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Der ausgebrannte Pfadfinder

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<strong>Der</strong> <strong>ausgebrannte</strong> <strong>Pfadfinder</strong> 5<br />

Was sind erste Anzeichen und typische<br />

Symptome?<br />

Erste Anzeichen sind Unruhe, Appetitlosigkeit, Kopfschmerzen;<br />

man kann schlecht schlafen und es ist einem<br />

nur zum Heulen zumute. Das schlimmste Symptom war<br />

für mich aber die Antriebslosigkeit: Du liegst im Bett und<br />

kannst nichts machen. Du hast weder Lust aufzustehen,<br />

noch hast du Lust was zu essen. Bei mir kam das in der<br />

Depression von heute auf morgen. Es gab keinen Auslöser<br />

– wobei ich im Nachhinein sagen kann, dass es vor<br />

etlichen Jahren einige Sachen gab, die ich nie richtig verarbeitet<br />

habe.<br />

Gibt es also verschiedene Phasen?<br />

Jemand, der niedergeschlagen ist, hat nicht gleich eine<br />

Depression. Aber der Übergang ist fließend. Ich konnte<br />

irgendwann nicht mehr unterscheiden: Bin ich einfach<br />

nur schlecht drauf oder ist wirklich mehr dahinter?<br />

Wenn man nach einer Woche merkt, es wird nicht besser,<br />

sollte man zum Hausarzt gehen und ihm die Situation<br />

schildern.<br />

Du sprachest gerade die ärztliche Unterstützung<br />

an: Kann man den Weg aus einer psychischen<br />

Erkrankung nicht alleine schaffen?<br />

Ich bin der Meinung, man schafft es nicht alleine. Man<br />

muss wieder anfangen, seinen Tag langsam zu strukturieren.<br />

Das geht nicht, wenn man keinen Antrieb hat. Da<br />

muss man professionelle Hilfe haben – ob in einer Klinik<br />

oder ambulant hängt davon ab, was der Arzt letztendlich<br />

entscheidet.<br />

Wie können Familienmitglieder oder Freunde<br />

unterstützen?<br />

Damals war ich schon mit meinem Mann zusammen<br />

und mir ging es von heute auf morgen richtig schlecht.<br />

Irgendwann hat er meine beste Freundin angerufen,<br />

damit sie mit in die Klinik fahren konnte. Sie stand und<br />

steht die ganze Zeit hinter mir. Sie war einfach da und ich<br />

wusste: Ich kann sie jederzeit anrufen.<br />

Es ist natürlich schwer diese Hilfe anzunehmen, wenn<br />

man selber nicht einsieht: Mit mir ist etwas nicht in Ordnung.<br />

Wenn man aber diesen Punkt erreicht, ist man<br />

über jeden Strohhalm froh, den man ergreifen kann.<br />

Hast du dein Leben nach dieser Phase verändert?<br />

Inwiefern?<br />

Als es das erste Mal richtig akut war, war 2009. Damals<br />

bin ich für 14 Wochen nach Münster in die LWL-Klinik gekommen.<br />

Das hört sich lange an, aber wenn man selbst<br />

in dieser Phase steckt, sein Leben wieder zu sortieren,<br />

kommt einem die Zeit wahnsinnig kurz vor. Ich habe<br />

dort gelernt über all das zu sprechen, was mich bedrückt.<br />

Danach bin ich noch in eine Tagesklinik gegangen, um<br />

das, was ich in der vollstationären Behandlung gelernt<br />

habe, zu verfestigen. Mein Leben ist dann so langsam<br />

wieder in geordnete Bahnen gegangen. Ich konnte wieder<br />

arbeiten gehen und habe nur noch alle zwei Wochen<br />

ambulante Psychotherapie gemacht, bis ich einen Rückfall<br />

hatte. Dann habe ich mein Leben komplett geändert,<br />

habe meinen Bürojob aufgegeben und gesagt: Ich<br />

möchte etwas mit Menschen machen, das füllt mich aus.<br />

Die Ausbildung zur Erzieherin hat mir noch mal richtig<br />

Kraft gegeben.<br />

Würdest du sagen, dass deine Überforderung<br />

auch von deiner Arbeit als Bezirksvorsitzende<br />

stammen kann? Glaubst du, dass Menschen,<br />

die sich besonders stark engagieren, gefährdeter<br />

sind als andere?<br />

Ehrenamt ist ein wichtiger Teil meines Lebens. Ich bin<br />

nicht nur bei den <strong>Pfadfinder</strong>n, sondern auch beim Roten<br />

Kreuz. Ich habe da – ich nenne es mal ganz bewusst –<br />

diese Doppelbelastung. Aber ich habe auch eine gute<br />

Bezirksleitung, die sagt: Du musst nicht alles alleine machen,<br />

du kannst auch delegieren. Das ist wichtig, egal, ob<br />

man so eine Vorgeschichte hat wie ich oder nicht. Natürlich<br />

kann ich mir alles an Land ziehen, aber dann ist die<br />

Gefahr einer Überforderung zu groß. Genauso wichtig ist<br />

es, mal nein zu sagen: Ich würde das gerne tun, aber ich<br />

schaffe das momentan nicht. Ich brauche jetzt eure Hilfe.<br />

Das Interview führte Mechthild Weskamp

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