21.04.2015 Aufrufe

Mein Interesse besteht darin, die innerhalb der Gesellschaft ...

Mein Interesse besteht darin, die innerhalb der Gesellschaft ...

Mein Interesse besteht darin, die innerhalb der Gesellschaft ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>Mein</strong> <strong>Interesse</strong> <strong>besteht</strong> <strong>darin</strong>, <strong>die</strong> <strong>innerhalb</strong> <strong>der</strong> <strong>Gesellschaft</strong> dominanten Denk- und Verhaltensmuster zu<br />

untersuchen/aufzuzeigen und MÄglichkeiten zu entwickeln, <strong>die</strong>se Verhaltensweisen zu verschieben, zu verÅn<strong>der</strong>n – hin zu<br />

Denk- bzw. Verhaltensweisen, <strong>die</strong> nicht diskriminierend sind.<br />

Die Konstituierung des Subjekts, welches sich in interaktionellen Prozessen immer wie<strong>der</strong> neu konstituiert, spielt hierbei eine<br />

zentrale Rolle.<br />

Je<strong>der</strong> und jede einzelne lernt sehr frÉh und sehr schnell was als richtig – was als falsch angesehen wird, was angemessenes<br />

Verhalten – was unangemessenes Verhalten gilt. Louise Derman-Sparks und Carol Brunson Phillips konstatieren, dass<br />

Kin<strong>der</strong> bereits ab zwei Jahren Verhalten zeigen, welches auf Voreingenommenheiten beruht.<br />

Derman-Sparks und Phillips gehen also davon aus, dass Vorurteile erlernt werden. Sie gehen nicht davon aus, dass wir<br />

Vorurteile komplett verlernen kÄnnen, also irgendwann vorurteilsfrei sein kÄnnten.<br />

Vielmehr legen sie den Fokus auf den bewussten Umgang mit Vorurteilen, um Festgesetztes beweglich - also revi<strong>die</strong>rbar zu<br />

machen. Bleibe ich bei meinen Vorannahmen und Vorurteilen, kann daraus diskriminierendes Verhalten resultieren.<br />

Diskriminierung bedeutet dann, jemanden aufgrund bestimmter Merkmale und Annahmen zu benachteiligen.<br />

Diskriminierung findet in einzelnen Situationen statt, was nicht gleichbedeutend damit ist, dass Vorurteile und/o<strong>der</strong><br />

Diskriminierung das persÄnliche Problem eines Einzelnen ist.<br />

Vorurteile sind nicht an persÄnliche Erfahrung gebunden. Ich kann eine ganze Menge Éber an<strong>der</strong>e Menschen, an<strong>der</strong>e<br />

Kulturen „wissen“, obwohl ich nicht einen Vertreter <strong>die</strong>ser „an<strong>der</strong>en Kultur/Subkultur“ kennen gelernt habe.<br />

Woher wissen wir bereits, dass eine bestimmte Person nicht in <strong>der</strong> Lage sein wird, das Klassenziel zu erreichen? Woher<br />

wissen wir, dass eine bestimmte Gruppe von Menschen weniger intelligent, weniger rational denkend, etc. als an<strong>der</strong>e sind?<br />

Woher weiÜ ich etwas Éber Menschen, Dinge ohne mich mit ihnen auseinan<strong>der</strong> gesetzt zu haben?<br />

Wissen ist hier ein zentraler Begriff; es geht um <strong>die</strong> Frage wie „Wissen“ Éber Menschen erworben und transportiert wird,<br />

wobei <strong>die</strong>ses “Wissen” als “wahr” betrachtet wird.<br />

Woher kommt <strong>die</strong>ses “Wissen”? Wie, auf welchen Wegen, wird es verbreitet und erworben? Gibt es jemanden o<strong>der</strong> mehrere<br />

<strong>die</strong> “Wissen” <strong>die</strong>se Bedeutung – “wahr zu sein” verleihen kann?<br />

Diese Fragen fÉhren mich zu dem theoretischen Bezug meines Forschungsvorhabens – zu den Untersuchungen Michel<br />

Foucaults. Foucault beschÅftigte sich mit Fragen warum sich <strong>innerhalb</strong> einer o<strong>der</strong> mehrerer <strong>Gesellschaft</strong>en bestimmte<br />

Auffassungen durchsetzen konnten. Nach Foucault ist Wissen immer mit Macht verbunden. Aufgrund verschiedener<br />

Faktoren setzen sich zum Beispiel Auffassungen Éber Krankheit und Gesundheit durch, Éber Normal und Unnormal, etc.<br />

Ich lerne sehr frÉh in <strong>die</strong>sen dichotomen Strukturen zu denken, grenze “das Eine” von “dem An<strong>der</strong>en”, “das Gesunde von<br />

“dem Kranken”, “das Normale” von “dem Unnormalen”, “das Rationale” von “dem Irrationalen”, etc. ab und verhalte mich<br />

dem entsprechend, was fÉr das eine o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e angemessen ist.<br />

3.<br />

Auf den Machtbegriff Foucaults mÄchte ich an <strong>die</strong>ser Stelle etwas mehr eingehen: Foucault beschÅftigte sich weniger mit<br />

<strong>der</strong> Frage “was ist Macht” als “wie funktioniert Macht“?<br />

Foucault geht von einem Machtbegriff aus, <strong>der</strong> dezentral ist und Macht als etwas definiert, was nur „in Beziehung“ - im<br />

direkten und indirekten Handeln ausgeÉbt wird.<br />

Seiner Auffassung nach, bewegen wir uns <strong>innerhalb</strong> komplexer Machtbeziehungen, <strong>die</strong> nicht linear von oben nach unten<br />

verlaufen, son<strong>der</strong>n sich als Netz miteinan<strong>der</strong> verweben. In einem Netz gibt verschiedene Knotenpunkte an denen Macht sich<br />

konzentriert, ein Zentrum <strong>der</strong> Macht gibt es jedoch nicht.<br />

“Macht” ist also eine bestimmte Art von Beziehung zwischen Individuen, wobei ein entscheidendes Merkmal ist, dass<br />

bestimmte Menschen mehr o<strong>der</strong> weniger das Verhalten an<strong>der</strong>er bestimmen kÄnnen, Einfluss auf ihr Handeln und ihre<br />

HandlungsmÄglichkeiten nehmen kÄnnen.<br />

Als Elternteil, PÅdagogin weiÜ ich zum Beispiel was fÉr Kin<strong>der</strong> gut ist, was fÉr welches Kind gut ist und was nicht. Dieses<br />

Wissen habe ich als PÅdagogin nicht nur wÅhrend meines Studiums erworben. Vielmehr zeigt sich, dass das Verhalten<br />

gegenÉber den an<strong>der</strong>en Etwas ist, was ich sehr frÉh gelernt habe. Dieses Verhalten ist daher “selbstverstÅndlich”, wird als<br />

“normal” betrachtet und selten reflektiert und hinterfragt.


Die Beziehung von Erwachsenen zu Kin<strong>der</strong>n ist beispielsweise dadurch gekennzeichnet, dass den Erwachsenen aufgrund<br />

ihrer Erfahrung, ihres Wissens zugesprochen wird, zu wissen, was fÉr Kin<strong>der</strong> gut ist. Den Kin<strong>der</strong>n wird allerdings oft nicht<br />

zugesprochen, selbst zu wissen was gut ist, was wichtig ist, etc.<br />

In <strong>der</strong> Institution “Schule” wird deutlich, dass in <strong>der</strong> Schule nicht nur “Wissen” in bezug auf bestimmte Themen, Kenntnisse<br />

Éber Sprach- und Naturwissenschaften, Geschichte vermittelt werden, son<strong>der</strong>n auch Wissen Éber mich und meine<br />

MitschÉlerInnen, wissen Éber an<strong>der</strong>e soziale Gruppen, etc. transportiert und vermittelt werden. Zugleich werden durch den<br />

Éblichen Umgang miteinan<strong>der</strong> soziale Kompetenzen, Selbstvertrauen und -bewusstsein vermittelt.<br />

Das, was ich durch <strong>die</strong> Schule Éber mich und an<strong>der</strong>e zu wissen lerne, geschieht Éber verschiedene soziale und disziplinÅre<br />

Praktiken. Durch <strong>die</strong> Anerkennung meiner Person, meines persÄnlichen Hintergrundes (kultureller, sozialer Hintergrund),<br />

meiner persÄnlichen Art und Weise zu lernen o<strong>der</strong> durch <strong>die</strong> Abwertung meiner Person, meines persÄnlichen Hintergrundes<br />

(kultureller, sozialer Hintergrund), meiner persÄnlichen Art und Weise zu lernen, etc. und durch Benotung, EintrÅge ins<br />

Klassenbuch, Tadel, etc.<br />

Das ist spÅtestens seit PISA nichts Neues. Die Diskriminierung von SchÉlerInnen, <strong>die</strong> “nicht genÉgend” Deutschkenntnisse<br />

mitbringen, an<strong>der</strong>e kulturelle HintergrÉnde mitbringen - also nicht ”deutsch”-, einen bestimmten sozialen Status haben,<br />

scheinen weniger “gute” Leistungen erbringen zu kÄnnen.<br />

Dies sind Annahmen und Haltungen, <strong>die</strong> in <strong>der</strong> Schule als staatliche Institution und Erziehungsanstalt permanent<br />

transportiert und reproduziert werden. Die Struktur <strong>der</strong> Schule festigt und schreibt also bestimmte MachtverhÅltnisse, <strong>die</strong> in<br />

<strong>der</strong> <strong>Gesellschaft</strong> bestehen, fort.<br />

4.<br />

Der Anti-Bias Ansatz ist - fÉr mich- nicht nur ein pÅdagogisches Konzept, um durch bestimmte Methoden bestimmte<br />

Zielsetzungen erreichen zu kÄnnen, son<strong>der</strong>n bedeutet eine Haltung zu entwickeln, <strong>die</strong> dem/<strong>der</strong> An<strong>der</strong>en mit WertschÅtzung<br />

und Offenheit begegnet.<br />

Anti-Bias bedeutet - fÉr mich - <strong>die</strong> Schieflage, <strong>die</strong> Einseitigkeit, <strong>die</strong> in verschiedenen zwischenmenschlichen Beziehungen,<br />

in gesellschaftlichen Strukturen existiert, in ein Gleichgewicht zu setzen.<br />

Das bedeutet weiterhin, dass ich bei mir selbst angefangen, meine Annahmen, Vorurteile, meinen Umgang mit An<strong>der</strong>en<br />

reflektiere. In <strong>der</strong> Auseinan<strong>der</strong>setzung mit an<strong>der</strong>en kann ich unterschiedliche Perspektiven, RealitÅten und Wahrheiten<br />

kennen lernen, <strong>die</strong> mir bewusst machen, dass es nicht <strong>die</strong> eine Wahrheit gibt, dass das was fÉr mich selbstverstÅndlich ist, fÉr<br />

an<strong>der</strong>e nicht ebenso selbstverstÅndlich ist, aber deshalb sind <strong>die</strong>jenigen nicht dumm, weniger wert, etc.<br />

Anti-Bias Arbeit mÄchte auf <strong>die</strong> Mechanismen von Ein- und AusschlieÜungspraktiken aufmerksam machen, <strong>die</strong> ich erlerne<br />

und geht davon aus, dass <strong>die</strong>se verinnerlichten Machtbeziehungen verlernt werden kÄnnen. Die Voraussetzung ist <strong>die</strong><br />

Bereitschaft dafÉr, sich mit sich selbst, <strong>der</strong> eigenen Position in <strong>der</strong> <strong>Gesellschaft</strong>, den Privilegien und Benachteiligungen, <strong>die</strong><br />

ich erfahre auseinan<strong>der</strong> zu setzen und alternative Verhaltensweisen zu entwickeln.<br />

Ein Beispiel, um es etwas deutlicher zu machen: Es handelt sich um ein Beispiel aus den USA, welches L. Derman-Sparks in<br />

ihrem Buch “Teaching/learning anti-racism” in dokumentiert hat. Eine ihre StudentInnen erinnert sich, dass sie gelernt hat,<br />

dass alle Menschen gleich sind – ein demokratischer Grundsatz, <strong>der</strong> auch hier in Deutschland theoretische GÉltigkeit besitzt.<br />

In <strong>der</strong> Praxis – so <strong>die</strong>se Studentin habe sie an<strong>der</strong>erseits gelernt, dass es nicht gern gesehen wird, wenn sie mit dem<br />

schwarzafrikanischen Kind von <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en StraÜenseite spielt, es war auch nicht mÄglich, <strong>die</strong>se Familie einzuladen, denn<br />

'was wÉrden <strong>die</strong> Nachbarn dazu sagen?' <strong>Mein</strong>er <strong>Mein</strong>ung nach macht <strong>die</strong>ses kleine Beispiel sehr deutlich welche<br />

Wi<strong>der</strong>sprÉchlichkeiten Kin<strong>der</strong> erlernen, wonach sie sich aber auch verhalten. Hier kommen <strong>die</strong> asymmetrischen<br />

MachtverhÅltnisse <strong>der</strong> Erwachsenen/Kin<strong>der</strong>, WeiÜe/Schwarze zum tragen, <strong>die</strong> sich in dem Verhalten <strong>der</strong> Studentin<br />

manifestieren und bis zu dem Seminar bei L. Derman- Sparks nicht reflektiert und hinterfragt wurden.<br />

5.<br />

<strong>Mein</strong> Anliegen und Ziele meines Forschungsvorhabens sind aufzuzeigen, wie MachtverhÅltnisse sich fortsetzen und wie eben<br />

<strong>die</strong>se durch eine Auseinan<strong>der</strong>setzung mit sich selbst und an<strong>der</strong>en aufgebrochen werden kÄnnen und in eine nichtdiskriminierende<br />

Haltung transformiert werden kÄnnen.<br />

Ich mÄchte anhand internationaler Erfahrungen <strong>der</strong> Anti-Bias Arbeit insbeson<strong>der</strong>e in Instituionen, zeigen, dass<br />

VerÅn<strong>der</strong>ungen im Bildungssystem nicht nur notwendig, son<strong>der</strong>n vor allen auch machbar sind.<br />

FÉr <strong>die</strong> Institution Schule bedeutet <strong>die</strong>s als LehrerIn eine Haltung zu entwickeln, <strong>die</strong> den Kin<strong>der</strong>n mit WertschÅtzung<br />

begegnet, sie nicht gleich behandelt, son<strong>der</strong>n gleichwertig also bedÉrfnisorientiert und affirmativ und jedem Kind <strong>die</strong><br />

MÄglichkeiten bieten zur Entfaltung von <strong>Interesse</strong>n FÅhigkeiten und Fertigkeiten bietet, <strong>die</strong> es braucht. Ohne <strong>die</strong>se zu<br />

bewerten! Es bedeutet mit den KollegInnen, Eltern und SchÉlerInnen zusammenzuarbeiten, und eine kontinuierliche<br />

Auseinan<strong>der</strong>setzung mit sich selbst und an<strong>der</strong>en. Es bedeutet das “System Schule”,wie es an den meisten Orten konzipiert ist,<br />

radikal zu hinterfragen und zu verÅn<strong>der</strong>n.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!