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FAUD gegen Allgemeine Arbeiter-Union 1921

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arrikade zwo - November 2009<br />

sie lag in der Praxis. Jedoch die Hoffnungen des europäischen<br />

Proletariats sind nicht erschlagen, auch nicht auf die I.W.W.<br />

gerichtet. Die Hoffnung des europäischen Proletariats saugt<br />

ihre Kraft aus den andersgearteten, fortgeschrittenen (im bürgerlich<br />

zersetzenden — proletarisch stärkenden Sinne) Verhältnissen<br />

Europas, die das Proletariat vor andere Aufgaben<br />

stellen, als sie die amerikanischen <strong>Arbeiter</strong> vor sich haben. Die<br />

Theorie der I.W.W. reicht nicht aus, um den Anforderungen der<br />

europäisch-revolutionären Situation gerecht zu werden.<br />

Nur an einem Punkt und zum Glück dem hauptsächlichsten,<br />

ist die I.W.W. dem europäischen Proletariat zum Vorbild geworden.<br />

Die Zerstörung der alten Organisationsform (Gewerkschaften,<br />

politisch-parlamentarische Führerorganisation) ist<br />

für das europäische Proletariat ebenso notwendig, wie für das<br />

amerikanische auch. Die Erweckung des Selbstbewußtseins<br />

in Verbindung mit einer dem monopolisierten Kapital gewachsenen,<br />

geschlossenen, von den Mitgliedern allein bestimmten<br />

Organisation des Proletariats, die nur Klassen- und keine anderen<br />

Interessen mehr hat, die eindeutige, die erste, wirkliche<br />

Klassenkampforganisation des Proletariats ist zu schaffen.<br />

Dieses Neue, dieser erste Willensausdruck eines nicht mehr<br />

mit der Bourgeoisie verketteten Proletariats, hat in der amerikanischen<br />

I.W.W. seinen ersten Niederschlag gefunden. Diese<br />

Idee, nicht das widerspruchsvolle Drum und Dran ist das Geschenk<br />

der I.W.W. an das Weltproletariat. Die <strong>Arbeiter</strong>organisation<br />

in letzter Konsequenz ist ein anderer, ein wirklich moralischer<br />

Faktor, der uns Marxisten mehr bedeutet, als die einst<br />

in viel gefährlicheren Widersprüchen und Zweifeln geborene<br />

3. Internationale. Das Abwenden von Moskau hat gezeigt, daß<br />

die I.W.W. ihrer selbst gerecht zu werden versteht und eine<br />

neue Internationale wird wirklich den Ideen der Schöpfer der<br />

I.W.W. insoweit entsprechen, als sie in ihrer Prinzipienerklärung<br />

enthalten sind.<br />

IV.<br />

Die Verkennung der europäischen Situation durch die I.W.W.<br />

findet ihre beste Formel in der fast allgemeinen Auffassung,<br />

daß Lohnkämpfe und andere, den kapitalistischen Rahmen<br />

nicht sprengende Verbesserungen, dem europäischen Proletariat<br />

noch genau so möglich sind, wie dem amerikanischen.<br />

Dies ist jedoch kein Streitpunkt von tieferer Bedeutung, hier<br />

kann man mit Tatsachen erwidern. Auch, daß die spaßige<br />

Kampfmethode, der „Streik im Betrieb“, etwas in Europa Undenkbares<br />

ist, will den Genossen der I.W.W. schwer einleuchten.<br />

Die vollkommene Ignorierung der staatlichen Machtmittel<br />

hinderte Rockefeller in Colorado nicht, I.W.W.-Genossen zu<br />

morden und ein Streik in den Betrieben ist eine auch hier schon<br />

veraltete Taktik, die spezifisch amerikanisch, eine auch nur auf<br />

Bezirke begrenzte, der Bourgeoisie vollkommen ungefährliche<br />

Verhandlungszeit darstellt. „Streik in den Betrieben mit<br />

fortlaufender Entlohnung“, wie kann man darüber überhaupt<br />

ernsthaft reden. Wer streikt, liegt auf der Straße, in Amerika<br />

und überall. Und wer in die Betriebe will, ob „um zu streiken“,<br />

oder Streikbrecher zu entfernen, der wird abgeknallt von den<br />

Rockefellers des Erdballes. Die I.W.W. argumentiert hier mit<br />

Dingen, die gar nicht mehr da sind.<br />

Die Lohnkämpfe in Europa liegen noch in den Händen der<br />

konterrevolutionären Gewerkschaften und der von ihr geschaffenen<br />

Schlichtungsordnung. Bei Abkehrung des Proletariats<br />

von diesen Organisationen, die im Interesse des herrschenden<br />

Systems, das sich mit ihrem eigenen deckt, diese Kämpfe<br />

verraten müssen, würden Lohnkämpfe systematisch zu politischen,<br />

d. h.: Kämpfe um die Macht, die Produktionsmittel. Zu<br />

Zugeständnissen, die für das Proletariat von Bedeutung wären,<br />

ist die Bourgeoisie nicht mehr imstande. Ein Proletariat<br />

kann nicht erkämpfen, was nicht da ist, eine Klassenorganisation<br />

kann in Europa nur Klassenpolitik in letzter Instanz treiben.<br />

Ein Kampf des Proletariats den Klauen der Führerbürokratie,<br />

den konterrevolutionären Organisationen entrissen, würde die<br />

Staatsgewalt den Knüppel mobil machen und dem bewaffneten<br />

Kampf oder der völligen Preisgabe wäre nicht auszuweichen.<br />

Hierbei bliebe noch unberücksichtigt, daß ein vom Sozialreformismus<br />

losgelöstes Proletariat, keine sozialreformistische<br />

Politik treiben kann und würde. Wäre die „One big <strong>Union</strong>“ eine<br />

Möglichkeit, so hätte sie politische Kämpfe im Gefolge, eine<br />

Ignoranz wäre dann undenkbar, denn sie bedeutete den Tod.<br />

V.<br />

Die I.W.W. ist eine wirtschaftliche Organisation. Sie ist nicht<br />

antipolitisch, sie ist apolitisch. Sie bekämpft nur politische<br />

Parteien aus Selbsterhaltungstrieb und nur dann, wenn diese<br />

Parteien sich <strong>gegen</strong> sie wenden. Sie greift nicht an, schlägt<br />

nur zurück. Sie hat sich, wie im Programm gesagt wird, keinem<br />

Dogma, keiner „gebieterischen Philosophie“ verschrieben, duldet<br />

alle Ueberzeugungen in ihren Reihen, also auch Leute,<br />

die zur Kirche gehen, oder Hoover wählten oder den EKKI-<br />

Kurs mitmachten, absolut Alles, was nur arbeitet. Sie drängt<br />

tatsächlich zur „One big <strong>Union</strong>“ und denkt, ihre Organisation<br />

würde schon allein durch ihre Existenz imstande sein, einst<br />

den Laden zu schmeißen. Heute spitzt sich alles zu auf Reformen<br />

und Lohnverbesserungen und als Endziel propagiert<br />

man die Uebernahme der Produktion und baut die neuen Produktionsorgane,<br />

die neue Gesellschaftsform „in der Schale der<br />

alten“. Die I.W.W. ist nicht antiparlamentarisch, das ist ja ein<br />

politisches Problem; sie ignoriert dies, wie die anderen politischen<br />

Fragen. Sie ist nicht <strong>gegen</strong> den Staat, für sie existiert<br />

der Staat gar nicht. Alle Wege, die zur Massenorganisation<br />

führen, sind von ihr freigelegt. Wer mehr Lohn haben will, der<br />

soll zur I.W.W. gehen. Er kann zwar als Mitglied der sozialistischen<br />

Partei Amerikas gleichzeitig seine Willensäußerung<br />

wieder aufheben, aber das macht nichts, die I.W.W. ist loyal,<br />

sie ist großzügig. Auf ein paar Jahrhunderte kommt es ihr nicht<br />

an. Irgendwann wird in der Weltgeschichte schon wieder ein<br />

Parallelfall der Auflösung Roms eintreten. Dann werden sie<br />

die Produktion schon übernehmen, denn bis dahin haben sie<br />

genug Handbücher herausgegeben, aus denen zu ersehen ist,<br />

wie ein Chemietrust oder eine Strumpffabrik geleitet sein will.<br />

25<br />

In der kommenden<br />

Ausgabe der barrikade<br />

berichten wir über die<br />

kurze Geschichte der<br />

deutschen IWW.

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