PORTRAITHermann Otto<strong>Wendt</strong>Norbert Süßmann im Gespräch mitunserem StifterHermann Otto <strong>Wendt</strong> ist am 14. November1920 im Alter von 72 Jahren gestorben undbeobachtet seitdem die Entwicklung aus demStifterolymp. Durch neue Technologie konntekurzzeitig das Intranet mit dem Stifterolympverlinkt werden und so entstand das folgendeGespräch:Guten Tag Herr <strong>Wendt</strong>, stellen Sie sichdoch bitte unseren Lesern kurz vor.Gerne, also ich bin der Geheime KommerzienratHermann Otto <strong>Wendt</strong> -und nicht <strong>Hans</strong><strong>Wendt</strong>- ich werde ja gerne namensmäßig mitmeinem Sohn verwechselt.Ich wurde 1848 in <strong>Bremen</strong> geboren. Alsjunger Mann habe ich angefangen, mit Tabakzu handeln. <strong>Bremen</strong> stieg damals zum größtenTabak-Handelsplatz Europas und zum bedeutendenStandort in der Zigarrenproduktion auf.Und so bin ich durch Tabak und Zigarren zu vielGeld und Wohlstand gekommen.Und wie kam´s dann vom Tabakhandel zur<strong>Hans</strong>-<strong>Wendt</strong>-<strong>Stiftung</strong>?Uns -d.h. meiner Frau Antonie ThereseMarianne (geborene Ehlfeldt) und mir- wurdeam 10. März 1883 unser <strong>Hans</strong> als einziges Kindgeschenkt. Leider starb <strong>Hans</strong> bereits mit 16 Jahrenan einem Blinddarmdurchbruch, so war haltdamals die Zeit oder die Medizin. Wir habendann 1908 einen Hof mit 15 Hektar Land amLehester Deich (für rund 25.000 Reichsmark) alsSommerresidenz gekauft und ihn nach meinerFrau „Mariannenhof“ benannt. Und als dannmeine liebe Frau auch verstarb, wollte ich unseremSohn ein Denkmal setzen und gründete1919 die <strong>Hans</strong>-<strong>Wendt</strong>-<strong>Stiftung</strong>.Und was war ihr Ziel mit der <strong>Stiftung</strong>?„Die Gründung und Erhaltung einer Erholungsstättezur Pflege erholungsbedürftiger, aber nichtkranker Kinder, ohne Unterschied des Religionsbekenntnisses“(gemäߧ 3der <strong>Stiftung</strong>sverfassung).Und das war auf dem„Mariannenhof“ geplant.In dieser Erholungsstättesollten Kinder aus<strong>Bremen</strong> und dem BremerUmkreis Aufnahmefinden. Und nicht nurKinder mittelloser Elternsondern auch die Kindervon Beamten oder Lehrern,allerdings gegenein „angemessenes Pflegegeld“.Hermann Otto <strong>Wendt</strong> 1848 - 1920Foto: ArchivWie ging´s dann damals weiter?Als ersten Schritt kaufte dann der Vorstand1921 der Militärverwaltung zwei Baracken auseinem Gefangenenlager und am 1. Juni 1922wurden erstmals 60 Kinder aus <strong>Bremen</strong> in denBaracken untergebracht. Für Kauf, Abbruch,Transport, Aufbau und Einrichtung der Unterkünftehat Staatsbaurat Elfers, als Anerkennungfür die geleistete Arbeit 1.000 Zigarren bekommen- das war damals eine sichere Währung.Neben der Kinderbetreuung gab´s die Landwirtschaft,aber die hat sich 1935 nicht mehrgelohnt. Das Land wurde an den Arbeitsdienstverpachtet, der dort Jugendliche paramilitärischausgebildet hat - na ja!? Landaufenthalte gab´sweiterhin aber das mussten jetzt die Kinder von„deutschen Volksgenossen“ sein. Dann wurdenFlak-Geschütze aufgestellt und dann brannteunsere Sommerresidenz nach einem Bombenangriffvollständig aus.Und nach dem Krieg?1953 wurden auf dem vorderen Geländezwei Gebäude neu errichtet, um darin so genannte„Pflege-Nester“ einzurichten. Meine<strong>Stiftung</strong>sverfassung wurde verändert in „familienmäßigeBetreuung und Erholungsstätten zur Pflegeerholungsbedürftiger, aber nicht kranker Kinder ohneUnterschied des Religionsbekenntnisses.“ Schwerpunktwurde jetzt die Arbeit mit schwererziehbarenoder verhaltensauffälligen Kindern.Jeweils zehn Kinder lebten bei Pflegeeltern aufengen 180 m 2 . Ein besonderes pädagogischesKonzept gab es damals nicht, gestandene Respektpersonenwaren gefragt. Anfang der 70erwar diese Betreuungsform in der Pädagogik-Diskussion ein Auslaufmodell und ja auch niemandemmehr zuzumuten.Aber das war noch nicht die letzte Richtungsänderung?!1973 wurde dann das Therapiezentrum eröffnet.Es galt damals als „einmalig in der Bundesrepublik“.Mein <strong>Stiftung</strong>szweck der Erholungwurde jetzt auf „Förderung und Wiederherstellungder physischen und psychischen Tüchtigkeit jungerMenschen“ erweitert. Es hatte einen Therapietraktmit Behandlungs- und Beratungszimmer,mit Werk-, Spiel- und Malräumen, mit einer Bibliothekund einem großen Gymnastikraum.8die <strong>Eule</strong> . Frühjahr 2008
PORTRAITUnd das ist das Verwaltungsgebäude wiewir´s heute noch kennen?Ja, im jetzigen Kopierraum saß z.B. dieEmpfangsdame. In diesen Räumen fanden verhaltensauffälligeKinder und ihre Eltern ambulanteHilfe.Und wie ging es dann weiter?In den anderen Häusern wurden die Pflegenesterzu Kindertagesstätten für die Tagesbetreuungvon psychisch erkrankten Kindern umgebaut.Und dann gab es da noch drei Vollheimefür je zehn Kinder und einen Wirtschaftstrakt. Jaund dann kamen die „bunten 80er Jahre,“ einePhase des Ausprobierens und der Suche nachneuen Arbeitsfeldern für die <strong>Stiftung</strong>: Die Kindersollten in ihrem sozialem Umfeld betreutwerden und so wurde das Therapiezentrumaufgelöst und Kindertagesheime in den verschiedenenStadtteilen errichtet. Aber die <strong>Stiftung</strong>kümmerte sich auch um „vietnamesischeBoatpeople“, übernahm Ausbildungswerkstätten,eine Bibliothek und wollte sogar Luftschiffe(Helitrucks) bauen. Diese Aufträge von Seitendes Bremer Senats führten jedoch zu Verlustenin Millionenhöhe.War das der schwierigste Moment in der<strong>Stiftung</strong>sgeschichte?Nicht nur, da gab es ja einiges: Das Vermögen,dass ich in die <strong>Stiftung</strong> einbrachte, betruganfangs drei Millionen Reichsmark. Eine stolzeund damals riesige Summe, aber die haben danndie Inflation 1923 und die Währungsreform1948 fast ganz verschlungen - das war zumWeinen. Aber sie hatten ja noch meine Immobilien.So ist die <strong>Stiftung</strong> 1973 zu vier Millionengekommen weil sie Gelände verkaufen konnte,auf dem später die Blockland-Autobahn und dieUniversität gebaut wurden.Und dann war ja noch der Kriminal-Skandal:Da haben der Verwaltungsleiter und dieBuchhalterin 1984 - 89 doch tatsächlich 680.000DM unterschlagen. Zeitgleich gab es eben dieschon erwähnten Millionenverluste.Und deswegen kam es 1990 zum Untersuchungsausschuss?Ja, weil „..bremische Interessen an der Lösungbremischer Probleme häufig mit <strong>Stiftung</strong>svermögenerfüllt wurden“. beschäftigte sich einUntersuchungsausschuss in der BremischenBürgerschaft mit der übergroßen Nähe zum Jugendsenator.Wissen Sie, bis zu meinem Tode zum Zweck meiner <strong>Stiftung</strong> erneut verändert:war ich ja selbst Vorstand der <strong>Stiftung</strong>. Danach „Zweck der <strong>Stiftung</strong> ist die Förderung der Kinder undführte ein fünfköpfiger Vorstand die Geschicke Jugendhilfe. Der Zweck der <strong>Stiftung</strong> wird insbesonderedadurch erfüllt, dass sie durch die Erprobungder <strong>Stiftung</strong> und der für Jugendwohlfahrt zuständigeSenator der <strong>Hans</strong>estadt <strong>Bremen</strong> hatte modellhafter Einrichtungen und Dienste zur Weiterentwicklungder Kinder- und Jugendhilfe beiträgt.“jeweils den Vorsitz. Darunter waren so berühmteMenschen wie Hermann Hildebrand, Und seitdem ging es Schlag auf Schlag mitder 19 Jahre lang Vorstand war, oder Annemarie neuen Bereichen und Einrichtungen. Die <strong>Stiftung</strong>bekam das facettenreiche Gesicht, wie wirMevissen 23 Jahre lang oder Henning Scherf elfJahre lang bis 1990. Ich fand diese Regelung damalsgut und richtig, aber dadurch, dass viele Nachdem, was Sie berichten, ist die <strong>Hans</strong>-sie heute kennen.politische Probleme mit dem Kapital der <strong>Stiftung</strong>gelöst wurden, kostete dies die <strong>Stiftung</strong> schwierigen Zeiten gesteuert - wie geht’s<strong>Wendt</strong>-<strong>Stiftung</strong> durch schwere See innach eigenen Berechnungen 4,6 Millionen Mark. weiter?Lange Rede… am Ende des Untersuchungsausschussesstand ein Vergleich und man teilte sich weiter so innovativ und kreativ sind und manWenn die MitarbeiterInnen der <strong>Stiftung</strong>das Finanzloch mit dem Sozialsenat.sie sich weiterentwickeln lässt, ist mir nichtUnd welche Konsequenzen zog man darauslenKlippen im Meer der Jugendhilfe.bange, dann umschifft man auch weiter die vie-Senatoren dürfen nicht mehr in Vorständen Apropos schwierige Zeiten - ein Wort nochvon <strong>Stiftung</strong>en sitzen, die öffentliche Gelder aus in eigener Sache...dem Ressort-Etat beziehen. Im Jahr 1993 schuf Aber gern…man außerdem eine neue <strong>Stiftung</strong>sverfassung, Ich komme ja aus der Tabak-Branche undin der festgelegt wurde, dass ein hauptamtlicher wir hatten da diesen wunderbaren PR-Slogan:Vorstand die <strong>Stiftung</strong> leitet (das macht seitdem Leichter Rauch steigt vom Munde auf in dieHardmuth Groß). Und es gibt einen siebenköpfigen,ehrenamtlichen <strong>Stiftung</strong>srat der aufpasst, den Qualm des Tabaks in sich hineinsaugt, be-Lüfte, füllt den Raum und trübt die Luft. Werdass der <strong>Stiftung</strong>szweck gewährleistet wird und weist Exklusivität, fühlt sich mondän, gibt sichdas <strong>Stiftung</strong>svermögen erhalten bleibt. Aber er exotisch und modern - aber dies können wirist nur ein Aufsichtsgremium und darf sich nicht heute wohl anders ausdrücken.in die Entscheidungen im Tagesgeschäft einmischen.Außerdem wurde die FormulierungDie ersten Gäste in den Unterkunftsbaracken für Landaufenthalte im Juni 1922Foto: Archivdie <strong>Eule</strong> . Frühjahr 2008 9