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Eule - Hans-Wendt-Stiftung Bremen

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www.<strong>Hans</strong>-<strong>Wendt</strong>-<strong>Stiftung</strong>.deISSN: 1864-0397die <strong>Eule</strong>Journal der <strong>Hans</strong>-<strong>Wendt</strong>-<strong>Stiftung</strong>die <strong>Eule</strong> N o 05 FRÜHJAHR 2008INTEGRATIONEs gibt keine schwierigen KinderIntergrationshilfe in den KTHsHermann Otto <strong>Wendt</strong> im GesprächSportliche AktivitätenVon Poldanien nach ItalienLiteratur und Kommentar


ENTREEAngebote und Einrichtungen der<strong>Hans</strong>-<strong>Wendt</strong>-<strong>Stiftung</strong>Integrierte HeilpädagogischeTageserziehung (IHTE und IH)Tagesbetreuungsangebote inKindergärten und HortenAmbulante Maßnahmenfür Kinder, Jugendliche undjunge VolljährigeAmbulante Hilfe / BetreutesEinzelwohnen für straffälliggewordene junge MenschenSozialpädagogischeJugendwohngemeinschaftWohn- und Betreuungseinrichtungfür psychisch auffällige Jugendlicheund junge ErwachseneSozialpädagogische Familienhilfe (SPFH)Sozialpädagogische SpielkreiseBegleiteter UmgangFamilie im Mittelpunkt (FiM)KrisendienstFamilientreffErziehungshilfen in SchuleSozialpädagogische Arbeit inGanztagsschulenKinder- und JugendfarmÜbungsfirma HOL ÖVERInternationale Kooperation derJugendhilfe, z.Zt. mit Spanienwww.<strong>Hans</strong>-<strong>Wendt</strong>-<strong>Stiftung</strong>.de2die <strong>Eule</strong> . Frühjahr 2008


EDITORIALImpressumHerausgeber<strong>Hans</strong>-<strong>Wendt</strong>-<strong>Stiftung</strong>, <strong>Bremen</strong>Petra Niederau, ChefredakteurinFoto: Wolfgang KepplerRedaktionPetra Niederau (verantwortlich)Ulrike Bahr-GräberMatthias HaunKarin JärlebyWolfgang KepplerBurghard OsterlohNorbert SüßmannGestaltungMatthias HaunLiebe Leserinnen und Leser,sehr geehrte Damen und Herren,seit über 30 Jahren wird um den Begriff der „Integration“ und im weiteren Verlauf über „Inklusion“debattiert. Bereits 1973 äußerte sich Jakob Muth, der Verantwortliche der Bildungsratsempfehlung,zur pädagogischen Förderung Behinderter und von Behinderung bedrohterKinder und Jugendlicher dahingehend, dass Integration ein Grundrecht im Zusammenlebender Menschen ist, dessen Wahrnehmung -wie jedes andere Grundrecht auch- nicht von Geldfragenabhängig gemacht werden kann (Muth 1993, S. 185). In der Folge starteten in Berlin,<strong>Bremen</strong>, Hamburg und Hessen erste integrative Modelle.Auch in der UN-Kinderrechtskonvention von 1989 ist der Grundgedanke einer Bildungenthalten, die von den Bedürfnissen des Kindes ausgeht und das Recht auf Gleichheit, Menschenwürdeund Schutz vor Diskriminierung für alle Kinder einfordert. Die Bundesregierungratifizierte diese UN-Kinderrechtskonvention, unterschrieb die Unesco-Erklärung von 1994(Salamanca) und nahm 1995 in ihr Grundgesetz (Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG) gar den Passus zumVerbot der Diskriminierung Behinderter auf.Doch unter quantitativen Gesichtspunkten ist Integration ein sektorales Phänomen: im Kindergartenfast flächendeckend, in der Grundschule -bei deutlichen Unterschieden zwischenden einzelnen Bundesländern- relativ weit verbreitet, in der Sekundarstufe I noch in geringemMaße zugelassen und in der Sekundarstufe II regelrecht exotisch und luxuriös. Und überallem schwebt das mal versteckte, mal offene Stöhnen über die Kosten, da die Politik umdie finanziellen Ressourcen des Staates bangt. Folglich steht die integrative Erziehung undBildung trotz ihrer hohen pädagogischen Akzeptanz immer wieder vor der Situation, sichfinanziell legitimieren zu müssen.Im Sinne ihres <strong>Stiftung</strong>szweckes setzt sich die <strong>Hans</strong>-<strong>Wendt</strong>-<strong>Stiftung</strong> bereits seit vielen Jahrenfür die Auflösung von Sondereinrichtungen ein und fördert somit die gesellschaftliche Integration.Vor diesem Hintergrund entstanden die Berichte und Artikel dieser Ausgabe.Weitere AutorInnen dieserAusgabeHeike Menzel, Dipl. Psychologin,kita Schwarzer WegChristoph Köser, Dipl. Pädagoge,kita RobinsbaljeKatharina Knief, Dipl. Sozialpädagogin,Wohn- BetreuungseinrichtungUtbremenDr. phil. Uta Lürßen, Fachberatungfür die Intergativen HilfenTitelGruppe im KTH Am KammerbergFoto: Matthias HaunDruckMerlin Druckerei GmbH, <strong>Bremen</strong>Auflage1000 ExemplareAnschrift<strong>Hans</strong>-<strong>Wendt</strong>-<strong>Stiftung</strong>Redaktion die <strong>Eule</strong>Am Lehester Deich 17 - 2128357 <strong>Bremen</strong>Telefon: 0421 - 24 33 60Mail: pniederau@hwst.dewww.<strong>Hans</strong>-<strong>Wendt</strong>-<strong>Stiftung</strong>.deErscheinungsweisedrei Ausgaben jährlichISSN1864-0397Nachdruck und elektronischeVerwendung nur mit schriftlicherGenehmigung der RedaktionsleitungIn diesem Sinne grüßen wir Sie herzlich.Für die Redaktiondie <strong>Eule</strong> . Frühjahr 2008 3


PRAXISEs gibt keineschwierigenKinder -nur schwierigeLebenssituationenfür KinderErfahrungen in der integrativen Arbeit mitFamilien in armen und prekären Lebenslagen- wo gibt es „Stolpersteine“ und was wirdwie „gemeistert“?EIN PERSÖNLICHER RÜCKBLICK VON HEIKE MENZELFotos: Matthias HaunKinder im KTH Am Kammerberg der <strong>Hans</strong>-<strong>Wendt</strong>-<strong>Stiftung</strong>Wenn wir unsere Arbeit mit belasteten Familien in den Kindertagesstättenin sozial benachteiligten Stadtteilen bedenken, ergeben sich eine MengeFragen. Dabei ist die Frage, wie wirksam wir schwierige Lebenssituationenvon Kindern und Familien ausreichend positiv und nachhaltig beeinflussenkönnen für viele Kolleginnen und Kollegen fachlich wie persönlichvon Bedeutung. Ist doch die erklärte Aufgabe, die sich in unseren Konzeptenwie in unserer Haltung findet, „den Verbleib der Kinder in ihrerFamilie zu sichern“ – und dies auch und gerade wenn die Bedingungenzunächst ungünstig oder gar riskant für die Entwicklung der Kleinen erscheinen.Schauen wir zunächst, was Kinder für ihre Entwicklung brauchen:- Sichere Bindungen- Schutz und Unterstützung in riskanten Lebenssituationen- Vielfältige Anregung und dies -wie neurobiologische Forschung zeigtvonAnfang an- Einen Dialog zwischen Kindern und Erwachsenen und Eltern undErwachsenen, die sie als kompetent verstehen und anerkennenWir gehen davon aus, dass die Familie am nachhaltigsten auf dieLebenswege ihrer Kinder einwirkt. Ebenso ist die Kindertagesstätte einergänzender, kompensatorischer Lebens- und Lernort für Kinder, insbesonderewenn sie integrative Angebote vorhält, die eine Aussonderungvermeiden und Kinder und Familien in ihrer Entwicklung unterstützen.Seit 1984 bieten wir als größter freier Jugendhilfeträger in <strong>Bremen</strong> im sozialenBrennpunkt Familien Hilfen an, die wir in Abstimmung mit den Elternund anderen KooperationspartnerInnen (AfSD, Schulen, Kinderärzteetc.) unter Berücksichtigung vorhandener und noch fehlender Ressourcenauf den Bedarf der einzelnen Familie abstimmen.Die positive Bedeutung der Kindertagesstätte als idealer Ort für Familienist nicht zu unterschätzen, da die Kita in unseren Quartieren „vor Ort“- ein erweitertes Bildungsverständnis hat, das die Zusammenarbeit mitEltern selbstverständlich einschließt- ihr Angebot kleinräumig und niedrigschwellig ist- die Risikolagen der Familien vor Ort kennt- eine große Akzeptanz von Familien im Wohnumfeld erfährt- über Erfahrung im Inszenieren von sozialen Kontexten verfügt, diepotenziell bereichernd für das Leben von Kindern und deren Familiensind- Kooperation bereits besteht oder auf einfache Art und Weise entwickeltwerden kann4die <strong>Eule</strong> . Frühjahr 2008


PRAXISUnser Auftrag als MitarbeiterInnen der <strong>Hans</strong>-<strong>Wendt</strong>-<strong>Stiftung</strong> und derKindertagesstätten beginnt dort, wo Kinder und Familien Begleitung undUnterstützung brauchen. Eltern -in der Regel allein erziehende MütterbeantragenHilfe für sich und ihre Kinder, damit vertrauen sie uns ihr Kindan. Sie sehen uns häufig als „Experten“ bei der Bewältigung vorhandenerSchwierigkeiten und dem Finden von Lösungen.An dieser Stelle wird uns meines Erachtens eine große Fähigkeit abverlangt,die wir nicht an Aus-, Fort- und Weiterbildungsinstituten lernen:eine personale Kompetenz. Im Unterschied zur Fachkompetenz, diewir verhältnismäßig leicht erlernen und trainieren können, erfordert diepersonale Kompetenz eine große persönliche Souveränität, die einen respektvollenUmgang mit unseren Kunden (Familien und anderen KooperationspartnerInnen)erst ermöglicht. Dazu gehört auch, die Bedeutungder Alltagskompetenzen von Eltern und Familien anzuerkennen. Prof. UtaMeier-Gräwe 1 , die an der Universität Gießen mit so genannten haushaltswissenschaftlich-ganzheitlichenArmutsstudien befasst ist, weist daraufhin, dass die Alltagskompetenzen von Familien vom Helfersystem gemeinhinunterschätzt werden. Zum Helfen (Retten? Heilen?) sozialisiertund professionalisiert, lassen wir uns mitunter hinreißen, Lösungen anzubieten,die aus unserer Perspektive für Familien sinnvoll erscheinen. Undnicht selten sind wir geneigt, stellvertretend für elterliche VerantwortungAufgaben zu übernehmen, die eine (schnelle) Verbesserung der familiärenLage in Aussicht stellen - letzteres ist schließlich unser Auftrag.Die Grenzen jedoch sind fließend zwischen dem Aktivieren von Hilfezur Selbsthilfe und einer überbehütenden, im übertragenden Sinne „fütternden“Haltung. Eine solche Haltung wird der elterlichen Verantwortungund den manchmal wenig sichtbaren, doch nichtsdestotrotz vorhandenenKompetenzen der Familien nicht gerecht und führt die HelferInnen nichtselten -früher oder später- in ein Burn-Out-Syndrom, vor allem wenn diese(oft unbewusste) Haltung nicht reflektiert und überwunden wird.Meier-Gräwe hat in ihrer wissenschaftlichen Forschung herausgestellt,dass die Eigeninitiative von Bedürftigen zu einem Rückzug der professionellenHelfersysteme führt. Dies ist umso kritischer, als dass geradedann viele Eltern Unterstützung brauchen, wenn sie etwas Neues für sichund ihre Kinder versuchen und Schritte in ein selbstständiges -von staatlichorganisierter Hilfe- unabhängigeres Leben erproben. Das Problem jedochist, dass der Fokus unserer Sozialpolitik auf der Armutsinterventionliegt, statt auf einer Armutsprävention!Ein anderer „Stolperstein“ auf dem Weg der Verbesserung von Lebenslagenfür Kinder und Familien im Quartier ist die noch immer verbreitetefeste Annahme vieler HelferInnen, Kinder seien bis an ihr Lebensende inihren Möglichkeiten beeinträchtigt. Gemeint ist dieses quasi als deterministischerZusammenhang, wenn Kinder z.B. durch frühe Trennung vonwichtigen Bezugspersonen traumatisiert sind.Als 1999 die deutschsprachige Ausgabe des Buches „Es ist nie zu spät,eine glückliche Kindheit zu haben“ von Ben Furman 2 erschien, war ichpersönlich hoch erfreut, da er diese Sichtweise als Mythos entlarvt undin seinem Buch sehr eindrucksvoll berichtet (und berichten lässt): Kinderwachsen unter bestimmten Bedingungen -ganz im Gegensatz zu weitläufigenAnnahmen und Behauptungen- an ihren Herausforderungen undstellen ihre Fähigkeiten „unter Beweis“ im Sinne des Leitsatzes: „WoGefahr ist, wächst das Rettende auch!“ 3 Ein Phänomen, das die so genannteResilienzforschung 4 inzwischen gut beschrieben hat. Ohne dieseErkenntnisse ist für mich sinnvolle und erfolgreiche psychosoziale Arbeitundenkbar. Sie regen an, die eigene Rolle bei der Bewältigung von kindlichenund/oder familiären Herausforderungen neu in den Blick zu nehmenund uns auf das viel beschworene und doch häufig vernachlässigtePrinzip der Hilfe zur Selbsthilfe zu besinnen und zu beschränken! Dies istkeine leichte Aufgabe, vor allem da wir gleichzeitig herausgefordert sind,die persönliche Bedeutung, die wir in unserer Arbeit für einzelne Kinderund deren Eltern gewinnen, anzuerkennen und anzunehmen.Nach langjähriger Erfahrung in interprofessionellen Teams wird dieseBedeutung nach meiner Auffassung von pädagogischen KollegInnen,auch und gerade im Leben der Kinder unterschätzt! Wir kennen Kinder,die nach einer akuten familiären Krise in Obhut genommen wurden unddabei deutlich zeigten, dass sie in ihre Familie und damit auch gegebenenfallszu einem schlagenden Elternteil zurück wollten - allem zum Trotz.Dies wird meines Erachtens immer wieder von Helfern als subjektive Niederlage,als Misserfolg in Bezug auf die eigene Wirksamkeit der „helfenden“Aktivitäten bewertet. Das Kind wird bedauert und nicht selten gehtmit einer mitleidenden Haltung die Anerkennung darüber verloren, dassdas betroffene Kind deshalb noch lange nicht „den Bach `runter geht“,sondern auch darin - mit Einschränkung versehen - Entwicklungschancenliegen.1 Meier Gräwe forscht am Institut für Wirtschaftslehre des Haushalts und Verbraucherforschungan der Justus-Liebig-Universität Gießen2 Ben Furman: Es ist nie zu spät, eine glückliche Kindheit zu haben, BorgmannVerlag, 19993 Zitiert nach Hölderlin4 Der Begriff Resilienz wird im allgemeinen als psychische Widerstandsfähigkeitvon Menschen gegenüber biologischen, psychologischen und psychosozialenEntwicklungsrisiken definiert und umfasst zugleich seine Fähigkeiten, mitBelastungen und Stressoren erfolgreich umzugehen.Zudem wird die Bedeutung der persönlichen Erfahrung des Kindes,dass es Menschen in ihrer Lebenswelt gibt, z. B. in der Kindertagesstätte,die ihre Verletzungen und ihr Leid wahrnehmen, meines Erachtens improfessionellen Kontext nicht genügend gewürdigt. Für diese Kinder istes sehr wichtig zu erleben, dass es Menschen gibt, die ihre Verletzungensehen, als ungerecht bewerten und die Partei für sie ergreifen. Das heißtnicht zwangsläufig, dass sie sich gegen ihren Vater oder gegen ihre Mutterstellen - auch dann nicht, wenn er oder sie das „Kindeswohl“ gefährdet.Diese Kinder brauchen von uns in solchen Situationen unser vorbehaltlosesVerständnis ihrer ungebrochenen Loyalität gegenüber ihrer Familie.Wir haben nicht das Recht, uns bewusst oder unbewusst als die„besseren“ Eltern (oder Elternfiguren) mit dem „besseren“ Lebens- undZukunftsentwurf vorzustellen. Wenn uns dies gelingt, Einfühlung inVerletzungen und Anerkennung der persönlichen Bindungen und Entscheidungenanderer zu zeigen, erfüllen wir eine wichtige Aufgabe imLeben von Menschen, die Begleitung, Unterstützung und Orientierungbrauchen. Denn schützende Faktoren im Sinne einer Resilienz finden wirdie <strong>Eule</strong> . Frühjahr 20085


PRAXIS POLITIK5 Der Entwicklungsstern findet sich in der Individuellen Lern- und Entwicklungsdokumentation(LED) der Freien <strong>Hans</strong>estadt <strong>Bremen</strong> aus 20056 Die Bedeutung von in Fachkreisen anerkannten Zertifikaten möchte ich keinesfallsherabsetzen - im Gegenteil, sie stellen ein Qualitätsmerkmal dar undsind nach meiner Auffassung grundsätzlich anzustreben7 Aus: Annelie Keil: Dem Leben begegnen - vom biologischen Überraschungseizur eigenen Biographie, Ariston Verlag, 2006sowohl im einzelnen Menschen selbst, als auch in seiner Umwelt, seinemsozialen System – zu dem wir auch gehören.Diese stärkenden Lebenserfahrungen können Kinder und ihre Familienmit uns in der Kita machen, an einem zuverlässigen Ort, der sich konzeptionellwie menschlich einer Verbesserung der armen und mitunterbedrückenden Verhältnisse in benachteiligten Wohngebieten verschriebenhat.Dabei sollten wir uns unserer Grenzen, der Grenzen unseres Handelnsebenso bewusst sein, wie der großen Möglichkeiten, die mituntermehr im Nicht-Tun liegen (nicht zu verwechseln mit Unterlassung und/oder gleichgültiger Haltung). Es ist nicht die Quantität unserer „Angebote“für Kinder und deren Familien, es kommt wesentlich auf unsere innereHaltung an, die immer auch nach außen wirkt. In ihr steckt die Kraft,die entscheidet, ob Begegnungen gelingen, auch und gerade im Sinne derEntwicklung einer subjektiv empfundenen lebenswerten Perspektive fürKinder und Familien in unserem Quartier.Auch sollten wir nicht vergessen, dass wir in unserer Rolle und persönlichenPräsens „vor Ort“ immer auch als Vorbilder dienen, wie auchimmer wir das bewerten - und erfüllen. Menschen haben zunächst denWunsch, etwas zu leisten, worauf sie stolz sein können und orientierensich an denen, die vertrauenswürdig erscheinen (und es hoffentlich auchsind) und von denen sie etwas lernen können. Das können Kinder sein, diezu uns kommen und auch Eltern, die im Umgang mit ihren Kindern Ratsuchen. Diese besondere Bedeutung, die unserem Wirken zukommt, verpflichtet.Sie verpflichtet uns zum Beispiel zu bewusster, professionellerKommunikation mit unseren Kunden/Familien. So ist esuns zum Beispiel nicht erlaubt, unreflektiert über unsereErfahrungen im Arbeitsalltag mit Eltern zu sprechen, dieeine Rückmeldung über die Entwicklung und das Verhaltenihres Kindes in der Kita wünschen. Wir nutzen dafürunter anderem ressourcenorientierte Instrumente wieden Entwicklungsstern 5 , der die Stärken und Fähigkeitenvon Kindern und die Frage, was das einzelne Kind selbstneu oder besser lernen will und wer und was ihm dabeihelfen kann, in den Mittelpunkt stellt.Wie „Stolpersteine“ zu nützlichen „Wegmarken“werdenAus lösungsorientierter Sicht interessiert uns zu allererstdie Frage, wie etwas gelingen kann, wie wir (auch kleine)Erfolge in der Zukunft sichern können und wie -falls fürbesser befunden- etwas anders werden könnte.Dabei sollten wir im Arbeitskontext kommunizieren,was bereits vorhanden und von Nutzen für die Beteiligtenist und ihnen bei der Umsetzung von Zielen hilft und zukünftig helfenkann. Hier geht es um das, was sich in der Vergangenheit bewährt hat- und dies gilt es zu würdigen.Auch in Veränderungsprozessen geht es nicht darum, alles „umzukrempeln“und neu zu erfinden. Abgesehen davon, dass es unklug wäre,auf Bewährtes zu verzichten, würde man den Schritten und Bemühungenbisheriger Geschichte und Geschaffenem nicht gerecht. Schauen wir alsozuerst auf das, was es schon gibt und was sich in unserer Arbeit mitKindern und Familien als nützlich erwiesen hat. Nach meiner Erfahrunghat dies viel weniger mit Strategien oder bestimmten fachlichen Interventionenund Weisungen zu tun, als vielmehr mit unserer Wertehaltung.Wir können noch so gut ausgebildet und mit anerkannten Zertifikaten 6ausgestattet sein - unsere Bemühungen werden nur dann von Erfolg „gekrönt“,wenn Wertschätzung und Respekt in unseren Begegnungen das„Herzstück“ bilden.Und auch wenn „große“ und messbare Erfolge in unserem Arbeitsfeldimmer wieder ausbleiben und uns die Erfahrung von „Rückschritten“mitunter zusetzt, zum Beispiel wenn sich Gewalt in Familien wiederholt,die wir nach allen Regeln der Kunst begleiten, beraten und unterstützen,sind wir herausgefordert, auch „kleine“ Schritte in eine gewünschte Richtungund die vielen „kleinen“ Erfolge anzuerkennen, die es neben allemanderen auch gibt.Um sie auszumachen, brauchen wir eine Haltung der Achtsamkeitund eine persönliche Unabhängigkeit von sichtbaren, vorzeigbaren Erfolgenund dies sehe ich als eine höchst persönliche Aufgabe im Lauf desLebens.Wie jedeR eine solche Souveränität erreichen kann, findet sich in keinemLehrbuch und hat viel mit persönlicher Lern- und Lebenserfahrungzu tun, mit Biographie. Und die können wir beeinflussen, so meint auchProf. Annelie Keil, wenn sie sagt: „Unser Leben ist das, wozu unsere Gedanken,Gefühle und Handlungen es machen.“ 7Stärkende Lebenserfahrungen können Kinder und ihre Familien mit uns in der Kita machen6die <strong>Eule</strong> . Frühjahr 2008


POLITIK PROFILIntegrationshilfein den Kindertageseinrichtungender <strong>Hans</strong>-<strong>Wendt</strong>-<strong>Stiftung</strong>Text: Dr. Uta LürssenFOTO: MATTHIAS HAUNDas KTH Fin-Kids der <strong>Hans</strong>-<strong>Wendt</strong>-<strong>Stiftung</strong>Förderung: Integrativ und individuellWir bieten für Kinder mit Entwicklungsverzögerungen, Entwicklungsbehinderungen undVerhaltensauffälligkeiten in den Kindertageseinrichtungen der <strong>Hans</strong>-<strong>Wendt</strong>-<strong>Stiftung</strong> eine integrativeund individuelle Entwicklungsförderung mit der dazugehörigen Elternarbeit an. DieEntwicklungsförderung für die Kinder bezieht sich auf die Bereiche Grob- und Feinmotorik,Sprache, Kognition, sozial-emotionales Verhalten und Lebenspraxis.Unsere ZieleUnsere Ziele sind, Kinder mit besonderem Förderbedarf vor Aussonderung und Fremdplatzierungzu bewahren. Wir wollen ihnen ermöglichen, am Alltag in der Kindertageseinrichtungoder im Hort so uneingeschränkt wie möglich teilzunehmen, damit sie sich bestmöglich entwickelnkönnen und so optimal wie möglich auf die Einschulung vorbereitetwerden.Gesetzliche GrundlagenUnsere Arbeit, Integrationshilfe für Kinder in Kindertageseinrichtungen,beruht auf dem VIII §§ 27, 32, 35a SGB und dem § 39,2 SGB XII.Unsere MitarbeiterInnenUnsere MitarbeiterInnen, die in den Kindertageseinrichtungen integrationspädagogischeArbeit leisten, sind diplomierte SozialpädagogInnenund BehindertenpädagogInnen. Durch Weiterentwicklung des Arbeitsfeldesund Weiterbildung der MitarbeiterInnen sowie regelmäßige Fachberatunggewährleisten wir ein hohes fachliches Niveau der integrationspädagogischenArbeit.Unsere Schwerpunkteinrichtungen für Integrative FrühförderungKinderhaus Fin Kids, Rudolf-Alexander-Schröder-Straße 174Kinderhaus Holler Wichtel, Im Holler Grund 67Kinderhaus Am Kammerberg, Am Kammerberg 12aKinderhaus Purzelbaum, Ackerstraße 1bKindertageseinrichtung für Schulkinder mit dem Angebot der IntegrationshilfeHort Ratz & Rübe, Erlebnisfarm Ohlenhof, Maria-Krüger-Straße 90Unsere AngeboteUnsere Integrationshilfe und Förderleistungen organisieren wir währendder Betreuungszeiten in den Kindertageseinrichtungen. Die Förderung erfolgtim Großgruppen- oder Kleingruppenkontext oder im Einzelkontext.Für jedes Kind mit einer genehmigten Integrationshilfemaßnahme wirdeine kindbezogene sozialpädagogische Diagnostik durchgeführt, auf derenGrundlage dann ein individueller Förderbericht mit Förderzielen sowieein Förderplan mit Inhalten und Methoden zur Entwicklungsförderungdes Kindes erstellt werden.Individuelle FörderungJedes Kind wird entsprechend seines Entwicklungsstandes unterstütztund gefördert. Mit der kindbezogenen sozialpädagogischen EingangsundVerlaufsdiagnostik stellen wir sicher, dass jedes Kind die Förderungbekommt, die es benötigt.ElternarbeitMit den Eltern finden regelmäßig Beratungsgespräche statt, in denen esum Erziehungsfragen, die Entwicklung des Kindes sowie um Inhalte undden Stand der integrativen Förderung des Kindes geht. Die Eltern und dasKind werden beim Übergang in die Schule begleitet und beraten.KooperationDurch die Zusammenarbeit mit therapeutischen, ärztlichen und sozialenDiensten sowie Schulen, stellen wir sicher, dass sich die Kinder körperlichund geistig bestmöglich entwickeln.VernetzungUm die Integration und Selbständigkeit der Familien zu fördern, arbeitenwir eng mit Institutionen und Einrichtungen im Stadtteil zusammen. BeiBedarf vermitteln wir ergänzende Hilfen und begleiten Familien wenn esnotwendig ist zu Einrichtungen, Institutionen oder Ärzten.Wir legen Wert darauf, dass das Wohl von Kindern und ihren Familienbestmöglich gesichert ist und die Kinder ihre Entwicklung so optimal wieindividuell möglich, durchlaufen können.die <strong>Eule</strong> . Frühjahr 2008 7


PORTRAITHermann Otto<strong>Wendt</strong>Norbert Süßmann im Gespräch mitunserem StifterHermann Otto <strong>Wendt</strong> ist am 14. November1920 im Alter von 72 Jahren gestorben undbeobachtet seitdem die Entwicklung aus demStifterolymp. Durch neue Technologie konntekurzzeitig das Intranet mit dem Stifterolympverlinkt werden und so entstand das folgendeGespräch:Guten Tag Herr <strong>Wendt</strong>, stellen Sie sichdoch bitte unseren Lesern kurz vor.Gerne, also ich bin der Geheime KommerzienratHermann Otto <strong>Wendt</strong> -und nicht <strong>Hans</strong><strong>Wendt</strong>- ich werde ja gerne namensmäßig mitmeinem Sohn verwechselt.Ich wurde 1848 in <strong>Bremen</strong> geboren. Alsjunger Mann habe ich angefangen, mit Tabakzu handeln. <strong>Bremen</strong> stieg damals zum größtenTabak-Handelsplatz Europas und zum bedeutendenStandort in der Zigarrenproduktion auf.Und so bin ich durch Tabak und Zigarren zu vielGeld und Wohlstand gekommen.Und wie kam´s dann vom Tabakhandel zur<strong>Hans</strong>-<strong>Wendt</strong>-<strong>Stiftung</strong>?Uns -d.h. meiner Frau Antonie ThereseMarianne (geborene Ehlfeldt) und mir- wurdeam 10. März 1883 unser <strong>Hans</strong> als einziges Kindgeschenkt. Leider starb <strong>Hans</strong> bereits mit 16 Jahrenan einem Blinddarmdurchbruch, so war haltdamals die Zeit oder die Medizin. Wir habendann 1908 einen Hof mit 15 Hektar Land amLehester Deich (für rund 25.000 Reichsmark) alsSommerresidenz gekauft und ihn nach meinerFrau „Mariannenhof“ benannt. Und als dannmeine liebe Frau auch verstarb, wollte ich unseremSohn ein Denkmal setzen und gründete1919 die <strong>Hans</strong>-<strong>Wendt</strong>-<strong>Stiftung</strong>.Und was war ihr Ziel mit der <strong>Stiftung</strong>?„Die Gründung und Erhaltung einer Erholungsstättezur Pflege erholungsbedürftiger, aber nichtkranker Kinder, ohne Unterschied des Religionsbekenntnisses“(gemäߧ 3der <strong>Stiftung</strong>sverfassung).Und das war auf dem„Mariannenhof“ geplant.In dieser Erholungsstättesollten Kinder aus<strong>Bremen</strong> und dem BremerUmkreis Aufnahmefinden. Und nicht nurKinder mittelloser Elternsondern auch die Kindervon Beamten oder Lehrern,allerdings gegenein „angemessenes Pflegegeld“.Hermann Otto <strong>Wendt</strong> 1848 - 1920Foto: ArchivWie ging´s dann damals weiter?Als ersten Schritt kaufte dann der Vorstand1921 der Militärverwaltung zwei Baracken auseinem Gefangenenlager und am 1. Juni 1922wurden erstmals 60 Kinder aus <strong>Bremen</strong> in denBaracken untergebracht. Für Kauf, Abbruch,Transport, Aufbau und Einrichtung der Unterkünftehat Staatsbaurat Elfers, als Anerkennungfür die geleistete Arbeit 1.000 Zigarren bekommen- das war damals eine sichere Währung.Neben der Kinderbetreuung gab´s die Landwirtschaft,aber die hat sich 1935 nicht mehrgelohnt. Das Land wurde an den Arbeitsdienstverpachtet, der dort Jugendliche paramilitärischausgebildet hat - na ja!? Landaufenthalte gab´sweiterhin aber das mussten jetzt die Kinder von„deutschen Volksgenossen“ sein. Dann wurdenFlak-Geschütze aufgestellt und dann brannteunsere Sommerresidenz nach einem Bombenangriffvollständig aus.Und nach dem Krieg?1953 wurden auf dem vorderen Geländezwei Gebäude neu errichtet, um darin so genannte„Pflege-Nester“ einzurichten. Meine<strong>Stiftung</strong>sverfassung wurde verändert in „familienmäßigeBetreuung und Erholungsstätten zur Pflegeerholungsbedürftiger, aber nicht kranker Kinder ohneUnterschied des Religionsbekenntnisses.“ Schwerpunktwurde jetzt die Arbeit mit schwererziehbarenoder verhaltensauffälligen Kindern.Jeweils zehn Kinder lebten bei Pflegeeltern aufengen 180 m 2 . Ein besonderes pädagogischesKonzept gab es damals nicht, gestandene Respektpersonenwaren gefragt. Anfang der 70erwar diese Betreuungsform in der Pädagogik-Diskussion ein Auslaufmodell und ja auch niemandemmehr zuzumuten.Aber das war noch nicht die letzte Richtungsänderung?!1973 wurde dann das Therapiezentrum eröffnet.Es galt damals als „einmalig in der Bundesrepublik“.Mein <strong>Stiftung</strong>szweck der Erholungwurde jetzt auf „Förderung und Wiederherstellungder physischen und psychischen Tüchtigkeit jungerMenschen“ erweitert. Es hatte einen Therapietraktmit Behandlungs- und Beratungszimmer,mit Werk-, Spiel- und Malräumen, mit einer Bibliothekund einem großen Gymnastikraum.8die <strong>Eule</strong> . Frühjahr 2008


PORTRAITUnd das ist das Verwaltungsgebäude wiewir´s heute noch kennen?Ja, im jetzigen Kopierraum saß z.B. dieEmpfangsdame. In diesen Räumen fanden verhaltensauffälligeKinder und ihre Eltern ambulanteHilfe.Und wie ging es dann weiter?In den anderen Häusern wurden die Pflegenesterzu Kindertagesstätten für die Tagesbetreuungvon psychisch erkrankten Kindern umgebaut.Und dann gab es da noch drei Vollheimefür je zehn Kinder und einen Wirtschaftstrakt. Jaund dann kamen die „bunten 80er Jahre,“ einePhase des Ausprobierens und der Suche nachneuen Arbeitsfeldern für die <strong>Stiftung</strong>: Die Kindersollten in ihrem sozialem Umfeld betreutwerden und so wurde das Therapiezentrumaufgelöst und Kindertagesheime in den verschiedenenStadtteilen errichtet. Aber die <strong>Stiftung</strong>kümmerte sich auch um „vietnamesischeBoatpeople“, übernahm Ausbildungswerkstätten,eine Bibliothek und wollte sogar Luftschiffe(Helitrucks) bauen. Diese Aufträge von Seitendes Bremer Senats führten jedoch zu Verlustenin Millionenhöhe.War das der schwierigste Moment in der<strong>Stiftung</strong>sgeschichte?Nicht nur, da gab es ja einiges: Das Vermögen,dass ich in die <strong>Stiftung</strong> einbrachte, betruganfangs drei Millionen Reichsmark. Eine stolzeund damals riesige Summe, aber die haben danndie Inflation 1923 und die Währungsreform1948 fast ganz verschlungen - das war zumWeinen. Aber sie hatten ja noch meine Immobilien.So ist die <strong>Stiftung</strong> 1973 zu vier Millionengekommen weil sie Gelände verkaufen konnte,auf dem später die Blockland-Autobahn und dieUniversität gebaut wurden.Und dann war ja noch der Kriminal-Skandal:Da haben der Verwaltungsleiter und dieBuchhalterin 1984 - 89 doch tatsächlich 680.000DM unterschlagen. Zeitgleich gab es eben dieschon erwähnten Millionenverluste.Und deswegen kam es 1990 zum Untersuchungsausschuss?Ja, weil „..bremische Interessen an der Lösungbremischer Probleme häufig mit <strong>Stiftung</strong>svermögenerfüllt wurden“. beschäftigte sich einUntersuchungsausschuss in der BremischenBürgerschaft mit der übergroßen Nähe zum Jugendsenator.Wissen Sie, bis zu meinem Tode zum Zweck meiner <strong>Stiftung</strong> erneut verändert:war ich ja selbst Vorstand der <strong>Stiftung</strong>. Danach „Zweck der <strong>Stiftung</strong> ist die Förderung der Kinder undführte ein fünfköpfiger Vorstand die Geschicke Jugendhilfe. Der Zweck der <strong>Stiftung</strong> wird insbesonderedadurch erfüllt, dass sie durch die Erprobungder <strong>Stiftung</strong> und der für Jugendwohlfahrt zuständigeSenator der <strong>Hans</strong>estadt <strong>Bremen</strong> hatte modellhafter Einrichtungen und Dienste zur Weiterentwicklungder Kinder- und Jugendhilfe beiträgt.“jeweils den Vorsitz. Darunter waren so berühmteMenschen wie Hermann Hildebrand, Und seitdem ging es Schlag auf Schlag mitder 19 Jahre lang Vorstand war, oder Annemarie neuen Bereichen und Einrichtungen. Die <strong>Stiftung</strong>bekam das facettenreiche Gesicht, wie wirMevissen 23 Jahre lang oder Henning Scherf elfJahre lang bis 1990. Ich fand diese Regelung damalsgut und richtig, aber dadurch, dass viele Nachdem, was Sie berichten, ist die <strong>Hans</strong>-sie heute kennen.politische Probleme mit dem Kapital der <strong>Stiftung</strong>gelöst wurden, kostete dies die <strong>Stiftung</strong> schwierigen Zeiten gesteuert - wie geht’s<strong>Wendt</strong>-<strong>Stiftung</strong> durch schwere See innach eigenen Berechnungen 4,6 Millionen Mark. weiter?Lange Rede… am Ende des Untersuchungsausschussesstand ein Vergleich und man teilte sich weiter so innovativ und kreativ sind und manWenn die MitarbeiterInnen der <strong>Stiftung</strong>das Finanzloch mit dem Sozialsenat.sie sich weiterentwickeln lässt, ist mir nichtUnd welche Konsequenzen zog man darauslenKlippen im Meer der Jugendhilfe.bange, dann umschifft man auch weiter die vie-Senatoren dürfen nicht mehr in Vorständen Apropos schwierige Zeiten - ein Wort nochvon <strong>Stiftung</strong>en sitzen, die öffentliche Gelder aus in eigener Sache...dem Ressort-Etat beziehen. Im Jahr 1993 schuf Aber gern…man außerdem eine neue <strong>Stiftung</strong>sverfassung, Ich komme ja aus der Tabak-Branche undin der festgelegt wurde, dass ein hauptamtlicher wir hatten da diesen wunderbaren PR-Slogan:Vorstand die <strong>Stiftung</strong> leitet (das macht seitdem Leichter Rauch steigt vom Munde auf in dieHardmuth Groß). Und es gibt einen siebenköpfigen,ehrenamtlichen <strong>Stiftung</strong>srat der aufpasst, den Qualm des Tabaks in sich hineinsaugt, be-Lüfte, füllt den Raum und trübt die Luft. Werdass der <strong>Stiftung</strong>szweck gewährleistet wird und weist Exklusivität, fühlt sich mondän, gibt sichdas <strong>Stiftung</strong>svermögen erhalten bleibt. Aber er exotisch und modern - aber dies können wirist nur ein Aufsichtsgremium und darf sich nicht heute wohl anders ausdrücken.in die Entscheidungen im Tagesgeschäft einmischen.Außerdem wurde die FormulierungDie ersten Gäste in den Unterkunftsbaracken für Landaufenthalte im Juni 1922Foto: Archivdie <strong>Eule</strong> . Frühjahr 2008 9


PRAXISEine Reise von Poldanien nach ItalienPsychomotorische Förderung mit KindernText und Fotos: Christoph KöserDie Tür geht auf, alle haben ihren Fahrschein dabei. Eine Reise nach Poldaniensteht heute an. Dort, wo Prinz Poldi wohnt, gibt es viele Geschichten zu erleben,viele Dinge zu finden und Rätsel zu lösen. Aber bevor man in Poldanien ankommt,muss man über einen reißenden Fluss. Wer weiß, wo die Steine dicht unter derWasseroberfläche liegen und Freunde hat, dem wird es gelingen. Wenn man dasgeschafft hat, wartet auf einem Berg ein großes Geheimnis, das es zu lüften gilt,um den weiteren Weg zu finden. Vielleicht kann man den See überqueren - dorthinten scheint ein Boot zu liegen. Vielleicht kann man aber auch auf den schmalenPlanken dort über das Wasser gelangen?Alle sind gespannt, keinem der Kinder fällt es ein, aufzugeben, gelangweiltauszusteigen oder Pause zu machen (was erlaubt ist). Niemand zieht sich zurück,niemand möchte etwas verpassen. Keines der Kinder meint, er müsse der Erstesein, um eine gute Note zu bekommen oder fürchtet gar, missachtet zu werden,wenn er oder sie es nicht sofort schafften. Kein Hindernis, das nicht überwundenwerden könnte - denn das Geheimnis auf dem Berg ist jetzt wichtiger...Paradiesische Bedingungen in einem riesigen Waldgelände? Eine „pflegeleichte“Kindergruppe? Nichts von alledem: Der Fahrschein kommt ausdem PC meiner Kollegin Katrin Thöle, die Steine unter der Wasseroberflächesind rote Teppichfliesen, der geheimnisvolle Berg besteht aus Barren,Matten und Kästen, die so manchen in seiner Schulzeit quälten. Das Bootbesteht aus Rollbrettern und Matten. Das Abenteuer beginnt keineswegsim Wald, sondern in einer Schulturnhalle mit dem üblichen Geruch undeiner tristen Wandfarbe. Prinz Poldi ist „nur“ die wunderbare Erfindungmeiner Kollegin Silke Pfeiffer und „nur“ eine Stoffpuppe. Aber so etwasdenken in solchen Momenten ja nur Erwachsene. Die Fantasie jedoch hatder Psychomotorikgruppe „Spielkarussell“ „Flügel“ verliehen. Sie beginnendas Abenteuer...WerDie Psychomotorikgruppe der <strong>Hans</strong>-<strong>Wendt</strong>-<strong>Stiftung</strong> in den Integrations-Einrichtungen Kindertagesheim Robinsbalje und Höhpost trifft sich jedeWoche einmal. Sie besteht aus zehn Kindern im Alter von 6-8 Jahrenmit und ohne (festgestellten) Integrationsbedarf. Es sind alles Kinder auseinem sozialen Brennpunkt. Kinder, deren Bedürfnis nach Abenteuer,nach sinnlicher Erfahrung, nach sozialer Anerkennung und Sicherheit inBeziehungen groß ist. Kinder, die innerlich oft „sprachlos“ und „haltlos“sind, nicht wissen, wie sie u.a. ihre Frustrationen und Ängste angemessenin der äußeren Welt platzieren sollen. Es sind Kinder mit Entwicklungsverzögerungen/Beeinträchtigungenin den Bereichen Kognition, sozialeKompetenz, Motorik/Wahrnehmungen, oft verbunden mit emotionalenBlockaden, Labilität und ausgeprägter Selbstwertproblematik.Sie zeigen motorische Koordinationsschwierigkeiten, mangelndeRegulierung des Tonus, Gleichgewichtsprobleme, Ungeschicklichkeit,manchmal aggressives impulsives Verhalten, Leistungsverweigerung,Kommunikationsschwierigkeiten und Aufmerksamkeitsstörungen verbundenmit geringer Frustrationstoleranz.Einige von ihnen scheitern häufig in der Schule, in Sportvereinen oderim Alltag, weil etwas zu leicht, zu schwer, zu angstbesetzt, zu wild, zulangsam, zu konkurrenzbetont, zu verwirrend, etwas zu offen gestaltet istoder zu wenig Raum lässt. Sie fallen auf oder bleiben auch leise im Hintergrund,weil ihnen wichtige Lernschritte, Erfahrungen, Fähigkeiten undFertigkeiten noch fehlen oder noch zu wenig ausgeprägt sind.Es sind aber auch Kinder, die alles, was bedeutsam für sie ist, gernelernen: In den Stunden des Spielkarussells setzen sie gleichermaßenihr Gleichgewicht oder die „Ehre“ „auf`s Spiel“. Sie entdecken Formen,erfahren Gewichte und Relationen, benennen Dinge. Sie setzen sich leiblichhandelnd mit der materiellen Welt in Beziehung, um immer komplexereHandlungen zu planen, auszuführen und für sich zu beurteilen.Sie setzen sich personal in Beziehung, konfrontieren sich mit ihren Stärkenund Schwächen. Sie ernten Lob, erfahren Begrenzung und dass manmanchmal Hilfe von anderen braucht und sie auch bekommt. Sie nehmenwahr, dass die eigenen Bedürfnisse und Erfahrungen nicht unbedingt dieder MitspielerIn sind, dass es aber Wege des Aufeinander-zu-bewegensgibt - oft nonverbal. Sie erfahren exemplarisch über viele Sinnkanäle, dassihr eigenes Tun und ihr Lernen, Spaß macht und Erfolge bringen kann.10die <strong>Eule</strong> . Frühjahr 2008


PRAXISMit Freude, Sinn und Bewegung geschieht alles -auch Anstrengendes undSchwieriges- spielerisch bewegend, scheinbar „wie von selbst“. So treibensie stets ideenreich und nach ihren aktuellen Bedürfnissen und Möglichkeitenihre eigene Entwicklung für sie sinnhaft voran.WasWir nutzen als PsychomotorikerInnen ein pädagogisch-psychologischesHandlungskonzept, in dessen Mittelpunkt Wahrnehmen, Bewegen undErleben stehen. Psychomotorik hat sich seit den 50er Jahren in Deutschlandetabliert und stellt heute eine wirksame Präventions-/Interventionsmethodein der Entwicklungsbegleitung und Förderung über die gesamteLebensspanne dar, die ständig in der Theorie und in der Praxis weiterentwickeltwird. Es geht um eine „Verbesserung“ des Verhaltens des Kindesund die Förderung aller Aspekte der Persönlichkeit. Über die Bewegungwerden Lernprozesse aller Art in Gang gesetzt. Dabei ist die SpielideeAusgangspunkt der psychomotorischen Aktivitäten.Auch in der <strong>Hans</strong>-<strong>Wendt</strong>-<strong>Stiftung</strong> hat die Psychomotorik in denletzten Jahren immer wieder u.a. durch verschiedene KollegInnen einenPlatz gefunden. Sowohl in den IH/IHTE-Einrichtungen, den Kindergärtenund den Horten, sowie jüngst auch in den Ganztagsschulen haben sichpsychomotorische Elemente oder Gruppenangebote etabliert. 2006/2007entstand im Rahmen der Arbeit an Programmen im IHTE-Bereich dasPsychomotorikmanual der <strong>Hans</strong>-<strong>Wendt</strong>-<strong>Stiftung</strong> mit einführenden Fortbildungsveranstaltungenim Hort- und Kindergartenbereich. Eine weitereVeranstaltung sowie die Ergänzung des Manuals sind für das Frühjahr2008 fest eingeplant.WieDie begleitenden PädagogInnen schaffen in den Stunden Situationen, indenen Kinder möglichst viel an ihrer individuellen Entwicklung „arbeiten“können. Dabei werden für die jeweiligen Stunden Förderschwerpunktegesetzt. Der spielerische Förderprozess der Stunde ist dabei wichtiger alsdas Ergebnis. Denn keiner von uns weiß genau, wie die „Reise nach Poldanien“genau funktioniert und endet. Natürlich haben wir immer einen Vorschlagim Kopf oder den Händen. Alleine aber steht die Zeitdauer von 90Minuten als unsichtbare Mauer fest, um „das Land Poldanien“ rechtzeitigzu verlassen. Und dies ist auch eine der wenigen unveränderbaren Regeln,denn u. a. ist Freiwilligkeit das Gebot: Jeder darf eine Pause einlegen undam Rand zuschauen, sich körperlich distanzieren - leibhaftig die Perspektivewechseln. Es wird weder streng geübt, noch beliebig und grenzenlosgespielt. Der Rahmen wird durch den gewählten Förderschwerpunktabgesteckt. In unserer Stunde heute war es der Schwerpunkt „Fantasie,Assoziation gegenständliche Welt“, in der das Symbolspiel vorherrschtund sich ein Thema durch die ganze Stunde zieht. Nicht auszuschließenist natürlich, dass Kinder etwas lernen, was nicht beabsichtigt war unddabei große „Fehler“ machen.Dieser Aspekt, der nicht immer ausreichend geschätzt wird, ist ganzim Sinne des Ganzheitsanspruches der Psychomotorik: Jedes Kind arbeitetimmer an dem Aspekt seiner ganzen Person (kognitiv, sozial, material,emotional, physisch) und macht die „Fehler“, die für seine Entwicklungin dieser Minute sinnhaft und notwendig sind – und seien sie noch soskurril. Die Rolle des/der PsychomotorikerIn besteht darin, die materielle,soziale, emotionale und physische Sicherheit zu gewährleisten, einFörderschwerpunkt/Förderziel zu wählen, entsprechende Differenzierungsöglichkeitenbereitzustellen, die Dinge spannend zu inszenieren/zuunterstützen und darauf zu vertrauen, dass die Kinder eigene Lösungenfinden. Dies funktioniert nicht immer so gut wie heute in „Poldanien“.Mit eigener Bewegungserfahrung, Lust am Spiel und möglichst großemHandlungsrepertoire und einer sorgfältigen Gruppenzusammenstellunggelingt dies jedoch leichter. Hier hat sich die Besetzung durch zwei PädagogInnensehr bewährt und zur Qualität dieses Angebots beigetragen:Neben der Ergänzung von Talenten, besteht in den Stunden eine guteMöglichkeit, einzelne Kinder und ihre Ideen zu unterstützen, zu bestärkenoder als Mitspieler in Problemsituationen spielerisch zu helfen. Auchfür Verhaltensbeobachtungen einzelner Kinder, die für den Verlauf vonFördermaßnahmen wichtige Orientierungen geben können, sind solcheSettings nützlich. Denn in der Bewegung drücken sich Probleme derWahrnehmung und emotionale/soziale Probleme deutlich aus. KörperlicheEinschränkungen/Misserfolge drücken sich im emotionalen Befindenaus. Letztlich sind dies untrennbare Prozesse. Es geht darum, „Brüche“ inder Entwicklung aufzuspüren und mit Beteiligung des Kindes und seinerStärken positiv auf die Entwicklung einzuwirken.... die Uhr zwingt uns nun Poldanien zu verlassen; doch wie kommt man jetztnach Hause? Tim, der anfangs behauptete, er habe heute gar keine Lust etwaszu tun und lange am Hallenrand saß, hat nun den rettenden Einfall: “Wir nehmeneinfach den Zug“. Schon saust der nach einigen Diskussionen über die besteKonstruktion gebaute Zug, der„nur“ eine Aneinanderreihungverschiedener rollbrettgestützterKästen ist, durch die Landschaft.Er saust Richtung Heimat, dienur eine Tür einer Schulturnhalleist. In unserer Abschlussrundesagt Zaira, die sonst immer sehrstill ist, zum Abschied: „...dasnächste Mal möchte ich abernach Italien reisen.“„Das ist aber ganz schön weit“,antworten wir. Aber so etwas,denke ich, denken ja nur Erwachsene!Einige Tage später gab Zaira meiner Kollegin eine handgeschriebene Listemit Dingen, Geräten und Abläufen, die auf jeden Fall in der nächsten Reise vorkommensollten. So machten wir uns an die sorgfältige Planung der Stunde undfragten uns, wie ein Bock, eine Brücke, ein Trampolin, Ringe, Reifen, Rampen,Hampelmänner und Bälle wohl in „Italien“ ihren abenteuerstiftenden Platz findenkönnten.....Siehe auch: PSYCHOMOTORIKMANUAL von Silke Pfeiffer, Katrin Thöle und ChristophKöser, <strong>Hans</strong>-<strong>Wendt</strong>-<strong>Stiftung</strong>; dort eine Einführung zur Psychomotorik, Stundenvorschlägeund eine umfangreiche Literaturliste im Anhangdie <strong>Eule</strong> . Frühjahr 2008 11


BERICHTEUnsere positiven Erfahrungen mit(verordneten) sportlichen AktivitätenIn der Sozialtherapeutischen Wohn- und Betreuungseinrichtung Walle haben wir bei vielenpsychisch schwer belasteten Jugendlichen positive Auswirkungen von (verordnetem) Fahrradfahren wie Entlastung/Spannungsabbau, Aktivierung, „Grübelstopp“ feststellen können unddabei ist die Umsetzung so einfach!TEXT: KATHARINA KNIEF FOTO: MATTHIAS HAUNIn der Sozialtherapeutischen Wohn- und Betreuungseinrichtung für psychischauffällige Jugendliche und junge Erwachsene werden bis zu achtJugendliche im Alter von 14 bis 21 Jahren nach Psychosen, mit Traumafolgestörungenoder starken Verhaltensauffälligkeiten betreut. Häufig habendie hier lebenden jungen Menschen Psychiatrie-Aufenthalte hinter sichund mit ihrem klinischen Krankheitsbild gehen oft Depressionen oderTrauer über verlorene Lebenschancen und -möglichkeiten einher.Die Jugendlichen bewohnen ein eigenes Zimmer auf einer Wohnetage,in der sich insgesamt drei Bewohner Bad und Küche teilen, zurweiteren Verselbstständigung stehen zwei Ein-Zimmer-Apartments zurVerfügung.Der pädagogisch-therapeutische Alltag zeichnet sich durch ein hohesMaß an Sicherheit/haltgebender Struktur aus. Das heißt Schutz undRuhe innerhalb des Hauses: Gewaltverbot mit strikten Konsequenzen,keine Täterkontakte, Wochenpläne, Regelwerk mit abgesprochenenKonsequenzen. Verständnis und Akzeptanz, sowie vor allem die verlässlicheBeziehung zu einer Bezugsbetreuerin, bilden die Basis, damit dieJugendlichen es wagen können, die Sicherheit schwieriger Verhaltensweisen,als Schutz/Kompensation bei traumatischen Lebenserfahrungenzu verstehen, aufzugeben. Viele alltägliche Verhaltensweisen, aber auchpsychische Steuerungsprozesse sind dann aber neu einzuüben. Da diesgroße Anstrengungen erfordert, müssen oft erhebliche Verstärker/Konsequenzeneingesetzt werden.Seit längerem haben wir positive Erfahrungen mit verordnetem täglichenFahrrad fahren bei vorgegebener Kilometerzahl sammeln können. ZweiJugendliche, die z.Z. keiner geregelten Beschäftigung am Vormittag nachgehenkönnen, müssen neben anderen einfachen hauswirtschaftlichenBeschäftigungen, täglich eine festgelegte Kilometerzahl abfahren (20 km)und dies anhand des Tachostandes nachweisen. Diese Maßnahme wirdsowohl in den regelmäßigen Gesprächen mit der Bezugsbetreuerin und inden Hilfeplankonferenzen ausgewertet und auch als Gradmesser für dieMotivation, unsere Hilfen anzunehmen, sowie als Voraussetzung, bei unswohnen bleiben zu können, angelegt.Die „verordnete“ Bewegung ist für die Jugendlichen, die die Schule odereine andere Beschäftigung nicht schaffen, nach oftmals innerer Überwindung,eine Leistung, auf die sie stolz sein können und die ihren Selbstwertstärkt. Gleichzeitig können sie durch die sportliche Betätigung aktive Gewohnheitenund „bewegte“ Freizeitgestaltung erlernen und einüben. Einsportliches Vereinsleben ist wegen ihrer sozialen Ängste oft noch eine zuhohe Anforderung. Die Bewegung trägt bei allen Jugendlichen, vor allembei denen mit Gewichtsproblemen, zur Gesunderhaltung bei und erfordertkein besonderes Können.Die positiven Wirkungen gegen Depressionen sind besonders hervorzuheben.Die angeordnete Aktivierung führt aus der Erstarrung,stoppt das Grübeln und ständige Kreisen der Gedanken. Die Bewegungan frischer Luft und im Licht wirkt dem kontraproduktiven Wunsch sichabzuschotten, am liebsten noch im verdunkelten Zimmer, entgegen. Amöffentlichen Leben wird zumindest durch die Begegnung mit anderenMenschen teilgenommen.Die bei uns lebenden Jugendlichen stehen oft unter hoher Anspannung,da die Bewältigung des Alltages schon erhebliche Anstrengungenerfordert. Von daher könnte das Fahrradfahren auch abends zum Spannungsabbauangeordnet werden.Aus gleichem Grunde ist nach Krisenklärungsgesprächen das Radfahrengünstig: Dabei soll die/der Jugendliche selbst Vorschläge für Konsequenzen/Wiedergutmachungenentwickeln und kann dies bei gleichzeitigerautomatisierter Bewegung entspannter als im Zimmer sitzend undweiter grübelnd.Ein Jugendlicher aus dem Haus schreibt selbst: „Das Radfahren entspanntmich und sorgt für Ausgleich. Ich habe bemerkt, dass wenn ichmeine 20 km am Tag fahre, ich den Kopf frei habe für andere Dinge, wasaber nicht heißt, dass ich in der Zeit grüble. Ansonsten ist Radfahren einehervorragende Stressbewältigung.“Schön ist, dass das initiierte Radfahren nach und nach auch als angenehmempfunden wird. Die Jugendlichen setzen ihre Radtouren z.T. auch in derFreizeit fort und wetteifern um den Stand ihres Kilometerzählers.12die <strong>Eule</strong> . Frühjahr 2008


die <strong>Eule</strong> . Frühjahr 2008BERICHTE


BÜCHERVORGESTELLT VON PETRA NIEDERAUJutta Schöler, Rita Fritzsche, Alrun SchastokEin Kindergarten für alle. Kinder mit und ohne Behinderung spielen und lernen gemeinsamCornelsen Verlag Scriptor, Berlin, 2., aktualisierte Auflage 2005, ISBN: 978-3407563170In zahlreichen Kindergärten gehört der gemeinsame Alltag von Kindern mit und ohne Behinderung zur selbstverständlichen Normalität, andere ErzieherInnenstehen gerade vor der Frage, ob sie zum ersten Mal ein Kind mit einer Behinderung in ihren Kindergarten aufnehmen können.Das Buch wendet sich an ErzieherInnen wie auch an Eltern, TherapeutInnen und politische EntscheidungsträgerInnen mit dem Ziel, häufig gestellte Fragen zuTheorie und Praxis der Integration anschaulich mit zahlreichen Beispielen aus dem integrativen Alltag im Kindergarten zu beantworten.Paula Tietze-FritzIntegrative Förderung in der FrüherziehungVerlag Modernes Lernen, Dortmund, 2. Auflage Juni 1997, ISBN: 978-3861451303Dieses Hand- und Lehrbuch vermittelt theoretische und praktische Basiskompetenzen zur integrativen Förderung von Kindern. Der erste Teil des Buches gibteinen guten Einblick in Integrations-theoretische und pädagogische Grundlagen; Modelle der Vorschulpädagogik; interdisziplinäre diagnostische und heilpädagogischtherapeutischeSichtweisen. Der zweite Teil informiert über Entstehungszusammenhänge von Entwicklungsgefährdungen und gibt einen Überblick über psychomotorische„Behinderungen“ im Kindesalter.Ziel dieses Buches ist, praxisnahe Handlungsleitlinien für die integrative Förderung im Kindergarten zu geben.<strong>Hans</strong> Eberwein, Sabine KnauerIntegrationspädagogik. Kinder mit und ohne Behinderung lernen gemeinsamBeltz Verlag, Weinheim, 6., vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage Juni 2002, ISBN: 978-3407831521Der Allgemeinen Pädagogik stellt sich im Zusammenhang der Integrationspädagogik die Aufgabe, Zuständigkeit und Verantwortung für soziale Randgruppenzu übernehmen, die von ihr jahrzehntelang ausgegrenzt wurden. Das Besondere dieses Handbuches ist, dass zahlreiche hervorragende Kenner der Grundlagen undEntwicklungen integrativer Pädagogik in prägnanter Kürze zu Wort kommen. Somit lässt sich das Werk als Einführungslehrgang in die Integrationspädagogik alsauch als Nachschlagewerk für Fachkräfte aus allen Bereichen der Erziehung und Bildung nutzen.Ulrich HeimlichIntegrative Pädagogik – Eine EinführungKohlhammer Verlag, Stuttgart, 1. Auflage Januar 2003, ISBN: 978-3170164765Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit Behinderung haben das recht auf ein selbstbestimmtes Leben in umfassender sozialer Teilhabe. Deshalb fordern sie mehrMöglichkeiten des gemeinsamen Spielens, Lernens und Lebens. Damit diese Forderung nach einer integrationsfähigen Gesellschaft in Kindergärten, Schulen, im Arbeits-,Wohn- und Freizeitbereich Wirklichkeit werden soll, so sind alle pädagogischen Fachkräfte aufgefordert, sich mit den Grundlagen einer integrativen Pädagogikauseinander zu setzen.Das Werk ist als Einführung in die vielfältigen Arbeitsfelder, Handlungskonzepte und Theoriemodelle einer integrativen Pädagogik zu sehen und möchte auf denErwerb von pädagogischen Kompetenzen für integrative Aufgaben vorbereiten. Integrative Pädagogik wird hier als Basiselement für alle pädagogischen Qualifikationsprozesseangesehen.Antje GinnoldSchulende – Ende der Integration?Beltz Verlag, Weinheim, 1. Auflage März 2000, ISBN: 978-3407561466Die Integration von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung wird in Kindergärten und Schulen immer mehr zur Normalität. Aber was kommt nach der Schule?Dieses Buch informiert über die vielfältigen Möglichkeiten, Jugendliche mit Behinderung beim Übergang von der Schule in das Arbeitsleben zu unterstützen.Es werden verschiedene Modelle vorgestellt: Berufsvorbereitung; individuelle Begleitung in der Phase des Übergangs; Integration in die Arbeitswelt durch unterstützendeBeschäftigung.14 die <strong>Eule</strong> . Herbst.Winter 0708


KOMMENTARHerstellung eines GanzenTEXT: PETRA NIEDERAUFOTO: MATTHIAS HAUNIntegration – ein Wort, das uns seit mehreren Jahren in allen Gazetten begleitet. Von den meistenMenschen wird Integration jedoch missverstanden. Integration wird übersetzt als Ziel, dass Zuwanderersich den Gepflogenheiten in Deutschland vollständig anzupassen haben. Das ist ein Irrtum. Denn lautWikipedia bedeutet Integration „Herstellung eines Ganzen“ und dies beschränkt sich keineswegs auf dieImmigration, sondern es findet sich in allen gesellschaftlichen Belangen, in der eine vermeintliche Minderheitauf eine vermeintliche Mehrheit stößt.Integration, also die „Herstellung des Ganzen“, beinhaltet den gesellschaftlichen Prozess von Menschen,die in der Vergangenheit zwar am Rande der Gesellschaft standen, nun gemeinsam in die Mittegeführt werden. Kinder mit Behinderungen, Lernschwächen oder aus sozial schwachen Familien werdenund wurden in der Vergangenheit vielfach allein gelassen. Erst nach und nach setzt hier ein Umdenken ein,denn in kaum einem Industriestaat ist die soziale Herkunft so bedeutend für die Bildung der Kinder, wiein der Bundesrepublik. Durch das Schulsystem wurden Kinder, die nicht in die Norm passten, kurzerhandin die Sonderschulen versetzt. Der weitere Lebensweg war dadurch fast vorprogrammiert. Ein Bildungssystem,das sich nicht seiner schwächsten in ausreichendem Masse annimmt, sondern nur die Starkennoch stärker macht, hat in einem modernen Sozialstaat nichts mehr zu suchen. Hier muss ein Umdenkenstattfinden, da wir das Potential dieser Kinder für die Gesellschaft völlig ignorieren. Ein System, das dieMenschen spaltet und nicht zusammenführt, sollte in unserem Land keine Zukunft haben. Integrationführt auch Vielfalt zusammen. Nicht behinderte Kinder können von behinderten Kindern lernen, könnenKindern mit Lernschwächen helfen und können gesellschaftliche Schranken gemeinsam überwinden - undumgekehrt. Ein gegenseitiger Austausch von Kindern aus verschiedenen Lebenssituation von Anfang anfördert Toleranz, Rücksichtnahme und Verantwortungsbewusstsein für andere. Das sind die Säulen einerfunktionierenden Gesellschaft.Somit können die Probleme in der Integration von Zuwanderern, Menschen mit Behinderungen odersozial Schwachen und damit die „Herstellung des Ganzen“ nur in einem gemeinsamen Erwachsenwerdengelöst werden.Teil einer Gruppe zu sein lernen wir schon imKindesalter als wichtigen Bestandteil unseresLebens kennen. Hier eine Situation bei derFrühstücksrunde im KTH Fin-Kids.die <strong>Eule</strong> . Herbst.Winter 2007.0815


16Erwartungsvolle, skeptische undfröhliche Gesichter zu Beginn derdeutsch-spanischen JugendbegegnungDER <strong>Hans</strong>-<strong>Wendt</strong>-<strong>Stiftung</strong> imSommer 2007. In diesem Jahr hoffenwir auf die Realisierung einerRückbegegnung in Spanien. Rückbegegnungheisst Wiedersehen undneu gewonnene Bekanntschaftenzu vertiefen. Es heisst aber auch,Neues entdecken, neue Menschentreffen und neue Erfahrungen zumachen. Wir hoffen auf genauso erwartungsvolleGesichter in diesemSommer.Text und Fotos: Wolfgang Keppler

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