Menschen mit Migrationshintergrund - Düsseldorfer Forum ...
Menschen mit Migrationshintergrund - Düsseldorfer Forum ...
Menschen mit Migrationshintergrund - Düsseldorfer Forum ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Extended Abstract für das 9. Düsseldorfer <strong>Forum</strong> Politische Kommunikation<br />
vom 11. bis 13. April 2013<br />
Zur Rolle des Journalismus für die gesellschaftliche<br />
Teilhabe von „<strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Migrationshintergrund</strong>“<br />
Eine qualitative Befragung von Berliner LokaljournalistInnen<br />
Kontaktdaten der Autorin:<br />
Ricarda Wiese<br />
Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft<br />
Arbeitsstelle Journalistik<br />
Freie Universität Berlin<br />
Fronhoferstraße 3, 12165 Berlin<br />
ricarda.wiese@fu-berlin.de<br />
030/64494888; 0151/50218152
07.02.2013
Zur Rolle des Journalismus für die gesellschaftliche Teilhabe von<br />
„<strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Migrationshintergrund</strong>“<br />
Eine qualitative Befragung von Berliner LokaljournalistInnen<br />
1. Einleitung / Thema<br />
Jeder fünfte Einwohner Deutschlands hat einen sogenannten <strong>Migrationshintergrund</strong><br />
und jeder achte ist selbst innerhalb der letzten 60 Jahre als Einwanderer nach Deutschland<br />
gekommen – aus einem von 194 verschiedenen Herkunftsländern (vgl. Statistisches<br />
Bundesamt 2012). Vor diesem Hintergrund muss sich die „deutsche Gesellschaft“<br />
neu definieren; das Bild des homogenen Nationalstaats ist – wenn es überhaupt<br />
jemals zutraf – längst überholt. Wie soll das Zusammenleben im Einwanderungsland<br />
Deutschland aussehen und wie kann allen hier lebenden <strong>Menschen</strong> gesellschaftliche<br />
Teilhabe ermöglicht werden?<br />
Bei der Verhandlung dieser Fragen kommt den Medien eine besondere Rolle zu. Sie<br />
stellen nicht nur die dafür notwendige Öffentlichkeit her (vgl. Jarren/Donges 2006:<br />
104; Vlasic 2004: 219), sondern sind, wie sich <strong>mit</strong> dem Konzept der „cultural citizenship“<br />
(vgl. Klaus/Lünenborg 2004) erklären lässt, selbst maßgeblich an der Konstruktion<br />
individueller wie gesellschaftlicher Identität(en) beteiligt. Wer als Teil der<br />
deutschen Gesellschaft angesehen wird und wer sich selbst als ein solcher wahrnimmt,<br />
dafür liefert insbesondere der Journalismus zentrale Deutungsentwürfe (vgl. Lünenborg<br />
2008: 274; Klaus/Lünenborg 2004: 200).<br />
So ist denn auch in den vergangenen Jahren nicht nur in der Kommunikationswissenschaft,<br />
sondern ebenso auf politischer Ebene verstärkt die Rolle der Medien bei der<br />
Integration von <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Migrationshintergrund</strong> thematisiert worden. Im Mittelpunkt<br />
stehen dabei die zahlreichen Belege für eine noch immer sehr einseitige und<br />
stereotype mediale Repräsentation von MigrantInnen (vgl. Beauftragte d. BR 2012:<br />
393) sowie die extrem geringe Beteiligung von <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Migrationshintergrund</strong><br />
an der journalistischen Produktion (vgl. Geißler et al. 2009: 91).
Doch während in zahlreichen wissenschaftlichen Publikationen Anforderungen an den<br />
Journalismus in Bezug auf die Integration von <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Migrationshintergrund</strong><br />
formuliert und die bisherige Praxis kritisiert werden, gibt es bisher kaum Erkenntnisse<br />
darüber, wie JournalistInnen selbst ihre Rolle im Zusammenhang <strong>mit</strong> Migration sehen<br />
(vgl. Müller 2009: 149).<br />
In meiner Bachelorarbeit gehe ich daher folgenden Fragen nach:<br />
<br />
Schreiben JournalistInnen dem Journalismus allgemein und speziell sich selbst eine<br />
besondere Rolle bei der Entstehung gesellschaftlicher Zugehörigkeit von <strong>Menschen</strong><br />
<strong>mit</strong> <strong>Migrationshintergrund</strong> zu?<br />
<br />
<br />
Wie sieht diese Rolle aus und wie wird sie begründet?<br />
Können die JournalistInnen dieser Rolle bei ihrer alltäglichen Arbeit gerecht werden?<br />
Welche Möglichkeiten und Hindernisse sehen sie / haben sie bereits selbst erfahren?<br />
Ausgehend von einem Verständnis von Journalismus als „Kulturleistung, die eine<br />
Teilhabe an der Mediengesellschaft ermöglicht“ (Lünenborg 2008: 270) sowie dem<br />
Konzept der „cultural citizenship“ spreche ich in meiner Arbeit bewusst von gesellschaftlicher<br />
Zugehörigkeit und Teilhabe anstelle von „Integration“. Letzterer Begriff<br />
wird zwar in den meisten Publikationen im Themenfeld Migration und Medien<br />
verwendet, doch ist er meines Erachtens stark <strong>mit</strong> der Vorstellung (und entsprechenden<br />
politischen Konzepten) verbunden, MigrantInnen müssten als von außen kommende<br />
„Störung im Normalablauf der Gesellschaft“ nun eingegliedert werden, da<strong>mit</strong><br />
die bestehenden Sozialstrukturen wieder wie vorher funktionieren können (vgl.<br />
Terkessidis 2010: 43). Dabei wir impliziert, dass „in gesellschaftlichen Gruppen und<br />
Teilgruppen der Aufnahmegesellschaft bereits alle Bevölkerungs<strong>mit</strong>glieder integriert<br />
sind und gewissermaßen eine Einheit konstituieren“ (Wolf 2011: 47, Herv. im<br />
Original), anstatt Gesellschaft als ein sich ständig wandelndes, heterogenes Gefüge<br />
ohne Endzustand zu verstehen, in dem unter demokratischen Voraussetzungen<br />
„das 'tägliche Plebiszit' eines jeweils neuen 'Wir'“ (Terkessidis 2010: 49) erforderlich<br />
ist.
2. Methodische Vorgehensweise<br />
Meinem Forschungsanliegen gehe ich <strong>mit</strong> Hilfe von leitfadengestützten Interviews<br />
nach. Im sehr begrenzten Rahmen meiner Bachelorarbeit beschränke ich mich auf<br />
LokaljournalistInnen aus dem Printbereich und dabei – um angesichts der geringen<br />
Fallzahl Vergleichbarkeit zu wahren – auf Abonnementzeitungen im Raum Berlin. Den<br />
Fokus lege ich deshalb auf die lokale Berichterstattung, da hier viele migrationsbezogene<br />
Themen eine Rolle spielen und dem Lokaljournalismus vom Konzept der „cultural<br />
citizenship“ ausgehend eine besondere Bedeutung bei der Herstellung gesellschaftlicher<br />
Zugehörigkeit zugesprochen werden kann. Geplant sind daher vier Interviews<br />
<strong>mit</strong> jeweils einer Journalistin/ einem Journalisten von Berliner Morgenpost, Berliner<br />
Zeitung, Tagesspiegel und tageszeitung. Bei der anschließenden inhaltsanalytischen<br />
Auswertung wird selbstverständlich reflektiert, dass sich vom geäußerten Rollenselbstverständnis/<br />
den genannten Sichtweisen nicht ohne Weiteres auf eine Handlungsrelevanz<br />
in der alltäglichen Praxis schließen lässt (vgl. Weischenberg et al. 2006: 100) und<br />
die KommunikatorInnen im gesellschaftlichen und mediensystemischen Kontext gesehen<br />
werden müssen, in dem ihr Einfluss als individuelle Akteure auf vielfache Weise<br />
begrenzt wird.<br />
3. Ergebnisse<br />
Zum Zeitpunkt des 9. DFPK wird meine Arbeit bereits abgeschlossen sein, sodass ich<br />
meine Ergebnisse vollständig präsentieren könnte. Zwei der vier geplanten Interviews<br />
haben bereits stattgefunden, die übrigen werden ebenfalls noch im Februar durchgeführt.<br />
4. Diskussion<br />
Auf Grundlage meiner Forschungsergebnisse werde ich diskutieren können, ob und in<br />
welcher Weise die von Wissenschaft und Politik in den letzten Jahren aufgeworfenen<br />
Fragen zum Zusammenhang von Medien und Migration auch in der journalistischen<br />
Praxis angekommen sind. Eventuell zeigen sich dabei Probleme, auf Grundlage derer<br />
medienpolitische Maßnahmen und Anforderungen an den Journalismus in Bezug auf<br />
„Integration“ neu betrachtet werden müssen.
5. Literatur<br />
Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration (2012): 9. Bericht der<br />
Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration über die Lage der<br />
Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland. Berlin, Juni 2012.<br />
Geißler, Rainer; Pöttker, Horst (2006): Mediale Integration von Migranten. Ein Problemaufriss. In:<br />
dies. (Hg.): Integration durch Massenmedien. Medien und Migration im internationalen Vergleich.<br />
Bielefeld: Transcript-Verlag, S. 13-42.<br />
Geißler, Rainer (2006): Haben Medien einen Auftrag zur Integration von Migranten?<br />
Podiumsdiskussion. In: Rainer Geißler; Horst Pöttker (Hg.): Integration durch Massenmedien.<br />
Medien und Migration im internationalen Vergleich. Bielefeld: Transcript-Verlag, S. 251-299.<br />
Geißler, Rainer; Enders, Kristina; Reuter, Verena (2009): Wenig ethnische Diversität in deutschen<br />
Zeitungsredaktionen. In: Rainer Geißler; Horst Pöttker (Hg.): Massenmedien und die Integration<br />
ethnischer Minderheiten in Deutschland. Bielefeld: Transcript-Verlag, S. 79-117.<br />
Jarren, Ottfried; Donges, Patrick (2006): Politische Kommunikation in der Mediengesellschaft.<br />
Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.<br />
Klaus, Elisabeth; Lünenborg, Margreth (2004): Cultural Citizenship. Ein kommunikationswissenschaftliches<br />
Konzept zur Bestimmung kultureller Teilhabe in der Mediengesellschaft. In: medien &<br />
kommunikationswissenschaft 52 (2), S. 193-213.<br />
Lünenborg, Margreth (2008): Journalismus in der Mediengesellschaft: Ein Plädoyer für eine<br />
integrative Journalistik. In: Carsten Winter; Andreas Hepp; Friedrich Krotz (Hg.): Theorie der<br />
Kommunikations- und Medienwissenschaft. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 269-<br />
289.<br />
Lünenborg, Margreth; Fritsche, Katharina; Bach, Annika (2011): Migrantinnen in den Medien.<br />
Darstellungen in der Presse und ihre Rezeption. Bielefeld: Transcript-Verlag.<br />
Müller, Daniel (2009): Einstellungen von Journalisten in Bezug auf ihre Rolle bei der Integration<br />
ethnischer Minderheiten. Eine qualitative Befragung in Nordrhein-Westfalen unter besonderer<br />
Berücksichtigung der Kriminalitätsberichterstattung. In: Rainer Geißler; Horst Pöttker (Hg.):<br />
Massenmedien und die Integration ethnischer Minderheiten in Deutschland. Bielefeld: Transcript-<br />
Verlag, S. 145-158.<br />
Statistisches Bundesamt (2012): Presse<strong>mit</strong>teilung Nr. 448: „10,7 Millionen Migranten aus 194<br />
Ländern leben in Deutschland“. Wiesbaden, 18.12.2012.<br />
Terkessidis, Mark (2010): Interkultur. Berlin: Suhrkamp Verlag.<br />
Vlasic, Andreas (2004): Die Integrationsfunktion der Massenmedien. Begriffsgeschichte, Modelle,<br />
Operationalisierung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.<br />
Weischenberg, Siegfried; Malik, Maja; Scholl, Armin (2006): Die Souffleure der Mediengesellschaft.<br />
Report über die Journalisten in Deutschland. Konstanz: UVK.<br />
Wolf, Friederike (2011): Interkulturelle Integration als Aufgabe des öffentlich-rechtlichen<br />
Fernsehens. Die Einwanderungsländer Deutschland und Großbritannien im Vergleich. Wiesbaden:<br />
VS Verlag für Sozialwissenschaften.