child Safety.<br />
Goethals, B., Kisser, R., Rein, F. (1997): Die Initiative “Sichere Gemeinden”<br />
1993–1996. Institut Sicher Leben, Wien.<br />
Gossweiler-Brunner, B. (1997): Einnahme niedrigvisköser Erdöldestillate durch<br />
Kleinkinder – Verhütungsmaßnahmen. In: Institut Sicher Leben (Hg.): <strong>Kind</strong>ersicherheit:<br />
Was wirkt? Fachbuchreihe Band 8, Wien/Essen, 352–356.<br />
33
34<br />
ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />
Grosse schützen Kleine (1998): Safe Kids Austria. From idea to reality. Grosse<br />
schützen Kleine, Graz.<br />
Gruber, M. (1995): Haushalts- und Freizeitunfälle von <strong>Kind</strong>ern in Österreich –<br />
ein Überblick. In: Institut Sicher Leben (Hg.): <strong>Kind</strong>ersicherheit: Was wirkt?<br />
Fachbuchreihe, Band 6, Wien, 193–196.<br />
Gruber, M. (1997): Project: ”Growing-up safely”. Institut Sicher Leben, Wien.<br />
Henke, T. (1997): Epidemiologie und <strong>Prävention</strong> von Sportverletzungen im<br />
<strong>Kind</strong>es- und Jugendalter. In: Institut Sicher Leben (Hg.): <strong>Kind</strong>ersicherheit: Was<br />
wirkt? Fachbuchreihe Band 8, Wien/Essen, 379–385.<br />
Henter, A. (1997): <strong>Kind</strong>er in Heim und Freizeit stark unfallgefährdet. In: Institut<br />
Sicher Leben (Hg.): <strong>Kind</strong>ersicherheit: Was wirkt? Fachbuchreihe Band 8,<br />
Wien/Essen, 17–27.<br />
Hess, H., Brockstedt, M., Dilger, I., Oberdisse, U. und Tietze, K.W. (1997): Vergiftungen<br />
bei Kleinkindern und Akzeptanz neuer Notfallmaßnahmen durch Ärzte,<br />
Laien-Ersthelfer und die betroffenen <strong>Kind</strong>er. In: Institut Sicher Leben (Hg.):<br />
<strong>Kind</strong>ersicherheit: Was wirkt? Fachbuchreihe Band 8, Wien/Essen, 367–373.<br />
Hubacher, M. (1994): <strong>Das</strong> Unfallgeschehen bei <strong>Kind</strong>ern im Alter von 0 bis 16<br />
Jahren. Bfu-Report 24, Bern.<br />
Hubacher, M. und Goethals, B. (1995): <strong>Kind</strong>erunfälle in Österreich, der Schweiz<br />
und Deutschland. In: Institut Sicher Leben (Hg.): <strong>Kind</strong>ersicherheit: Was wirkt?<br />
Fachbuchreihe, Band 6, Wien, 29–45.<br />
Hübner, H. (1997): Schulsportunfälle – Rahmenbedingungen und Möglichkeiten<br />
einer gezielten Unfallprophylaxe. Institut Sicher Leben (Hg.): <strong>Kind</strong>ersicherheit:<br />
Was wirkt? Fachbuchreihe Band 8, Wien/Essen, 386–393.<br />
Hugi, M. (1995): Mehr Sicherheit durch Technik. In: Institut Sicher Leben (Hg.):<br />
<strong>Kind</strong>ersicherheit: Was wirkt? Fachbuchreihe, Band 6, Wien, 101–109.<br />
Kapp J.P. (1997): Unfälle im ersten Lebensjahr – Praktische Tips für den Arzt.<br />
In: Institut Sicher Leben (Hg.): <strong>Kind</strong>ersicherheit: Was wirkt? Fachbuchreihe Band 8,<br />
Wien/Essen, 305–312.<br />
Katcher, M.L. (1998): Prevention of tab water scald burns: Educational,<br />
technological, and legislative interventions. In: 4th World conference: Injury<br />
Prevention and Control, Volume 1, Amsterdam, 136.<br />
Kisser, R. (1995): Wissen vermitteln, Bereitschaft wecken. In: Institut Sicher<br />
Leben (Hg): <strong>Kind</strong>ersicherheit: Was wirkt? Fachbuchreihe, Band 6, 110–134.
Ansätze zur <strong>Prävention</strong> von Schädelhirnverletzungen im <strong>Kind</strong>esalter<br />
Kisser, R. und Gruber, M. (1995): <strong>Das</strong> Programm ”Sicher Leben für <strong>Kind</strong>er”. In:<br />
Institut Sicher Leben (Hg.): <strong>Kind</strong>ersicherheit: Was wirkt? Fachbuchreihe, Band 6,<br />
172–192.<br />
Köhler, G. (1985): Der häusliche Unfall. Deutscher Lloyd, München.<br />
Köhler, G. (1983): Vergiftungen im <strong>Kind</strong>esalter. Deutscher Lloyd, München.<br />
Köhler, G. (1993): Der Unfall im Vorschulalter. Deutscher Lloyd, München.<br />
Köhler, G. (1995): Der Unfall im Schulalter. Deutscher Lloyd, München.<br />
Köhler, G. (1990): <strong>Kind</strong>erunfälle bei Spiel und Sport, Deutscher Lloyd, München.<br />
Laidman, P. (1993): Child Safety Activities: A Guide to their Planning. Child<br />
Accident Prevention Trust and European Consumer Safety Association, London<br />
und Amsterdam.<br />
Limbourg, M. (1994): <strong>Kind</strong>er im Straßenverkehr. GUVV, Münster.<br />
Limbourg, M. (1997): <strong>Kind</strong>er unterwegs im Verkehr. DVW (Hg.), Verkehrswachtforum,<br />
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Limbourg, M. (1997): Der <strong>Kind</strong>erunfall – Epidemiologie und <strong>Prävention</strong>. Kuratorium<br />
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Maragakis, M. und Willital, G.H. (1992): Der Schulsport als Vorbereitung für<br />
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Michalik, C. (1995): Beschützen und erziehen – schulen und trainieren: Wo<br />
liegen die Möglichkeiten, wo die Grenzen? In: Institut Sicher Leben (Hg.): <strong>Kind</strong>ersicherheit:<br />
Was wirkt? Fachbuchreihe, Band 6, Wien, 59–66.<br />
Mirbach, A. (1995): Schulsportunfälle. GUVV-Westfalen-Lippe, Münster.<br />
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Epidemiologie, Verletzungsmuster und Behandlungsergebnisse<br />
von schwerst-mehrfachverletzten <strong>Kind</strong>ern. In: Institut Sicher Leben (Hg.): <strong>Kind</strong>ersicherheit:<br />
Was wirkt? Fachbuchreihe Band 8, Wien/Essen, 46–48.<br />
35
36<br />
ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />
Otte, D. (1997): Verletzungssituation von <strong>Kind</strong>ern im Straßenverkehr und Maßnahmen<br />
der Unfallprophylaxe. In: Institut Sicher Leben (Hg.): <strong>Kind</strong>ersicherheit:<br />
Was wirkt? Fachbuchreihe Band 8, Wien/Essen, 179–190.<br />
Pistor, G. (1998): Unfallverhütung und Gesundheitsförderung beginnt im <strong>Kind</strong>esalter.<br />
Pressekonferenz zum Auftakt der Ärztlichen <strong>Prävention</strong>stage 1998,<br />
Bonn.<br />
Purtscher, K. (1995): <strong>Kind</strong>ersicherheit: <strong>Das</strong> wirkt bereits! In: Institut Sicher Leben<br />
(Hg.): <strong>Kind</strong>ersicherheit: Was wirkt? Fachbuchreihe, Band 6, Wien, 137–145.<br />
Rogmans, W. (1997): International Collaboration in Child Safety Campaigning<br />
In: Institut Sicher Leben (Hg.): <strong>Kind</strong>ersicherheit: Was wirkt? Fachbuchreihe<br />
Band 8, Wien/Essen, 56–61.<br />
Rogmans, W. and Hayes, M. (1992): Communicating Child Safety in Europe,<br />
ECOSA and CAPTA, Amsterdam.<br />
Schelp, L. (1987): Community Intervention and Accidents. Folksam, Sundbyberg.<br />
Schlintl, E., Goethals, B. (1992): <strong>Kind</strong>erunfälle in Haushalt, Freizeit und Sport.<br />
Ergebnisse einer österreichischen Studie. Institut Sicher Leben, Literas, Wien.<br />
Schimpl, G., Mayr, J., Spitzer, P. und Höllwarth, M. (1995): Spielplatzunfälle im<br />
<strong>Kind</strong>esalter. In: Institut Sicher Leben (Hg.): <strong>Kind</strong>ersicherheit: Was wirkt? Fachbuchreihe,<br />
Band 6, Wien, 238–260.<br />
Schimpl, G. (1997): Inline-Skating Unfälle bei <strong>Kind</strong>ern. Internationale Konferenz<br />
Mobilität&Sicherheit des Kuratoriums für Verkehrssicherheit, Wien, 11<br />
Schmidt, B. und Höllwarth, M. (1995): Sportunfälle im <strong>Kind</strong>es- und Jugendalter:<br />
Risiko und Prophylaxe. In: Institut Sicher Leben (Hg.): <strong>Kind</strong>ersicherheit: Was<br />
wirkt? Fachbuchreihe, Band 6, Wien, 273–287.<br />
Schmidt, I. (1999): Unfälle sind vermeidbar! In: Hauswirtschaftliche Bildung 1,<br />
44f.<br />
Schneps, S.E., Osberg, J.S., Scala, C.D. (1998): Falls from playground equipment.<br />
In: 4th World conference: Injury Prevention and Control, Volume 2, Amsterdam,<br />
681.<br />
Schütze, U. (Hg.) (1992): Freizeitunfälle im <strong>Kind</strong>es- und Jugendalter. Georg<br />
Thieme Verlag, Stuttgart/New York.
Ansätze zur <strong>Prävention</strong> von Schädelhirnverletzungen im <strong>Kind</strong>esalter<br />
Schuster, G. (1995): Produktsicherheit: Ein Beitrag zur Vermeidung von Haushalts-<br />
und Freizeitunfällen. In: Institut Sicher Leben (Hg): <strong>Kind</strong>ersicherheit: Was<br />
wirkt? Fachbuchreihe, Band 6, Wien, 97–100.<br />
Slongo, T., Kehrer, B., Lennenborger, A. (1982): Thermische Verletzungen im <strong>Kind</strong>esalter<br />
– Epidemiologie und <strong>Prävention</strong>. Sozial- und Präventivmedizin, 27,<br />
8–10.<br />
Statistisches Bundesamt Wiesbaden (1998): <strong>Kind</strong>erunfälle im Straßenverkehr.<br />
Auszug aus Fachserie 8, Reihe 7 ”Verkehrsunfälle”, Wiesbaden.<br />
Statistisches Bundesamt (1998): Alle Todesursachen nach Geschlecht und<br />
Altersgruppe 1996. Gruppe VII D – M, Fachserie 12, Gesundheitswesen.<br />
Willital, G.H., Maragakis, M. (1992): <strong>Kind</strong>erunfälle im häuslichen Bereich bei<br />
Spiel und Sport – Unfallursachen, Unfallfolgen. In: Schütze, U. (Hg.): Freizeitunfälle<br />
im <strong>Kind</strong>es- und Jugendalter. Georg Thieme Verlag, Stuttgart/New York,<br />
158–163.<br />
Wörgötter, G., Amminger, P., Berger, E. (1995): Ursachen und Rehabilitation<br />
schwerer akzidenteller Cerebralläsionen im <strong>Kind</strong>es- und Jugendalter. In: Institut<br />
Sicher Leben (Hg): <strong>Kind</strong>ersicherheit: Was wirkt? Fachbuchreihe, Band 6, Wien,<br />
76–88.<br />
37
38 ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong>
<strong>Das</strong> Programm „<strong>Kind</strong> und Verkehr“ des Deutschen Verkehrssicherheitsrates e.V.<br />
<strong>Das</strong> Programm „<strong>Kind</strong> und Verkehr“<br />
des Deutschen Verkehrssicherheitsrates e.V.<br />
Bettina Berg<br />
Referentin für <strong>Kind</strong>er und Jugendliche beim Deutschen<br />
Verkehrssicherheitsrat e.V., Bonn<br />
Mit “<strong>Kind</strong> und Verkehr” setzen der Deutsche Verkehrssicherheitsrat e.V. und<br />
seine Mitglieder seit 1980 ein bundesweit wirksames, zentral koordiniertes<br />
und wissenschaftlich begleitetes Programm zur Verbesserung der Verkehrssicherheit<br />
von <strong>Kind</strong>ern um, das auf einem mehrdimensionalen Ansatz basiert.<br />
1. Anpassung technischer und juristischer Aspekte des Straßenverkehrs<br />
an <strong>Kind</strong>er<br />
<strong>Das</strong> Programm “<strong>Kind</strong> und Verkehr” soll dazu beitragen, daß unser Verkehrssystem<br />
mehr auf die Bedürfnisse der <strong>Kind</strong>er umgestellt wird. Gerade tägliche<br />
Wege und Wohnumgebungen müssen sicherer werden, z. B. durch Verkehrsberuhigung,<br />
Tempo-30-Bereiche, Schulwegsicherung etc. Der DVR leistet hier<br />
gegenüber Politikern und Planern Überzeugungsarbeit und gibt konkrete Hilfestellungen.<br />
Darüber hinaus nimmt er Stellung zu juristischen Fragen und<br />
Gesetzesvorhaben. So hat er sich beispielsweise jahrelang für die gesetzliche<br />
Verankerung der Sicherungspflicht von <strong>Kind</strong>ern im PKW engagiert, die seit<br />
1993 eingeführt ist. Die Forderung nach einer Heraufsetzung der Altersgrenze<br />
radfahrender <strong>Kind</strong>er auf Gehwegen, der mit der jüngsten StVO-Novelle entsprochen<br />
wurde, ist hier ein weiteres Beispiel.<br />
2. Aufklärung erwachsener Verkehrsteilnehmer, insbesondere<br />
Kraftfahrer, über Verhaltensmöglichkeiten von <strong>Kind</strong>ern<br />
im Straßenverkehr<br />
<strong>Das</strong> Programm “<strong>Kind</strong> und Verkehr” wirkt darauf hin, daß Kraftfahrer rücksichtsvoller<br />
fahren und eine Gefährdung von <strong>Kind</strong>ern weitgehend ausschließen.<br />
Über Presse, Funk und Fernsehen informiert der DVR Kraftfahrer<br />
über die entwicklungsbedingt begrenzten Fähigkeiten von <strong>Kind</strong>ern, sicher am<br />
Straßenverkehr teilzunehmen.<br />
Außerdem existiert seit Ende letzten Jahres ein neuer Programmbaustein , der<br />
bei jungen Fahranfängern ansetzt. Gemeinsam mit den Fahrlehrerverbänden<br />
hat der DVR Unterrichtsmaterialien mit dem Titel “Emotionen” für den Fahrschulunterricht<br />
zur <strong>Kind</strong>ersicherheit entwickelt. Trigger-Filme in jugend-<br />
39
40<br />
spezifischer Bildsprache, die typische <strong>Kind</strong>erunfallsituationen thematisieren,<br />
und ein didaktischer Leitfaden für den Unterrichtenden sollen dem Fahrlehrer<br />
helfen, das Thema an verschiedenen Stellen des theoretischen Fahrschulunterrichts<br />
zu integrieren und verhaltensbildend auf die künftigen Autofahrer<br />
Einfluß zu nehmen.<br />
3. Elternbildung<br />
Motiviert durch die ständige Sorge um das <strong>Kind</strong> und ein mehr oder weniger<br />
differenziertes Gefahrenbewußtsein betreibt jeder, der mit <strong>Kind</strong>ern zu tun hat,<br />
intuitiv Unfallprävention. Doch das allein genügt nicht. Aktive Unfallprävention<br />
setzt das Wissen um die Risiken und deren Ursachen voraus: Sie<br />
ist die Erarbeitung und Umsetzung rationaler, systematischer Handlungsstrategien<br />
zur Bewältigung risikobehafteter Situationen.<br />
Im Umgang mit <strong>Kind</strong>ern jedoch kann es nicht nur darum gehen, sie vor Unfallgefahren<br />
zu bewahren und abzuschirmen. <strong>Kind</strong>er müssen im Laufe ihrer<br />
Erziehung lernen, selbständig Risiken zu managen, Gefahren zu erkennen und<br />
zu vermeiden bzw. gefährliche Situationen zu bewältigen. Diese Dinge werden<br />
nicht (nur) durch die Vermittlung starrer Verhaltensregeln gelernt. Nur<br />
wer in komplexen und dynamischen Gefahrensituationen situationsangepaßt<br />
reagiert, hat die Chance, die Situation zu bewältigen. Sich situationsangepaßt<br />
zu verhalten jedoch, erlernt man nicht an einem Tag, nicht durch den einmaligen<br />
Auftritt des Verkehrskaspers und auch nicht durch punktuelle und unregelmäßig<br />
wiederkehrende Lektionen in Verkehrs- bzw. Sicherheitserziehung<br />
in <strong>Kind</strong>ergarten oder Schule. Um sich sicher im Straßenverkehr oder in anderen<br />
unfallträchtigen Situationen verhalten zu können, muß ein <strong>Kind</strong> an diese<br />
Fähigkeit systematisch von klein auf herangeführt werden. Mit anderen Worten:<br />
Sicherheitserziehung bzw. Verkehrserziehung muß integraler Bestandteil<br />
der alltäglichen Gesamterziehung sein. Eltern sind die wichtigsten Verkehrserzieher<br />
für ihre <strong>Kind</strong>er. Daher steht die Elternbildung, die Eltern befähigen<br />
soll, ihre <strong>Kind</strong>er systematisch an eine sichere und selbständige Verkehrsteilnahme<br />
heranzuführen, im Mittelpunkt der Programmarbeit von “<strong>Kind</strong> und<br />
Verkehr”.<br />
Funktionsweise und Inhalte der Elternbildungsarbeit:<br />
<strong>Das</strong> Moderatorensystem “<strong>Kind</strong> und Verkehr”<br />
ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />
Zur Zeit führen rund 1500 vom DVR aus- und fortgebildete Moderatoren jährlich<br />
ca. 10.000 Veranstaltungen mit Eltern von Vorschulkindern zu den Themen<br />
“<strong>Kind</strong>er als Fußgänger” und “<strong>Kind</strong>er als Radfahrer” durch. Auf diese Weise<br />
wurden seit Beginn des Programms etwa 4 Millionen Eltern mit den Programm-
<strong>Das</strong> Programm „<strong>Kind</strong> und Verkehr“ des Deutschen Verkehrssicherheitsrates e.V.<br />
inhalten vertraut gemacht; etwa 20% der Eltern eines Jahrganges nehmen an<br />
einer Programmveranstaltung teil.<br />
Organisatorisch wird dieses auch im internationalen Vergleich reichweitenstärkste<br />
Programm folgendermaßen umgesetzt:<br />
Sechs Mitgliedsverbände des DVR arbeiten aktiv im Programm “<strong>Kind</strong> und<br />
Verkehr” mit. Es sind dies Automobilclubs, z. B. der ADAC und der ACE, die<br />
Deutsche Verkehrswacht, die Kirchen und die Arbeitsgemeinschaft deutscher<br />
Verkehrserzieher. Diese Verbände benennen aus dem Bereich ihrer Mitglieder<br />
Personen, die im Programm “<strong>Kind</strong> und Verkehr” mit Eltern von Vorschulkindern<br />
arbeiten möchten. Die Moderatoren werden nach bestimmten<br />
Kriterien ausgewählt, so z. B. Erfahrungen in der Erwachsenenbildung. Es sind<br />
dies hauptsächlich Lehrerinnen, Erzieherinnen und Polizeibeamte. In mehrtägigen<br />
Seminaren werden sie auf ihre Aufgabe vorbereitet, mit Eltern von<br />
<strong>Kind</strong>ern im Vorschulalter zu Themen der Verkehrssicherheit teilnehmerzentriert<br />
zu arbeiten. Die Moderatoren werden mit den Inhalten der Veranstaltungen<br />
sowie mit Moderationsmethoden vertraut gemacht. Sie halten keinen<br />
Vortrag, sie suchen das gemeinsame Gespräch, um die individuellen Erfahrungen<br />
der Eltern mit ihren <strong>Kind</strong>ern einzubinden und ein auf ihr <strong>Kind</strong><br />
und ihre Wohnumgebung abgestimmtes Verkehrserziehungskonzept zu erarbeiten.<br />
Die Moderatoren wenden sich nach ihrer Ausbildung in erster Linie an <strong>Kind</strong>ergärten,<br />
aber auch an private Elterngruppen und organisieren ihre Veranstaltungen<br />
selbst. Der jeweilige Verband versorgt seine Moderatoren mit allen<br />
erforderlichen Materialien wie z. B. Filmen und Teilnehmerbroschüren, die er<br />
seinerseits wieder vom DVR erhält.<br />
Die Elternveranstaltung “<strong>Kind</strong>er als Fußgänger”<br />
In dieser Veranstaltung werden Eltern von Vorschulkindern zunächst für die<br />
entwicklungsbedingten Voraussetzungen der Verkehrsteilnahme von <strong>Kind</strong>ern<br />
sensibilisiert und lernen diese Voraussetzungen besser kennen.<br />
Auf dieser Basis erfolgt die Definition eines geeigneten Spielraumes für die<br />
<strong>Kind</strong>er im Wohnumfeld. Die Eltern lernen, ihr Wohngebiet auf Gefahrenpunkte<br />
hin zu analysieren und Spielräume zu definieren, die mit zunehmendem Alter<br />
und zunehmenden Fähigkeiten der <strong>Kind</strong>er systematisch erweitert werden.<br />
Die Gespräche mit den Eltern ermöglichen dem Moderator, die jeweiligen<br />
individuellen Probleme der Wohnumgebung bzw. die lokalen Begebenheiten<br />
aufzugreifen.<br />
Ein weiterer zentraler Programminhalt der Veranstaltung “<strong>Kind</strong>er als Fußgänger”<br />
ist ein differenziertes Übungsprogramm: Die Moderatoren motivieren die<br />
41
42<br />
Eltern mit ihren <strong>Kind</strong>ern von einem möglichst frühen Alter an das richtige<br />
Verhalten im Straßenverkehr zu üben und geben ihnen klare, leicht verständliche<br />
Handlungsanweisungen an die Hand, ab wann, wie und wo sie praktische<br />
Verkehrserziehung mit ihren <strong>Kind</strong>ern durchführen können. Alle Übungen<br />
werden direkt im Straßenverkehr bei alltäglichen Gängen mit den<br />
<strong>Kind</strong>ern durchgeführt. Es wird nicht mit Verkehrsspielen, Zeichnungen usw.<br />
gearbeitet. Die <strong>Kind</strong>er müssen also keine Übertragung vom Spiel auf die Realität<br />
leisten. Sie sollen auf diese Weise von ihren Eltern Schritt für Schritt auf<br />
eine selbständige Teilnahme am Straßenverkehr vorbereitet werden.<br />
Am Ende einer jeden “<strong>Kind</strong> und Verkehr”-Veranstaltung werden außerdem<br />
das Thema “<strong>Kind</strong>er als Mitfahrer im PKW” und alle Fragen der richtigen<br />
Sicherung intensiv besprochen. Eine Notwendigkeit, die die Unfallstatistik<br />
eindringlich belegt: In der Altersgruppe der unter 6jährigen verunglückt nach<br />
wie vor mehr als die Hälfte der <strong>Kind</strong>er im Pkw – zumeist im Pkw der Eltern.<br />
Die Elternveranstaltung “<strong>Kind</strong>er als Radfahrer”<br />
ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />
Bei diesen Veranstaltungen setzen sich die Moderatoren dafür ein, daß <strong>Kind</strong>er<br />
so spät wie möglich mit dem Fahrrad am Verkehr teilnehmen. Da die meisten<br />
4jährigen heute bereits radfahren, wird darauf hingearbeitet, <strong>Kind</strong>er mindestens<br />
bis zur Einschulung ausschließlich auf völlig verkehrsfreien Flächen radfahren<br />
zu lassen. Den Eltern werden hier also Entscheidungshilfen und Informationen<br />
an die Hand gegeben. Auf ein Übungsprogramm wurde bewußt<br />
verzichtet, da <strong>Kind</strong>er im Vorschulalter die für eine Verkehrsteilnahme als<br />
Radfahrer unabdingbaren komplexen Mehrfachaufgaben in keinem Falle<br />
bewältigen können. Es ist schlicht unmöglich, ihnen eine auch nur halbwegs<br />
sichere Verkehrsteilnahme als Radfahrer “anzutrainieren”. Die Entwicklungsvoraussetzungen<br />
des kindlichen Radfahrens werden mit den Eltern in der Veranstaltung<br />
erarbeitet und diskutiert.<br />
Weitere Themen der Veranstaltung betreffen die passende Größe des Fahrrades<br />
und seine sichere Ausstattung, aber auch das Vorbildverhalten radfahrender<br />
Eltern und die Bedeutung des Radhelmes. Schließlich gibt es einen<br />
Beobachtungskatalog, der den Eltern die Einschätzung der Radfahrfähigkeiten<br />
ihrer <strong>Kind</strong>er erleichtern soll. <strong>Das</strong> Thema “<strong>Kind</strong>er als Mitfahrer” wird selbstverständlich<br />
auch in diesen Veranstaltungen verpflichtend behandelt.<br />
Inhalte und Methodik des Programms “<strong>Kind</strong> und Verkehr” wurden von Anfang<br />
an wissenschaftlich begleitet und immer wieder den neueren wissenschaftlichen<br />
und sozialen Gegebenheiten angepaßt. <strong>Das</strong> Programm bestand<br />
also nicht von Anfang an in der heutigen Form. Es ist im Laufe der Jahre<br />
mehrfach evaluiert worden, und die Ergebnisse dieser Studien haben in seine<br />
Weiterentwicklung Eingang gefunden. Seit Beginn der 90er Jahre wurde ein
<strong>Das</strong> Programm „<strong>Kind</strong> und Verkehr“ des Deutschen Verkehrssicherheitsrates e.V.<br />
weiterer Programmbaustein für die Elternbildung entwickelt, der seit 1993<br />
ebenfalls bundesweit umgesetzt wird und dem auch eine andere Umsetzungskonzeption<br />
zugrundeliegt:<br />
Der Programmbaustein “<strong>Kind</strong>er unterwegs”<br />
“<strong>Kind</strong>er unterwegs” wendet sich an Eltern von Schulanfängern und baut somit<br />
auf das oben geschilderte Vorschulprogramm auf. Es zielt auf alle Verkehrssituationen<br />
ab, in denen die <strong>Kind</strong>er zu Beginn ihres Schülerdaseins unterwegs<br />
und gefährdet sind.<br />
Die Gründe für die Konzeption von “<strong>Kind</strong>er unterwegs” waren vielfältig:<br />
• Bei den Fußgängerunfällen liegt der Risikogipfel bei der Altersgruppe der<br />
6- bis 7jährigen; auch die Radfahrunfälle sind wegen eines ausgeprägten<br />
Risikoanstiegs in dieser Altersgruppe nicht unbedeutsam.<br />
• Da die weit überwiegende Zahl dieser Unfälle sich nicht auf dem Weg zu<br />
oder von pädagogischen Einrichtungen ereignet, sollte ein Elternbildungsangebot<br />
geschaffen werden, das auch den Freizeitbereich der <strong>Kind</strong>er<br />
berücksichtigt.<br />
• Außerdem sollte der Tatsache Rechnung getragen werden, daß Eltern zum<br />
Zeitpunkt der Einschulung ihrer <strong>Kind</strong>er besonders sensibel sind – auch für<br />
Belange der Verkehrssicherheit.<br />
“<strong>Kind</strong>er unterwegs”-Veranstaltungen werden nicht von Moderatoren des<br />
Vorschulprogramms durchgeführt, sondern von Erstklässler-Lehrern und Fachberatern<br />
in Grundschulen. Der DVR arbeitet hierfür mit allen 16 Kultusministerien<br />
eng zusammen.<br />
Die zur Programmarbeit benötigten Medien wurden vom DVR, wie auch im<br />
Vorschulbereich mit Unterstützung des Bundesministeriums für Verkehr, entwickelt.<br />
Ein Videofilm zur Gestaltung eines Elternabends mit einem Leitfaden<br />
für Lehrer wurde allen Grundschulen zur Verfügung gestellt. Die dazugehörigen<br />
Elternbroschüren werden jährlich nachproduziert und gelangen über die<br />
Kultusministerien jedes Bundeslandes an die Schulen.<br />
Nähere Informationen über das Programm “<strong>Kind</strong> und Verkehr” und zur Durchführung<br />
einer “<strong>Kind</strong> und Verkehr”-Veranstaltung sind beim Deutschen<br />
Verkehrssicherheitsrat erhältlich:<br />
Deutscher Verkehrssicherheitsrat e.V.<br />
“<strong>Kind</strong> und Verkehr”<br />
Beueler Bahnhofsplatz 16<br />
53222 Bonn<br />
Tel.: 0228/40001-37, Fax: 0228/40001-67<br />
43
44 ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong>
<strong>Prävention</strong> aus der Sicht der Schüler-Unfallversicherung<br />
<strong>Prävention</strong> aus der Sicht der Schüler-Unfallversicherung<br />
Ulrich Winterfeld<br />
Bundesverband der Unfallkassen(BUK), München<br />
Seit 1971 sind in der Bundesrepublik Deutschland alle <strong>Kind</strong>ergartenkinder,<br />
Schüler und Studenten gesetzlich unfallversichert. Dieser Versicherungsschutz<br />
wurde 1997 auf <strong>Kind</strong>er in <strong>Kind</strong>erkrippen und -horten erweitert. Die <strong>Kind</strong>er<br />
und Jugendlichen erhalten bei Unfällen in Zusammenhang mit dem Besuch<br />
dieser Einrichtungen einschließlich des Schulweges die gleichen Leistungen<br />
wie Arbeitnehmer bei einem Arbeitsunfall. Die Leistungen der rund 20 Unfallversicherungsträger<br />
(Körperschaften vergleichbar den Berufsgenossenschaften)<br />
gehen weit über die privater Versicherungen hinaus. Daher ist die gesetzliche<br />
Schüler-Unfallversicherung insbesondere bei Unfällen mit schweren<br />
Folgen ein großer sozialpolitischer Fortschritt. Eine vergleichbare gesetzliche<br />
Regelung gibt es in Europa nur noch in Luxemburg und Österreich.<br />
Gesetzliche Schüler-Unfallversicherung<br />
Seit 1971 Schülerunfall = Arbeitsunfall<br />
Leistungen<br />
Medizinische Rehabilitation<br />
Berufliche Rehabilitation<br />
Rentenleistungen<br />
<strong>Prävention</strong><br />
Folie 1<br />
Die Leistungen der gesetzliche Unfallversicherung lassen sich in vier Bereiche<br />
unterteilen:<br />
• Medizinische Rehabilitation: Verletzte erhalten eine bestmögliche medizinische<br />
Erstversorgung und Rehabilitation. Dazu gibt es spezielle Unfallärzte<br />
sowie spezielle Rehabilitationseinrichtungen z. B. für <strong>schädelhirnverletzte</strong><br />
<strong>Kind</strong>er und Jugendliche. Aber auch die Ausbildung in erster Hilfe bei Lehrern<br />
und Erziehern wird gefördert.<br />
45
46<br />
• Berufliche Rehabilitation: Es werden alle Maßnahmen finanziert, die<br />
einem Unfallverletzten (möglicherweise mit dauerhaften Schädigungen)<br />
die Absolvierung seines geplanten Bildungs- und Berufsweges ermöglichen.<br />
Dies beginnt beim Unterricht am Krankenbett bis hin zu speziellen beruflichen<br />
Wiedereingliederungsmaßnahmen. Auch hier werden <strong>Kind</strong>er und<br />
Jugendliche erwachsenen Arbeitnehmern gleichgestellt.<br />
• Bei bleibenden Folgen von Schülerunfällen, aber auch bei einer vorübergehenden<br />
Behinderung werden Unfallrenten bezahlt bis spätestens zum<br />
Übergang in das Rentenalter. So gibt es hier bereits Rentenempfänger im<br />
<strong>Kind</strong>ergartenalter.<br />
• <strong>Prävention</strong>: Nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) VII gehört es zu den Pflichten<br />
der Unfallversicherungsträger, präventive Maßnahmen zur Bekämpfung<br />
von Arbeits (=Schulunfällen) sowie berufsbedingter Erkrankungen zu<br />
ergreifen. Hierzu zählen der Erlass von Vorschriften, die Beratung der versicherten<br />
Betriebe, Information von Erziehern und Lehrern über <strong>Prävention</strong>smaßnahmen<br />
durch Medien oder Seminare.<br />
Nun einige Daten über die gesetzliche Schüler-Unfallversicherung in Deutschland:<br />
Folie 2<br />
Zahlen zur Schüler-Unfallversicherung<br />
16 Mio. Versicherte<br />
(<strong>Kind</strong>er in Tageseinrichtungen, Schüler,<br />
Studenten)<br />
1,4 Mio. Unfälle jährlich<br />
– 50% Sportunfälle<br />
– 30% Pausenunfälle<br />
– 10% Schulwegunfälle<br />
650 Mio. DM jährliche Kosten<br />
ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />
Versichert sind 16 Millionen <strong>Kind</strong>er in Tageseinrichtungen, Schüler und Studenten.<br />
Unter den Versicherungsschutz fallen alle Tätigkeiten im Zusammenhang<br />
mit der Einrichtung, also auch Schulfeste, Ausflüge usw. Da alle Schulunfälle<br />
den Unfallversicherungsträgern gemeldet werden müssen, haben wir<br />
einen sehr genauen Überblick über das Unfallgeschehen in diesem Bereich.<br />
Jährlich ereignen sich im Bereich der Schüler-UV rund 1,4 Mio. Unfälle. Davon<br />
entfallen die Hälfte auf den Schulsport, 30% auf Pausen (Schulhof und
<strong>Prävention</strong> aus der Sicht der Schüler-Unfallversicherung<br />
Pausen in den Klassenräumen) und nur 10% auf den Schulweg. Allerdings<br />
haben Schulwegunfälle im Schnitt schwerere Folgen als die übrigen Unfälle,<br />
d. h. sie führen weitaus häufiger zu Rentenzahlungen. Auf den übrigen Unterricht<br />
entfallen die restlichen 10% aller Unfälle.<br />
Die Aufwendungen für die Entschädigungsleistungen im Bereich der Schüler-<br />
UV betragen z.Zt. jährlich 650 Mio. DM mit stark steigender Tendenz. <strong>Das</strong> ist<br />
mehr Geld, als die Kultusminister aller 16 Bundesländer zusammen für Schulbücher<br />
jährlich ausgeben.<br />
Leider ist bei den Schülerunfällen in den letzten Jahren kein Rückgang zu<br />
beobachten – übrigens im Gegensatz zu den Arbeitsunfällen, die sich derzeit<br />
auf dem geringsten Niveau seit Gründung der Bundesrepublik befinden.<br />
Die Beiträge zur Finanzierung der Schüler-UV tragen übrigens ausschließlich<br />
die Schulsachkostenträger, also die Städte und Gemeinden, die Eltern müssen<br />
keine Beiträge zahlen. Auch die Kultusminister zahlen keine Beiträge zur<br />
Schüler-UV.<br />
Die Unfallversicherungsträger beraten die Bildungseinrichtungen, kontrollieren<br />
aber auch die von ihnen erlassenen Vorschriften durch Aufsichtspersonen.<br />
Bundesweit sind ca. 100 Aufsichtspersonen für Bildungseinrichtungen<br />
zuständig, d. h. eine Aufsichtsperson hat ca. 1.000 Bildungseinrichtungen.<br />
Daraus wird deutlich, dass ohne Eigeninitiative der hier Verantwortlichen eine<br />
Verbesserung der Unfallsituation kaum erreichbar sein wird.<br />
<strong>Prävention</strong>smaßnahmen<br />
Sicherheitstechnik<br />
Organisation<br />
Aus- und Fortbildung<br />
Erziehung<br />
Folie 3<br />
<strong>Prävention</strong>smaßnahmen umfassen–wie auch in den Betrieben–vier Bereiche:<br />
• Sicherheitstechnische Maßnahmen beziehen sich auf Bau und Ausrüstung<br />
von Bildungsstätten. Hier muss ein technischer Mindeststandard sichergestellt<br />
sein, der Gefährdungen für <strong>Kind</strong>er und Jugendliche minimiert.<br />
47
48<br />
• Organisatorische Maßnahmen beziehen sich auf die Gestaltung des<br />
Schulbetriebes, die Verantwortlichkeiten, den organisatorischen Ablauf des<br />
Unterrichts und schließlich die Sicherstellung einer wirksamen ersten<br />
Hilfe.<br />
• Aus- und Fortbildung bezieht sich auf die Verantwortlichen in der Schule,<br />
d.h. die Lehrer und Erzieher. Die Unfallversicherungsträger unterbreiten<br />
hier zahlreiche Informationsangebote (u. a. 800 Informationsveranstaltungen<br />
bundesweit pro Jahr). Die Information über die Notwendigkeit präventiver<br />
Maßnahmen in Schulen muss aber bereits bei der Ausbildung der<br />
Lehrer ansetzen.<br />
• Erzieherische Maßnahmen betreffen die <strong>Kind</strong>er und Jugendlichen selber.<br />
Sie müssen in der Schule zu sicherheits- und gesundheitsbewusstem Verhalten<br />
erzogen werden. Dabei gelten die folgenden Lernziele:<br />
Folie 4<br />
Sicherheitsbewußtes Verhalten<br />
Risiken erkennen, bewerten und<br />
antizipieren<br />
Risiken bewältigen<br />
Risiken verringern/eliminieren<br />
Schadensfolgen minimieren<br />
ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />
Sicherheits- und Gesundheitserziehung zielen darauf ab, dass bereits im <strong>Kind</strong>esalter<br />
gelernt wird, Risiken (Gefahren bzw. Gefährdungen) zu erkennen und<br />
zu bewerten. Es müssen Verhaltensweisen eingeübt werden, mit Risiken umzugehen<br />
(Beispiel: Sicheres Fahrradfahren). Die Motivation, Risiken in der<br />
Lebenswelt zu verringern, muss gestärkt werden, dass die <strong>Kind</strong>er sich später<br />
als Erwachsene auch für eine sichere und gesunde Umwelt bzw. Arbeitswelt<br />
engagieren. Schließlich müssen Fertigkeiten erworben werden, bei Unfällen<br />
die Schäden zu minimieren, in dem man z. B. sachgerecht Hilfe herbeiholen<br />
kann oder Erste Hilfe leisten kann.<br />
Alles dies muss abgestellt sein auf eine kurzzeitige Verbesserung sicheren Verhaltens,<br />
aber auch auf eine langfristige Perspektive. In der Schule – oder<br />
bereits im <strong>Kind</strong>ergarten – müssen grundlegende Einstellungen gefördert werden,<br />
die für das Verhalten als Erwachsener bestimmend sind.
<strong>Prävention</strong> aus der Sicht der Schüler-Unfallversicherung<br />
Zukunft der <strong>Prävention</strong><br />
Motivierung<br />
– Träger<br />
– Lehrer und Erzieher<br />
– <strong>Kind</strong>er und Jugendliche<br />
Sicherheit und Gesundheit als<br />
Erziehungsziel<br />
EU-weite <strong>Prävention</strong>spolitik<br />
Folie 5<br />
Die Zukunft der <strong>Prävention</strong> in diesem Bereich ist davon abhängig, ob alle<br />
Verantwortlichen einschließlich der Eltern, ja selbst die <strong>Kind</strong>er und Jugendlichen,<br />
dazu motiviert werden können, sich aktiv für mehr Sicherheit und<br />
Gesundheit im Bildungswesen einzusetzen. Hier ist noch eine große Aufklärungsarbeit<br />
zu leisten, die Grundlage von Eigenverantwortung und Eigeninitiative<br />
ist.<br />
Sicherheit und Gesundheit sind in allen Bildungseinrichtungen – vom<br />
<strong>Kind</strong>ergarten bis zur Universität – als wesentliche Erziehungs- und Ausbildungsziele<br />
zu verankern. Der hohe gesellschaftliche Stellenwert der <strong>Prävention</strong><br />
muss sich auch in den Ausbildungsplänen niederschlagen. Wenn wir<br />
hier in den nächsten Jahren mehr erreichen wollen, ist diese Thematik auf<br />
alle Alters- und Bildungsstufen in angemessener Weise zu behandeln.<br />
Schließlich wird auch die EU in ihrer <strong>Prävention</strong>spolitik sich nicht auf den<br />
Arbeitsbereich, z. B. durch Erlass von Richtlinien, beschränken können. Europaweite<br />
Aktivitäten müssen diesem Thema das Gewicht geben, das ihm zukommt.<br />
Unfallverletzte <strong>Kind</strong>er zu heilen ist eine wichtige Aufgabe, Unfälle zu vermeiden<br />
hat oberste gesellschaftliche Priorität.<br />
49
50 ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong>
<strong>Das</strong> kindliche SHT: Schädigungsursachen, Risikogruppen, Schweregrad...<br />
<strong>Das</strong> kindliche Schädel-Hirn-Trauma: Schädigungsursachen,<br />
Risikogruppen, Schweregrad, sowie Alter und<br />
Rehabilitationsergebnis<br />
Rainer Blank<br />
Institut für Soziale Pädiatrie und Jugendmedizin,<br />
<strong>Kind</strong>erzentrum München<br />
Einleitung und Epidemiologie<br />
Ca. zwei Drittel aller Todesfälle im <strong>Kind</strong>esalter sind unfallverursacht. Hierbei<br />
beträgt die Hirnbeteiligung in Relation zu anderen Organen etwa 55:45. <strong>Das</strong><br />
jährliche Risiko beträgt bei Jungen ca. 1%, bei Mädchen ca. 0,5%. Allerdings<br />
muß erwähnt bleiben, daß in den letzten 15–20 Jahren nach verschiedenen<br />
Studien aus westlichen Ländern die Mortalität bei Jungen etwa halbiert werden<br />
konnte und bei Mädchen ca. 25% abgenommen hat (Engberg and Teasdale<br />
1998). Allerdings hat der Schweregrad der Verletzungen eher zugenommen<br />
und es wird diskutiert, daß die Gesamtprognose insgesamt unverändert<br />
geblieben sei.<br />
Die Lebenserwartung Schädel-Hirn-Verletzter ist nach einer neueren Studie<br />
prognostisch abhängig von der posttraumatischen Mobilität und dem Selbstversorgungsgrad,<br />
z.B. der Fähigkeit zu selbständigem Essen (Strauss et al. 1998).<br />
Mit erhaltener Mobilität kann man von einer Lebenserwartung die nur gering<br />
unter der der Allgemeinbevölkerung liegt, ausgehen. Bei Patienten ohne<br />
Mobilität wurde jedoch eine Lebenserwartung nur bis durchschnittlich rund<br />
15 Jahre nach dem Unfall ermittelt (Strauss et al. 1998).<br />
Der Anteil von <strong>Kind</strong>ern (im Alter von 1–15 Jahren) bei Schädelverletzungen<br />
kann nach Brookes (Brookes et al. 1990) folgendermaßen in etwa eingeschätzt<br />
werden: Die <strong>Kind</strong>er stellen einen Anteil von ca. der Hälfte aller Schädelhirnverletzungen,<br />
die in Unfall-Nothilfeabteilungen vorgestellt werden, sie stellen<br />
ca. 1/3 aller stationären Aufnahmen, ca. 1/4 aller Verletzungen schweren<br />
Grades und betragen rund 1/5 aller Todesfälle.<br />
Schädigungsursachen<br />
Im Gegensatz zum Erwachsenenalter stellen die Stürze den weitaus größten<br />
Anteil der Ursachen für Schädelverletzungen bei <strong>Kind</strong>ern dar, sie sind in etwa<br />
zu 60% verantwortlich. Die Verkehrsunfälle stellen nur einen Anteil von etwa<br />
10% dar; allerdings stellen diese den größten Anteil an schweren Verletzungen.<br />
So sind Schädel-Hirntraumen, die neurochirurgischer Behandlung bedürfen,<br />
bei etwa 43% anzutreffen. Ferner machen sie schwere Verletzungen<br />
sogar in 75% und Todesfälle in 71% aus (Jennett 1998).<br />
51
52<br />
Nach Zuckerman usw. (Zuckerman and Conway 1997) ergibt sich eine eindeutige<br />
Alterskorrelation von Verletzungsursachen (siehe Tabelle).<br />
Alterskorrelation von Verletzungsursachen<br />
(nach Zuckerman und Conway 1997)<br />
Alter Allgemeine Schwere Bemerkungen<br />
Verletzungen Verletzungen<br />
< 2J. Stürze Mißhandlung Unfälle mit schwerer<br />
Verletzung selten<br />
Risikofaktoren<br />
Neben Umweltfaktoren sind eine Reihe individueller Faktoren für die Unfallentstehung<br />
verantwortlich. Zu den Umweltfaktoren zählen vor allem die hohe<br />
Verkehrsdichte, das zum Teil fahrlässige Verkehrsverhalten anderer Verkehrsteilnehmer,<br />
die Gestaltung des Wohnmilieus und der Umgebung sowie das<br />
Erziehungsverhalten und die Fürsorge seitens der Eltern, <strong>Kind</strong>ergärten etc.<br />
Sicherlich tragen jedoch die individuellen Faktoren ganz erheblich zur Häufigkeit<br />
und Schwere von Schädel-Hirnverletzungen bzw. Unfällen bei. In ihrer<br />
Monographie haben Lange Kosak und Tepfer bereits 1973 sieben Faktoren im<br />
Hinblick auf die Bedeutung prätraumatischer Befunde beschrieben, die sie bei<br />
insgesamt 32,5% ihrer untersuchten <strong>Kind</strong>er fanden (Lange-Cosack 1973):<br />
1. Frühere Unfälle mit Verdacht auf Hirnbeteiligung (Commotio)<br />
2. Frühere Krankheiten mit sicherer oder möglicher zerebraler Beteiligung<br />
3. Krampfanfälle vor dem Unfall<br />
4. Sichere perinatale Schäden oder Verdacht auf solche<br />
5. Zerebrale Bewegungsstörungen als Folge früherworbener Hirnschäden<br />
6. Intelligenzmängel<br />
7. Hypermobilität vor dem Unfall.<br />
Verkehrsunfälle Nicht angeschnallte Mitfahrer<br />
2–5 J. Stürze Verkehrsunfälle Vorwiegend:<br />
Nicht angeschnallte Mitfahrer<br />
Selten: als Fußgänger<br />
6–12 J. Stürze Verkehrsunfälle Fußgänger<br />
Fahrrad, Mofa, Skateboards,<br />
Rollschuhe<br />
Jugendliche Verkehrsunfälle Verkehrsunfälle Fahrer (gehäuft bei<br />
Jugendlichen in der Stadt)<br />
Gewaltdelikte Gewaltdelikte<br />
Sportverletzungen<br />
ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong>
<strong>Das</strong> kindliche SHT: Schädigungsursachen, Risikogruppen, Schweregrad...<br />
Als die wichtigsten Risikogruppen, die häufig zu Schädel-Hirn-Traumen neigten,<br />
beschrieben sie die <strong>Kind</strong>er mit mentaler Retardierung bzw. leichter<br />
prämorbider Intelligenzminderung, die <strong>Kind</strong>er mit früheren Unfällen mit Hirnbeteiligung,<br />
wobei sie auch <strong>Kind</strong>er mit früherer Commotio mitzählten. In<br />
dieser Gruppe überwogen massiv die Jungen (41 Jungen versus 5 Mädchen).<br />
Schließlich beschrieben sie schon die Risikogruppe der hyperaktiven <strong>Kind</strong>er,<br />
d.h. <strong>Kind</strong>er die bereits vor dem Unfall als sehr lebhaft, unruhig und impulsiv<br />
beschrieben worden waren. Diese Gruppe dürfte sich mit den beiden zuvor<br />
genannten Gruppen erheblich überlappen. Diese drei Gruppen waren in<br />
einer Häufigkeit von 10–20 % aller <strong>schädelhirnverletzte</strong>n <strong>Kind</strong>er jeweils<br />
anzutreffen. In einer neueren Studie (Gerring et al. 1998) wurde die Frage des<br />
prämorbid vorhandenen hyperkinetischen Syndroms wissenschaftlich näher<br />
untersucht. Man fand hierbei, daß bei ca. 20% aller schädel-hirn-traumatisierten<br />
<strong>Kind</strong>er bereits vor dem Unfall ein sog. hyperkinetisches Syndrom<br />
bzw. eine Aufmerksamkeitsstörung mit Hyperaktivität vorgelegen hat.<br />
Als weitere Risikofaktoren für Unfälle kommen Störung der Wahrnehmung<br />
bzw. des Sehens sowie mangelhafte Verkehrserziehung und zu geringer Einsatz<br />
von Schutzvorrichtungen wie Helm oder Gurt in Frage (Linn et al. 1998).<br />
Mittel- und langfristige Unfallfolgen<br />
Es besteht grundsätzlich Einigkeit darüber, daß die psychischen Langzeitfolgen<br />
eine größere Bedeutung als die neurologischen Folgen einnehmen.<br />
Bereits nach einer frühen Untersuchung (Kleinpeter 1971) nehmen die Verhaltensauffälligkeiten<br />
nach Schädel-Hirntraumata (SHT) einen sehr breiten Raum<br />
ein. Sie kommen danach bei SHT I nach Tönnes in ca. 60%, in SHT II in<br />
ca. 75% und bei <strong>Kind</strong>ern mit SHT III bei ca. 95% aller Fälle vor.<br />
Dabei werden posttraumatische Intelligenzminderungen (posttraumatische<br />
Demenz) in 8% bei Grad I, in 11% bei Grad II und in 39% bei Grad III<br />
Schädel-Hirntraumen berichtet.<br />
Gerring et al. (Gerring et al. 1998) berichten von sekundären hyperkinetischen<br />
Störungen bis einem Jahr nach dem SHT in ca. 20% aller Verunfallten. Diese<br />
<strong>Kind</strong>er fielen bereits prämorbid durch erhöhte psychosoziale Schwierigkeiten<br />
auf. Insgesamt war posttraumisch eine höhere Affektlabilität, Aggressivität und<br />
Komorbidität zu verzeichnen. Hinzu kommen hirnlokal bedingte Ausfälle wie<br />
Frontalhirnsyndrome, Aphasien und Apraxien, sowie psychoreaktive und<br />
neurotische Störungen im Rahmen der Traumaverarbeitung, welche sich in<br />
depressiven Anpassungsreaktionen, verstärkter Aggressivität, psychosomatischen<br />
Beschwerden, Konversionssymptomen und Angstzuständen zeigen.<br />
53
54<br />
Chronisch neurologische Störungen umfassen vor allem motorische Defizite,<br />
Epilepsien und Hirnnervenausfälle, z.B. nach Schädelbasisfrakturen.<br />
Die motorischen Defizite erfahren häufig eine Rückbildung innerhalb von<br />
6–12 Monaten. Allerdings bilden sich gerade feinmotorische Defizite später<br />
zurück oder persistieren (Mahoney et al. 1983). Ca. 10% der Patienten mit<br />
schweren Schädel-Hirntraumen haben permanente Störungen, meist im Sinne<br />
einer spastischen oder ataktischen Bewegungsstörung (Mahoney et al. 1983).<br />
Epilepsien treten in Abhängigkeit vom Schweregrad der Verletzung auf. Nach<br />
einer neueren Studie (Annegers et al. 1998) traten sie bei 3% aller Schädel-<br />
Hirntraumen auf. Epilepsien fanden sich nach leichten Schädel-Hirn-Traumen<br />
in 1,5%, in 2,9% nach mittelschweren und in 17,0% nach schweren<br />
Schädel-Hirn-Traumen. Risikofaktoren waren Gehirnkontusion mit subduraler<br />
Blutung, Schädelfraktur, Bewußtlosigkeit oder Amnesie mehr als einen Tag<br />
und ein Alter über 65 Jahren.<br />
Prognostische Faktoren<br />
ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />
Bereits in frühen Studien (Lange-Cosack 1973) wurde die prädiktive Bedeutung<br />
für den Outcome hinsichtlich der Dauer der Bewußtlosigkeit bei gedecktem<br />
SHT erkannt und untersucht. Dabei korreliert die Dauer der Bewußtlosigkeit<br />
mit der Dauer der psychischen Funktionsstörung, der Häufigkeit und dem<br />
Schweregrad psychischer Störungen, dem Anteil neurologischer Initial- und<br />
Restsymptome sowie dem Anteil an Früh- und Spätepilepsien.<br />
In noch älteren Studien wird bereits die Bedeutung von EEG-Veränderungen<br />
im Hinblick auf die klinischen Veränderungen nach SHT beschrieben (Özek<br />
1956, Lerique-Koechlin 1958). Hierbei zeigte sich, daß die EEG-Veränderungen<br />
sich langsamer zurückbilden als die klinischen Veränderungen und daß sich<br />
eine gewisse Übereinstimmung mit dem klinischen Verlauf ergab.<br />
Was das Alter bei Eintreten des Traumas und die Spätfolgen anbetrifft, so ergeben<br />
sich hier widersprüchliche Angaben. Lange Zeit wurde aus den Befunden<br />
zur höheren Plastizität des jungen Gehirns ein geringeres Risiko für ungünstige<br />
Folgeerscheinungen abgeleitet (sog. Kennard-Prinzip). Dagegen beschreiben<br />
Luerssen 1988 (Luerssen et al. 1988), daß frühe Gehirnläsionen verstärkt<br />
negativ die Gesamtentwicklung bzw. die Spätprognose beeinflussen. Levin<br />
(Levin 1993) beschreibt schwere Restschäden bei SHT besonders im Alter von<br />
unter 2 Jahren und bei Erwachsenen. Möglicherweise kommt es aufgrund des<br />
weicheren Schädels bei Säuglingen und Kleinstkindern mehr zu direkten Einwirkungen<br />
auf das Gehirn und zu Scherwirkungen auf tiefere Hirnstrukturen.<br />
Neuere Arbeiten (Taylor and Alden 1997) beschreiben auch ein eher erhöhtes<br />
Entwicklungsrisiko gerade bei Patienten im <strong>Kind</strong>esalter aufgrund der Auswirkungen<br />
der zerebralen Läsion auf die in Entwicklung befindlichen Funktio-
<strong>Das</strong> kindliche SHT: Schädigungsursachen, Risikogruppen, Schweregrad...<br />
nen. Teilleistungsstörungen können sich selbst nach initial unauffälligem<br />
Befund als Folge im Verlauf der weiteren Entwicklung herausbilden. So fanden<br />
Gronwall (Gronwall et al. 1997) bei <strong>Kind</strong>ern nach leichtem SHT im<br />
Vorschulalter ungünstige Effekte auf die Leistungsfähigkeit nach einem Zeitintervall<br />
von 6 Monaten im Vergleich zu einer Kontrollgruppe. Benz und Ritz<br />
berichten in einer noch nicht abgeschlossenen katamnestischen Studie ebenfalls<br />
von einer Heterogenität im Rückbildungsverlauf hinsichtlich der langfristigen<br />
kognitiven, sozialen und schulisch-beruflichen Entwicklung von Menschen<br />
nach kindlichen Schädel-Hirntraumen (Benz 1999). Dabei zeichnen sich<br />
bei einigen Patienten persistierende neuropsychologische Funktionsstörungen<br />
ab, weitere zeigen trotz initialer Befundstabilisierung im Verlauf posttraumatisch<br />
erworbene Defizite. Eine besonders ungünstige Gruppe zeigt ein<br />
globales Absinken der kognitiven und neuropsychologischen Leistungsfähigkeit.<br />
Bei einer vierten Gruppe kommt es zu einer fortschreitenden Stabilisierung<br />
der neuropsychologischen Parameter.<br />
Zusammenfassung und Ausblick<br />
Bei den SHT im <strong>Kind</strong>esalter sind die Stürze am häufigsten und die Unfälle im<br />
Straßenverkehr am schwersten. <strong>Kind</strong>er sind überproportional schwer betroffen,<br />
Jungen mehr als Mädchen. <strong>Kind</strong>er mit hyperkinetischem Syndrom und<br />
z.T. auch <strong>Kind</strong>er mit Entwicklungsstörungen machen hierbei eine große und<br />
wichtige Risikogruppe aus. Andererseits stellen hyperaktive Verhaltensweisen<br />
bzw. organische Wesensveränderungen und neuropsychologische Probleme<br />
auch häufige Sekundärfolgen nach SHT im <strong>Kind</strong>esalter dar. Hinsichtlich der<br />
neurologischen Störungsrückbildung bleibt zu vermerken, daß sich handmotorische<br />
Störungen schlechter rückbilden bzw. eher bestehen bleiben als<br />
Störungen der Grobmotorik.<br />
Präventive wie rehabilitative Konzepte müssen daher stärker als bisher <strong>Kind</strong>er<br />
mit psychosozialen Risikofaktoren und hier insbesondere mit hyperkinetischem<br />
Syndrom umfassen. Dabei sollte nicht nur die frühzeitige Diagnostik<br />
und Therapie des hyperkinetischen Syndroms, sondern auch die entsprechende<br />
Aufklärung von Eltern und pädagogischen Institutionen zu den<br />
Risiken dieser <strong>Kind</strong>er in höherem Maße stattfinden. Im Hinblick auf die schlechtere<br />
Rückbildung feinmotorischer Funktionen, welche im Alltag gerade bei<br />
der Selbstversorgung und schulischen bzw. beruflichen Wiedereingliederung<br />
eine erhebliche Rolle spielen, sind nicht nur spezifische und intensivere<br />
Behandlungsbemühungen, sondern auch genauere verlaufsdiagnostische<br />
Monitoringverfahren zur Differentialdiagnostik solcher Störungen und<br />
Verlaufsevaluation der Rehabilitationserfolge angezeigt.<br />
Hinsichtlich der zu erwartenden Rehabilitationsergebnisse sind epidemiologische<br />
Zahlen bei <strong>Kind</strong>ern von begrenzter Aussagefähigkeit, denn bei ähnlich<br />
55
56<br />
schweren Hirntraumata sind häufig ganz überraschende Verläufe in positiver<br />
wie negativer Richtung möglich. Außerdem sollte nicht vergessen werden,<br />
daß im <strong>Kind</strong>esalter das Trauma selbst einen erheblichen Eingriff in die emotionale<br />
Entwicklung bedeutet, nicht zuletzt auch aufgrund der Langzeithospitalisation.<br />
Todoroff (Todorow 1978) beschreibt sehr eindrucksvoll die<br />
Verflechtung von organischen und reaktiven Störungen bei <strong>Kind</strong>ern im<br />
frühen Stadium nach SHT. Schließlich dürfen auch die schmerzlichen Rückwirkungen<br />
auf das gesamte familiäre Gefüge nicht unerwähnt bleiben, wo<br />
nicht selten auch die Sinnfrage unbeantwortet bleiben muß.<br />
Literatur<br />
ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />
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<strong>Das</strong> kindliche SHT: Schädigungsursachen, Risikogruppen, Schweregrad...<br />
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Zuckerman G.B., Conway E.E. Jr. (1997): Accidental head injury. Pediatr Ann,<br />
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57
58 ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong>
Unfallrettung und unfallchirurgische Erstversorgung: Verletzungsmuster...<br />
Unfallrettung und unfallchirurgische Erstversorgung:<br />
Verletzungsmuster, Schweregrad, Verlegung, zeitliche Abläufe<br />
Michael Aufmkolk, Udo Obertacke, Ira Reichmann, Steffen Ruchholtz<br />
Klinik und Poliklinik für Unfallchirurgie, Universitätsklinik Essen<br />
Der Tod nach Unfall ist bei <strong>Kind</strong>ern die häufigste Todesursache nach dem<br />
Säuglingsalter. So wurden 1996 48.175 <strong>Kind</strong>er im Straßenverkehr verletzt,<br />
davon 12.219 schwer. Insgesamt verstarben 420 <strong>Kind</strong>er an den Folgen eines<br />
Unfalls, verglichen mit 370 <strong>Kind</strong>ern, die im gleichen Zeitraum an malignen<br />
Erkrankungen verstarben (3,4).<br />
Trotz der großen Gefährdung der <strong>Kind</strong>er durch einen Unfall, wird dieser in<br />
der Bevölkerung deutlich unterschätzt (5). Dies scheint auch Ursache der häufigen<br />
Mißachtung von präventiven Maßnahmen zu sein. Nach Wheatley und<br />
Cass (1989) hätte nur durch Überwachen der <strong>Kind</strong>er 17% der Todesfälle vermieden<br />
werden können. Ebenso war nach dieser Studie der Nicht-Gebrauch<br />
von Gurten, <strong>Kind</strong>ersitzen oder Helmen für weitere 21% der Todesfälle verantwortlich<br />
(11).<br />
Ziel dieser Arbeit war die Darstellung der Verletzungsschwere, des Verletzungsmusters<br />
sowie zeitlicher Abläufe präklinisch und klinisch bei schwerstverletzten<br />
<strong>Kind</strong>ern mit und ohne Schädel-Hirn-Trauma (SHT).<br />
Patienten und Methode<br />
Patienten. Von 1975 bis 1995 wurden in der eigenen Klinik 117 <strong>Kind</strong>er (Alter<br />
3–15 Jahre) mit einem Verletzungsschweregrad von mehr als 16 Punkten im<br />
Injury Severity Score behandelt.<br />
Verletzungsschwere. Der Verletzungsschweregrad der Patienten wurde nach<br />
dem Abbreviated Injury Scale (AIS) bestimmt und daraus der Injury Severity<br />
Score (ISS) berechnet (1,2).<br />
Gruppeneinteilung. <strong>Kind</strong>er mit einem AIS Kopf >= 3 Punkte wurden in die<br />
Gruppe mit schwerem SHT (Gruppe: +SHT), <strong>Kind</strong>er mit einem AIS Kopf<br />
60<br />
Statistik. Alle Ergebnisse sind mit Mittelwert±SEM aufgeführt. Bei ordinalen<br />
Variablen wurde der Chi-Quadrat-Test angewendet, während der Students<br />
t-Test für Vergleiche kontinuierlicher Variablen zwischen 2 Gruppen herangezogen<br />
wurde. Als statistisch signifikant wurde ein p
Unfallrettung und unfallchirurgische Erstversorgung: Verletzungsmuster...<br />
Tabelle 1: Begleitverletzungen<br />
+SHT -SHT p-Wert<br />
n 48 69<br />
Lungenkontusion 13% 29% 0,04<br />
Rippenserienfraktur 8% 12% 0,7<br />
Pneumothorax 8% 15% 0,4<br />
Hämatothorax 6% 10% 0,5<br />
Leberruptur 10% 6% 0,5<br />
Milzruptur 13% 28% 0,07<br />
Mesenterialverletzung 2% 1% 0,9<br />
Zwerchfellruptur 2% 1% 0,9<br />
Darmverletzung 0% 3% 0,5<br />
Oberarm-Fraktur 15% 22% 0,5<br />
Unterarm-Fraktur 13% 10% 0,8<br />
Becken-Fraktur 10% 20% 0,2<br />
Oberschenkel-Fraktur 50% 48% 0,9<br />
Unterschenkel-Fraktur 13% 12% 0,9<br />
Tabelle 2: Todesursachen<br />
+SHT -SHT<br />
n 48 69<br />
Verstorben 11 3<br />
–Schock 1 1<br />
– Lungenversagen 0 2<br />
– SHT 9 0<br />
– Sepsis 1 0<br />
61<br />
Insgesamt verstarben 14 <strong>Kind</strong>er<br />
an den Folgen ihrer Verletzungen<br />
(12%). In der<br />
Gruppe mit schwerem SHT<br />
war dieses für 9 der 11 Todesfälle<br />
verantwortlich. Von den<br />
69 <strong>Kind</strong>ern ohne SHT verstarben<br />
3 <strong>Kind</strong>er, davon 1<br />
<strong>Kind</strong> an den Folgen des<br />
Schocks und 2 an den Folgen<br />
eines Lungenversagens<br />
(s. Tabelle 2).<br />
Einen Einfluß der präklinischen<br />
Versorgung auf den<br />
späteren Verlauf konnte<br />
nicht nachgewiesen werden.<br />
In 90% der Fälle war primär<br />
ein Notarzt vor Ort (+SHT:<br />
92%, -SHT: 90%, p = 0,9).<br />
Die Intubation und Sicherung der Atemwege<br />
wurde signifikant häufiger bei <strong>Kind</strong>ern<br />
mit SHT durchgeführt (+SHT:<br />
63%, -SHT: 29%, p = 0,001). Die durchschnittliche<br />
Rettungszeit war dadurch<br />
verlängert, ohne daß dies jedoch signifikant<br />
war (+SHT: 37±4, -SHT: 62±12<br />
Minuten, p = 0,06).<br />
Mit Ausnahme eines <strong>Kind</strong>es, das an den Folgen des SHT verstarb, wurden alle<br />
später verstorbenen <strong>Kind</strong>er primär am Unfallort intubiert und beatmet.<br />
Nach Aufnahme in den Schockraum wurden alle <strong>Kind</strong>er intubiert, die noch<br />
nicht beatmet waren. Die Basisdiagnostik im Schockraum betrug 25±3 Minuten.<br />
In dieser Zeit wurde eine abdominelle Sonographie, Blutentnahme, Röntgen<br />
von Thorax, Becken sowie HWS seitlich durchgeführt. Im Mittel vergingen<br />
34±12 Minuten bis zur Anfertigung eines Schädel CT‘s. Bei Indikation für<br />
eine Trepanation oder Anlage einer Druckmeßsonde erfolgte diese nach im<br />
Mittel 74±15 Minuten.
62<br />
Diskussion<br />
ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />
Nach Auskunft des BA Statistik wurden 1996 48.175 <strong>Kind</strong>er im Straßenverkehr<br />
verletzt. Am häufigsten verunfallten <strong>Kind</strong>er als Fahrradfahrer (16.269 =<br />
34%), PKW-Insassen (15.877 = 33%) und Fußgänger (14.600 = 30%). <strong>Das</strong><br />
Risiko im Straßenverkehr getötet zu werden betrug für die verunfallten <strong>Kind</strong>er<br />
zwischen 0,5 und 0,9% (Fahrradfahrer: 77 / 16.269 = 0,5%, Fußgänger: 117 /<br />
14.600 = 0,8%; PKW-Insasse 147 / 15.877 = 0,9%) (3).<br />
Im eigenen Krankengut zeigte sich eine besonders hohe Anzahl von <strong>Kind</strong>ern,<br />
die als Fußgänger verunfallt waren. Seltener wurden <strong>Kind</strong>er als PKW-Insassen<br />
oder Zweiradfahrer verletzt. Ursache ist vermutlich einerseits das Einziehungsgebiet<br />
(Großstadt). Andererseits ist die Verletzungsschwere beim ungeschützten<br />
Aufprall auf einen PKW größer, sodaß dadurch eine Überrepräsentation<br />
im eigenen Krankengut vorliegt.<br />
Im Falle einer schweren Unfallverletzung muß in 76% mit einem SHT gerechnet<br />
werden, wobei 40% ein schweres SHT erleiden. 88% der <strong>Kind</strong>er haben<br />
eine oder mehrere Frakturen, 33% ein schweres Thoraxtrauma, und 42% ein<br />
Abdominaltrauma. Die Anzahl und Schwere der Begleitverletzungen ist dabei<br />
unbeeinflußt vom Vorliegen eines schweren SHT. Die präklinische Versorgung<br />
polytraumatisierter <strong>Kind</strong>er ist jedoch durch die zum Teil veränderte Physiognomie<br />
und Physiologie des <strong>Kind</strong>es erschwert. So kann eine Zyanose sowohl<br />
Ausdruck einer Dyspnoe nach Thoraxtrauma als auch Folge einer Hypothermie<br />
sein. Auch ist die Erhebung des Glasgow coma scale im Kleinkindesalter<br />
nur schwer anwendbar. Eine Zentralisation kann Folge eines Schocks sein, ist<br />
jedoch auch bei Schmerzen und/oder Unterkühlung vorhanden. Schlußendlich<br />
wird auch der Blutverlust bei <strong>Kind</strong>ern häufig falsch beurteilt. So kann ein<br />
Säugling bereits bei einem Blutverlust von 35ml im Volumenmangelschock<br />
sein (8,9).<br />
Durch eine effektive Versorgung am Unfallort und ein straffes klinisches<br />
Management kann jedoch die Letalität nach einer Schwermehrfachverletzung<br />
minimiert werden. Die Prognose nach kindlichem Polytrauma wird dabei<br />
überwiegend vom Ausmaß der Schwere des SHT bestimmt. Die Letalität<br />
polytraumatisierter <strong>Kind</strong>er durch das SHT wird in der Literatur mit 60–90%<br />
der Todesfälle angegeben (7,10).<br />
Die hohe Zahl verletzter und getöteter <strong>Kind</strong>er nach Unfällen verlangt nach<br />
einer verstärkten <strong>Prävention</strong>, da bis zu 21% der Todesfälle allein durch Tragen<br />
von Sicherheitseinrichtungen wie Gurte oder Helme hätten vermieden werden<br />
können (11). Ebenso sollten Erwachsene durch wiederholte Aufklärung<br />
(Tagespresse, Verkehrserziehung) auf das untypische Verhalten von <strong>Kind</strong>ern<br />
im Straßenverkehr hingewiesen werden.
Unfallrettung und unfallchirurgische Erstversorgung: Verletzungsmuster...<br />
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(10) Walker M.L., Stors B.B., Mayer T. (1984). Factors affesting outcome in the<br />
pediatric patient with multiple trauma. Further experience with the modified<br />
injury severity scale. Childs Brain 11: 387–397.<br />
(11) Wheatley J., Cass D.T. (1989). Traumatic deaths in children: the importance<br />
of prevention. Med J Aust 150: 72–78.<br />
63
64 ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong>
<strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong> – neurochirurgische Versorgung<br />
<strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong> – neurochirurgische<br />
Versorgung<br />
Martina Messing-Jünger<br />
Neurochirurgische Klinik der Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf<br />
Epidemiologie<br />
In westlichen Industrienationen ist das Schädelhirntrauma (SHT) die häufigste<br />
Todesursache bei <strong>Kind</strong>ern und Jugendlichen unter 18 Jahren. <strong>Das</strong> Risiko,<br />
in dieser Altersgruppe an einem SHT zu versterben, ist um den Faktor fünf,<br />
verglichen mit der Leukämie, und um den Faktor achtzehn, verglichen mit<br />
dem Hirntumor, erhöht. Beides sind die häufigsten neoplastischen Erkrankungen<br />
im <strong>Kind</strong>esalter. <strong>Das</strong> SHT ist die meistgenannte Ursache für eine erworbene<br />
Behinderung in dieser Altersgruppe. In den USA liegt die SHT-Inzidenz<br />
bei 180/100.000 (KRAUS et al., 1990 und 1995).<br />
Man unterteilt das SHT je nach Komagrad (Glasgow Coma Score GCS ) in<br />
• leicht (GCS 13–15)<br />
• mittelschwer (GCS 9–12)<br />
• schwer (GCS 3–8).<br />
Abb. 1<br />
Alters- und Geschlechtsverteilung<br />
nach KRAUS et al. 1990 (USA).<br />
65<br />
Am häufigsten ist das leichte SHT<br />
mit 80–90%, gefolgt von einem<br />
mittelschweren Trauma in 7–8%<br />
der Fälle und schließlich dem<br />
schweren Trauma in 5–8%.<br />
Hinsichtlich der Alters- und<br />
Geschlechtsverteilung fällt ein<br />
deutlich erhöhtes Unfallrisiko der<br />
männlichen Patienten auf. Insbesondere<br />
ab dem zweiten Lebensjahr<br />
nimmt die Unfallhäufigkeit<br />
der Jungen stetig zu (Abb. 1).<br />
Man unterscheidet gedeckte SHT<br />
von indirekt und direkt offenen<br />
Schädel-Hirn-Verletzungen. Indirekt<br />
offen sind Schädelbasisfrakturen,<br />
bei denen aufgrund der
66<br />
fest am Knochen haftenden Dura häufig eine Zerreißung derselben auftritt,<br />
wodurch eine Verbindung zwischen Intraduralraum und der Atmosphäre entsteht.<br />
Direkt offene Frakturen werden beispielsweise durch Eindringen<br />
eines Fremdkörpers verursacht oder liegen bei Impressionsfrakturen mit gleichzeitiger<br />
Verletzung der darüberliegenden Weichteile und der Dura vor.<br />
Therapie<br />
Die Therapie des SHT beruht im Wesentlichen auf drei Hauptsäulen:<br />
• Operation<br />
• Intensivmedizin<br />
• (Früh)Rehabilitation<br />
Einen entscheidenden Einfluß auf den Erfolg der nachfolgenden Therapien<br />
hat die Primärversorgung am Unfallort.<br />
Erstversorgung<br />
Am Beginn der Behandlungskette steht die Primärversorgung und -einschätzung<br />
am Unfallort durch den Notarzt. Diese erste Phase ist von entscheidender<br />
Bedeutung hinsichtlich der Vermeidung von Sekundärschäden bei mittelschweren<br />
und schweren Traumen.<br />
Die drei Hauptziele der Primärversorgung lauten:<br />
• Sicherung der Vitalfunktionen Atmung und Kreislauf<br />
• Beurteilung der Bewußtseinslage/des Verletzungsmusters<br />
• Stabilisierung der Halswirbelsäule<br />
ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />
Je nach Schweregrad der Verletzungen, insbesondere bei Vorliegen eines isolierten<br />
SHT, ist die Wahl des erstversorgenden Krankenhauses wesentlich:<br />
SHT leicht, Röntgen Schädel/Wirbelsäule möglich, sofortige Beurteilung<br />
gedeckt durch erfahrenen Arzt, 10minütige Bewußtseins-/Pupillenkontrolle<br />
SHT mittel, Röntgen Schädel/Wirbelsäule und CT möglich, Intensivstation,<br />
gedeckt möglichst neurochirurgische Abteilung, sonst entsprechende<br />
Konsiliarbetreuung, fachärztliche Beurteilung der Röntgenaufnahmen,<br />
10minütige Bewußtseins-/Pupillenkontrolle<br />
SHT schwer, Röntgen Schädel/Wirbelsäule und CT möglich, Intensivstation,<br />
gedeckt; offen neurochirurgische Abteilung mit 24stündiger OP-Bereitschaft<br />
alle Schweregrade<br />
(Aus: Leitlinie Primärversorgung Schädel-Hirn-Trauma, AG Intensivmedizin/ Neurotraumatologie der<br />
DGNC und dem Wissenschaftlichen Arbeitskreis Neuroanästhesie der DGAI unter Beteiligung der DIVI)
<strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong> – neurochirurgische Versorgung<br />
Abb. 2 Leitlinie SHT der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie<br />
67
68<br />
ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />
Nach Einlieferung in das Primärkrankenhaus erfolgt die weitere Beurteilung<br />
und Behandlung von schwerverletzten Patienten idealerweise im Schockraum<br />
unter Anwesenheit von Intensiv- und Notfallmedizinern sowie Vertretern der<br />
jeweiligen chirurgischen Disziplinen und ggf. auch eines HNO-Arztes oder<br />
Ophthalmologen.<br />
Die klinische Aufnahmeuntersuchung und primäre Röntgenaufnahmen des<br />
Skelettes und des Thorax, sowie Ultraschalluntersuchungen von Abdomen<br />
und Retroperitoneum sind hier von zentraler Bedeutung. Bei Verdacht auf ein<br />
schweres SHT ist ein sofortiges Schädel-CT mit Darstellung der oberen HWS-<br />
Strukturen angeraten.<br />
Bewußtlose Patienten (GCS 3–8), Patienten mit rascher Eintrübung (Verschlechterung<br />
um 3 GCS-Punkte) oder mit relevanten Begleitverletzungen der<br />
HWS oder des Mund-Kiefer-Gesichtsbereiches werden umgehend intubiert,<br />
falls dies noch nicht am Unfallort geschehen ist. Gleichzeitig ist ein ausreichender<br />
Systemdruck aufrechtzuerhalten. Hinsichtlich der Abläufe und der<br />
anzustrebenden Vitalparameter s. Abb. 2 (S. 67).<br />
Die Aufnahmeuntersuchung beinhaltet die Feststellung des Neurostatus, wobei<br />
dem Pupillenbefund (Pupillenweite und Lichtreaktion) besondere Aufmerksamkeit<br />
zukommt. Er sollte bei allen Patienten in kurzen Abständen<br />
(10minütig) bestimmt werden. Desweiteren ist eine Einteilung in den Glasgow<br />
Coma Score (GCS) für die Verlaufsbeobachtung und Risikoeinschätzung<br />
sinnvoll. Bei kleinen <strong>Kind</strong>ern ist eine Modifizierung des GCS angebracht, da<br />
sowohl die verbalen Leistungen, als auch die motorische Reaktionsfähigkeit<br />
aufgrund noch nicht abgeschlossener Sprachentwicklung und mangelnder<br />
Kooperation nach den üblichen Kriterien nicht bestimmt werden können.<br />
Es ist auf äußere Verletzungszeichen, wie z. B. Austritt von Liquor, Blut oder,<br />
im Extremfall, Hirngewebe aus Ohr, Nase und in den Rachenraum zu achten.<br />
<strong>Das</strong> Feststellen von offenen Wunden sollte eine Austastung nach sich ziehen,<br />
mit der Fragestellung, ob beispielsweise eine Impressionsfraktur oder penetrierende<br />
Verletzung vorliegt. Penetrierende Gegenstände dürfen dabei niemals<br />
wegen der Gefahr innerer Verletzungen oder Blutungen entfernt werden. Alle<br />
offenen Wunden sind mit sterilen Kompressen abzudecken und gegebenenfalls<br />
zur vorübergehenden Blutstillung mit Kompression anzubringen.<br />
Es schließt sich eine sorgfältige Untersuchung des Körpers nach weiteren<br />
Begleitverletzungen an.<br />
Im Anschluß an die Primär- und Aufnahmeuntersuchungen erfolgen eventuell<br />
notwendige Operationen oder zunächst eine allgemeinstationäre oder intensivmedizinische<br />
Beobachtung und Behandlung. Bei operationsbedürftigen<br />
Schädel-Hirn-Traumen mit konkurrierenden Begleitverletzungen, die die Vital-
<strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong> – neurochirurgische Versorgung<br />
funktionen Atmung und Kreislauf entscheidend gefährden, wie z. B. Lungenkontusionen<br />
oder zu einem hämodynamischen Schock führende Abdominalblutungen,<br />
werden letztere stets zuerst angegangen. Nur in äußerst seltenen<br />
Situationen kann ein simultanes Vorgehen sinnvoll sein, so beispielsweise die<br />
notfallmäßige Entlastung eines Epiduralhämatoms.<br />
Intensivmedizin<br />
Auf der Intensivstation werden Maßnahmen zur <strong>Prävention</strong> von Sekundärschäden<br />
eingeleitet und teilweise Patienten mit einem mittelschweren SHT<br />
vorübergehend beobachtet, um möglicherweise rasch eintretende Verschlechterungen<br />
sofort zu erkennen und diese angemessen behandeln zu können.<br />
Unter Sekundärschäden werden bleibende Veränderungen des Hirnparenchyms,<br />
wie z. B. Infarkte infolge Ischämien durch Gefäßspasmen oder erhöhten<br />
Hirndrucks bei ausgeprägter Ödembildung verstanden. Eine Reihe von<br />
Substanzen zur potentiellen Verhinderung von Sekundärschäden (Calciumantagonisten,<br />
Radikalfänger etc.) wurden bislang getestet oder sind derzeit in<br />
klinischer Testung. Weder für die Gruppe der erwachsenen noch für die der<br />
pädiatrischen Patienten konnten bislang wirksame Medikamente gefunden<br />
werden.<br />
Die nachfolgenden therapeutischen Maßnahmen sind derzeit in allen Altersgruppen<br />
als gesichert anzusehen:<br />
• Intubation und maschinelle Beatmung<br />
❬ GCS 8<br />
❬ Verschlechterung um 3 GCS-Punkte<br />
❬ fehlender Pharyngealreflex<br />
❬ relevante Begleitverletzungen des Mund-Kiefer-Gesichtbereiches<br />
oder der HWS<br />
❬ gestörte Atemmechanik ( pC0 2 < 25mm Hg oder > 45mm Hg)<br />
• Analgosedierung (auf neurologische Beurteilbarkeit achten!)<br />
• Oberkörperhochlagerung um 30° (Cave! Messung des mittleren arteriellen<br />
Druckes MAP immer in Vorhofhöhe, Messung des intracraniellen Druckes<br />
ICP immer in Höhe des Ill. Ventrikels)<br />
• Osmotherapie (z.B. mit intermittierenden Mannit-Gaben unter Kontrolle<br />
der Serumosmolarität, Obergrenze 320mMol/l)<br />
In Einzelfällen mit kaum beherrschbaren Hirndrucksituationen können auch<br />
Maßnahmen ergriffen werden, deren Wirksamkeit insbesondere im <strong>Kind</strong>esalter<br />
nicht sicher erwiesen ist:<br />
69
70 ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />
• moderate Hyperventilation (pC0 2 nicht unter 35mm Hg)<br />
• Hypothermie (32–34°C)<br />
• Barbituratnarkose<br />
• intermittierende Relaxierung bei besonderen Belastungen (z.B. Absaugmanöver,<br />
Bronchoskopie etc.)<br />
• Dekompressive Kraniektomie (s. u.)<br />
Die obengenannten therapeutischen Maßnahmen werden von einem umfangreichen<br />
Monitoring begleitet. Neben der üblichen Überwachung der Vitalparameter<br />
ist ein konsequentes Neuromonitoring wesentlich für den Behandlungserfolg:<br />
• Hirndruck (ICP)-Messung bei komatösen Patienten (GCS 3–8)<br />
als Standard gilt die ICP-Messung über einen Ventrikelkatheter, die technisch<br />
sicher ist und die Möglichkeit zur Hirndrucksenkung durch Ablassen von Liquor<br />
bietet<br />
• cerebraler Perfusionsdruck (CPP = MAP-ICP)<br />
Minimalwerte: Erwachsene 70 mm Hg<br />
Säuglinge/Kleinkinder 40–50 mm Hg*<br />
Schulkinder 50–60 mm Hg*<br />
(*noch nicht gesichert, aber z. Zt. als Konsenswert angesehen)<br />
• EEG (bei Barbituratnarkose als Dauerableitung, sonst mindestens 1/Tag als<br />
Verlaufskontrolle)<br />
• SEP (Verlaufskontrolle, Prognosebeurteilung)<br />
Die Aussagekraft weiterer Untersuchungen, wie der Messung des cerebralen<br />
Blutflusses (z.B. mittels transcranieller Dopplersonographie TCD oder Xenon-<br />
CCT) oder der cerebralen Oxigenierung ( z. B. durch Gewebe-p02-Messungen<br />
oder Bulbusoximetrie SJv0 2) ist derzeit umstritten, kann aber zur Trendbestimmung<br />
im Einzelfall sinnvoll sein.<br />
Nach überstandener Phase akuter Hirndruckbelastung des Patienten ist ein<br />
zeitiger Beginn mit der Frührehabilitation bereits auf der Intensivstation ideal.<br />
Verletzungsmechanismen<br />
Direkte Krafteinwirkung entsteht entweder durch Aufprall des Schädels auf<br />
ein Objekt oder umgekehrt. Es kommt zu umschriebenen Läsionen:<br />
• Fraktur<br />
• Contusion
<strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong> – neurochirurgische Versorgung<br />
• Hämatom – Epiduralhämatom (EDH)<br />
– Subduralhämatom (SDH)<br />
– Intracerebralhämatom (ICB)<br />
– traumatische Subarachnoidalblutung (tSAB)<br />
Die im Rahmen von Hochgeschwindigkeits- und Schleuderunfällen entstehenden<br />
Akzelerations- und Dezelerationstraumen führen zu diffusen Veränderungen:<br />
• Commotio<br />
• diffuses axonales Trauma (DAI)<br />
• Hirnödem<br />
Sowohl die tSAB als auch das Hirnödem können mehr oder weniger diffus<br />
oder lokalisiert vorkommen. Insgesamt sind Kombinationen der Verletzungsmechanismen<br />
und somit auch der Verletzungsarten häufig.<br />
Chronische Erscheinungsformen sind bifrontale Hygrome, Hirnatrophie und<br />
chronische Subduralhämatome.<br />
Schädelfrakturen<br />
Frakturen des kindlichen Schädels finden sich zumeist parietal und haben<br />
einen linearen Verlauf. In insgesamt 20% aller kindlichen SHT wird eine Schädelfraktur<br />
diagnostiziert. Liegt ein Schädelbruch vor, so steigt die Gefahr einer<br />
intracraniellen Blutung um das Hundertfache. Daher wird zunehmend empfohlen,<br />
bei Frakturverdacht primär ein Schädel-CT durchzuführen. Dadurch<br />
wird zwar nicht jede Fraktur nachgewiesen, aber eine Darstellung der intracraniellen<br />
Strukturen möglich. Unkomplizierte Kalottenfrakturen heilen regelmäßig<br />
folgenlos aus.<br />
Impressionsfraktur<br />
Rund 25% aller Frakturen im <strong>Kind</strong>esalter sind Impressionsfrakturen und etwa<br />
die Hälfte aller Impressionsfrakturen entstehen im <strong>Kind</strong>esalter. In etwa 10%<br />
der Fälle kommt es dabei zu einer Durazerreißung. Gibt es in der Bildgebung<br />
Hinweise auf eine Duraverletzung, so besteht eine Operationsindikation. Eine<br />
Sonderform stellt die Pingpong-Fraktur des Neugeborenen- und Säuglingsalters<br />
dar. Dabei dellt sich die noch einschichtige, sehr dünne Kalotte ohne Ausbildung<br />
eines Frakturspaltes ein. Häufig bildet sich die Deformität spontan zurück,<br />
weshalb die meisten Fälle zunächst konservativ behandelt werden.<br />
71
72 ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />
Fallbeispiel 1:<br />
M. W., 11 Jahre<br />
Fahrradunfall ohne Helm, primär nicht bewußtlos, Konzentrationsstörungen, besucht weiterhin<br />
Gymnasium<br />
Schädelbasisfraktur<br />
Man unterscheidet Frontobasis- und Laterobasisfrakturen. Laterobasisfrakturen<br />
treten als longitudinale (80%) und transversale (20%) Felsenbeinfrakturen auf.<br />
Letztere sind von Bedeutung, da häufiger persistierende Ausfälle des siebten<br />
und achten Hirnnerven beobachtet werden. Die intraossären Nervenverläufe<br />
werden von der Frakturrichtung gekreuzt.<br />
Aufgrund der Tatsache, daß die Dura den knöchernen Basisstrukturen anhaftet,<br />
kommt es in der Regel zu einer Zerreißung und somit zur Entstehung<br />
eines indirekt offenen SHT mit der Gefahr von Liquoraustritt aus Nase, Ohr<br />
und in den Rachen und schließlich der aufsteigenden Infektion.<br />
Im <strong>Kind</strong>esalter heilen diese Frakturen normalerweise komplikationslos und<br />
nur in Ausnahmefällen wird bei persistierendem Liquorfluß eine operative<br />
Deckung erforderlich.<br />
Bislang gibt es keine gesicherten Studienergebnisse, die eine Antibiotikaprophylaxe<br />
zur Verhinderung einer Meningitis als sinnvoll beschreiben.<br />
Wachsende Fraktur<br />
Diese seltene Komplikation kann im Säuglings- und Kleinkindesalter bei erheblichen<br />
Traumen mit Kalottenfraktur und darunterliegender Dura- und oberflächlicher<br />
Hirnverletzung auftreten. <strong>Das</strong> expandierende Hirn kann bei mangelndem<br />
Verschluß der noch weichen Hüllstrukturen Dura und Knochen ein
<strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong> – neurochirurgische Versorgung<br />
zunehmendes Auseinanderklaffen des Frakturspaltes bewirken. Dabei kommt<br />
es schließlich zu einer Zerreißung des Hirnparenchyms mit Ausbildung einer<br />
porencephalen Cyste und Liquorzirkulationsstörungen. Eine Verschlechterung<br />
des neurologischen Zustandes, insbesondere die Entwicklung oder Zunahme<br />
von Lähmungen sind die Folge. Es besteht in jedem Falle eine Operationsindikation<br />
mit dem Ziel, die Hirn-Dura-Narbe zu beseitigen und die Dura zu<br />
verschließen und gegebenenfalls die Fraktur osteosynthetisch zu versorgen.<br />
Primäre Berstungs- oder Stückbrüche können zu ähnlichen Sekundärveränderungen<br />
führen und müssen unter denselben Voraussetzungen operativ angegangen<br />
werden.<br />
Fallbeispiel 2:<br />
N. B., 3 Jahre<br />
Sturz aus einem Fenster des 2. Stockes mit Berstungsfraktur, operative Entfernung der<br />
frakturierten Kalottenanteile zur Dekompression bei Einklemmungssymptomatik, postoperativ<br />
zunächst Rückbildung einer Hemiparese links, Split-Graft-Plastik und Shuntimplantation bei<br />
Liquorzirkulationsstörungen, erneute Zunahme der Hemiparese nach 1 Jahr wegen<br />
porencephaler Cyste<br />
Hämatome und Contusionen<br />
Epiduralhämatom (EDH)<br />
EDH treten als Frakturspalthämatome oder im Neugeborenenalter nach Sinusverletzung<br />
auf. Bei älteren <strong>Kind</strong>ern kann ursächlich auch ein Abriß der<br />
A.meningea media vorliegen. Isolierte EDH haben ein gutes Outcome.<br />
Subduralhämatom (SDH)<br />
Ursache für akute SDH sind meistens Brückenvenenabrisse und als Geburtstrauma<br />
Sinusverletzungen, insbesondere in der hinteren Schädelgrube. Bei<br />
73
74 ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />
älteren <strong>Kind</strong>ern können auch oberflächliche Hirnverletzungen zu einem SDH<br />
führen. Insgesamt trägt das Vorliegen eines SDH zu einem schlechten Outcome<br />
bei.<br />
Intracerebralhämatom (ICB)<br />
In der Regel handelt es sich hierbei um Contusionsblutungen, die nur bei Einklemmungsgefahr<br />
operativ angegangen werden.<br />
Contre-Coup-Läsionen sind bei <strong>Kind</strong>ern seltener als im Erwachsenenalter. Aufgrund<br />
der noch weicheren Gewebe verformen diese sich bei einem Aufprall<br />
leichter, so daß es zu weniger Verletzungen kommt. Bei <strong>Kind</strong>ern im Alter von<br />
0–3 Jahren liegt der Anteil unter 10%, mit 3–4 Jahren steigt er auf 25%.<br />
Commotio<br />
Die Commotio ist die leichteste Verlaufsform eines diffusen SHT. Die Ursache<br />
für diese Verletzungsart ist weiterhin unklar. Möglicherweise sind Strukturen<br />
betroffen, die das Bewußtsein steuern. Es kommt zu einer kurzandauernden<br />
Bewußtlosigkeit. Im <strong>Kind</strong>esalter können vorübergehende Hirnfunktionsstörungen,<br />
wie z. B. ein Ausfall des Sehens, auftreten. <strong>Das</strong> Schädel-CT ist stets<br />
unauffällig. Als Komplikation der ansonsten immer folgenlos ausheilenden<br />
Commotio kann ein postcommotionelles Syndrom auftreten. Darunter versteht<br />
man ein noch Wochen nach dem Trauma persistierendes Syndrom mit Kopfschmerzen,<br />
Sehstörungen, Tinnitus, Konzentrationsstörungen, Reizbarkeit,<br />
Gedächtnisstörungen und emotionaler Labilität.<br />
Möglicherweise handelt es sich hierbei um eine schwerere Verlaufsform des<br />
diffusen Hirntraumas, das seine schwerste Ausprägung im diffusen axonalen<br />
Trauma findet.<br />
Diffuses axonales Trauma (DAI)<br />
Bei dieser schweren Form der diffusen Hirnschädigung kommt es zur sofortigen<br />
Bewußtlosigkeit. Diese besteht meist länger als 6 Stunden, und es treten<br />
Pupillenstörungen, Hirnnervenausfälle sowie Beuge- und Strecksynergismen<br />
als Ausdruck einer Pyramidenbahnschädigung auf. Zusätzlich kann es zu gesteigerten<br />
vegetativen Reaktionen kommen. <strong>Das</strong> Schädel-CT kann unauffällig<br />
sein. Im Kernspintomogramm kommen in der T2- und FLAIR-Sequenz typische,<br />
nichtraumfordernde Läsionen der weißen Substanz, des Balkens und im<br />
Hirnstamm zur Darstellung. Bereits frühzeitig entwickelt sich eine diffuse Hirnatrophie.<br />
Als Korrelat für diese Befunde können elektronenmikroskopisch kleinste<br />
Axonzerreißungen mit sogenannten Retraktionsbällen nachgewiesen werden.
<strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong> – neurochirurgische Versorgung<br />
Bei persistierender Bewußtlosigkeit ist trotz initial fehlender Raumforderungszeichen<br />
eine Hirndruckmessung sinnvoll, da jederzeit fokale Blutungen<br />
oder ein generalisiertes Hirnödem entstehen können, die eine entsprechende<br />
Therapie benötigen.<br />
Fallbeispiel 3:<br />
J. B.-K., 10 Jahre<br />
Als Fußgänger von PKW erfaßt worden, primär bewußtlos, rasches Aufwachen, schwere<br />
Pyramidenbahnläsionen und schwerstes Durchgangssyndrom, MRT 1 Woche nach Trauma mit<br />
erheblicher Hirnatrophie und typischen Läsionen in Marklager, hinterem Balken und Hirnstamm<br />
Battered Child Syndrom<br />
In den USA ist das Battered Child Syndrom eine der häufigsten Todesursachen<br />
im Kleinkindesalter. Aufgrund der komplexen Problematik hinsichtlich der<br />
Diagnosestellung wird von einer nicht unerheblichen Dunkelziffer auch hierzulande<br />
ausgegangen.<br />
<strong>Das</strong> Battered Child Syndrom hat zudem eine hohe Morbiditätsrate. Typische<br />
Aufnahmegründe sind neben dem plötzlichen Atemstillstand Krampfanfälle<br />
und Bewußtseinsstörungen. <strong>Das</strong> Schädel-CT zeigt häufig eine fehlende Differenzierung<br />
von grauer und weißer Substanz („black brain“). Eine US-amerikanische<br />
Studie fand heraus, daß ein solcher Befund in 67% zum Tode führt.<br />
<strong>Das</strong> insgesamt sehr schlechte Outcome wird durch ein zusätzlich vorhandenes<br />
akutes SDH noch weiter verschlechtert. Frakturen finden sich in 50% aller<br />
Fälle, häufig auch beidseits.<br />
In der Regel werden keine oder nur Bagatelltraumen als Ursache für den Zustand<br />
des <strong>Kind</strong>es von den Eltern genannt. In über 50% können assoziierte<br />
75
76 ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />
Skelett- und Weichteilverletzungen sowie typischerweise Retinablutungen diagnostiziert<br />
werden.<br />
Fallbeispiel 4:<br />
J. B., 3 Mo.<br />
Einweisung in komatösem Zustand und bei Zunahme des SDH mit Einklemmungszeichen,<br />
Notoperation, verstarb am Folgetag<br />
Dekompressive Kraniektomie<br />
Diese operative Maßnahme, bei der ein- oder beidseitig die Schädelkalotte in<br />
einem Areal von etwa 12–14 cm im Durchmesser entfernt und die darunter<br />
gelegene Dura durch einnähen einer Plastik erweitert wird, dient der Schaffung<br />
von zusätzlichem Raum für die geschwollenen intracraniellen Strukturen,<br />
um eine Herniation von Hirngewebe zu verhindern oder zu behandeln.<br />
Die Wertigkeit dieser Maßnahme, die auch bei Hirnschwellung nach Mediainfarkt<br />
zum Einsatz kommt, ist nicht erwiesen. Man nimmt allerdings an, daß<br />
dieser als Ultima Ratio durchgeführte Eingriff insbesondere bei <strong>Kind</strong>ern und<br />
jungen Erwachsenen zu verbesserten Ergebnissen führen kann. Nach Abschwellen<br />
der Hirnstrukturen können die zwischenzeitlich tiefgefrorenen Knochendeckel<br />
reimplantiert werden.
<strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong> – neurochirurgische Versorgung<br />
Fallbeispiel 5:<br />
M. I., 7 Jahre<br />
Als Fußgänger auf der Autobahn von PKW erfaßt, bei Eintreffen in Klinik beidseits weite und<br />
lichtstarre Pupillen, 6 Monate nach Trauma aus Reha entlassen mit Hemispastik links und<br />
Koordinationsstörungen, kognitive Funktionen unauffällig<br />
M. I., 7 Jahre<br />
6 Monate nach Unfall<br />
77
78<br />
Komplikationen<br />
Typische Komplikationen nach Schädel-Hirn-Trauma sind nachfolgend aufgeführt:<br />
Posttraumatische Epilepsie<br />
Als Frühepilepsie (l.–7. Tag) tritt sie in 10% der Fälle auf, bei schwerem SHT in<br />
30–50%: Spätepilepsien werden in 15% noch bis zu 4 Jahren posttraumatisch<br />
beobachtet.<br />
Hydrocephalus<br />
Ein posttraumatischer Hydrocephalus wird in 18–72% der Fälle gefunden und<br />
tritt meistens zwischen der 1. Woche und 30 Monaten nach dem Unfallereignis<br />
auf. Es ist immer zwischen einer Atrophie und einer Liquorzirkulationsstörung<br />
zu differenzieren.<br />
Hirnnervenausfälle<br />
Ausfälle der Hirnnerven finden sich häufig bei Schädelbasisfrakturen, aber<br />
auch ohne Vorliegen einer Fraktur. Typischerweise betroffen ist der N. olfactorius,<br />
der in 30% der frontobasalen Frakturen geschädigt ist. Eine Spontanerholung<br />
tritt noch nach 5 Jahren ein. Außerdem häufiger betroffen sind der<br />
N. opticus sowie der N. facialis und N. vestibulocochlearis.<br />
Entzündliche Komplikationen<br />
Rezidivierende Meningitiden, Emphyseme und Abszesse kommen nach offenen<br />
Frakturen, am häufigsten nach penetrierenden Verletzungen je nach Eintrittsgeschwindigkeit,<br />
vor.<br />
Gefäßverletzungen<br />
Sekundäre Gefäßläsionen, wie Dissektion, traumatische Aneurysmen oder<br />
Carotis–Sinus–Cavernosus–Fisteln sind seltene Komplikationen.<br />
Wachsende Fraktur<br />
ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />
Diese typische Komplikation des Säuglings- und Kleinkindesalters ist mit unter<br />
1% ebenfalls selten.<br />
An dieser Stelle soll nochmals auf die Gefahr hingewiesen werden, eine relevante<br />
Mitverletzung der Halswirbelsäule zu übersehen (s. Fallbeispiel 6).
<strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong> – neurochirurgische Versorgung<br />
Fallbeispiel 6:<br />
D. Sch., 8 Jahre<br />
SHT III° 3 Wo. zuvor; extubiert ins Heimat-KH verlegt; dort nach Transport Apnoe und<br />
Strecksynergismen, CT und MRT des Schädels zeigen bifrontale Hygrome und diffuse Atropie<br />
D. Sch., 8 Jahre<br />
Instabile HWK 1/2-Luxationsfraktur, drei Wochen nach<br />
Trauma diagnostiziert, Versorgung mit Halo-Fixateur<br />
79
80<br />
Outcome<br />
<strong>Das</strong> schwere SHT führt zu typischen Langzeitfolgen, die einer ambitionierten<br />
Rehabilitation bedürfen. Insbesondere auch die soziale Reintegration junger<br />
Menschen, die ihren endgültigen Platz in der Gesellschaft noch nicht gefunden<br />
haben, ist häufig sehr problematisch. Eine Abschätzung des Schädigungsumfanges<br />
ist zudem bei jungen <strong>Kind</strong>ern, die sich in einer Phase rascher Entwicklung<br />
befunden haben, oft erst viele Jahre nach dem Trauma möglich.<br />
Langzeitfolgen<br />
• Motorische Defizite<br />
• Koordinationsstörungen<br />
• Sprach-/Kommunikationsdefizite<br />
• Kognitive Dysfunktion<br />
• Verhaltensstörungen<br />
Es gibt Prädiktoren, die entscheidend auf das Outcome einwirken:<br />
• prätraumatische Situation (psychosoziales Umfeld, schulische Situation)<br />
• Alter (schlechtes Outcome Alter < 2–10 Jahre)<br />
• SHT-Schweregrad<br />
• <strong>Das</strong> Vorliegen intracranieller Hämatome (EDH = günstiges Outcome<br />
SDH = ungünstiges Outcome)<br />
• Mittellinienverlagerung > 1cm (ungünstig)<br />
• Battered Child Syndrom (ungünstig)<br />
Literatur<br />
ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />
Kraus J.F., Rock A. et al., Brain injuries among infants, children, adolescents,<br />
and young adults. Am J Dis Child. 1990 (144): 684–691.<br />
Kraus J.F., Fife D. et al., Incidence, severity, and external causes of pediatrie<br />
brain injury. Am J Dis Child 1986 (140): 687–693.<br />
Raju T.N.K., Doshi U.V., Vidyasagar D., Cerebral perfusion pressure studies in<br />
healthy preterm and term newborn infants. J Pediatr. 1982 (100): 139–142.<br />
Duhaime A.-Ch., Luerssen T.G., Ritter A.M., Ward J.D., Forbes M.L., Kochanek P.M.,<br />
Adelson P.D. Section IV / Trauma. In: Albright A.L., Pollack I.F., Adelson P.D.
<strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong> – neurochirurgische Versorgung<br />
ed.: Principles and Practice of Pediatric Neurosurgery. New York: Thieme 1999:<br />
799–878.<br />
Leitlinie zur Primärversorgung von Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma. Wissenschaftlicher<br />
Arbeitskreis Neuroanästhesie der Deutschen Gesellschaft für<br />
Anästhesiologie und Intensivmedizin. Arbeitsgemeinschaft Intensivmedizin<br />
und Neurotraumatologie der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie.<br />
Notfallmedizin. 1997 (10): 466ff.<br />
Leitlinie SHT der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie.<br />
81
82 ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong>
Von der stationären Rehabilitation bis zur Langzeitversorgung...<br />
Von der stationären Rehabilitation bis zur<br />
Langzeitversorgung hirnverletzter und neurologisch kranker<br />
<strong>Kind</strong>er und Jugendlicher<br />
Hans Helmut Richardt<br />
<strong>Kind</strong>erklinik Unna-Königsborn<br />
Ausgangssituation für die kinderneurologische Rehabilitation<br />
Die Behandlung hirnverletzter und neurologisch kranker <strong>Kind</strong>er und Jugendlicher<br />
gehört zu den anspruchsvollsten Aufgaben für Eltern, Ärzte, Betreuer,<br />
Therapeuten und Pädagogen überhaupt. Ziel ist nach der Akutversorgung die<br />
Rehabilitation im Sinne der “Wiederbefähigung”, vor allem im Hinblick auf<br />
die Re-Integration in Familie, Schule, Beruf und soziales Umfeld. Es kommt<br />
entscheidend auf die Nahtlosigkeit der Behandlungskette an. Die bekannte<br />
Phaseneinteilung dient vor allem der leistungsrechtlichen Zuordnung, inhaltlich<br />
handelt es sich jedoch um einen nahtlosen, dynamischen Prozeß, was<br />
insbesondere für das <strong>Kind</strong>esalter gilt.<br />
Der Akutversorgung ist ein eigenes Referat gewidmet, auf das verwiesen wird.<br />
Im Bereich der stationären Rehabilitation hat sich in den letzten Jahren die<br />
Situation in Deutschland erheblich verbessert, neue Einrichtungen sind entstanden.<br />
Wenn es auch nach wie vor regionale Unterschiede in der Versorgungsdichte<br />
gibt, hat doch die Schaffung zusätzlicher Betten deutlich zur Verminderung<br />
von Kapazitätsengpässen geführt. Wartezeiten und Anfahrtswege sind<br />
kürzer geworden. Die Indikationen für eine Rehabilitation nach den Richtlinien<br />
der Unfallversicherungsträger sind Tab. 1 zu entnehmen.<br />
Tabelle 1:<br />
Indikationen zur Rehabilitationsbehandlung gemäß den<br />
Richtlinien der Unfallversicherungsträger<br />
Hirnkontusionen mit einer Bewußtlosigkeit von mehr als 24 Stunden<br />
Offene Hirnverletzungen (auch ohne Bewußtlosigkeit)<br />
Epidurale, subdurale und intrazerebrale Blutungen<br />
Hirnkontusionen mit einer posttraumatischen Bewußtseinsstörung<br />
von weniger als 24 Stunden, falls es im weiteren Verlauf zu bleibenden<br />
Ausfallserscheinungen kommt<br />
d. h. bei: – Lähmungen<br />
– Neuropsychologischen Defiziten<br />
– Hirnorganischem Psychosyndrom<br />
83
84<br />
ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />
Für die neurologische Rehabilitation im <strong>Kind</strong>es- und Jugendalter sind Besonderheiten<br />
zu beachten, die für sämtliche Phasen, also auch für ambulante<br />
Rehabilitation oder für die Nachsorge Bedeutung haben:<br />
• <strong>Kind</strong>er und Jugendliche sind keine “kleinen Erwachsenen”.<br />
• Es geht nicht nur um die Wiedergewinnung der zuvor gegebenen Fähigkeiten,<br />
sondern auch um die Wiedergewinnung des individuellen prätraumatischen<br />
Entwicklungspotentials.<br />
• Familie und psychosoziales Umfeld müssen besondere Berücksichtigung<br />
erfahren.<br />
Über die stationäre kinderneurologische Rehabilitationsarbeit, insbesondere<br />
auch über ihre beachtlichen Erfolge, ist bereits mehrfach auf Symposien des<br />
Kuratorium ZNS von berufener Seite berichtet worden. Auf eine erneute Darstellung<br />
soll daher hier verzichtet werden.<br />
Stellenwert und Voraussetzungen ambulanter kinderneurologischer<br />
Rehabilitation<br />
Im Gegensatz zur stationären Rehabilitation ist der Bedarf für ambulante neurologische<br />
Rehabilitation im <strong>Kind</strong>es- und Jugendalter nach wie vor weitgehend<br />
ungedeckt. Es gibt regional begrenzt einzelne Initiativen, über die im<br />
Rahmen dieses Symposiums auch berichtet wird. Aus kinderneurologischer<br />
Sicht fehlt es jedoch bisher an der Umsetzung eines flächendeckend wirksamen<br />
Konzepts, das diese Versorgungslücke schließen könnte. Dabei ist es<br />
schwierig, den Bedarf für ambulante Rehabilitation zu schätzen. Es gibt letztlich<br />
keine zuverlässigen epidemiologischen Daten, die Dunkelziffer ist vermutlich<br />
hoch. Vermeintlich leichte Traumen werden in ihren Langzeitfolgen<br />
nicht selten erheblich unterschätzt: Nach neuen Untersuchungen muß man<br />
bei knapp einem Drittel der <strong>Kind</strong>er mit zunächst guter Erholung später mit<br />
bedeutsamen kinderpsychiatrisch oder neuropsychologisch relevanten Auffälligkeiten<br />
rechnen. Insgesamt ist der Bedarf für ambulante kinderneurologische<br />
Rehabilitation sicher groß.<br />
Ambulante Rehabilitation kann stationäre Rehabilitation nicht ersetzen, sie<br />
kann jedoch eine effiziente Weiterbehandlung gewährleisten. <strong>Kind</strong>er werden<br />
aus der stationären Rehabilitation häufig leider sozusagen “ins Nichts” entlassen.<br />
Notwendige Therapien, die stationär in hoher Dichte durchgeführt worden<br />
sind, brechen nach Entlassung abrupt ab, weil zumindest unmittelbar<br />
keine geeigneten Therapieplätze zur Verfügung stehen. Damit ist jedoch der<br />
gesamte stationäre Rehabilitationserfolg in Frage gestellt. Wirksame ambulante<br />
Rehabilitation kann u.U. stationäre Aufenthalte verkürzen und damit<br />
helfen, Zeit und Kosten zu sparen. Ambulante Rehabilitation kann da einsetzen,<br />
wo stationäre Rehabilitation nicht notwendig oder nicht möglich ist,
Von der stationären Rehabilitation bis zur Langzeitversorgung...<br />
z.B. bei sozial belasteten Familien, für die eine lange wohnortferne stationäre<br />
Rehabilitation eine Überforderung darstellt. Nicht selten wird bisher in diesen<br />
Fällen die stationäre Rehabilitation vorzeitig abgebrochen oder unterbleibt<br />
von vornherein. Ambulante Rehabilitation kann schließlich wirksame Hilfe<br />
speziell bei der Wiedereingliederung vor Ort leisten.<br />
Für eine effizient arbeitende ambulante neurologische Rehabilitationseinheit<br />
für <strong>Kind</strong>er und Jugendliche sind folgende Forderungen aufzustellen (Tab. 2):<br />
Tabelle 2:<br />
Anforderungsprofil ambulanter neurologischer Rehabilitationseinheiten<br />
für <strong>Kind</strong>er und Jugendliche<br />
Wohnortnahe Versorgung<br />
Optimierung des individuellen Entwicklungspotentials<br />
Besondere Berücksichtigung psychosozialer Gesichtspunkte und des<br />
familiären Umfeldes<br />
Zusammenarbeit im multiprofessionellen Team<br />
Leitung des Teams durch einen <strong>Kind</strong>erarzt mit hoher kinderneurologischer<br />
Zusatzqualifikation und Erfahrung in der Rehabilitation<br />
Wissenschaftliche Begleitung<br />
Kosteneinsparung durch Nutzung bereits bestehender Strukturen<br />
Ambulante Rehabilitation muß wohnortnah erfolgen. Dabei ist Wohnortnähe<br />
immer abzuwägen gegen Spezialisierung und Differenzierung. Man muß also<br />
einen geeigneten Kompromiß finden. Es geht darum, das individuelle Entwicklungspotential<br />
eines jeden Patienten optimal zu nutzen. Psychosoziale<br />
Gesichtspunkte und das familiäre Umfeld müssen besondere Berücksichtigung<br />
erfahren. Diese Aufgabe ist nur im multiprofessionellen Team zu leisten. Dieses<br />
Team muß wie bei der stationären Rehabilitation unter der Leitung eines<br />
besonders neuropädiatrisch qualifizierten <strong>Kind</strong>erarztes stehen, der zusätzlich<br />
über umfangreiche rehabilitationsmedizinische Erfahrungen verfügt. Ambulante<br />
Rehabilitation sollte unbedingt wissenschaftlich begleitet werden, da es<br />
an Langzeitergebnissen mangelt. Die Planung ambulanter Rehabilitationseinheiten<br />
sollte sich in Zeiten knapper Kassen möglichst an bereits bestehenden<br />
Strukturen orientieren: Dort sollten auch bereits entsprechende Erfahrungen<br />
bestehen. Solche Einrichtungen verfügen meist über ein differenziertes<br />
Leistungsangebot, das man nur entsprechend erweitern und nicht von<br />
Grund auf neu aufbauen muß. So lassen sich Synergieeffekte und die Erfahrungen<br />
qualifizierten Fachpersonals nutzen, das nicht überall und unbegrenzt<br />
85
86<br />
verfügbar ist. Für diese Aufgabe kommen aus Sicht des Unterzeichners in<br />
erster Linie die Sozialpädiatrischen Zentren in Betracht, die mit einer Anzahl<br />
von etwa 100 in Deutschland inzwischen ein in weiten Teiles des Landes<br />
nahezu flächendeckendes Netz bilden.<br />
Charakteristika Sozialpädiatrischer Zentren (Tab. 3)<br />
Tabelle 3:<br />
Charakteristika Sozialpädiatrischer Zentren im Verhältnis zu anderen<br />
pädiatrischen Institutionen<br />
Interdisziplinarität<br />
Hoher Anteil an psychotherapeutischen/psychosozialen und<br />
rehabilitativen Interventionen<br />
Einbeziehung der Familie in die Therapie als konzeptioneller<br />
Schwerpunkt<br />
Organmedizinisch orientierte und medizinisch-technische<br />
Interventionen nicht im Vordergrund<br />
<strong>Kind</strong>heitslange Betreuung bis ins Jugendalter<br />
Schnittstelle zwischen klinischer Pädiatrie, pädiatrischer Rehabilitation<br />
und öffentlichem Gesundheitsdienst<br />
Vernetzung mit nichtärztlichen Diensten in großem Umfang,<br />
Erfordernis eines hohen Organisationsaufwandes<br />
nach Schlack 1998<br />
ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />
Sozialpädiatrische Zentren sind teils an größere <strong>Kind</strong>erkliniken oder kinderneurologische<br />
Spezialkliniken angegliedert, teils auch organisatorisch völlig<br />
eigenständig.<br />
Sie haben einen gesetzlichen Auftrag zur ambulanten Krankenversorgung und<br />
arbeiten interdisziplinär im Rahmen eines multiprofessionellen Teams. Dieses<br />
Team muß durch einen besonders erfahrenen <strong>Kind</strong>erarzt mit kinderneurologischer<br />
und kinderpsychiatrischer oder psychotherapeutischer Zusatzqualifikation<br />
geleitet werden. Sozialpädiatrische Zentren haben einen hohen<br />
Anteil an psychotherapeutischen/psychosozialen und rehabilitativen Interventionen.<br />
Einen konzeptionellen Schwerpunkt bildet die Einbeziehung der<br />
Familie in die Therapie. Sozialpädiatrische Zentren betreuen kindheitslang<br />
bis ins Jugendalter. Sie stellen eine Schnittstelle zwischen klinischer Pädiatrie,<br />
pädiatrischer Rehabilitation und dem öffentlichen Gesundheitsdienst mit seinen<br />
präventiven Aufgaben dar. Ihre Arbeit ist notwendigerweise Netzwerk-
Von der stationären Rehabilitation bis zur Langzeitversorgung...<br />
arbeit, wobei der Kontakt zu den niedergelassenen Ärzten, zu Therapeuten,<br />
Pädagogen und nichtärztlichen Diensten und Institutionen besonders wichtig<br />
ist. Dies erfordert einen hohen Organisationsaufwand.<br />
Sozialpädiatrische Zentren dürfen qua Gesetz nur diejenigen Patienten behandeln,<br />
die nach Art und Schwere ihrer Erkrankung nicht von niedergelassenen<br />
Ärzten oder Frühförderstellen ausreichend behandelt werden können.<br />
Sozialpädiatrische Zentren widmen sich überwiegend <strong>Kind</strong>ern und Jugendlichen<br />
mit Behinderungen und Entwicklungsstörungen verschiedener Art.<br />
Aus dem Vergleich des Anforderungsprofils an eine effizient ambulant arbeitende<br />
kinderneurologische Rehabilitationseinheit mit den dargestellten<br />
Charakteristika Sozialpädiatrischer Zentren werden bereits weitgehende Übereinstimmungen<br />
erkennbar. Bereits auf dem Symposium des Kuratoriums ZNS:<br />
“Schädelhirnverletzungen bei <strong>Kind</strong>ern und Jugendlichen: <strong>Prävention</strong>, Rehabilitation,<br />
Re-Integration” in Düsseldorf im Oktober 1997 hatte der Unterzeichner<br />
zunächst begrenzt auf Nordrhein-Westfalen eine Konzeption zur<br />
Übernahme der ambulanten neurologischen Rehabilitationsaufgaben durch<br />
die Sozialpädiatrischen Zentren des Landes vorgestellt. Die Übernahme dieser<br />
personalintensiven und kostenaufwendigen Zusatzaufgabe ist allerdings keinesfalls<br />
ohne Bereitstellung zusätzlicher Mittel möglich. Eine schon vor etwas<br />
längerer Zeit unter den SPZ in NRW durchgeführte Umfrage ergab, daß die<br />
Mehrzahl der Sozialpädiatrischen Zentren Nordrhein-Westfalens in der Lage<br />
und auch bereit wären, diese zusätzliche Aufgabe zu übernehmen, allerdings<br />
nur bei Bereitstellung zusätzlicher Mittel für Personal- und Sachkosten, teils<br />
auch für bauliche Veränderungen. Die Bereitstellung zusätzlicher Mittel für<br />
die Aufgabe der ambulanten kinderneurologischen Rehabilitation ist jedoch<br />
nach Kenntnis des Unterzeichners bisher in keinem der ca. 100 Sozialpädiatrischen<br />
Zentren in Deutschland realisiert. Darauf ist es wohl vor allem<br />
zurückzuführen, daß dieses Konzept zwar inzwischen über die Grenzen Nordrhein-Westfalens<br />
hinaus Beachtung gefunden hat, jedoch bisher in keinem<br />
Bundesland konsequent umgesetzt wurde. Im Bereich der ambulanten kinderneurologischen<br />
Rehabilitation klafft somit unverändert eine große Versorgungslücke,<br />
die gegenwärtig nicht geschlossen werden kann.<br />
Ergänzende stationäre Behandlungsangebote Sozialpädiatrischer<br />
Zentren<br />
Der gesetzlich zugewiesene Aufgabenschwerpunkt Sozialpädiatrischer Zentren<br />
liegt im Bereich ambulanter Betreuung. Manche Sozialpädiatrische Zentren<br />
verfügen ergänzend über stationäre Behandlungsangebote, die in besonderen<br />
Fällen unentbehrlich sind: Als Beispiel sind mögliche Indikationen für eine<br />
stationäre Aufnahme im Kurzzeitbereich der <strong>Kind</strong>erklinik Königsborn in Unna<br />
in Tab. 4 aufgeführt.<br />
87
88<br />
Tabelle 4:<br />
Mögliche Indikationen zur stationären Aufnahme im Kurzzeitbereich<br />
der <strong>Kind</strong>erklinik Königsborn in Unna<br />
Diagnostik und medikamentöse Neueinstellung bei therapieschwieriger<br />
Epilepsie<br />
Multitherapeutische Evaluation bei Retardierung bzw. gravierenden<br />
Entwicklungsproblemen<br />
Intensivierung therapeutischer Maßnahmen bei<br />
Mehrfachbehinderungen<br />
ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />
Diagnostik bei ätiologisch ungeklärten kinderneurologischen<br />
Erkrankungen<br />
Rehabilitation nach Erkrankungen oder Verletzungen des Nervensystems<br />
im Rahmen von Krankenhausbehandlung<br />
Eine stationäre Aufnahme kommt nur dann in Betracht, wenn eine<br />
ambulante Untersuchung/Behandlung nicht ausreichend ist.<br />
Personelle Kontinuität und besondere inhaltliche Verzahnung von stationärem<br />
und ambulantem Behandlungsangebot haben zum Ziel, die Dauer eines<br />
notwendigen stationären Aufenthaltes so kurz wie nur möglich zu gestalten.<br />
Aspekte der Langzeitversorgung: Exemplarische Darstellung der Arbeit<br />
des Langzeitbereichs für schwer mehrfach behinderte <strong>Kind</strong>er und<br />
Jugendliche in der <strong>Kind</strong>erklinik Königsborn in Unna<br />
In der Rehabilitationskette soll auf die neurologische Rehabilitationsbehandlung<br />
die Re-Integration in das familiäre, schulische, berufliche und soziale<br />
Umfeld folgen. Immer wenn es möglich ist, wird man die Wiedereingliederung<br />
in die Familie anstreben.<br />
Anderenfalls muß eine Aufnahme in einer geeigneten Institution erfolgen,<br />
die eine stationäre Langzeitbetreuung gewährleisten kann. Exemplarisch soll<br />
die Arbeit des Langzeitbereichs der <strong>Kind</strong>erklinik Königsborn in Unna kurz<br />
dargestellt werden:<br />
Die <strong>Kind</strong>erklinik Königsborn umfaßt 90 Betten auf 4 Stationen. Eine Station<br />
mit 18 Betten ist als Aufnahmestation dem Kurzzeitbereich zugeordnet, der<br />
besonders eng personell und inhaltlich mit dem Sozialpädiatrischen Zentrum<br />
verzahnt ist (s.o.). Der Langzeitbereich umfaßt 72 Betten auf 3 Stationen für<br />
ausschließlich schwer mehrfach behinderte <strong>Kind</strong>er und Jugendliche. Kurzzeit-<br />
und Langzeitbereich ergeben zusammen mit dem Sozialpädiatrischen
Von der stationären Rehabilitation bis zur Langzeitversorgung...<br />
Zentrum ein abgestuftes und einander komplementär ergänzendes ambulantes<br />
und stationäres Versorgungssystem zur Behandlung behinderter und von<br />
Behinderungen bedrohter <strong>Kind</strong>er und Jugendlicher. Der Einzugsbereich ist<br />
überregional.<br />
Im Langzeitbereich der Klinik können mit besonderer Intensität medizinische,<br />
pflegerische, therapeutische, pädagogische und psychosoziale Maßnahmen<br />
miteinander verbunden und zu einer Einheit zusammengefügt werden.<br />
Die hier betreuten <strong>Kind</strong>er und Jugendliche sind so schwer erkrankt, daß<br />
Ihnen jederzeit ohne Umwege und Wartezeiten die spezialisierten medizinischen<br />
Maßnahmen einer kinderneurologischen Fachklinik zur Verfügung<br />
stehen müssen. In aller Regel können diese Patienten nur mit Hilfe dieses<br />
spezifischen Angebots überhaupt überleben. Andererseits bildet die Klinik für<br />
diese <strong>Kind</strong>er häufig über Jahre, ja oft bis zum Tod ihr Zuhause, so daß psychologische<br />
Betreuung der Patienten und ihrer Angehörigen, therapeutische,<br />
pädagogische und psychosoziale Betreuung, vor allem auch eine besondere<br />
persönliche Atmosphäre, in der sich die <strong>Kind</strong>er wohl fühlen können, ganz<br />
besonders wichtig sind.<br />
Im einzelnen umfaßt das diagnostische und therapeutische Angebot im multiprofessionellen<br />
Team:<br />
• Medizinische Behandlung mit den Schwerpunkten Pädiatrie, <strong>Kind</strong>erneurologie<br />
und Sozialpädiatrie<br />
• Pflege<br />
• Psychologische Betreuung<br />
• Krankengymnastik<br />
• Ergotherapie<br />
• Sprachtherapie bzw. Logopädie<br />
• Heilpädagogik<br />
• Sozialer Dienst<br />
• Schulische Betreuung in der hauseigenen Sonderschule<br />
• Zusammen mit dem SPZ und der Kurzliegerstation können die besonderen<br />
diagnostischen Möglichkeiten der Klinik im Bereich des Neurophysiologischen<br />
Labors genutzt werden: EEG, Video-Doppelbildaufzeichung,<br />
Langzeit-EEG, Evozierte Potentiale u.a. zu objektiven Hör- und Sehprüfungen,<br />
Elektromyographie und weitere spezielle neurophysiologische<br />
Untersuchungsmethoden.<br />
89
90<br />
Die Finanzierung der stationären Behandlungen im Langzeitbereich erfolgt je<br />
nach Stadium und akuter Verschlechterung der Grundkrankheit teils durch<br />
die Krankenkassen, teils durch die überörtlichen Sozialhilfeträger, seit kurzem<br />
auch zu einem kleineren Anteil durch die Pflegekassen. Der Finanzierung ist<br />
auf diesem Symposium ein eigenes Referat gewidmet, worauf an dieser Stelle<br />
verwiesen wird. Nach wie vor ungelöste Finanzierungsprobleme haben zur<br />
Folge, daß die diagnostische und therapeutische Kapazität im Langzeitbereich<br />
der <strong>Kind</strong>erklinik Königsborn als derzeit noch nicht ausreichend anzusehen<br />
ist.<br />
Die folgenden Angaben über Erkrankungsspektrum und Therapieziele gründen<br />
sich auf eine vom Unterzeichner konzipierte computerunterstützte Analyse,<br />
die 1996 durchgeführt wurde:<br />
Alle Patienten im Langzeitbereich der <strong>Kind</strong>erklinik Königsborn waren schwerst<br />
mehrfachbehindert.<br />
Die Ursachen der Mehrfachbehinderungen verteilten sich wie folgt:<br />
– 38% Folgezustände nach frühkindlichen Hirnschädigungen<br />
– 14% ehemalige Frühgeborene, davon 8% extreme Frühgeborene unter<br />
1000g Geburtsgewicht<br />
– 17% der <strong>Kind</strong>er litten unter Folgen eines Unfalls, hauptsächlich eines<br />
Verkehrs- oder Ertrinkungsunfalls,<br />
– 11% hatten in der Vergangenheit eine Enzephalitis<br />
ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />
– Bei 20% waren angeborene Hirnfehlbildungen oder nicht behandelbare<br />
Stoffwechselerkrankungen des Nervensystems die Ursache der Behinderung.<br />
Alle <strong>Kind</strong>er hatten eine Epilepsie, bei zwei Drittel war diese Epilepsie therapieresistent,<br />
d.h. auch nicht mit den heutigen modernen medikamentösen Mitteln<br />
befriedigend beherrschbar. Epilepsiechirurgische Maßnahmen kommen<br />
für diese Patienten in aller Regel nicht in Betracht. Die medikamentöse Einstellung<br />
erfordert ein besonderes “Fingerspitzengefühl”, häufig besteht ein<br />
hoher epileptologischer Überwachungsbedarf, um lebensbedrohliche Epilepsie-Staten<br />
zu vermeiden.<br />
Neben der Epilepsie hatten alle <strong>Kind</strong>er eine schwere Cerebralparese: Kein <strong>Kind</strong><br />
konnte frei laufen, die meisten noch nicht einmal frei sitzen, über die Hälfte<br />
war völlig immobil, oft mit schwersten Kontrakturen und Wirbelsäulen-<br />
Skoliosen.
Von der stationären Rehabilitation bis zur Langzeitversorgung...<br />
Alle <strong>Kind</strong>er waren schwer geistig behindert, nur wenige konnten überhaupt<br />
einige Worte sprechen. 94% der Patienten hatten keine Möglichkeit, verbal<br />
mit ihrer Umwelt zu kommunizieren, über die Hälfte konnte sich noch nicht<br />
einmal durch Gesten verständlich machen, 11% der <strong>Kind</strong>er waren vollständig<br />
apallisch im Sinne der Definition dieses Begriffs.<br />
Über ein Drittel der <strong>Kind</strong>er hatte zusätzlich eine starke Sehbehinderung, 11%<br />
waren zusätzlich noch schwerhörig.<br />
Bei knapp zwei Drittel der Patienten bestanden zusätzlich schwere Verhaltensstörungen,<br />
vor allem in Form von Schreiphasen, Schlafstörungen und<br />
Unruhe.<br />
Bei vielen Patienten waren intern-pädiatrische Probleme und Komplikationen<br />
zu verzeichnen, die teilweise rasches Eingreifen erfordern: Ernährungsstörungen,<br />
Temperaturregulationsstörungen, Störungen des Wasser- und<br />
Elektrolythaushalts, pathologische Frakturen durch Osteoporose bei Immobilität,<br />
Lungenentzündungen, Sekretstau durch zunehmende Verschleimung der<br />
Atemwege seien nur beispielhaft erwähnt. Die meisten dieser Probleme können<br />
in der Klinik selbst, teilweise in Zusammenarbeit mit umliegenden Kliniken<br />
und Konsiliarärzten behandelt werden. Über akute Reanimationsmaßnahmen<br />
hinaus ist eine Beatmung der Patienten allerdings nicht möglich: Ist<br />
diese erforderlich, muß das <strong>Kind</strong> in eine benachbarte <strong>Kind</strong>erklinik verlegt werden.<br />
Für jeden Patienten wird individuell ein ganzheitliches Behandlungskonzept<br />
entwickelt und im multiprofessionellen Team abgestimmt. Wichtig ist für die<br />
Patienten vor allem auch körperliche und emotionale Zuwendung durch die<br />
Bezugspersonen, die vielfach die Rolle der Eltern übernehmen.<br />
Es ergeben sich folgende Haupt-Therapieziele:<br />
• Erhaltung und Stabilisierung der vitalen Funktionen<br />
• Optimierung der Epilepsie-Therapie<br />
• Verminderung der Spastik, Vermeidung oder Besserung von Kontrakturen<br />
• Förderung der Motorik<br />
• Förderung von Selbständigkeit (z.B. Eßtherapie, Anbahnung von Stuhlund<br />
Urinkontrolle)<br />
• Förderung der Wahrnehmung in sämtlichen Bereichen<br />
• Sprach- und Kommunikationsanbahnung<br />
• Vermeidung und Behandlung von Sekundärkomplikationen<br />
91
92<br />
• Linderung von Schmerzen<br />
• Psychische Stabilisierung und Entspannung<br />
• Schaffung einer Atmosphäre, in der sich das <strong>Kind</strong> wohl fühlt<br />
Die Abstimmung und Integration sämtlicher Maßnahmen ist besonders<br />
wichtig.<br />
Zusammenfassung und Ausblick<br />
Im Rahmen dieses Beitrags ist es nicht möglich, einen vollständigen Überblick<br />
über sämtliche Glieder der Behandlungskette in der umfassenden Betreuung<br />
hirnverletzter und neurologisch kranker <strong>Kind</strong>er und Jugendlicher zu<br />
vermitteln. Einige Strukturen konnten daher nur erwähnt oder an Hand von<br />
Beispielen dargestellt werden. Während in der Behandlungskapazität für Akutversorgung<br />
und stationäre Rehabilitation hirnverletzter und neurologisch kranker<br />
<strong>Kind</strong>er und Jugendlicher in den letzten Jahren in Deutschland große Fortschritte<br />
erzielt werden konnten, klaffen nach wie vor große Versorgungslücken<br />
in der ambulanten Rehabilitation, in der Nachsorge und in der Langzeitbetreuung.<br />
Diese Lücken können gegenwärtig nicht geschlossen werden,<br />
sie gefährden unter Umständen den gesamten stationären Behandlungserfolg<br />
mit den bekannten negativen Auswirkungen für den Patienten und seine Familie.<br />
Eine weitere negative Folge ist auch die Verursachung zusätzlicher, vermeidbarer<br />
und damit letztlich unnötiger Kosten. Andererseits ließe sich mit<br />
tragfähigen Konzepten in den erwähnten Bereichen die Re-Integration auch<br />
eines schwerbehinderten <strong>Kind</strong>es viel leichter realisieren, als es heute noch der<br />
Fall ist. Gerade in Zeiten knapper Ressourcen ist das Zusammenwirken sämtlicher<br />
Beteiligter gefragt, um diese Versorgungslücken zu schließen.<br />
Auch mit einer Verbesserung des ambulanten Rehabilitationsangebotes wird<br />
nicht in allen Fällen eine Re-Integration des <strong>Kind</strong>es in seine Familie und das<br />
gewohnte soziale Umfeld zu erreichen sein. In diesen Fällen muß die Unterbringung<br />
in einer geeigneten Langzeit-Institution erfolgen. Die Verantwortung<br />
der Gesellschaft darf hier nicht enden, vielmehr haben gerade diese <strong>Kind</strong>er<br />
und Jugendliche Anspruch auf eine angemessene integrierte Behandlung<br />
und Betreuung mit denjenigen Mitteln, die moderne Medizin, Pflege, Therapie<br />
und Pädagogik zur Verfügung stellen.<br />
Literatur beim Verfasser<br />
ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong>
Ein Patientenschicksal<br />
Ein Patientenschicksal<br />
Hans Weber<br />
Leimersheim<br />
In zehn Minuten soll ich Ihnen unser Schicksal, das uns nun schon fast<br />
14 Jahre begleitet, erzählen. Ich könnte Ihnen eher 14 Jahre lang erzählen.<br />
Um dennoch mit meinen Auszügen unsere Situation etwas rüberbringen zu<br />
können, habe ich einige Filmausschnitte zusammengestellt, die Sie parallel zu<br />
meinem Vortrag optisch verfolgen können.<br />
In genau 15 Tagen jährt sich der Unfall unserer Sohnes Raphael zum 14. Male.<br />
Am 1. April 1985 wurde unser damals 3 1/2-jähriges <strong>Kind</strong> von einem Auto<br />
angefahren. Direkt vor unserer Haustür, als er, von einem Spielplatz kommend,<br />
über die Straße sprang. Seine Hauptverletzung war ein schweres Schädel-Hirntrauma,<br />
wodurch auch sein Atemzentrum in Mitleidenschaft gezogen wurde.<br />
Nach sechs Wochen mußte ihm ein Shunt-Ventil gelegt werden. Bis dahin<br />
befand er sich im tiefen Koma. Danach öffnete er die Augen, war aber noch<br />
lange Zeit im apallischen Durchgangssyndrom und mußte ständig beatmet<br />
werden. Etwa drei Monate nach dem Unfall wurde uns von einem Arzt<br />
geraten, keine Medikamente mehr zu geben, womit er die passive Sterbehilfe<br />
einleiten wollte, obwohl der Chefarzt der Klinik Raphael schon damals Reaktionen<br />
bescheinigte.<br />
Raphael konnte durch die fehlende Spontanatmung nicht in einer Rehabilitations-Klinik<br />
aufgenommen werden. Von gut hundert Adressen bekamen wir<br />
eine Absage. Per Zufall erfuhren wir von einem transportablen Atemgerät,<br />
was uns zur Entscheidung, Raphael nach Hause zu nehmen, gebracht hatte.<br />
Allerdings mußten wir als Eltern aktiv werden und den Ärzten die Geräte besorgen.<br />
Glücklicherweise konnten wir die räumlichen Voraussetzungen in<br />
unserem Wohnhaus erfüllen. Fast ein Jahr lang hatten die Vorbereitungen,<br />
wie z.B. einen Fahrstuhl an unser Haus anbringen, gedauert, bis Raphael erstmals<br />
wieder nach Hause zur Familie konnte. Bis dahin war Raphael vier Jahre<br />
und drei Monate auf der Intensivstation einer <strong>Kind</strong>erklinik, nahezu ohne<br />
Rehabilitation, medizinisch und pflegerisch versorgt worden.<br />
Die Versorgung zu Hause wurde anfangs mit zwei Zivildienstleistenden, inzwischen<br />
mit drei hauptberuflichen Pflegekräften durchgeführt. Nach mehrjährigem<br />
Kampf um die Finanzierung dieser häuslichen Versorgung erkannte<br />
unsere Krankenkasse eine Einzelfallregelung nach SGB V § 37 Abs. 1 an, nachdem<br />
durch die häusliche Versorgung Raphael’s normalerweise notwendiger<br />
Krankenhausaufenthalt vermieden wird.<br />
93
94<br />
ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />
Wir legten von Anfang an großen Wert darauf unseren Sohn zuhause nicht<br />
nur zu pflegen, sondern auch zu therapieren, um ihn so weiter zu rehabilitieren.<br />
So kann Raphael inzwischen bis zu zwölf Stunden täglich selbständig<br />
atmen, pürierte Nahrung essen, die notwendige Flüssigkeit trinken, konnte<br />
seine Wahrnehmung und sein Verständnis enorm verstärken, kurzum seine<br />
Lebensqualität erheblich steigern.<br />
Die größten Schwierigkeiten während der neun Jahre, die Raphael nun schon<br />
wieder zu Hause verbringt, bestanden und bestehen nicht im Umgang mit<br />
Raphael selbst, sondern im Umgang mit Behörden und Kostenträgern sowie<br />
im Finden geeigneter Helfer. Nachdem der MDK den beatmeten schwersthirngeschädigten<br />
Jungen, der alleine nichts tun und sich auch nicht äußern<br />
kann, mehrfach in die Pflegestufe II einordnen wollte, erhielten wir vor Kurzem<br />
sogar den Einberufungsbescheid zum Dienst am Vaterland, um nur eine<br />
der Kuriositäten zu nennen, die uns Eltern von einem Schwerstbehinderten<br />
begegneten.<br />
Leider gab es bereits zwei Jahre, nachdem Raphael zu Hause war, zu wenig<br />
Zivis für diese Art der Schwerstbehinderten-Betreuung. Jetzt zeigte es sich, wie<br />
schwer es ist, geeignete Kräfte zu erhalten. Hilfskräfte, die noch nicht oder<br />
nur wenig mit Menschen gearbeitet haben, sind nach kurzer Zeit überfordert,<br />
beruflichen Kräften fehlt die Aufstiegschance und der Kontakt mit Kollegen.<br />
Die Fluktuation der Pflegekräfte ist enorm hoch. Eine Rund-um-die-Uhr-<br />
Betreuung von Raphael durch Hilfskräfte war daher in den über neun Jahren<br />
niemals möglich gewesen.<br />
Wir Eltern mußten die ganzen Jahre die Nachtbetreuung übernehmen und<br />
auch am Tage mithelfen. Ein weiteres großes Problem, mit dem wir tagtäglich<br />
und nächtlich fertig werden mußten, ist die ständige Anwesenheit fremder<br />
Personen im Familienkreis. In den nun fast 10 Jahren, seit Raphael zuhause<br />
versorgt wird, habe ich bestimmt schon über 50 Arbeitsverträge für Pflegehilfskräfte,<br />
Therapeuten, Pädagogen oder Altenpflegehelferinnen unterzeichnet.<br />
In der dringenden Not mußten wir auch Hausfrauen, Fliesenleger oder<br />
Schreiner einstellen, die mangels Qualifikation für diese Arbeit nicht geeignet<br />
waren und daher nach kurzer Zeit wieder gingen oder gehen mußten.<br />
Auf der Suche nach Tips und Hinweisen, wie wir mit unserem <strong>Kind</strong> qualitativ<br />
und effektiv therapeutisch umgehen sollen, stießen wir auf die Glenn-Doman-<br />
Therapie. Nicht rein aus Überzeugung, daß nur die Doman-Therapie das Allheilmittel<br />
wäre, flogen wir zu einem Grundkurs nach Philadelphia in die USA<br />
und fuhren mit unserem Raphael bisher insgesamt 10 Mal nach Wales in Großbritannien.<br />
Diese Aufenthalte waren für uns insbesondere deswegen sehr hilfreich,<br />
weil wir ein auf unseren Sohn hin zugeschnittenes ganzheitliches
Ein Patientenschicksal<br />
Therapie- und Pflegeprogramm ausgearbeitet bekommen haben. In Deutschland<br />
gab es eine solche Möglichkeit nicht. Heute glauben wir, daß wir die<br />
dortige Hilfe nicht mehr benötigen, da wir uns zwischenzeitlich ein hohes<br />
Fachwissen, speziell im Falle unseres Sohnes, aneignen konnten. Die Auslandsfahrten<br />
haben wir auch alle selbst organisiert, ohne irgendwelche Hilfen aus<br />
dem sozialen oder finanziellen Bereich. Auch die Verantwortung bezüglich<br />
des Gesundheitsrisikos von Raphael während der über 16-stündigen Fahrt mit<br />
Überfahrt auf der Fähre hatte niemand mitgetragen.<br />
Um anderen Betroffenen mit ähnlichem Schicksal frühzeitig über die Gesamtproblematik<br />
zu informieren, entschlossen wir uns vor sieben Jahren in unserem<br />
Fachverlag, der sich bis dato mit der Thematik Heimtiere im Zoofachhandel<br />
beschäftigte, auch eine Fachzeitschrift für Schädel-Hirnverletzte und Schlaganfallpatienten<br />
herauszugeben. So können wir stets unsere neuen Erfahrungen<br />
und Informationen der ständig wechselnden Betroffenengruppe näher<br />
bringen.<br />
Früher oder später stößt jeder an seine Grenzen. Nach nun fast zehn Jahren<br />
Versorgung rund um die Uhr, Tag und Nacht, werktags und sonntags, nahezu<br />
keinem Urlaub, Ängsten, Sorgen und großem Ärger sind diese Grenzen bei<br />
uns nun nicht nur erreicht, sondern weit überschritten. Dies fällt zwangsläufig<br />
auch auf unsere Gesundheit, auf die qualitative Versorgung unseres Raphael’s<br />
und unsere anderen <strong>Kind</strong>er zurück. Die Lösung wäre eine wohnortnahe Einrichtung<br />
für beatmete Menschen, in der Raphael sich wohlfühlen könnte.<br />
Seit Jahren sind wir diesbezüglich mit dem rheinland-pfälzischen Sozialministerium<br />
im Gespräch. Grundsätzlich zeigt man sich dort auch an dem Thema<br />
interessiert, nur an der Umsetzung hat es bisher gehapert. Wie fast in allem<br />
geht es ums Geld. Wer soll eine Versorgungsstätte für Menschen mit maschineller<br />
Atemhilfe finanzieren? Gelten diese Menschen als Kranke, die ärztliche<br />
Hilfe und Behandlungspflege benötigen? Oder fallen diese Betroffenen in der<br />
Langzeitversorgung bereits in die Schublade der Pflegeversicherung? Fragen,<br />
die durch die Gesetzesformulierung nicht eindeutig zu klären sind.<br />
Bei einer Befragung unter den Anbietern von mobilen Beatmungsgeräten, die<br />
wir vor ca. einem Jahr durchgeführt haben, konnten wir feststellen, daß in<br />
Deutschland von diesen Firmen rund 3.000 Menschen mit einer Beatmungsmaschine<br />
ausgestattet sind. Wer also nach dem Bedarf fragt, um die Größe<br />
eines Vorsorgungszentrums für beatmete Menschen planen zu wollen, dem<br />
sage ich, daß sich diese Frage nicht stellt, solange nicht mal eine qualifizierte<br />
Gruppe initiiert wurde.<br />
Ich würde mich sehr freuen, wenn von Ihnen, meine sehr verehrten Damen<br />
und Herren, auch die Bereitschaft gezeigt würde, an der Umsetzung einer Lang-<br />
95
96<br />
zeitversorgung von hirnverletzten Menschen mit maschineller Beatmung<br />
mitzuarbeiten. Gerne stelle ich, gemeinsam mit meiner Frau, unser Knowhow,<br />
das wir uns zwischenzeitlich aneignen konnten, bei der Planung einer<br />
derartigen Betreuungsgruppe zur Verfügung.<br />
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.<br />
ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />
Hans Weber<br />
Raphael Weber
Langzeitversorgung beatmungspflichtiger Patienten<br />
Langzeitversorgung beatmungspflichtiger Patienten<br />
Angelika Bockelbrink<br />
<strong>Stiftung</strong> Pfennigparade, München<br />
Unser Rehabilitationszentrum betreut beatmete Patienten ab dem dritten Lebensjahr.<br />
Darunter befinden sich auch <strong>Kind</strong>er mit Zustand nach Schädelhirntrauma,<br />
zum Teil mit zusätzlichen schweren Behinderungen wie hoher Querschnittlähmung.<br />
Hierfür werden je nach Indikation die verschiedensten Beatmungsmethoden<br />
wie Atemmasken, Trachealbeatmung und Zwerchfellschrittmacher eingesetzt.<br />
Die adäquate Hilfsmittelausstattung sowie die erforderliche Überwachung der<br />
beatmeten <strong>Kind</strong>er und gegebenenfalls die Adaption an veränderte Verhältnisse,<br />
z. B. bei Infekten oder Wachstum werden dargestellt.<br />
Zur Beatmungstherapie gehört gleichrangig neben der Medizin das Management<br />
der Auswirkungen auf die Alltagssituation (zu Hause, in der Schule, nächtliche<br />
Versorgung).<br />
Abschließend wird auf das grenzwertig ateminsuffiziente <strong>Kind</strong> als Problemfall<br />
mit besonderen Risiken eingegangen.<br />
97
98 ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong>
<strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong> – betreutes Wohnen und Heimpflege<br />
<strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong> – betreutes Wohnen<br />
und Heimpflege<br />
Gernot Steinmann<br />
<strong>Stiftung</strong> Pfennigparade, München<br />
Warum braucht ein atemgelähmtes <strong>Kind</strong> eine Regenjacke?<br />
Diese Frage richtete vor einigen Jahren das Jugendamt Gießen an die Gruppenleitung<br />
unserer Gruppe für atemgelähmte und <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong>er,<br />
die für ein junges Mädchen dort den Antrag auf Kleiderbeihilfe nach dem<br />
Sozialhilfegesetz gestellt hatte.<br />
Als Antwort darauf haben wir damals 3 Bilder aus dem Alltag unserer <strong>Kind</strong>ergruppe<br />
geschickt, um dem dortigen Sachbearbeiter einen Eindruck zu vermitteln,<br />
wie der Alltag unserer Intensivfördergruppe für atemgelähmte <strong>Kind</strong>er<br />
gestaltet ist.<br />
Vor nunmehr 25 Jahren hat die <strong>Stiftung</strong> Pfennigparade in München mit der<br />
Rehabilitation <strong>schädelhirnverletzte</strong>r und dauerbeatmeter <strong>Kind</strong>er, Jugendlicher<br />
und junger Erwachsener außerhalb der Intensivstation einer Klinik begonnen.<br />
Heute leben 20 dauerbeatmete <strong>Kind</strong>er, Jugendliche und junge Erwachsene in<br />
betreuten Wohngemeinschaften der <strong>Stiftung</strong>, in sogenannten Intensiv-Fördergruppen,<br />
besuchen tagsüber unsere Schulen oder machen eine Ausbildung<br />
bzw. arbeiten in unseren Dienstleistungsunternehmen.<br />
Die <strong>Stiftung</strong> Pfennigparade selbst ist eine der größten Rehabilitationseinrichtungen<br />
im süddeutschen Raum, ausgerichtet für körperbehinderte<br />
Menschen jeglichen Alters.<br />
In unseren Schulen, <strong>Kind</strong>ergärten, Wohnbereichen, Mietwohnungen,<br />
Ausbildungs- und Arbeitsstätten beschäftigen, fördern, bilden und betreuen<br />
wir über 1000 schwerkörperbehinderte Menschen.<br />
Trotz dieser langjährigen Erfahrung ist die Arbeit mit <strong>schädelhirnverletzte</strong>n<br />
und dauerbeatmeten <strong>Kind</strong>ern und Jugendlichen jeden Tag für alle Beteiligten<br />
eine neue Herausforderung.<br />
Anhand zweier Einzelschicksale von Annette – heute 16 Jahre alt – und von<br />
Franko – heute 22 Jahre alt – möchte ich Ihnen kurz darstellen, welcher Personenkreis<br />
in diesen Intensivfördergruppen Aufnahme findet:<br />
99
100<br />
ANNETTE – geb. 22.2.1983<br />
Verunglückt durch Autounfall im Alter von 4 Jahren (18.3.87) beim Überqueren<br />
der Straße.<br />
Diagnose: Zustand nach Schädel-Hirn-Trauma<br />
C1/C2 inkomplett mit Atemlähmung.<br />
Motorisch, sensibel inkomplette<br />
rechtsbetonte spastische Tetraparese.<br />
Beatmungspflichtige Ateminsuffizienz<br />
Sozial-Anamnese: 2. <strong>Kind</strong> einer alleinerziehenden Mutter.<br />
Älteres Geschwisterkind nach Geburt<br />
zur Adoption freigegeben.<br />
Mutter verkraftet Unfall nicht und bricht 3 Jahre<br />
nach dem Unfall den Kontakt zum <strong>Kind</strong> komplett ab.<br />
Tante übernimmt Pflegschaft,<br />
Jugendamt übernimmt Vermögenspflegschaft.<br />
Aufnahme in die Intensivfördergruppe der <strong>Stiftung</strong> Pfennigparade am 1.4.1988,<br />
d.h. 1 Jahr nach dem Unfallereignis.<br />
Heute, am 17.3.1999, ist Annette 16 Jahre alt und besucht die 7. Klasse der<br />
Volksschule der Pfennigparade, verbunden mit der Unterbringung in der<br />
Intensiv-Wohngruppe.<br />
FRANKO - geb. 15.10.1976<br />
ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />
Verunglückt durch Autounfall im Alter von knapp 5 Jahren (16.8.1981)<br />
Diagnose: Zustand nach schwerem Schädel-Hirn-Trauma,<br />
inkomplette Querschnittslähmung unterhalb<br />
C2/C3, Ateminsuffizienz.<br />
Herzschrittmacher-Versorgung wg. Sick-Sinus-Syndrom.<br />
Sozial-Anamnese: Die Ehe der Eltern ging einige Zeit nach dem Unfallereignis<br />
auseinander. Zur Mutter gibt es praktisch<br />
keine Beziehungen mehr.<br />
Vater besucht ihn gelegentlich und nimmt aus<br />
der Ferne das Geschehen wahr.
<strong>Das</strong> Schädelhirnverletzte <strong>Kind</strong> – betreutes Wohnen und Heimpflege<br />
Aufnahme in die Intensivfördergruppe der <strong>Stiftung</strong> Pfennigparade am 1.9.1985,<br />
d.h. 4 Jahre nach dem Unfallereignis.<br />
Heute, am 17.3.1999, ist Franko 22 Jahre alt, hat die Volksschule der Pfennigparade<br />
bis zu seinem 19. Lebensjahr besucht und arbeitet heute stundenweise<br />
in der Tagesförderstätte, verbunden mit der Unterbringung in der Intensiv-<br />
Wohngruppe.<br />
Was sind die Rehabilitationsziele dieser Intensivförder-Wohngruppen?<br />
Leben<br />
Zusammenleben<br />
den Umgang mit dem eigenen Körper erlernen<br />
Helfer anleiten<br />
soziale Kontakte aufnehmen<br />
Hilfsmittelversorgung<br />
Schulbildung, Ausbildung, Arbeit<br />
Haushaltsführung<br />
eigenverantwortliche Freizeitgestaltung<br />
Umgang mit der eigenen Sexualität<br />
in Würde sterben können.<br />
Wie wird diese außerklinische Maßnahme finanziert ?<br />
Keine Frage – diese Rehabilitation für diesen schwerbehinderten Personenkreis<br />
ist sicher sehr aufwendig.<br />
So haben wir z.B. für die 20 BewohnerInnen einen Schlüssel von 2,6 : 1 – d.h.<br />
in der unmittelbaren Betreuung rund um die Uhr arbeiten ca. 52 Sozialpädagogen,<br />
Heilpädagogen, Erzieher, <strong>Kind</strong>erkrankenschwestern und -krankenpfleger,<br />
Pflegehelfer, Zivildienstleistende sowie Damen des Freiwilligen Sozialen<br />
Jahres für die 20 schwerstbehinderten BewohnerInnen.<br />
Der aktuelle Tagessatz pro Bewohner beträgt DM 713,50. Zuständig für eine<br />
solche Maßnahme ist in der Regel der überörtliche Sozialhilfeträger, Kostenträger<br />
für eine solche Reha-Maßnahme sind aber auch Unfallversicherungen<br />
oder bei Erwachsenen die Berufsgenossenschaft.<br />
Als Besonderheit ist hervorzuheben, daß es, bezogen auf unsere Rehabilitation,<br />
ein Teilungsabkommen gibt zwischen dem überörtlichen Sozialhilfeträger<br />
und den Krankenkassen. Dieses Teilungsabkommen ist so gestaltet, daß sich<br />
101
102<br />
ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />
die Krankenkassen zu einem Drittel an dem Tagessatz von DM 713,50 gegenüber<br />
dem überörtlichen Sozialhilfeträger beteiligen. Neben diesem Tagessatz<br />
kommen die Leistungen für Medizin, Therapie, Schule und Ausbildung im<br />
Einzelfall noch hinzu.<br />
Der Tagessatz für die Wohngruppen ist nicht einmal kostendeckend, d.h.<br />
diese Intensivfördergruppen werden jährlich aus dem Spendentopf der Pfennigparade<br />
mit einem kräftigen Betrag finanziell unterstützt. Dennoch ist auch<br />
für die Kostenträger eine solche Maßnahme weitaus günstiger, da die entsprechenden<br />
Sätze der Intensivmedizin einer Klinik, aus der unsere BewohnerInnen<br />
in der Regel kommen, natürlich weitaus höher liegen.<br />
Wie groß ist dieser Personenkreis in der gesamten Bundesrepublik?<br />
Nach einer Umfrage der Berliner <strong>Kind</strong>erklinik „Lindenhof“ aus dem Jahre 1996<br />
leben heute in deutschen Kliniken ca. 200 atemgelähmte <strong>Kind</strong>er und Jugendliche.<br />
Viele verlassen nie die Intensivstation. Die Zahl der atemgelähmten<br />
<strong>Kind</strong>er und Jugendlichen, die noch unter unvorstellbaren Anstrengungen der<br />
Eltern und Angehörigen zu Hause betreut werden können bzw. mit Hilfe der<br />
ambulanten Versorgung, ist sicher noch größer als die Zahl derjenigen, die in<br />
den Kliniken leben.<br />
Bezogen auf diese Anzahl ist das bisher einzige außerklinische Reha-Angebot<br />
der <strong>Stiftung</strong> Pfennigparade für diesen Personenkreis mit insgesamt 20 Plätzen<br />
fast wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Im Prinzip müßte in jedem Bundesland<br />
wenigstens ein Angebot eines Reha-Trägers sein, der dieses Wagnis eingeht,<br />
atemgelähmten <strong>Kind</strong>ern und Jugendlichen ein Leben außerhalb einer<br />
Klinik zu ermöglichen.<br />
Wir sind gerne bereit, dafür unsere Erfahrungen zur Verfügung zu stellen und<br />
als Multiplikator zu wirken. Denn eine Unterbringung bei uns für einen Jungen<br />
oder ein Mädchen aus dem Ruhrpott oder aus Norddeutschland mit der<br />
entsprechenden Entfernung zu den Angehörigen stellt sicherlich nicht die<br />
optimale Lösung für diese <strong>Kind</strong>er und Jugendlichen dar.<br />
Erlauben Sie mir zum Schluß noch eine ganz persönliche Anmerkung, weg<br />
von der medizinischen Seite und von den hochgesteckten Rehabilitationszielen<br />
für diese Menschen:<br />
Wie steht es um das Seelenheil dieser <strong>Kind</strong>er und Jugendlichen?<br />
Was geht in ihnen vor bei den monatelangen Krankenhausaufenthalten, bei<br />
der Erkenntnisgewinnung, nie wieder so zu sein, wie sie einmal waren oder<br />
wie sie gern geworden wären?
<strong>Das</strong> Schädelhirnverletzte <strong>Kind</strong> – betreutes Wohnen und Heimpflege<br />
Wie richten sie sich ein auf den unwahrscheinlich großen Bezugspersonenwechsel,<br />
auf die vielen unterschiedlichen Personen vom Zivildienstleistenden<br />
bis zum Erzieher und bis zur Krankenschwester mit ihren unterschiedlichen<br />
Vorstellungen, die im Alltag durchaus zu manchen Auseinandersetzungen<br />
führen?<br />
Die Antworten darauf fallen ganz unterschiedlich aus und sind sicher auch<br />
nicht jeden Tag gleich. Eines aber ist ganz sicher – wir können mit unserem<br />
Beitrag ganz erheblich zur Verbesserung der Lebensqualität dieser Menschen<br />
beitragen.<br />
Natürlich werden wir oft mit der Frage konfrontiert oder stellen uns diese<br />
Frage oft auch selbst: „Ist denn solch ein Leben überhaupt noch lebenswert?“<br />
Ein Betroffener hat mir einmal die Antwort darauf gegeben: „Wenn Sie in<br />
meinem Kopf leben würden, wollten Sie auch leben!“<br />
Dies gibt uns die Kraft und auch den Mut, auf dem eingeschlagenen Weg zur<br />
Rehabilitation atemgelähmter <strong>Kind</strong>er und Jugendlicher fortzuschreiten.<br />
Vielen Dank!<br />
103
104 ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong>
Finanzierungsregelungen von der häuslichen Betreuung bis zur Heimunterbringung<br />
Finanzierungsregelungen von der häuslichen Betreuung<br />
bis zur Heimunterbringung<br />
Peter Widekamp<br />
Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V. (VdAK), Siegburg<br />
Die finanziellen Rahmenempfehlungen in der GKV haben sich in den letzten<br />
Jahren zweifellos verschlechtert. Immer wieder musste (und muss) deshalb<br />
der Gesetzgeber eingreifen, um eine Balance zwischen Einnahmen und Ausgaben<br />
herzustellen. Chronisch Kranke und Schwerbehinderte sind von manchen<br />
dieser „Sparmaßnahmen“ besonders getroffen worden. Trotz Budgetierungen<br />
stehen aber immer noch ausreichend Mittel zur Verfügung, um den<br />
Versorgungsbedarf gerade für solche Versicherten, die in einem besonderen<br />
Maße auf den Schutz und auf die Leistungen der GKV angewiesen sind, abzudecken.<br />
Dazu ist es allerdings erforderlich, die Leistungen insgesamt am wirklichen<br />
Bedarf auszurichten, Überkapazitäten im Gesundheitswesen abzubauen,<br />
doppelte und dreifache diagnostische Maßnahmen zu vermeiden. Ob dies<br />
im Rahmen der angekündigten Strukturreform 2000 gelingt, bleibt abzuwarten.<br />
Jedenfalls sehen die Eckpunkte der Regierungskoalition für diese Reform<br />
u.a. vor, dass ein neuer Schwerpunkt auf die Rehabilitation gelegt werden<br />
soll, auch um den Grundsatz Rehabilitation vor Pflege stärker zur Geltung zu<br />
bringen.<br />
Dies als Vorbemerkung. Nun zu den Leistungs- und Finanzierungsregelungen<br />
bezüglich der Langzeitversorgung schwerstneurologisch geschädigter <strong>Kind</strong>er,<br />
im häuslichen Bereich oder eben in einer Langzeiteinrichtung.<br />
Ausgangspunkt für diese Betrachtung können die im Rahmen der Maikammer-<br />
Konferenz vor fast drei Jahren entwickelten Vorschläge bilden, die zwar (noch)<br />
nicht offiziell als Empfehlungen oder gar Richtlinien in die Welt gesetzt worden<br />
sind, die aber dennoch schon Wirkungen gezeigt haben, beispielsweise<br />
bei den Planungen der Länder für qualitativ und quantitativ ausreichende<br />
Versorgungsstrukturen.<br />
Die Vorschläge beschreiben detailliert u.a. auch die Anforderungen an therapeutische<br />
und rehabilitative Angebote, die erforderliche räumliche, apparative<br />
und personelle Ausstattung, getrennt für die häusliche und die stationäre<br />
Versorgung. Richtigerweise wird auch dargestellt, dass hier mehrere Sozialleistungsträger<br />
gefordert sind, vor allem die Pflege- und Krankenkassen, die<br />
Träger der Unfallversicherung und der Sozialhilfe.<br />
Diese Konzeption, die mit viel Sachverstand zustandegekommen ist, und die<br />
die hier anwesenden Fachleute genau kennen werden, erscheint mir plausi-<br />
105
106<br />
bel, ohne dass ich sie – als jemand aus der Verwaltung – im Detail beurteilen<br />
könnte.<br />
Halten wir jetzt kurz die aus der Kranken- und Pflegeversicherung resultierenden<br />
Ansprüche und Regelungsmöglichkeiten dagegen, um Lücken zu erkennen<br />
und Probleme zur Lösung des gemeinsamen Anliegens, für die schwerstbehinderten<br />
<strong>Kind</strong>er eine adäquate Versorgung sicherzustellen und auch die<br />
Finanzierung zufriedenstellend zu regeln.<br />
Ambulante Versorgung<br />
Hier stehen aus der Pflegeversicherung die der Höhe nach begrenzten, nach<br />
dem Pflegebedarf abgestuften Leistungen (Pflegegeld/Pflegesachleistung) zur<br />
Verfügung (vgl. im Einzelnen die Übersicht über die Leistungen in § 28 Abs. 1<br />
SGB XI). Besonders hinweisen möchte ich auf die Pflegehilfsmittel und technischen<br />
Hilfsmittel, die bei häuslicher Pflege beansprucht werden können.<br />
Die GKV ist u.a. für folgende Leistungen zuständig:<br />
• Ärztliche Versorgung,<br />
• Behandlungspflege,<br />
• Heilmittel,<br />
• Hilfsmittel,<br />
• medizinische Reha-Maßnahmen.<br />
Alle diese und andere Leistungen sind vertraglich geregelt, werden in aller<br />
Regel in Form von differenzierten Gebühren für die einzelnen Anwendungen<br />
vergütet.<br />
Abgrenzungsprobleme zwischen Kranken- und Pflegeversicherung müssten<br />
inzwischen weitgehend gelöst sein durch Richtlinien, Leistungskataloge u.a.<br />
Probleme und Defizite sehe ich<br />
ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />
• im häufig noch fehlenden Fallmanagement (Planung und Steuerung des<br />
Leistungsgeschehens),<br />
• bei der (längerfristig erforderlichen) Heilmittelversorgung und<br />
• bei medizinischen Reha-Maßnahmen (zur Besserung bzw. Verhütung<br />
einer Verschlimmerung der Pflegebedürftigkeit).<br />
Hier besteht ganz sicher noch Abstimmungs- und Handlungsbedarf, um die<br />
individuell erforderlichen Maßnahmen sicherzustellen.
Finanzierungsregelungen von der häuslichen Betreuung bis zur Heimunterbringung<br />
Stationäre Versorgung<br />
Die bestehenden Einrichtungen für die Langzeitbetreuung dürften durchweg<br />
als stationäre Pflegeeinrichtungen zugelassen sein, so dass die Leistungen nach<br />
§ 43 SGB XI unter den dort beschriebenen Voraussetzungen zur Verfügung<br />
stehen. Die stationäre Pflege umfasst neben der pflegerischen Betreuung auch<br />
die aktivierende Pflege und die Behandlungspflege (die zuletztgenannte Leistung<br />
soll entsprechend der Koalitionsvereinbarung künftig wieder der GKV<br />
zugeordnet werden).<br />
Die gesetzliche Krankenversicherung ist bei der Unterbringung in einer Einrichtung<br />
mit dem Hauptzweck einer pflegerischen Betreuung durchaus nicht<br />
von ihren Leistungsverpflichtungen befreit. Vielmehr hat jeder Versicherte<br />
grundsätzlich unabhängig davon, wo er seinen Lebensmittelpunkt hat, Anspruch<br />
auf die Leistungen nach dem SGB V (siehe oben zur ambulanten Versorgung).<br />
Klärungsbedürftig ist nun konkret, ob und inwieweit bei einer pflegerischen<br />
Versorgung in einer Langzeiteinrichtung eine adäquate medizinischrehabilitative<br />
Versorgung auch in der Weise sichergestellt werden kann, dass<br />
die Krankenkasse entsprechend dem Bedarf solche Aufwendungen (für von in<br />
der Einrichtung angestellte Therapeuten) auch pauschal (anteiliger Pflegesatz)<br />
übernehmen darf. Eine Lösung also, bei der die in die Zuständigkeit der Krankenkassen<br />
fallenden Leistungen nicht von außen (durch zugelassene Leistungserbringer)<br />
erbracht und abgerechnet werden, sondern (pauschal) direkt mit<br />
der entsprechenden Einrichtung.<br />
Zweifellos gibt es hier (vertrags-)rechtliche Barrieren, z.B. im Hinblick auf den<br />
Sicherstellungsauftrag der KVen oder die Zulassungsbestimmungen für Heilmittelerbringer.<br />
Aber pragmatische Lösungen halte ich keineswegs für ausgeschlossen.<br />
Bei den Ersatzkassen galt schon immer der Grundsatz, dass erforderliche medizinische<br />
Leistungen auch in Sondereinrichtungen für Behinderte, Alten- und<br />
Pflegeheimen zu Lasten der GKV gehen. Die Betroffenen sind ja keine Versicherten<br />
2. Klasse, haben u.U. viele Jahre Beiträge gezahlt.<br />
Wie kommen wir nun in dieser Sache weiter? Wir wissen, dass es Versorgungsmängel<br />
gibt, im ambulanten wie im stationären Bereich. Davor dürfen wir die<br />
Augen nicht verschließen.<br />
Zunächst werde ich prüfen, ob die erwähnten Empfehlungen für die Pflege<br />
und Rehabilitation von Patienten mit schweren und schwersten neurologischen<br />
Schädigungen in einen Handlungsrahmen für die Kranken- und Pflege-<br />
107
108<br />
ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />
kassen weiterentwickelt werden können. Dazu gehört auch eine Beteiligung<br />
unseres Medizinischen Dienstes, der sich z.Zt. ohnehin mit Fragen der Versorgung<br />
behinderter <strong>Kind</strong>er auseinandersetzt.<br />
In Bezug auf die häusliche Langzeitpflege werde ich die Anregung eines Vorredners<br />
aufgreifen, zu prüfen, ob die rund 100 Sozialpädiatrischen Zentren<br />
stärker in die medizinisch/rehabilitative Versorgung einbezogen werden können.<br />
Außerdem bietet sich ein Dialog an zwischen der vor kurzem gegründeten<br />
Arbeitsgemeinschaft „Phase F“ und den Spitzenverbänden der Krankenkassen.<br />
Es muss noch mehr Klarheit geschaffen werden über das Notwendige<br />
und Machbare. Ziel sollte es erst einmal sein, bundesweit eine Plattform zu<br />
schaffen für die notwendigen Aktivitäten zur Weiterentwicklung der Versorgungsstrukturen.
Konzept und Finanzierung einer Einrichtung der Langzeitversorgung, Phase F für <strong>Kind</strong>er<br />
Konzept und Finanzierung einer Einrichtung<br />
der Langzeitversorgung, Phase F für <strong>Kind</strong>er<br />
Lothar Schwuntek<br />
<strong>Kind</strong>erklinik Königsborn, Unna<br />
Folie 1<br />
Die Bereitschaft der Krankenkassen zur Finanzierung der Langzeitversorgung<br />
für <strong>schädelhirnverletzte</strong> oder -geschädigte <strong>Kind</strong>er und Jugendliche nimmt seit<br />
Jahren ständig ab. Die Einrichtungen der Langzeitversorgung für <strong>Kind</strong>er und<br />
Jugendliche kämpfen um eine sachgerechte Finanzierung zur Versorgung dieses<br />
Personenkreises.<br />
Die Situation hat sich mit der Einführung des Pflegeversicherungsgesetzes nicht<br />
verbessert sondern verschlechtert. Die eben beschriebene Bereitschaft der<br />
Krankenkassen zur Kostenübernahme ist seit diesem Zeitpunkt noch weiter<br />
zurückgegangen. Oftmals wird sogar die notwendige Versorgung mit Heil- und<br />
Hilfsmitteln mit Hinweis auf die Leistungspflicht der Pflegekassen abgelehnt.<br />
Diese Feststellung beruht nicht nur auf eigenen Erfahrungen in der <strong>Kind</strong>erklinik<br />
Königsborn, die mehr als 60 <strong>Kind</strong>er und Jugendliche in der Langzeitphase<br />
stationär versorgt, sondern auch auf Erkenntnissen anderer Träger.<br />
Vor dem Hintergrund der schlechten Finanzlage der Kostenträger und der<br />
Defizite im Staatshaushalt ist die Durchsetzung eines Lösungskonzeptes für<br />
diesen Personenkreis äußerst schwierig.<br />
Dennoch sollten wir im Interesse der Betroffenen weiter versuchen, eine<br />
Sonderlösung zu schaffen. Warum benötigen wir eine Sonderlösung? Reichen<br />
die geltenden gesetzlichen Regelungen nicht aus?<br />
<strong>Das</strong> gegliederte Sozialversicherungssystem ermöglicht dem Grunde nach auch<br />
für die Rehabilitationsphase F eine ausreichende Finanzierung.<br />
Folie 2<br />
Im Normalfall stehen bei den betroffenen <strong>Kind</strong>ern und Jugendlichen drei Säulen<br />
der sozialen Sicherung zur Verfügung<br />
• Krankenkasse<br />
• Pflegekasse<br />
• Sozialhilfeträger<br />
109
110<br />
Als 4. Säule kommt bei Folgen von Schulunfällen der Unfallversicherungsträger<br />
hinzu, der aber wegen seiner umfassenden Leistungspflicht bei meinen<br />
weiteren Ausführungen außer Betracht bleibt.<br />
Folie 3<br />
Weg mit dem Schubladen-Denken!<br />
ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />
<strong>Das</strong> bisherige Schubladendenken und die Tatsache, daß der Sozialhilfeträger<br />
immer noch nachrangig leistungspflichtig ist, verhindert trotz dieser ausreichenden<br />
Anspruchsgrundlagen eine zweckmäßige und ausreichende Versorgung<br />
im Langzeitbereich.<br />
Es kann nicht sein, daß sich die Krankenkassen weiterhin ihrer Verantwortung<br />
für diesen Personenkreis entziehen, nur weil diese <strong>Kind</strong>er und Jugendlichen<br />
stationär und nicht ambulant versorgt werden.<br />
Im ambulanten Bereich erbringen die Krankenkassen im Regelfall alle Leistungen,<br />
die zur Lebenserhaltung, zur Linderung der Beschwerden und zur<br />
Verbesserung der Krankheitssituation notwendig sind.<br />
Da viele betroffene <strong>Kind</strong>er und Jugendliche aus medizinischen Gründen nicht<br />
ambulant versorgt werden können, bzw. deren soziales Umfeld eine ambulante<br />
Versorgung nicht zuläßt, müssen die Krankenkassen sich im gleichen<br />
Umfang an den Kosten einer stationären Versorgung beteiligen.<br />
Die Pflegekassen müssen ebenfalls zur vollen Leistungspflicht herangezogen<br />
werden, auch wenn es sich nicht um eine klassische Pflegeeinrichtung im<br />
Sinne des SGB XI handelt. Eine Regelung, wie sie § 43 a SGB XI für vollstationäre<br />
Behinderteneinrichtungen vorsieht, halte ich nicht für ausreichend.<br />
Obwohl die Eingliederungshilfe nach dem BSHG einen umfassenden Leistungsanspruch<br />
für die betroffenen Behinderten vorsieht, wird dieser meistens nicht<br />
in vollem Umfang erfüllt, da der Sozialhilfeträger nur nachrangig leistungspflichtig<br />
ist.<br />
Deshalb darf die Art der Leistung sich nicht an der Einrichtung orientieren!<br />
Die Versorgung muß sich am Patienten und seinem augenblicklichen<br />
Zustand ausrichten!
Konzept und Finanzierung einer Einrichtung der Langzeitversorgung, Phase F für <strong>Kind</strong>er<br />
Folie 4<br />
Lösungsmodell<br />
Die Phase F erfordert eine ”Rundum- und Teambetreuung”. Folgende Bereiche<br />
müssen zwingend dem Team angehören:<br />
• Ärztlicher Dienst<br />
• Pflegedienst<br />
• Krankengymnastik<br />
• Heilpädagogischer Dienst<br />
• Psychologischer Dienst<br />
• Sozialdienst<br />
• Logopädie, Ergotherapie<br />
• Angehörige<br />
Den <strong>Kind</strong>ern und Jugendlichen sollte in jeder Phase der Langzeitversorgung<br />
das gesamte Leistungsspektrum zur Verfügung gestellt werden.<br />
Folie 5<br />
Jeder der drei genannten Leistungsträger muß unabhängig von der Abgrenzungsproblematik<br />
seine Leistungen zu einer Gesamtleistung beisteuern.<br />
Ideal wäre hierbei eine pauschale Kostenteilung. Die Pauschalwerte ließen<br />
sich anhand von Musterbeispielen berechnen.<br />
Welche Rechtsform diese Einrichtung der Phase F hat, ist vor dem Hintergrund<br />
einer anzustrebenden Sonderlösung meines Erachtens unerheblich. Es<br />
kann sich hierbei sowohl um ein Krankenhaus im Rahmen der Krankenhausbedarfsplanung<br />
als auch um eine stationäre Behinderteneinrichtung handeln.<br />
Folie 6<br />
Die stationäre Einrichtung sollte deshalb als<br />
bezeichnet werden.<br />
Spezialeinrichtung der Phase F<br />
Die pauschale Kostenverteilung kann entweder<br />
• durch eine freiwillige Gesamtvereinbarung der Spitzenverbände<br />
der Sozialleistungsträger<br />
111
112<br />
oder<br />
• durch eine gesetzliche Sonderregelung<br />
erreicht werden.<br />
Ich habe bereits vor mehreren Jahren den Vertretern der Kostenträger in Nordrhein-Westfalen<br />
und dem früheren Ministerium für Arbeit, Gesundheit und<br />
Sozialordnung NRW ein ähnliches Lösungsmodell vorgestellt. <strong>Das</strong> MAGS hat<br />
versucht, die Kostenträger für ein Modellprojekt im Erwachsenenbereich zu<br />
einer pauschalen Kostenteilung auf Vertragsbasis zu bewegen. Dies ist an der<br />
Haltung einiger Kostenträger gescheitert.<br />
Die ebenfalls seit Jahren angestrebte Kostenteilung für den Langzeitbereich<br />
der <strong>Kind</strong>erklinik Königsborn konnte bisher noch nicht erreicht werden.<br />
Diese vergeblichen Bemühungen zur Schaffung einer Vereinbarungslösung<br />
machen deutlich, daß eine gesetzliche Sonderregelung für die Phase F erforderlich<br />
ist. Hierfür könnte sich das seit Jahren geplante und von vielen<br />
Behindertenverbänden geforderte ”Rehabilitationsgesetz” als IX. Buch des<br />
Sozialgesetzbuches anbieten.<br />
Die Koalitionsvereinbarung der beiden neuen Regierungsparteien enthält eine<br />
klare Aussage zur Schaffung dieses eigenständigen “Rehabilitationsgesetzes”.<br />
Die “Bundesarbeitsgemeinschaft Phase F” (ein Zusammenschluß von<br />
Trägern von Phase-F-Einrichtungen und dem Bundesverband der Schädel-Hirn-<br />
Patienten in Not e.V.), der ich als Vorstandsmitglied und Sprecher der Arbeitsgruppe<br />
“Recht und Sozialpolitik” angehöre, hat Gespräche mit der neuen<br />
Bundesregierung zu dieser Gesamtproblematik aufgenommen. Ich hoffe, daß<br />
diese Gespräche zur Schaffung einer gesetzlichen Sonderlösung beitragen<br />
werden.<br />
Zum Abschluß fordere ich im Interesse der Betroffenen die hier anwesenden<br />
Politiker und Vertreter der Fachministerien aus Bund und Ländern sowie der<br />
Kostenträger auf, uns bei der Schaffung der dringend benötigten gesetzlichen<br />
Sonderregelung für eine pauschale Kostenteilung zur stationären Versorgung<br />
in Spezialeinrichtungen der Phase F zu unterstützen.<br />
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.<br />
ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong>
Konzept und Finanzierung einer Einrichtung der Langzeitversorgung, Phase F für <strong>Kind</strong>er<br />
Folie 1<br />
113
114 ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />
Folie 2
Konzept und Finanzierung einer Einrichtung der Langzeitversorgung, Phase F für <strong>Kind</strong>er<br />
Folie 3<br />
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116<br />
Folie 4
Folie 5<br />
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118 ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />
Folie 6
Anschriftenverzeichnis<br />
Anschriftenverzeichnis<br />
Aufmkolk, Michael, Dr. med.,<br />
Klinik und Poliklinik für Unfallchirurgie<br />
Universitätsklinik Essen,<br />
Hufelandstr. 55, 45122 Essen<br />
Berg, Bettina,<br />
Deutscher Verkehrssicherheitsrat e.V. (DVR),<br />
Bahnhofsplatz 16, 53222 Bonn<br />
Blank, Rainer, Dr.,<br />
<strong>Kind</strong>erzentrum München,<br />
Institut für Soziale Pädiatrie und Jugendmedizin<br />
der Ludwig-Maximilians-Universität München,<br />
Heiglhofstr. 63, 81377 München<br />
Bock, Wolfgang J., Prof. Dr.,<br />
Neurochirurgische Klinik der<br />
Heinrich-Heine-Universität,<br />
Moorenstr. 5, 40225 Düsseldorf<br />
Bockelbrink, Angelika, Dr.,<br />
<strong>Stiftung</strong> Pfennigparade,<br />
Barlachstr. 24–38, 80804 München<br />
<strong>Kohl</strong>, <strong>Hannelore</strong>, Dr. h.c.,<br />
KURATORIUM ZNS für Unfallverletzte<br />
mit Schäden des zentralen Nervensystems e.V.,<br />
Rochusstr. 24, 53123 Bonn<br />
Messing-Jünger, Martina, Dr.,<br />
Neurochirurgische Klinik der<br />
Heinrich-Heine-Universität,<br />
Moorenstr. 5, 40225 Düsseldorf<br />
Richardt, Hans Helmut, Dr. med.,<br />
<strong>Kind</strong>erklinik Königsborn,<br />
Zimmerplatz 1, 59425 Unna-Königsborn<br />
Schmidt, Inke, Dipl.-Psychologin,<br />
Bundesvereinigung für Gesundheit e.V.,<br />
Heilsbacherstr. 30, 53123 Bonn<br />
119
120<br />
Schwuntek, Lothar,<br />
<strong>Kind</strong>erklinik Königsborn,<br />
Zimmerplatz 1, 59425 Unna-Königsborn<br />
Steinmann, Gernot,<br />
<strong>Stiftung</strong> Pfennigparade,<br />
Barlachstr. 24–38, 80804 München<br />
ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />
Weber, Hans,<br />
hw-Studio Weber,<br />
Abraham-Weil-Str. 7, 76774 Leimersheim<br />
Widekamp, Peter,<br />
Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V. (VdAK),<br />
Frankfurter Str. 84, 53721 Siegburg<br />
Winterfeld, Ulrich, Dr.,<br />
Bundesverband der Unfallversicherungsträger<br />
der öffentlichen Hand e.V. (BAGUV),<br />
Fockensteinstr. 1, 81539 München
<strong>Das</strong> KURATORIUM ZNS informiert<br />
<strong>Das</strong> KURATORIUM ZNS informiert:<br />
J<br />
ährlich erleiden in der Bundesrepublik<br />
Deutschland – und die Zahlen sind in<br />
allen westlichen Industrieländern vergleichbar<br />
– ca. 300.000 Personen Kopfverletzungen<br />
bei Unfällen<br />
• im Straßenverkehr<br />
• am Arbeitsplatz<br />
• im häuslichen Bereich<br />
• beim Sport.<br />
Bei etwa einem Drittel – d. h. bei ca.<br />
100.000 dieser Unfallopfer – wird ein<br />
schweres Schädelhirntrauma diagnostiziert.<br />
Viele von ihnen leiden wegen der<br />
Hirnverletzung unter langanhaltenden<br />
oder andauernden Schäden.<br />
Hier engagiert sich das KURATORIUM ZNS<br />
für Unfallverletzte mit Schäden des zentralen<br />
Nervensystems e.V.<br />
Sein primäres Ziel ist, Hirnverletzten zu<br />
helfen, sie in unsere Gesellschaft als Gleichberechtigte<br />
einzugliedern und ihnen somit<br />
zu neuem Lebensmut zu verhelfen.<br />
121<br />
<strong>Das</strong> KURATORIUM ZNS<br />
• unterstützt bestehende Rehabilitationseinrichtungen<br />
bei der Beschaffung dringend<br />
benötigter diagnostischer und<br />
therapeutischer Geräte<br />
• vermittelt den Betroffenen Rehabilitationsplätze<br />
• fördert Wissenschaft und Forschung im<br />
Hinblick auf Rehabilitationsmaßnahmen<br />
• wirbt um mehr Verständnis und aktive<br />
Hilfe für hirnverletzte Mitmenschen<br />
• weist in seiner Öffentlichkeitsarbeit auf<br />
die Unfallrisiken hin und ruft auf zu vorbildlichem,<br />
verantwortungsbewußtem<br />
Verhalten<br />
• wirbt für die Teilnahme an Kursen für<br />
„Erste Hilfe“ und das Auffrischen dieser<br />
dort erworbenen Kenntnisse.<br />
Diese Aufgabe zu erbringen, erfordert<br />
hohe finanzielle Mittel. Um dies sicherzustellen,<br />
ist das KURATORIUM ZNS auf die<br />
Unterstützung seiner Fördermitglieder und<br />
auf Spenden angewiesen.<br />
Deshalb die Bitte: Tragen Sie mit dazu bei,<br />
unfallverletzten Mitbürgern den Einstieg<br />
in die Gesellschaft zu vereinfachen.<br />
Treten Sie dem KURATORIUM ZNS als<br />
Fördermitglied bei oder spenden Sie auf<br />
das Konto 30003800 BLZ 38050000 bei<br />
der Sparkasse Bonn.<br />
Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns, falls<br />
Sie mehr Informationen haben möchten.<br />
KURATORIUM ZNS<br />
Rochusstraße 24<br />
53123 Bonn<br />
Telefon 0228/97845-0<br />
Telefax 0228/97845-55
Helfen Sie uns.<br />
Damit wir<br />
helfen können.<br />
Täglich werden rund 100 Menschen<br />
Opfer von Unfällen mit<br />
schwersten Schäden des zentralen<br />
Nervensystems. Um ihre körperliche<br />
und geistige Leistungsfähigkeit<br />
so weit wie möglich<br />
wiederherzustellen, müssen<br />
gleich nach der Akutversorgung<br />
umfangreiche Rehabilitationsmaßnahmen<br />
beginnen. <strong>Das</strong><br />
KURATORIUM ZNS braucht Ihre<br />
Hilfe, um helfen zu können –<br />
durch Ihre Spende oder durch Ihren<br />
Einsatz als förderndes Mitglied<br />
des KURATORIUM ZNS.<br />
Darum bitte ich Sie herzlich.<br />
Spendenkonto<br />
30003800<br />
Sparkasse Bonn<br />
BLZ 380 500 00<br />
Ihre Spende ist steuerlich absetzbar<br />
<strong>Hannelore</strong> <strong>Kohl</strong> – Präsidentin<br />
KURATORIUM ZNS<br />
Rochusstraße 24, 53123 Bonn<br />
GLOBUSpress Köln