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Eule - Hans-Wendt-Stiftung Bremen

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PRaXIS<br />

KANUFAHRT IN SCHWEDEN<br />

Meine Idee einer erlebnispädagogischen Reise nach Schweden mit sechs Jugendlichen und<br />

jungen Volljährigen aus unseren Wohneinrichtungen als ein übergreifendes angebot stellte<br />

ich dem Vorstand bei der letzten Jahresplanung 2006 vor. geplant war eine ca. sechstägige<br />

Kanadier-gepäcktour mit Kocher und Zelt auf den Seen in dalsland/Schweden plus<br />

der Hin- und Rückreise und Erholungstage – zusammen also 13 Tage.<br />

TEXT UND FOTOS: FRITZ KOHNERT<br />

Die Finanzierung war relativ schnell und unproblematisch gelöst. Neben<br />

den Eigenanteilen der Jugendlichen und Zuschüssen der wirtschaftlichen<br />

Jugendhilfe für Ferienausfahrten erhielten wir Hilfe von unserem Kolle-<br />

gen Dr. György Szabo, der einen Antrag auf Förderung bei der „Bremer<br />

Daniel-Schnakenberg-<strong>Stiftung</strong>“ stellte. Als Mitfahrer meldete sich Peer<br />

Bunnenberg, ein Kollege aus der Wohn- und Betreuungseinrichtung der<br />

Utbremer Straße. Nach kurzer Abstimmung waren wir uns einig, dass wir<br />

diese Reise nur mit jungen Männern durchführen wollen.<br />

Bei der Auswahl der Mitfahrer stellten sich die größten Probleme<br />

ein. Bis zum letzten Tag vor der Abreise waren wir nicht sicher, wer und<br />

wie viele Jugendliche tatsächlich die Reise antreten werden. Von den ur-<br />

sprünglich geplanten sechs Jugendlichen aus den beiden Häusern Utbre-<br />

men und Hemelingen fuhren letztlich vier mit. Zur Vorbereitung für die<br />

Jugendlichen gehörte außer einem Treffen aller Beteiligten mit Vorstel-<br />

lung der Reise eine eintägige Probefahrt mit gemieteten Kanadiern auf<br />

der Wümme.<br />

Henning mit seinem elektronischen Begleiter<br />

4<br />

die Reise<br />

Am Montag, den 6. August<br />

um 9.00 Uhr starteten wir re-<br />

lativ pünktlich mit dem Bus<br />

der <strong>Hans</strong> - <strong>Wendt</strong> - <strong>Stiftung</strong><br />

Richtung Frederikshavn in<br />

Norddänemark, um von dort<br />

am nächsten Tag mit der Fähre<br />

nach Göteborg überzusetzen.<br />

Während der Fahrt und in<br />

den Pausen wurden wir bereits<br />

auf ein Phänomen aufmerk-<br />

sam, welches uns die gesamte<br />

Zeit über begleiten sollte und<br />

die Jugendlichen extrem be-<br />

schäftigte: Ist mein Handy<br />

noch geladen? Wer ist jetzt<br />

hier im Ausland der Anbieter?<br />

Wie viel Guthaben habe ich<br />

noch? Die für die Jugendlichen<br />

existenziell wichtigen Fragen rund ums Handy machte uns deutlich, wie<br />

abhängig sie von diesem winzigen Statussymbol und täglichen Begleiter<br />

sind. War der Akku leer, das Gerät defekt oder nicht gerade zur Stelle,<br />

gerieten sie in große Unsicherheiten.<br />

Nach einem erfrischenden Bad in der Ostsee, einem Stadtbummel<br />

mit anschließendem Pizzeriabesuch und einer „ruhigen“ Nacht been-<br />

deten wir unseren ersten Reisetag. Die Jugendlichen behaupteten („ich<br />

schwör‘, Alter. Echt krass!“) doch tatsächlich, Peer und ich hätten die<br />

ganze Nacht geschnarcht!? Am nächsten Morgen, wie auch an den fol-<br />

genden Tagen, war Peer der Erste, der um 7.00 Uhr aufstand, zunächst<br />

einem seiner Jugendlichen die notwendige Medikation verabreichte<br />

und uns anschließend mit einem auf dem Benzinkocher aufgebrühten<br />

starken Kaffee verwöhnte.<br />

Die 3 ½-stündige Überfahrt mit der Fähre nach Göteborg haben<br />

wir alle sehr genossen. Einige sonnten sich auf dem Oberdeck und lie-<br />

ßen den Blick schweifen auf die ruhige See und den weiten Horizont,<br />

andere gaben ihr erstes ausländisches Geld für den Kauf von Cola aus<br />

und blickten ganz gebannt mit gesenktem Kopf auf ihren ständigen Be-<br />

gleiter. Den Campingplatz in Bengtsfors erreichten wir in drei Stunden,<br />

wunderschön gelegen in einer Bucht am Lelang. Von hier sollte nach<br />

einem Ruhetag die mehrtägige Gepäcktour mit drei geliehenen Kana-<br />

diern beginnen.<br />

Den Ruhetag nutzten wir für ausgiebiges Schwimmen im See und<br />

für einen Einkaufs- und Besichtigungsbummel in der Stadt Bengtsfors.<br />

Noch ein letztes Mal bot sich für die Jugendlichen eine Gelegenheit, die<br />

Vorräte an Cola und sonstigen Leckereien aufzufüllen, Hamburger mit<br />

Pommes zu genießen und das Internetcafé zu besuchen. Eine Angel<br />

wurde gekauft und die berühmten Flip Flops. Außerdem sahen wir uns<br />

in dem Ort die Funktionsweise einer Schleuse an, um darauf vorberei-<br />

tet zu sein. In der Nacht wurden unter ständiger Aufsicht die Handys<br />

geladen und abends Köderfische geangelt.<br />

Nachdem wir am nächsten Morgen nach mühevoller Packzeit<br />

endlich auf dem Wasser waren, breitete sich eine tolle Stimmung aus.<br />

Wir hatten sonniges Wetter, die Angel wurde ausgelegt und hinter dem<br />

Boot hergezogen. Nach bereits zwei Stunden zeigten sich die ersten Er-<br />

müdungserscheinungen, worauf wir Ausschau nach einem geeigneten<br />

Rastplatz hielten. Nach dem routinemäßigen Aufbau der Zelte wurde<br />

die Gegend erkundigt, geangelt, Essen gekocht und ein Lagerfeuer ent-<br />

zündet. Hier bot sich immer wieder eine gute Gelegenheit, den Tag<br />

mit Gesprächen und Berichten der gemachten Erlebnisse ausklingen zu<br />

lassen. Am nächsten Morgen starteten wir bei sehr schönem Wetter in<br />

Dennis und Peer paddeln auf dem Lelang. Peers positive Ausstrahlung und sein fürsorglichen Umgang mit den Jugendlichen waren sehr angenehm.<br />

Richtung Gustavsfors, wo wir zum nächsten See durchgeschleust werden<br />

mussten. Unterwegs kam es zu einem Konflikt mit einem Jugendlichen,<br />

der ohne einen für uns ersichtlichen Grund seine Sachen packte und per<br />

Anhalter zum Campingplatz zurück fahren wollte. Er hätte keine Lust<br />

mehr zum Paddeln und er würde die nächsten Tage auf uns warten. Trotz<br />

unserer Bemühungen, ihn zum Weiterfahren zu motivieren und der Aufforderung,<br />

bei der Gruppe zu bleiben, zog er mit Sack und Pack davon.<br />

Völlig durchnässt von einem länger andauernden Regen mit Zwangsaufenthalt<br />

an Land, durchfuhren wir die Schleuse in Gustavsfors. Schnell<br />

bauten wir die Zelte unter einer Brücke auf und stärkten uns anschließend<br />

in einer Pizzeria. Nach einer verregneten und kühlen Nacht im klammen<br />

Schlafsack fuhr ich am nächsten Morgen mit einem anderen Jugendlichen<br />

mit dem öffentlichen Bus nach Bengtsfors zum Campingplatz, um unseren<br />

Ausreißer wieder einzufangen. Gemeinsam starteten wir noch am<br />

selben Tag bei sehr schönem Wetter zum nächsten See, dem Västra Silen.<br />

Mit der Ankündigung auf einen Superrastplatz und der nur kurzen Strecke<br />

bis dahin stieg die Motivation in der Gruppe wieder. Der Rastplatz<br />

entsprach voll den Erwartungen und wurde von den Jugendlichen sofort<br />

eingenommen und hergerichtet. Routinemäßig wurden die Zelte aufgebaut,<br />

das dort von der Forstverwaltung bereitgestellte Langholz wurde<br />

auf Länge gesägt, gespalten und am Lagerfeuerplatz aufgeschichtet, eine<br />

Schlafhütte eingerichtet und eine Plane gespannt.<br />

Am folgenden Tag kam bei zwei Jugendlichen aus verschiedenen<br />

Gründen der Wunsch auf, die Reisezeit um zwei Tage zu verkürzen. Einer<br />

vermisste seine gewohnte Umgebung, ein anderer machte sich Sorgen,<br />

dass er nicht genügend Vorbereitungszeit für sein Praktikum haben<br />

würde. Nach langer Diskussion in der Gruppe entschieden wir uns, am<br />

nächsten Tag mit dem Kanu bis zur Schleuse zurückzufahren und uns<br />

von dort mit dem Transporter des Campingplatzes abholen zu lassen.<br />

Nachdem wir die Fähre gegen einen geringen finanziellen Aufpreis um-<br />

buchen konnten, verbrachten wir noch zwei Tage mit der Besichtigung<br />

einer großen Schleusenanlage und einem Aquädukt in Haverud und einer<br />

kleinen Stadtbesichtigung von Göteborg.<br />

Nachschau<br />

Dieser von mir initiierte erste Versuch, eine Ausreise mit erlebnispädagogischen<br />

Anteilen zu wagen, war sicherlich für beide Seiten nicht ohne<br />

Risiken. Doch trotz verkürzter Reisezeit und den durchgestandenen Konflikten<br />

wird jeder einzelne Jugendliche seine positiven Erlebnisse gemacht,<br />

neues dazugelernt haben und im Nachhinein gerne an die Schwedenfahrt<br />

zurückdenken. Ich persönlich wünsche mir, dass solche Fahrten mit den<br />

von uns betreuten Jugendlichen auch weiterhin durchgeführt und ein fester<br />

Bestandteil unserer Arbeit werden kann.<br />

Zum Schluss möchte ich mich an dieser Stelle zu allererst bei den<br />

Jugendlichen bedanken, dass sie sich auf dieses abenteuerliche Unterfangen<br />

mit uns und den vielen Unbekannten eingelassen haben. Bedanken<br />

möchte ich mich auch<br />

bei meinem Kollegen<br />

Peer Bunnenberg.<br />

Ohne die finanzielle<br />

Unterstützung<br />

der Bremer Daniel-<br />

Schnakenberg-<strong>Stiftung</strong><br />

und den Einsatz von<br />

György Szabo hätten<br />

wir auf viele Dinge<br />

verzichten müssen.<br />

Auch hier an dieser<br />

Stelle ein großes Dankeschön.<br />

Das Schwedenteam: Lars, Dennis, Jonas, Peer, Fritz<br />

und Henning (vlnr)<br />

die <strong>Eule</strong> . Herbst.Winter 2007.08 die <strong>Eule</strong> . Herbst.Winter 2007.08<br />

PRaXIS<br />

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