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Das schädelhirnverletzte Kind: Prävention ... - Hannelore Kohl Stiftung

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Chancen für ein<br />

neues Leben<br />

TAGUNGSBERICHT<br />

„<strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong>:<br />

<strong>Prävention</strong>, Epidemiologie,<br />

Langzeitversorgungsstrukturen“<br />

Zentrales Hörsaalgebäude<br />

der Universität Hamburg<br />

17. März 1999<br />

SYMPOSIUM<br />

im Rahmen der 1. gemeinsamen Jahrestagung<br />

der DGNKN und DGNR


Herausgeber:<br />

KURATORIUM ZNS für Unfallverletzte<br />

mit Schäden des Zentralen Nervensystems e.V.<br />

Rochusstraße 24<br />

53123 Bonn<br />

Telefon: 0228/97845-0<br />

Telefax: 0228/97845-55<br />

Erscheinungsjahr: 1999<br />

ISBN 3-88383-525-0<br />

Druck:<br />

BARMER Ersatzkasse, Wuppertal


Chancen für ein<br />

neues Leben<br />

TAGUNGSBERICHT<br />

„<strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong>:<br />

<strong>Prävention</strong>, Epidemiologie,<br />

Langzeitversorgungsstrukturen“<br />

Zentrales Hörsaalgebäude<br />

der Universität Hamburg<br />

17. März 1999<br />

SYMPOSIUM<br />

im Rahmen der 1. gemeinsamen Jahrestagung<br />

der DGNKN und DGNR


Inhaltsverzeichnis<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Allgemeines<br />

Seite<br />

Dank 3<br />

Vorwort 5<br />

Begrüßung und Eröffnung 7<br />

Dr. h.c. <strong>Hannelore</strong> <strong>Kohl</strong><br />

Einführung 11<br />

Prof. Dr. Wolfgang J. Bock<br />

<strong>Prävention</strong>/Epidemiologie<br />

Ansätze zur <strong>Prävention</strong> von Schädelhirnverletzungen 21<br />

im <strong>Kind</strong>esalter<br />

Inke Schmidt<br />

<strong>Das</strong> Programm „<strong>Kind</strong> und Verkehr“ des Deutschen 39<br />

Verkehrssicherheitsrates e.V.<br />

Bettina Berg<br />

<strong>Prävention</strong> aus der Sicht der Schüler-Unfallversicherung 45<br />

Dr. Ulrich Winterfeld<br />

<strong>Das</strong> kindliche Schädel-Hirn-Trauma: 51<br />

Schädigungsursachen, Risikogruppen, Schweregrad,<br />

sowie Alter und Rehabilitationsergebnis<br />

Dr. Rainer Blank<br />

Unfallrettung und unfallchirurgische Erstversorgung: 59<br />

Verletzungsmuster, Schweregrad, Verlegung, zeitliche Abläufe<br />

Dr. Michael Aufmkolk<br />

<strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong> – neurochirurgische Versorgung 65<br />

Dr. Martina Messing-Jünger<br />

Langzeitversorgungsstrukturen<br />

Von der stationären Rehabilitation bis zur Langzeitversorgung 83<br />

hirnverletzter und neurologisch kranker <strong>Kind</strong>er<br />

und Jugendlicher<br />

Dr. Hans Helmut Richardt


Inhaltsverzeichnis<br />

Ein Patientenschicksal 93<br />

Hans Weber<br />

Langzeitversorgung beatmungspflichtiger Patienten 97<br />

Dr. Angelika Bockelbrink<br />

<strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong> – betreutes Wohnen 99<br />

und Heimpflege<br />

Gernot Steinmann<br />

Finanzierungsregelungen von der häuslichen Betreuung 105<br />

bis zur Heimunterbringung<br />

Peter Widekamp<br />

Konzept und Finanzierung einer Einrichtung 109<br />

der Langzeitversorgung, Phase F für <strong>Kind</strong>er<br />

Lothar Schwuntek<br />

Anschriftenverzeichnis 119<br />

<strong>Das</strong> KURATORIUM ZNS informiert 121


Danksagung<br />

<strong>Hannelore</strong> <strong>Kohl</strong><br />

Präsidentin des KURATORIUMS ZNS<br />

Dank<br />

Schädelhirnverletzungen bei <strong>Kind</strong>ern und Jugendlichen sind nach wie vor<br />

ein Problem, das die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit verdient sowie den<br />

Zuständigen in Ministerien, Ämtern, Behörden, Institutionen, Organisationen,<br />

Kliniken und Einrichtungen Ansporn zur Suche nach gemeinsamen<br />

Lösungen sein sollte. Mit diesem Symposium möchten wir im Rahmen der<br />

1. gemeinsamen Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Neurotraumatologie<br />

und Klinische Neuropsychologie sowie der Deutschen Gesellschaft<br />

für Neurologische Rehabilitation den augenblicklichen Sachstand und<br />

Überlegungen zu dem Thema “<strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong>: <strong>Prävention</strong>,<br />

Epidemiologie, Langzeitversorgungsstrukturen” vortragen und zur Diskussion<br />

stellen.<br />

<strong>Prävention</strong> ist immer noch die beste Rehabilitation. Doch nach wie vor werden<br />

sich Unfälle unabhängig von der Schuldfrage ereignen. Hier zu helfen, in<br />

einer möglichst nahtlosen Rehabilitationskette optimale Versorgungsstrukturen<br />

zu vertretbarem Kostenaufwand zu schaffen, ist die Aufgabe, die sich allen<br />

Verantwortlichen stellt und an deren Lösung das KURATORIUM ZNS mitarbeitet.<br />

Danken möchte ich an dieser Stelle der Deutschen Gesellschaft für Neurotraumatologie<br />

und Klinische Neuropsychologie sowie der Deutschen Gesellschaft<br />

für Neurologische Rehabilitation, die uns im Rahmen ihrer Jahres-<br />

3


4 ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />

tagung die organisatorischen Voraussetzungen für die Durchführung dieses<br />

Symposiums geschaffen haben. Mein besonderer Dank gilt den Referenten<br />

und selbstverständlich den Teilnehmern, die mit ihren Referaten und Diskussionsbeiträgen<br />

das Ergebnis dieser Veranstaltung prägen.<br />

Abschließend danke ich der Barmer Ersatzkasse, die den Druck dieses Tagungsberichtes<br />

ermöglicht hat.<br />

<strong>Hannelore</strong> <strong>Kohl</strong><br />

Präsidentin des KURATORIUMS ZNS


Vorwort<br />

Vorwort<br />

Jährlich erleiden in der Bundesrepublik Deutschland ca. 300.000 Personen<br />

Kopfverletzungen bei Unfällen im Straßenverkehr, am Arbeitsplatz, im häuslichen<br />

Bereich oder bei Spiel und Sport. 100.000 dieser Unfallopfer erleiden<br />

ein schweres Schädelhirntrauma, das bei ca. 45.000 Unfallopfern zu langanhaltenden<br />

oder andauernden Schäden führt. Statistische Erhebungen<br />

haben gezeigt, daß ca. 50% der Unfallopfer mit einem Schädelhirntrauma<br />

Jugendliche im Alter bis zu 25 Jahren sind.<br />

Ziel des KURATORIUMS ZNS ist es, durch Verbesserung der neurologischen<br />

Rehabilitation die Wiedereingliederung <strong>schädelhirnverletzte</strong>r Unfallopfer in<br />

Familie, Schule, Beruf und Gesellschaft zu erleichtern. Dazu werden Rehabilitationseinrichtungen<br />

bei der Beschaffung dringend benötigter diagnostischer<br />

und therapeutischer Geräte unterstützt, eine Vermittlungsstelle für<br />

Rehabilitationsplätze betrieben und Wissenschaft und Forschung zur Entwicklung<br />

und Erprobung neuer, noch effektiverer Rehabilitationsverfahren gefördert.<br />

Ein wichtiger Aspekt in der Öffentlichkeitsarbeit ist es jedoch auch, durch<br />

Hinweise auf Unfallrisiken und Unfallgefahren zu verantwortungsbewußtem<br />

und vorbildlichem Verhalten aufzurufen, um so die Unfallzahlen zu senken.<br />

Mit dem Symposium “<strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong>: <strong>Prävention</strong>, Epidemiologie,<br />

Langzeitversorgungsstrukturen” wird ein weiteres Mal auf die Problematik<br />

der Unfallgefährdung von <strong>Kind</strong>ern in unserem täglichen Leben hingewiesen.<br />

Mit den Verantwortlichen und Fachleuten werden Möglichkeiten zur<br />

Reduzierung von Unfällen gesucht und die Verbesserung der Behandlungsmethoden<br />

zur Eingrenzung von Schädigungsfolgen aufgezeigt.<br />

5


6 ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong>


Begrüßung und Eröffnung<br />

Begrüßung und Eröffnung<br />

<strong>Hannelore</strong> <strong>Kohl</strong><br />

Meine sehr verehrten Damen, meine Herren,<br />

recht herzlich möchte ich Sie heute zum Symposium des KURATORIUMS ZNS<br />

“<strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong>: <strong>Prävention</strong>, Epidemiologie, Langzeitversorgungsstrukturen”<br />

hier in Hamburg begrüßen.<br />

Ich freue mich, daß uns die “Deutsche Gesellschaft für Neurotraumatologie<br />

und Klinische Neuropsychologie” sowie die “Deutsche Gesellschaft für Neurologische<br />

Rehabilitation” im Rahmen ihrer ersten gemeinsamen Jahrestagung<br />

die Voraussetzungen für die Durchführung dieses Symposiums geschaffen<br />

haben und ich möchte dafür den Vorsitzenden, Herrn Professor von Wild und<br />

Herrn Privatdozent Dr. Hömberg recht herzlich danken.<br />

Danken möchte ich aber auch den Referenten, die sich spontan bereit erklärten,<br />

ihre Erfahrungen weiterzugeben, sich hier zur Diskussion zu stellen und<br />

damit den Inhalt und Rahmen dieses Symposiums vorzugeben. Es sei mir gestattet,<br />

an dieser Stelle namentlich Frau Inke Schmidt und Herrn Professor<br />

Bock besonders herzlich zu danken, die sich beide kurzfristig bereit erklärt<br />

hatten, für die erkrankten Kollegen Frau Professor Limbourg und Herrn Professor<br />

Mayer einzuspringen, denen ich von hier aus gute Besserung wünsche.<br />

Doch was wäre eine Tagung ohne Auditorium:<br />

– Sie sind es, an die sich die Referenten richten,<br />

– Sie sind es, die mit Ihren Diskussionsbeiträgen die Tagung beleben und<br />

durch Fragestellungen die Probleme aufzeigen.<br />

– Sie können aus Ihrer täglichen Arbeit praktische Lösungshinweise geben.<br />

Die epidemiologischen Untersuchungen sind die Meßlatte, an der Maßnahmen<br />

der <strong>Prävention</strong>, Rehabilitation und Langzeitversorgung immer wieder<br />

gemessen werden. Ziel dieser Tagung ist es, auf Schwierigkeiten und Probleme<br />

in diesen Bereichen hinzuweisen, Lösungsansätze aufzuzeigen und an diejenigen<br />

zu appellieren, die Mittel, Einfluß und Funktionen haben, um zur Verbesserung<br />

der neurologischen Rehabilitation von <strong>Kind</strong>ern und Jugendlichen<br />

beizutragen. <strong>Kind</strong>er und Jugendliche bedeuten Zukunft. Lassen Sie uns mit<br />

daran arbeiten, heute die Voraussetzungen zu schaffen, daß diese junge Generation<br />

zukünftig nicht nur ihr Ich-Gefühl auslebt, sondern auch ihrer Verantwortung<br />

gerecht wird.<br />

7


8<br />

Dies setzt rücksichtsvolles, vorbildhaftes und auch verantwortungsbewußtes<br />

Verhalten voraus. <strong>Das</strong> Funktionieren einer freien Gemeinschaft basiert auch<br />

auf Respekt vor dem Einzelnen und der Übernahme von Pflichten neben der<br />

Beanspruchung von Rechten.<br />

Immer noch werden hirnverletzte Mitmenschen aufgrund ihrer Behinderung,<br />

ihres Andersseins, ins Abseits gedrängt. Dies ist eine Situation, die häufig nicht<br />

nur den Patienten sondern auch seine Familie betrifft. Die Akut- und Rehabilitationsbehandlung<br />

ist ein relativ kurzer Zeitabschnitt, gemessen an der<br />

langen Phase, in der der Betroffene mit und trotz bleibender Schädigung sich<br />

in der Gesellschaft behaupten muß, um ein möglichst gleichberechtigtes<br />

Leben zu führen.<br />

Jedem von uns ist bewußt, daß sich trotz aller Gesetze, Verordnungen, Vorschriften<br />

und Unfallverhütungsmaßnahmen immer wieder Unfälle mit Personenschäden<br />

ereignen werden. Trotzdem gilt nach wie vor der Grundsatz:<br />

“<strong>Prävention</strong> ist die beste Rehabilitation”.<br />

ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />

Häufig ist die Überschätzung der eigenen Leistungsfähigkeit die Ursache von<br />

Unfällen, die wiederum die eigene oder sogar die Gesundheit von anderen<br />

gefährden. Wie häufig werden durch Leichtsinn oder auch Rücksichtslosigkeit<br />

Unfälle ausgelöst.<br />

Unterschiedliche Tendenzen sind aus den Zahlen der Straßenverkehrsunfallbilanz<br />

1998 bei regionaler Betrachtung zu entnehmen. In Nordrhein-Westfalen<br />

ist zum Beispiel ein Anstieg der getöteten <strong>Kind</strong>er zu verzeichnen,<br />

während im gesamten Bundesgebiet in 1998 die niedrigste Zahl der Getöteten<br />

seit 1953 verzeichnet wurde, dem Jahr, in dem diese Statistik eingeführt<br />

wurde.<br />

Dank der unermüdlichen Bemühungen der “Gewerblichen Berufsgenossenschaften”<br />

wurde in 1998 auch die niedrigste Zahl der Arbeitsunfälle registriert,<br />

doch nach wie vor ist jeder Unfall ein Unfall zu viel.<br />

Sind nicht vielen von uns folgende Aussagen im wesentlichen bekannt:<br />

– „86% aller Radfahrer erleiden Kopfverletzungen, wenn es zu einem Unfall<br />

kommt.“ (Universität München)<br />

– „53% aller Weichteilverletzungen, 83% der Frakturen, 48% aller Schädelhirnverletzungen<br />

könnten vermieden werden, wenn das Unfallopfer<br />

einen Radhelm getragen hätte.“ (Medizinische Hochschule Hannover)<br />

Um auf Unfallgefahren aufmerksam zu machen, hat das KURATORIUM ZNS<br />

die Produktion eines Informationsvideofilmes gemeinsam mit der Barmer


Begrüßung und Eröffnung<br />

Ersatzkasse finanziert: „Mit Helm ist doch klar – Update 2000“, ein Film, der<br />

besonders <strong>Kind</strong>er und Jugendliche anspricht, beim Fahrradfahren und Inline-<br />

Skaten entsprechende Schutzhelme zu tragen. Der Film ist über Media Contact/<br />

Köln erhältlich oder kann bei der DEA-Mediathek/Meckenheim ausgeliehen<br />

werden.<br />

Zusätzlich hat das KURATORIUM ZNS Broschüren zu folgenden Themen erstellt:<br />

– Sicher mit dem Rad<br />

– Sicher mit dem Auto<br />

– Sicherheit im Haus.<br />

Diese Broschüren werden Ihnen über unsere Geschäftsstelle auf Anfrage<br />

gerne zugesandt.<br />

Der Unfall fragt nicht nach Schuld, er kennt nur die Opfer. Hinter jedem Unfall<br />

steht häufig unermeßliches Leid. Bedenken Sie, jeder von uns kann von<br />

einer Sekunde auf die andere selbst Betroffener sein und hofft dann auf die<br />

verständnisvolle Hilfe des Nächsten.<br />

Ich hoffe, daß dieses Symposium ein Appell an viele sein wird, mit den ihnen<br />

zur Verfügung stehenden Möglichkeiten und Mitteln auch dazu beizutragen,<br />

Unfälle zu vermeiden. Eine effektive Rehabilitation, wirtschaftlich gestaltet,<br />

soll dazu führen, daß verletzungsbedingte Funktionsbeeinträchtigungen und<br />

Organschädigungen nicht ins soziale Abseits führen.<br />

Möge diese Tagung den Dialog zwischen den Betroffenen und ihren Angehörigen,<br />

sowie Leistungsanbietern, Behörden, Organisationen oder Institutionen<br />

intensivieren.<br />

Mögen in gemeinsamer Anstrengung Probleme und Schwierigkeiten der Rehabilitation<br />

beseitigt werden.<br />

Mögen zielgerichtete Langzeitversorgungsstrukturen für <strong>schädelhirnverletzte</strong><br />

<strong>Kind</strong>er und Jugendliche die Wiedereingliederung in Familie, Schule, Beruf und<br />

Gesellschaft erleichtern.<br />

Möge sich die Chance für ein neues, gleichberechtigtes Leben nach dem Unfall<br />

für <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong>er und Jugendliche eröffnen.<br />

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen einen interessanten<br />

Tagungsverlauf.<br />

9


10 ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong>


Eröffnungsvortrag<br />

Eröffnungsvortrag<br />

Wolfgang J. Bock<br />

Neurochirurgische Klinik der Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf<br />

<strong>Das</strong> Thema des Symposiums lautet “<strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong> – <strong>Prävention</strong>,<br />

Epidemiologie, Langzeitversorgungstrukturen”. <strong>Das</strong> letzte Symposium<br />

ähnlicher Thematik fand im Rahmen der REHA 1997 in Düsseldorf statt. <strong>Das</strong><br />

damalige Thema lautete: “Schädel-Hirn-Verletzungen bei <strong>Kind</strong>ern und Jugendlichen<br />

– <strong>Prävention</strong>, Rehabilitation, Reintegration –”.<br />

Es ist berechtigt zu fragen, was in diesen zwei Jahren erreicht worden ist.<br />

Haben sich die Statistiken geändert, ist nach den Behandlungen eine bessere<br />

Heilungschance zu verzeichnen? Nach wie vor ist es schwierig, saubere epidemiologische<br />

Daten zum Thema Schädel-Hirn-Verletzungen zu erhalten, speziell<br />

bei <strong>Kind</strong>ern und Jugendlichen. Die Daten des Statistischen Bundesamtes<br />

sind unzuverlässig, die dort abgespeicherten Diagnosen entsprechen fast nie<br />

der Wirklichkeit. Sie können allerdings auch nur so gut sein, wie sie von den<br />

Leistungserbringern gemeldet werden. Bereits zur Definition des Schädel-Hirn-<br />

Traumas wären viele Anmerkungen zu machen. Noch immer geistern Begriffe<br />

wie Commotio und Contusio in den Statistiken herum. Ein Beispiel sei aus<br />

einem Gutachten zitiert:<br />

Eine unfallchirurgische Abteilung definiert als Diagnose: Schädel-Hirn-Trauma<br />

Grad I. Es war aber notwendig, den Patienten über Wochen zu beatmen,<br />

teils mit vegetativen Symptomen. Hierbei dürfte auch den später behandelnden<br />

Reha-Kliniken eine wichtige Aufgabe zukommen, nämlich aufgrund<br />

ihres Datenmaterials eine saubere Klassifikation der Schwere des Schädel-Hirn-<br />

Traumas durchzuführen. Eine weitere Schwierigkeit liegt in der unterschiedlichen<br />

Beurteilung durch die einzelnen Versicherungsträger, sei es die Unfallversicherungsträger,<br />

die privaten Unfallversicherungsträger oder auch die einzelnen<br />

Krankenkassen und Krankenkassenverbände. Neben dem Statistischen<br />

Bundesamt werden hier verschiedene Klassifikationen verwandt, wobei die<br />

großen Mängel der ICD für die Gebiete Neurochirurgie und Neurologie hinreichend<br />

bekannt sind, was auch für die einzuführende ICD 10 gilt. Am besten<br />

sind bis heute noch die im Straßenverkehr erlittenen Verletzungsmuster<br />

dokumentiert.<br />

Eine weitere Aufgabe epidemiologischer Art dürfte sein, Vergleiche der einzelnen<br />

Länder, sei es in Europa oder auch im Vergleich mit den USA, zu erarbeiten.<br />

Auch hierbei stößt man immer wieder auf die bereits ausgeführten Schwierigkeiten<br />

der Definition, aber auch die Bewertung und die Behandlung des<br />

Schädel-Hirn-Traumas wird im internationalen Vergleich unterschiedlich<br />

durchgeführt.<br />

11


12<br />

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes aus dem Jahre 1995 verunglückten<br />

im Jahre 1994 allein im Straßenverkehr 51.635 <strong>Kind</strong>er, wovon 37.823 leicht<br />

verletzt, 13.381 schwer verletzt und 431 <strong>Kind</strong>er getötet wurden. Die damalige<br />

Mitteilung besagte, daß es ist die geringste Zahl seit 1953 sei. Bei Beachtung<br />

der Altersgruppen wurde festgestellt, daß jedes 4. <strong>Kind</strong> unter 6 Jahre alt war,<br />

wovon 50% als Pkw-Mitfahrer, 37% als Fußgänger und 10% als fahrradfahrende<br />

<strong>Kind</strong>er verunglückten, Jungen häufiger als Mädchen. Je 1.000 Einwohner<br />

entsprach die Unfallrate 72, dagegen 57 im Gesamtdurchschnitt aller<br />

Verunfallten. Rechnet man die häuslichen und Freizeitunfälle hinzu (Angaben<br />

der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und des Bundesverbandes der Unfallversicherungsträger),<br />

so kann man von einer Unfallrate von 2.000.000 <strong>Kind</strong>ern<br />

im Alter bis zu 14 Jahren ausgehen. Hierbei werden häusliche und Freizeitunfälle<br />

mit 44% geschätzt, 43% Schülerunfälle und 13% Verkehrsunfälle.<br />

Hierzu muß angemerkt werden, daß Schülerunfälle zum großen Teil auch<br />

Verkehrsunfälle sind, da sie sich auf dem Schulweg ereignen. Vergleicht man<br />

die Situation mit 1998, so stehen im Moment nur die Daten von Nordrhein-<br />

Westfalen zur Verfügung (Abb. 1).<br />

Verkehrsunfälle gesamt 532.862 (+ 4,2%)<br />

Zahl der Verletzten 94.333 (-1,4%)<br />

Zahl der Getöteten 1071 (-9,2%)<br />

davon <strong>Kind</strong>er 54 (+33%)<br />

Abb. 1: Unfallentwicklung Nordrhein-Westfalen 1998<br />

Quelle: Rheinische Post 25.02.1999<br />

ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />

Insgesamt kam es zu 532.862 Verkehrsunfällen,<br />

was einem Plus von<br />

4,2% entspricht. Es dürfte nicht<br />

schwerfallen, die Population des<br />

bevölkerungsreichsten Bundesland<br />

mit 4 zu multiplizieren, um den<br />

ungefähren Bundesdurchschnitt<br />

zu erhalten. Hierzu hat der ADAC<br />

vor 14 Tagen eine Statistik vorge-<br />

legt, die bei den Motorrädern ein Minus von 5,7% zeigt, bei Radfahrern ein<br />

Minus von 4,7% und bei Fußgängern ein solches von Minus 4%. Am geringsten<br />

sind die Rückgänge der Autounfälle mit 0,1%. Der ADAC zieht hieraus<br />

die Bilanz, daß Fußgänger immer sicherer seien, die Zahl der Verkehrstoten<br />

sei um 7,5% im Bundesdurchschnitt zurückgegangen.<br />

Getötete <strong>Kind</strong>er 54<br />

davon Fußgänger 9<br />

Radfahrer 7<br />

Mitfahrer PKW 6<br />

Abb. 2: Unfallentwicklung Nordrhein-Westfalen 1998<br />

Quelle: Rheinische Post 25.02.1999<br />

Wie sieht die Entwicklung bei den<br />

<strong>Kind</strong>ern aus. 1998 starben auf<br />

Nordrhein-Westfalens Straßen<br />

1.071 Menschen, das entspricht<br />

einem Minus von 9,2%, die <strong>Kind</strong>er<br />

allerdings mit 54 Getöteten<br />

haben ein Plus von 33% zu verzeichnen.<br />

Von diesen 54 getöteten<br />

<strong>Kind</strong>ern waren 9 Fußgänger, 7 Radfahrer<br />

und 6 Mitfahrer im Pkw<br />

(Abb. 2).


Eröffnungsvortrag<br />

Betrachtet man sich Düsseldorf, so<br />

findet sich eine Zunahme der Unfälle<br />

um 1.491, beteiligte <strong>Kind</strong>er<br />

unter 14 Jahren 335, wovon 2 verstarben<br />

(Abb. 3).<br />

Vergleicht man nun hierzu die Angaben<br />

aus anderen Ländern, so<br />

wird man erstens feststellen, daß<br />

es nur einzelne Mitteilungen gibt, zum anderen genauere Daten nur von<br />

regionalen Statistiken der unfallchirurgischen oder neurochirurgischen Kliniken.<br />

Eine epidemiologische Mitteilung findet sich bei Egbert und Teasdale zur<br />

dänischen Situation. Hier werden die Schädel-Hirn-Traumen bei <strong>Kind</strong>ern von<br />

1979 bis 1993 dargelegt, also einem Zeitraum von 15 Jahren entsprechend.<br />

Hierbei sind 49.594 <strong>Kind</strong>er verunglückt, 60% Jungen, 40% Mädchen, wobei<br />

die Alterspitze zwischen<br />

5 und 14 Jahren lag. Die angegebene<br />

Mortalität scheint<br />

mit 22% recht hoch zu sein.<br />

Man muß berücksichtigen,<br />

daß zu diesem Zeitpunkt<br />

noch keine so ausgebaute<br />

Frührehabilitation und<br />

Nachsorge existierte. Neuere<br />

Angaben zu Dänemark liegen<br />

mir nicht vor (Abb. 4).<br />

Aus Spanien findet sich eine<br />

Mitteilung, die sich nur auf<br />

eine einzelne Unfallstation<br />

bezieht und von Elorza-<br />

Arizmendi stammt. Erwähnenswert<br />

ist, daß von den<br />

152 <strong>Kind</strong>ern 95,4% in Parks,<br />

in der Schule oder zu Hause<br />

verunfallten. Auch ist mit<br />

66% das männliche Geschlecht<br />

führend, gegenüber<br />

33% Anteil an Mädchen<br />

(Abb. 5). Die Altersgruppen-<br />

Unfälle insgesamt 1998 23.165<br />

(1997) 21.674<br />

davon <strong>Kind</strong>er unter 14 Jahren 335<br />

(2 verstorben)<br />

Abb. 3: Verkehrsunfallentwicklung Düsseldorf 1998<br />

Quelle: Rheinische Post 25.02.1999<br />

Anzahl 49.594<br />

männlich 60%<br />

weiblich 40%<br />

Altersspitze zwischen 5–14 Jahre<br />

Mortalität 22%<br />

Abb. 4: Dänemark, Schädelhirntrauma bei <strong>Kind</strong>ern (1979–1993)<br />

Quelle: Engbert, A. Teascale, T.W., Eur. J. Epidemiol. 1998 14(2), 165–73<br />

analysiert 152 <strong>Kind</strong>er<br />

Unfallort: in Parks<br />

}<br />

in der Schule 95,4%<br />

zu Hause<br />

männlich 66%<br />

weiblich 33%<br />

häufigste Altersgruppe 7–14 Jahre<br />

Zeit bis Eintreffen 30–40 Min. (80%)<br />

Abb. 5: Spanien (Daten einer Unfallstation)<br />

Quelle: Elorza-Arizmendi, J.F. et al., Au. Esp. Pediatr. 1997, 46(5), S. 464–70<br />

angabe deckt sich fast mit der von Dänemark. Gemessen wurde hierbei auch<br />

die Zeit bis zum Eintreffen in der Unfallstation, wobei eine Zeit von 30 bis 40<br />

Minuten bei 80% ermittelt wurden.<br />

13


14<br />

Unfallrate zw. 175 bis 200/100.000 Einw.<br />

davon mit Todesfolge 56/Jahr<br />

Abb. 6: USA, Schädelhirntrauma<br />

Quelle: Kraus, J.F., McArthur, D.L., Neurol.Clin. 1996, 14(2), 235–50<br />

Für die USA geben Kraus und<br />

Mc. Arthur eine Unfallrate zwischen<br />

175 bis 200 pro 100.000<br />

Einwohner an. Unfälle mit<br />

Todesfolgen werden mit 56.000<br />

pro Jahr angegeben (Abb.6).<br />

Teilt man diese Zahl von 56.000<br />

durch 3, das entspricht ungefähr der Bevölkerung der Bundesrepublik, geht<br />

man von 240.000.000 Einwohnern in den USA aus, so kommt man auf eine<br />

Zahl von 14.600, damit noch immer doppelt so hoch wie die momentanen<br />

Zahlen in der Bundesrepublik, trotz Tempolimit und vielen restriktiveren Vorgaben<br />

als bei uns.<br />

Mortalität 69<br />

bei Autounfällen 31 (45%)<br />

davon nicht angeschnallt 25<br />

davon unter 4 Jahre 17<br />

als Fußgänger/Auto 19 (28%)<br />

davon unter 4 Jahre 10<br />

Fahrrad/Auto 4<br />

andere Ursachen 12<br />

Abb. 7: USA, Schädelhirntrauma bei <strong>Kind</strong>ern<br />

(5 Jahre – 2 Traumazentren in Georgia)<br />

Quelle: Boswell, W.-C. et. al., South Med. J. 1996, 89(2), 218–20<br />

ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />

Speziell zum Schädel-Hirn-Trauma<br />

bei <strong>Kind</strong>ern findet sich eine 5-Jahres-Statistik<br />

zweier traumatologischer<br />

Zentren in Georgia von Boswell<br />

und Mitarbeitern (Abb. 7). In<br />

diesen beiden Zentren fanden sich<br />

69 <strong>Kind</strong>er, die nach schweren Schädel-Hirn-Verletzungen<br />

verstarben,<br />

davon 31, entsprechend 45%, bei<br />

Autounfällen. Auch hier findet sich<br />

ein deutlich höherer Anteil als in<br />

der Bundesrepublik. Erschreckend<br />

allerdings ist die Tatsache, daß<br />

25 dieser <strong>Kind</strong>er nicht angeschnallt waren und 17 von diesen unter 4 Jahren<br />

gewesen sind. 19 dieser verstorbenen <strong>Kind</strong>er waren Fußgänger, die mit dem<br />

Auto kollidierten, das entspricht einer Quote von 28%, wovon 10 unter 4<br />

Jahren zu registrieren waren. Nur 4 kollidierten als Fahrradfahrer mit dem<br />

Auto, entsprechend 6% und nur 12 <strong>Kind</strong>er verstarben nach Schädel-Hirn-<br />

Trauma aus anderer Ursache. Diese Statistik zeigt deutlich den anderen Stellenwert<br />

des Verkehrsmittel.<br />

Eingehen möchte ich noch auf den Fahrradunfall. Hierzu gibt es aus dem<br />

Jahre 1997 eine Dissertation von Löbbecke aus Bonn mit interessanten Hinweisen.<br />

Wichtig zumindest für die Bundesrepublik sind die Verkehrsunfälle<br />

mit dem Fahrrad, inzwischen mindestens genauso bedeutsam wie in den Niederlanden.<br />

Die enorme Zunahme des Fahrrades als Verkehrsmittel ist am<br />

besten in unseren Städten zu beobachten, voran Münster als die fahrradfahrende<br />

Stadt Deutschlands.<br />

Ich erlaube mir, Ihnen einige der wichtigsten Ergebnisse aus dieser Arbeit vorzustellen.<br />

Betrachten wir uns zuerst die Altersverteilung, so wird sehr deut-


Eröffnungsvortrag<br />

Patienten (N)<br />

Abb. 8: Altersverteilung von Patienten mit Fahrradunfällen und übrigen Verkehrsunfällen<br />

Quelle: Löbbecke, G. Diss. Bonn, 1997<br />

Fahrradunfälle<br />

Übrige Verkehrsunfälle<br />

Alter (Jahre)<br />

lich, daß insgesamt bei den im Raume Bonn aufgetretenen Unfällen die Altersgruppe<br />

zwischen 10 und 29 Jahren überproportional beteiligt ist (Abb. 8).<br />

Auch hier findet sich eine gute Übereinstimmung zur internationalen Literatur.<br />

Betrachtet man sich die Fahrradunfälle allein, so ist die Altersgruppe 10<br />

bis 19 Jahre wiederum führend, erst mit 40 bis 49 Jahren dürfte eine Sicherheit<br />

im Straßenverkehr aufgetreten sein. Allerdings sind diese Zahlen auch so<br />

zu deuten, daß letztere Altersgruppe lieber mit dem Auto fährt. Deutlich dürfte<br />

aber sein, daß die <strong>Kind</strong>er und Jugendlichen überproportional bei den Verkehrsunfällen<br />

betroffen sind, ganz gleich ob Fahrradunfälle oder andere Verkehrsunfälle.<br />

Betrachtet man sich nun die Verletzungsarten, so ist ganz klar<br />

ersichtlich, daß bei den 159 Fahrradunfällen das Schädel-Hirn-Trauma führend<br />

ist (Abb. 9). Hierbei sind Mehrfach-Verletzungen berücksichtigt. Analysiert<br />

man die Begleitverletzungen, so ist die Mittelgesichtsfraktur häufigste<br />

Kopfverletzungen Anzahl Begleitverletzungen Anzahl<br />

(N) (N)<br />

Schädelfraktur 132 Mittelgesichtsfraktur 43<br />

Hirnkontusion 49 Wirbelkörperfraktur 13<br />

Epidurales Hämatom 33 Fraktur der oberen Extremität 31<br />

Akutes subdurales Hämatom 29 Fraktur der unteren Extremität 15<br />

Traumatische SAB 39 Thoraxtrauma 12<br />

Intracerebrale Blutung 4 Bauchtrauma 2<br />

Beckenfraktur 5<br />

Gesamt 286 Gesamt 121<br />

Abb. 9: Übersicht der Verletzungen bei 159 Fahrradunfällen<br />

Quelle: Löbbecke, G. Diss. Bonn, 1997<br />

15


16<br />

36 (23%)<br />

Abb. 10: Ursache von 159 Fahrradunfällen<br />

Quelle: Löbbecke, G. Diss. Bonn, 1997<br />

Verletzung. Diese sollte<br />

man zu den Kopfverletzungen<br />

hinzurechnen, da diese<br />

Kombination sehr häufig<br />

gegeben ist. Interessant ist<br />

auch, daß die obere Extremität<br />

häufiger frakturiert als<br />

die untere, nämlich doppelt<br />

so häufig. Zu bemerken ist<br />

auch, daß bei der Ursachenforschung<br />

das Selbstverschulden<br />

mit 46% weit füh-<br />

rend ist und nur in 23% ein Fremdverschulden auszumachen ist (Abb. 10).<br />

Der Leichtsinn, das unvorsichtige, unbekümmerte Fahrradfahren, das unbeleuchtete<br />

Fahrradfahren, das Fahren bei Rot über die Kreuzung sind nur wenige<br />

Beispiele. Umso unver-<br />

19 (12%)<br />

73 (46%)<br />

41 (26%)<br />

50 (31%)<br />

Abb. 11: Unfallort bei 159 Fahrradunfällen<br />

Quelle: Löbbecke, G. Diss. Bonn, 1997<br />

unbekannt<br />

Selbstverschulden<br />

Fremdverschulden<br />

ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />

ständlicher dürfte es sein,<br />

daß es eine Gesetzgebung<br />

erlaubt, im dichtesten Verkehr<br />

eine Einbahnstraße in<br />

die Gegenrichtung für Fahrradfahrer<br />

freizugeben.<br />

Untersucht wurde auch der<br />

Unfallort. Hier überwiegt<br />

die Straße vor dem Fahrradweg,<br />

d.h., das fahrradfahrende<br />

<strong>Kind</strong> ist auf der<br />

Straße am gefährdetsten<br />

(Abb. 11). Außerdem ist es ausgesprochen wichtig, die tageszeitliche Verteilung<br />

zu ermitteln. Hierbei hat Löbbecke herausgefunden, daß überproportional<br />

der Zeitraum zwischen 12 und 18 Uhr mit 40% als Unfallzeitpunkt festzustellen<br />

ist (Abb. 12). Damit<br />

42 (26%)<br />

13 (8%)<br />

22 (14%)<br />

Abb. 12: Tageszeitliche Verteilung<br />

von 159 Fahrradunfällen<br />

Quelle: Löbbecke, G. Diss. Bonn, 1997<br />

32 (20%)<br />

63 (40%)<br />

86 (54%)<br />

Straße<br />

Fahrradweg<br />

Feld- oder Privatweg<br />

unbekannt<br />

07.00 – 12.00 Uhr<br />

12.00 – 18.00 Uhr<br />

18.00 – 07.00 Uhr<br />

unbekannt<br />

aber ist klar, daß die Freizeit,<br />

nämlich der Nachmittag,<br />

für das fahrradfahrende<br />

<strong>Kind</strong> die gefährlichste Zeit<br />

darstellt. Ähnliche Ergebnisse<br />

finden sich bereits in der<br />

spanischen Untersuchung<br />

von Elorza-Arizmendi.<br />

Jahreszeitliche Unterschiede<br />

und die Häufigkeit des


Eröffnungsvortrag<br />

männlichen Geschlechts lassen sich ebenfalls demonstrieren. Verständlicherweise<br />

sind die Monate Mai bis September die häufigsten, in denen Unfälle<br />

auftreten. <strong>Das</strong> Überwiegen der Jungen ist ebenfalls nicht zu übersehen. Schlüsselt<br />

man die Schwere nach der Glasgow-Coma-Scale auf, so sind immerhin<br />

41% schwerste Schädel-Hirn-Verletzungen, aber auch Bagatelltraumen mit 41%<br />

zu registrieren.<br />

Hieraus leitet sich natürlich<br />

die Frage ab, wieviel <strong>Kind</strong>er<br />

waren zu ermitteln, die mit<br />

Helm fuhren und diese<br />

Statistik ist enttäuschend<br />

(Abb. 13). Es sind ganze 4%.<br />

Inzwischen liegen aus den<br />

USA, aber auch aus Deutschland<br />

und Dänemark sowie<br />

Schweden Auswertungen vor,<br />

die eindeutig den positiven<br />

Einfluß des Helmtragens belegen.<br />

So schreiben Thompson,<br />

Rivara und Thompson<br />

aus Seattle über 3.390 verun-<br />

7 (4%)<br />

152 (96%)<br />

Abb. 13: Anzahl der verunglückten Fahrradfahrer, die zum<br />

Unfallzeitpunkt einen Fahrradhelm trugen<br />

Quelle: Löbbecke, G. Diss. Bonn, 1997<br />

mit Helm<br />

ohne Helm<br />

fallte Fahrradfahrer von immerhin 29% der Verunfallten und 56% der kontrollierten<br />

Patienten, daß sie mit Helm fuhren. Sie teilten ein in <strong>Kind</strong>er unter<br />

6 Jahren, <strong>Kind</strong>er von 6 bis 12 Jahren, von 13 bis 19 Jahren und über 20 Jahre.<br />

Sie untersuchten hierbei den Effekt des Helms beim Unfall, speziell dann,<br />

wenn das Auto Gegner des Fahrradfahrers war. Sie schließen ihre Untersuchung<br />

mit der Zusammenfassung, daß helmtragende Fahrradfahrer eine<br />

substantielle Protektion gegenüber anderen Fahrradfahrern haben. Hierbei<br />

spielt es keine Rolle, ob ein Hartschalenhelm oder Dünnschalenhelm getragen<br />

wurde.<br />

In einer anderen Untersuchung aus den Vereinigten Staaten von Sosin und<br />

Mitarbeitern aus Atlanta mit einer sehr genauen Aufschlüsselung der Verletzungen<br />

wird resümiert, daß es notwendig ist, den stärkeren Gebrauch des Helms<br />

beim Fahrradfahren zu propagieren, insbesondere bei jungen <strong>Kind</strong>ern. Es wird<br />

betont, daß der Helm auch Gesichtsverletzungen vermeidet.<br />

Erwachsene sollten eine Vorbildfunktion haben, dieser Verpflichtung kommen<br />

sie jedoch nicht nach. Wieso soll ein <strong>Kind</strong> einsehen einen Helm zu tragen,<br />

wenn die Eltern es für sich selbst aber ablehnen. Wie sollen <strong>Kind</strong>er im<br />

Straßenverkehr ordnungsgemäß handeln, wenn Erwachsene mit Selbstverständlichkeit<br />

bei Rot über die Kreuzung gehen. Wie sollen <strong>Kind</strong>er ihr Fahrrad<br />

ordnungsgemäß bedienen, wenn Erwachsene noch nicht einmal die vorge-<br />

17


18<br />

schriebene Beleuchtung am Fahrrad montiert haben. Diese Liste ist beliebig<br />

fortzusetzen.<br />

Noch ein Wort zur Frührehabilitation und zur Rehabilitation. Über beides<br />

werden in den weiteren Beiträgen genauere Angaben gemacht. Auf diesem<br />

Gebiet hat das Kuratorium ZNS in den letzten Jahren Pionierarbeit geleistet<br />

durch Vergabe von Forschungsmitteln und Auslobung von Preisen. So sind<br />

eine Reihe von wissenschaftlichen Grundlagen geschaffen worden, die die<br />

Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit der Frührehabilitation und der späteren<br />

Rehabilitation aufzeigen. Weltweit wurden in zahlreichen Veröffentlichungen,<br />

die alle aufzuzählen hier gar nicht möglich ist, bewiesen, daß die nahtlose<br />

fachgerechte Betreuung dieser <strong>schädelhirnverletzte</strong>n <strong>Kind</strong>er ein besseres<br />

Ergebnis erzielt.<br />

Diese positiven Ergebnisse stammen zu einem großen Teil aus der deutschen<br />

Literatur und aus deutschen Rehabilitationszentren und neurochirurgischen<br />

Kliniken mit Frührehabilitation, wobei dieses Wort nicht immer im Kliniksnamen<br />

auftauchen muß. Wichtig aber ist, daß diese aktive Therapie noch im<br />

Stadium der intensivtherapeutischen Behandlung beginnt.<br />

Die beste Behandlung ist, wie wir alle wissen, die <strong>Prävention</strong>. Hier sind die<br />

Erwachsenen gefordert, Vorbild zu sein. Ich fürchte aber, daß dieser Appell an<br />

den tauben Ohren dieser Altersgruppe verhallt. Die prozentuale Zunahme des<br />

kindlichen Traumas im Vergleich zur Abnahme der Gesamtverletztenzahl dürfte<br />

mir leider Recht geben.<br />

Literatur<br />

Fußgänger immer sicherer: ADAC Motorwelt 3/99, S. 51.<br />

ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />

Bock, W.J.: Intensivmedizin und Rehabilitation. In: “Neurologische Frührehabilitation”,<br />

hrsg. v. K. v. Wild und H.-H. Janzin, Zuckschwerdt, München,<br />

1990, S. 102–106.<br />

Bock, W.J.: Was erwartet der Neurochirurg von der Frührehabilitation? In “Frührehabilitation<br />

für Hirnverletzte”, hrsg. v. Kuratorium ZNS, Kepnerdruck<br />

Eppingen, S. 23–41.<br />

Boswell, W.C. et al.: Prevention of pediatric mortality from trauma: are current<br />

measures adaequate? South Med. J. 89(2), 1996, 218–220.<br />

Egbert, A., Teasdale, T.W.: Traumatic brain injury in children in Denmark:<br />

A national 15-year study. Eur. J. Epidemiol., 14(2), 1998, S. 165–173.


Eröffnungsvortrag<br />

Elorza-Arizmendi, J.F. et al: Consideraciones sobre los traumatismos cranioencefalicos<br />

pediatricos desde un servicio de urgencias, An. Esp. Pediatr. 46(5),<br />

1997, S. 464–470.<br />

Haas-Pilwat, D.: <strong>Kind</strong>er besonders gefährdet, Rhein. Post, 25.2.99.<br />

Kraus, J.F., Mc. Arthur, D.L.: Epidemiologic aspects of brain injury. Neurol. Clin.<br />

14(2), 1996, S. 435–450.<br />

Löbbecke, G.: Schädel-Hirn-Verletzungen durch Fahrradunfälle. Diss., Bonn,<br />

1997.<br />

Mayer, K.: Einführung in das Thema in “Schädelhirnverletzungen bei <strong>Kind</strong>ern<br />

und Jungendlichen: <strong>Prävention</strong>, Rehabilitation, Re-Integration”, hrsg. v.<br />

Kuratorium ZNS, Bonn, 1998, S. 11–15.<br />

Ressing, A.: Mitteilung in Rhein. Post, 25.2.99.<br />

Sosin, D.M., Sackes, J.J., Webb, K.W.: Pediatric head injuries and deaths from<br />

bicycling in the United States. Pediatrics, 98(5), 1996, 868–870.<br />

Thompson, D.C., Rivara, F.P., Thompson, R.S.: Effectiveness of bicycle safety<br />

helmets in preventing head injuries. A case-control study. JAMA, 276(24), 1996,<br />

1968–1973.<br />

19


20 ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong>


Ansätze zur <strong>Prävention</strong> von Schädelhirnverletzungen im <strong>Kind</strong>esalter<br />

Ansätze zur <strong>Prävention</strong> von<br />

Schädelhirnverletzungen im <strong>Kind</strong>esalter<br />

Inke Schmidt<br />

Bundesvereinigung für Gesundheit, Bonn<br />

Maria Limbourg<br />

Universität GH Essen<br />

1. Einleitung<br />

Bei ca. 40% der Unfälle im <strong>Kind</strong>esalter ist der Kopfbereich von Verletzungen<br />

betroffen (Hubacher, 1994). Dadurch kommt es bei <strong>Kind</strong>erunfällen auch häufig<br />

zu Schädelhirnverletzungen (Obertacke u. a., 1997, Wörgötter u. a., 1995).<br />

Im Bereich der Heim- und Freizeitunfälle ist die Anzahl der Kopfverletzungen<br />

mit 46% noch höher als im Durchschnitt aller <strong>Kind</strong>erunfälle. Spitzenreiter<br />

sind dabei die Gehfreiunfälle mit 80% Kopfverletzungen (Bier, 1997). Die<br />

Spielplatzunfälle weisen eine Kopfverletzungsquote von 51% auf (Hubacher<br />

und Goethals, 1995, Schimpl, 1995). Im Bereich der Straßenverkehrsunfälle<br />

bewegt sich die Anzahl der Kopfverletzungen – je nach Art der Verkehrsteilnahme<br />

– zwischen 30% und 54% (Otte, 1997, Hubacher und Goethals, 1995).<br />

<strong>Kind</strong>er als Fußgänger sind dabei mit 54% am stärksten betroffen. An zweiter<br />

Stelle sind die kindlichen Radfahrer mit einem Kopfverletzungsanteil von<br />

40% zu finden. Die kindlichen Pkw-Mitfahrerunfälle weisen einen Anteil von<br />

30%–36% an Kopfverletzungen auf.<br />

Säuglinge und Kleinkinder erleiden bei Unfällen häufiger Kopfverletzungen<br />

als ältere <strong>Kind</strong>er. So wird bei Unfällen im ersten Lebensjahr bei 66% der <strong>Kind</strong>er<br />

der Kopf verletzt, in zweiten Lebensjahr sind es 58% und im dritten bis<br />

fünften Lebensjahr sind es 52% (Kapp, 1997).<br />

Ein Großteil dieser unfallbedingten Kopfverletzungen könnte durch eine<br />

effektive Unfallprophylaxe verhindert werden. Gute Beispiele für erfolgreiche<br />

Unfallpräventionsansätze bieten uns einige unserer Nachbarländer (Bergmann<br />

und Rivara, 1991, Purtscher, 1995, Limbourg, 1997). <strong>Das</strong> diese Programme auch<br />

wirksam sind, zeigt uns das Land Schweden: Dort beträgt die Unfall-Todesrate<br />

von <strong>Kind</strong>ern nur 4,1 je 100.000 Einwohner der entsprechenden Altersgruppe,<br />

während sie in Deutschland noch bei 7,0 tödlichen Unfällen je 100.000 <strong>Kind</strong>er<br />

liegt (Dörries u. a., 1997).<br />

2. Epidemiologie und Ursachen von Unfällen im <strong>Kind</strong>esalter<br />

Jahr für Jahr werden von den ca. 13 Mio. in Deutschland lebenden <strong>Kind</strong>ern<br />

unter 15 Jahren schätzungsweise 2.000.000 Opfer eines Unfalls (Henter, 1997).<br />

21


22<br />

ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />

Die Unfälle geschehen zu Hause, im <strong>Kind</strong>ergarten oder in der Schule, in der<br />

Freizeit, im Straßenverkehr oder beim Sport. Etwa die Hälfte der verunglückten<br />

<strong>Kind</strong>er (ca. 1.000.000) muß nach dem Unfall ärztlich behandelt werden<br />

und ca. 220.000 davon werden so schwer verletzt, daß sie in ein Krankenhaus<br />

stationär aufgenommen werden müssen. Bei rund 700–800 <strong>Kind</strong>ern pro Jahr<br />

sind die Unfallverletzungen oder ihre Folgeschäden tödlich (Henter, 1997, Statistisches<br />

Bundesamt, 1998). Weitere ca. 1.400 <strong>Kind</strong>er pro Jahr (nach Schätzungen<br />

der Weltgesundheitsorganisation WHO) bleiben nach dem Unfall lebenslang<br />

behindert – häufig als Folge von Kopfverletzungen.<br />

Die meisten tödlichen <strong>Kind</strong>erunfälle ereignen sich im Straßenverkehr (43%)<br />

und im Haushalt (ca. 22%). Die Sportunfälle sind mit jährlich ca. 12% bei<br />

den tödlichen Unfällen vertreten. Dazu kommen noch weitere 23% “sonstige<br />

tödliche Unfälle”. Während die <strong>Kind</strong>er im Vorschulalter (0–5 Jahre) häufiger<br />

im häuslichen Bereich verunglücken als im Verkehr, steht bei den 6- bis 14jährigen<br />

<strong>Kind</strong>ern der Verkehrsunfall im Vordergrund (1:4). Jungen erleiden fast<br />

wesentlich häufiger tödliche Unfälle als Mädchen (nahezu in einem Verhältnis<br />

von 2:1) (Statistisches Bundesamt, 1998, Henter, 1997, Hubacher, 1994, Dörries<br />

u. a., 1997).<br />

Der häufigste tödliche Unfall im Heim- und Freizeitbereich ist das Ertrinken<br />

mit ca. 140 getöteten <strong>Kind</strong>ern pro Jahr (die Hälfte davon im Alter unter 5 Jahren).<br />

Weitere häufige tödliche Unfallarten bei <strong>Kind</strong>ern sind das Ersticken (66),<br />

die Stürze (44), die Vergiftungen (55) und die Verbrennungen und Verbrühungen<br />

(16) (Statistisches Bundesamt, 1998, Kapp, 1997, Albermann, 1997, Bier,<br />

1997, Henter, 1997, Ellsässer, 1997). Die höchste Todesrate bei Verbrennungen<br />

und Verbrühungen liegt im Alter unter 30 Monaten (Katcher, 1998). Im Straßenverkehr<br />

sterben die <strong>Kind</strong>er am häufigsten als Mitfahrer im Auto (143),<br />

gefolgt von den Fußgängern (85) und von den Radfahrern (66) (Statistisches<br />

Bundesamt, 1998). Die Sportunfälle (85 getötete <strong>Kind</strong>er) zeigen einen ersten<br />

Anstieg mit 5 bis 6 Jahren, ein weiterer Anstieg der Häufigkeit erfolgt<br />

zwischen dem 10. und 12. Lebensjahr. Die meisten tödlichen Sportunfälle<br />

ereignen sich beim Radfahren, beim Reiten, beim Eislaufen, beim Rodeln und<br />

bei diversen Wassersportarten. Jungen verunglücken häufiger beim Radfahren<br />

(3:1), Mädchen beim Reiten (4:1). (Schmidt und Höllwarth, 1995, vgl.<br />

Limbourg, 1997).<br />

Die häufigste Unfallart in allen Altersgruppen ist der Sturz (ca. 50% aller Unfälle).<br />

Jungen stürzen im Vergleich zu Mädchen im Verhältnis von 3:2. Ca.<br />

15–25% der Unfälle ereignen sich durch Einwirkungen von Gegenständen<br />

und Maschinen und ca. 10–20% sind Zusammenstöße mit stehenden oder<br />

sich bewegenden Gegenständen. Weitere ca. 7–8% geschehen durch Einwirkungen<br />

von Menschen oder Tieren. Ca. 3–12% der Unfälle sind Verbrennun-


Ansätze zur <strong>Prävention</strong> von Schädelhirnverletzungen im <strong>Kind</strong>esalter<br />

gen oder Verbrühungen. 45% aller Verbrennungen und Verbrühungen ereignen<br />

sich im Alter unter 2 Jahren, insgesamt 80% unter 5 Jahren (Hubacher,<br />

1994, Schlintl und Goethals, 1992, Willital und Maragakis, 1992, Slongo und<br />

Kehrer, 1982). Anderen Unfallarten liegen in ihrer Häufigkeit zwischen 0,1<br />

und 4,0%. Sie dürfen aber trotzdem nicht vernachlässigt werden, weil sie –<br />

wie z.B. das Ertrinken – zwar selten sind, aber häufig sehr schwere bis tödliche<br />

Folgen haben (Schlintl und Goethals, 1992, Hubacher, 1994, Albermann, 1997).<br />

2.1 <strong>Kind</strong>erunfälle im Alter von 0–4 Jahren<br />

Diese Gruppe von <strong>Kind</strong>ern verunglückt am häufigsten, wobei die stärkste<br />

Gefährdung bei den Zweijährigen auszumachen ist (Schmidt und Höllwarth,<br />

1995). Unfälle in diesem Alter ereignen sich bei typisch kleinkindlichen Tätigkeiten,<br />

durch die das <strong>Kind</strong> seine Umwelt kennen und begreifen lernt (Köhler,<br />

1983–1995, Hubacher, 1994, Willital und Maragakis, 1992). Im Vordergrund<br />

stehen hierbei Stürze aus der Höhe (Stockbett, Fenster, Treppe usw.), die häufig<br />

auch schwere Verletzungen mit sich bringen. Zwei sehr spezifische Unfallarten<br />

bei den jüngsten <strong>Kind</strong>ern (erstes Lebensjahr) sind die Stürze aus Hochstühlen<br />

und aus Lauflerngeräten (Bier, 1997). Bei <strong>Kind</strong>ern ab ca. drei Jahren<br />

erlangen auch die Spielplatzunfälle Bedeutung. Hierbei stehen Rutschbahn<br />

und Kletterturm und Schaukel im Vordergrund (Schimpl, 1995, Schlintl und<br />

Goethals, 1992, Hubacher und Goethals, 1995).<br />

Ebenfalls einem relativ hohen Risiko sind die Unfälle durch Ertrinken/Untergehen<br />

zuzuordnen (Albermann, 1997 Quelle: Statistisches Bundesamt, 1996).<br />

Sie sind zwar nicht häufig, jedoch sehr folgenschwer (ca. 50 getötete <strong>Kind</strong>er<br />

unter fünf Jahren jährlich).<br />

An dritter Stelle kommen Vergiftungen, von denen in erster Linie <strong>Kind</strong>er zwischen<br />

sechs Monaten und drei Jahren betroffen sind. Vergiftungen durch chemische<br />

Stoffe ziehen die schwersten Verletzungen nach sich (Gossweiler-Brunner,<br />

1997, Brockstedt und Oberdisse, 1997, Hess u. a., 1997). Weniger ernsthafte<br />

Folgen haben im allgemeinen Medikamenten- und Kosmetika-Einnahmen.<br />

Bei den Unfällen durch thermische Einwirkungen machen <strong>Kind</strong>er bis zu drei<br />

Jahren den Hauptteil aus. Verbrennungen sind am häufigsten und zugleich<br />

am schwersten durch Berühren von heißen Herdplatten; sie ereignen sich aber<br />

auch an Backofen-Fenstern, Bügeleisen und offenen Feuern. Verbrühungen<br />

ereignen sich häufig beim Essen (leichtere Verletzungen) und beim Kochen<br />

(schwere Verletzungen) durch das Herunterreißen von Pfannen, Töpfen usw.<br />

Zu weiteren Verbrühungen kann es auch bei der Körperpflege (Baden, Duschen)<br />

kommen (Hubacher, 1994, Schlintl und Goethals, 1992, Willital und<br />

Maragakis, 1992, Slongo und Kehrer, 1982).<br />

23


24<br />

2.2 <strong>Kind</strong>erunfälle im Alter von 5–9 Jahren<br />

Bei <strong>Kind</strong>ern zwischen fünf und neun Jahren sind die Spielplatzunfälle besonders<br />

häufig. Die jüngeren <strong>Kind</strong>er dieser Altersgruppe (5- und 6jährige) sind<br />

auf Rutschbahnen und Klettertürmen relativ stark sturzgefährdet (Schütze, 1992,<br />

Hubacher, 1994, Schlintl und Goethals, 1992).<br />

Den Straßenverkehrs- und Sportunfällen kommen in dieser Altersgruppe eine<br />

zunehmend stärkere Bedeutung zu (Köhler, 1983–1995, Schütze, 1992, Hubacher,<br />

1994, Limbourg, 1995, Mirbach, 1995, Hübner, 1997, Henke, 1997). Im Straßenverkehr<br />

verunglücken, wie bereits beschrieben, fünf- bis neunjährige hauptsächlich<br />

als Fußgänger. Bei den Sportunfällen überwiegen die Ballsportunfälle,<br />

die Unfälle beim Geräteturnen (Reck, Barren usw.), die Fahrradunfälle und in<br />

den Wintersportgebieten die Schlitten- und Skiunfälle (Schütze, 1992).<br />

2.3 <strong>Kind</strong>erunfälle im Alter von 10–14 Jahren<br />

Ab dem 10. Lebensjahr überwiegen beim Sport die Fahrradunfälle. Bei den<br />

Mädchen ereignen sich häufig auch Reitunfälle. In Wintersportgegenden sind<br />

in dieser Altersgruppe die Wintersportarten (Skifahren, Eislaufen, Schlittenfahren<br />

usw.) stark vertreten (Schütze, 1992, Limbourg, 1997, Henke, 1997).<br />

2.4 Ursachen von <strong>Kind</strong>erunfällen<br />

ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />

Die Ursachen von <strong>Kind</strong>erunfällen sind nicht nur beim <strong>Kind</strong> selbst, sondern<br />

auch in seiner Umwelt zu finden. Neben den kindlichen Unfallfaktoren (z.B.<br />

Alter, Geschlecht, Entwicklungsstand, Hyperaktivität, Unaufmerksamkeit usw.)<br />

spielen auch noch verschiedene Umweltfaktoren bei der Entstehung eines<br />

Unfalls eine wichtige Rolle. Hierzu zählen z.B. die Stadt- und Verkehrsplanung,<br />

die Gestaltung von Spielplätzen und Sportstätten, das Verhalten von<br />

Erwachsenen gegenüber <strong>Kind</strong>ern, die familiäre und soziale Situation, soziokulturelle<br />

Einflüsse usw. (vgl. Übersicht bei Limbourg, 1994).<br />

<strong>Kind</strong>er sind erst mit ca. acht Jahren in der Lage, die für sie wichtigen Gefahren<br />

zu erkennen und vorherzusehen. Auch andere für die Unfallvermeidung erforderlichen<br />

Fähigkeiten wie z.B. Aufmerksamkeit, Konzentrationsfähigkeit,<br />

Reaktionsfähigkeit, psychomotorische Fähigkeiten, soziale Kompetenzen usw.<br />

sind erst im Alter von acht bis zehn Jahren ausreichend entwickelt (Limbourg,<br />

1994). Aus diesem Grund kann die Unfallprävention nicht nur am <strong>Kind</strong> ansetzen.<br />

Sie muß stärker die ökologischen und sozialen Faktoren im kindlichen<br />

Lebensumfeld beeinflussen, damit <strong>Kind</strong>er in einer sichereren Umwelt aufwachsen<br />

können.


Ansätze zur <strong>Prävention</strong> von Schädelhirnverletzungen im <strong>Kind</strong>esalter<br />

3. Unfallprävention im <strong>Kind</strong>esalter<br />

Eine erfolgreiche Unfallpräventionsarbeit für <strong>Kind</strong>er muß gleichzeitig auf drei<br />

verschiedenen Ebenen ansetzen (Kisser, 1995, Limbourg, 1997, Schmidt, 1999):<br />

• technische Maßnahmen und Normierung,<br />

• legislative Maßnahmen und Gesetzesvollzug,<br />

• Kommunikation und erzieherische Maßnahmen.<br />

3.1 Technische Maßnahmen und Normierung<br />

Technische Maßnahmen bieten sehr wirksame Möglichkeiten der Unfallprävention.<br />

Ein Schutzgitter um den Gartenteich schützt <strong>Kind</strong>er vor dem Ertrinken<br />

meistens zuverlässiger als Eltern, Großeltern und Geschwister. Ca. 70%<br />

der bestehenden Sicherheitsprobleme für <strong>Kind</strong>er könnten durch technische<br />

Lösungen beseitigt werden (Hugi, 1995). Leider werden Städte, Wohngebiete,<br />

Häuser, Wohnungen, Gartenteiche, Straßen, Spielplätze, Fahrzeuge, Hausgeräte,<br />

Möbel usw. durch eine wenig kindorientierte Planung noch immer so<br />

gebaut, daß eine Gefährdung von <strong>Kind</strong>ern nicht ausgeschlossen werden kann<br />

(Henter, 1997, Gruber, 1995, Schimpl u. a., 1995).<br />

3.2 Legislative Maßnahmen und Gesetzesvollzug<br />

Regeln und Vorschriften, die eine Auswirkung auf die Sicherheit von <strong>Kind</strong>ern<br />

haben, müssen vom Gesetzgeber erlassen und durch eine kontinuierliche und<br />

umfassende Überwachung in allen kindlichen Lebensbereichen durchgesetzt<br />

werden (Schuster, 1995, Rogmans, 1997). So könnte beispielsweise im Bereich<br />

des Straßenverkehrs Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit innerhalb von Ortschaften<br />

von den Verkehrsbehörden angeordnet und polizeilich überwacht<br />

werden, die Benutzung von <strong>Kind</strong>errückhaltesystemen im Auto könnte kontrolliert<br />

und die Fahrtüchtigkeit von Fahrrädern überprüft werden. Im Heimund<br />

Freizeitbereich könnten z.B. Vorschriften zum Thema “Produktsicherheit”<br />

für Haushaltsgeräte, Möbel, Spielzeug usw. erlassen und überwacht werden.<br />

3.3 Erziehung und Aufklärung<br />

Durch Planung, Technik, Regelung und Rechtsprechung lassen sich viele, aber<br />

nicht alle Unfallrisiken ausschalten. Deshalb müssen <strong>Kind</strong>er und ihre Bezugspersonen<br />

(Eltern, ErzieherInnen, LehrerInnen, SporttrainerInnen usw.) über<br />

die Unfallgefahren informiert und aufgeklärt werden. Außerdem sollten sie<br />

unfallvorbeugende und sicherheitsorientierte Verhaltensweisen erlernen (Kisser,<br />

1995).<br />

25


26<br />

Zu den pädagogisch-kommunikativen Aufgaben zählen:<br />

• Schaffung von Betroffenheit, Wecken der Aufmerksamkeit und Verbreitung<br />

von Informationen über das Problem<br />

• Information über die Art der Gefahr und die Wirkungsweise der Abwehrmaßnahmen<br />

• Hilfestellung bei der Umsetzung der empfohlenen Maßnahmen<br />

• Abbau sozialer Barrieren, Aufbau eines positiven Images der Maßnahmen<br />

• Einfache und klare Handlungsanleitungen und Setzen von Handlungsaufforderungen<br />

• Information über günstige Produkte, Bezugsquellen und sonstige Unterstützungen<br />

• Vermittlung eines möglichst hohen Nutzens der Maßnahmen durch Vermittlung<br />

geeigneter zusätzlicher Belohnungen (z.B. Imagegewinn, Selbstwertgefühl,<br />

soziale Anerkennung).<br />

3.4 Programme zur Unfallprävention<br />

Eine ausführliche Beschreibung von Programmen zu Erhöhung der <strong>Kind</strong>ersicherheit<br />

ist für Deutschland in der umfassenden Bestandsaufnahme der Bundesvereinigung<br />

für Gesundheit (1997) zu finden. Die Übersicht beschreibt die<br />

Aktionen und Maßnahmen zur <strong>Prävention</strong> von <strong>Kind</strong>erunfällen in Heim und<br />

Freizeit. Eine internationale Übersicht über wirksame Programme zur Unfallprävention<br />

im <strong>Kind</strong>esalter ist bei Rogmans und Hayes (1992) und bei Purtscher<br />

(1995) zu finden. Mit der <strong>Prävention</strong> von kindlichen Verkehrsunfällen befassen<br />

sich die Arbeiten von Limbourg (1995, 1997) und zum Thema “Unfallverhütung<br />

beim Sport” können die Arbeiten von Hübner (1997), Henke (1997)<br />

und Maragakis und Willital (1992) konsultiert werden.<br />

Die folgende Übersicht stellt wichtige Programme zur <strong>Kind</strong>erunfallprävention<br />

in Deutschland und im Ausland vor.<br />

Deutschland<br />

ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />

In Deutschland gibt es mehrere Institutionen, die für die <strong>Prävention</strong> von<br />

<strong>Kind</strong>erunfällen zuständig sind:<br />

Durch ihren gesetzlichen Auftrag, übernimmt die Gesetzliche Unfallversicherung<br />

die <strong>Prävention</strong> von Unfällen in <strong>Kind</strong>ergärten und Schulen. Für den Unterricht<br />

werden Materialien konzipiert und an Lehrer und Schüler werden<br />

Informationsschriften verteilt. Die Unfallkassen bilden eigene Sicherheitsbeauftragte<br />

aus, die ihre versicherten Institutionen bzgl. der Einhaltung der<br />

Sicherheitsbestimmungen beraten und kontrollieren.


Ansätze zur <strong>Prävention</strong> von Schädelhirnverletzungen im <strong>Kind</strong>esalter<br />

Maßnahmen zur <strong>Prävention</strong> von Verkehrsunfällen werden durch den Deutschen<br />

Verkehrssicherheitsrat (DVR) koordiniert. Seit 1980 führt der DVR das<br />

Programm “<strong>Kind</strong> und Verkehr”, ein Bildungsprogramm für Eltern, mit großem<br />

Erfolg durch. Die Zahl der im Straßenverkehr getöteten <strong>Kind</strong>er ist von<br />

1159 (nur alte Bundesländer) im Jahre 1980 auf 311 im Jahre 1997 (gesamtes<br />

Bundesgebiet) gesunken. Dieser Erfolg konnte trotz einer annähernden Verdopplung<br />

der Verkehrsdichte in diesem Zeitraum erreicht werden (Pistor, 1998).<br />

Für den Heim- und Freizeitbereich gab es lange Zeit keine zuständige Institution.<br />

Ende 1997 hat das Bundesministerium für Gesundheit zusammen mit<br />

namhaften Institutionen der Unfallprävention unter der Koordination der<br />

Bundesvereinigung für Gesundheit e.V. die Aktion “Mehr Sicherheit für <strong>Kind</strong>er<br />

– Safe Kids” ins Leben gerufen und zeitgleich haben die Institutionen sich<br />

zur Bundesarbeitsgemeinschaft “<strong>Kind</strong>ersicherheit” zusammengeschlossen. Die<br />

BAG hat sich zum Ziel gesetzt, die Koordination und die Kooperation zwischen<br />

den Akteuren auf dem Gebiet der Verhütung von <strong>Kind</strong>erunfällen zu<br />

verbessern und durch arbeitsteiliges und koordiniertes Vorgehen die <strong>Kind</strong>erunfälle<br />

– insbesondere in Heim und Freizeit – bzgl. ihrer Häufigkeit und Schwere<br />

zu reduzieren. Zur Zeit werden in Arbeitsgruppen (Maßnahmen-)Konzepte zu<br />

den Schwerpunkten “Praktische Maßnahmen zur Unfallverhütung in der<br />

Familie, in der Schule und in der <strong>Kind</strong>ertagesstätte”, “Strategische Maßnahmen<br />

zur Unfallverhütung”, “Epidemiologie, Evaluation und Gesundheitsberichterstattung”<br />

und “Produktsicherheit” entwickelt. Für 1999 ist ein bundesweiter<br />

Aktionstag der BAG zur <strong>Kind</strong>ersicherheit geplant.<br />

Europa<br />

ECOSA<br />

1985 wurde ECOSA, die European Consumer Safety Association als nichtstaatliche<br />

Organisation gegründet mit dem Ziel, in allen europäischen Staaten<br />

die Produktsicherheit und den Verbraucherschutz zu erhöhen und dadurch<br />

die Heim- und Freizeitunfälle innerhalb von 20 Jahren um 25% zu<br />

reduzieren. Die ECOSA unterstützt wissenschaftliche Untersuchungen, Aufklärungskampagnen,<br />

sie berät Ministerien und Behörden, gibt ein eigenes Journal<br />

für die Mitglieder heraus und organisiert jährlich eine internationale Konferenz<br />

zur Unfallverhütung (ECOSA, 1995).<br />

EHLASS<br />

EHLASS (European Health and Leisure Accident Surveillance System) ist das<br />

Informationssystem über Haus- und Freizeitunfälle, das von der Europäischen<br />

Gemeinschaft zur Verhütung von Verletzungen innerhalb des Aktionsprogramms<br />

im Bereich der öffentlichen Gesundheit von 1994–1997 durchgeführt<br />

wurde und nun voraussichtlich aufgrund der positiven Ergebnisse von<br />

27


28<br />

1999–2003 wieder aufgenommen werden soll. Ziel des Programms ist die<br />

Sammlung von Informationen zu Verletzungen – insbesondere Verletzungen<br />

durch Haus- und Freizeitunfälle zur Erleichterung der Ermittlung gefährlicher<br />

Produkte, zur Entwicklung neuer Ansätze oder innovativer Methoden, zur<br />

Problemlösung sowie zur gründlichen Analyse der Risikofaktoren und zur<br />

Entwicklung der entsprechenden <strong>Prävention</strong>sstrategien.<br />

Die Daten werden von den teilnehmenden Mitgliedsländern in Krankenhäusern<br />

und/oder anderen geeigneten Einrichtungen im Rahmen von Erhebungen<br />

gesammelt, wobei auf die Repräsentativität und die Qualität der Daten<br />

besonderer Wert gelegt wird (Europäische Union, 1998).<br />

Österreich<br />

“Große schützen Kleine”<br />

Seit 1997 führt das Österreichische Komitee für Unfallverhütung im <strong>Kind</strong>esalter<br />

das Projekt “Grosse schützen Kleine” durch. Ziel ist,<br />

• ein effektiv arbeitendes Netzwerk regionaler Kooperationspartner (Regionale<br />

Arbeitsgemeinschaften zur Unfallverhütung) aufzubauen,<br />

• eine nationale Datenbasis zu Unfällen in Österreich zu schaffen,<br />

• jährlich eine groß angelegte Kampagne durchzuführen (Grosse schützen<br />

Kleine, 1998).<br />

Es besteht eine enge Kooperation zu der amerikanischen Safe Kids Campaign<br />

und zu dem Projekt “Mehr Sicherheit für <strong>Kind</strong>er - Safe Kids” in Deutschland.<br />

Sichere Gemeinden (Safe Communities)<br />

ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />

<strong>Das</strong> Institut “Sicher Leben” hat von 1993 bis 1996 das Modellprojekt “Sichere<br />

Gemeinden” durchgeführt, in dem es darum geht, Betroffene zu Beteiligten<br />

(lokale Behörden, Vereine, Schülerorganisationen und engagierte Gemeindemitglieder)<br />

zu machen und ihnen damit die Möglichkeit einzuräumen, auf<br />

Gefahren hinzuweisen und bei der Verbesserung der Sicherheit in der Gemeinde<br />

mitzuwirken. Als Vorbild für das Modellprojekt dient das Konzept der<br />

gemeindenahen Unfallverhütung (“Safe Communities”) der Weltgesundheitsorganisation<br />

(WHO), das sich z.B. in Schweden schon als sehr erfolgreich erwiesen<br />

hat: nach 3 Jahren konnten dort die <strong>Kind</strong>erunfälle im Vorschulalter<br />

um 20–30% gesenkt werden.<br />

Während der dreijährigen Projektzeit in Österreich wurden in 14 Gemeinden<br />

des Bezirkes Bregenz rund 900 einzelne Sicherheitsaktionen durchgeführt,<br />

z.B. Kontrollen der Skibindungen im Sportfachhandel, Schulungen für junge<br />

Mütter in Geburtshilfestationen, Projekttage in Schulen, Verkehrserziehungstage<br />

in <strong>Kind</strong>ergärten mit der Polizei etc.


Ansätze zur <strong>Prävention</strong> von Schädelhirnverletzungen im <strong>Kind</strong>esalter<br />

Seit Beginn des Projektes konnte die Unfallzahl in der Region um 19% reduziert<br />

werden (alle Altersgruppen). <strong>Das</strong> Modell soll nun in weiteren Gemeinden<br />

verankert werden (Goethals u. a., 1997).<br />

Schweden<br />

Schweden hat seit 1954 eine zentrale Organisation für die <strong>Prävention</strong> von<br />

<strong>Kind</strong>erunfällen. Gegründet wurde sie als “Nationales <strong>Kind</strong>erunfallkomitee”<br />

von der schwedischen Gesellschaft für Pädiatrie, dem Roten Kreuz und von<br />

“Rettet das <strong>Kind</strong>”. Weitere Schlüsselpersonen aus Gesundheitsbehörden,<br />

Frauenvereinigungen, Elternvereinen und Sicherheitsorganisationen schlossen<br />

sich an. Auf ehrenamtlicher Basis wurde ein Netzwerk zur allgemeinen<br />

Aufklärung zur Schulung, Fortbildung und Erziehung von Eltern, <strong>Kind</strong>ern und<br />

Schlüsselpersonen aufgebaut. Nach 25 Jahren wurde dieses Komitee zuerst in<br />

ein Amt und später in eine staatliche Institution umgewandelt, die ihre Aufgabe<br />

als “<strong>Kind</strong>erombudsmann” wahrnimmt. Wichtigste Aufgabe ist, die<br />

nationalen, regionalen und lokalen Aktivitäten zur Unfallprävention zu koordinieren.<br />

Unterstützt wird der <strong>Kind</strong>erombudsmann auch weiterhin durch ein<br />

Netzwerk engagierter nichtstaatlicher Institutionen.<br />

In den letzten 4 Jahrzehnten (insgesamt hat Schweden 7 Millionen Einwohner)<br />

hat die Zahl der tödlichen <strong>Kind</strong>erunfälle von mehr als 400 auf nunmehr<br />

weniger als 80 abgenommen. Schweden nimmt u.a. durch seine hervorragenden<br />

Erfolge bei der <strong>Prävention</strong> von Ertrinkungsunfällen eine weltweite Vorbildfunktion<br />

ein. Im seen- und gewässerreichen Schweden konnten die Todesfälle<br />

durch Ertrinken von 100/Jahr auf 15–20/Jahr reduziert werden. Erreicht<br />

werden konnte dies, durch die Absicherung von Seen und Gewässern,<br />

durch das Angebot von Schwimmunterricht für Vorschulkinder und durch<br />

Aufklärung der Eltern und Betreuungspersonen.<br />

Schwerpunkte der schwedischen <strong>Prävention</strong>sarbeit sind, die<br />

• Aufbereitung der statistischen Daten<br />

• Bildung von regionalen Arbeitsgemeinschaften<br />

• Schaffung einer sicheren Umwelt für <strong>Kind</strong>er<br />

• Information und Aufklärung der Politiker, Gesetzgeber, Multiplikatoren<br />

sowie der Allgemeinbevölkerung<br />

• Sensibilisierung der Bevölkerung für das Thema durch Aktionstage und<br />

-wochen<br />

• Etablierung von Sicherheitsgesetzen.<br />

29


30<br />

Schweiz<br />

Die Schweizerische Beratungsstelle für Unfallverhütung (bfu) hat den gesetzlichen<br />

Auftrag zur Unfallverhütung im “Nichtberufssektor”, d.h. im Strassenverkehr,<br />

beim Sport, im Haushalt, im Garten und in der Freizeit. Sie hat zum<br />

Ziel, die Unfallrisiken durch zielgerichtete Maßnahmen zu senken und die<br />

Unfallfolgen zu mindern, um damit zur Hebung der Lebensqualität beizutragen.<br />

Die bfu arbeitet bei der Umsetzung von Maßnahmen mit “Sicherheitsdelegierten”<br />

in Kantonen und Gemeinden zusammen. Die Sicherheitsdelegierten<br />

werden von der Gemeinde gewählt. Sie sind die Kontaktperson<br />

für die Einwohner, Behörden und Institutionen. Sie informieren über Unfallgefahren,<br />

sie organisieren und koordinieren regionale Maßnahmen zur Unfallverhütung,<br />

wie z.B. “Happenings” (Aktionstage), Fortbildung von Politikern,<br />

Lehrern und Erziehern (bfu, 1994 und 1997).<br />

Niederlande<br />

Seit 1983 ist das Consumer Safety Institute die zentrale Organisation in den<br />

Niederlanden, die Kampagnen initiiert und evaluiert. Schwerpunkte der Arbeit<br />

ist die Verbesserung der Produktsicherheit und des Verbraucherschutzes.<br />

In den Jahren 1991–1993 hat die Stichting Consument en Veiligheid das<br />

Consumer Safety Institut ein Maßnahmenpaket für Aktionstage zu den Themen<br />

“Sichere Feiertage”, “Sicher ins Freie, Sicher im Wasser” und “Sicher zu<br />

Hause” entwickelt. <strong>Das</strong> verbindende Glied der Aktionstage war der “No<br />

Showbo-Expreß”, ein Ausstellungszug mit Sicherheitsprodukten der von Ort<br />

zu Ort gereist ist (Meyer, 1995).<br />

USA<br />

ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />

Die Safe Kids Campaign wurde auf Initiative des Children’s National Medical<br />

Centers in Washington 1988 gegründet. Die Philosophie der Campaign<br />

besteht darin, durch regional arbeitende “Local Coalitions” Maßnahmen zur<br />

<strong>Kind</strong>erunfallprävention vor Ort umzusetzen. Inzwischen gibt es über 263 “Local<br />

Coalitions” in allen Bundesstaaten der USA, in Canada und Puerto Rico. Von<br />

einem Safe Kids-Sekretariat in Washington werden Programme zur <strong>Prävention</strong><br />

der häufigsten tödlichen <strong>Kind</strong>erunfälle entwickelt und koordiniert. Die<br />

Umsetzung erfolgt regional bzw. lokal durch die ‘Local Coalitions’. Die zwei<br />

wichtigsten bzw. verbreitetsten Programme sind das ‘Buckle up’-Programm<br />

(Steigerung der Akzeptanz von <strong>Kind</strong>errückhaltesystemen im Auto, Unterstützung<br />

bei der Auswahl der passenden Systeme und deren korrekte Nutzung)<br />

sowie die ‘Helmets on Heads’-Initiative. Je nach Bedarf entwickeln die “Local<br />

Coalitions” darüber hinaus eigene, den regionalen Gegebenheiten entsprechende<br />

Maßnahmen zur Unfallprävention.


Ansätze zur <strong>Prävention</strong> von Schädelhirnverletzungen im <strong>Kind</strong>esalter<br />

Die wichtigsten Faktoren für die Arbeit der ‘Local Coalitions’ sind:<br />

• die Zusammenarbeit mit anderen,<br />

• die Prioritätensetzung,<br />

• die Aufstellung eines Zeit-Maßnahmeplans,<br />

• die Einbindung aller wichtigen Entscheidungsträger,<br />

• die gute Vorbereitung der Maßnahmen,<br />

• die Kontakte zu den Medien,<br />

• die Evaluation der Maßnahme.<br />

Ein jährlich wechselndes Schwerpunktthema wird im Rahmen der “Safe Kids<br />

Week” und in begleitenden Medienkampagnen aufgegriffen. <strong>Das</strong> Motto für<br />

1999 lautet ‘Helping every Generation Care for Kids’.<br />

Die Safe Kids Campaign besitzt eine hohe Akzeptanz bei der Bevölkerung, da<br />

sie von Schlüsselpersonen u.a. aus Politik, Medizin und Medien unterstützt<br />

wird.<br />

Die Zahl der tödlichen Unfälle konnte seit dem Start der Campaign um 26%<br />

gesenkt werden (National Safe Kids Campaign, 1998).<br />

Zusammenfassung<br />

Jahr für Jahr müssen in Deutschland ca. 1.000.000 <strong>Kind</strong>er unter 15 Jahren<br />

nach einem Unfall ärztlich behandelt werden – zu einem großen Teil (ca. 40%)<br />

wegen Verletzungen im Kopfbereich. Ca. 220.000 <strong>Kind</strong>er werden so schwer<br />

verletzt, daß sie stationär aufgenommen werden müssen. Bei ca. 1.000 <strong>Kind</strong>ern<br />

pro Jahr sind die Verletzungen tödlich, weitere ca. 1.000 <strong>Kind</strong>er bleiben<br />

nach dem Unfall lebenslang behindert – häufig als Folge von Schädelhirnverletzungen.<br />

Und viele <strong>Kind</strong>er können erst nach einer langen und leidvollen<br />

Genesungs- und Rehabilitationszeit wieder ein normales Leben führen.<br />

Die Ursachen für die erhöhte Gefährdung von <strong>Kind</strong>ern sind bei den Betroffenen<br />

selbst (entwicklungsbedingtes unzureichendes Gefahrenbewußtsein, leichte<br />

Ablenkbarkeit, starker Bewegungsdrang usw.), bei den Erwachsenen (Verletzung<br />

der Aufsichtspflicht, zu wenig Rücksicht <strong>Kind</strong>ern gegenüber) und bei<br />

einer wenig kindgerechten Umweltgestaltung zu finden.<br />

Da <strong>Kind</strong>er erst ab ca. 8 bis 10 Jahren in der Lage sind, Gefahren zu erkennen<br />

und vorherzusehen, müssen sie bis zu diesem Alter durch die Gesellschaft vor<br />

31


32<br />

Unfällen geschützt werden, ohne daß sie in ihrer physischen und psychischen<br />

Entwicklung zu sehr eingeschränkt werden.<br />

Viele <strong>Kind</strong>erunfälle könnten durch eine effektive <strong>Prävention</strong>sarbeit vermieden<br />

werden–das zeigen einige sehr erfolgreiche Beispiele aus dem In- und<br />

Ausland: National Safe Kids Campaign (USA), Programm “Sicher Leben für<br />

<strong>Kind</strong>er (A), Child Environment Council (S), Sicherheitsdelegierten-Organisation<br />

der Schweizerischen Beratungsstelle für Unfallverhütung (CH), Programm<br />

“<strong>Kind</strong> und Verkehr” (D), Consumer Safety Institute (NL).<br />

<strong>Kind</strong>erunfälle lassen sich durch technische Sicherheitsmaßnahmen, durch die<br />

Gestaltung einer kindgerechten Umwelt, durch Gesetzgebung und Rechtsprechung,<br />

durch Kontrolle und Überwachung und durch Erziehung und Aufklärung<br />

verhindern oder zumindest in ihren Folgen mildern.<br />

Die Prophylaxe von Unfällen sollte deshalb ein wichtiger Bestandteil der Präventivmedizin<br />

und der Gesundheitsförderung werden. Mediziner, Psychologen,<br />

Pädagogen, Ingenieure, Architekten, Stadt- und Verkehrsplaner, Juristen,<br />

Politiker usw. sollten gemeinsam einen Beitrag zur Erhöhung der <strong>Kind</strong>ersicherheit<br />

in unseren Städten und Gemeinden leisten.<br />

Literatur<br />

Albermann, K. (1997): Ertrinkungsunfälle im <strong>Kind</strong>esalter. In: Institut Sicher Leben<br />

(Hg.): <strong>Kind</strong>ersicherheit: Was wirkt? Fachbuchreihe Band 8, Wien/Essen,<br />

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ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />

Bier, N. (1997): Gehfrei-Unfälle – Ergebnisse einer Umfrage an deutschen <strong>Kind</strong>erkliniken<br />

In: Institut Sicher Leben (Hg.): <strong>Kind</strong>ersicherheit: Was wirkt?<br />

Fachbuchreihe Band 8, Wien/Essen, 301–304.


Ansätze zur <strong>Prävention</strong> von Schädelhirnverletzungen im <strong>Kind</strong>esalter<br />

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Kleinkinder – Verhütungsmaßnahmen. In: Institut Sicher Leben (Hg.): <strong>Kind</strong>ersicherheit:<br />

Was wirkt? Fachbuchreihe Band 8, Wien/Essen, 352–356.<br />

33


34<br />

ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />

Grosse schützen Kleine (1998): Safe Kids Austria. From idea to reality. Grosse<br />

schützen Kleine, Graz.<br />

Gruber, M. (1995): Haushalts- und Freizeitunfälle von <strong>Kind</strong>ern in Österreich –<br />

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35


36<br />

ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />

Otte, D. (1997): Verletzungssituation von <strong>Kind</strong>ern im Straßenverkehr und Maßnahmen<br />

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Pressekonferenz zum Auftakt der Ärztlichen <strong>Prävention</strong>stage 1998,<br />

Bonn.<br />

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(Hg.): <strong>Kind</strong>ersicherheit: Was wirkt? Fachbuchreihe, Band 6, Wien, 137–145.<br />

Rogmans, W. (1997): International Collaboration in Child Safety Campaigning<br />

In: Institut Sicher Leben (Hg.): <strong>Kind</strong>ersicherheit: Was wirkt? Fachbuchreihe<br />

Band 8, Wien/Essen, 56–61.<br />

Rogmans, W. and Hayes, M. (1992): Communicating Child Safety in Europe,<br />

ECOSA and CAPTA, Amsterdam.<br />

Schelp, L. (1987): Community Intervention and Accidents. Folksam, Sundbyberg.<br />

Schlintl, E., Goethals, B. (1992): <strong>Kind</strong>erunfälle in Haushalt, Freizeit und Sport.<br />

Ergebnisse einer österreichischen Studie. Institut Sicher Leben, Literas, Wien.<br />

Schimpl, G., Mayr, J., Spitzer, P. und Höllwarth, M. (1995): Spielplatzunfälle im<br />

<strong>Kind</strong>esalter. In: Institut Sicher Leben (Hg.): <strong>Kind</strong>ersicherheit: Was wirkt? Fachbuchreihe,<br />

Band 6, Wien, 238–260.<br />

Schimpl, G. (1997): Inline-Skating Unfälle bei <strong>Kind</strong>ern. Internationale Konferenz<br />

Mobilität&Sicherheit des Kuratoriums für Verkehrssicherheit, Wien, 11<br />

Schmidt, B. und Höllwarth, M. (1995): Sportunfälle im <strong>Kind</strong>es- und Jugendalter:<br />

Risiko und Prophylaxe. In: Institut Sicher Leben (Hg.): <strong>Kind</strong>ersicherheit: Was<br />

wirkt? Fachbuchreihe, Band 6, Wien, 273–287.<br />

Schmidt, I. (1999): Unfälle sind vermeidbar! In: Hauswirtschaftliche Bildung 1,<br />

44f.<br />

Schneps, S.E., Osberg, J.S., Scala, C.D. (1998): Falls from playground equipment.<br />

In: 4th World conference: Injury Prevention and Control, Volume 2, Amsterdam,<br />

681.<br />

Schütze, U. (Hg.) (1992): Freizeitunfälle im <strong>Kind</strong>es- und Jugendalter. Georg<br />

Thieme Verlag, Stuttgart/New York.


Ansätze zur <strong>Prävention</strong> von Schädelhirnverletzungen im <strong>Kind</strong>esalter<br />

Schuster, G. (1995): Produktsicherheit: Ein Beitrag zur Vermeidung von Haushalts-<br />

und Freizeitunfällen. In: Institut Sicher Leben (Hg): <strong>Kind</strong>ersicherheit: Was<br />

wirkt? Fachbuchreihe, Band 6, Wien, 97–100.<br />

Slongo, T., Kehrer, B., Lennenborger, A. (1982): Thermische Verletzungen im <strong>Kind</strong>esalter<br />

– Epidemiologie und <strong>Prävention</strong>. Sozial- und Präventivmedizin, 27,<br />

8–10.<br />

Statistisches Bundesamt Wiesbaden (1998): <strong>Kind</strong>erunfälle im Straßenverkehr.<br />

Auszug aus Fachserie 8, Reihe 7 ”Verkehrsunfälle”, Wiesbaden.<br />

Statistisches Bundesamt (1998): Alle Todesursachen nach Geschlecht und<br />

Altersgruppe 1996. Gruppe VII D – M, Fachserie 12, Gesundheitswesen.<br />

Willital, G.H., Maragakis, M. (1992): <strong>Kind</strong>erunfälle im häuslichen Bereich bei<br />

Spiel und Sport – Unfallursachen, Unfallfolgen. In: Schütze, U. (Hg.): Freizeitunfälle<br />

im <strong>Kind</strong>es- und Jugendalter. Georg Thieme Verlag, Stuttgart/New York,<br />

158–163.<br />

Wörgötter, G., Amminger, P., Berger, E. (1995): Ursachen und Rehabilitation<br />

schwerer akzidenteller Cerebralläsionen im <strong>Kind</strong>es- und Jugendalter. In: Institut<br />

Sicher Leben (Hg): <strong>Kind</strong>ersicherheit: Was wirkt? Fachbuchreihe, Band 6, Wien,<br />

76–88.<br />

37


38 ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong>


<strong>Das</strong> Programm „<strong>Kind</strong> und Verkehr“ des Deutschen Verkehrssicherheitsrates e.V.<br />

<strong>Das</strong> Programm „<strong>Kind</strong> und Verkehr“<br />

des Deutschen Verkehrssicherheitsrates e.V.<br />

Bettina Berg<br />

Referentin für <strong>Kind</strong>er und Jugendliche beim Deutschen<br />

Verkehrssicherheitsrat e.V., Bonn<br />

Mit “<strong>Kind</strong> und Verkehr” setzen der Deutsche Verkehrssicherheitsrat e.V. und<br />

seine Mitglieder seit 1980 ein bundesweit wirksames, zentral koordiniertes<br />

und wissenschaftlich begleitetes Programm zur Verbesserung der Verkehrssicherheit<br />

von <strong>Kind</strong>ern um, das auf einem mehrdimensionalen Ansatz basiert.<br />

1. Anpassung technischer und juristischer Aspekte des Straßenverkehrs<br />

an <strong>Kind</strong>er<br />

<strong>Das</strong> Programm “<strong>Kind</strong> und Verkehr” soll dazu beitragen, daß unser Verkehrssystem<br />

mehr auf die Bedürfnisse der <strong>Kind</strong>er umgestellt wird. Gerade tägliche<br />

Wege und Wohnumgebungen müssen sicherer werden, z. B. durch Verkehrsberuhigung,<br />

Tempo-30-Bereiche, Schulwegsicherung etc. Der DVR leistet hier<br />

gegenüber Politikern und Planern Überzeugungsarbeit und gibt konkrete Hilfestellungen.<br />

Darüber hinaus nimmt er Stellung zu juristischen Fragen und<br />

Gesetzesvorhaben. So hat er sich beispielsweise jahrelang für die gesetzliche<br />

Verankerung der Sicherungspflicht von <strong>Kind</strong>ern im PKW engagiert, die seit<br />

1993 eingeführt ist. Die Forderung nach einer Heraufsetzung der Altersgrenze<br />

radfahrender <strong>Kind</strong>er auf Gehwegen, der mit der jüngsten StVO-Novelle entsprochen<br />

wurde, ist hier ein weiteres Beispiel.<br />

2. Aufklärung erwachsener Verkehrsteilnehmer, insbesondere<br />

Kraftfahrer, über Verhaltensmöglichkeiten von <strong>Kind</strong>ern<br />

im Straßenverkehr<br />

<strong>Das</strong> Programm “<strong>Kind</strong> und Verkehr” wirkt darauf hin, daß Kraftfahrer rücksichtsvoller<br />

fahren und eine Gefährdung von <strong>Kind</strong>ern weitgehend ausschließen.<br />

Über Presse, Funk und Fernsehen informiert der DVR Kraftfahrer<br />

über die entwicklungsbedingt begrenzten Fähigkeiten von <strong>Kind</strong>ern, sicher am<br />

Straßenverkehr teilzunehmen.<br />

Außerdem existiert seit Ende letzten Jahres ein neuer Programmbaustein , der<br />

bei jungen Fahranfängern ansetzt. Gemeinsam mit den Fahrlehrerverbänden<br />

hat der DVR Unterrichtsmaterialien mit dem Titel “Emotionen” für den Fahrschulunterricht<br />

zur <strong>Kind</strong>ersicherheit entwickelt. Trigger-Filme in jugend-<br />

39


40<br />

spezifischer Bildsprache, die typische <strong>Kind</strong>erunfallsituationen thematisieren,<br />

und ein didaktischer Leitfaden für den Unterrichtenden sollen dem Fahrlehrer<br />

helfen, das Thema an verschiedenen Stellen des theoretischen Fahrschulunterrichts<br />

zu integrieren und verhaltensbildend auf die künftigen Autofahrer<br />

Einfluß zu nehmen.<br />

3. Elternbildung<br />

Motiviert durch die ständige Sorge um das <strong>Kind</strong> und ein mehr oder weniger<br />

differenziertes Gefahrenbewußtsein betreibt jeder, der mit <strong>Kind</strong>ern zu tun hat,<br />

intuitiv Unfallprävention. Doch das allein genügt nicht. Aktive Unfallprävention<br />

setzt das Wissen um die Risiken und deren Ursachen voraus: Sie<br />

ist die Erarbeitung und Umsetzung rationaler, systematischer Handlungsstrategien<br />

zur Bewältigung risikobehafteter Situationen.<br />

Im Umgang mit <strong>Kind</strong>ern jedoch kann es nicht nur darum gehen, sie vor Unfallgefahren<br />

zu bewahren und abzuschirmen. <strong>Kind</strong>er müssen im Laufe ihrer<br />

Erziehung lernen, selbständig Risiken zu managen, Gefahren zu erkennen und<br />

zu vermeiden bzw. gefährliche Situationen zu bewältigen. Diese Dinge werden<br />

nicht (nur) durch die Vermittlung starrer Verhaltensregeln gelernt. Nur<br />

wer in komplexen und dynamischen Gefahrensituationen situationsangepaßt<br />

reagiert, hat die Chance, die Situation zu bewältigen. Sich situationsangepaßt<br />

zu verhalten jedoch, erlernt man nicht an einem Tag, nicht durch den einmaligen<br />

Auftritt des Verkehrskaspers und auch nicht durch punktuelle und unregelmäßig<br />

wiederkehrende Lektionen in Verkehrs- bzw. Sicherheitserziehung<br />

in <strong>Kind</strong>ergarten oder Schule. Um sich sicher im Straßenverkehr oder in anderen<br />

unfallträchtigen Situationen verhalten zu können, muß ein <strong>Kind</strong> an diese<br />

Fähigkeit systematisch von klein auf herangeführt werden. Mit anderen Worten:<br />

Sicherheitserziehung bzw. Verkehrserziehung muß integraler Bestandteil<br />

der alltäglichen Gesamterziehung sein. Eltern sind die wichtigsten Verkehrserzieher<br />

für ihre <strong>Kind</strong>er. Daher steht die Elternbildung, die Eltern befähigen<br />

soll, ihre <strong>Kind</strong>er systematisch an eine sichere und selbständige Verkehrsteilnahme<br />

heranzuführen, im Mittelpunkt der Programmarbeit von “<strong>Kind</strong> und<br />

Verkehr”.<br />

Funktionsweise und Inhalte der Elternbildungsarbeit:<br />

<strong>Das</strong> Moderatorensystem “<strong>Kind</strong> und Verkehr”<br />

ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />

Zur Zeit führen rund 1500 vom DVR aus- und fortgebildete Moderatoren jährlich<br />

ca. 10.000 Veranstaltungen mit Eltern von Vorschulkindern zu den Themen<br />

“<strong>Kind</strong>er als Fußgänger” und “<strong>Kind</strong>er als Radfahrer” durch. Auf diese Weise<br />

wurden seit Beginn des Programms etwa 4 Millionen Eltern mit den Programm-


<strong>Das</strong> Programm „<strong>Kind</strong> und Verkehr“ des Deutschen Verkehrssicherheitsrates e.V.<br />

inhalten vertraut gemacht; etwa 20% der Eltern eines Jahrganges nehmen an<br />

einer Programmveranstaltung teil.<br />

Organisatorisch wird dieses auch im internationalen Vergleich reichweitenstärkste<br />

Programm folgendermaßen umgesetzt:<br />

Sechs Mitgliedsverbände des DVR arbeiten aktiv im Programm “<strong>Kind</strong> und<br />

Verkehr” mit. Es sind dies Automobilclubs, z. B. der ADAC und der ACE, die<br />

Deutsche Verkehrswacht, die Kirchen und die Arbeitsgemeinschaft deutscher<br />

Verkehrserzieher. Diese Verbände benennen aus dem Bereich ihrer Mitglieder<br />

Personen, die im Programm “<strong>Kind</strong> und Verkehr” mit Eltern von Vorschulkindern<br />

arbeiten möchten. Die Moderatoren werden nach bestimmten<br />

Kriterien ausgewählt, so z. B. Erfahrungen in der Erwachsenenbildung. Es sind<br />

dies hauptsächlich Lehrerinnen, Erzieherinnen und Polizeibeamte. In mehrtägigen<br />

Seminaren werden sie auf ihre Aufgabe vorbereitet, mit Eltern von<br />

<strong>Kind</strong>ern im Vorschulalter zu Themen der Verkehrssicherheit teilnehmerzentriert<br />

zu arbeiten. Die Moderatoren werden mit den Inhalten der Veranstaltungen<br />

sowie mit Moderationsmethoden vertraut gemacht. Sie halten keinen<br />

Vortrag, sie suchen das gemeinsame Gespräch, um die individuellen Erfahrungen<br />

der Eltern mit ihren <strong>Kind</strong>ern einzubinden und ein auf ihr <strong>Kind</strong><br />

und ihre Wohnumgebung abgestimmtes Verkehrserziehungskonzept zu erarbeiten.<br />

Die Moderatoren wenden sich nach ihrer Ausbildung in erster Linie an <strong>Kind</strong>ergärten,<br />

aber auch an private Elterngruppen und organisieren ihre Veranstaltungen<br />

selbst. Der jeweilige Verband versorgt seine Moderatoren mit allen<br />

erforderlichen Materialien wie z. B. Filmen und Teilnehmerbroschüren, die er<br />

seinerseits wieder vom DVR erhält.<br />

Die Elternveranstaltung “<strong>Kind</strong>er als Fußgänger”<br />

In dieser Veranstaltung werden Eltern von Vorschulkindern zunächst für die<br />

entwicklungsbedingten Voraussetzungen der Verkehrsteilnahme von <strong>Kind</strong>ern<br />

sensibilisiert und lernen diese Voraussetzungen besser kennen.<br />

Auf dieser Basis erfolgt die Definition eines geeigneten Spielraumes für die<br />

<strong>Kind</strong>er im Wohnumfeld. Die Eltern lernen, ihr Wohngebiet auf Gefahrenpunkte<br />

hin zu analysieren und Spielräume zu definieren, die mit zunehmendem Alter<br />

und zunehmenden Fähigkeiten der <strong>Kind</strong>er systematisch erweitert werden.<br />

Die Gespräche mit den Eltern ermöglichen dem Moderator, die jeweiligen<br />

individuellen Probleme der Wohnumgebung bzw. die lokalen Begebenheiten<br />

aufzugreifen.<br />

Ein weiterer zentraler Programminhalt der Veranstaltung “<strong>Kind</strong>er als Fußgänger”<br />

ist ein differenziertes Übungsprogramm: Die Moderatoren motivieren die<br />

41


42<br />

Eltern mit ihren <strong>Kind</strong>ern von einem möglichst frühen Alter an das richtige<br />

Verhalten im Straßenverkehr zu üben und geben ihnen klare, leicht verständliche<br />

Handlungsanweisungen an die Hand, ab wann, wie und wo sie praktische<br />

Verkehrserziehung mit ihren <strong>Kind</strong>ern durchführen können. Alle Übungen<br />

werden direkt im Straßenverkehr bei alltäglichen Gängen mit den<br />

<strong>Kind</strong>ern durchgeführt. Es wird nicht mit Verkehrsspielen, Zeichnungen usw.<br />

gearbeitet. Die <strong>Kind</strong>er müssen also keine Übertragung vom Spiel auf die Realität<br />

leisten. Sie sollen auf diese Weise von ihren Eltern Schritt für Schritt auf<br />

eine selbständige Teilnahme am Straßenverkehr vorbereitet werden.<br />

Am Ende einer jeden “<strong>Kind</strong> und Verkehr”-Veranstaltung werden außerdem<br />

das Thema “<strong>Kind</strong>er als Mitfahrer im PKW” und alle Fragen der richtigen<br />

Sicherung intensiv besprochen. Eine Notwendigkeit, die die Unfallstatistik<br />

eindringlich belegt: In der Altersgruppe der unter 6jährigen verunglückt nach<br />

wie vor mehr als die Hälfte der <strong>Kind</strong>er im Pkw – zumeist im Pkw der Eltern.<br />

Die Elternveranstaltung “<strong>Kind</strong>er als Radfahrer”<br />

ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />

Bei diesen Veranstaltungen setzen sich die Moderatoren dafür ein, daß <strong>Kind</strong>er<br />

so spät wie möglich mit dem Fahrrad am Verkehr teilnehmen. Da die meisten<br />

4jährigen heute bereits radfahren, wird darauf hingearbeitet, <strong>Kind</strong>er mindestens<br />

bis zur Einschulung ausschließlich auf völlig verkehrsfreien Flächen radfahren<br />

zu lassen. Den Eltern werden hier also Entscheidungshilfen und Informationen<br />

an die Hand gegeben. Auf ein Übungsprogramm wurde bewußt<br />

verzichtet, da <strong>Kind</strong>er im Vorschulalter die für eine Verkehrsteilnahme als<br />

Radfahrer unabdingbaren komplexen Mehrfachaufgaben in keinem Falle<br />

bewältigen können. Es ist schlicht unmöglich, ihnen eine auch nur halbwegs<br />

sichere Verkehrsteilnahme als Radfahrer “anzutrainieren”. Die Entwicklungsvoraussetzungen<br />

des kindlichen Radfahrens werden mit den Eltern in der Veranstaltung<br />

erarbeitet und diskutiert.<br />

Weitere Themen der Veranstaltung betreffen die passende Größe des Fahrrades<br />

und seine sichere Ausstattung, aber auch das Vorbildverhalten radfahrender<br />

Eltern und die Bedeutung des Radhelmes. Schließlich gibt es einen<br />

Beobachtungskatalog, der den Eltern die Einschätzung der Radfahrfähigkeiten<br />

ihrer <strong>Kind</strong>er erleichtern soll. <strong>Das</strong> Thema “<strong>Kind</strong>er als Mitfahrer” wird selbstverständlich<br />

auch in diesen Veranstaltungen verpflichtend behandelt.<br />

Inhalte und Methodik des Programms “<strong>Kind</strong> und Verkehr” wurden von Anfang<br />

an wissenschaftlich begleitet und immer wieder den neueren wissenschaftlichen<br />

und sozialen Gegebenheiten angepaßt. <strong>Das</strong> Programm bestand<br />

also nicht von Anfang an in der heutigen Form. Es ist im Laufe der Jahre<br />

mehrfach evaluiert worden, und die Ergebnisse dieser Studien haben in seine<br />

Weiterentwicklung Eingang gefunden. Seit Beginn der 90er Jahre wurde ein


<strong>Das</strong> Programm „<strong>Kind</strong> und Verkehr“ des Deutschen Verkehrssicherheitsrates e.V.<br />

weiterer Programmbaustein für die Elternbildung entwickelt, der seit 1993<br />

ebenfalls bundesweit umgesetzt wird und dem auch eine andere Umsetzungskonzeption<br />

zugrundeliegt:<br />

Der Programmbaustein “<strong>Kind</strong>er unterwegs”<br />

“<strong>Kind</strong>er unterwegs” wendet sich an Eltern von Schulanfängern und baut somit<br />

auf das oben geschilderte Vorschulprogramm auf. Es zielt auf alle Verkehrssituationen<br />

ab, in denen die <strong>Kind</strong>er zu Beginn ihres Schülerdaseins unterwegs<br />

und gefährdet sind.<br />

Die Gründe für die Konzeption von “<strong>Kind</strong>er unterwegs” waren vielfältig:<br />

• Bei den Fußgängerunfällen liegt der Risikogipfel bei der Altersgruppe der<br />

6- bis 7jährigen; auch die Radfahrunfälle sind wegen eines ausgeprägten<br />

Risikoanstiegs in dieser Altersgruppe nicht unbedeutsam.<br />

• Da die weit überwiegende Zahl dieser Unfälle sich nicht auf dem Weg zu<br />

oder von pädagogischen Einrichtungen ereignet, sollte ein Elternbildungsangebot<br />

geschaffen werden, das auch den Freizeitbereich der <strong>Kind</strong>er<br />

berücksichtigt.<br />

• Außerdem sollte der Tatsache Rechnung getragen werden, daß Eltern zum<br />

Zeitpunkt der Einschulung ihrer <strong>Kind</strong>er besonders sensibel sind – auch für<br />

Belange der Verkehrssicherheit.<br />

“<strong>Kind</strong>er unterwegs”-Veranstaltungen werden nicht von Moderatoren des<br />

Vorschulprogramms durchgeführt, sondern von Erstklässler-Lehrern und Fachberatern<br />

in Grundschulen. Der DVR arbeitet hierfür mit allen 16 Kultusministerien<br />

eng zusammen.<br />

Die zur Programmarbeit benötigten Medien wurden vom DVR, wie auch im<br />

Vorschulbereich mit Unterstützung des Bundesministeriums für Verkehr, entwickelt.<br />

Ein Videofilm zur Gestaltung eines Elternabends mit einem Leitfaden<br />

für Lehrer wurde allen Grundschulen zur Verfügung gestellt. Die dazugehörigen<br />

Elternbroschüren werden jährlich nachproduziert und gelangen über die<br />

Kultusministerien jedes Bundeslandes an die Schulen.<br />

Nähere Informationen über das Programm “<strong>Kind</strong> und Verkehr” und zur Durchführung<br />

einer “<strong>Kind</strong> und Verkehr”-Veranstaltung sind beim Deutschen<br />

Verkehrssicherheitsrat erhältlich:<br />

Deutscher Verkehrssicherheitsrat e.V.<br />

“<strong>Kind</strong> und Verkehr”<br />

Beueler Bahnhofsplatz 16<br />

53222 Bonn<br />

Tel.: 0228/40001-37, Fax: 0228/40001-67<br />

43


44 ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong>


<strong>Prävention</strong> aus der Sicht der Schüler-Unfallversicherung<br />

<strong>Prävention</strong> aus der Sicht der Schüler-Unfallversicherung<br />

Ulrich Winterfeld<br />

Bundesverband der Unfallkassen(BUK), München<br />

Seit 1971 sind in der Bundesrepublik Deutschland alle <strong>Kind</strong>ergartenkinder,<br />

Schüler und Studenten gesetzlich unfallversichert. Dieser Versicherungsschutz<br />

wurde 1997 auf <strong>Kind</strong>er in <strong>Kind</strong>erkrippen und -horten erweitert. Die <strong>Kind</strong>er<br />

und Jugendlichen erhalten bei Unfällen in Zusammenhang mit dem Besuch<br />

dieser Einrichtungen einschließlich des Schulweges die gleichen Leistungen<br />

wie Arbeitnehmer bei einem Arbeitsunfall. Die Leistungen der rund 20 Unfallversicherungsträger<br />

(Körperschaften vergleichbar den Berufsgenossenschaften)<br />

gehen weit über die privater Versicherungen hinaus. Daher ist die gesetzliche<br />

Schüler-Unfallversicherung insbesondere bei Unfällen mit schweren<br />

Folgen ein großer sozialpolitischer Fortschritt. Eine vergleichbare gesetzliche<br />

Regelung gibt es in Europa nur noch in Luxemburg und Österreich.<br />

Gesetzliche Schüler-Unfallversicherung<br />

Seit 1971 Schülerunfall = Arbeitsunfall<br />

Leistungen<br />

Medizinische Rehabilitation<br />

Berufliche Rehabilitation<br />

Rentenleistungen<br />

<strong>Prävention</strong><br />

Folie 1<br />

Die Leistungen der gesetzliche Unfallversicherung lassen sich in vier Bereiche<br />

unterteilen:<br />

• Medizinische Rehabilitation: Verletzte erhalten eine bestmögliche medizinische<br />

Erstversorgung und Rehabilitation. Dazu gibt es spezielle Unfallärzte<br />

sowie spezielle Rehabilitationseinrichtungen z. B. für <strong>schädelhirnverletzte</strong><br />

<strong>Kind</strong>er und Jugendliche. Aber auch die Ausbildung in erster Hilfe bei Lehrern<br />

und Erziehern wird gefördert.<br />

45


46<br />

• Berufliche Rehabilitation: Es werden alle Maßnahmen finanziert, die<br />

einem Unfallverletzten (möglicherweise mit dauerhaften Schädigungen)<br />

die Absolvierung seines geplanten Bildungs- und Berufsweges ermöglichen.<br />

Dies beginnt beim Unterricht am Krankenbett bis hin zu speziellen beruflichen<br />

Wiedereingliederungsmaßnahmen. Auch hier werden <strong>Kind</strong>er und<br />

Jugendliche erwachsenen Arbeitnehmern gleichgestellt.<br />

• Bei bleibenden Folgen von Schülerunfällen, aber auch bei einer vorübergehenden<br />

Behinderung werden Unfallrenten bezahlt bis spätestens zum<br />

Übergang in das Rentenalter. So gibt es hier bereits Rentenempfänger im<br />

<strong>Kind</strong>ergartenalter.<br />

• <strong>Prävention</strong>: Nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) VII gehört es zu den Pflichten<br />

der Unfallversicherungsträger, präventive Maßnahmen zur Bekämpfung<br />

von Arbeits (=Schulunfällen) sowie berufsbedingter Erkrankungen zu<br />

ergreifen. Hierzu zählen der Erlass von Vorschriften, die Beratung der versicherten<br />

Betriebe, Information von Erziehern und Lehrern über <strong>Prävention</strong>smaßnahmen<br />

durch Medien oder Seminare.<br />

Nun einige Daten über die gesetzliche Schüler-Unfallversicherung in Deutschland:<br />

Folie 2<br />

Zahlen zur Schüler-Unfallversicherung<br />

16 Mio. Versicherte<br />

(<strong>Kind</strong>er in Tageseinrichtungen, Schüler,<br />

Studenten)<br />

1,4 Mio. Unfälle jährlich<br />

– 50% Sportunfälle<br />

– 30% Pausenunfälle<br />

– 10% Schulwegunfälle<br />

650 Mio. DM jährliche Kosten<br />

ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />

Versichert sind 16 Millionen <strong>Kind</strong>er in Tageseinrichtungen, Schüler und Studenten.<br />

Unter den Versicherungsschutz fallen alle Tätigkeiten im Zusammenhang<br />

mit der Einrichtung, also auch Schulfeste, Ausflüge usw. Da alle Schulunfälle<br />

den Unfallversicherungsträgern gemeldet werden müssen, haben wir<br />

einen sehr genauen Überblick über das Unfallgeschehen in diesem Bereich.<br />

Jährlich ereignen sich im Bereich der Schüler-UV rund 1,4 Mio. Unfälle. Davon<br />

entfallen die Hälfte auf den Schulsport, 30% auf Pausen (Schulhof und


<strong>Prävention</strong> aus der Sicht der Schüler-Unfallversicherung<br />

Pausen in den Klassenräumen) und nur 10% auf den Schulweg. Allerdings<br />

haben Schulwegunfälle im Schnitt schwerere Folgen als die übrigen Unfälle,<br />

d. h. sie führen weitaus häufiger zu Rentenzahlungen. Auf den übrigen Unterricht<br />

entfallen die restlichen 10% aller Unfälle.<br />

Die Aufwendungen für die Entschädigungsleistungen im Bereich der Schüler-<br />

UV betragen z.Zt. jährlich 650 Mio. DM mit stark steigender Tendenz. <strong>Das</strong> ist<br />

mehr Geld, als die Kultusminister aller 16 Bundesländer zusammen für Schulbücher<br />

jährlich ausgeben.<br />

Leider ist bei den Schülerunfällen in den letzten Jahren kein Rückgang zu<br />

beobachten – übrigens im Gegensatz zu den Arbeitsunfällen, die sich derzeit<br />

auf dem geringsten Niveau seit Gründung der Bundesrepublik befinden.<br />

Die Beiträge zur Finanzierung der Schüler-UV tragen übrigens ausschließlich<br />

die Schulsachkostenträger, also die Städte und Gemeinden, die Eltern müssen<br />

keine Beiträge zahlen. Auch die Kultusminister zahlen keine Beiträge zur<br />

Schüler-UV.<br />

Die Unfallversicherungsträger beraten die Bildungseinrichtungen, kontrollieren<br />

aber auch die von ihnen erlassenen Vorschriften durch Aufsichtspersonen.<br />

Bundesweit sind ca. 100 Aufsichtspersonen für Bildungseinrichtungen<br />

zuständig, d. h. eine Aufsichtsperson hat ca. 1.000 Bildungseinrichtungen.<br />

Daraus wird deutlich, dass ohne Eigeninitiative der hier Verantwortlichen eine<br />

Verbesserung der Unfallsituation kaum erreichbar sein wird.<br />

<strong>Prävention</strong>smaßnahmen<br />

Sicherheitstechnik<br />

Organisation<br />

Aus- und Fortbildung<br />

Erziehung<br />

Folie 3<br />

<strong>Prävention</strong>smaßnahmen umfassen–wie auch in den Betrieben–vier Bereiche:<br />

• Sicherheitstechnische Maßnahmen beziehen sich auf Bau und Ausrüstung<br />

von Bildungsstätten. Hier muss ein technischer Mindeststandard sichergestellt<br />

sein, der Gefährdungen für <strong>Kind</strong>er und Jugendliche minimiert.<br />

47


48<br />

• Organisatorische Maßnahmen beziehen sich auf die Gestaltung des<br />

Schulbetriebes, die Verantwortlichkeiten, den organisatorischen Ablauf des<br />

Unterrichts und schließlich die Sicherstellung einer wirksamen ersten<br />

Hilfe.<br />

• Aus- und Fortbildung bezieht sich auf die Verantwortlichen in der Schule,<br />

d.h. die Lehrer und Erzieher. Die Unfallversicherungsträger unterbreiten<br />

hier zahlreiche Informationsangebote (u. a. 800 Informationsveranstaltungen<br />

bundesweit pro Jahr). Die Information über die Notwendigkeit präventiver<br />

Maßnahmen in Schulen muss aber bereits bei der Ausbildung der<br />

Lehrer ansetzen.<br />

• Erzieherische Maßnahmen betreffen die <strong>Kind</strong>er und Jugendlichen selber.<br />

Sie müssen in der Schule zu sicherheits- und gesundheitsbewusstem Verhalten<br />

erzogen werden. Dabei gelten die folgenden Lernziele:<br />

Folie 4<br />

Sicherheitsbewußtes Verhalten<br />

Risiken erkennen, bewerten und<br />

antizipieren<br />

Risiken bewältigen<br />

Risiken verringern/eliminieren<br />

Schadensfolgen minimieren<br />

ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />

Sicherheits- und Gesundheitserziehung zielen darauf ab, dass bereits im <strong>Kind</strong>esalter<br />

gelernt wird, Risiken (Gefahren bzw. Gefährdungen) zu erkennen und<br />

zu bewerten. Es müssen Verhaltensweisen eingeübt werden, mit Risiken umzugehen<br />

(Beispiel: Sicheres Fahrradfahren). Die Motivation, Risiken in der<br />

Lebenswelt zu verringern, muss gestärkt werden, dass die <strong>Kind</strong>er sich später<br />

als Erwachsene auch für eine sichere und gesunde Umwelt bzw. Arbeitswelt<br />

engagieren. Schließlich müssen Fertigkeiten erworben werden, bei Unfällen<br />

die Schäden zu minimieren, in dem man z. B. sachgerecht Hilfe herbeiholen<br />

kann oder Erste Hilfe leisten kann.<br />

Alles dies muss abgestellt sein auf eine kurzzeitige Verbesserung sicheren Verhaltens,<br />

aber auch auf eine langfristige Perspektive. In der Schule – oder<br />

bereits im <strong>Kind</strong>ergarten – müssen grundlegende Einstellungen gefördert werden,<br />

die für das Verhalten als Erwachsener bestimmend sind.


<strong>Prävention</strong> aus der Sicht der Schüler-Unfallversicherung<br />

Zukunft der <strong>Prävention</strong><br />

Motivierung<br />

– Träger<br />

– Lehrer und Erzieher<br />

– <strong>Kind</strong>er und Jugendliche<br />

Sicherheit und Gesundheit als<br />

Erziehungsziel<br />

EU-weite <strong>Prävention</strong>spolitik<br />

Folie 5<br />

Die Zukunft der <strong>Prävention</strong> in diesem Bereich ist davon abhängig, ob alle<br />

Verantwortlichen einschließlich der Eltern, ja selbst die <strong>Kind</strong>er und Jugendlichen,<br />

dazu motiviert werden können, sich aktiv für mehr Sicherheit und<br />

Gesundheit im Bildungswesen einzusetzen. Hier ist noch eine große Aufklärungsarbeit<br />

zu leisten, die Grundlage von Eigenverantwortung und Eigeninitiative<br />

ist.<br />

Sicherheit und Gesundheit sind in allen Bildungseinrichtungen – vom<br />

<strong>Kind</strong>ergarten bis zur Universität – als wesentliche Erziehungs- und Ausbildungsziele<br />

zu verankern. Der hohe gesellschaftliche Stellenwert der <strong>Prävention</strong><br />

muss sich auch in den Ausbildungsplänen niederschlagen. Wenn wir<br />

hier in den nächsten Jahren mehr erreichen wollen, ist diese Thematik auf<br />

alle Alters- und Bildungsstufen in angemessener Weise zu behandeln.<br />

Schließlich wird auch die EU in ihrer <strong>Prävention</strong>spolitik sich nicht auf den<br />

Arbeitsbereich, z. B. durch Erlass von Richtlinien, beschränken können. Europaweite<br />

Aktivitäten müssen diesem Thema das Gewicht geben, das ihm zukommt.<br />

Unfallverletzte <strong>Kind</strong>er zu heilen ist eine wichtige Aufgabe, Unfälle zu vermeiden<br />

hat oberste gesellschaftliche Priorität.<br />

49


50 ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong>


<strong>Das</strong> kindliche SHT: Schädigungsursachen, Risikogruppen, Schweregrad...<br />

<strong>Das</strong> kindliche Schädel-Hirn-Trauma: Schädigungsursachen,<br />

Risikogruppen, Schweregrad, sowie Alter und<br />

Rehabilitationsergebnis<br />

Rainer Blank<br />

Institut für Soziale Pädiatrie und Jugendmedizin,<br />

<strong>Kind</strong>erzentrum München<br />

Einleitung und Epidemiologie<br />

Ca. zwei Drittel aller Todesfälle im <strong>Kind</strong>esalter sind unfallverursacht. Hierbei<br />

beträgt die Hirnbeteiligung in Relation zu anderen Organen etwa 55:45. <strong>Das</strong><br />

jährliche Risiko beträgt bei Jungen ca. 1%, bei Mädchen ca. 0,5%. Allerdings<br />

muß erwähnt bleiben, daß in den letzten 15–20 Jahren nach verschiedenen<br />

Studien aus westlichen Ländern die Mortalität bei Jungen etwa halbiert werden<br />

konnte und bei Mädchen ca. 25% abgenommen hat (Engberg and Teasdale<br />

1998). Allerdings hat der Schweregrad der Verletzungen eher zugenommen<br />

und es wird diskutiert, daß die Gesamtprognose insgesamt unverändert<br />

geblieben sei.<br />

Die Lebenserwartung Schädel-Hirn-Verletzter ist nach einer neueren Studie<br />

prognostisch abhängig von der posttraumatischen Mobilität und dem Selbstversorgungsgrad,<br />

z.B. der Fähigkeit zu selbständigem Essen (Strauss et al. 1998).<br />

Mit erhaltener Mobilität kann man von einer Lebenserwartung die nur gering<br />

unter der der Allgemeinbevölkerung liegt, ausgehen. Bei Patienten ohne<br />

Mobilität wurde jedoch eine Lebenserwartung nur bis durchschnittlich rund<br />

15 Jahre nach dem Unfall ermittelt (Strauss et al. 1998).<br />

Der Anteil von <strong>Kind</strong>ern (im Alter von 1–15 Jahren) bei Schädelverletzungen<br />

kann nach Brookes (Brookes et al. 1990) folgendermaßen in etwa eingeschätzt<br />

werden: Die <strong>Kind</strong>er stellen einen Anteil von ca. der Hälfte aller Schädelhirnverletzungen,<br />

die in Unfall-Nothilfeabteilungen vorgestellt werden, sie stellen<br />

ca. 1/3 aller stationären Aufnahmen, ca. 1/4 aller Verletzungen schweren<br />

Grades und betragen rund 1/5 aller Todesfälle.<br />

Schädigungsursachen<br />

Im Gegensatz zum Erwachsenenalter stellen die Stürze den weitaus größten<br />

Anteil der Ursachen für Schädelverletzungen bei <strong>Kind</strong>ern dar, sie sind in etwa<br />

zu 60% verantwortlich. Die Verkehrsunfälle stellen nur einen Anteil von etwa<br />

10% dar; allerdings stellen diese den größten Anteil an schweren Verletzungen.<br />

So sind Schädel-Hirntraumen, die neurochirurgischer Behandlung bedürfen,<br />

bei etwa 43% anzutreffen. Ferner machen sie schwere Verletzungen<br />

sogar in 75% und Todesfälle in 71% aus (Jennett 1998).<br />

51


52<br />

Nach Zuckerman usw. (Zuckerman and Conway 1997) ergibt sich eine eindeutige<br />

Alterskorrelation von Verletzungsursachen (siehe Tabelle).<br />

Alterskorrelation von Verletzungsursachen<br />

(nach Zuckerman und Conway 1997)<br />

Alter Allgemeine Schwere Bemerkungen<br />

Verletzungen Verletzungen<br />

< 2J. Stürze Mißhandlung Unfälle mit schwerer<br />

Verletzung selten<br />

Risikofaktoren<br />

Neben Umweltfaktoren sind eine Reihe individueller Faktoren für die Unfallentstehung<br />

verantwortlich. Zu den Umweltfaktoren zählen vor allem die hohe<br />

Verkehrsdichte, das zum Teil fahrlässige Verkehrsverhalten anderer Verkehrsteilnehmer,<br />

die Gestaltung des Wohnmilieus und der Umgebung sowie das<br />

Erziehungsverhalten und die Fürsorge seitens der Eltern, <strong>Kind</strong>ergärten etc.<br />

Sicherlich tragen jedoch die individuellen Faktoren ganz erheblich zur Häufigkeit<br />

und Schwere von Schädel-Hirnverletzungen bzw. Unfällen bei. In ihrer<br />

Monographie haben Lange Kosak und Tepfer bereits 1973 sieben Faktoren im<br />

Hinblick auf die Bedeutung prätraumatischer Befunde beschrieben, die sie bei<br />

insgesamt 32,5% ihrer untersuchten <strong>Kind</strong>er fanden (Lange-Cosack 1973):<br />

1. Frühere Unfälle mit Verdacht auf Hirnbeteiligung (Commotio)<br />

2. Frühere Krankheiten mit sicherer oder möglicher zerebraler Beteiligung<br />

3. Krampfanfälle vor dem Unfall<br />

4. Sichere perinatale Schäden oder Verdacht auf solche<br />

5. Zerebrale Bewegungsstörungen als Folge früherworbener Hirnschäden<br />

6. Intelligenzmängel<br />

7. Hypermobilität vor dem Unfall.<br />

Verkehrsunfälle Nicht angeschnallte Mitfahrer<br />

2–5 J. Stürze Verkehrsunfälle Vorwiegend:<br />

Nicht angeschnallte Mitfahrer<br />

Selten: als Fußgänger<br />

6–12 J. Stürze Verkehrsunfälle Fußgänger<br />

Fahrrad, Mofa, Skateboards,<br />

Rollschuhe<br />

Jugendliche Verkehrsunfälle Verkehrsunfälle Fahrer (gehäuft bei<br />

Jugendlichen in der Stadt)<br />

Gewaltdelikte Gewaltdelikte<br />

Sportverletzungen<br />

ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong>


<strong>Das</strong> kindliche SHT: Schädigungsursachen, Risikogruppen, Schweregrad...<br />

Als die wichtigsten Risikogruppen, die häufig zu Schädel-Hirn-Traumen neigten,<br />

beschrieben sie die <strong>Kind</strong>er mit mentaler Retardierung bzw. leichter<br />

prämorbider Intelligenzminderung, die <strong>Kind</strong>er mit früheren Unfällen mit Hirnbeteiligung,<br />

wobei sie auch <strong>Kind</strong>er mit früherer Commotio mitzählten. In<br />

dieser Gruppe überwogen massiv die Jungen (41 Jungen versus 5 Mädchen).<br />

Schließlich beschrieben sie schon die Risikogruppe der hyperaktiven <strong>Kind</strong>er,<br />

d.h. <strong>Kind</strong>er die bereits vor dem Unfall als sehr lebhaft, unruhig und impulsiv<br />

beschrieben worden waren. Diese Gruppe dürfte sich mit den beiden zuvor<br />

genannten Gruppen erheblich überlappen. Diese drei Gruppen waren in<br />

einer Häufigkeit von 10–20 % aller <strong>schädelhirnverletzte</strong>n <strong>Kind</strong>er jeweils<br />

anzutreffen. In einer neueren Studie (Gerring et al. 1998) wurde die Frage des<br />

prämorbid vorhandenen hyperkinetischen Syndroms wissenschaftlich näher<br />

untersucht. Man fand hierbei, daß bei ca. 20% aller schädel-hirn-traumatisierten<br />

<strong>Kind</strong>er bereits vor dem Unfall ein sog. hyperkinetisches Syndrom<br />

bzw. eine Aufmerksamkeitsstörung mit Hyperaktivität vorgelegen hat.<br />

Als weitere Risikofaktoren für Unfälle kommen Störung der Wahrnehmung<br />

bzw. des Sehens sowie mangelhafte Verkehrserziehung und zu geringer Einsatz<br />

von Schutzvorrichtungen wie Helm oder Gurt in Frage (Linn et al. 1998).<br />

Mittel- und langfristige Unfallfolgen<br />

Es besteht grundsätzlich Einigkeit darüber, daß die psychischen Langzeitfolgen<br />

eine größere Bedeutung als die neurologischen Folgen einnehmen.<br />

Bereits nach einer frühen Untersuchung (Kleinpeter 1971) nehmen die Verhaltensauffälligkeiten<br />

nach Schädel-Hirntraumata (SHT) einen sehr breiten Raum<br />

ein. Sie kommen danach bei SHT I nach Tönnes in ca. 60%, in SHT II in<br />

ca. 75% und bei <strong>Kind</strong>ern mit SHT III bei ca. 95% aller Fälle vor.<br />

Dabei werden posttraumatische Intelligenzminderungen (posttraumatische<br />

Demenz) in 8% bei Grad I, in 11% bei Grad II und in 39% bei Grad III<br />

Schädel-Hirntraumen berichtet.<br />

Gerring et al. (Gerring et al. 1998) berichten von sekundären hyperkinetischen<br />

Störungen bis einem Jahr nach dem SHT in ca. 20% aller Verunfallten. Diese<br />

<strong>Kind</strong>er fielen bereits prämorbid durch erhöhte psychosoziale Schwierigkeiten<br />

auf. Insgesamt war posttraumisch eine höhere Affektlabilität, Aggressivität und<br />

Komorbidität zu verzeichnen. Hinzu kommen hirnlokal bedingte Ausfälle wie<br />

Frontalhirnsyndrome, Aphasien und Apraxien, sowie psychoreaktive und<br />

neurotische Störungen im Rahmen der Traumaverarbeitung, welche sich in<br />

depressiven Anpassungsreaktionen, verstärkter Aggressivität, psychosomatischen<br />

Beschwerden, Konversionssymptomen und Angstzuständen zeigen.<br />

53


54<br />

Chronisch neurologische Störungen umfassen vor allem motorische Defizite,<br />

Epilepsien und Hirnnervenausfälle, z.B. nach Schädelbasisfrakturen.<br />

Die motorischen Defizite erfahren häufig eine Rückbildung innerhalb von<br />

6–12 Monaten. Allerdings bilden sich gerade feinmotorische Defizite später<br />

zurück oder persistieren (Mahoney et al. 1983). Ca. 10% der Patienten mit<br />

schweren Schädel-Hirntraumen haben permanente Störungen, meist im Sinne<br />

einer spastischen oder ataktischen Bewegungsstörung (Mahoney et al. 1983).<br />

Epilepsien treten in Abhängigkeit vom Schweregrad der Verletzung auf. Nach<br />

einer neueren Studie (Annegers et al. 1998) traten sie bei 3% aller Schädel-<br />

Hirntraumen auf. Epilepsien fanden sich nach leichten Schädel-Hirn-Traumen<br />

in 1,5%, in 2,9% nach mittelschweren und in 17,0% nach schweren<br />

Schädel-Hirn-Traumen. Risikofaktoren waren Gehirnkontusion mit subduraler<br />

Blutung, Schädelfraktur, Bewußtlosigkeit oder Amnesie mehr als einen Tag<br />

und ein Alter über 65 Jahren.<br />

Prognostische Faktoren<br />

ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />

Bereits in frühen Studien (Lange-Cosack 1973) wurde die prädiktive Bedeutung<br />

für den Outcome hinsichtlich der Dauer der Bewußtlosigkeit bei gedecktem<br />

SHT erkannt und untersucht. Dabei korreliert die Dauer der Bewußtlosigkeit<br />

mit der Dauer der psychischen Funktionsstörung, der Häufigkeit und dem<br />

Schweregrad psychischer Störungen, dem Anteil neurologischer Initial- und<br />

Restsymptome sowie dem Anteil an Früh- und Spätepilepsien.<br />

In noch älteren Studien wird bereits die Bedeutung von EEG-Veränderungen<br />

im Hinblick auf die klinischen Veränderungen nach SHT beschrieben (Özek<br />

1956, Lerique-Koechlin 1958). Hierbei zeigte sich, daß die EEG-Veränderungen<br />

sich langsamer zurückbilden als die klinischen Veränderungen und daß sich<br />

eine gewisse Übereinstimmung mit dem klinischen Verlauf ergab.<br />

Was das Alter bei Eintreten des Traumas und die Spätfolgen anbetrifft, so ergeben<br />

sich hier widersprüchliche Angaben. Lange Zeit wurde aus den Befunden<br />

zur höheren Plastizität des jungen Gehirns ein geringeres Risiko für ungünstige<br />

Folgeerscheinungen abgeleitet (sog. Kennard-Prinzip). Dagegen beschreiben<br />

Luerssen 1988 (Luerssen et al. 1988), daß frühe Gehirnläsionen verstärkt<br />

negativ die Gesamtentwicklung bzw. die Spätprognose beeinflussen. Levin<br />

(Levin 1993) beschreibt schwere Restschäden bei SHT besonders im Alter von<br />

unter 2 Jahren und bei Erwachsenen. Möglicherweise kommt es aufgrund des<br />

weicheren Schädels bei Säuglingen und Kleinstkindern mehr zu direkten Einwirkungen<br />

auf das Gehirn und zu Scherwirkungen auf tiefere Hirnstrukturen.<br />

Neuere Arbeiten (Taylor and Alden 1997) beschreiben auch ein eher erhöhtes<br />

Entwicklungsrisiko gerade bei Patienten im <strong>Kind</strong>esalter aufgrund der Auswirkungen<br />

der zerebralen Läsion auf die in Entwicklung befindlichen Funktio-


<strong>Das</strong> kindliche SHT: Schädigungsursachen, Risikogruppen, Schweregrad...<br />

nen. Teilleistungsstörungen können sich selbst nach initial unauffälligem<br />

Befund als Folge im Verlauf der weiteren Entwicklung herausbilden. So fanden<br />

Gronwall (Gronwall et al. 1997) bei <strong>Kind</strong>ern nach leichtem SHT im<br />

Vorschulalter ungünstige Effekte auf die Leistungsfähigkeit nach einem Zeitintervall<br />

von 6 Monaten im Vergleich zu einer Kontrollgruppe. Benz und Ritz<br />

berichten in einer noch nicht abgeschlossenen katamnestischen Studie ebenfalls<br />

von einer Heterogenität im Rückbildungsverlauf hinsichtlich der langfristigen<br />

kognitiven, sozialen und schulisch-beruflichen Entwicklung von Menschen<br />

nach kindlichen Schädel-Hirntraumen (Benz 1999). Dabei zeichnen sich<br />

bei einigen Patienten persistierende neuropsychologische Funktionsstörungen<br />

ab, weitere zeigen trotz initialer Befundstabilisierung im Verlauf posttraumatisch<br />

erworbene Defizite. Eine besonders ungünstige Gruppe zeigt ein<br />

globales Absinken der kognitiven und neuropsychologischen Leistungsfähigkeit.<br />

Bei einer vierten Gruppe kommt es zu einer fortschreitenden Stabilisierung<br />

der neuropsychologischen Parameter.<br />

Zusammenfassung und Ausblick<br />

Bei den SHT im <strong>Kind</strong>esalter sind die Stürze am häufigsten und die Unfälle im<br />

Straßenverkehr am schwersten. <strong>Kind</strong>er sind überproportional schwer betroffen,<br />

Jungen mehr als Mädchen. <strong>Kind</strong>er mit hyperkinetischem Syndrom und<br />

z.T. auch <strong>Kind</strong>er mit Entwicklungsstörungen machen hierbei eine große und<br />

wichtige Risikogruppe aus. Andererseits stellen hyperaktive Verhaltensweisen<br />

bzw. organische Wesensveränderungen und neuropsychologische Probleme<br />

auch häufige Sekundärfolgen nach SHT im <strong>Kind</strong>esalter dar. Hinsichtlich der<br />

neurologischen Störungsrückbildung bleibt zu vermerken, daß sich handmotorische<br />

Störungen schlechter rückbilden bzw. eher bestehen bleiben als<br />

Störungen der Grobmotorik.<br />

Präventive wie rehabilitative Konzepte müssen daher stärker als bisher <strong>Kind</strong>er<br />

mit psychosozialen Risikofaktoren und hier insbesondere mit hyperkinetischem<br />

Syndrom umfassen. Dabei sollte nicht nur die frühzeitige Diagnostik<br />

und Therapie des hyperkinetischen Syndroms, sondern auch die entsprechende<br />

Aufklärung von Eltern und pädagogischen Institutionen zu den<br />

Risiken dieser <strong>Kind</strong>er in höherem Maße stattfinden. Im Hinblick auf die schlechtere<br />

Rückbildung feinmotorischer Funktionen, welche im Alltag gerade bei<br />

der Selbstversorgung und schulischen bzw. beruflichen Wiedereingliederung<br />

eine erhebliche Rolle spielen, sind nicht nur spezifische und intensivere<br />

Behandlungsbemühungen, sondern auch genauere verlaufsdiagnostische<br />

Monitoringverfahren zur Differentialdiagnostik solcher Störungen und<br />

Verlaufsevaluation der Rehabilitationserfolge angezeigt.<br />

Hinsichtlich der zu erwartenden Rehabilitationsergebnisse sind epidemiologische<br />

Zahlen bei <strong>Kind</strong>ern von begrenzter Aussagefähigkeit, denn bei ähnlich<br />

55


56<br />

schweren Hirntraumata sind häufig ganz überraschende Verläufe in positiver<br />

wie negativer Richtung möglich. Außerdem sollte nicht vergessen werden,<br />

daß im <strong>Kind</strong>esalter das Trauma selbst einen erheblichen Eingriff in die emotionale<br />

Entwicklung bedeutet, nicht zuletzt auch aufgrund der Langzeithospitalisation.<br />

Todoroff (Todorow 1978) beschreibt sehr eindrucksvoll die<br />

Verflechtung von organischen und reaktiven Störungen bei <strong>Kind</strong>ern im<br />

frühen Stadium nach SHT. Schließlich dürfen auch die schmerzlichen Rückwirkungen<br />

auf das gesamte familiäre Gefüge nicht unerwähnt bleiben, wo<br />

nicht selten auch die Sinnfrage unbeantwortet bleiben muß.<br />

Literatur<br />

ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />

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<strong>Das</strong> kindliche SHT: Schädigungsursachen, Risikogruppen, Schweregrad...<br />

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Zuckerman G.B., Conway E.E. Jr. (1997): Accidental head injury. Pediatr Ann,<br />

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57


58 ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong>


Unfallrettung und unfallchirurgische Erstversorgung: Verletzungsmuster...<br />

Unfallrettung und unfallchirurgische Erstversorgung:<br />

Verletzungsmuster, Schweregrad, Verlegung, zeitliche Abläufe<br />

Michael Aufmkolk, Udo Obertacke, Ira Reichmann, Steffen Ruchholtz<br />

Klinik und Poliklinik für Unfallchirurgie, Universitätsklinik Essen<br />

Der Tod nach Unfall ist bei <strong>Kind</strong>ern die häufigste Todesursache nach dem<br />

Säuglingsalter. So wurden 1996 48.175 <strong>Kind</strong>er im Straßenverkehr verletzt,<br />

davon 12.219 schwer. Insgesamt verstarben 420 <strong>Kind</strong>er an den Folgen eines<br />

Unfalls, verglichen mit 370 <strong>Kind</strong>ern, die im gleichen Zeitraum an malignen<br />

Erkrankungen verstarben (3,4).<br />

Trotz der großen Gefährdung der <strong>Kind</strong>er durch einen Unfall, wird dieser in<br />

der Bevölkerung deutlich unterschätzt (5). Dies scheint auch Ursache der häufigen<br />

Mißachtung von präventiven Maßnahmen zu sein. Nach Wheatley und<br />

Cass (1989) hätte nur durch Überwachen der <strong>Kind</strong>er 17% der Todesfälle vermieden<br />

werden können. Ebenso war nach dieser Studie der Nicht-Gebrauch<br />

von Gurten, <strong>Kind</strong>ersitzen oder Helmen für weitere 21% der Todesfälle verantwortlich<br />

(11).<br />

Ziel dieser Arbeit war die Darstellung der Verletzungsschwere, des Verletzungsmusters<br />

sowie zeitlicher Abläufe präklinisch und klinisch bei schwerstverletzten<br />

<strong>Kind</strong>ern mit und ohne Schädel-Hirn-Trauma (SHT).<br />

Patienten und Methode<br />

Patienten. Von 1975 bis 1995 wurden in der eigenen Klinik 117 <strong>Kind</strong>er (Alter<br />

3–15 Jahre) mit einem Verletzungsschweregrad von mehr als 16 Punkten im<br />

Injury Severity Score behandelt.<br />

Verletzungsschwere. Der Verletzungsschweregrad der Patienten wurde nach<br />

dem Abbreviated Injury Scale (AIS) bestimmt und daraus der Injury Severity<br />

Score (ISS) berechnet (1,2).<br />

Gruppeneinteilung. <strong>Kind</strong>er mit einem AIS Kopf >= 3 Punkte wurden in die<br />

Gruppe mit schwerem SHT (Gruppe: +SHT), <strong>Kind</strong>er mit einem AIS Kopf<br />


60<br />

Statistik. Alle Ergebnisse sind mit Mittelwert±SEM aufgeführt. Bei ordinalen<br />

Variablen wurde der Chi-Quadrat-Test angewendet, während der Students<br />

t-Test für Vergleiche kontinuierlicher Variablen zwischen 2 Gruppen herangezogen<br />

wurde. Als statistisch signifikant wurde ein p


Unfallrettung und unfallchirurgische Erstversorgung: Verletzungsmuster...<br />

Tabelle 1: Begleitverletzungen<br />

+SHT -SHT p-Wert<br />

n 48 69<br />

Lungenkontusion 13% 29% 0,04<br />

Rippenserienfraktur 8% 12% 0,7<br />

Pneumothorax 8% 15% 0,4<br />

Hämatothorax 6% 10% 0,5<br />

Leberruptur 10% 6% 0,5<br />

Milzruptur 13% 28% 0,07<br />

Mesenterialverletzung 2% 1% 0,9<br />

Zwerchfellruptur 2% 1% 0,9<br />

Darmverletzung 0% 3% 0,5<br />

Oberarm-Fraktur 15% 22% 0,5<br />

Unterarm-Fraktur 13% 10% 0,8<br />

Becken-Fraktur 10% 20% 0,2<br />

Oberschenkel-Fraktur 50% 48% 0,9<br />

Unterschenkel-Fraktur 13% 12% 0,9<br />

Tabelle 2: Todesursachen<br />

+SHT -SHT<br />

n 48 69<br />

Verstorben 11 3<br />

–Schock 1 1<br />

– Lungenversagen 0 2<br />

– SHT 9 0<br />

– Sepsis 1 0<br />

61<br />

Insgesamt verstarben 14 <strong>Kind</strong>er<br />

an den Folgen ihrer Verletzungen<br />

(12%). In der<br />

Gruppe mit schwerem SHT<br />

war dieses für 9 der 11 Todesfälle<br />

verantwortlich. Von den<br />

69 <strong>Kind</strong>ern ohne SHT verstarben<br />

3 <strong>Kind</strong>er, davon 1<br />

<strong>Kind</strong> an den Folgen des<br />

Schocks und 2 an den Folgen<br />

eines Lungenversagens<br />

(s. Tabelle 2).<br />

Einen Einfluß der präklinischen<br />

Versorgung auf den<br />

späteren Verlauf konnte<br />

nicht nachgewiesen werden.<br />

In 90% der Fälle war primär<br />

ein Notarzt vor Ort (+SHT:<br />

92%, -SHT: 90%, p = 0,9).<br />

Die Intubation und Sicherung der Atemwege<br />

wurde signifikant häufiger bei <strong>Kind</strong>ern<br />

mit SHT durchgeführt (+SHT:<br />

63%, -SHT: 29%, p = 0,001). Die durchschnittliche<br />

Rettungszeit war dadurch<br />

verlängert, ohne daß dies jedoch signifikant<br />

war (+SHT: 37±4, -SHT: 62±12<br />

Minuten, p = 0,06).<br />

Mit Ausnahme eines <strong>Kind</strong>es, das an den Folgen des SHT verstarb, wurden alle<br />

später verstorbenen <strong>Kind</strong>er primär am Unfallort intubiert und beatmet.<br />

Nach Aufnahme in den Schockraum wurden alle <strong>Kind</strong>er intubiert, die noch<br />

nicht beatmet waren. Die Basisdiagnostik im Schockraum betrug 25±3 Minuten.<br />

In dieser Zeit wurde eine abdominelle Sonographie, Blutentnahme, Röntgen<br />

von Thorax, Becken sowie HWS seitlich durchgeführt. Im Mittel vergingen<br />

34±12 Minuten bis zur Anfertigung eines Schädel CT‘s. Bei Indikation für<br />

eine Trepanation oder Anlage einer Druckmeßsonde erfolgte diese nach im<br />

Mittel 74±15 Minuten.


62<br />

Diskussion<br />

ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />

Nach Auskunft des BA Statistik wurden 1996 48.175 <strong>Kind</strong>er im Straßenverkehr<br />

verletzt. Am häufigsten verunfallten <strong>Kind</strong>er als Fahrradfahrer (16.269 =<br />

34%), PKW-Insassen (15.877 = 33%) und Fußgänger (14.600 = 30%). <strong>Das</strong><br />

Risiko im Straßenverkehr getötet zu werden betrug für die verunfallten <strong>Kind</strong>er<br />

zwischen 0,5 und 0,9% (Fahrradfahrer: 77 / 16.269 = 0,5%, Fußgänger: 117 /<br />

14.600 = 0,8%; PKW-Insasse 147 / 15.877 = 0,9%) (3).<br />

Im eigenen Krankengut zeigte sich eine besonders hohe Anzahl von <strong>Kind</strong>ern,<br />

die als Fußgänger verunfallt waren. Seltener wurden <strong>Kind</strong>er als PKW-Insassen<br />

oder Zweiradfahrer verletzt. Ursache ist vermutlich einerseits das Einziehungsgebiet<br />

(Großstadt). Andererseits ist die Verletzungsschwere beim ungeschützten<br />

Aufprall auf einen PKW größer, sodaß dadurch eine Überrepräsentation<br />

im eigenen Krankengut vorliegt.<br />

Im Falle einer schweren Unfallverletzung muß in 76% mit einem SHT gerechnet<br />

werden, wobei 40% ein schweres SHT erleiden. 88% der <strong>Kind</strong>er haben<br />

eine oder mehrere Frakturen, 33% ein schweres Thoraxtrauma, und 42% ein<br />

Abdominaltrauma. Die Anzahl und Schwere der Begleitverletzungen ist dabei<br />

unbeeinflußt vom Vorliegen eines schweren SHT. Die präklinische Versorgung<br />

polytraumatisierter <strong>Kind</strong>er ist jedoch durch die zum Teil veränderte Physiognomie<br />

und Physiologie des <strong>Kind</strong>es erschwert. So kann eine Zyanose sowohl<br />

Ausdruck einer Dyspnoe nach Thoraxtrauma als auch Folge einer Hypothermie<br />

sein. Auch ist die Erhebung des Glasgow coma scale im Kleinkindesalter<br />

nur schwer anwendbar. Eine Zentralisation kann Folge eines Schocks sein, ist<br />

jedoch auch bei Schmerzen und/oder Unterkühlung vorhanden. Schlußendlich<br />

wird auch der Blutverlust bei <strong>Kind</strong>ern häufig falsch beurteilt. So kann ein<br />

Säugling bereits bei einem Blutverlust von 35ml im Volumenmangelschock<br />

sein (8,9).<br />

Durch eine effektive Versorgung am Unfallort und ein straffes klinisches<br />

Management kann jedoch die Letalität nach einer Schwermehrfachverletzung<br />

minimiert werden. Die Prognose nach kindlichem Polytrauma wird dabei<br />

überwiegend vom Ausmaß der Schwere des SHT bestimmt. Die Letalität<br />

polytraumatisierter <strong>Kind</strong>er durch das SHT wird in der Literatur mit 60–90%<br />

der Todesfälle angegeben (7,10).<br />

Die hohe Zahl verletzter und getöteter <strong>Kind</strong>er nach Unfällen verlangt nach<br />

einer verstärkten <strong>Prävention</strong>, da bis zu 21% der Todesfälle allein durch Tragen<br />

von Sicherheitseinrichtungen wie Gurte oder Helme hätten vermieden werden<br />

können (11). Ebenso sollten Erwachsene durch wiederholte Aufklärung<br />

(Tagespresse, Verkehrserziehung) auf das untypische Verhalten von <strong>Kind</strong>ern<br />

im Straßenverkehr hingewiesen werden.


Unfallrettung und unfallchirurgische Erstversorgung: Verletzungsmuster...<br />

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(10) Walker M.L., Stors B.B., Mayer T. (1984). Factors affesting outcome in the<br />

pediatric patient with multiple trauma. Further experience with the modified<br />

injury severity scale. Childs Brain 11: 387–397.<br />

(11) Wheatley J., Cass D.T. (1989). Traumatic deaths in children: the importance<br />

of prevention. Med J Aust 150: 72–78.<br />

63


64 ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong>


<strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong> – neurochirurgische Versorgung<br />

<strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong> – neurochirurgische<br />

Versorgung<br />

Martina Messing-Jünger<br />

Neurochirurgische Klinik der Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf<br />

Epidemiologie<br />

In westlichen Industrienationen ist das Schädelhirntrauma (SHT) die häufigste<br />

Todesursache bei <strong>Kind</strong>ern und Jugendlichen unter 18 Jahren. <strong>Das</strong> Risiko,<br />

in dieser Altersgruppe an einem SHT zu versterben, ist um den Faktor fünf,<br />

verglichen mit der Leukämie, und um den Faktor achtzehn, verglichen mit<br />

dem Hirntumor, erhöht. Beides sind die häufigsten neoplastischen Erkrankungen<br />

im <strong>Kind</strong>esalter. <strong>Das</strong> SHT ist die meistgenannte Ursache für eine erworbene<br />

Behinderung in dieser Altersgruppe. In den USA liegt die SHT-Inzidenz<br />

bei 180/100.000 (KRAUS et al., 1990 und 1995).<br />

Man unterteilt das SHT je nach Komagrad (Glasgow Coma Score GCS ) in<br />

• leicht (GCS 13–15)<br />

• mittelschwer (GCS 9–12)<br />

• schwer (GCS 3–8).<br />

Abb. 1<br />

Alters- und Geschlechtsverteilung<br />

nach KRAUS et al. 1990 (USA).<br />

65<br />

Am häufigsten ist das leichte SHT<br />

mit 80–90%, gefolgt von einem<br />

mittelschweren Trauma in 7–8%<br />

der Fälle und schließlich dem<br />

schweren Trauma in 5–8%.<br />

Hinsichtlich der Alters- und<br />

Geschlechtsverteilung fällt ein<br />

deutlich erhöhtes Unfallrisiko der<br />

männlichen Patienten auf. Insbesondere<br />

ab dem zweiten Lebensjahr<br />

nimmt die Unfallhäufigkeit<br />

der Jungen stetig zu (Abb. 1).<br />

Man unterscheidet gedeckte SHT<br />

von indirekt und direkt offenen<br />

Schädel-Hirn-Verletzungen. Indirekt<br />

offen sind Schädelbasisfrakturen,<br />

bei denen aufgrund der


66<br />

fest am Knochen haftenden Dura häufig eine Zerreißung derselben auftritt,<br />

wodurch eine Verbindung zwischen Intraduralraum und der Atmosphäre entsteht.<br />

Direkt offene Frakturen werden beispielsweise durch Eindringen<br />

eines Fremdkörpers verursacht oder liegen bei Impressionsfrakturen mit gleichzeitiger<br />

Verletzung der darüberliegenden Weichteile und der Dura vor.<br />

Therapie<br />

Die Therapie des SHT beruht im Wesentlichen auf drei Hauptsäulen:<br />

• Operation<br />

• Intensivmedizin<br />

• (Früh)Rehabilitation<br />

Einen entscheidenden Einfluß auf den Erfolg der nachfolgenden Therapien<br />

hat die Primärversorgung am Unfallort.<br />

Erstversorgung<br />

Am Beginn der Behandlungskette steht die Primärversorgung und -einschätzung<br />

am Unfallort durch den Notarzt. Diese erste Phase ist von entscheidender<br />

Bedeutung hinsichtlich der Vermeidung von Sekundärschäden bei mittelschweren<br />

und schweren Traumen.<br />

Die drei Hauptziele der Primärversorgung lauten:<br />

• Sicherung der Vitalfunktionen Atmung und Kreislauf<br />

• Beurteilung der Bewußtseinslage/des Verletzungsmusters<br />

• Stabilisierung der Halswirbelsäule<br />

ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />

Je nach Schweregrad der Verletzungen, insbesondere bei Vorliegen eines isolierten<br />

SHT, ist die Wahl des erstversorgenden Krankenhauses wesentlich:<br />

SHT leicht, Röntgen Schädel/Wirbelsäule möglich, sofortige Beurteilung<br />

gedeckt durch erfahrenen Arzt, 10minütige Bewußtseins-/Pupillenkontrolle<br />

SHT mittel, Röntgen Schädel/Wirbelsäule und CT möglich, Intensivstation,<br />

gedeckt möglichst neurochirurgische Abteilung, sonst entsprechende<br />

Konsiliarbetreuung, fachärztliche Beurteilung der Röntgenaufnahmen,<br />

10minütige Bewußtseins-/Pupillenkontrolle<br />

SHT schwer, Röntgen Schädel/Wirbelsäule und CT möglich, Intensivstation,<br />

gedeckt; offen neurochirurgische Abteilung mit 24stündiger OP-Bereitschaft<br />

alle Schweregrade<br />

(Aus: Leitlinie Primärversorgung Schädel-Hirn-Trauma, AG Intensivmedizin/ Neurotraumatologie der<br />

DGNC und dem Wissenschaftlichen Arbeitskreis Neuroanästhesie der DGAI unter Beteiligung der DIVI)


<strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong> – neurochirurgische Versorgung<br />

Abb. 2 Leitlinie SHT der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie<br />

67


68<br />

ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />

Nach Einlieferung in das Primärkrankenhaus erfolgt die weitere Beurteilung<br />

und Behandlung von schwerverletzten Patienten idealerweise im Schockraum<br />

unter Anwesenheit von Intensiv- und Notfallmedizinern sowie Vertretern der<br />

jeweiligen chirurgischen Disziplinen und ggf. auch eines HNO-Arztes oder<br />

Ophthalmologen.<br />

Die klinische Aufnahmeuntersuchung und primäre Röntgenaufnahmen des<br />

Skelettes und des Thorax, sowie Ultraschalluntersuchungen von Abdomen<br />

und Retroperitoneum sind hier von zentraler Bedeutung. Bei Verdacht auf ein<br />

schweres SHT ist ein sofortiges Schädel-CT mit Darstellung der oberen HWS-<br />

Strukturen angeraten.<br />

Bewußtlose Patienten (GCS 3–8), Patienten mit rascher Eintrübung (Verschlechterung<br />

um 3 GCS-Punkte) oder mit relevanten Begleitverletzungen der<br />

HWS oder des Mund-Kiefer-Gesichtsbereiches werden umgehend intubiert,<br />

falls dies noch nicht am Unfallort geschehen ist. Gleichzeitig ist ein ausreichender<br />

Systemdruck aufrechtzuerhalten. Hinsichtlich der Abläufe und der<br />

anzustrebenden Vitalparameter s. Abb. 2 (S. 67).<br />

Die Aufnahmeuntersuchung beinhaltet die Feststellung des Neurostatus, wobei<br />

dem Pupillenbefund (Pupillenweite und Lichtreaktion) besondere Aufmerksamkeit<br />

zukommt. Er sollte bei allen Patienten in kurzen Abständen<br />

(10minütig) bestimmt werden. Desweiteren ist eine Einteilung in den Glasgow<br />

Coma Score (GCS) für die Verlaufsbeobachtung und Risikoeinschätzung<br />

sinnvoll. Bei kleinen <strong>Kind</strong>ern ist eine Modifizierung des GCS angebracht, da<br />

sowohl die verbalen Leistungen, als auch die motorische Reaktionsfähigkeit<br />

aufgrund noch nicht abgeschlossener Sprachentwicklung und mangelnder<br />

Kooperation nach den üblichen Kriterien nicht bestimmt werden können.<br />

Es ist auf äußere Verletzungszeichen, wie z. B. Austritt von Liquor, Blut oder,<br />

im Extremfall, Hirngewebe aus Ohr, Nase und in den Rachenraum zu achten.<br />

<strong>Das</strong> Feststellen von offenen Wunden sollte eine Austastung nach sich ziehen,<br />

mit der Fragestellung, ob beispielsweise eine Impressionsfraktur oder penetrierende<br />

Verletzung vorliegt. Penetrierende Gegenstände dürfen dabei niemals<br />

wegen der Gefahr innerer Verletzungen oder Blutungen entfernt werden. Alle<br />

offenen Wunden sind mit sterilen Kompressen abzudecken und gegebenenfalls<br />

zur vorübergehenden Blutstillung mit Kompression anzubringen.<br />

Es schließt sich eine sorgfältige Untersuchung des Körpers nach weiteren<br />

Begleitverletzungen an.<br />

Im Anschluß an die Primär- und Aufnahmeuntersuchungen erfolgen eventuell<br />

notwendige Operationen oder zunächst eine allgemeinstationäre oder intensivmedizinische<br />

Beobachtung und Behandlung. Bei operationsbedürftigen<br />

Schädel-Hirn-Traumen mit konkurrierenden Begleitverletzungen, die die Vital-


<strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong> – neurochirurgische Versorgung<br />

funktionen Atmung und Kreislauf entscheidend gefährden, wie z. B. Lungenkontusionen<br />

oder zu einem hämodynamischen Schock führende Abdominalblutungen,<br />

werden letztere stets zuerst angegangen. Nur in äußerst seltenen<br />

Situationen kann ein simultanes Vorgehen sinnvoll sein, so beispielsweise die<br />

notfallmäßige Entlastung eines Epiduralhämatoms.<br />

Intensivmedizin<br />

Auf der Intensivstation werden Maßnahmen zur <strong>Prävention</strong> von Sekundärschäden<br />

eingeleitet und teilweise Patienten mit einem mittelschweren SHT<br />

vorübergehend beobachtet, um möglicherweise rasch eintretende Verschlechterungen<br />

sofort zu erkennen und diese angemessen behandeln zu können.<br />

Unter Sekundärschäden werden bleibende Veränderungen des Hirnparenchyms,<br />

wie z. B. Infarkte infolge Ischämien durch Gefäßspasmen oder erhöhten<br />

Hirndrucks bei ausgeprägter Ödembildung verstanden. Eine Reihe von<br />

Substanzen zur potentiellen Verhinderung von Sekundärschäden (Calciumantagonisten,<br />

Radikalfänger etc.) wurden bislang getestet oder sind derzeit in<br />

klinischer Testung. Weder für die Gruppe der erwachsenen noch für die der<br />

pädiatrischen Patienten konnten bislang wirksame Medikamente gefunden<br />

werden.<br />

Die nachfolgenden therapeutischen Maßnahmen sind derzeit in allen Altersgruppen<br />

als gesichert anzusehen:<br />

• Intubation und maschinelle Beatmung<br />

❬ GCS ­ 8<br />

❬ Verschlechterung um 3 GCS-Punkte<br />

❬ fehlender Pharyngealreflex<br />

❬ relevante Begleitverletzungen des Mund-Kiefer-Gesichtbereiches<br />

oder der HWS<br />

❬ gestörte Atemmechanik ( pC0 2 < 25mm Hg oder > 45mm Hg)<br />

• Analgosedierung (auf neurologische Beurteilbarkeit achten!)<br />

• Oberkörperhochlagerung um 30° (Cave! Messung des mittleren arteriellen<br />

Druckes MAP immer in Vorhofhöhe, Messung des intracraniellen Druckes<br />

ICP immer in Höhe des Ill. Ventrikels)<br />

• Osmotherapie (z.B. mit intermittierenden Mannit-Gaben unter Kontrolle<br />

der Serumosmolarität, Obergrenze 320mMol/l)<br />

In Einzelfällen mit kaum beherrschbaren Hirndrucksituationen können auch<br />

Maßnahmen ergriffen werden, deren Wirksamkeit insbesondere im <strong>Kind</strong>esalter<br />

nicht sicher erwiesen ist:<br />

69


70 ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />

• moderate Hyperventilation (pC0 2 nicht unter 35mm Hg)<br />

• Hypothermie (32–34°C)<br />

• Barbituratnarkose<br />

• intermittierende Relaxierung bei besonderen Belastungen (z.B. Absaugmanöver,<br />

Bronchoskopie etc.)<br />

• Dekompressive Kraniektomie (s. u.)<br />

Die obengenannten therapeutischen Maßnahmen werden von einem umfangreichen<br />

Monitoring begleitet. Neben der üblichen Überwachung der Vitalparameter<br />

ist ein konsequentes Neuromonitoring wesentlich für den Behandlungserfolg:<br />

• Hirndruck (ICP)-Messung bei komatösen Patienten (GCS 3–8)<br />

als Standard gilt die ICP-Messung über einen Ventrikelkatheter, die technisch<br />

sicher ist und die Möglichkeit zur Hirndrucksenkung durch Ablassen von Liquor<br />

bietet<br />

• cerebraler Perfusionsdruck (CPP = MAP-ICP)<br />

Minimalwerte: Erwachsene 70 mm Hg<br />

Säuglinge/Kleinkinder 40–50 mm Hg*<br />

Schulkinder 50–60 mm Hg*<br />

(*noch nicht gesichert, aber z. Zt. als Konsenswert angesehen)<br />

• EEG (bei Barbituratnarkose als Dauerableitung, sonst mindestens 1/Tag als<br />

Verlaufskontrolle)<br />

• SEP (Verlaufskontrolle, Prognosebeurteilung)<br />

Die Aussagekraft weiterer Untersuchungen, wie der Messung des cerebralen<br />

Blutflusses (z.B. mittels transcranieller Dopplersonographie TCD oder Xenon-<br />

CCT) oder der cerebralen Oxigenierung ( z. B. durch Gewebe-p02-Messungen<br />

oder Bulbusoximetrie SJv0 2) ist derzeit umstritten, kann aber zur Trendbestimmung<br />

im Einzelfall sinnvoll sein.<br />

Nach überstandener Phase akuter Hirndruckbelastung des Patienten ist ein<br />

zeitiger Beginn mit der Frührehabilitation bereits auf der Intensivstation ideal.<br />

Verletzungsmechanismen<br />

Direkte Krafteinwirkung entsteht entweder durch Aufprall des Schädels auf<br />

ein Objekt oder umgekehrt. Es kommt zu umschriebenen Läsionen:<br />

• Fraktur<br />

• Contusion


<strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong> – neurochirurgische Versorgung<br />

• Hämatom – Epiduralhämatom (EDH)<br />

– Subduralhämatom (SDH)<br />

– Intracerebralhämatom (ICB)<br />

– traumatische Subarachnoidalblutung (tSAB)<br />

Die im Rahmen von Hochgeschwindigkeits- und Schleuderunfällen entstehenden<br />

Akzelerations- und Dezelerationstraumen führen zu diffusen Veränderungen:<br />

• Commotio<br />

• diffuses axonales Trauma (DAI)<br />

• Hirnödem<br />

Sowohl die tSAB als auch das Hirnödem können mehr oder weniger diffus<br />

oder lokalisiert vorkommen. Insgesamt sind Kombinationen der Verletzungsmechanismen<br />

und somit auch der Verletzungsarten häufig.<br />

Chronische Erscheinungsformen sind bifrontale Hygrome, Hirnatrophie und<br />

chronische Subduralhämatome.<br />

Schädelfrakturen<br />

Frakturen des kindlichen Schädels finden sich zumeist parietal und haben<br />

einen linearen Verlauf. In insgesamt 20% aller kindlichen SHT wird eine Schädelfraktur<br />

diagnostiziert. Liegt ein Schädelbruch vor, so steigt die Gefahr einer<br />

intracraniellen Blutung um das Hundertfache. Daher wird zunehmend empfohlen,<br />

bei Frakturverdacht primär ein Schädel-CT durchzuführen. Dadurch<br />

wird zwar nicht jede Fraktur nachgewiesen, aber eine Darstellung der intracraniellen<br />

Strukturen möglich. Unkomplizierte Kalottenfrakturen heilen regelmäßig<br />

folgenlos aus.<br />

Impressionsfraktur<br />

Rund 25% aller Frakturen im <strong>Kind</strong>esalter sind Impressionsfrakturen und etwa<br />

die Hälfte aller Impressionsfrakturen entstehen im <strong>Kind</strong>esalter. In etwa 10%<br />

der Fälle kommt es dabei zu einer Durazerreißung. Gibt es in der Bildgebung<br />

Hinweise auf eine Duraverletzung, so besteht eine Operationsindikation. Eine<br />

Sonderform stellt die Pingpong-Fraktur des Neugeborenen- und Säuglingsalters<br />

dar. Dabei dellt sich die noch einschichtige, sehr dünne Kalotte ohne Ausbildung<br />

eines Frakturspaltes ein. Häufig bildet sich die Deformität spontan zurück,<br />

weshalb die meisten Fälle zunächst konservativ behandelt werden.<br />

71


72 ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />

Fallbeispiel 1:<br />

M. W., 11 Jahre<br />

Fahrradunfall ohne Helm, primär nicht bewußtlos, Konzentrationsstörungen, besucht weiterhin<br />

Gymnasium<br />

Schädelbasisfraktur<br />

Man unterscheidet Frontobasis- und Laterobasisfrakturen. Laterobasisfrakturen<br />

treten als longitudinale (80%) und transversale (20%) Felsenbeinfrakturen auf.<br />

Letztere sind von Bedeutung, da häufiger persistierende Ausfälle des siebten<br />

und achten Hirnnerven beobachtet werden. Die intraossären Nervenverläufe<br />

werden von der Frakturrichtung gekreuzt.<br />

Aufgrund der Tatsache, daß die Dura den knöchernen Basisstrukturen anhaftet,<br />

kommt es in der Regel zu einer Zerreißung und somit zur Entstehung<br />

eines indirekt offenen SHT mit der Gefahr von Liquoraustritt aus Nase, Ohr<br />

und in den Rachen und schließlich der aufsteigenden Infektion.<br />

Im <strong>Kind</strong>esalter heilen diese Frakturen normalerweise komplikationslos und<br />

nur in Ausnahmefällen wird bei persistierendem Liquorfluß eine operative<br />

Deckung erforderlich.<br />

Bislang gibt es keine gesicherten Studienergebnisse, die eine Antibiotikaprophylaxe<br />

zur Verhinderung einer Meningitis als sinnvoll beschreiben.<br />

Wachsende Fraktur<br />

Diese seltene Komplikation kann im Säuglings- und Kleinkindesalter bei erheblichen<br />

Traumen mit Kalottenfraktur und darunterliegender Dura- und oberflächlicher<br />

Hirnverletzung auftreten. <strong>Das</strong> expandierende Hirn kann bei mangelndem<br />

Verschluß der noch weichen Hüllstrukturen Dura und Knochen ein


<strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong> – neurochirurgische Versorgung<br />

zunehmendes Auseinanderklaffen des Frakturspaltes bewirken. Dabei kommt<br />

es schließlich zu einer Zerreißung des Hirnparenchyms mit Ausbildung einer<br />

porencephalen Cyste und Liquorzirkulationsstörungen. Eine Verschlechterung<br />

des neurologischen Zustandes, insbesondere die Entwicklung oder Zunahme<br />

von Lähmungen sind die Folge. Es besteht in jedem Falle eine Operationsindikation<br />

mit dem Ziel, die Hirn-Dura-Narbe zu beseitigen und die Dura zu<br />

verschließen und gegebenenfalls die Fraktur osteosynthetisch zu versorgen.<br />

Primäre Berstungs- oder Stückbrüche können zu ähnlichen Sekundärveränderungen<br />

führen und müssen unter denselben Voraussetzungen operativ angegangen<br />

werden.<br />

Fallbeispiel 2:<br />

N. B., 3 Jahre<br />

Sturz aus einem Fenster des 2. Stockes mit Berstungsfraktur, operative Entfernung der<br />

frakturierten Kalottenanteile zur Dekompression bei Einklemmungssymptomatik, postoperativ<br />

zunächst Rückbildung einer Hemiparese links, Split-Graft-Plastik und Shuntimplantation bei<br />

Liquorzirkulationsstörungen, erneute Zunahme der Hemiparese nach 1 Jahr wegen<br />

porencephaler Cyste<br />

Hämatome und Contusionen<br />

Epiduralhämatom (EDH)<br />

EDH treten als Frakturspalthämatome oder im Neugeborenenalter nach Sinusverletzung<br />

auf. Bei älteren <strong>Kind</strong>ern kann ursächlich auch ein Abriß der<br />

A.meningea media vorliegen. Isolierte EDH haben ein gutes Outcome.<br />

Subduralhämatom (SDH)<br />

Ursache für akute SDH sind meistens Brückenvenenabrisse und als Geburtstrauma<br />

Sinusverletzungen, insbesondere in der hinteren Schädelgrube. Bei<br />

73


74 ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />

älteren <strong>Kind</strong>ern können auch oberflächliche Hirnverletzungen zu einem SDH<br />

führen. Insgesamt trägt das Vorliegen eines SDH zu einem schlechten Outcome<br />

bei.<br />

Intracerebralhämatom (ICB)<br />

In der Regel handelt es sich hierbei um Contusionsblutungen, die nur bei Einklemmungsgefahr<br />

operativ angegangen werden.<br />

Contre-Coup-Läsionen sind bei <strong>Kind</strong>ern seltener als im Erwachsenenalter. Aufgrund<br />

der noch weicheren Gewebe verformen diese sich bei einem Aufprall<br />

leichter, so daß es zu weniger Verletzungen kommt. Bei <strong>Kind</strong>ern im Alter von<br />

0–3 Jahren liegt der Anteil unter 10%, mit 3–4 Jahren steigt er auf 25%.<br />

Commotio<br />

Die Commotio ist die leichteste Verlaufsform eines diffusen SHT. Die Ursache<br />

für diese Verletzungsart ist weiterhin unklar. Möglicherweise sind Strukturen<br />

betroffen, die das Bewußtsein steuern. Es kommt zu einer kurzandauernden<br />

Bewußtlosigkeit. Im <strong>Kind</strong>esalter können vorübergehende Hirnfunktionsstörungen,<br />

wie z. B. ein Ausfall des Sehens, auftreten. <strong>Das</strong> Schädel-CT ist stets<br />

unauffällig. Als Komplikation der ansonsten immer folgenlos ausheilenden<br />

Commotio kann ein postcommotionelles Syndrom auftreten. Darunter versteht<br />

man ein noch Wochen nach dem Trauma persistierendes Syndrom mit Kopfschmerzen,<br />

Sehstörungen, Tinnitus, Konzentrationsstörungen, Reizbarkeit,<br />

Gedächtnisstörungen und emotionaler Labilität.<br />

Möglicherweise handelt es sich hierbei um eine schwerere Verlaufsform des<br />

diffusen Hirntraumas, das seine schwerste Ausprägung im diffusen axonalen<br />

Trauma findet.<br />

Diffuses axonales Trauma (DAI)<br />

Bei dieser schweren Form der diffusen Hirnschädigung kommt es zur sofortigen<br />

Bewußtlosigkeit. Diese besteht meist länger als 6 Stunden, und es treten<br />

Pupillenstörungen, Hirnnervenausfälle sowie Beuge- und Strecksynergismen<br />

als Ausdruck einer Pyramidenbahnschädigung auf. Zusätzlich kann es zu gesteigerten<br />

vegetativen Reaktionen kommen. <strong>Das</strong> Schädel-CT kann unauffällig<br />

sein. Im Kernspintomogramm kommen in der T2- und FLAIR-Sequenz typische,<br />

nichtraumfordernde Läsionen der weißen Substanz, des Balkens und im<br />

Hirnstamm zur Darstellung. Bereits frühzeitig entwickelt sich eine diffuse Hirnatrophie.<br />

Als Korrelat für diese Befunde können elektronenmikroskopisch kleinste<br />

Axonzerreißungen mit sogenannten Retraktionsbällen nachgewiesen werden.


<strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong> – neurochirurgische Versorgung<br />

Bei persistierender Bewußtlosigkeit ist trotz initial fehlender Raumforderungszeichen<br />

eine Hirndruckmessung sinnvoll, da jederzeit fokale Blutungen<br />

oder ein generalisiertes Hirnödem entstehen können, die eine entsprechende<br />

Therapie benötigen.<br />

Fallbeispiel 3:<br />

J. B.-K., 10 Jahre<br />

Als Fußgänger von PKW erfaßt worden, primär bewußtlos, rasches Aufwachen, schwere<br />

Pyramidenbahnläsionen und schwerstes Durchgangssyndrom, MRT 1 Woche nach Trauma mit<br />

erheblicher Hirnatrophie und typischen Läsionen in Marklager, hinterem Balken und Hirnstamm<br />

Battered Child Syndrom<br />

In den USA ist das Battered Child Syndrom eine der häufigsten Todesursachen<br />

im Kleinkindesalter. Aufgrund der komplexen Problematik hinsichtlich der<br />

Diagnosestellung wird von einer nicht unerheblichen Dunkelziffer auch hierzulande<br />

ausgegangen.<br />

<strong>Das</strong> Battered Child Syndrom hat zudem eine hohe Morbiditätsrate. Typische<br />

Aufnahmegründe sind neben dem plötzlichen Atemstillstand Krampfanfälle<br />

und Bewußtseinsstörungen. <strong>Das</strong> Schädel-CT zeigt häufig eine fehlende Differenzierung<br />

von grauer und weißer Substanz („black brain“). Eine US-amerikanische<br />

Studie fand heraus, daß ein solcher Befund in 67% zum Tode führt.<br />

<strong>Das</strong> insgesamt sehr schlechte Outcome wird durch ein zusätzlich vorhandenes<br />

akutes SDH noch weiter verschlechtert. Frakturen finden sich in 50% aller<br />

Fälle, häufig auch beidseits.<br />

In der Regel werden keine oder nur Bagatelltraumen als Ursache für den Zustand<br />

des <strong>Kind</strong>es von den Eltern genannt. In über 50% können assoziierte<br />

75


76 ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />

Skelett- und Weichteilverletzungen sowie typischerweise Retinablutungen diagnostiziert<br />

werden.<br />

Fallbeispiel 4:<br />

J. B., 3 Mo.<br />

Einweisung in komatösem Zustand und bei Zunahme des SDH mit Einklemmungszeichen,<br />

Notoperation, verstarb am Folgetag<br />

Dekompressive Kraniektomie<br />

Diese operative Maßnahme, bei der ein- oder beidseitig die Schädelkalotte in<br />

einem Areal von etwa 12–14 cm im Durchmesser entfernt und die darunter<br />

gelegene Dura durch einnähen einer Plastik erweitert wird, dient der Schaffung<br />

von zusätzlichem Raum für die geschwollenen intracraniellen Strukturen,<br />

um eine Herniation von Hirngewebe zu verhindern oder zu behandeln.<br />

Die Wertigkeit dieser Maßnahme, die auch bei Hirnschwellung nach Mediainfarkt<br />

zum Einsatz kommt, ist nicht erwiesen. Man nimmt allerdings an, daß<br />

dieser als Ultima Ratio durchgeführte Eingriff insbesondere bei <strong>Kind</strong>ern und<br />

jungen Erwachsenen zu verbesserten Ergebnissen führen kann. Nach Abschwellen<br />

der Hirnstrukturen können die zwischenzeitlich tiefgefrorenen Knochendeckel<br />

reimplantiert werden.


<strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong> – neurochirurgische Versorgung<br />

Fallbeispiel 5:<br />

M. I., 7 Jahre<br />

Als Fußgänger auf der Autobahn von PKW erfaßt, bei Eintreffen in Klinik beidseits weite und<br />

lichtstarre Pupillen, 6 Monate nach Trauma aus Reha entlassen mit Hemispastik links und<br />

Koordinationsstörungen, kognitive Funktionen unauffällig<br />

M. I., 7 Jahre<br />

6 Monate nach Unfall<br />

77


78<br />

Komplikationen<br />

Typische Komplikationen nach Schädel-Hirn-Trauma sind nachfolgend aufgeführt:<br />

Posttraumatische Epilepsie<br />

Als Frühepilepsie (l.–7. Tag) tritt sie in 10% der Fälle auf, bei schwerem SHT in<br />

30–50%: Spätepilepsien werden in 15% noch bis zu 4 Jahren posttraumatisch<br />

beobachtet.<br />

Hydrocephalus<br />

Ein posttraumatischer Hydrocephalus wird in 18–72% der Fälle gefunden und<br />

tritt meistens zwischen der 1. Woche und 30 Monaten nach dem Unfallereignis<br />

auf. Es ist immer zwischen einer Atrophie und einer Liquorzirkulationsstörung<br />

zu differenzieren.<br />

Hirnnervenausfälle<br />

Ausfälle der Hirnnerven finden sich häufig bei Schädelbasisfrakturen, aber<br />

auch ohne Vorliegen einer Fraktur. Typischerweise betroffen ist der N. olfactorius,<br />

der in 30% der frontobasalen Frakturen geschädigt ist. Eine Spontanerholung<br />

tritt noch nach 5 Jahren ein. Außerdem häufiger betroffen sind der<br />

N. opticus sowie der N. facialis und N. vestibulocochlearis.<br />

Entzündliche Komplikationen<br />

Rezidivierende Meningitiden, Emphyseme und Abszesse kommen nach offenen<br />

Frakturen, am häufigsten nach penetrierenden Verletzungen je nach Eintrittsgeschwindigkeit,<br />

vor.<br />

Gefäßverletzungen<br />

Sekundäre Gefäßläsionen, wie Dissektion, traumatische Aneurysmen oder<br />

Carotis–Sinus–Cavernosus–Fisteln sind seltene Komplikationen.<br />

Wachsende Fraktur<br />

ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />

Diese typische Komplikation des Säuglings- und Kleinkindesalters ist mit unter<br />

1% ebenfalls selten.<br />

An dieser Stelle soll nochmals auf die Gefahr hingewiesen werden, eine relevante<br />

Mitverletzung der Halswirbelsäule zu übersehen (s. Fallbeispiel 6).


<strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong> – neurochirurgische Versorgung<br />

Fallbeispiel 6:<br />

D. Sch., 8 Jahre<br />

SHT III° 3 Wo. zuvor; extubiert ins Heimat-KH verlegt; dort nach Transport Apnoe und<br />

Strecksynergismen, CT und MRT des Schädels zeigen bifrontale Hygrome und diffuse Atropie<br />

D. Sch., 8 Jahre<br />

Instabile HWK 1/2-Luxationsfraktur, drei Wochen nach<br />

Trauma diagnostiziert, Versorgung mit Halo-Fixateur<br />

79


80<br />

Outcome<br />

<strong>Das</strong> schwere SHT führt zu typischen Langzeitfolgen, die einer ambitionierten<br />

Rehabilitation bedürfen. Insbesondere auch die soziale Reintegration junger<br />

Menschen, die ihren endgültigen Platz in der Gesellschaft noch nicht gefunden<br />

haben, ist häufig sehr problematisch. Eine Abschätzung des Schädigungsumfanges<br />

ist zudem bei jungen <strong>Kind</strong>ern, die sich in einer Phase rascher Entwicklung<br />

befunden haben, oft erst viele Jahre nach dem Trauma möglich.<br />

Langzeitfolgen<br />

• Motorische Defizite<br />

• Koordinationsstörungen<br />

• Sprach-/Kommunikationsdefizite<br />

• Kognitive Dysfunktion<br />

• Verhaltensstörungen<br />

Es gibt Prädiktoren, die entscheidend auf das Outcome einwirken:<br />

• prätraumatische Situation (psychosoziales Umfeld, schulische Situation)<br />

• Alter (schlechtes Outcome Alter < 2–10 Jahre)<br />

• SHT-Schweregrad<br />

• <strong>Das</strong> Vorliegen intracranieller Hämatome (EDH = günstiges Outcome<br />

SDH = ungünstiges Outcome)<br />

• Mittellinienverlagerung > 1cm (ungünstig)<br />

• Battered Child Syndrom (ungünstig)<br />

Literatur<br />

ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />

Kraus J.F., Rock A. et al., Brain injuries among infants, children, adolescents,<br />

and young adults. Am J Dis Child. 1990 (144): 684–691.<br />

Kraus J.F., Fife D. et al., Incidence, severity, and external causes of pediatrie<br />

brain injury. Am J Dis Child 1986 (140): 687–693.<br />

Raju T.N.K., Doshi U.V., Vidyasagar D., Cerebral perfusion pressure studies in<br />

healthy preterm and term newborn infants. J Pediatr. 1982 (100): 139–142.<br />

Duhaime A.-Ch., Luerssen T.G., Ritter A.M., Ward J.D., Forbes M.L., Kochanek P.M.,<br />

Adelson P.D. Section IV / Trauma. In: Albright A.L., Pollack I.F., Adelson P.D.


<strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong> – neurochirurgische Versorgung<br />

ed.: Principles and Practice of Pediatric Neurosurgery. New York: Thieme 1999:<br />

799–878.<br />

Leitlinie zur Primärversorgung von Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma. Wissenschaftlicher<br />

Arbeitskreis Neuroanästhesie der Deutschen Gesellschaft für<br />

Anästhesiologie und Intensivmedizin. Arbeitsgemeinschaft Intensivmedizin<br />

und Neurotraumatologie der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie.<br />

Notfallmedizin. 1997 (10): 466ff.<br />

Leitlinie SHT der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie.<br />

81


82 ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong>


Von der stationären Rehabilitation bis zur Langzeitversorgung...<br />

Von der stationären Rehabilitation bis zur<br />

Langzeitversorgung hirnverletzter und neurologisch kranker<br />

<strong>Kind</strong>er und Jugendlicher<br />

Hans Helmut Richardt<br />

<strong>Kind</strong>erklinik Unna-Königsborn<br />

Ausgangssituation für die kinderneurologische Rehabilitation<br />

Die Behandlung hirnverletzter und neurologisch kranker <strong>Kind</strong>er und Jugendlicher<br />

gehört zu den anspruchsvollsten Aufgaben für Eltern, Ärzte, Betreuer,<br />

Therapeuten und Pädagogen überhaupt. Ziel ist nach der Akutversorgung die<br />

Rehabilitation im Sinne der “Wiederbefähigung”, vor allem im Hinblick auf<br />

die Re-Integration in Familie, Schule, Beruf und soziales Umfeld. Es kommt<br />

entscheidend auf die Nahtlosigkeit der Behandlungskette an. Die bekannte<br />

Phaseneinteilung dient vor allem der leistungsrechtlichen Zuordnung, inhaltlich<br />

handelt es sich jedoch um einen nahtlosen, dynamischen Prozeß, was<br />

insbesondere für das <strong>Kind</strong>esalter gilt.<br />

Der Akutversorgung ist ein eigenes Referat gewidmet, auf das verwiesen wird.<br />

Im Bereich der stationären Rehabilitation hat sich in den letzten Jahren die<br />

Situation in Deutschland erheblich verbessert, neue Einrichtungen sind entstanden.<br />

Wenn es auch nach wie vor regionale Unterschiede in der Versorgungsdichte<br />

gibt, hat doch die Schaffung zusätzlicher Betten deutlich zur Verminderung<br />

von Kapazitätsengpässen geführt. Wartezeiten und Anfahrtswege sind<br />

kürzer geworden. Die Indikationen für eine Rehabilitation nach den Richtlinien<br />

der Unfallversicherungsträger sind Tab. 1 zu entnehmen.<br />

Tabelle 1:<br />

Indikationen zur Rehabilitationsbehandlung gemäß den<br />

Richtlinien der Unfallversicherungsträger<br />

Hirnkontusionen mit einer Bewußtlosigkeit von mehr als 24 Stunden<br />

Offene Hirnverletzungen (auch ohne Bewußtlosigkeit)<br />

Epidurale, subdurale und intrazerebrale Blutungen<br />

Hirnkontusionen mit einer posttraumatischen Bewußtseinsstörung<br />

von weniger als 24 Stunden, falls es im weiteren Verlauf zu bleibenden<br />

Ausfallserscheinungen kommt<br />

d. h. bei: – Lähmungen<br />

– Neuropsychologischen Defiziten<br />

– Hirnorganischem Psychosyndrom<br />

83


84<br />

ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />

Für die neurologische Rehabilitation im <strong>Kind</strong>es- und Jugendalter sind Besonderheiten<br />

zu beachten, die für sämtliche Phasen, also auch für ambulante<br />

Rehabilitation oder für die Nachsorge Bedeutung haben:<br />

• <strong>Kind</strong>er und Jugendliche sind keine “kleinen Erwachsenen”.<br />

• Es geht nicht nur um die Wiedergewinnung der zuvor gegebenen Fähigkeiten,<br />

sondern auch um die Wiedergewinnung des individuellen prätraumatischen<br />

Entwicklungspotentials.<br />

• Familie und psychosoziales Umfeld müssen besondere Berücksichtigung<br />

erfahren.<br />

Über die stationäre kinderneurologische Rehabilitationsarbeit, insbesondere<br />

auch über ihre beachtlichen Erfolge, ist bereits mehrfach auf Symposien des<br />

Kuratorium ZNS von berufener Seite berichtet worden. Auf eine erneute Darstellung<br />

soll daher hier verzichtet werden.<br />

Stellenwert und Voraussetzungen ambulanter kinderneurologischer<br />

Rehabilitation<br />

Im Gegensatz zur stationären Rehabilitation ist der Bedarf für ambulante neurologische<br />

Rehabilitation im <strong>Kind</strong>es- und Jugendalter nach wie vor weitgehend<br />

ungedeckt. Es gibt regional begrenzt einzelne Initiativen, über die im<br />

Rahmen dieses Symposiums auch berichtet wird. Aus kinderneurologischer<br />

Sicht fehlt es jedoch bisher an der Umsetzung eines flächendeckend wirksamen<br />

Konzepts, das diese Versorgungslücke schließen könnte. Dabei ist es<br />

schwierig, den Bedarf für ambulante Rehabilitation zu schätzen. Es gibt letztlich<br />

keine zuverlässigen epidemiologischen Daten, die Dunkelziffer ist vermutlich<br />

hoch. Vermeintlich leichte Traumen werden in ihren Langzeitfolgen<br />

nicht selten erheblich unterschätzt: Nach neuen Untersuchungen muß man<br />

bei knapp einem Drittel der <strong>Kind</strong>er mit zunächst guter Erholung später mit<br />

bedeutsamen kinderpsychiatrisch oder neuropsychologisch relevanten Auffälligkeiten<br />

rechnen. Insgesamt ist der Bedarf für ambulante kinderneurologische<br />

Rehabilitation sicher groß.<br />

Ambulante Rehabilitation kann stationäre Rehabilitation nicht ersetzen, sie<br />

kann jedoch eine effiziente Weiterbehandlung gewährleisten. <strong>Kind</strong>er werden<br />

aus der stationären Rehabilitation häufig leider sozusagen “ins Nichts” entlassen.<br />

Notwendige Therapien, die stationär in hoher Dichte durchgeführt worden<br />

sind, brechen nach Entlassung abrupt ab, weil zumindest unmittelbar<br />

keine geeigneten Therapieplätze zur Verfügung stehen. Damit ist jedoch der<br />

gesamte stationäre Rehabilitationserfolg in Frage gestellt. Wirksame ambulante<br />

Rehabilitation kann u.U. stationäre Aufenthalte verkürzen und damit<br />

helfen, Zeit und Kosten zu sparen. Ambulante Rehabilitation kann da einsetzen,<br />

wo stationäre Rehabilitation nicht notwendig oder nicht möglich ist,


Von der stationären Rehabilitation bis zur Langzeitversorgung...<br />

z.B. bei sozial belasteten Familien, für die eine lange wohnortferne stationäre<br />

Rehabilitation eine Überforderung darstellt. Nicht selten wird bisher in diesen<br />

Fällen die stationäre Rehabilitation vorzeitig abgebrochen oder unterbleibt<br />

von vornherein. Ambulante Rehabilitation kann schließlich wirksame Hilfe<br />

speziell bei der Wiedereingliederung vor Ort leisten.<br />

Für eine effizient arbeitende ambulante neurologische Rehabilitationseinheit<br />

für <strong>Kind</strong>er und Jugendliche sind folgende Forderungen aufzustellen (Tab. 2):<br />

Tabelle 2:<br />

Anforderungsprofil ambulanter neurologischer Rehabilitationseinheiten<br />

für <strong>Kind</strong>er und Jugendliche<br />

Wohnortnahe Versorgung<br />

Optimierung des individuellen Entwicklungspotentials<br />

Besondere Berücksichtigung psychosozialer Gesichtspunkte und des<br />

familiären Umfeldes<br />

Zusammenarbeit im multiprofessionellen Team<br />

Leitung des Teams durch einen <strong>Kind</strong>erarzt mit hoher kinderneurologischer<br />

Zusatzqualifikation und Erfahrung in der Rehabilitation<br />

Wissenschaftliche Begleitung<br />

Kosteneinsparung durch Nutzung bereits bestehender Strukturen<br />

Ambulante Rehabilitation muß wohnortnah erfolgen. Dabei ist Wohnortnähe<br />

immer abzuwägen gegen Spezialisierung und Differenzierung. Man muß also<br />

einen geeigneten Kompromiß finden. Es geht darum, das individuelle Entwicklungspotential<br />

eines jeden Patienten optimal zu nutzen. Psychosoziale<br />

Gesichtspunkte und das familiäre Umfeld müssen besondere Berücksichtigung<br />

erfahren. Diese Aufgabe ist nur im multiprofessionellen Team zu leisten. Dieses<br />

Team muß wie bei der stationären Rehabilitation unter der Leitung eines<br />

besonders neuropädiatrisch qualifizierten <strong>Kind</strong>erarztes stehen, der zusätzlich<br />

über umfangreiche rehabilitationsmedizinische Erfahrungen verfügt. Ambulante<br />

Rehabilitation sollte unbedingt wissenschaftlich begleitet werden, da es<br />

an Langzeitergebnissen mangelt. Die Planung ambulanter Rehabilitationseinheiten<br />

sollte sich in Zeiten knapper Kassen möglichst an bereits bestehenden<br />

Strukturen orientieren: Dort sollten auch bereits entsprechende Erfahrungen<br />

bestehen. Solche Einrichtungen verfügen meist über ein differenziertes<br />

Leistungsangebot, das man nur entsprechend erweitern und nicht von<br />

Grund auf neu aufbauen muß. So lassen sich Synergieeffekte und die Erfahrungen<br />

qualifizierten Fachpersonals nutzen, das nicht überall und unbegrenzt<br />

85


86<br />

verfügbar ist. Für diese Aufgabe kommen aus Sicht des Unterzeichners in<br />

erster Linie die Sozialpädiatrischen Zentren in Betracht, die mit einer Anzahl<br />

von etwa 100 in Deutschland inzwischen ein in weiten Teiles des Landes<br />

nahezu flächendeckendes Netz bilden.<br />

Charakteristika Sozialpädiatrischer Zentren (Tab. 3)<br />

Tabelle 3:<br />

Charakteristika Sozialpädiatrischer Zentren im Verhältnis zu anderen<br />

pädiatrischen Institutionen<br />

Interdisziplinarität<br />

Hoher Anteil an psychotherapeutischen/psychosozialen und<br />

rehabilitativen Interventionen<br />

Einbeziehung der Familie in die Therapie als konzeptioneller<br />

Schwerpunkt<br />

Organmedizinisch orientierte und medizinisch-technische<br />

Interventionen nicht im Vordergrund<br />

<strong>Kind</strong>heitslange Betreuung bis ins Jugendalter<br />

Schnittstelle zwischen klinischer Pädiatrie, pädiatrischer Rehabilitation<br />

und öffentlichem Gesundheitsdienst<br />

Vernetzung mit nichtärztlichen Diensten in großem Umfang,<br />

Erfordernis eines hohen Organisationsaufwandes<br />

nach Schlack 1998<br />

ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />

Sozialpädiatrische Zentren sind teils an größere <strong>Kind</strong>erkliniken oder kinderneurologische<br />

Spezialkliniken angegliedert, teils auch organisatorisch völlig<br />

eigenständig.<br />

Sie haben einen gesetzlichen Auftrag zur ambulanten Krankenversorgung und<br />

arbeiten interdisziplinär im Rahmen eines multiprofessionellen Teams. Dieses<br />

Team muß durch einen besonders erfahrenen <strong>Kind</strong>erarzt mit kinderneurologischer<br />

und kinderpsychiatrischer oder psychotherapeutischer Zusatzqualifikation<br />

geleitet werden. Sozialpädiatrische Zentren haben einen hohen<br />

Anteil an psychotherapeutischen/psychosozialen und rehabilitativen Interventionen.<br />

Einen konzeptionellen Schwerpunkt bildet die Einbeziehung der<br />

Familie in die Therapie. Sozialpädiatrische Zentren betreuen kindheitslang<br />

bis ins Jugendalter. Sie stellen eine Schnittstelle zwischen klinischer Pädiatrie,<br />

pädiatrischer Rehabilitation und dem öffentlichen Gesundheitsdienst mit seinen<br />

präventiven Aufgaben dar. Ihre Arbeit ist notwendigerweise Netzwerk-


Von der stationären Rehabilitation bis zur Langzeitversorgung...<br />

arbeit, wobei der Kontakt zu den niedergelassenen Ärzten, zu Therapeuten,<br />

Pädagogen und nichtärztlichen Diensten und Institutionen besonders wichtig<br />

ist. Dies erfordert einen hohen Organisationsaufwand.<br />

Sozialpädiatrische Zentren dürfen qua Gesetz nur diejenigen Patienten behandeln,<br />

die nach Art und Schwere ihrer Erkrankung nicht von niedergelassenen<br />

Ärzten oder Frühförderstellen ausreichend behandelt werden können.<br />

Sozialpädiatrische Zentren widmen sich überwiegend <strong>Kind</strong>ern und Jugendlichen<br />

mit Behinderungen und Entwicklungsstörungen verschiedener Art.<br />

Aus dem Vergleich des Anforderungsprofils an eine effizient ambulant arbeitende<br />

kinderneurologische Rehabilitationseinheit mit den dargestellten<br />

Charakteristika Sozialpädiatrischer Zentren werden bereits weitgehende Übereinstimmungen<br />

erkennbar. Bereits auf dem Symposium des Kuratoriums ZNS:<br />

“Schädelhirnverletzungen bei <strong>Kind</strong>ern und Jugendlichen: <strong>Prävention</strong>, Rehabilitation,<br />

Re-Integration” in Düsseldorf im Oktober 1997 hatte der Unterzeichner<br />

zunächst begrenzt auf Nordrhein-Westfalen eine Konzeption zur<br />

Übernahme der ambulanten neurologischen Rehabilitationsaufgaben durch<br />

die Sozialpädiatrischen Zentren des Landes vorgestellt. Die Übernahme dieser<br />

personalintensiven und kostenaufwendigen Zusatzaufgabe ist allerdings keinesfalls<br />

ohne Bereitstellung zusätzlicher Mittel möglich. Eine schon vor etwas<br />

längerer Zeit unter den SPZ in NRW durchgeführte Umfrage ergab, daß die<br />

Mehrzahl der Sozialpädiatrischen Zentren Nordrhein-Westfalens in der Lage<br />

und auch bereit wären, diese zusätzliche Aufgabe zu übernehmen, allerdings<br />

nur bei Bereitstellung zusätzlicher Mittel für Personal- und Sachkosten, teils<br />

auch für bauliche Veränderungen. Die Bereitstellung zusätzlicher Mittel für<br />

die Aufgabe der ambulanten kinderneurologischen Rehabilitation ist jedoch<br />

nach Kenntnis des Unterzeichners bisher in keinem der ca. 100 Sozialpädiatrischen<br />

Zentren in Deutschland realisiert. Darauf ist es wohl vor allem<br />

zurückzuführen, daß dieses Konzept zwar inzwischen über die Grenzen Nordrhein-Westfalens<br />

hinaus Beachtung gefunden hat, jedoch bisher in keinem<br />

Bundesland konsequent umgesetzt wurde. Im Bereich der ambulanten kinderneurologischen<br />

Rehabilitation klafft somit unverändert eine große Versorgungslücke,<br />

die gegenwärtig nicht geschlossen werden kann.<br />

Ergänzende stationäre Behandlungsangebote Sozialpädiatrischer<br />

Zentren<br />

Der gesetzlich zugewiesene Aufgabenschwerpunkt Sozialpädiatrischer Zentren<br />

liegt im Bereich ambulanter Betreuung. Manche Sozialpädiatrische Zentren<br />

verfügen ergänzend über stationäre Behandlungsangebote, die in besonderen<br />

Fällen unentbehrlich sind: Als Beispiel sind mögliche Indikationen für eine<br />

stationäre Aufnahme im Kurzzeitbereich der <strong>Kind</strong>erklinik Königsborn in Unna<br />

in Tab. 4 aufgeführt.<br />

87


88<br />

Tabelle 4:<br />

Mögliche Indikationen zur stationären Aufnahme im Kurzzeitbereich<br />

der <strong>Kind</strong>erklinik Königsborn in Unna<br />

Diagnostik und medikamentöse Neueinstellung bei therapieschwieriger<br />

Epilepsie<br />

Multitherapeutische Evaluation bei Retardierung bzw. gravierenden<br />

Entwicklungsproblemen<br />

Intensivierung therapeutischer Maßnahmen bei<br />

Mehrfachbehinderungen<br />

ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />

Diagnostik bei ätiologisch ungeklärten kinderneurologischen<br />

Erkrankungen<br />

Rehabilitation nach Erkrankungen oder Verletzungen des Nervensystems<br />

im Rahmen von Krankenhausbehandlung<br />

Eine stationäre Aufnahme kommt nur dann in Betracht, wenn eine<br />

ambulante Untersuchung/Behandlung nicht ausreichend ist.<br />

Personelle Kontinuität und besondere inhaltliche Verzahnung von stationärem<br />

und ambulantem Behandlungsangebot haben zum Ziel, die Dauer eines<br />

notwendigen stationären Aufenthaltes so kurz wie nur möglich zu gestalten.<br />

Aspekte der Langzeitversorgung: Exemplarische Darstellung der Arbeit<br />

des Langzeitbereichs für schwer mehrfach behinderte <strong>Kind</strong>er und<br />

Jugendliche in der <strong>Kind</strong>erklinik Königsborn in Unna<br />

In der Rehabilitationskette soll auf die neurologische Rehabilitationsbehandlung<br />

die Re-Integration in das familiäre, schulische, berufliche und soziale<br />

Umfeld folgen. Immer wenn es möglich ist, wird man die Wiedereingliederung<br />

in die Familie anstreben.<br />

Anderenfalls muß eine Aufnahme in einer geeigneten Institution erfolgen,<br />

die eine stationäre Langzeitbetreuung gewährleisten kann. Exemplarisch soll<br />

die Arbeit des Langzeitbereichs der <strong>Kind</strong>erklinik Königsborn in Unna kurz<br />

dargestellt werden:<br />

Die <strong>Kind</strong>erklinik Königsborn umfaßt 90 Betten auf 4 Stationen. Eine Station<br />

mit 18 Betten ist als Aufnahmestation dem Kurzzeitbereich zugeordnet, der<br />

besonders eng personell und inhaltlich mit dem Sozialpädiatrischen Zentrum<br />

verzahnt ist (s.o.). Der Langzeitbereich umfaßt 72 Betten auf 3 Stationen für<br />

ausschließlich schwer mehrfach behinderte <strong>Kind</strong>er und Jugendliche. Kurzzeit-<br />

und Langzeitbereich ergeben zusammen mit dem Sozialpädiatrischen


Von der stationären Rehabilitation bis zur Langzeitversorgung...<br />

Zentrum ein abgestuftes und einander komplementär ergänzendes ambulantes<br />

und stationäres Versorgungssystem zur Behandlung behinderter und von<br />

Behinderungen bedrohter <strong>Kind</strong>er und Jugendlicher. Der Einzugsbereich ist<br />

überregional.<br />

Im Langzeitbereich der Klinik können mit besonderer Intensität medizinische,<br />

pflegerische, therapeutische, pädagogische und psychosoziale Maßnahmen<br />

miteinander verbunden und zu einer Einheit zusammengefügt werden.<br />

Die hier betreuten <strong>Kind</strong>er und Jugendliche sind so schwer erkrankt, daß<br />

Ihnen jederzeit ohne Umwege und Wartezeiten die spezialisierten medizinischen<br />

Maßnahmen einer kinderneurologischen Fachklinik zur Verfügung<br />

stehen müssen. In aller Regel können diese Patienten nur mit Hilfe dieses<br />

spezifischen Angebots überhaupt überleben. Andererseits bildet die Klinik für<br />

diese <strong>Kind</strong>er häufig über Jahre, ja oft bis zum Tod ihr Zuhause, so daß psychologische<br />

Betreuung der Patienten und ihrer Angehörigen, therapeutische,<br />

pädagogische und psychosoziale Betreuung, vor allem auch eine besondere<br />

persönliche Atmosphäre, in der sich die <strong>Kind</strong>er wohl fühlen können, ganz<br />

besonders wichtig sind.<br />

Im einzelnen umfaßt das diagnostische und therapeutische Angebot im multiprofessionellen<br />

Team:<br />

• Medizinische Behandlung mit den Schwerpunkten Pädiatrie, <strong>Kind</strong>erneurologie<br />

und Sozialpädiatrie<br />

• Pflege<br />

• Psychologische Betreuung<br />

• Krankengymnastik<br />

• Ergotherapie<br />

• Sprachtherapie bzw. Logopädie<br />

• Heilpädagogik<br />

• Sozialer Dienst<br />

• Schulische Betreuung in der hauseigenen Sonderschule<br />

• Zusammen mit dem SPZ und der Kurzliegerstation können die besonderen<br />

diagnostischen Möglichkeiten der Klinik im Bereich des Neurophysiologischen<br />

Labors genutzt werden: EEG, Video-Doppelbildaufzeichung,<br />

Langzeit-EEG, Evozierte Potentiale u.a. zu objektiven Hör- und Sehprüfungen,<br />

Elektromyographie und weitere spezielle neurophysiologische<br />

Untersuchungsmethoden.<br />

89


90<br />

Die Finanzierung der stationären Behandlungen im Langzeitbereich erfolgt je<br />

nach Stadium und akuter Verschlechterung der Grundkrankheit teils durch<br />

die Krankenkassen, teils durch die überörtlichen Sozialhilfeträger, seit kurzem<br />

auch zu einem kleineren Anteil durch die Pflegekassen. Der Finanzierung ist<br />

auf diesem Symposium ein eigenes Referat gewidmet, worauf an dieser Stelle<br />

verwiesen wird. Nach wie vor ungelöste Finanzierungsprobleme haben zur<br />

Folge, daß die diagnostische und therapeutische Kapazität im Langzeitbereich<br />

der <strong>Kind</strong>erklinik Königsborn als derzeit noch nicht ausreichend anzusehen<br />

ist.<br />

Die folgenden Angaben über Erkrankungsspektrum und Therapieziele gründen<br />

sich auf eine vom Unterzeichner konzipierte computerunterstützte Analyse,<br />

die 1996 durchgeführt wurde:<br />

Alle Patienten im Langzeitbereich der <strong>Kind</strong>erklinik Königsborn waren schwerst<br />

mehrfachbehindert.<br />

Die Ursachen der Mehrfachbehinderungen verteilten sich wie folgt:<br />

– 38% Folgezustände nach frühkindlichen Hirnschädigungen<br />

– 14% ehemalige Frühgeborene, davon 8% extreme Frühgeborene unter<br />

1000g Geburtsgewicht<br />

– 17% der <strong>Kind</strong>er litten unter Folgen eines Unfalls, hauptsächlich eines<br />

Verkehrs- oder Ertrinkungsunfalls,<br />

– 11% hatten in der Vergangenheit eine Enzephalitis<br />

ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />

– Bei 20% waren angeborene Hirnfehlbildungen oder nicht behandelbare<br />

Stoffwechselerkrankungen des Nervensystems die Ursache der Behinderung.<br />

Alle <strong>Kind</strong>er hatten eine Epilepsie, bei zwei Drittel war diese Epilepsie therapieresistent,<br />

d.h. auch nicht mit den heutigen modernen medikamentösen Mitteln<br />

befriedigend beherrschbar. Epilepsiechirurgische Maßnahmen kommen<br />

für diese Patienten in aller Regel nicht in Betracht. Die medikamentöse Einstellung<br />

erfordert ein besonderes “Fingerspitzengefühl”, häufig besteht ein<br />

hoher epileptologischer Überwachungsbedarf, um lebensbedrohliche Epilepsie-Staten<br />

zu vermeiden.<br />

Neben der Epilepsie hatten alle <strong>Kind</strong>er eine schwere Cerebralparese: Kein <strong>Kind</strong><br />

konnte frei laufen, die meisten noch nicht einmal frei sitzen, über die Hälfte<br />

war völlig immobil, oft mit schwersten Kontrakturen und Wirbelsäulen-<br />

Skoliosen.


Von der stationären Rehabilitation bis zur Langzeitversorgung...<br />

Alle <strong>Kind</strong>er waren schwer geistig behindert, nur wenige konnten überhaupt<br />

einige Worte sprechen. 94% der Patienten hatten keine Möglichkeit, verbal<br />

mit ihrer Umwelt zu kommunizieren, über die Hälfte konnte sich noch nicht<br />

einmal durch Gesten verständlich machen, 11% der <strong>Kind</strong>er waren vollständig<br />

apallisch im Sinne der Definition dieses Begriffs.<br />

Über ein Drittel der <strong>Kind</strong>er hatte zusätzlich eine starke Sehbehinderung, 11%<br />

waren zusätzlich noch schwerhörig.<br />

Bei knapp zwei Drittel der Patienten bestanden zusätzlich schwere Verhaltensstörungen,<br />

vor allem in Form von Schreiphasen, Schlafstörungen und<br />

Unruhe.<br />

Bei vielen Patienten waren intern-pädiatrische Probleme und Komplikationen<br />

zu verzeichnen, die teilweise rasches Eingreifen erfordern: Ernährungsstörungen,<br />

Temperaturregulationsstörungen, Störungen des Wasser- und<br />

Elektrolythaushalts, pathologische Frakturen durch Osteoporose bei Immobilität,<br />

Lungenentzündungen, Sekretstau durch zunehmende Verschleimung der<br />

Atemwege seien nur beispielhaft erwähnt. Die meisten dieser Probleme können<br />

in der Klinik selbst, teilweise in Zusammenarbeit mit umliegenden Kliniken<br />

und Konsiliarärzten behandelt werden. Über akute Reanimationsmaßnahmen<br />

hinaus ist eine Beatmung der Patienten allerdings nicht möglich: Ist<br />

diese erforderlich, muß das <strong>Kind</strong> in eine benachbarte <strong>Kind</strong>erklinik verlegt werden.<br />

Für jeden Patienten wird individuell ein ganzheitliches Behandlungskonzept<br />

entwickelt und im multiprofessionellen Team abgestimmt. Wichtig ist für die<br />

Patienten vor allem auch körperliche und emotionale Zuwendung durch die<br />

Bezugspersonen, die vielfach die Rolle der Eltern übernehmen.<br />

Es ergeben sich folgende Haupt-Therapieziele:<br />

• Erhaltung und Stabilisierung der vitalen Funktionen<br />

• Optimierung der Epilepsie-Therapie<br />

• Verminderung der Spastik, Vermeidung oder Besserung von Kontrakturen<br />

• Förderung der Motorik<br />

• Förderung von Selbständigkeit (z.B. Eßtherapie, Anbahnung von Stuhlund<br />

Urinkontrolle)<br />

• Förderung der Wahrnehmung in sämtlichen Bereichen<br />

• Sprach- und Kommunikationsanbahnung<br />

• Vermeidung und Behandlung von Sekundärkomplikationen<br />

91


92<br />

• Linderung von Schmerzen<br />

• Psychische Stabilisierung und Entspannung<br />

• Schaffung einer Atmosphäre, in der sich das <strong>Kind</strong> wohl fühlt<br />

Die Abstimmung und Integration sämtlicher Maßnahmen ist besonders<br />

wichtig.<br />

Zusammenfassung und Ausblick<br />

Im Rahmen dieses Beitrags ist es nicht möglich, einen vollständigen Überblick<br />

über sämtliche Glieder der Behandlungskette in der umfassenden Betreuung<br />

hirnverletzter und neurologisch kranker <strong>Kind</strong>er und Jugendlicher zu<br />

vermitteln. Einige Strukturen konnten daher nur erwähnt oder an Hand von<br />

Beispielen dargestellt werden. Während in der Behandlungskapazität für Akutversorgung<br />

und stationäre Rehabilitation hirnverletzter und neurologisch kranker<br />

<strong>Kind</strong>er und Jugendlicher in den letzten Jahren in Deutschland große Fortschritte<br />

erzielt werden konnten, klaffen nach wie vor große Versorgungslücken<br />

in der ambulanten Rehabilitation, in der Nachsorge und in der Langzeitbetreuung.<br />

Diese Lücken können gegenwärtig nicht geschlossen werden,<br />

sie gefährden unter Umständen den gesamten stationären Behandlungserfolg<br />

mit den bekannten negativen Auswirkungen für den Patienten und seine Familie.<br />

Eine weitere negative Folge ist auch die Verursachung zusätzlicher, vermeidbarer<br />

und damit letztlich unnötiger Kosten. Andererseits ließe sich mit<br />

tragfähigen Konzepten in den erwähnten Bereichen die Re-Integration auch<br />

eines schwerbehinderten <strong>Kind</strong>es viel leichter realisieren, als es heute noch der<br />

Fall ist. Gerade in Zeiten knapper Ressourcen ist das Zusammenwirken sämtlicher<br />

Beteiligter gefragt, um diese Versorgungslücken zu schließen.<br />

Auch mit einer Verbesserung des ambulanten Rehabilitationsangebotes wird<br />

nicht in allen Fällen eine Re-Integration des <strong>Kind</strong>es in seine Familie und das<br />

gewohnte soziale Umfeld zu erreichen sein. In diesen Fällen muß die Unterbringung<br />

in einer geeigneten Langzeit-Institution erfolgen. Die Verantwortung<br />

der Gesellschaft darf hier nicht enden, vielmehr haben gerade diese <strong>Kind</strong>er<br />

und Jugendliche Anspruch auf eine angemessene integrierte Behandlung<br />

und Betreuung mit denjenigen Mitteln, die moderne Medizin, Pflege, Therapie<br />

und Pädagogik zur Verfügung stellen.<br />

Literatur beim Verfasser<br />

ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong>


Ein Patientenschicksal<br />

Ein Patientenschicksal<br />

Hans Weber<br />

Leimersheim<br />

In zehn Minuten soll ich Ihnen unser Schicksal, das uns nun schon fast<br />

14 Jahre begleitet, erzählen. Ich könnte Ihnen eher 14 Jahre lang erzählen.<br />

Um dennoch mit meinen Auszügen unsere Situation etwas rüberbringen zu<br />

können, habe ich einige Filmausschnitte zusammengestellt, die Sie parallel zu<br />

meinem Vortrag optisch verfolgen können.<br />

In genau 15 Tagen jährt sich der Unfall unserer Sohnes Raphael zum 14. Male.<br />

Am 1. April 1985 wurde unser damals 3 1/2-jähriges <strong>Kind</strong> von einem Auto<br />

angefahren. Direkt vor unserer Haustür, als er, von einem Spielplatz kommend,<br />

über die Straße sprang. Seine Hauptverletzung war ein schweres Schädel-Hirntrauma,<br />

wodurch auch sein Atemzentrum in Mitleidenschaft gezogen wurde.<br />

Nach sechs Wochen mußte ihm ein Shunt-Ventil gelegt werden. Bis dahin<br />

befand er sich im tiefen Koma. Danach öffnete er die Augen, war aber noch<br />

lange Zeit im apallischen Durchgangssyndrom und mußte ständig beatmet<br />

werden. Etwa drei Monate nach dem Unfall wurde uns von einem Arzt<br />

geraten, keine Medikamente mehr zu geben, womit er die passive Sterbehilfe<br />

einleiten wollte, obwohl der Chefarzt der Klinik Raphael schon damals Reaktionen<br />

bescheinigte.<br />

Raphael konnte durch die fehlende Spontanatmung nicht in einer Rehabilitations-Klinik<br />

aufgenommen werden. Von gut hundert Adressen bekamen wir<br />

eine Absage. Per Zufall erfuhren wir von einem transportablen Atemgerät,<br />

was uns zur Entscheidung, Raphael nach Hause zu nehmen, gebracht hatte.<br />

Allerdings mußten wir als Eltern aktiv werden und den Ärzten die Geräte besorgen.<br />

Glücklicherweise konnten wir die räumlichen Voraussetzungen in<br />

unserem Wohnhaus erfüllen. Fast ein Jahr lang hatten die Vorbereitungen,<br />

wie z.B. einen Fahrstuhl an unser Haus anbringen, gedauert, bis Raphael erstmals<br />

wieder nach Hause zur Familie konnte. Bis dahin war Raphael vier Jahre<br />

und drei Monate auf der Intensivstation einer <strong>Kind</strong>erklinik, nahezu ohne<br />

Rehabilitation, medizinisch und pflegerisch versorgt worden.<br />

Die Versorgung zu Hause wurde anfangs mit zwei Zivildienstleistenden, inzwischen<br />

mit drei hauptberuflichen Pflegekräften durchgeführt. Nach mehrjährigem<br />

Kampf um die Finanzierung dieser häuslichen Versorgung erkannte<br />

unsere Krankenkasse eine Einzelfallregelung nach SGB V § 37 Abs. 1 an, nachdem<br />

durch die häusliche Versorgung Raphael’s normalerweise notwendiger<br />

Krankenhausaufenthalt vermieden wird.<br />

93


94<br />

ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />

Wir legten von Anfang an großen Wert darauf unseren Sohn zuhause nicht<br />

nur zu pflegen, sondern auch zu therapieren, um ihn so weiter zu rehabilitieren.<br />

So kann Raphael inzwischen bis zu zwölf Stunden täglich selbständig<br />

atmen, pürierte Nahrung essen, die notwendige Flüssigkeit trinken, konnte<br />

seine Wahrnehmung und sein Verständnis enorm verstärken, kurzum seine<br />

Lebensqualität erheblich steigern.<br />

Die größten Schwierigkeiten während der neun Jahre, die Raphael nun schon<br />

wieder zu Hause verbringt, bestanden und bestehen nicht im Umgang mit<br />

Raphael selbst, sondern im Umgang mit Behörden und Kostenträgern sowie<br />

im Finden geeigneter Helfer. Nachdem der MDK den beatmeten schwersthirngeschädigten<br />

Jungen, der alleine nichts tun und sich auch nicht äußern<br />

kann, mehrfach in die Pflegestufe II einordnen wollte, erhielten wir vor Kurzem<br />

sogar den Einberufungsbescheid zum Dienst am Vaterland, um nur eine<br />

der Kuriositäten zu nennen, die uns Eltern von einem Schwerstbehinderten<br />

begegneten.<br />

Leider gab es bereits zwei Jahre, nachdem Raphael zu Hause war, zu wenig<br />

Zivis für diese Art der Schwerstbehinderten-Betreuung. Jetzt zeigte es sich, wie<br />

schwer es ist, geeignete Kräfte zu erhalten. Hilfskräfte, die noch nicht oder<br />

nur wenig mit Menschen gearbeitet haben, sind nach kurzer Zeit überfordert,<br />

beruflichen Kräften fehlt die Aufstiegschance und der Kontakt mit Kollegen.<br />

Die Fluktuation der Pflegekräfte ist enorm hoch. Eine Rund-um-die-Uhr-<br />

Betreuung von Raphael durch Hilfskräfte war daher in den über neun Jahren<br />

niemals möglich gewesen.<br />

Wir Eltern mußten die ganzen Jahre die Nachtbetreuung übernehmen und<br />

auch am Tage mithelfen. Ein weiteres großes Problem, mit dem wir tagtäglich<br />

und nächtlich fertig werden mußten, ist die ständige Anwesenheit fremder<br />

Personen im Familienkreis. In den nun fast 10 Jahren, seit Raphael zuhause<br />

versorgt wird, habe ich bestimmt schon über 50 Arbeitsverträge für Pflegehilfskräfte,<br />

Therapeuten, Pädagogen oder Altenpflegehelferinnen unterzeichnet.<br />

In der dringenden Not mußten wir auch Hausfrauen, Fliesenleger oder<br />

Schreiner einstellen, die mangels Qualifikation für diese Arbeit nicht geeignet<br />

waren und daher nach kurzer Zeit wieder gingen oder gehen mußten.<br />

Auf der Suche nach Tips und Hinweisen, wie wir mit unserem <strong>Kind</strong> qualitativ<br />

und effektiv therapeutisch umgehen sollen, stießen wir auf die Glenn-Doman-<br />

Therapie. Nicht rein aus Überzeugung, daß nur die Doman-Therapie das Allheilmittel<br />

wäre, flogen wir zu einem Grundkurs nach Philadelphia in die USA<br />

und fuhren mit unserem Raphael bisher insgesamt 10 Mal nach Wales in Großbritannien.<br />

Diese Aufenthalte waren für uns insbesondere deswegen sehr hilfreich,<br />

weil wir ein auf unseren Sohn hin zugeschnittenes ganzheitliches


Ein Patientenschicksal<br />

Therapie- und Pflegeprogramm ausgearbeitet bekommen haben. In Deutschland<br />

gab es eine solche Möglichkeit nicht. Heute glauben wir, daß wir die<br />

dortige Hilfe nicht mehr benötigen, da wir uns zwischenzeitlich ein hohes<br />

Fachwissen, speziell im Falle unseres Sohnes, aneignen konnten. Die Auslandsfahrten<br />

haben wir auch alle selbst organisiert, ohne irgendwelche Hilfen aus<br />

dem sozialen oder finanziellen Bereich. Auch die Verantwortung bezüglich<br />

des Gesundheitsrisikos von Raphael während der über 16-stündigen Fahrt mit<br />

Überfahrt auf der Fähre hatte niemand mitgetragen.<br />

Um anderen Betroffenen mit ähnlichem Schicksal frühzeitig über die Gesamtproblematik<br />

zu informieren, entschlossen wir uns vor sieben Jahren in unserem<br />

Fachverlag, der sich bis dato mit der Thematik Heimtiere im Zoofachhandel<br />

beschäftigte, auch eine Fachzeitschrift für Schädel-Hirnverletzte und Schlaganfallpatienten<br />

herauszugeben. So können wir stets unsere neuen Erfahrungen<br />

und Informationen der ständig wechselnden Betroffenengruppe näher<br />

bringen.<br />

Früher oder später stößt jeder an seine Grenzen. Nach nun fast zehn Jahren<br />

Versorgung rund um die Uhr, Tag und Nacht, werktags und sonntags, nahezu<br />

keinem Urlaub, Ängsten, Sorgen und großem Ärger sind diese Grenzen bei<br />

uns nun nicht nur erreicht, sondern weit überschritten. Dies fällt zwangsläufig<br />

auch auf unsere Gesundheit, auf die qualitative Versorgung unseres Raphael’s<br />

und unsere anderen <strong>Kind</strong>er zurück. Die Lösung wäre eine wohnortnahe Einrichtung<br />

für beatmete Menschen, in der Raphael sich wohlfühlen könnte.<br />

Seit Jahren sind wir diesbezüglich mit dem rheinland-pfälzischen Sozialministerium<br />

im Gespräch. Grundsätzlich zeigt man sich dort auch an dem Thema<br />

interessiert, nur an der Umsetzung hat es bisher gehapert. Wie fast in allem<br />

geht es ums Geld. Wer soll eine Versorgungsstätte für Menschen mit maschineller<br />

Atemhilfe finanzieren? Gelten diese Menschen als Kranke, die ärztliche<br />

Hilfe und Behandlungspflege benötigen? Oder fallen diese Betroffenen in der<br />

Langzeitversorgung bereits in die Schublade der Pflegeversicherung? Fragen,<br />

die durch die Gesetzesformulierung nicht eindeutig zu klären sind.<br />

Bei einer Befragung unter den Anbietern von mobilen Beatmungsgeräten, die<br />

wir vor ca. einem Jahr durchgeführt haben, konnten wir feststellen, daß in<br />

Deutschland von diesen Firmen rund 3.000 Menschen mit einer Beatmungsmaschine<br />

ausgestattet sind. Wer also nach dem Bedarf fragt, um die Größe<br />

eines Vorsorgungszentrums für beatmete Menschen planen zu wollen, dem<br />

sage ich, daß sich diese Frage nicht stellt, solange nicht mal eine qualifizierte<br />

Gruppe initiiert wurde.<br />

Ich würde mich sehr freuen, wenn von Ihnen, meine sehr verehrten Damen<br />

und Herren, auch die Bereitschaft gezeigt würde, an der Umsetzung einer Lang-<br />

95


96<br />

zeitversorgung von hirnverletzten Menschen mit maschineller Beatmung<br />

mitzuarbeiten. Gerne stelle ich, gemeinsam mit meiner Frau, unser Knowhow,<br />

das wir uns zwischenzeitlich aneignen konnten, bei der Planung einer<br />

derartigen Betreuungsgruppe zur Verfügung.<br />

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.<br />

ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />

Hans Weber<br />

Raphael Weber


Langzeitversorgung beatmungspflichtiger Patienten<br />

Langzeitversorgung beatmungspflichtiger Patienten<br />

Angelika Bockelbrink<br />

<strong>Stiftung</strong> Pfennigparade, München<br />

Unser Rehabilitationszentrum betreut beatmete Patienten ab dem dritten Lebensjahr.<br />

Darunter befinden sich auch <strong>Kind</strong>er mit Zustand nach Schädelhirntrauma,<br />

zum Teil mit zusätzlichen schweren Behinderungen wie hoher Querschnittlähmung.<br />

Hierfür werden je nach Indikation die verschiedensten Beatmungsmethoden<br />

wie Atemmasken, Trachealbeatmung und Zwerchfellschrittmacher eingesetzt.<br />

Die adäquate Hilfsmittelausstattung sowie die erforderliche Überwachung der<br />

beatmeten <strong>Kind</strong>er und gegebenenfalls die Adaption an veränderte Verhältnisse,<br />

z. B. bei Infekten oder Wachstum werden dargestellt.<br />

Zur Beatmungstherapie gehört gleichrangig neben der Medizin das Management<br />

der Auswirkungen auf die Alltagssituation (zu Hause, in der Schule, nächtliche<br />

Versorgung).<br />

Abschließend wird auf das grenzwertig ateminsuffiziente <strong>Kind</strong> als Problemfall<br />

mit besonderen Risiken eingegangen.<br />

97


98 ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong>


<strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong> – betreutes Wohnen und Heimpflege<br />

<strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong> – betreutes Wohnen<br />

und Heimpflege<br />

Gernot Steinmann<br />

<strong>Stiftung</strong> Pfennigparade, München<br />

Warum braucht ein atemgelähmtes <strong>Kind</strong> eine Regenjacke?<br />

Diese Frage richtete vor einigen Jahren das Jugendamt Gießen an die Gruppenleitung<br />

unserer Gruppe für atemgelähmte und <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong>er,<br />

die für ein junges Mädchen dort den Antrag auf Kleiderbeihilfe nach dem<br />

Sozialhilfegesetz gestellt hatte.<br />

Als Antwort darauf haben wir damals 3 Bilder aus dem Alltag unserer <strong>Kind</strong>ergruppe<br />

geschickt, um dem dortigen Sachbearbeiter einen Eindruck zu vermitteln,<br />

wie der Alltag unserer Intensivfördergruppe für atemgelähmte <strong>Kind</strong>er<br />

gestaltet ist.<br />

Vor nunmehr 25 Jahren hat die <strong>Stiftung</strong> Pfennigparade in München mit der<br />

Rehabilitation <strong>schädelhirnverletzte</strong>r und dauerbeatmeter <strong>Kind</strong>er, Jugendlicher<br />

und junger Erwachsener außerhalb der Intensivstation einer Klinik begonnen.<br />

Heute leben 20 dauerbeatmete <strong>Kind</strong>er, Jugendliche und junge Erwachsene in<br />

betreuten Wohngemeinschaften der <strong>Stiftung</strong>, in sogenannten Intensiv-Fördergruppen,<br />

besuchen tagsüber unsere Schulen oder machen eine Ausbildung<br />

bzw. arbeiten in unseren Dienstleistungsunternehmen.<br />

Die <strong>Stiftung</strong> Pfennigparade selbst ist eine der größten Rehabilitationseinrichtungen<br />

im süddeutschen Raum, ausgerichtet für körperbehinderte<br />

Menschen jeglichen Alters.<br />

In unseren Schulen, <strong>Kind</strong>ergärten, Wohnbereichen, Mietwohnungen,<br />

Ausbildungs- und Arbeitsstätten beschäftigen, fördern, bilden und betreuen<br />

wir über 1000 schwerkörperbehinderte Menschen.<br />

Trotz dieser langjährigen Erfahrung ist die Arbeit mit <strong>schädelhirnverletzte</strong>n<br />

und dauerbeatmeten <strong>Kind</strong>ern und Jugendlichen jeden Tag für alle Beteiligten<br />

eine neue Herausforderung.<br />

Anhand zweier Einzelschicksale von Annette – heute 16 Jahre alt – und von<br />

Franko – heute 22 Jahre alt – möchte ich Ihnen kurz darstellen, welcher Personenkreis<br />

in diesen Intensivfördergruppen Aufnahme findet:<br />

99


100<br />

ANNETTE – geb. 22.2.1983<br />

Verunglückt durch Autounfall im Alter von 4 Jahren (18.3.87) beim Überqueren<br />

der Straße.<br />

Diagnose: Zustand nach Schädel-Hirn-Trauma<br />

C1/C2 inkomplett mit Atemlähmung.<br />

Motorisch, sensibel inkomplette<br />

rechtsbetonte spastische Tetraparese.<br />

Beatmungspflichtige Ateminsuffizienz<br />

Sozial-Anamnese: 2. <strong>Kind</strong> einer alleinerziehenden Mutter.<br />

Älteres Geschwisterkind nach Geburt<br />

zur Adoption freigegeben.<br />

Mutter verkraftet Unfall nicht und bricht 3 Jahre<br />

nach dem Unfall den Kontakt zum <strong>Kind</strong> komplett ab.<br />

Tante übernimmt Pflegschaft,<br />

Jugendamt übernimmt Vermögenspflegschaft.<br />

Aufnahme in die Intensivfördergruppe der <strong>Stiftung</strong> Pfennigparade am 1.4.1988,<br />

d.h. 1 Jahr nach dem Unfallereignis.<br />

Heute, am 17.3.1999, ist Annette 16 Jahre alt und besucht die 7. Klasse der<br />

Volksschule der Pfennigparade, verbunden mit der Unterbringung in der<br />

Intensiv-Wohngruppe.<br />

FRANKO - geb. 15.10.1976<br />

ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />

Verunglückt durch Autounfall im Alter von knapp 5 Jahren (16.8.1981)<br />

Diagnose: Zustand nach schwerem Schädel-Hirn-Trauma,<br />

inkomplette Querschnittslähmung unterhalb<br />

C2/C3, Ateminsuffizienz.<br />

Herzschrittmacher-Versorgung wg. Sick-Sinus-Syndrom.<br />

Sozial-Anamnese: Die Ehe der Eltern ging einige Zeit nach dem Unfallereignis<br />

auseinander. Zur Mutter gibt es praktisch<br />

keine Beziehungen mehr.<br />

Vater besucht ihn gelegentlich und nimmt aus<br />

der Ferne das Geschehen wahr.


<strong>Das</strong> Schädelhirnverletzte <strong>Kind</strong> – betreutes Wohnen und Heimpflege<br />

Aufnahme in die Intensivfördergruppe der <strong>Stiftung</strong> Pfennigparade am 1.9.1985,<br />

d.h. 4 Jahre nach dem Unfallereignis.<br />

Heute, am 17.3.1999, ist Franko 22 Jahre alt, hat die Volksschule der Pfennigparade<br />

bis zu seinem 19. Lebensjahr besucht und arbeitet heute stundenweise<br />

in der Tagesförderstätte, verbunden mit der Unterbringung in der Intensiv-<br />

Wohngruppe.<br />

Was sind die Rehabilitationsziele dieser Intensivförder-Wohngruppen?<br />

Leben<br />

Zusammenleben<br />

den Umgang mit dem eigenen Körper erlernen<br />

Helfer anleiten<br />

soziale Kontakte aufnehmen<br />

Hilfsmittelversorgung<br />

Schulbildung, Ausbildung, Arbeit<br />

Haushaltsführung<br />

eigenverantwortliche Freizeitgestaltung<br />

Umgang mit der eigenen Sexualität<br />

in Würde sterben können.<br />

Wie wird diese außerklinische Maßnahme finanziert ?<br />

Keine Frage – diese Rehabilitation für diesen schwerbehinderten Personenkreis<br />

ist sicher sehr aufwendig.<br />

So haben wir z.B. für die 20 BewohnerInnen einen Schlüssel von 2,6 : 1 – d.h.<br />

in der unmittelbaren Betreuung rund um die Uhr arbeiten ca. 52 Sozialpädagogen,<br />

Heilpädagogen, Erzieher, <strong>Kind</strong>erkrankenschwestern und -krankenpfleger,<br />

Pflegehelfer, Zivildienstleistende sowie Damen des Freiwilligen Sozialen<br />

Jahres für die 20 schwerstbehinderten BewohnerInnen.<br />

Der aktuelle Tagessatz pro Bewohner beträgt DM 713,50. Zuständig für eine<br />

solche Maßnahme ist in der Regel der überörtliche Sozialhilfeträger, Kostenträger<br />

für eine solche Reha-Maßnahme sind aber auch Unfallversicherungen<br />

oder bei Erwachsenen die Berufsgenossenschaft.<br />

Als Besonderheit ist hervorzuheben, daß es, bezogen auf unsere Rehabilitation,<br />

ein Teilungsabkommen gibt zwischen dem überörtlichen Sozialhilfeträger<br />

und den Krankenkassen. Dieses Teilungsabkommen ist so gestaltet, daß sich<br />

101


102<br />

ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />

die Krankenkassen zu einem Drittel an dem Tagessatz von DM 713,50 gegenüber<br />

dem überörtlichen Sozialhilfeträger beteiligen. Neben diesem Tagessatz<br />

kommen die Leistungen für Medizin, Therapie, Schule und Ausbildung im<br />

Einzelfall noch hinzu.<br />

Der Tagessatz für die Wohngruppen ist nicht einmal kostendeckend, d.h.<br />

diese Intensivfördergruppen werden jährlich aus dem Spendentopf der Pfennigparade<br />

mit einem kräftigen Betrag finanziell unterstützt. Dennoch ist auch<br />

für die Kostenträger eine solche Maßnahme weitaus günstiger, da die entsprechenden<br />

Sätze der Intensivmedizin einer Klinik, aus der unsere BewohnerInnen<br />

in der Regel kommen, natürlich weitaus höher liegen.<br />

Wie groß ist dieser Personenkreis in der gesamten Bundesrepublik?<br />

Nach einer Umfrage der Berliner <strong>Kind</strong>erklinik „Lindenhof“ aus dem Jahre 1996<br />

leben heute in deutschen Kliniken ca. 200 atemgelähmte <strong>Kind</strong>er und Jugendliche.<br />

Viele verlassen nie die Intensivstation. Die Zahl der atemgelähmten<br />

<strong>Kind</strong>er und Jugendlichen, die noch unter unvorstellbaren Anstrengungen der<br />

Eltern und Angehörigen zu Hause betreut werden können bzw. mit Hilfe der<br />

ambulanten Versorgung, ist sicher noch größer als die Zahl derjenigen, die in<br />

den Kliniken leben.<br />

Bezogen auf diese Anzahl ist das bisher einzige außerklinische Reha-Angebot<br />

der <strong>Stiftung</strong> Pfennigparade für diesen Personenkreis mit insgesamt 20 Plätzen<br />

fast wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Im Prinzip müßte in jedem Bundesland<br />

wenigstens ein Angebot eines Reha-Trägers sein, der dieses Wagnis eingeht,<br />

atemgelähmten <strong>Kind</strong>ern und Jugendlichen ein Leben außerhalb einer<br />

Klinik zu ermöglichen.<br />

Wir sind gerne bereit, dafür unsere Erfahrungen zur Verfügung zu stellen und<br />

als Multiplikator zu wirken. Denn eine Unterbringung bei uns für einen Jungen<br />

oder ein Mädchen aus dem Ruhrpott oder aus Norddeutschland mit der<br />

entsprechenden Entfernung zu den Angehörigen stellt sicherlich nicht die<br />

optimale Lösung für diese <strong>Kind</strong>er und Jugendlichen dar.<br />

Erlauben Sie mir zum Schluß noch eine ganz persönliche Anmerkung, weg<br />

von der medizinischen Seite und von den hochgesteckten Rehabilitationszielen<br />

für diese Menschen:<br />

Wie steht es um das Seelenheil dieser <strong>Kind</strong>er und Jugendlichen?<br />

Was geht in ihnen vor bei den monatelangen Krankenhausaufenthalten, bei<br />

der Erkenntnisgewinnung, nie wieder so zu sein, wie sie einmal waren oder<br />

wie sie gern geworden wären?


<strong>Das</strong> Schädelhirnverletzte <strong>Kind</strong> – betreutes Wohnen und Heimpflege<br />

Wie richten sie sich ein auf den unwahrscheinlich großen Bezugspersonenwechsel,<br />

auf die vielen unterschiedlichen Personen vom Zivildienstleistenden<br />

bis zum Erzieher und bis zur Krankenschwester mit ihren unterschiedlichen<br />

Vorstellungen, die im Alltag durchaus zu manchen Auseinandersetzungen<br />

führen?<br />

Die Antworten darauf fallen ganz unterschiedlich aus und sind sicher auch<br />

nicht jeden Tag gleich. Eines aber ist ganz sicher – wir können mit unserem<br />

Beitrag ganz erheblich zur Verbesserung der Lebensqualität dieser Menschen<br />

beitragen.<br />

Natürlich werden wir oft mit der Frage konfrontiert oder stellen uns diese<br />

Frage oft auch selbst: „Ist denn solch ein Leben überhaupt noch lebenswert?“<br />

Ein Betroffener hat mir einmal die Antwort darauf gegeben: „Wenn Sie in<br />

meinem Kopf leben würden, wollten Sie auch leben!“<br />

Dies gibt uns die Kraft und auch den Mut, auf dem eingeschlagenen Weg zur<br />

Rehabilitation atemgelähmter <strong>Kind</strong>er und Jugendlicher fortzuschreiten.<br />

Vielen Dank!<br />

103


104 ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong>


Finanzierungsregelungen von der häuslichen Betreuung bis zur Heimunterbringung<br />

Finanzierungsregelungen von der häuslichen Betreuung<br />

bis zur Heimunterbringung<br />

Peter Widekamp<br />

Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V. (VdAK), Siegburg<br />

Die finanziellen Rahmenempfehlungen in der GKV haben sich in den letzten<br />

Jahren zweifellos verschlechtert. Immer wieder musste (und muss) deshalb<br />

der Gesetzgeber eingreifen, um eine Balance zwischen Einnahmen und Ausgaben<br />

herzustellen. Chronisch Kranke und Schwerbehinderte sind von manchen<br />

dieser „Sparmaßnahmen“ besonders getroffen worden. Trotz Budgetierungen<br />

stehen aber immer noch ausreichend Mittel zur Verfügung, um den<br />

Versorgungsbedarf gerade für solche Versicherten, die in einem besonderen<br />

Maße auf den Schutz und auf die Leistungen der GKV angewiesen sind, abzudecken.<br />

Dazu ist es allerdings erforderlich, die Leistungen insgesamt am wirklichen<br />

Bedarf auszurichten, Überkapazitäten im Gesundheitswesen abzubauen,<br />

doppelte und dreifache diagnostische Maßnahmen zu vermeiden. Ob dies<br />

im Rahmen der angekündigten Strukturreform 2000 gelingt, bleibt abzuwarten.<br />

Jedenfalls sehen die Eckpunkte der Regierungskoalition für diese Reform<br />

u.a. vor, dass ein neuer Schwerpunkt auf die Rehabilitation gelegt werden<br />

soll, auch um den Grundsatz Rehabilitation vor Pflege stärker zur Geltung zu<br />

bringen.<br />

Dies als Vorbemerkung. Nun zu den Leistungs- und Finanzierungsregelungen<br />

bezüglich der Langzeitversorgung schwerstneurologisch geschädigter <strong>Kind</strong>er,<br />

im häuslichen Bereich oder eben in einer Langzeiteinrichtung.<br />

Ausgangspunkt für diese Betrachtung können die im Rahmen der Maikammer-<br />

Konferenz vor fast drei Jahren entwickelten Vorschläge bilden, die zwar (noch)<br />

nicht offiziell als Empfehlungen oder gar Richtlinien in die Welt gesetzt worden<br />

sind, die aber dennoch schon Wirkungen gezeigt haben, beispielsweise<br />

bei den Planungen der Länder für qualitativ und quantitativ ausreichende<br />

Versorgungsstrukturen.<br />

Die Vorschläge beschreiben detailliert u.a. auch die Anforderungen an therapeutische<br />

und rehabilitative Angebote, die erforderliche räumliche, apparative<br />

und personelle Ausstattung, getrennt für die häusliche und die stationäre<br />

Versorgung. Richtigerweise wird auch dargestellt, dass hier mehrere Sozialleistungsträger<br />

gefordert sind, vor allem die Pflege- und Krankenkassen, die<br />

Träger der Unfallversicherung und der Sozialhilfe.<br />

Diese Konzeption, die mit viel Sachverstand zustandegekommen ist, und die<br />

die hier anwesenden Fachleute genau kennen werden, erscheint mir plausi-<br />

105


106<br />

bel, ohne dass ich sie – als jemand aus der Verwaltung – im Detail beurteilen<br />

könnte.<br />

Halten wir jetzt kurz die aus der Kranken- und Pflegeversicherung resultierenden<br />

Ansprüche und Regelungsmöglichkeiten dagegen, um Lücken zu erkennen<br />

und Probleme zur Lösung des gemeinsamen Anliegens, für die schwerstbehinderten<br />

<strong>Kind</strong>er eine adäquate Versorgung sicherzustellen und auch die<br />

Finanzierung zufriedenstellend zu regeln.<br />

Ambulante Versorgung<br />

Hier stehen aus der Pflegeversicherung die der Höhe nach begrenzten, nach<br />

dem Pflegebedarf abgestuften Leistungen (Pflegegeld/Pflegesachleistung) zur<br />

Verfügung (vgl. im Einzelnen die Übersicht über die Leistungen in § 28 Abs. 1<br />

SGB XI). Besonders hinweisen möchte ich auf die Pflegehilfsmittel und technischen<br />

Hilfsmittel, die bei häuslicher Pflege beansprucht werden können.<br />

Die GKV ist u.a. für folgende Leistungen zuständig:<br />

• Ärztliche Versorgung,<br />

• Behandlungspflege,<br />

• Heilmittel,<br />

• Hilfsmittel,<br />

• medizinische Reha-Maßnahmen.<br />

Alle diese und andere Leistungen sind vertraglich geregelt, werden in aller<br />

Regel in Form von differenzierten Gebühren für die einzelnen Anwendungen<br />

vergütet.<br />

Abgrenzungsprobleme zwischen Kranken- und Pflegeversicherung müssten<br />

inzwischen weitgehend gelöst sein durch Richtlinien, Leistungskataloge u.a.<br />

Probleme und Defizite sehe ich<br />

ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />

• im häufig noch fehlenden Fallmanagement (Planung und Steuerung des<br />

Leistungsgeschehens),<br />

• bei der (längerfristig erforderlichen) Heilmittelversorgung und<br />

• bei medizinischen Reha-Maßnahmen (zur Besserung bzw. Verhütung<br />

einer Verschlimmerung der Pflegebedürftigkeit).<br />

Hier besteht ganz sicher noch Abstimmungs- und Handlungsbedarf, um die<br />

individuell erforderlichen Maßnahmen sicherzustellen.


Finanzierungsregelungen von der häuslichen Betreuung bis zur Heimunterbringung<br />

Stationäre Versorgung<br />

Die bestehenden Einrichtungen für die Langzeitbetreuung dürften durchweg<br />

als stationäre Pflegeeinrichtungen zugelassen sein, so dass die Leistungen nach<br />

§ 43 SGB XI unter den dort beschriebenen Voraussetzungen zur Verfügung<br />

stehen. Die stationäre Pflege umfasst neben der pflegerischen Betreuung auch<br />

die aktivierende Pflege und die Behandlungspflege (die zuletztgenannte Leistung<br />

soll entsprechend der Koalitionsvereinbarung künftig wieder der GKV<br />

zugeordnet werden).<br />

Die gesetzliche Krankenversicherung ist bei der Unterbringung in einer Einrichtung<br />

mit dem Hauptzweck einer pflegerischen Betreuung durchaus nicht<br />

von ihren Leistungsverpflichtungen befreit. Vielmehr hat jeder Versicherte<br />

grundsätzlich unabhängig davon, wo er seinen Lebensmittelpunkt hat, Anspruch<br />

auf die Leistungen nach dem SGB V (siehe oben zur ambulanten Versorgung).<br />

Klärungsbedürftig ist nun konkret, ob und inwieweit bei einer pflegerischen<br />

Versorgung in einer Langzeiteinrichtung eine adäquate medizinischrehabilitative<br />

Versorgung auch in der Weise sichergestellt werden kann, dass<br />

die Krankenkasse entsprechend dem Bedarf solche Aufwendungen (für von in<br />

der Einrichtung angestellte Therapeuten) auch pauschal (anteiliger Pflegesatz)<br />

übernehmen darf. Eine Lösung also, bei der die in die Zuständigkeit der Krankenkassen<br />

fallenden Leistungen nicht von außen (durch zugelassene Leistungserbringer)<br />

erbracht und abgerechnet werden, sondern (pauschal) direkt mit<br />

der entsprechenden Einrichtung.<br />

Zweifellos gibt es hier (vertrags-)rechtliche Barrieren, z.B. im Hinblick auf den<br />

Sicherstellungsauftrag der KVen oder die Zulassungsbestimmungen für Heilmittelerbringer.<br />

Aber pragmatische Lösungen halte ich keineswegs für ausgeschlossen.<br />

Bei den Ersatzkassen galt schon immer der Grundsatz, dass erforderliche medizinische<br />

Leistungen auch in Sondereinrichtungen für Behinderte, Alten- und<br />

Pflegeheimen zu Lasten der GKV gehen. Die Betroffenen sind ja keine Versicherten<br />

2. Klasse, haben u.U. viele Jahre Beiträge gezahlt.<br />

Wie kommen wir nun in dieser Sache weiter? Wir wissen, dass es Versorgungsmängel<br />

gibt, im ambulanten wie im stationären Bereich. Davor dürfen wir die<br />

Augen nicht verschließen.<br />

Zunächst werde ich prüfen, ob die erwähnten Empfehlungen für die Pflege<br />

und Rehabilitation von Patienten mit schweren und schwersten neurologischen<br />

Schädigungen in einen Handlungsrahmen für die Kranken- und Pflege-<br />

107


108<br />

ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />

kassen weiterentwickelt werden können. Dazu gehört auch eine Beteiligung<br />

unseres Medizinischen Dienstes, der sich z.Zt. ohnehin mit Fragen der Versorgung<br />

behinderter <strong>Kind</strong>er auseinandersetzt.<br />

In Bezug auf die häusliche Langzeitpflege werde ich die Anregung eines Vorredners<br />

aufgreifen, zu prüfen, ob die rund 100 Sozialpädiatrischen Zentren<br />

stärker in die medizinisch/rehabilitative Versorgung einbezogen werden können.<br />

Außerdem bietet sich ein Dialog an zwischen der vor kurzem gegründeten<br />

Arbeitsgemeinschaft „Phase F“ und den Spitzenverbänden der Krankenkassen.<br />

Es muss noch mehr Klarheit geschaffen werden über das Notwendige<br />

und Machbare. Ziel sollte es erst einmal sein, bundesweit eine Plattform zu<br />

schaffen für die notwendigen Aktivitäten zur Weiterentwicklung der Versorgungsstrukturen.


Konzept und Finanzierung einer Einrichtung der Langzeitversorgung, Phase F für <strong>Kind</strong>er<br />

Konzept und Finanzierung einer Einrichtung<br />

der Langzeitversorgung, Phase F für <strong>Kind</strong>er<br />

Lothar Schwuntek<br />

<strong>Kind</strong>erklinik Königsborn, Unna<br />

Folie 1<br />

Die Bereitschaft der Krankenkassen zur Finanzierung der Langzeitversorgung<br />

für <strong>schädelhirnverletzte</strong> oder -geschädigte <strong>Kind</strong>er und Jugendliche nimmt seit<br />

Jahren ständig ab. Die Einrichtungen der Langzeitversorgung für <strong>Kind</strong>er und<br />

Jugendliche kämpfen um eine sachgerechte Finanzierung zur Versorgung dieses<br />

Personenkreises.<br />

Die Situation hat sich mit der Einführung des Pflegeversicherungsgesetzes nicht<br />

verbessert sondern verschlechtert. Die eben beschriebene Bereitschaft der<br />

Krankenkassen zur Kostenübernahme ist seit diesem Zeitpunkt noch weiter<br />

zurückgegangen. Oftmals wird sogar die notwendige Versorgung mit Heil- und<br />

Hilfsmitteln mit Hinweis auf die Leistungspflicht der Pflegekassen abgelehnt.<br />

Diese Feststellung beruht nicht nur auf eigenen Erfahrungen in der <strong>Kind</strong>erklinik<br />

Königsborn, die mehr als 60 <strong>Kind</strong>er und Jugendliche in der Langzeitphase<br />

stationär versorgt, sondern auch auf Erkenntnissen anderer Träger.<br />

Vor dem Hintergrund der schlechten Finanzlage der Kostenträger und der<br />

Defizite im Staatshaushalt ist die Durchsetzung eines Lösungskonzeptes für<br />

diesen Personenkreis äußerst schwierig.<br />

Dennoch sollten wir im Interesse der Betroffenen weiter versuchen, eine<br />

Sonderlösung zu schaffen. Warum benötigen wir eine Sonderlösung? Reichen<br />

die geltenden gesetzlichen Regelungen nicht aus?<br />

<strong>Das</strong> gegliederte Sozialversicherungssystem ermöglicht dem Grunde nach auch<br />

für die Rehabilitationsphase F eine ausreichende Finanzierung.<br />

Folie 2<br />

Im Normalfall stehen bei den betroffenen <strong>Kind</strong>ern und Jugendlichen drei Säulen<br />

der sozialen Sicherung zur Verfügung<br />

• Krankenkasse<br />

• Pflegekasse<br />

• Sozialhilfeträger<br />

109


110<br />

Als 4. Säule kommt bei Folgen von Schulunfällen der Unfallversicherungsträger<br />

hinzu, der aber wegen seiner umfassenden Leistungspflicht bei meinen<br />

weiteren Ausführungen außer Betracht bleibt.<br />

Folie 3<br />

Weg mit dem Schubladen-Denken!<br />

ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />

<strong>Das</strong> bisherige Schubladendenken und die Tatsache, daß der Sozialhilfeträger<br />

immer noch nachrangig leistungspflichtig ist, verhindert trotz dieser ausreichenden<br />

Anspruchsgrundlagen eine zweckmäßige und ausreichende Versorgung<br />

im Langzeitbereich.<br />

Es kann nicht sein, daß sich die Krankenkassen weiterhin ihrer Verantwortung<br />

für diesen Personenkreis entziehen, nur weil diese <strong>Kind</strong>er und Jugendlichen<br />

stationär und nicht ambulant versorgt werden.<br />

Im ambulanten Bereich erbringen die Krankenkassen im Regelfall alle Leistungen,<br />

die zur Lebenserhaltung, zur Linderung der Beschwerden und zur<br />

Verbesserung der Krankheitssituation notwendig sind.<br />

Da viele betroffene <strong>Kind</strong>er und Jugendliche aus medizinischen Gründen nicht<br />

ambulant versorgt werden können, bzw. deren soziales Umfeld eine ambulante<br />

Versorgung nicht zuläßt, müssen die Krankenkassen sich im gleichen<br />

Umfang an den Kosten einer stationären Versorgung beteiligen.<br />

Die Pflegekassen müssen ebenfalls zur vollen Leistungspflicht herangezogen<br />

werden, auch wenn es sich nicht um eine klassische Pflegeeinrichtung im<br />

Sinne des SGB XI handelt. Eine Regelung, wie sie § 43 a SGB XI für vollstationäre<br />

Behinderteneinrichtungen vorsieht, halte ich nicht für ausreichend.<br />

Obwohl die Eingliederungshilfe nach dem BSHG einen umfassenden Leistungsanspruch<br />

für die betroffenen Behinderten vorsieht, wird dieser meistens nicht<br />

in vollem Umfang erfüllt, da der Sozialhilfeträger nur nachrangig leistungspflichtig<br />

ist.<br />

Deshalb darf die Art der Leistung sich nicht an der Einrichtung orientieren!<br />

Die Versorgung muß sich am Patienten und seinem augenblicklichen<br />

Zustand ausrichten!


Konzept und Finanzierung einer Einrichtung der Langzeitversorgung, Phase F für <strong>Kind</strong>er<br />

Folie 4<br />

Lösungsmodell<br />

Die Phase F erfordert eine ”Rundum- und Teambetreuung”. Folgende Bereiche<br />

müssen zwingend dem Team angehören:<br />

• Ärztlicher Dienst<br />

• Pflegedienst<br />

• Krankengymnastik<br />

• Heilpädagogischer Dienst<br />

• Psychologischer Dienst<br />

• Sozialdienst<br />

• Logopädie, Ergotherapie<br />

• Angehörige<br />

Den <strong>Kind</strong>ern und Jugendlichen sollte in jeder Phase der Langzeitversorgung<br />

das gesamte Leistungsspektrum zur Verfügung gestellt werden.<br />

Folie 5<br />

Jeder der drei genannten Leistungsträger muß unabhängig von der Abgrenzungsproblematik<br />

seine Leistungen zu einer Gesamtleistung beisteuern.<br />

Ideal wäre hierbei eine pauschale Kostenteilung. Die Pauschalwerte ließen<br />

sich anhand von Musterbeispielen berechnen.<br />

Welche Rechtsform diese Einrichtung der Phase F hat, ist vor dem Hintergrund<br />

einer anzustrebenden Sonderlösung meines Erachtens unerheblich. Es<br />

kann sich hierbei sowohl um ein Krankenhaus im Rahmen der Krankenhausbedarfsplanung<br />

als auch um eine stationäre Behinderteneinrichtung handeln.<br />

Folie 6<br />

Die stationäre Einrichtung sollte deshalb als<br />

bezeichnet werden.<br />

Spezialeinrichtung der Phase F<br />

Die pauschale Kostenverteilung kann entweder<br />

• durch eine freiwillige Gesamtvereinbarung der Spitzenverbände<br />

der Sozialleistungsträger<br />

111


112<br />

oder<br />

• durch eine gesetzliche Sonderregelung<br />

erreicht werden.<br />

Ich habe bereits vor mehreren Jahren den Vertretern der Kostenträger in Nordrhein-Westfalen<br />

und dem früheren Ministerium für Arbeit, Gesundheit und<br />

Sozialordnung NRW ein ähnliches Lösungsmodell vorgestellt. <strong>Das</strong> MAGS hat<br />

versucht, die Kostenträger für ein Modellprojekt im Erwachsenenbereich zu<br />

einer pauschalen Kostenteilung auf Vertragsbasis zu bewegen. Dies ist an der<br />

Haltung einiger Kostenträger gescheitert.<br />

Die ebenfalls seit Jahren angestrebte Kostenteilung für den Langzeitbereich<br />

der <strong>Kind</strong>erklinik Königsborn konnte bisher noch nicht erreicht werden.<br />

Diese vergeblichen Bemühungen zur Schaffung einer Vereinbarungslösung<br />

machen deutlich, daß eine gesetzliche Sonderregelung für die Phase F erforderlich<br />

ist. Hierfür könnte sich das seit Jahren geplante und von vielen<br />

Behindertenverbänden geforderte ”Rehabilitationsgesetz” als IX. Buch des<br />

Sozialgesetzbuches anbieten.<br />

Die Koalitionsvereinbarung der beiden neuen Regierungsparteien enthält eine<br />

klare Aussage zur Schaffung dieses eigenständigen “Rehabilitationsgesetzes”.<br />

Die “Bundesarbeitsgemeinschaft Phase F” (ein Zusammenschluß von<br />

Trägern von Phase-F-Einrichtungen und dem Bundesverband der Schädel-Hirn-<br />

Patienten in Not e.V.), der ich als Vorstandsmitglied und Sprecher der Arbeitsgruppe<br />

“Recht und Sozialpolitik” angehöre, hat Gespräche mit der neuen<br />

Bundesregierung zu dieser Gesamtproblematik aufgenommen. Ich hoffe, daß<br />

diese Gespräche zur Schaffung einer gesetzlichen Sonderlösung beitragen<br />

werden.<br />

Zum Abschluß fordere ich im Interesse der Betroffenen die hier anwesenden<br />

Politiker und Vertreter der Fachministerien aus Bund und Ländern sowie der<br />

Kostenträger auf, uns bei der Schaffung der dringend benötigten gesetzlichen<br />

Sonderregelung für eine pauschale Kostenteilung zur stationären Versorgung<br />

in Spezialeinrichtungen der Phase F zu unterstützen.<br />

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.<br />

ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong>


Konzept und Finanzierung einer Einrichtung der Langzeitversorgung, Phase F für <strong>Kind</strong>er<br />

Folie 1<br />

113


114 ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />

Folie 2


Konzept und Finanzierung einer Einrichtung der Langzeitversorgung, Phase F für <strong>Kind</strong>er<br />

Folie 3<br />

115


116<br />

Folie 4


Folie 5<br />

117


118 ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />

Folie 6


Anschriftenverzeichnis<br />

Anschriftenverzeichnis<br />

Aufmkolk, Michael, Dr. med.,<br />

Klinik und Poliklinik für Unfallchirurgie<br />

Universitätsklinik Essen,<br />

Hufelandstr. 55, 45122 Essen<br />

Berg, Bettina,<br />

Deutscher Verkehrssicherheitsrat e.V. (DVR),<br />

Bahnhofsplatz 16, 53222 Bonn<br />

Blank, Rainer, Dr.,<br />

<strong>Kind</strong>erzentrum München,<br />

Institut für Soziale Pädiatrie und Jugendmedizin<br />

der Ludwig-Maximilians-Universität München,<br />

Heiglhofstr. 63, 81377 München<br />

Bock, Wolfgang J., Prof. Dr.,<br />

Neurochirurgische Klinik der<br />

Heinrich-Heine-Universität,<br />

Moorenstr. 5, 40225 Düsseldorf<br />

Bockelbrink, Angelika, Dr.,<br />

<strong>Stiftung</strong> Pfennigparade,<br />

Barlachstr. 24–38, 80804 München<br />

<strong>Kohl</strong>, <strong>Hannelore</strong>, Dr. h.c.,<br />

KURATORIUM ZNS für Unfallverletzte<br />

mit Schäden des zentralen Nervensystems e.V.,<br />

Rochusstr. 24, 53123 Bonn<br />

Messing-Jünger, Martina, Dr.,<br />

Neurochirurgische Klinik der<br />

Heinrich-Heine-Universität,<br />

Moorenstr. 5, 40225 Düsseldorf<br />

Richardt, Hans Helmut, Dr. med.,<br />

<strong>Kind</strong>erklinik Königsborn,<br />

Zimmerplatz 1, 59425 Unna-Königsborn<br />

Schmidt, Inke, Dipl.-Psychologin,<br />

Bundesvereinigung für Gesundheit e.V.,<br />

Heilsbacherstr. 30, 53123 Bonn<br />

119


120<br />

Schwuntek, Lothar,<br />

<strong>Kind</strong>erklinik Königsborn,<br />

Zimmerplatz 1, 59425 Unna-Königsborn<br />

Steinmann, Gernot,<br />

<strong>Stiftung</strong> Pfennigparade,<br />

Barlachstr. 24–38, 80804 München<br />

ZNS Symposium • <strong>Das</strong> <strong>schädelhirnverletzte</strong> <strong>Kind</strong><br />

Weber, Hans,<br />

hw-Studio Weber,<br />

Abraham-Weil-Str. 7, 76774 Leimersheim<br />

Widekamp, Peter,<br />

Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V. (VdAK),<br />

Frankfurter Str. 84, 53721 Siegburg<br />

Winterfeld, Ulrich, Dr.,<br />

Bundesverband der Unfallversicherungsträger<br />

der öffentlichen Hand e.V. (BAGUV),<br />

Fockensteinstr. 1, 81539 München


<strong>Das</strong> KURATORIUM ZNS informiert<br />

<strong>Das</strong> KURATORIUM ZNS informiert:<br />

J<br />

ährlich erleiden in der Bundesrepublik<br />

Deutschland – und die Zahlen sind in<br />

allen westlichen Industrieländern vergleichbar<br />

– ca. 300.000 Personen Kopfverletzungen<br />

bei Unfällen<br />

• im Straßenverkehr<br />

• am Arbeitsplatz<br />

• im häuslichen Bereich<br />

• beim Sport.<br />

Bei etwa einem Drittel – d. h. bei ca.<br />

100.000 dieser Unfallopfer – wird ein<br />

schweres Schädelhirntrauma diagnostiziert.<br />

Viele von ihnen leiden wegen der<br />

Hirnverletzung unter langanhaltenden<br />

oder andauernden Schäden.<br />

Hier engagiert sich das KURATORIUM ZNS<br />

für Unfallverletzte mit Schäden des zentralen<br />

Nervensystems e.V.<br />

Sein primäres Ziel ist, Hirnverletzten zu<br />

helfen, sie in unsere Gesellschaft als Gleichberechtigte<br />

einzugliedern und ihnen somit<br />

zu neuem Lebensmut zu verhelfen.<br />

121<br />

<strong>Das</strong> KURATORIUM ZNS<br />

• unterstützt bestehende Rehabilitationseinrichtungen<br />

bei der Beschaffung dringend<br />

benötigter diagnostischer und<br />

therapeutischer Geräte<br />

• vermittelt den Betroffenen Rehabilitationsplätze<br />

• fördert Wissenschaft und Forschung im<br />

Hinblick auf Rehabilitationsmaßnahmen<br />

• wirbt um mehr Verständnis und aktive<br />

Hilfe für hirnverletzte Mitmenschen<br />

• weist in seiner Öffentlichkeitsarbeit auf<br />

die Unfallrisiken hin und ruft auf zu vorbildlichem,<br />

verantwortungsbewußtem<br />

Verhalten<br />

• wirbt für die Teilnahme an Kursen für<br />

„Erste Hilfe“ und das Auffrischen dieser<br />

dort erworbenen Kenntnisse.<br />

Diese Aufgabe zu erbringen, erfordert<br />

hohe finanzielle Mittel. Um dies sicherzustellen,<br />

ist das KURATORIUM ZNS auf die<br />

Unterstützung seiner Fördermitglieder und<br />

auf Spenden angewiesen.<br />

Deshalb die Bitte: Tragen Sie mit dazu bei,<br />

unfallverletzten Mitbürgern den Einstieg<br />

in die Gesellschaft zu vereinfachen.<br />

Treten Sie dem KURATORIUM ZNS als<br />

Fördermitglied bei oder spenden Sie auf<br />

das Konto 30003800 BLZ 38050000 bei<br />

der Sparkasse Bonn.<br />

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns, falls<br />

Sie mehr Informationen haben möchten.<br />

KURATORIUM ZNS<br />

Rochusstraße 24<br />

53123 Bonn<br />

Telefon 0228/97845-0<br />

Telefax 0228/97845-55


Helfen Sie uns.<br />

Damit wir<br />

helfen können.<br />

Täglich werden rund 100 Menschen<br />

Opfer von Unfällen mit<br />

schwersten Schäden des zentralen<br />

Nervensystems. Um ihre körperliche<br />

und geistige Leistungsfähigkeit<br />

so weit wie möglich<br />

wiederherzustellen, müssen<br />

gleich nach der Akutversorgung<br />

umfangreiche Rehabilitationsmaßnahmen<br />

beginnen. <strong>Das</strong><br />

KURATORIUM ZNS braucht Ihre<br />

Hilfe, um helfen zu können –<br />

durch Ihre Spende oder durch Ihren<br />

Einsatz als förderndes Mitglied<br />

des KURATORIUM ZNS.<br />

Darum bitte ich Sie herzlich.<br />

Spendenkonto<br />

30003800<br />

Sparkasse Bonn<br />

BLZ 380 500 00<br />

Ihre Spende ist steuerlich absetzbar<br />

<strong>Hannelore</strong> <strong>Kohl</strong> – Präsidentin<br />

KURATORIUM ZNS<br />

Rochusstraße 24, 53123 Bonn<br />

GLOBUSpress Köln

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