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Verwaltungsrecht − AT - Studentenverbindung Concordia Bern

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<strong>Verwaltungsrecht</strong> − <strong>AT</strong><br />

1. Die Verwaltung<br />

1.0.1. Überblick: Die Verwaltung im demokratischen, freiheitlichen und sozialen<br />

Bundesstaat<br />

Was ist Verwaltung?<br />

• Verwaltung im organisatorischen Sinn: die Gesamtheit der Verwaltungsbehörden<br />

• Verwaltung im funktionellen Sinn:<br />

- negativ: Alles, was weder Rechtsetzung, noch Rechtsprechung noch Regierung ist.<br />

- positiv: Verwaltung ist die Besorgung gesetzlich übertragener Staatsaufgaben durch das<br />

Gemeinwesen.<br />

Was ist <strong>Verwaltungsrecht</strong>?<br />

<strong>Verwaltungsrecht</strong> ist das Recht der Staatsaufgaben; zum <strong>Verwaltungsrecht</strong> gehören alle generell−<br />

abstrakten Normen, welche:<br />

- die Erfüllung von Staatsaufgaben;<br />

- die damit zusammenhängenden Rechte und Pflichten von natürlichen und juristischen Personen;<br />

- die Organisation und Zuständigkeiten der Verwaltungsbehörden;<br />

- das Verwaltungsverfahren;<br />

regeln.<br />

1.1. Aufgaben der Verwaltung<br />

1.1.1. Arten der Verwaltungsaufgaben<br />

Kriterium: Zweck?<br />

Inhalt<br />

1) Ordnungsaufgaben - Eine bestimmte Ordnung einheitlich<br />

aufrechtzuhalten, vor Störungen zu bewahren;<br />

- Polizeiwesen.<br />

2) Sozialpolitische Aufgaben - Schutz oder Unterstützung schwächerer<br />

Gesellschaftsmitglieder.<br />

3) Lenkungsaufgaben - Zielzustand herbeizuführen / zu sichern;<br />

- prospektive Aufgaben;<br />

- Lenkungscharakter.<br />

4) Infrastrukturaufgaben - öffentliche Dienste offenzustellen ("services<br />

publics");<br />

- dienstleistender Charakter.<br />

In der BV<br />

"− wesen"<br />

"− schutz"<br />

"− politik"<br />

"− versorgung"<br />

"− wesen" (i. S. v.<br />

Einrichtungen)<br />

1.1.2. Arten der Aufgabenerfüllung<br />

Kriterien: - Instrument?<br />

- Qualität der Mittel?


<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 2 / 58<br />

Erf llung von Verwaltungsaufgaben<br />

mittelbare<br />

unmittelbare<br />

Wirtschaftende Vw :<br />

- Der Staat beteiligt sich am<br />

Wirtschaftsrecht;<br />

- Vw Finanzverm gen;<br />

- Fisk. Wettbewerbswirtschaft.<br />

Eingriffsverwaltung :<br />

Verpflichtend oder<br />

belastend<br />

Leistungsverwaltung :<br />

Erbringt Sach- oder<br />

Geldleistungen<br />

Bedarfsverwaltung :<br />

- Adminstrative Hilfst tigkeit;<br />

- Keine konkrete Wirkung nach aussen;<br />

- Personalwesen, Beschaffungswesen.<br />

~ Finanzverm gen ~ Verwaltungsverm gen<br />

1.2. Träger der Verwaltung<br />

1.2.1. Organisationsgrundsätze<br />

1) Gesetzmässigkeit<br />

Der Gesetzgeber bestimmt, wie es geht:<br />

Die strukturellen Grundfragen gehören<br />

dem Gesetz, aus demokratischen<br />

Gründen.<br />

2) Zentralisation<br />

= Zusammenfassung der Tätigkeiten in<br />

einer Zentralverwaltung<br />

= Unmittelbare Staatsverwaltung<br />

3) Universalität<br />

= Allzuständigkeit<br />

für die Zentralverwaltung<br />

4) Aufsicht<br />

- Die Beamten der Zentralverwaltung<br />

unterstehen der Dienstaufsicht der<br />

direkten Vorgesetzten und der<br />

übergeordneten Amtstellen;<br />

- Die Instanzen der dezentralizierten<br />

Verwaltung unterstehen der<br />

Verbandsaufsicht übergeordneter<br />

Einheiten der Zentralverwaltung.<br />

⇔<br />

⇔<br />

⇔<br />

⇔<br />

Organisationsgewalt<br />

Die Regierung bestimmt die Organisation der<br />

Vw: Die Zuteilung der verschiedenen Aufgaben<br />

ist Sache der Regierung.<br />

Dezentralisation<br />

= Einzelne Aufgaben werden an einen<br />

Organismus übertragen, der nicht direkt in die<br />

Zentralverwaltung eingebaut, sondern aus ihr<br />

ausgegliedert ist<br />

= Mittelbare Staatsverwaltung<br />

≠ Örtliche Verschiebung<br />

Spezialität<br />

= Die Instanz ist nur für die Bearbeitung der ihr<br />

besonders übertragenen Aufgaben zuständig<br />

für die dezentralisierte Verwaltung<br />

Autonomie<br />

Erhebliche Entscheidungsfreiheit


<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 3 / 58<br />

Ad 2): Man unterscheidet:<br />

Vertikale Dezentralisation<br />

Die Zentralverwaltung weist die Aufgabe<br />

einem nachgeordneten Gemeinwesen zu:<br />

Bund Kanton, Kanton Gemeinde<br />

(Föderative Struktur)<br />

1.2.2. Zentralverwaltung<br />

Horizontale Dezentralisation<br />

= sachliche Dezentralisation<br />

Motive:<br />

- grössere Flexibilität, grössere Effizienz, Kundennähe;<br />

- Heranziehen von vorbestehenden Subjekten (Bsp.:<br />

Schweizer Elektrotechnischer Verein);<br />

- Man spart sich den Aufbau einer zusätzlichen<br />

staatlichen Struktur.<br />

a) Verwaltungseinheit Verwaltungsfunktionär<br />

- Handelt nicht selbst, sondern bedarf nat. Pers.;<br />

- Bsp.: Bundesamt<br />

- Natürliche Personen;<br />

- "Agents publics", "Amtsinhaber".<br />

Jeder Verwaltungseinheit entspricht eine Zuständigkeit:<br />

• Sachliche Zuständigkeit: Sachgebiet, wofür das Bundesamt sachlich zuständig ist ("Ressort")<br />

• Funktionelle Zuständigkeit: Hierarchie<br />

• Örtliche Zuständigkeit.<br />

b) Hierarchie:<br />

• Über− / Unterordnungsverhältnisse;<br />

• Trotz Hierarchie sind die Beamten auf Kooperation angewiesen (Keine grosse Sanktionen, um<br />

Entscheide durchzusetzen);<br />

• Hierarchie ist nötig aus drei Gründen:<br />

- Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber Parlament und Volk;<br />

- Leistungsfähigkeit;<br />

- Koordinationsbedarf.<br />

• Vier Auswirkungen:<br />

- Dienstaufsicht (↓);<br />

- Evokation / Selbsteintritt (Der Übergesetzte übernimmt selbst eine Aufgabe, die einem<br />

Untergesetzten zusteht);<br />

- Dienstweg (↑);<br />

- Rechtsmittelweg (↑).<br />

c) Grundsätze der Zweckmässigkeit und der Leistungsfähigkeit der Verwaltung<br />

RVOG 3 3 , 8 2 .<br />

d) Konzentration / Dekonzentration<br />

• Konzentration: Eine einzige Verwaltungseinheit übernimmt die Aufgabe.<br />

• Dekonzentration:<br />

- Sachliche (horizontale) Dekonzentration: Aufgabenaufteilung auf Ämter;<br />

- Territoriale (vertikale) Dekonzentration: Aufgabenaufteilung auf örtliche Bezirke.<br />

1.2.3. Öffentlich− rechtliche Anstalten<br />

• Eine Anstalt ist eine von einem Gemeinwesen getragene, administrativ relativ verselbständigte,<br />

mit persönlichen und sachlichen Mitteln ausgestattete und mit Autonomie (im Rahmen des<br />

Anstaltszwecks) versehene Institution zur dauernden Erfüllung einer übertragenen<br />

Verwaltungsaufgabe;<br />

• Die Anstalt hat BenützerInnen;


<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 4 / 58<br />

• Sie bezweckt i.d.R. die Erbringung von Leistungen.<br />

• Es gibt: - autonome und nicht autonome Anstalten (Kriterium: Mass an Entscheidungsfreiheit);<br />

- rechtsfähige und nicht rechtsfähige (Kriterium: Rechtspersönlichkeit);<br />

- "Betriebe" (trägt einen Namen).<br />

• Beispiele: - Die Universität <strong>Bern</strong> (autonome Anstalt ohne Rechtspersönlichkeit)<br />

- Die Schweizerische Post (selbständige Anstalt mit Rechtspersönlichkeit)<br />

1.2.4. Öffentlich− rechtliche Körperschaften<br />

• Die öff.− recht. Körperschaft beruht auf öffentlich− rechtlicher Grundlage (ZGB 59 Abs. I).<br />

• Begriffselemente: - durch staatlichen Hoheitsakt (= Gesetz) errichtet;<br />

- rechtlich verselbständigt juristische Person i. S. v. Art. 52 2 ZGB<br />

(das Zivilrecht ist nur subsidiär anwendbar!);<br />

- mitgliedschaftlich verfasst;<br />

- mit Autonomie versehen;<br />

- zur selbständigen Erfüllung von − i.d.R. − übertragenen<br />

Verwaltungsaufgaben bestimmt.<br />

• Die Körperschaft hat Mitglieder;<br />

• Sie bezweckt die Selbstverwaltung.<br />

• Arten:<br />

Beispiele:<br />

Kriterium für die Mitgliedschaft:<br />

- Gebietskörperschaften Gemeinde Wohnsitz<br />

- Personalkörperschaften StudentInnenschaft Persönliche Eigenschaften<br />

- Realkörperschaften Bodensverbesserungs−<br />

genossenschaft<br />

Eigentum<br />

• Zwangsmitgliedschaft: - eine von Gesetzes wegen gegebene, obligatorische;<br />

- die Frage, ob eine Zwangsmitgliedschaft verfassungsmässig sei, ist<br />

ein Grundrechtsproblem.<br />

1.2.5. Öffentlich− rechtliche Stiftungen<br />

• Vermögensmassen, welche verselbständigt und einem bestimmten Zweck (= Erfüllung einer<br />

öffentlichen Aufgabe) gewidmet sind.<br />

• Beispiele: - Stiftung Schweizer Nationalpark;<br />

- Stiftung "Pro Helvetia".<br />

1.2.6. Zivilrechtliche Verwaltungsträger: Übertragung von Verwaltungsaufgaben an<br />

Private<br />

⋄<br />

⋄<br />

Begriff: Subjekte des Privatrechts erfüllen Aufgaben des Staats.<br />

Arten:<br />

• Gemischtwirtschaftliche Gesellschaften:<br />

- Zwei Möglichkeiten: 1) Der Staat beteiligt sich im Kapital der AG;<br />

2) Der Staat ist Organ der AG.<br />

- Funktion: Gewinnziel und Gemeinwohlziel zu verbinden;<br />

- Bsp.: FMB, Swissair, Swisscom;<br />

• Öffentliche Unternehmen in Privatrechtsform;<br />

• Übertragung an schon vorbestehende Rechtssubjekte ("Beleihung"):<br />

Zwecke: - Der Staat erspart Kosten;<br />

- Er benützt Fachkenntnisse der Privaten.


<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 5 / 58<br />

Beispiele:<br />

SRG, Schweizer Nationalfonds.<br />

⋄ Rechtsfolgen: - Sie stehen unter der Aufsicht der Zentralverwaltung;<br />

- Sie haften wie der Staat (im Bund: VerantwortlichkeitsG);<br />

- Sie unterliegen dem Verfahrensrecht wie der Staat<br />

(Art. 1 Abs. 2 Bst. e VwVG, Art. 98 Bst. h OG).<br />

1.2.7. NPM und Privatisierung<br />

a) Was bedeutet Privatisierung?<br />

Hinter diesem Wort stehen mehrere Begriffe:<br />

• Eine Staatsaufgabe wird an zivilrechtliche Verwaltungsträger übertragen;<br />

• Ein Staatsmonopol wird an Privaten geöffnet;<br />

• Eine Staatsaufgabe wird abgeschafft, zur Selbstregulierung.<br />

b) Was bedeutet New Public Management?<br />

≠ Privatisierung!<br />

= Reorganisation der Staatsverwaltung im Sinne von mehr Effizienz<br />

• Mängel des "Old Public Management":<br />

- Unklare Aufteilung der Verantwortungen zwischen Parlament und Regierung;<br />

- Mangelnde Steuerungskraft des Gesetzes;<br />

- Starre Ressourcenbewirtschaftung (Das Budget ist für ein Jahr vorgesehen keine langfristige<br />

Planung möglich)<br />

• Lösungsansätze:<br />

- Trennung Ziel− / Managementverantwortungen<br />

Parlament Regierung<br />

- Mehr Autonomie für Regierung und Verwaltung;<br />

- Globalbudget.<br />

• Konsequenzen:<br />

- Spannungsverhältnis zum Demokratieprinzip: Parlament und Volk könnten den gesamten<br />

politischen Prozess nicht mehr steuern;<br />

- Die Rechtssatzbindung sollte gelockert werden, mit offeneren Gesetzen, um mehr<br />

Handlungsfreiheit zu haben Problem mit Legalitäts− und Rechtsstaatsprinzipien;<br />

- Problem auf Ebene der Praktikabilität: Wie kann man die Bedürfnisse abschätzen?<br />

- Grundproblem: Der Markt erzielt Gewinn, der Staat erzielt Konsens.<br />

Zwei ganz verschiedene Grundgedanken!


<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 6 / 58<br />

2. Die Rechtsbindungen der Verwaltung<br />

2.0.1. Überblick: Die Verwaltung als rechtsgebundene Staatsfunktion<br />

"Alles Verwaltungshandeln ist Rechtshandeln": Die Verwaltung, im Gegensatz zu Privaten, verfügt<br />

über keine Privatautonomie; sie hat Staatsaufgaben zu erfüllen und muss dafür von ihrer<br />

Handlungsfreiheit pflichtgemäss Gebrauch machen.<br />

2.1. Rechtsquellen des <strong>Verwaltungsrecht</strong>s<br />

2.1.1. Gesetz<br />

Definition: • im materiellen Sinne: Rechtssatz<br />

Normstruktur: generell−abstrakt<br />

• im formellen Sinne: Erlassverfahren, ordentliches Gesetzgebungsverfahren<br />

2.1.2. Verordnung<br />

Verordnungen sind Erlasse, Rechtssätze, die der BV oder den Gesetzen geordnet sind.<br />

Verordnungen (Vo)<br />

1)<br />

ParlamentsVo<br />

GerichtsVo<br />

RegierungsVo<br />

2)<br />

VerwaltungsVo<br />

RechtsVo<br />

3)<br />

Selbst ndige Vo<br />

Unselbst ndige Vo<br />

4)<br />

VollziehungsVo<br />

Gesetzesvertretende Vo


<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 7 / 58<br />

1) Parlaments− / Gerichtsverordnungen Regierungsverordnungen<br />

Je nach erlassenden Behörden<br />

2) Verwaltungsverordnungen Rechtsverordnungen<br />

- richten sich an die Behörden und<br />

verpflichtet sie;<br />

- Führungsmittel für die<br />

Verwaltungsbehörden;<br />

- enthalten keine Rechtssätze, keine Quelle<br />

für das <strong>Verwaltungsrecht</strong>.<br />

3) Selbständige Verordnungen<br />

- beruht auf der BV;<br />

- Bestand hängt nicht vom Gesetz ab.<br />

- richten sich an die Allgemeinheit;<br />

- <strong>Verwaltungsrecht</strong>squelle.<br />

Unselbständige Verordnungen<br />

- beruht auf einem Gesetz;<br />

- Bestand hängt vom Bestand des Gesetzes ab.<br />

4) Vollziehungsverordnungen Gesetzesvertretende Verordnungen<br />

inhaltliches Verhältnis zum Gesetz:<br />

- vom Gesetz vorbestimmt;<br />

- das Gesetz ist vollständig, muss aber für<br />

dessen Anwendung in Praxis mehr<br />

entfaltet werden;<br />

- Vo übernimmt keine Gesetzesfunktion;<br />

- Der BR ist befugt, VollziehungsVo zu<br />

erlassen, auch wenn es das Gesetz nicht<br />

vorsieht (BV 102 Ziff. 5).<br />

2.1.3. Autonome Satzung<br />

- vom Gesetz nicht vorbestimmt;<br />

- das Gesetz ist unvollständig (Leerstelle im<br />

Gesetz);<br />

- Vo übernimmt Gesetzesfunktion;<br />

- Gesetzesvertretende Vo kann der BR nur<br />

erlassen, wenn das Gesetz ihn dazu<br />

ausdrücklich ermächtigt.<br />

= Reglemente, Statuten (Bsp.: Gemeindereglemente).<br />

Sie können Funktion eines Gesetzes haben, wenn sie referendumspflichtig sind (formelles Gesetz).<br />

2.1.4. Allgemeine Rechtsregeln, Gewohnheitsrecht, Richterrecht<br />

a) Gewohnheitsrecht<br />

• Definition: Gewohnheitsrecht ist ungeschriebenes Recht, das gestützt auf langjährige Anwendung<br />

durch die Behörden und auf Anerkennung durch Behörden und betroffene Bürger<br />

Geltung beansprucht.<br />

• Problem: Spannung zum Gesetzmässigkeitsprinzip.<br />

• 2 Voraussetzungen für Anerkennung durch das Bundesgericht:<br />

- langjährige, ununterbrochene und unangefochtene Praxis;<br />

- Rechtsüberzeugung aller Beteiligten, d.h. der Behörden und der Bürger (= "opinio juris").<br />

b) Richterrecht<br />

• Definition: jene Grundsatzentscheidungen des Bundesgerichts, welche...<br />

- die Verfassung ergänzen, indem sie (über blosse Verfassungsauslegung hinaus)<br />

Lücken der Verfassung schliessen oder unbestimmte Rechtsbegriffe der<br />

Verfassung konkretisieren;<br />

- an der Stelle fehlender Gesetzgebung treten.<br />

• Die Entscheidungen des Bundesgerichts haben nicht Gesetzeskraft; sie wirken nur für den jeweils<br />

entschiedenen Rechtsstreit.


<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 8 / 58<br />

• Beispiele:<br />

- Konkretisierung von BV 4 (Rechtsgleichheit);<br />

- Anerkennung ungeschriebener Grundrechte;<br />

- Derogatische Kraft des Bundesrechtes;<br />

- Gemeindeautonomie;<br />

- Gewaltenteilungsgrundsatz;<br />

- Stimmrecht.<br />

c) Allgemeine Rechtsregeln<br />

• These: Die allgemeinen Rechtsregeln sind ungeschriebene Verfassungsnormen;<br />

• Nach h. L. sind Verzinsung und Verjährung Gesetzesrecht, nicht Verfassungsrecht.<br />

2.1.5. Bedeutung des Völkerrechts und des Verfassungsrechts für das VwR<br />

a) Verfassungsrecht<br />

Man muss streng unterscheiden:<br />

BV als Quelle von <strong>Verwaltungsrecht</strong>ssätzen:<br />

- BV ist Verfügungsgrundlage<br />

- Bsp.: Art. 22 ter Abs. 3, 24 bis Abs. 3 + 4;<br />

32 quater Abs. 6, 70<br />

b) Völkerrecht<br />

BV als Grundlage, Schranke, Direktive von<br />

<strong>Verwaltungsrecht</strong>ssätzen<br />

Völkerrecht ist nur dann VwR’quelle, wenn es direkt anwendbares <strong>Verwaltungsrecht</strong> enthält.<br />

Bsp.: EMRK 6<br />

2.1.6. Bedeutung von Zivilrecht und Strafrecht für das <strong>Verwaltungsrecht</strong><br />

a) Zivilrecht<br />

Relevanz der Unterscheidung:<br />

• Zivilrecht: Recht der Privatautonomie;<br />

• Öff., VwR: Recht der staatlichen Aufgaben.<br />

Konsequenzen dieser Unterscheidung:<br />

• Die Gesetzesbindung ist viel strenger für das öffentliche Recht;<br />

• das <strong>Verwaltungsrecht</strong> ist i.d.R. zwingender Natur;<br />

• das <strong>Verwaltungsrecht</strong> wird von Amtes wegen angewendet;<br />

• Rechtsschutz beim <strong>Verwaltungsrecht</strong> durch Beschwerdeverfahren (≠ Klageverfahren)<br />

Individuum ⇔ Staat (kein Zweiparteienverhältnis)<br />

• Der Sachverhalt wird von Amtes wegen festgestellt (≠ ZGB 8).<br />

Abgrenzung:<br />

Subordinationstheorie<br />

Interessentheorie<br />

Funktionstheorie<br />

Faustregel:<br />

Abgrenzungskriterium<br />

Bestehen eines Unterordnungsverhältnisses<br />

Verfolgung eines öffentlichen Interesses<br />

Verfolgung einer staatlichen Aufgabe<br />

Wenn ein Verwaltungsträger eine staatliche Aufgabe erfüllt, ist öffentliches Recht<br />

anzuwenden, es sei denn, das Gesetz sage es anders.


<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 9 / 58<br />

Im einzelnen:<br />

• Wirtschaftende Vw i.d.R. in Form des Zivilrechts;<br />

• Leistungsverwaltung <br />

in Form des Zivilrechts, wenn das Gesetz sagt, dass sich die Beziehung<br />

nach Zivilrecht abwickelt;<br />

• Bedarfsverwaltung Zweistufentheorie:<br />

- Staatsinterne Willensbildung öff.− rechtl. Bindung<br />

- Abschluss des Rechtsgeschäfts Zivilrecht*, es sei denn, es<br />

liege eine Verfügung vor.<br />

*Bemerkung:<br />

b) Strafrecht<br />

Beim Vertragsabschluss ist der Staat an das Rechtsgleichheitsgebot und an das<br />

Willkürverbot gebunden; im Gegensatz zum Privaten geniesst er keine Privatautonomie.<br />

Zum Beispiel darf er seine Leistungen nicht zu verschiedenen Preisen anbieten.<br />

• Das Bundesgesetz über das Verwaltungsstrafrecht findet Anwendung auf alle Widerhandlungen,<br />

deren Verfolgung und Beurteilung Verwaltungsbehörden des Bundes übertragen sind.<br />

• Verknüpfungen zwischen <strong>Verwaltungsrecht</strong> und Strafrecht:<br />

- Ein Strafgericht kann vorfrageweise über eine verwaltungsrechtliche Frage entscheiden, wenn<br />

diese für die strafrechtliche Beurteilung relevant ist.<br />

- Umgekehrt kann die Verhängung einer Strafe verwaltungsrechtliche Folgen haben, so überall<br />

dort, wo für die Ausübung eines Amtes, für die Zulassung zu einer Anstalt usf. ein guter Leumund<br />

verlangt ist.<br />

- Es kommt oft vor, dass ein deliktisches Verhalten sowohl eine strafrechtliche als auch eine<br />

verwaltungsrechtliche Sanktion nach sich zieht. Eine solche doppelte Sanktionierung ist<br />

zulässig, soweit sie unterschiedlichen Anliegen dient.<br />

2.2. Verfassungsgrundsätze des <strong>Verwaltungsrecht</strong>s<br />

2.2.1. Gesetzmässigkeitsprinzip = Legalitätsprinzip<br />

a) Begriff<br />

Der Staat darf nur auf Grund und in Rahmen einer gültigen gesetzlichen Grundlage handeln. Alle<br />

Staatstätigkeit ist an das Gesetz gebunden und nur gestützt auf das Gesetz zulässig. Alle<br />

Staatsorgane sind an das Gesetz gebunden.<br />

Was bedeutet "gesetzliche Grundlage"?<br />

• Rechtssatzmässigkeit ("Vorbehalt des Gesetzes"): Alle Staatstätigkeit darf nur aufgrund von<br />

generell− abstrakten Rechtsnormen ausgeübt werden.<br />

• Rechtmässigkeit ("Vorrang des Gesetzes"):<br />

- Formell: In einem richtigen Gesetzgebungsverfahren zustandegekommen;<br />

- Materiell: Mit übergeordnetem Recht übereinstimmend.<br />

b) Funktionen des Gesetzmässigkeitsprinzips<br />

• Demokratische Funktion:<br />

Sicherung der Demokratie durch die Legitimation der gesetzlichen Grundlage: Der Rechtssatz<br />

muss vom Parlament und Volk legitimiert sein;<br />

Richtige angemessene Normstufe.


<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 10 / 58<br />

• Rechtsstaatliche Funktion:<br />

Gewährleistung der Rechtssicherheit und der Rechtsgleichheit durch die Berechenbarkeit der<br />

gesetzlichen Grundlage: Bestimmbarkeit des Rechtssatzes ist anzustreben;<br />

Angemessene Normdichte.<br />

c) Geltungsbereich<br />

Es ist zu unterscheiden zwischen:<br />

• Verwaltungsorganisation demokratische Funktion des Gesetzmässigkeitsprinzips<br />

• Arten der Aufgabenerfüllung: vor allem rechtsstaatliche F. des Gesetzmässigkeitsprinzips<br />

- Eingriffsverwaltung: Es gilt uneingeschränkt.<br />

- Leistungsverwaltung: Es gilt (insbesondere in grundrechtsrelevanten Bereichen wie im<br />

Sozialversicherungsrecht), aber mit Einschränkungen.<br />

- Bedarfsverwaltung: Es gilt nur eingeschränkt.<br />

d) Anforderungen an die Ausgestaltung der gesetzlichen Grundlage?<br />

Normstufe Legitimation Gesetz<br />

⇔<br />

Flexibilit t Verordnungen<br />

Normdichte<br />

Berechenbarkeit<br />

bestimmt<br />

⇔ Einzelfallgerechtigkeit<br />

offen<br />

• Rechtssicherheit und Rechtsgleichheit werden durch Berechenbarkeit gesichert.<br />

• Offene Normen dienen der Konkretisierung von komplexen Materien.<br />

• Faustregel: Je wichtiger ein Anliegen angeschätzt wird, desto höher liegen die Anforderungen an<br />

Normdichte und Normstufe.<br />

e) Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen (Gesetzesdelegation)<br />

• Problem: Der Forderung nach möglich vollständiger Regelung im Gesetz steht das Anliegen<br />

adäquater Flexibilität einer Regelung gegenüber.<br />

• Definition: Unter Gesetzesdelegation wird die Übertragung von Rechtsetzungskompetenzen<br />

an die Exekutive (Verwaltung) verstanden.<br />

• Die entsprechenden Verordnungen erhalten gesetzesvertretende Funktion.<br />

• Im Entscheid "Wäffler" (BGE 103 Ia 369) sagte das Bundesgericht, dass die Delegation von<br />

Rechtsetzungskompetenzen an die Verwaltung einen Einbruch in das als verfassungsmässiges Recht<br />

anerkannte Gewaltenteilungsprinzip darstellt und die demokratischen Rechte der Bürger auf<br />

Mitwirkung bei der Gesetzgebung beschränkt.<br />

• Voraussetzungen:<br />

- Die Delegation darf (im kantonalen Bereich) nicht durch die Kantonsverfassung ausgeschlossen<br />

sein;<br />

- Sie muss sich auf eine bestimmte Materie beziehen;<br />

- Die Delegationsnorm muss in einem formellen Gesetz enthalten sein;<br />

- Das Grundsätzliche zu Inhalt, Zweck, und Ausmass der Rechtsetzung muss in einem Gesetz im<br />

formellen Sinne verankert werden, soweit die Rechtsstellung von Bürgern schwerwiegend<br />

betroffen wird (Erfordernis hinreichender Substantiierung der Regelung im formellen Sinne);


<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 11 / 58<br />

2.2.2. Öffentliches Interesse<br />

• Für konkrete Grundrechtsbeschränkungen ist ein überwiegendes öffentliches Interesse erforderlich;<br />

um diese zu prüfen, muss eine Güterabwägung vorgenommen werden zwischen den<br />

Grundrechtsinteressen und den gegenläufigen Interessen, die sich aus besonderen Staatsaufgaben,<br />

aber auch aus Grundrechten oder sonstigen Rechten anderer ergeben.<br />

• Rechtsschutz: Die Grundsätze des öffentlichen Interesses und der Verhältnismässigkeit sind<br />

keine verfassungsmässigen Rechte, sondern nicht selbständig durchsetzbare<br />

Verfassungsprinzipien.<br />

2.2.3. Verhältnismässigkeit<br />

Das Verhältnismässigkeitsprinzip wird in verschiedenen Einzelaspekten aufgegliedert:<br />

• Eignung:<br />

Eine Massnahme muss tauglich sein, den angestrebten Erfolg überhaupt zu erzielen. Sie darf das<br />

anvisierte Ziel nich verfehlen (Zwecktauglichkeit und Zielkonformität);<br />

• Erforderlichkeit (Notwendigkeit):<br />

Auch eine geeignete Massnahme ist dann unzulässig, wenn eine gleich geeignete, mildere Anordnung<br />

für den angestrebten Erfolg ausreicht; mit anderen Worten, der Eingriff darf in sachlicher, räumlicher,<br />

zeitlicher und personeller Hinsicht nicht weiter gehen als notwendig;<br />

• Verhältnismässigkeit i.e.S. (Zumutbarkeit):<br />

Auch eine geeignete und notwendige Massnahme kann unverhältnismässig sein, wenn der mit ihr<br />

verbundene Eingriff im Vergleich zur Bedeutung des angestrebten Ziel unangemessen schwer wiegt,<br />

also keine vernünftige Zweck−Mittel−Relation vorliegt.<br />

2.2.4. Treu und Glauben<br />

a) Begriff<br />

Dieses Gebot richtet sich an das Gemeinwesen!<br />

3 Ausprägungen: • Vertrauensschutz im engeren Sinne<br />

• Verbot des widersprüchlichen Verhaltens<br />

• Verbot des Rechtsmissbrauchs<br />

Vertrauensschutz:<br />

Die Privatperson hat Anspruch darauf, in ihrem berechtigten Vertrauen in<br />

Behörden geschützt zu werden, wenn er besondere Erwartungen begründet hat.<br />

Abgrenzungen:<br />

Vertrauensschutz<br />

Rechtssicherheit<br />

Gemeinsam: Sie schützen das Vertrauen im Recht<br />

• individuelles Vertrauen (einer einzigen Person); • generelles Vertrauen (der Gemeinschaft);<br />

• konkretisierte Rechtslage; • Bestätigung der Rechtsordnung;<br />

• subjektives Interesse. • objektives Interesse.<br />

Zwischen Vertrauensschutz und Gesetzmässigkeitsprinzip besteht ein Spannungsverhältnis; grundsätzlich<br />

hat das Gesetzmässigkeitsprinzip den Vorrang:<br />

• demokratische Legitimation des Gesetzes;<br />

• das Gesetzmässigkeitsprinzip dient der Rechtsgleichheit;<br />

• das Gesetz dient einem allgemeinen Interesse.<br />

b) Struktur des Vertrauensschutzes<br />

Voraussetzungen des Vertrauensschutzes allgemein:


<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 12 / 58<br />

• Vertrauensgrundlage, Anknüpfungspunkt<br />

- jedes Verhalten einer Behörde (Form gleichgültig): Auskunft;<br />

• Berechtigung des Vertrauens in die Grundlage<br />

- Kenntnis von der Grundlage;<br />

- eigene Fehlerhaftigkeit ist nicht erkennbar;<br />

• Vertrauensbetätigung<br />

- gestützt auf der Berechtigung hat die Privatperson Dispositionen (= Geldausgabe) betätigt, die sie<br />

nicht ohne Nachteil rückfordern kann;<br />

- Kausalzusammenhang zwischen Dispositionen und Nachteil.<br />

Der Vertrauensschutz soll hindern, dass ein Nachteil aus einem berechtigten Vertrauen entsteht.<br />

Rechtsfolgen: • Der Staat haftet Leistung<br />

• Wenn Behaften gegen öffentliches Interesse verstösst Schadenersatz<br />

c) Unrichtige Auskünfte und Zusicherungen als Anwendungsfall des Vertrauensschutzes<br />

Rechtsprechung: BGE 116 V 298 E. 3a; BGE 121 II 479 E. 2c.<br />

Auskünfte und Zusicherungen:<br />

Massgeblichkeitsvoraussetzungen<br />

Vertrauensschutz:<br />

Strukturelemente<br />

• Konkret und vorbehaltlos Vertrauensgrundlage<br />

• Zuständigkeit in der Sache Berechtigung des Vertrauens<br />

• Unrichtigkeit nicht offensichtlich Berechtigung des Vertrauens<br />

• Dispositionen Vertrauensbetätigung<br />

• Unveränderte Rechts− und Sachlage Vertrauensgrundlage<br />

2.2.5. Rechtsgleichheit<br />

a) Allgemeines<br />

Das Rechtsgleichheitsgebot von BV 4 1 nimmt sowohl rechtsetzende als auch rechtsanwendende<br />

Behörden in Pflicht. Es gebietet, Gleiches nach Massgabe der Gleichheit gleich, Ungleiches nach<br />

Massgabe der Ungleichheit ungleich zu behandeln. Vorausgesetzt ist, dass sich der Unterschied oder<br />

die Gleichstellung auf rechtlich wesentliche Tatsachen bezieht; die Behandlung von zwei Sachverhalten<br />

in gleicher oder ungleicher Weise muss sich immer auf vernünftige sachliche Gründe stützen.<br />

b) Rechtsgleichheit in der Rechtsetzung<br />

Ein Erlass verletzt das Rechtsgleichheitsgebot, wenn er rechtliche Unterscheidungen trifft, für die ein<br />

vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen nicht ersichtlich ist, oder Unterscheidungen<br />

unterlässt, die sich aufgrund der Verhältnisse aufdrängen.<br />

c) Rechtsgleichheit in der Rechtsanwendung<br />

Das Rechtsgleichheitsgebot verbietet die ungleiche Anwendung des Rechts auf vergleichbare<br />

Sachverhalte, sofern hiefür keine sachlichen Gründe gegeben sind, d.h. sofern sie sich nicht in<br />

rechtswesentlicher Weise unterscheiden.<br />

2.2.6. Willkürverbot<br />

a) Allgemeines<br />

Das Willkürverbot ist ein elementarer Grundsatz rechtsstaatlichen Handelns. Staatliches Handeln ist<br />

dann willkürlich, wenn es grob unrichtig, d.h. durch keine ernsthaften sachlichen Gründe zu<br />

rechtfertigen ist.


<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 13 / 58<br />

b) Willkür in der Rechtsetzung<br />

...ist dann gegeben, wenn sich eine Regelung nicht auf ernsthafte sachliche Gründe stützen lässt oder<br />

sinn− und zwecklos ist.<br />

c) Willkür in der Rechtsanwendung<br />

⋄<br />

Rechtsanwendungsakte (Urteile, Verfügungen, Entscheide) sind willkürlich, wenn sie offensichtlich<br />

unhaltbar sind, zur tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen, eine Norm oder einen<br />

unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzen oder in stossender Weise dem<br />

Gerechtigkeitsgedanken zuwiderlaufen; die Willkür ist objektive (qualifizierte) Unrichtigkeit.<br />

⋄<br />

Fallgruppen:<br />

• Fälle offensichtlicher, schwerwiegender Rechtsverletzung, vor allem durch<br />

- eindeutiges Abweichen vom klaren Wortlaut einer Norm (sofern die Auslegung kein<br />

Abweichen vom klaren Wortlaut gebietet);<br />

- schwerwiegend zweckwidrige Anwendung einer Norm (im Ermessensbereich gilt dies als<br />

Ermessensmissbrauch);<br />

• Fälle gravierender Fehler in der Tatbestandsermittlung, z.B. in der Beweiswürdigung;<br />

• Fälle eines stossenden, die Gerechtigkeit verletzenden Ergebnisses (unter anderen die Fälle des<br />

überspitzten Formalismus in Verfahren);<br />

• Fälle eines ungerechtfertigten Methodenpluralismus.<br />

2.3. Anwendung des <strong>Verwaltungsrecht</strong>s<br />

2.3.1. Räumliche Geltung von <strong>Verwaltungsrecht</strong>ssätzen<br />

• Grundsatz: Territorialitätsprinzip: Ein Rechtssatz kann nicht über das Territorium des<br />

Gemeinwesens hinauswirken, von dem er erlassen wurde.<br />

Relevanz: Steuerrecht (BV 46 2 )<br />

• Ausnahme: dort, wo ein Rechtssatz an das Schweizerbürgerrecht anknüpft und Schweizer<br />

BürgerInnen auch im Ausland gewissen Regeln unterwirft.<br />

Bsp.: BG über die politischen Rechte der Auslandschweizer.<br />

2.3.2. Zeitliche Geltung von <strong>Verwaltungsrecht</strong>ssätzen<br />

• Grundsätze: - Ein Rechtssatz gilt erst, wenn er publiziert ist;<br />

- Ein Rechtssatz ist nicht anwendbar auf Sachverhalte, die vor seinem<br />

Inkrafttreten und nach seinem Ausserkrafttreten entstanden sind.<br />

• Übergangsproblem: Rechtsänderungen sind jederzeit möglich; sie bilden keinen Verstoss gegen das<br />

Prinzip der Rechtssicherheit, solange sie motiviert sind; sie bilden auch keinen Verstoss gegen das<br />

Vertrauensschutzprinzip, solange kein individualisiertes Vertrauen begründet wurde.<br />

• Falls es keine spezialgesetzliche Regelung (Übergangsbestimmungen) gibt, greifen subsidiär die<br />

Rechtsprechungsgrundsätze<br />

Abwägung zwischen Kontinuitätsinteresse und Geltungsinteresse.


<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 14 / 58<br />

a) Nachwirkung<br />

Verwaltungsverfahren<br />

2. Instanz<br />

• Rechtsänderung während erstinstanzlichem Verfahren<br />

Neues Recht<br />

• Rechtsänderung während Beschwerdeverfahren<br />

Altes Recht; Ausnahme: überwiegende öffentliche Interessen<br />

b) Vorwirkung<br />

• Ein Erlass wird angewendet, obwohl er noch nicht in Kraft getreten ist;<br />

• das alte, massgebliche Recht wird nicht angewendet.<br />

Sachverhalt<br />

1. Instanz<br />

Altes Gesetz<br />

Neues Gesetz<br />

2 Fälle: • Negative Vorwirkung: Die Anwendung des alten Gesetzes wird abgelehnt<br />

zulässig, wenn: - vom alten Gesetz vorgesehen und<br />

- keine grosse Verzögerung.<br />

• Positive Vorwirkung: Das neue Gesetz wird an Stelle des alten Gesetzes angewendet<br />

unzulässig: Verstoss gegen Gesetzmässigkeitsprinzip<br />

c) Rückwirkung<br />

• Definition: Anknüpfen neuer gesetzlicher Normen an einen in der Vergangenheit eingetretenen<br />

und abgeschlossenen Sachverhalt<br />

• Echte Rückwirkung: Das neue Recht wird auf einem Sachverhalt angewendet, der unter dem alten<br />

Recht stattgefunden hat.<br />

grundsätzlich unzulässig, ausser wenn: - gesetzliche Grundlage;<br />

- öffentliches Interesse;<br />

- verhältnismässig.<br />

Sachverhalt<br />

Altes Gesetz<br />

Neues Gesetz


<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 15 / 58<br />

• Unechte Rückwirkung: Ein Sachverhalt wird erfasst, der zwar in der Vergangenheit entstanden<br />

ist, jedoch in die Gegenwart hinein fortdauert<br />

grundsätzlich zulässig<br />

Sachverhalt<br />

Altes Gesetz<br />

Neues Gesetz<br />

2.3.3. Auslegung und Lückenfüllung<br />

Kriterien: • grammatikalische Auslegung;<br />

• systematische Auslegung;<br />

- verfassungskonforme Auslegung;<br />

- völkerrechtskonforme Auslegung;<br />

• teleologische Auslegung;<br />

• historische Auslegung;<br />

- subjektiv− historische Auslegung;<br />

- objektiv− historische Auslegung;<br />

• geltungszeitliche Auslegung.<br />

Für das Bundesgericht hat die Kombination von teleologischer Auslegung und geltungszeitlicher<br />

Auslegung den Vorrang.<br />

2.3.4. Ermessen und unbestimmter Gesetzesbegriff<br />

Ermessen<br />

Unbestimmter Gesetzesbegriff<br />

Ort der Offenheit Rechtsfolgeseite Tatbestandseite<br />

Typische Begriffe - "kann"<br />

- "wichtige Gründe"<br />

- "nach Möglichkeit"<br />

- "Eignung"<br />

- "soweit zumutbar"<br />

- "leichter Fall"<br />

Handhabung Angemessenheitsfrage Rechtsfrage<br />

Gerichtliche Überprüfung i.d.R. nur auf Rechtsfehler grundsätzlich frei, aber<br />

Beurteilungsspielraum<br />

Ermessen bedeutet immer: pflichtgemässes Ermessen.<br />

Die Behörde muss entscheiden, indem sie allgemeine Grundsätze berücksichtigt, ihr Ermessen<br />

zweckmässig ausübt.<br />

Es gibt zwei Arten von Ermessen:<br />

Der Verwaltung steht ein Spielraum offen...<br />

• Entschliessungsermessen: ...ob eine Massnahme zu treffen sei oder nicht;<br />

• Auswahlermessen: ...bei der Wahl zwischen zwei oder mehreren Möglichkeiten.


<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 16 / 58<br />

3. Das Handeln der Verwaltung<br />

3.0.1. Überblick: Die Handlungsformen und der Vorrang der Verfügung<br />

Handlungsformen der Verwaltung<br />

<br />

Realakt<br />

Rechtsakt<br />

<br />

Öffentlich−rechtlich<br />

<br />

Privatrechtlich<br />

Nach innen<br />

wirkend<br />

Nach aussen<br />

wirkend<br />

Generell−<br />

abstrakt<br />

(individuell)−<br />

konkret<br />

Generell−<br />

abstrakt<br />

(individuell)−<br />

konkret<br />

<br />

Einseitig<br />

Zweiseitig<br />

Realakt Vw−Vo Dienstbefehl RechtsVo Plan Verfügung Vwr. Vertrag Zivilr.<br />

Vertrag<br />

Taterfolg Rechtserfolg<br />

Öff. R PrivatR<br />

Nur Behörden auch Private<br />

hoheitlich konsensual<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Frage nach dem Erfolg: Taterfolg oder Rechtserfolg?<br />

Frage nach der Rechtsgrundlage: Öffentliches Recht oder Privatrecht?<br />

Frage nach den Adressaten: Nur Behörden oder auch Private?<br />

Frage nach dem Handlungsmodus: Hoheitlich oder konsensual?<br />

3.1. Die Verfügung<br />

3.1.1. Begriff, Funktion und Arten der Verfügung<br />

a) Begriff<br />

Legaldefinition der Verfügung in VwVG 5:<br />

Als Verfügung im Sinne von Art. 5 VwVG gilt die Anordnung einer Behörde , mit der im<br />

Einzelfall ein Rechtsverhältnis geregelt wird in einseitiger und verbindlicher Weise,<br />

gestützt auf öff. Recht des Bundes .<br />

<br />

Verfügungskompetente Behörde:<br />

• Aufzählung in VwVG 1 2 ;<br />

• Faustregel: Wer eine Verwaltungsbefugnis in einem Bereich hat, der hat auch die<br />

Verfügungsbefugnis.


<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 17 / 58<br />

Die Verfügungsbefugnis kann entfallen, wenn...<br />

• der Verwaltungsträger keine Staatsaufgabe erfüllt (z.B. wirtschaftende Verwaltung);<br />

• der Verwaltungsträger zwar eine Staatsaufgabe erfüllt, aber auf eine Gleichheitsebene handelt;<br />

• das Gesetz die Behörde auf den Klageweg verweist;<br />

• die Verfügung kann entbehrlich sein:<br />

- Generelle Tempolimiten (50, 80, 120) ergeben sich aus Rechtssätzen;<br />

- Abweichende Tempolimiten bedürfen einer Verfügung.<br />

<br />

Die Verfügung gilt für einen einzigen oder eine bestimmte Anzahl von Adressaten (individuell)<br />

und für einen bestimmten, in Raum und Zeit abgeschlossenen Sachverhalt (konkret); sie kann<br />

aber auch generell− konkret sein (Allgemeinverfügung).<br />

Die Verfügung regelt Rechte und Pflichten (VwVG 5 Lit. a, b, c)<br />

Abgrenzungen:<br />

- Kein Rechtsverhältnis wird geregelt, wenn die Anordnung den Verwaltungsbetrieb betrifft;<br />

- Realakt.<br />

<br />

<br />

<br />

Einseitigkeit ⇒ Konsens des Adressaten ist nicht erforderlich.<br />

Die Einseitigkeit entfällt nicht, wenn:<br />

- antrags− /mitwirkungsbedürftige (auf Gesuch) Verfügungen;<br />

- "Verhandlungsmomente" in gewissen Vorverfahren;<br />

- Anspruch auf rechtliches Gehör in allen Verwaltungsverfahren.<br />

Die Einseitigkeit bezieht sich nicht auf das Verfahren, sondern auf den Verfügungsinhalt.<br />

Verbindlichkeit: Die Verfügung ist zweiseitig rechtswirksam<br />

Rechtswirksamkeit und Vollstreckbarkeit<br />

Bundesrechtliche Verfügungen stützen sich auf das öffentliche Recht des Bundes, während<br />

kantonalrechtliche Verfügungen sich auf Kantonalrecht stützen<br />

Dieses Merkmal ist wichtig für die Abgrenzung der Rechtsmittel.<br />

Bemerkungen:<br />

- Folgen der Formmangelhaftigkeit: Es bleibt eine Verfügung, aber eine fehlerhafte;<br />

- Spezialgesetze können den Verfügungsbegriff erweitern (Bsp.: Art. 29 BG über das öff.<br />

Beschaffungswesen).<br />

b) Funktionen<br />

• Materielle Funktion: Die Verfügung gestaltet verwaltungsrechtliche Verhältnisse, regelt also Rechte<br />

und Pflichten im Einzelfall<br />

Rechtsanwendungsakt<br />

- Die Verfügung dient der Rechtsgleichheit und der Rechtssicherheit<br />

Die Verfügung ist Ausdruck des Legalitätsprinzips;<br />

- Es gibt eine Rechtsmittelfrist;<br />

- Sie ist verbindlich und rechtsbeständigt: Sie kann nur schwer widerrufen werden.<br />

• Verfahrensrechtliche Funktion: Die Verfügung ist Endpunkt eines Verwaltungsverfahrens:<br />

- Die Verfügung hat die Funktion eines Anfechtungsobjektes für das Beschwerdeverfahren;<br />

- Ohne Verfügung läuft nichts im Rechtsschutz;<br />

- Verfügung = Vollstreckungsmittel, mit Zwang: wo keine Verfügung, dort ist kein<br />

Vollstreckungsmittel (VwVG 39).


<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 18 / 58<br />

• Verwaltungsökonomie: Einverständnis des Bürgers ist nicht erforderlich, die Verwaltung ist auf<br />

Konsens nicht angewiesen:<br />

- Wenn der Bürger nicht einverstanden ist, trägt er die Handlungslast, er muss tätig werden<br />

Effizienz!<br />

• Klarstellungsfunktion: Einseitigkeit ⇒ Verantwortlichkeit bei den Behörden; Machtgefälle ist<br />

ersichtlich.<br />

c) Arten<br />

• Nach der Wirkung für den Adressaten:<br />

- Begünstigend ist eine Verfügung, wenn dem Verfügungsadressaten bestimmte Rechte zugestanden<br />

oder bestimmte Pflichten erlassen werden;<br />

- Die belastende Verfügung auferlegt dem Verfügungsadressaten bestimmte Pflichten oder entzieht<br />

ihm bestimmte Rechte.<br />

• Nach Typus der Verfügung:<br />

- VwVG 5 Lit. a: Positive Verfügung (Gestaltungsverfügung / Leistungsverfügung);<br />

- VwVG 5 Lit. c: Negative Verfügung (Abweisung von Begehren).<br />

- VwVG 5 Lit. b: Die Feststellungsverfügung stellt den Bestand, Nichtbestand oder Umfang<br />

von öffentlichrechtlichen Rechten und Pflichten im Einzelfall fest;<br />

VwVG 25 2 ⇒ subsidiäres Institut: Eine Feststellungsverfügung ist zulässig,<br />

soweit ein Feststellungsinteresse vorliegt; dieses fehlt dort, wo genauso gut<br />

eine positive oder negative Verfügung getroffen werden könnte.<br />

• Nach dem partizipativen Anteil der Parteien:<br />

- Mitwirkungsbedürftige Verfügung (auf Gesuch oder mit Zustimmung der Privaten)<br />

- (!) Die Mitwirkung bezieht sich lediglich auf das Verfahren!<br />

• Nach der instanzabschliessenden Wirkung:<br />

- Die Endverfügung schliesst das Verfahren vor der betroffenen Instanz ab;<br />

- Die Teilverfügung ist eine Unterart der Endverfügung und bezieht sich lediglich auf einen Teil des<br />

Streitgegenstandes;<br />

- Die Zwischenverfügung ist ein Instrument der Verfahrensführung; sie ist grundsätzlich nicht<br />

selbständig anfechtbar, sondern muss zusammen mit dem Endentscheid angefochten werden;<br />

ausnahmsweise ist sie auch selbständig anfechtbar, wenn sie einen nicht wiedergutzumachenden<br />

Nachteil bewirken würde, könnte sie erst mit dem Endentscheid angefochten werden.<br />

• Nach dem Subjekt der Erfüllung:<br />

- Sachverfügung: Endverfügung in der Sache;<br />

- Vollstreckungsverfügung: Durchsetzung einer Sachverfügung.<br />

• Nach der Dauer:<br />

- Die Dauerverfügung regelt ein Dauerrechtsverhältnis, also ein Rechtsverhältnis, das während eines<br />

längeren Zeitraums besteht oder gar auf unbestimmte Zeit hin angelegt ist.<br />

- Die urteilsähnliche Verfügung regelt einen in zeitlicher Hinsicht klar abgegrenzten Sachverhalt.<br />

• Die Allgemeinverfügung wirkt generell− konkret: Sie regelt einen bestimmten Sachverhalt, richtet<br />

sich aber gleichzeitig an einen unbestimmten Kreis von Verfügungsadressaten:<br />

- Bsp.: Verkehrsbeschränkung.<br />

- Bezüglich ihrer Anfechtbarkeit ist die Allgemeinverfügung der Verfügung im Sinne von VwVG 5<br />

gleichgestellt.<br />

d) Nebenbestimmungen<br />

• Diese Modalitäten beziehen sich auf die Hauptregelung der Verfügung und präzisieren sie:<br />

- Befristungen: begrenzen die zeitliche Geltung der Verfügung;<br />

- Bedingungen: machen die Rechtswirksamkeit von einem Ereignis abhängig;


<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 19 / 58<br />

- Auflagen: Die Rechtswirkung der Hauptregelung wird durch die Auflage nicht berührt; die<br />

Auflage bezieht sich aber auf sie; sie kann vollstreckt werden (Bsp.:<br />

Ersatzvornahme).<br />

• Die Abgrenzung der Bedingung von der Auflage ist schwierig; im Zweifelsfall sollte die Auflage<br />

gewählt werden, weil sie die Rechtswirksamkeit der Hauptregelung der Verfügung nicht hemmt.<br />

• Gesetzmässigkeit von Nebenbestimmungen? Es gibt keine explizite gesetzliche Grundlage.<br />

Zwei Faustregeln: - Sachfremde Bedingungen und Auflagen sind unzulässig;<br />

- Bedingungen und Auflagen sind dort zulässig, wo die Bewilligung<br />

aufgrund des Gesetzes überhaupt verweigert werden könnte: Diese<br />

Einschränkung ist immer eine mildere Massnahme als die Verweigerung.<br />

3.1.2. Form der Verfügung<br />

VwVG 34− 38 ("Eröffnung")<br />

a) Formerfordernisse<br />

• Schriftlichkeit (VwVG 34)<br />

- dient der Rechtssicherheit;<br />

- Schriftform ist Voraussetzung der Anfechtung;<br />

- ausnahmsweise sind, als Notbehelfe, mündliche Verfügungen zulässig (VwVG 34 2 , 3 Lit. f).<br />

• Sprache (VwVG 37)<br />

• Notwendige formelle Elemente:<br />

- die Bezeichnung als Verfügung (VwVG 35);<br />

- die verfügende Behörde (Wer?);<br />

- der Adressat (Gegen wen?);<br />

- die Begründung (Warum?): Darstellung des rechtswesentlichen Sachverhalts und der rechtlichen<br />

Erwägungen;<br />

- das Dispositiv oder die Verfügungsformel (Was?): rechtliche Regelung des Rechtsverhältnisses<br />

und Kostenregelung;<br />

- die Rechtsmittelbelehrung: Rechtsmittel, Instanz, Frist;<br />

- die Eröffnungsformel: Parteienbegriff (VwVG 6)<br />

- Ort, Datum, Unterschrift.<br />

b) Begründung<br />

Funktionen der Begründung:<br />

• Rationalität der Entscheidung dient der Selbstkontrolle der Verwaltung.<br />

• Transparenz: Durch das Offenlegen der Motive wird die Verfügung für den Adressaten klar, und<br />

so nachvollziehbar.<br />

• Akzeptanz: Die Verwaltung hofft, dass der Adressat freiwillig die Regelung akzeptieren wird<br />

fördert die Einsicht in die Regelung;<br />

Legitimität.<br />

• Dichte: Die Verfügung muss soviel Informationen enthalten, dass sie vom Privaten<br />

angefochten und von Behörden beurteilt werden kann;<br />

Je offener die Norm, desto präziser die Begründung.<br />

c) Folgen eines Formmangels<br />

• Struktur und Form der Verfügung sind zu trennen:<br />

- Eine mangelhafte Form zerstört die Verfügung nicht;<br />

- Eine richtige Form macht nicht eine Verfügung (z.B. wenn strukturelle Elemente fehlen).<br />

• Keine Rechtswirkung (VwVG 38: Kein Nachteil erwächst für den Betroffenen);


<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 20 / 58<br />

• Anfechtbarkeit;<br />

• Für einen Rechtsunkundigen beginnt die Frist nicht zu laufen, wohl aber für einen Juristen;<br />

• Der Betroffene kann sich auf den Mangel berufen, es sei denn, er hätte nach Treu und Glauben sie<br />

kennen und merken müssen.<br />

3.1.3. Verfahren auf Erlass einer Verfügung<br />

a) Verfahrensmaximen<br />

1. Form?<br />

Schriftlichkeit<br />

Regelfall<br />

⇔<br />

Mündlichkeit<br />

Ausnahme<br />

2. Wer hat Zugang zum Verfahren?<br />

Publikumsöffentlichkeit ⇔ Parteienöffentlichkeit<br />

3. Wer kann das Verfahren auflösen, beenden, wer hält es in Händen?<br />

Offizialmaxime<br />

Behörden, von Amtes wegen<br />

⇔ Dispositionsmaxime<br />

Parteien, auf Gesuch<br />

Es kommt auf das Verfahren an.<br />

4. Wer beschafft den Prüfungsstoff?<br />

Untersuchungsmaxime<br />

Die Behörde ist für die Beschaffung<br />

verantwortlich<br />

materielle Wahrheit<br />

⇔<br />

Verhandlungsmaxime<br />

Die Parteien sind für die Untersuchung der<br />

Tatsachen verantwortlich<br />

formelle Wahrheit (Wahrheit ist das, worüber sich<br />

die Parteien geeinigt haben)<br />

5. "Jura novit curia": Die Behörden sind nicht an die Rechtsauffassung der Parteien gebunden.<br />

b) Geltungsbereich des VwVG<br />

• Formell: "durch Verfügungen zu erledigen" (VwVG 1)<br />

• Sachlich: "Verfügungen gestützt auf öff. Recht des Bundes" (ergibt sich aus VwVG 1, 5)<br />

[≠ Kantonales Recht, wo VwVG nicht gilt]<br />

Ausnahmen: VwVG 2−3<br />

• Persönlich: Bundesverwaltungsbehörden (VwVG 1 Abs. 2)<br />

+ ausnahmsweise Erweiterung auf letzten kt. Instanzen (Abs. 3).<br />

c) Verwaltungsverfahren<br />

• Einleitung<br />

1. Einleitung von Amtes wegen oder auf Gesuch (Bsp.: VwVG 25 1 )<br />

2. Prüfung der Sachentscheidvoraussetzungen (Prozessfähigkeit der Parteien; VwVG 7−10)<br />

• Ermittlung<br />

3. Ermittlung des rechtserheblichen Sachverhalts (VwVG 12−13)<br />

4. Ermittlung der Parteistandpünkte Akteneinsicht und rechtliches Gehör (VwVG 26−33)<br />

5. Ermittlung des sacherheblichen Rechts ("Jura novit curia")<br />

• Entscheid<br />

6. Erlass der Verfügung<br />

• Durchsetzung<br />

7. Vollstreckung der Verfügung<br />

d) Rechtliches Gehör (VwVG 29−30a)<br />

• Funktionen: - personell: Man gibt dem Betroffenen das Gefühl, er wird als Person, als<br />

Subjekt, nicht als Objekt, behandelt;


<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 21 / 58<br />

- materiell: Ermittlung von Tatsachen, Sachaufklärung, Entscheidhilfe.<br />

• Rechtsgrundlage: VwVG, kantonale Gesetze (z.B. <strong>Bern</strong>er VRPG), BV 4;<br />

• Zeitpunkt: - Grundsatz: "bevor sie verfügt" (VwVG 30 1 );<br />

- Ausnahmen: VwVG 30 2 .<br />

• Form: - Grundsatz: Via Schriftenwechsel;<br />

- Ausnahme: VwVG 30a<br />

In Spezialgesetzen: "Einsprache" zwei Begriffsverwendungen<br />

• ohne Rechtsmittelfunktion<br />

(mit Entscheidhilfefunktion):<br />

(VwVG 30a)<br />

wird vor Erlass der Verfügung<br />

durchgeführt<br />

• mit Rechtsmittelfunktion<br />

(Einspracheverfahren):<br />

(VwVG 30 Abs. 2 Lit. b)<br />

"Anfechtung" bei der verfügenden Behörde<br />

Entlastungsfunktion (für die übergeordnete<br />

Behörde)<br />

"Einsprache"<br />

Verf gung<br />

Verf gung<br />

"Einsprache"<br />

Folgen einer Gehörverletzung: • Die Parteien führen Beschwerde vor der Rechtsmittelinstanz;<br />

• Entweder verweist die Rechtsmittelinstanz das ganze Verfahren<br />

wieder an die 1. Instanz, oder<br />

• die Rechtsmittelinstanz führt es selber durch (Heilungsfunktion),<br />

vorausgesetzt, dass:<br />

- sie über freie Kognition in Rechts− und Sachverhaltsfragen<br />

verfügt;<br />

- dem Betroffenen die gleichen Mitwirkungsrechte wie vor erster<br />

Instanz zustehen.<br />

• Kritik in der Lehre darüber:<br />

- Der Betroffene hat eine Instanz schon "verbraucht";<br />

- Erschwerung der Argumentationsmöglichkeiten.<br />

3.1.4. Rechtswirksamkeit, Fehlerhaftigkeit und Beständigkeit von Verfügungen<br />

a) Rechtswirksamkeit<br />

• Rechtswirksamkeit der Verf.: Die Verfügung entfaltet Rechtswirkungen; z.B. kann von einer<br />

eingeräumten Befugnis Gebrauch gemacht werden.<br />

• Zeitpunkt des Eintritts<br />

der Rechtswirksamkeit: - Grundsatz: Die Verfügung ist mit ihrer Eröffnung wirksam;<br />

- Ausnahmen: - Die Wirksamkeit kann durch Spezialgesetz<br />

verschoben werden;<br />

- Die Verwaltungsbeschwerde hat in der Regel<br />

aufschiebende Wirkung (Suspensiveffekt).<br />

• Formelle Rechtskraft: - Die Verfügung kann mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr<br />

angefochten werden;<br />

- Sie ist vollstreckbar.<br />

• Zeitpunkt des Eintritts der formellen Rechtskraft: Nach Ablauf der Rechtsmittelfrist oder mit<br />

Eröffnung des letztinstanzlichen Urteils


<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 22 / 58<br />

• Materielle Rechtskraft: - Grundsätzliche Unumstösslichkeit: Kein zweites Urteil über den<br />

selben Sachverhalt;<br />

- Sie gilt nicht im <strong>Verwaltungsrecht</strong>, wo die Entscheide einseitig und<br />

hoheitlich genommen werden;<br />

- Warum? Verfügungen regeln meistens dauernde Verhältnisse, deren<br />

nachträgliche Änderungen zu rechtswidrigen Verhältnissen und<br />

Rechtsungleichheit führen würden;<br />

- Es gilt die Rechtsbeständigkeit, welche eine Neubeurteilung nur unter<br />

qualifizierten Voraussetzungen erlaubt.<br />

b) Fehlerhaftigkeit<br />

• Definition: Die Verfügung verletzt Rechtsnormen hinsichtlich Zustandekommen, Form oder Inhalt.<br />

• Arten von Fehlerhaftigkeit:<br />

- Ursprüngliche Fehlerhaftigkeit: Die Verfügung war schon bei ihrem Erlass fehlerhaft;<br />

- Nachträgliche Fehlerhaftigkeit: Die Verfügung ist zwar ursprünglich einwandfrei, aber die<br />

rechtswesentlichen Verhältnisse haben sich nachträglich<br />

derart verändert, dass die Verfügung nun fehlerhaft<br />

erscheint (insbesondere bei dauerhaften Verfügungen).<br />

• Folgen der Fehlerhaftigkeit: - Regel Anfechtbarkeit;<br />

- Ausnahme Nichtigkeit.<br />

• Regel Anfechtbarkeit:<br />

- Die (rechtswirksame) Verfügung ist mittels Beschwerde anfechtbar;<br />

- nach Ablauf der Rechtsmittelfrist, oder Abweisung der Beschwerde, tritt die Verfügung in<br />

formeller Rechtskraft;<br />

- wird die Beschwerde gutgeheissen, folgt in der Regel eine Änderung, eventuell eine Berichtigung<br />

(VwVG 69 3 )<br />

• Ausnahme Nichtigkeit:<br />

- Eine nichtige Verfügung ist ein "Nichtakt", entfaltet ex tunc keine Rechtswirkungen;<br />

- Die Nichtigkeit ist von Amtes wegen zu beachten;<br />

- Voraussetzung: Die Rechtssicherheit muss nicht durch die Aufhebung gefährdet werden.<br />

• Nichtigkeitsgründe:<br />

- sachliche Unzuständigkeit der verfügenden Behörde;<br />

- schwerwiegende Verfahrensmängel;<br />

- schwerwiegende inhaltliche Mängel.<br />

• Bemerkung: Im Zweifelsfall ist es empfohlen, die fehlerhafte Verfügung anzufechten.<br />

3.1.5. Änderung von Verfügungen − Wiedererwägung und Widerruf<br />

Es geht um das Problem, ob eine fehlerhafte Verfügung, die formell rechtskräftig geworden ist, noch<br />

geändert werden kann und muss.<br />

a) Terminologie<br />

• Urteilsähnliche Verfügung: - abgeschlossener Sachverhalt;<br />

- einmalige Rechtsfolge.<br />

• Dauerverfügung: Rechtsfolge wirkt in Zukunft herein.<br />

nachträgliche Fehlerhaftigkeit möglich;<br />

lange Fortdauer des rechtswidrigen Zustandes.


<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 23 / 58<br />

b) Prüfprogramm<br />

von Amtes wegen<br />

auf Gesuch hin<br />

1. Verfahrensrechtliche Phase: "Wiedererwägung"<br />

Bestehen ausreichende Gründe für ein Zurückkommen auf die formell rechtskräftige<br />

Verfügung?<br />

(Fällt in der Praxis mit Phase 2 zusammen) • wenn ja<br />

Eintreten und weiter zu Phase 2<br />

• wenn nein:<br />

Nichteintreten<br />

2. Materiellrechtliche Phase: "Widerruf"<br />

Bestehen ausreichende Gründe für eine Aufhebung der formell rechtskräftigen Verfügung?<br />

• wenn ja<br />

Widerruf<br />

• wenn ja<br />

Gutheissung + Widerruf<br />

• wenn nein:<br />

Bestätigung<br />

• wenn nein:<br />

Abweisung + Bestätigung<br />

c) Verfahrensrechtliche Phase<br />

Bestehen ausreichende Gründe für ein Zurückkommen auf die formell rechtskräftige Verfügung?<br />

Gesetzliche Regelung? Wenn nein:<br />

Bundesgerichtliche Rechtsprechung:<br />

BV 4 und analoge Anwendung von VwVG 25 + 66<br />

• Revisionsähnliche Gründe (siehe unten)<br />

• Deutlich fehlerhafte Rechtsanwendung<br />

• Änderung des Sachverhalts<br />

• Änderung der Rechtslage<br />

U = Urteilsähnliche Verfügung<br />

D = Dauerverfügung<br />

schattiert: nachträgliche Fehlerhaftigkeit<br />

Ad : Rückkommensgründe nach Bundesgericht<br />

U, D<br />

[U], D<br />

nur D<br />

nur D<br />

R. von Amtes wegen<br />

VwVG 66 Abs. 1<br />

• Verbrechen / Vergehen<br />

• EMRK−Urteil<br />

Revisionsgründe nach VwVG 66<br />

Revision auf Gesuch hin<br />

VwVG 66 Abs. 1−3<br />

• Verbrechen / Vergehen<br />

• EMRK−Urteil<br />

• Neue Tatsachen / Beweismittel<br />

• Aktenkundige Tatsachen / Begehren übersehen<br />

• Wesentliche Verfahrensfehler<br />

d) Materiellrechtliche Phase<br />

Bestehen ausreichende Gründe für eine Änderung der formell rechtskräftigen Verfügung?<br />

Gesetzliche Regelung? Wenn nein:<br />

Bundesgerichtliche Rechtsprechung: Abwägungsformel


<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 24 / 58<br />

Ad : Nach Bundesgericht ist abzuwägen zwischen<br />

Gesetzmässigkeit...<br />

...und Rechtssicherheit<br />

Gesetzmässigkeitsinteresse kann dennoch<br />

überwiegen, wenn<br />

• unrichtige / unvollständige Angabe;<br />

• gewichtiges öffentliches Interesse;<br />

• lange Fortdauer des rechtswidrigen Zustandes.<br />

3.1.6. Durchsetzung der Verfügung − Verwaltungszwang<br />

a) Allgemeines<br />

Rechtssicherheit überwiegt i.d.R., wenn<br />

• subjektives Recht begründet;<br />

• Abwägung stattgefunden;<br />

• von der Befugnis Gebrauch gemacht.<br />

Man unterscheidet:<br />

• Exekutorische Massnahmen, mit denen die Einhaltung der Pflichten der <strong>Verwaltungsrecht</strong>sordnung<br />

direkt durchgesetzt wird (VwVG 41 1 ):<br />

- Ersatzvornahme;<br />

- Unmittelbarer Zwang.<br />

Gesetzmässigkeit: Die Norm, die diese Pflicht statuiert, genügt als gesetzliche Grundlage.<br />

• Repressive Massnahmen, mit denen Bürger indirekt zur Pflichterfüllung angehalten werden soll:<br />

- Administrative Rechtsnachteile;<br />

- Verwaltungsstrafen.<br />

Gesetzmässigkeit: Sie bedürfen einer spezifischen und ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage.<br />

b) Ersatzvornahme<br />

• Definition: Die Verwaltungsbehörde lässt eine den Privaten obliegende, von diesen aber<br />

pflichtwidrig verweigerte, vertretbare Handlung auf deren Kosten durch eine amtliche Stelle<br />

oder durch eine Drittperson (beispielsweise eine Bauunternehmung) vornehmen.<br />

• Die Ersatzvornahme ist mit der Pflicht verbunden, die Kosten zu tragen (Kostentragungspflicht).<br />

• Voraussetzungen:<br />

- Es steht keine Verrichtung in Frage, die von den Pflichtigen nur höchstpersönlich erbracht werden<br />

kann;<br />

- Eine vollstreckbare Sachverfügung ist vorhanden, die die Pflichtigen zu einem Tun verpflichtet.<br />

• In der Regel hat der Ersatzvornahme eine Androhung unter Einräumung einer Erfüllungsfrist<br />

voranzugehen (VwVG 41 2 )<br />

• Wenn "Gefahr in Verzuge ist" (VwVG 41 3 ), kann auf die Androhung und auf die Einräumung einer<br />

Erfüllungsfrist verzichtet werden: Solche Massnahmen sind polizeiliche Vorkehren zum Schutze<br />

unmittelbar bedrohter, wichtiger Rechtsgüter.<br />

c) Rechtsschutz gegenüber der Vollstreckung von Verfügungen<br />

• Die Vollstreckungverfügung (Art. 5 2 i.V.m. Art. 41 1 Lit. a und b VwVG) ist eine eigenständige<br />

Anordnung über die zwangsweise Durchsetzung einer früher ergangenen, rechtskräftigen Verfügung<br />

(der sog. Sachverfügung). Wie jede andere Verfügung unterliegt sie der Verwaltungsbeschwerde<br />

(Art. 44 VwVG).


<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 25 / 58<br />

• Gegenstand der Überprüfung von Vollstreckungverfügungen im Beschwerdeverfahren ist<br />

grundsätzlich nur noch die Rechtmässigkeit der Vollstreckungsmassnahme, nicht mehr dagegen<br />

die Rechtmässigkeit der Sachverfügung.<br />

• Ausnahmsweise ist die Überprüfung der Sachverfügung im Rahmen der Überprüfung der<br />

Vollstreckungverfügung noch möglich:<br />

- Bei Nichtigkeit der Sachverfügung;<br />

- Bei der Verletzung unverjährbarer und unverzichtbarer verfassungsmässiger Rechte;<br />

- Im Strafverfahren wegen Verstosses gegen StGB 292, sofern keine gesetzliche Möglichkeit<br />

bestanden hat, die Sachverfügung durch ein Verwaltungsgericht überprüfen zu lassen.<br />

3.2. Der verwaltungsrechtliche Vertrag<br />

3.2.1. Begriff, Funktion und Arten des verwaltungsrechtlichen Vertrags<br />

a) Grundlagen<br />

• Begriff: Vertrag = Vereinbarung, Übereinstimmung zwischen mehreren Parteien<br />

• Gegenstand: <strong>Verwaltungsrecht</strong>, d.h. Erfüllung von Staatsaufgaben<br />

• Abgrenzungen:<br />

Verf gung<br />

<strong>Verwaltungsrecht</strong>licher<br />

Vertrag<br />

Privatrechtlicher<br />

Vertrag<br />

Modus<br />

Rechtsgrundlage<br />

einseitig zweiseitig <strong>Verwaltungsrecht</strong> OR, ZGB,?<br />

• Kriterien zur Abgrenzung verwaltungsrechtlichen Vertrag / privatrechtlichen Vertrag:<br />

- anwendbares Gesetz konsultieren: wenn es auf Zivilrichter verweist Privatrecht;<br />

- dient der V. unmittelbar der Erfüllung von Staatsaufgaben? Wenn nicht Privatrecht (Bsp.:<br />

Bedarfsverwaltung, bewirtschaftende Vw.);<br />

- Kriterium: Interesse?<br />

- allein die Tatsache, dass der Staat Vertragspartei ist, kann nicht zum Schluss führen, es muss ein<br />

verwaltungsrechtlicher Vertrag sein;<br />

- umgekehrt kann es vorkommen, dass zwei Private einen verwaltungsrechtlichen Vertrag<br />

abschliessen!<br />

• Arten:<br />

- Koordinationsrechtlicher Vertrag: verwaltungsrechtlicher Vertrag unter Gemeinwesen:<br />

Gemeinwesen = Gemeinwesen<br />

Beide Parteien erfüllen Staatsaufgaben.<br />

- Subordinationsrechtlicher Vertrag: Gemeinwesen = Privatperson<br />

( Privatperson = Privatperson )<br />

Nur das Gemeinwesen muss Staatsaufgaben erfüllen.<br />

b) Der subordinationsrechtliche Vertrag<br />

Zulässigkeit der Rechtsform subordinationsrechtlicher Verträge?<br />

Die Rechtsform des Vertrags ist zulässig unter folgenden Bedingungen:<br />

• Das Gesetz gibt Raum oder Ermessen für die Vertragsform, erlaubt sie<br />

= Frage der Auslegung<br />

Unzulässig, wenn das Gesetz eine abschliessende Regelung enthält!<br />

Die Wahl der Vertragsform muss ausserdem dem Sinn dieses Spielraums entsprechen.


<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 26 / 58<br />

• Die Vertragsform ist geeigneter als diejenige der Verfügung:<br />

Motive: - Beide Parteien bezwecken eine dauerhafte Bindung<br />

Bsp.: SuG 16 2 ("wenn bei Finanzhilfen ausgeschlossen werden soll"): Statt Subventionen<br />

mit Auflagen zu geben, möchte der Staat den Privaten verpflichten.<br />

- Konkretisierung des Ermessens via Konsens<br />

Bsp.: SuG 16 2 ("Ermessensspielraum")<br />

Unzulässig: - Steuerabkommen: Keine Steuergerechtigkeit<br />

- Planungsabkommen (Einzonung eines Grundstücks)<br />

3.2.2. Verfahrensfragen<br />

• Gibt es Formvorschriften? Umstritten einfache Schriftform (wie Verfügung)<br />

• Es gibt kein Verfahrensgesetz, welches die Entstehung von verwaltungsrechtlichen Verträgen regelt;<br />

manchmal enthält ein Spezialgesetz eine Regelung<br />

kein Anfechtungsobjekt für die <strong>Verwaltungsrecht</strong>spflege;<br />

kein Rechtsschutz;<br />

Drittbeteiligte können weder gehört werden noch anfechten.<br />

3.2.3. Wirksamkeit, Beständigkeit und Durchsetzung des verwaltungsrechtlichen Vertrags<br />

• Auslegung des verwaltungsrechtlichen Vertrags nach Vertrauensprinzip.<br />

• Mangels Rechtsprechung fehlen Grundsätze.<br />

• Durchsetzung: Es gibt keinen Vollstreckungstitel; eine Verfügung ist erforderlich.<br />

3.3. Der Plan<br />

3.3.1. Begriff, Funktion und Arten des Plans<br />

a) Terminologie<br />

Unterscheiden wir: die Planung... ...und den Plan<br />

= Vorgang zur Problemlösung = Ergebnis dieses Vorganges<br />

b) Die Planung<br />

4 Schritte: 1. Phase der Problemanalyse<br />

2. Phase der Zielfindung<br />

3. Phase der Massnahmen<br />

4. Phase der Kontrolle / Evaluation (ex post)<br />

c) Der Plan<br />

• Definition: Zusammenfassung zukunftsbezogener Aussagen;<br />

• Form: Der Plan kann zahlreiche Formen annehmen (Wörter, Karten,...);<br />

• Funktion: Der Plan hat eine Steuerfunktion.<br />

d) Rechtsnatur des Plans<br />

- Rechtssatz? rechtsverbindlich<br />

- Verfügung? behördenverbindlich<br />

Das Spezialgesetz konsultieren!<br />

3.3.2. Raumpläne insbesondere<br />

a) Rechtsquelle<br />

BV 22 quater , Raumplanungsgesetz (RPG)


<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 27 / 58<br />

b) Das RPG<br />

• Ziele (RPG 1): 1. Haushälterische Nutzung des Bodens;<br />

2. Abstimmung aufeinander der raumwirksamen Tätigkeiten;<br />

3. Verwirklichung einer auf die erwünschte Entwicklung des Landes<br />

ausgerichteten Ordnung der Besiedlung.<br />

• Zweck: Koordination<br />

• Mittel (RPG 2 1 ): Die Planung<br />

• Richtpläne (RPG 8−9) sind für die Behörden verbindlich<br />

• Nutzungspläne (RPG 14 + 21) - ordnen die Nutzung des Bodens;<br />

- für jedermann verbindlich;<br />

- schaffen Rechte und Pflichten für Privaten.<br />

c) Rechtsnatur der Nutzungspläne: Rechtssatz oder Verfügung?<br />

• Je nach Form gibt es verschiedene Formen zum Rechtsschutz:<br />

- Bei Verfügungen hat man Anspruch auf rechtlichen Gehör;<br />

- Bei Rechtssätzen ist eine Änderung jederzeit möglich;<br />

- Verfügungen muss man sofort anfechten.<br />

• Kriterium ist die Dichte der Nutzungsplanung:<br />

- Rechtliches Gehör (RPG 33 1 );<br />

- Änderung (RPG 21 2 ): Je älter der Plan, desto mehr muss er mit der Wirklichkeit übereinstimmen;<br />

- Rechtsschutz: Zulässigkeit der Klage gegen Umplanung?<br />

Es kommt darauf an, ob der Betroffene die Wirkungen der Planungsänderungen<br />

vorhersehen könnte; wenn ja kein Rechtsschutz.<br />

3.4. Der Realakt<br />

3.4.1. Begriff, Funktion und Arten des Realakts<br />

• Begriff: - Der Realakt ist nicht auf einen Rechtserfolg, sondern auf einen Taterfolg gerichtet;<br />

- Dessen Gegenbegriff ist der Rechtsakt.<br />

• Form: In der Regel ist der Realakt formfrei, der Rechtsakt formgebunden; es gibt aber viele<br />

Ausnahmen.<br />

• Funktion: hängt vom Typus des Realaktes ab.<br />

• Arten:<br />

Funktion<br />

- Reales Erfüllen von staatlichen Aufgaben Besorgung von staatlichen Aufgaben<br />

- Erteilen von Auskünften Rechtssicherheit, Vertrauensschutz<br />

- Ankündigung und Durchführung von Durchsetzung des <strong>Verwaltungsrecht</strong>es<br />

Vollstreckungsmassnahmen<br />

- Unmittelbarer Vollzug des <strong>Verwaltungsrecht</strong>es Durchsetzung des <strong>Verwaltungsrecht</strong>es (ohne<br />

vorherige Sachverfügung)<br />

- Informationskampagne / Empfehlungen Verhaltenslenkung<br />

- Informelle Absprachen Verhaltenslenkung


<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 28 / 58<br />

3.4.2. Empfehlungen und Informationskampagnen insbesondere<br />

a) Information nur im Rahmen der Exekutivfunktion:<br />

• Information als Regierungsaufgabe: - Art. 10 RVOG;<br />

- vor Wahlen und Abstimmungen.<br />

• Information als Verwaltungsaufgabe: - über der Verwaltungstätigkeit (Geschäftsberichte);<br />

- im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens;<br />

- im Rahmen der Leistungstätigkeit;<br />

- im Rahmen einer Sachaufgabe.<br />

b) Informationshandeln<br />

3 Ebenen der Information:<br />

• Tatsachenebene Informationskampagne i.e.S.<br />

• Wertebene Einstellungskampagne<br />

• Einwirkungsebene Verhaltenskampagne<br />

Beispiele:<br />

- Impfkampagne gegen Mumps: Verhaltenskampagne;<br />

- Stop− Aids− Kampagne: Informationskampagne i.e.S., Verhaltenskampagne,<br />

Einstellungskampagne;<br />

- K. gegen den Vacherin Mont− d’Or: Verhaltenskampagne.<br />

c) Dogmatische Einordnung von Kampagnen<br />

• Rechtsakt? Nein: Die Kampagne begründet keine Rechte oder Pflichten!<br />

• Realakt? Ja! Die Impfkampagne, zum Beispiel, begründet einen faktischen Befolgungszwang.<br />

• "Sui generis"?<br />

d) Rechtliche Zulässigkeit von Kampagnen<br />

• Zuständigkeit der Behörden<br />

• Zulässigkeit der Form gesetzliche Grundlage erforderlich (Bsp.: Art. 3 Epidemiengesetz,<br />

Art. 12 Lebensmittelgesetz)<br />

• Zulässigkeit des Inhalts die Empfehlung muss ein Mittel sein, das Gesetz durchzusetzen:<br />

- funktioneller Bezug zur Aufgabe;<br />

- keine Ideologie!<br />

- keine Anstiftung zu einer verbotenen Handlung (Verstösst die Empfehlung, Drogensüchtige sollten saubere<br />

Spritzen benützen, gegen das Betäubungsmittelgesetz?).<br />

• Wahrung der Verhältnismässigkeit:<br />

- "ob": nur dann, wenn erforderlich;<br />

- "wie": Achtung an Drittinteresse;<br />

- Grundrechtsrelevanz? Eine Impfkampagne führt zu einem Eingriff in die körperliche Integrität,<br />

eine Produktempfehlung schädigt die anderen Anbieter.<br />

• Rechtsschutz:<br />

- Die Empfehlung als solche ist kein Anfechtungsobjekt;<br />

- Surrogat: Staatshaftung (Grundlage: Verantwortlichkeitsgesetz, welches Widerrechtlichkeit<br />

voraussetzt; nun bilden RVOG 10 und EpidemieG 3 Rechtfertigungsgründe Prüfung der<br />

Verhältnismässigkeit);<br />

- Spezialgesetzliche Bezeichnung von Anfechtungsobjekt (Wer ist dann beschwerdelegitimiert?);<br />

- Einbezug betroffener Kreise in die Erarbeitung der Kampagne.


<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 29 / 58<br />

3.4.3. Informelle Absprachen insbesondere<br />

• Grundlage: Preisüberwachungsgesetz, Art. 29−30 Kartellgesetz;<br />

• zwischen Staat und Privaten;<br />

• unverbindlich;<br />

• dennoch Einigungs− und Befolgungsdruck: Denn der Staat droht, eine Verfügung zu erlassen;<br />

• vermeidet Verfügungen;<br />

• Rechtsschutz Dritter und Rechtsgleichheit sind gefährdet (daher: KartellG 29 2 );<br />

• Rechtliche Zulässigkeit: - Zuständigkeit der Behörden;<br />

- Zulässigkeit der Form (wenn keine Grundlage, dann Verfügung);<br />

- Zulässigkeit des Inhalts;<br />

• Verfahren: - VwVG nicht anwendbar;<br />

- Keine Dispensierung des Untersuchungsgrundsatzes (Materielle<br />

Wahrheit, Handeln von Amtes wegen).<br />

3.5. Weitere Formen des Verwaltungshandelns<br />

3.5.1. Rechtsetzung als Form des Verwaltungshandelns<br />

Verordnungsarten<br />

• selbständige Verordnung stützt sich auf die BV primäre Rechtsetzung<br />

• unselbständige Verordnung:<br />

- Vollziehungsverordnung<br />

- gesetzesvertretende Verordnung gestützt auf gesetzl. Delegationsnorm<br />

primäre Rechtsetzung<br />

Die Vollziehungsverordnung kann als Verwaltungshandeln gefasst werden:<br />

Gesetz (generell-abstrakt)<br />

Vollziehungsverordnung<br />

Einzelakt (individuell-konkret)<br />

3.5.2. Dienstbefehle und Verwaltungsverordnungen<br />

Problematisch ist die Abgrenzung zwischen<br />

Dienstbefehl ⇔ Verfügung<br />

Verwaltungsverordnung ⇔ Rechtsverordnung<br />

a) Der Dienstbefehl<br />

• Definition: Weisung der vorgesetzten Behörden an Untergeordneten;<br />

• Bsp.: Dienstaufsicht;<br />

• Gesetzliche Grundlage: Art. 25 Beamtengesetz;


<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 30 / 58<br />

• Abgrenzung von Verfügung:<br />

gemeinsam: - Anordnung einer Behörde;<br />

- Einzelfall, individuell− konkret;<br />

- einseitig;<br />

- verbindlich;<br />

- gestützt auf öffentlichem Recht;<br />

Unterschied: - Rechtsverhältnis?<br />

Der Dienstbefehl ist zwar ein Rechtsakt, aber begründet kein Verhältnis zwischen<br />

dem Staat und den Privaten; er richtet sich ausschliesslich an einen<br />

verwaltungsinternen Adressaten.<br />

• Rechtsschutz: - Rechtswidrigkeit des Dienstbefehls<br />

ist offensichtlich<br />

kann missachtet werden;<br />

- Rechtswidrigkeit ist zweifelhaft rechtswirksam, aber anfechtbar bei<br />

dem Vorgesetzten des Erteilers des<br />

Dienstbefehls.<br />

b) Die Verwaltungsverordnung<br />

• Definition: generell−abstrakter Dienstbefehl;<br />

• Gesetzliche Grundlage: Art. 25 Beamtengesetz;<br />

• Abgrenzung von Rechtsverordnung: Adressat gehört zur Verwaltung;<br />

• Funktion: - Führungsmittel der Verwaltung;<br />

- Steuerungsmittel;<br />

- Keine Quelle für <strong>Verwaltungsrecht</strong>, keine Rechtsgrundlage!<br />

• Rechtsschutz: - grundsätzlich nicht anfechtbar;<br />

- die Verletzung einer Verwaltungsverordnung kann nicht gerügt werden;<br />

• Nach Rechtsprechung des Bundesgerichts ist die Verwaltungsverordnung ausnahmsweise anfechtbar,<br />

wenn:<br />

- sie eine Aussenwirkung hat, und<br />

- die Anfechtung von Einzelakten ist nicht möglich / zumutbar.<br />

3.5.3. Privatrechtliches Handeln<br />

Bsp.: Privatrechtlicher Vertrag<br />

Problematisch ist die Frage der Zulässigkeit.


<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 31 / 58<br />

4. <strong>Verwaltungsrecht</strong>sverhältnisse<br />

4.1. Das <strong>Verwaltungsrecht</strong>sverhältnis im allgemeinen<br />

• Entstehung: a) unmittelbar durch Rechtssatz (eher selten)<br />

b) durch Verfügung (in der Regel)<br />

c) durch verwaltungsrechtlichen Vertrag (eher selten)<br />

• Änderung: a) durch Änderung des Rechtssatzes;<br />

b) Rechtsbeständigkeit Problem des Widerrufs;<br />

c) Rechtsbeständigkeit Problem des Widerrufs.<br />

• Beendigung: - durch Erfüllung;<br />

- durch Zeitablauf (befristetes <strong>Verwaltungsrecht</strong>sverhältnis);<br />

- durch neues Recht;<br />

- durch Verrechnung;<br />

- durch Verjährung / Verwirkung.<br />

• Übertragung von Rechten und Pflichten:<br />

- des Gemeinwesens an Privaten nur wenn es das Gesetz ausdrücklich sagt;<br />

- des Privaten es kommt darauf an!<br />

• Stellvertretung: Es kommt darauf an! - zulässig bei Steuer;<br />

- unzulässig bei höchstpersönlichen Verhältnissen.<br />

4.2. Bewilligungen, Konzessionen, Subventionen<br />

4.2.1. Bewilligungen<br />

Die Bewilligung ist eine Verfügung, welche eine private Tätigkeit in Übereinstimmung mit dem<br />

öffentlichen Recht erlaubt.<br />

a) Grundform: Polizeibewilligung<br />

• Definition: Eine Tätigkeit ist grundsätzlich verboten; die Polizeibewilligung hebt das Verbot auf.<br />

• Funktion: - Früher: Schutz der Polizeigüter;<br />

- Heute: Schutz weiterer öffentlicher Interessen (sozialpolitische oder<br />

raumplanerische Gründe);<br />

- Präventionskontrolle.<br />

• Rechtliche Bedeutung: Die Polizeibewilligung schafft keine neuen Rechte, weil diese dem<br />

Gesuchsteller bereits durch das Gesetz eingeräumt werden: das Verbot ist<br />

lediglich formell. Folgen aus diesem Konzept:<br />

- Die Polizeibewilligung ist deklaratorisch (≠ konstitutiv): Sie kann<br />

keine neuen Rechte begründen, die nicht im Gesetz stehen<br />

Die Bewilligung ist bloss formelle Voraussetzung für die<br />

Rechtmässigkeit der privaten Tätigkeit;<br />

- Sofern die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind, hat der Private<br />

einen Rechtsanspruch (≠ Ermessen) auf unbedingte Erteilung der<br />

Bewilligung<br />

- Die Polizeibewilligung schafft keine wohlerworbenen Rechte<br />

(Rechte, die nur gegen Entschädigung entzogen werden können).


<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 32 / 58<br />

b) Wirtschaftspolitische Bewilligung<br />

• Definition: Erlaubnis zu einer wirtschaftlichen Tätigkeit innerhalb eines Kontingentes oder eines<br />

wirtschaftlichen Bedürfnisses.<br />

• Funktion: Lenkung des Wirtschaftsgeschehens, vor allem im Landwirtschaftsrecht;<br />

• Rechtliche Bedeutung: Es besteht kein Rechtsanspruch auf Erteilung, wenn schon, also ein<br />

bedingter Anspruch.<br />

• Bemerkung: Die Kantone sind grundsätzlich nicht befugt, wirtschaftspolitische Massnahmen<br />

einzuführen (BV 31 Abs. 2, Handels− und Gewerbefreiheit);<br />

Ausnahme: Gastwirtschaftsgewerbe, BV 32 quater .<br />

c) Bewilligung für gesteigerten Gemeingebrauch<br />

• Definition: Der gesteigerte Gemeingebrauch, nämlich der nicht gemeinverträgliche oder<br />

ausserhalb der Zweckbestimmung der betreffenden öffentlichen Sache liegende<br />

Gebrauch (Beispiele: Demonstrationen, Verkaufsstände), ist in der Regel<br />

bewilligungspflichtig;<br />

• Funktion: Koordination der verschiedenen Nutzungen;<br />

• Rechtliche Bedeutung: Die Erteilung der Bewilligungen liegt im Ermessen der Behörde<br />

bedingter Rechtsanspruch mit Grundrechtsrelevanz.<br />

• Voraussetzungen der Bewilligungspflicht (denn die Bewilligungspflicht führt zu einer<br />

Einschränkung von verfassungsmässigen Rechten):<br />

⋄ Gesetzliche Grundlage (ausdrückliche, im formellen Gesetz verankert)<br />

Ausnahmen: - Polizeilische Generalklausel als Surrogat der gesetzlichen Grundlage;<br />

- Frühere Praxis: Die Bewilligungspflicht ergibt sich aus der Sachherrschaft des<br />

Gemeinwesens über den öffentlichen Grund.<br />

⋄ Öffentliches Interesse: ergibt sich aus: - Schutz von Polizeigütern;<br />

- anderen öffentlichen Interessen;<br />

- Erfüllung von staatlichen Aufgaben.<br />

⋄ Verhältnismässigkeit: Prinzip der Subsidiarität (mildere Massnahme)<br />

d) Ausnahmebewilligung<br />

• Definition: Die Ausnahmebewilligung erlaubt die Ausübung einer Tätigkeit in Abweichung zu<br />

den normalen gesetzlichen Vorschriften; der Gesetzgeber verlangt ein grundsätzliches<br />

Verbot, lässt aber im Einzelfall Ausnahmen zu, wenn die strenge Anwendung des<br />

Gesetzes zu zweckwidrigen Ergebnissen führen würde.<br />

• Man unterscheidet:<br />

- echte Ausnahmebewilligung = "kleine Ausnahme" = Dispens:<br />

Notventil für unvorgesehene Fälle (Bsp.: Art. 26 <strong>Bern</strong>er Baugesetz);<br />

- unechte Ausnahmebewilligung = "grosse Ausnahme":<br />

Der Gesetzgeber sieht eine Alternativregelung vor, denn er weiss von Anfang an, dass er<br />

Ausnahmen zulassen wird (Bsp.: Art. 24 RPG).<br />

• Voraussetzungen der Erteilung von Ausnahmebewilligungen:<br />

- Gesetzliche Grundlage, welche die Möglichkeit einer Ausnahme ausdrücklich vorsieht;<br />

- Vorliegen der gesetzlichen Ausnahmesituation (wäre nicht gegeben, wenn es eine Situation<br />

wäre, die häufig vorkommt);<br />

- Keine Normkorrektur: Der Grundgedanke des Gesetzes muss nur einzelfallgerecht verfeinert<br />

werden, keine Umwertung des Gesetzes;<br />

- Umfassende Interessenabwägung.


<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 33 / 58<br />

• Das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Ausnahmebewilligung bildet eine Rechtsfrage; dagegen<br />

ist Ermessensfrage, wie der Ausnahmesituation Rechnung getragen werden soll.<br />

e) Verfahrensfragen: Erteilung, Übertragung, Verlängerung<br />

• Bewilligungen werden auf Gesuch erteilt.<br />

• Erteilungsvoraussetzungen: - persönliche: z.B. Fahrtüchtigkeit, guter Leumund<br />

- sachliche: z.B. Vorschriftskonformität eines Bautes<br />

• Übertragung: Art Beispiel Übertragbarkeit<br />

personbezogene Bewilligung Führerschein nicht übertragbar<br />

sachbezogene Bewilligung Fahrzeugausweis übertragbar<br />

• Bewilligungen sind meist befristet; am Ende der Frist wird der Fall neu überprüft: Sind die<br />

Voraussetzungen der Bewilligungserteilung wegen neuer rechtlicher oder tatsächlicher Verhältnisse<br />

nicht mehr erfüllt, so wird keine neue Bewilligung erteilt.<br />

f) Koordination von Bewilligungsverfahren<br />

Problematik:<br />

Es gibt Tätigkeiten, die mehreren Bewilligungen bedürfen<br />

Bsp.: Deponie in einem Wald Rodungsbewilligung<br />

Baubewilligung<br />

Gewässerschutzbewilligung<br />

Das führt zu Mehrfachprüfungen, oft unter verschiedenen Blickwinkeln: unterschiedliche Ergebnisse<br />

können die Folge sein; überdies unterliegen die verschiedenen Verfügungen unterschiedlichen<br />

Rechtsmitteln. All dies macht das Verfahren lang und kompliziert.<br />

In BGE 116 Ib 50 hat das Bundesgericht gefordert, diese Doppelspurigkeiten und vor allem Inkohärenzen<br />

seien durch "Koordination" der verschiedenen zu durchlaufenden Verfahren und Prüfungen zu<br />

vermeiden oder wenigstens so gering wie möglich zu halten:<br />

- Die Verfügungen sollen gleichzeitig eröffnet werden;<br />

- Sie sollen in einem einzigen Rechtsmittelverfahren angefochten werden können.<br />

Modelle:<br />

1) Koordinationsmodell<br />

2) Konzentrationsmodell<br />

A B C<br />

Koordinationsbeh rde<br />

Leitverfahren<br />

A B C<br />

Leitbeh rde<br />

Beurteilung: 1) Vorteile: Sachzuständigkeiten bleiben gewahrt;<br />

Nachteile: Das Verfahren ist schwerfällig und lästig.


<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 34 / 58<br />

2) Vorteile: Eine einzige Behörde ist zuständig;<br />

Nachteile: Der Sachverstand kann untergehen.<br />

Die Koordination wird auch durch Spezialgesetze geregelt: <strong>Bern</strong>er Koordinationsgesetz, RPG.<br />

4.2.2. Konzessionen<br />

a) Allgemeines / Konzessionsarten<br />

Konzessionen zu erteilen setzt ein Monopol voraus.<br />

Monopolarten<br />

Konzessionsarten<br />

• Staatliches Monopol: Ein Wirtschaftsbereich wird • Monopolkonzession: verleiht das Recht<br />

dem freien Wettbewerb entzogen und der Ausübung<br />

durch das Gemeinwesen vorbehalten;<br />

auf Ausübung einer an sich dem Staat<br />

vorbehaltenen Tätigkeit;<br />

• Konzession des öffentlichen Dienstes:<br />

verleiht das Recht auf Ausübung einer<br />

konzessionspflichtigen Tätigkeit, die im<br />

öffentlichen Interesse liegt, aber nicht vom<br />

Staat selber ausgeübt werden soll;<br />

• Polizeimonopol: darf nur errichtet werden, wenn ∅: Gemeinwesen hat die Tätigkeit selbst<br />

kein milderes Mittel, wie etwa eine<br />

Bewilligungspflicht, den Schutz des fraglichen<br />

auszuüben<br />

Polizeigutes sicherstellt;<br />

• Wohlfahrtsmonopol: aus weiteren öffentlichen<br />

Interessen, bloss nicht aus rein fiskalischen Gründen<br />

Verhältnismässigkeitsprinzip<br />

• Faktisches Monopol: Hoheit des Gemeinwesens<br />

über die öffentlichen Sachen im Gemeingebrauch<br />

b) Begründung von Konzessionsverhältnissen<br />

• durch Verfügung;<br />

• man unterscheidet:<br />

- Popularkonzession: Jede Person hat gegenüber der<br />

Konzessionsbehörde einen<br />

Rechtsanspruch auf Erteilung<br />

der Konzession<br />

- Ermessensbedingte<br />

Konzession: Die Erteilung der K. bleibt dem<br />

Rechtsfolgeermessen des<br />

Konzedenten überlassen<br />

Sondernutzungskonzession: verleiht das<br />

Recht auf ausschliessliche Benützung einer<br />

öffentlichen Sache im Gemeingebrauch<br />

Rechtsschutz:<br />

Verwaltungsgerichtsbeschwerde<br />

(Art. 97 OG)<br />

Verwaltungsbeschwerde an den<br />

Bundesrat<br />

(Art. 99 Abs. 1 Bst. d OG,<br />

Art. 74 Bst. a VwVG)<br />

Ausnahme: Wassernutzungskonzession<br />

(Art. 99 Abs. 2 Bst. a OG).<br />

Ob auf die Konzession ein Rechtsanspruch besteht oder ob ihre Erteilung im Ermessen der<br />

Verwaltung liegt, ist durch Auslegung zu ermitteln.


<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 35 / 58<br />

c) Beendigung (oder Änderung) von Konzessionsverhältnissen<br />

• Den ordentlichen Grund für die Beendigung eines Konzessionsverhältnisses bildet der Ablauf der<br />

Konzessionsdauer. Wird die Konzession nicht erneuert und ist kein Heimfall (= Übernahme der<br />

Anlagen durch den Konzedenten zum Zeitwert) vorgesehen, so muss der Konzessionär die Anlagen in<br />

diesem Zeitpunkt auf eigene Kosten beseitigen;<br />

• Möglich ist während der Geltungsdauer der Konzession ein Entzug der Konzession; die mit einer<br />

Konzession übertragenen Rechte gelten als wohlerworben, weshalb sie nur in Verfahren der formellen<br />

Enteignung entzogen werden können und mit der Folge voller Entschädigung.<br />

d) Konzessionsgebühren<br />

• Die Erhebung von Konzessionsgebühren untersteht dem Gesetzmässigkeitsprinzip, wonach<br />

grundsätzlich das formelle Gesetz die Abgabepflichtigen (Abgabesubjekt), den Gegenstand der<br />

Abgabe (Abgabeobjekt), die Grundzüge der Bemessung der Abgabe sowie die allfälligen<br />

Ausnahmen von der Abgabepflicht mit hinreichender Bestimmheit zu nennen hat;<br />

• Das abgaberechtliche Kostendeckungsprinzip ist auf Konzessionsgebühren nicht anwendbar.<br />

e) Rechtsbeziehung des Konzessionärs zu Dritten<br />

Im Gegensatz zur Rechtsbeziehung zwischen Konzessionär und Konzedent, welche dem öffentlichen<br />

Recht untersteht, regelt regelmässig das Privatrecht die Rechtsbeziehung zwischen dem Konzessionär<br />

und Dritten. Das bedeutet, dass allfällige Streitigkeiten, besonders über Leistungen des Konzessionärs<br />

und ihre Bezahlung, vor den Zivilgerichten auszutragen sind.<br />

4.2.3. Subventionen<br />

a) Subventionsarten<br />

• Definition: Geldleistungen eines Gemeinwesens an ein anderes Gemeinwesen oder an Private zur<br />

Unterstützung von Tätigkeiten im öffentlichen Interesse.<br />

• Das Subventionsgesetz unterteilt die Subventionen in:<br />

- Finanzhilfen: Beiträge zur Förderung oder zur Erhaltung einer vom Empfänger gewählten<br />

Aufgabe;<br />

- Abgeltung: Beiträge an finanzielle Lasten, die sich aus der Erfüllung bundesrechtlicher<br />

Pflichtaufgaben oder öffentlichrechtlicher Aufgaben ergeben, die dem<br />

Empfänger vom Bund übertragen worden sind.<br />

b) Bindung des Empfängers an den Subventionszweck<br />

Das Gemeinwesen richtet Subventionen aus, weil sich der Empfänger verpflichtet, die Beiträge für einen<br />

bestimmten, im öffentlichen Interesse liegenden Subventionszweck einzusetzen. Der Rechtsgrund der<br />

Subventionierung besteht also in der Bindung des Empfängers an den mit den staatlichen<br />

Subventionsleistungen verfolgten Zweck.<br />

c) Rechtsform der Subventionsgewährung<br />

• Verfügung;<br />

• <strong>Verwaltungsrecht</strong>licher Vertrag.<br />

d) Rechtsschutz<br />

• (Entschliessungs−)<br />

ermessenssubvention:<br />

Die Gewährung der S. bleibt dem<br />

Ermessen der Verwaltung<br />

überlassen<br />

Verwaltungsbeschwerde an den<br />

Bundesrat<br />

(Art. 99 Abs. 1 Bst. h OG,<br />

Art. 74 Bst. a VwVG)


<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 36 / 58<br />

• Anspruchssubvention: Jede Person hat einen<br />

Rechtsanspruch auf Gewährung der<br />

S. Es kann im Ermessen der<br />

Verwaltung sein, die Höhe der<br />

Zuwendungen festzulegen.<br />

Verwaltungsgerichtsbeschwerde<br />

(Art. 97 OG)<br />

4.3. Beschaffung und Nutzung öffentlicher Sachen<br />

4.3.1. Das System des öffentlichen Sachenrechts<br />

a) Begriff und Arten der öffentlichen Sachen<br />

ffentliche Sachen i.w.S.<br />

Finanzverm gen<br />

ffentliche Sachen i.e.S.<br />

Verwaltungsverm<br />

gen<br />

ff. Sachen im<br />

Gemeingebrauch<br />

Regalsachen<br />

1) Finanzvermögen<br />

• Zweckbestimmung: dient mittelbar der Erfüllung von öffentlichen Aufgaben (durch Erträge)<br />

• Realisierbarkeit: frei<br />

• Beispiele: - Wertschriften;<br />

- Liegenschaften als Mietobjekte, mit Zweck zum Gewinn;<br />

- Bargeld mit Gewinnerzielung;<br />

- dagegen nicht die Wälder.<br />

2) Verwaltungsvermögen<br />

- Verwaltungssachen;<br />

- Anstaltssachen.<br />

• Zweckbestimmung: dient der unmittelbaren Erfüllung von öffentlichen Aufgaben.<br />

• Nicht pfändbar<br />

• Verwaltungssachen: stehen primär den Behörden zur Verfügung<br />

• Anstaltssachen stehen der Allgemeinheit zu (beschränkt)<br />

3) Öffentliche Sachen im Gemeingebrauch<br />

• Beispiele: - öffentliche Strassen / Plätze;<br />

- öffentliche (oberirdische) Gewässer;<br />

- öffentliche Wälder;<br />

- Luftraum;<br />

- Kulturunfähiges Land.<br />

• Keine Erfüllung von Verwaltungsaufgaben;<br />

• Benutzerkreis: unbeschränkt.<br />

4) Regalsachen<br />

• Beispiele: - Berg− (Salz− )rechte;<br />

- Fischereirechte<br />

- Jagdrechte.<br />

• Im rechtlichen Monopol des Staates Konzession


<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 37 / 58<br />

b) Konnex zum Finanzreferendum<br />

Aufwendungen<br />

Anlage<br />

Ausgaben<br />

delegiert<br />

nicht delegiert<br />

gebunden<br />

neu<br />

Bereich des Finanzreferendums<br />

Zweck:<br />

Mitwirkung bei Aufwendungen, welche die Steuerbelastung beeinflüssen<br />

Steuerbelastung nicht beeinflüsst kein Finanzreferendum<br />

frei realisierbar<br />

Aufwendungen zum Erwerb von Objekten, vor allem von Liegenschaften ins Finanzvermögen,<br />

unterliegen nicht dem Finanzreferendum, da sie nicht Ausgabe (im Sinne einer Verminderung des<br />

Staatsvermögens), sondern blosse Anlage öffentlicher Gelder sind, der ein frei realisierbarer Wert<br />

gegenübersteht.<br />

c) Anwendung des Rechts: ZGB oder öffentliches Recht?<br />

Finanzvermögen<br />

Privatrecht:<br />

• Zivilgerichte zuständig<br />

• Bindung an öffentlich−rechtliche Vorschriften<br />

• Einschränkung: Bestimmte Fragen beurteilen sich<br />

nach öffentlichem Recht<br />

Öffentliche Sachen i.e.S.<br />

Zwei Handlungsmöglichkeiten:<br />

- Monistische Theorie: Nur öff. Recht<br />

- Dualistische Theorie: Öff. Recht + ZGB<br />

Dualistische Theorie: bald öffentliches Recht, bald ZGB<br />

• Begriff und Inhalt des Eigentums ZGB<br />

• Formen ZGB<br />

• Zweckbestimmung Öffentliches Recht<br />

• Nutzung der öffentlichen Sachen Im Prinzip öffentliches Recht, unter Umständen OR<br />

• Zwangsverwertung BG über die Schuldbetreibung gegen Gemeinden<br />

Pfändung geregelt in Art. 7, 9<br />

• Nachbarrecht, Grundeigentümerhaftung Im Prinzip ZGB, aber auch öffentliches Recht<br />

• Werkeigentümerhaftung Art. 58 OR<br />

4.3.2. Beschaffung öffentlicher Sachen<br />

Literatur: Recht 1997, 165<br />

• Beschaffung von Gütern und Bauwesen<br />

• Rechtsquellen: - BÖB (BG über das öffentliche Beschaffungswesen)<br />

- VÖB (Verordnung über das öffentliche Beschaffungswesen)<br />

- IVÖB (Interkantonale Vereinbarung über das öff. Beschaffungswesen)


<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 38 / 58<br />

• Zwei Stufen:<br />

1) Staatsinterne Willensbildung Zuschlag = anfechtbare Verfügung Öff. Recht<br />

2) Abschluss des Vertrages Priv. Recht<br />

• Rechtsschutz gegen Zuschlag<br />

- VwVG anwendbar<br />

- Rechtsmittel: Verwaltungsbeschwerde an die Rekurskommission, die endgültig entscheidet<br />

(VwGerBe an BGer ausgeschlossen, OG 100 Lit. x)<br />

- Ein positiver Entscheid der Rekurskommission wirkt nicht reformerisch / kassatorisch<br />

der streitige Vertrag bleibt, Vertrauensschaden für den Rekurrenten.<br />

4.3.3. Anstaltssachen und Anstaltsnutzung<br />

• Pro memoria: Eine Anstalt ist eine von einem Gemeinwesen getragene, administrativ relativ<br />

verselbständigte, mit persönlichen und sachlichen Mitteln ausgestattete und mit<br />

Autonomie (im Rahmen des Anstaltszwecks) versehene Institution zur dauernden<br />

Erfüllung einer übertragenen Verwaltungsaufgabe;<br />

• Zwischen der Anstalt und den Anstaltsbenützern besteht ein besonderes Rechtsverhältnis: Die<br />

Benützer müssen gewisse zusätzliche Beschränkungen ihrer Grundrechte hinnehmen,<br />

Einschränkungen nämlich, die erforderlich sind, damit die Anstalt ihre Zwecke erreichen kann.<br />

• Die Benützung der Anstalt setzt i.d.R. eine Zulassung voraus; nun sind die Kapazitäten der Anstalt oft<br />

beschränkt. Haben die potentiellen Benützer einen Anspruch auf Zulassung?<br />

Aus BV 4 folgt ein Anspruch auf rechtsgleiche und willkürfreie Behandlung bei der Zulassung zu<br />

Anstalten, insoweit überhaupt ein bedingter Anspruch auf Zulassung und Nutzung.<br />

• In wieweit gilt das Legalitätsprinzip?<br />

In formellen Gesetz: - Zwangsweise Begründung;<br />

- Einführung von Zulassungsbeschränkungen;<br />

- Wesentliche Rechte und Pflichten;<br />

- Zwangsweise Auflösung.<br />

• Anstaltsbenützung: Anwendung von öffentlichem oder privatem Recht?<br />

Das hängt von der Art der zu lösenden Aufgabe ab.<br />

Hilfskriterien, Indizien:<br />

Öff. Recht Verfolgung des öffentlichen Interesses im Vordergrund<br />

Anstaltsbenützung ist unabänderlich<br />

Priv. Recht Verhandelbarkeit: - der Leistung der Anstalt<br />

- des Tarifs / Entgeltes<br />

Das Rechtsverhältnis zwischen dem Gemeinwesen und dem Anstaltsbenützer ist grundsätzlich<br />

öffentlichrechtlich, damit auch die einzelnen Rechte und Pflichten, die sich aus dem<br />

Benutzungsverhältnis ergeben.


<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 39 / 58<br />

4.3.4. Strassen und Plätze im Gemeingebrauch<br />

a) Arten von Gebrauchsrechten<br />

schlichter<br />

Gemeingebrauch<br />

gesteigerter<br />

Gemeingebrauch<br />

Begriffselemente Bewilligungspflicht Abgabepflicht<br />

• bestimmungsgemäss und<br />

• gemeinverträglich<br />

• nicht bestimmungsgemäss<br />

oder<br />

• nicht gemeinverträglich<br />

Sondernutzung • nicht bestimmungsgemäss<br />

und<br />

• ausschliessend<br />

• bewilligungsfrei • abgabefrei<br />

• Kontrollgebühr<br />

zulässig<br />

• kann<br />

bewilligungspflichtig<br />

erklärt werden<br />

• Benutzungsgebühr<br />

zulässig<br />

• konzessionspflichtig • Konzessionsgebühr<br />

⋄<br />

⋄<br />

⋄<br />

Schlichter Gemeingebrauch:<br />

• bestimmungsgemäss: dafür ist die Sache da, der Gebrauch entspricht dem Zweck;<br />

ergibt sich aus:<br />

- dem Widmungsakt: das Gemeinwesen sagt, wozu eine öff. Sache da<br />

ist (Verfügung, Zonenplan);<br />

- der natürlichen Beschaffenheit der Sache (subsidiär);<br />

- dem traditionellen Gebrauch;<br />

• gemeinverträglich: jeder kann sie benützen, ohne dass der Gebrauch erheblich vermindert<br />

wird; es wird von den selbstregulierenden Kräften erlaubt;<br />

• bewilligungsfrei: kein öffentliches Interesse an einer präventiven Kontrolle; nur repressive<br />

Kontrolle;<br />

• abgabefrei: gratis!<br />

Gesteigerter Gemeingebrauch:<br />

• nicht bestimmungsgemäss oder<br />

nicht gemeinverträglich:<br />

erhebliche Behinderung, aber nicht soweit, dass andere Benützer<br />

ausgeschlossen werden;<br />

• intensiver Gebrauch: z.B. Entnahme von Wasser;<br />

• erhebliche Beeinträchtigung: keine Selbstregulierung der Benützer;<br />

• Nutzungsansprüche auf den knapp gewordenen Platz müssen von den Behörden bewirtschaftet<br />

werden<br />

Bewilligung bedingter Anspruch auf Erteilung<br />

• Nach Rechtsprechung des Bundesgerichts bedarf es für die Einführung einer Bewilligungspflicht<br />

keiner besonderen gesetzlichen Grundlage; vergleich aber:<br />

- Art. 19 2 KV BE;<br />

- BGE 119 Ia 449 E. 2. a).<br />

• Benützungsgebühr zulässig.<br />

Sondernutzung: Ausschliessliche Nutzung auf Dauer.<br />

b) Öffentliche Strassen und Plätze<br />

Strassenhoheit<br />

Bund - Durchgangsstrassen (Die Kantone dürfen sie<br />

nicht entwidmen)<br />

- Benützung im Dienste des Bundes (z.B.<br />

Militär, Post)<br />

Kantone - Bau + Unterhalt<br />

- Widmung / Entwidmung<br />

Verkehrsrecht<br />

- "Allgemeine Benutzungsordnung"<br />

(= SVG, VRV, SSV)<br />

- Funktionelle Verkehrsbeschränkung


<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 40 / 58<br />

1) Unentgeltlichkeit des Verkehrs − Parkiergebühr<br />

Art. 82 Abs. 3 BV 1999:<br />

"Die Benützung öffentlicher Strassen ist gebührenfrei. Die Bundesversammlung kann<br />

Ausnahmen bewilligen."<br />

Bemerkungen: • Die Autobahnen sind gebührenpflichtig von Verfassungs wegen (Art 86 Abs. 2<br />

BV 1999);<br />

• "Ausnahmen" Einzige bekannte Ausnahme ist der Gotthard−Tunnel.<br />

Ist Parkieren Verkehr im Sinne des Gemeingebrauchs oder im Sinne des gesteigerten Gebrauchs?<br />

• Kurzzeitiges Abstellen = Gemeingebrauch (bescheidene) Kontrollgebühr<br />

• Langzeitiges Abstellen = gesteigerter Gebrauch Benutzungsgebühr, welche<br />

marktkonform, d.h. hoch ist.<br />

Abgrenzung: BGE 122 I 279<br />

2) Ausübung von Grundrechten auf öffentlichen Strassen und Plätzen<br />

• Betroffene Grundrechte: - Ideelle Grundrechte;<br />

- Handels− und Gewerbefreiheit.<br />

• Grundrechtskonforme Auslegung des "schlichten Gemeingebrauchs":<br />

- Die Begriffe "gemeinverträglich" und "bestimmungsgemäss" sind unbestimmte Gesetzesbegriffe<br />

grosser Auslegungsspielraum, bei welchem die Grundrechte berücksichtigt werden sollen!<br />

- Beispiel: Kleine, spontane Demonstrationen in der Fussgängerzone sind noch schlichter<br />

Gemeingebrauch.<br />

Eine grundrechtsfreundliche Auslegung ist möglich!<br />

• Grundrechtskonforme Handhabung der Bewilligungspflicht<br />

bedingter Anspruch auf Erteilung einer Bewilligung;<br />

"bedingt" heisst: unter Vorbehalt der Kapazität und einer Interessenabwägung.<br />

3) Sperrung einer Strasse als Grundrechtseingriff<br />

Zentralblatt 1995 S. 508<br />

4.3.5. Öffentliche Gewässer und Regalsachen<br />

4.4. Polizei<br />

• als Tätigkeit funktioneller Polizeibegriff<br />

Tätigkeit: Sicherung vor Gefährdungen<br />

- Objekt: Schutz bestimmter Schutzgüter Polizeigüter<br />

- Art: Störungen (Gefahren abwenden) Polizeiaufgaben<br />

• als Behörde organisatorischer Polizeibegriff<br />

Beispiele<br />

- Polizei i.e.S. = Polizeikorps Sicherheits−, Gerichts−, Verkehrspolizei<br />

- Spezialpolizeibehörden Bau−, Gesundheits−, Gewerbepolizei


<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 41 / 58<br />

4.4.1. Polizeigüter<br />

• Relativierung: Die Polizeigüter wandeln sich mit der Zeit, spiegeln politisch den Staatsbegriff.<br />

Was ist aufrechtzuerhalten?<br />

Rechtsprechung: BGE 97 I 499 ("Griessen")<br />

• Einzelne Polizeigüter:<br />

- öffentliche Ordnung und Sicherheit als Oberbegriff;<br />

- Leib und Leben, körperliche Integrität;<br />

- öffentliche Gesundheit (der Bevölkerung als Kollektiv) ≠ die Gesundheit eines Individuums;<br />

- öffentliche Ruhe (Sonntagsruhe);<br />

- öffentliche Sittlichkeit (sittliche Empfindung der Bevölkerung);<br />

- Treu und Glaube im Geschäftsverkehr (Schutz der Bevölkerung vor Täuschung);<br />

- Umweltgüter wie Luft, Grundwasser (Schutz vor Umweltkatastrophen)<br />

• Bezüglich öffentlicher Ordnung und Sicherheit:<br />

- Mittel zum Zweck: friedliches Zusammenleben in der Gesellschaft;<br />

- Durch wen? Durch den Staat oder auch durch Private (= private Polizei)? Primat der staatlichen<br />

Polizei; eine private Polizei kommt nur zum Zuge im Auftrag des Gemeinwesens und nur<br />

hilfsweise Verbot der Selbsthilfe.<br />

• Können private Rechtsgüter auch Polizeigüter sein? In der Regel sind Polizeigüter nur öffentliche<br />

Güter (Schutz vor Grundrechtsverletzungen).<br />

• Können Eigengefährdungen auch polizeiliches Verhalten rechtfertigen?<br />

Beispiele: Bau eines Hauses im Lawinengefahrgebiet;<br />

Hungerstreik;<br />

Selbstmordversuch.<br />

: Der Staat muss eingreifen, denn viele Personen betreten dieses Haus.<br />

, : Einschreiten ist nicht polizeilich, sondern ethisch geboten.<br />

4.4.2. Polizeiaufgaben<br />

Polizeiaufgaben: • Schutz von Polizeigütern vor Störung und Schädigung;<br />

• Aufrechterhalten von öffentlicher Ordnung und Sicherheit.<br />

• Schutz der Polizeigüter: - präventiv (ex ante);<br />

- repressiv (ex post).<br />

• Präventiver Schutz: Braucht es eine aktuelle Gefahr, oder reicht eine abstrakte, potentielle<br />

Gefahr?<br />

Präventiver Schutz ist zulässig gegen abstrakte Gefahr, wenn diese nach der<br />

allgemeinen Lebenserfahrung zu einer konkreten Gefahr führen kann<br />

(Bsp.: Tempolimiten)<br />

Problem der Verhältnismässigkeit polizeilicher Massnahmen.<br />

• Repressiver Schutz: Beheben von bereits eingetretenen Störungen und Schäden und<br />

Wiederherstellen des ordnungsgemässen Zustandes<br />

• Aufgaben der Polizeibehörden i.e.S.:<br />

<strong>Bern</strong>er Polizeigesetz Art. 1:<br />

Abs. 1 Lit. a − c: Sicherheitspolizei<br />

Lit. d: Kriminalpolizei<br />

Lit. e: Polizei = verlängerter Arm der Verwaltungsbehörden beim Vollzug von<br />

Verfügungen<br />

Abs. 2:<br />

Normalerweise geht es über die Gerichte


<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 42 / 58<br />

4.4.3. Polizeiliche Massnahmen<br />

• Polizei im funktionellem Sinne: - Polizeieinsatz = Realakt.<br />

- generell− abstrakte Polizeiregelung erlassen<br />

(Bsp.: baupolizeiliche Vorschriften);<br />

- Polizeibewilligung;<br />

- Polizeimonopol.<br />

• Bsp. von Massnahme: Anhalten von Personen und Prüfung der Identität<br />

BGE 109 Ia 146 = Pra 1983 S. 752<br />

4.4.4. Verfassungsgrundsätze des polizeilichen Handelns<br />

Voraussetzungen für Handeln der Polizei: • gesetzliche Grundlage / polizeiliche Generalklausel;<br />

• öffentliches Interesse;<br />

• Verhältnismässigkeit;<br />

• Störerprinzip.<br />

a) Gesetzliche Grundlage<br />

• Heute ist grundsätzlich eine explizite gesetzliche Grundlage erforderlich.<br />

Inhalt: Umschreibung der Voraussetzungen, unter denen von polizeilichen Zwangsmitteln Gebrauch<br />

gemacht werden darf.<br />

• Ersatz für eine fehlende gesetzliche Grundlage stellt die polizeiliche Generalklausel als<br />

ungeschriebener Grundsatz des polizeilichen Handelns dar (Vgl. Art 21−22 <strong>Bern</strong>er PolG)<br />

Voraussetzungen: - Polizeigüter sind betroffen ("öffentliche Sicherheit");<br />

- Es muss eine schwere und unmittelbare Gefahr abgewendet oder eine<br />

bereits eingetretene Störung beseitigt werden ("eingetretene ... Gefahr");<br />

- Zeitliche Dringlichkeit ("unaufschiebbare");<br />

- Es gibt keine geeigneten gesetzlichen Massnahmen (Subsidiaritätsprinzip).<br />

Die polizeiliche Generalklausel darf nur subsidiär und vorübergehend beansprucht werden.<br />

b) Öffentliches Interesse<br />

Schutz der Polizeigüter.<br />

c) Verhältnismässigkeit (Art. 23 <strong>Bern</strong>er PolG)<br />

Die Massnahme muss geeignet, erforderlich sein; Zweck− Mittel− Relation.<br />

d) Opportunitätsprinzip<br />

= Frage des ob / wie (Entschliessungs− / Auswahlermessen)<br />

• Grund: Beschränktheit der Mittel Prioritäten setzen können<br />

• Opportunitätsprinzip heisst entscheiden nach pflichtgemässen Ermessen; Interessenabwägung<br />

unter folgenden Gesichtspunkten:<br />

- Schwere der Gefahr (dringlich? nur abstrakt?);<br />

- Art des Polizeigutes (Leib und Leben?);<br />

- Zur Zeit vorhandene Mittel;<br />

- Umstände des Falles.<br />

BGE 119 Ia 28 = Pra 82 S. 206


<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 43 / 58<br />

e) Störerprinzip (Art. 24 <strong>Bern</strong>er PolG)<br />

• Das Störerprinzip ist eine Sonderprägung des Verhältnismässigkeitsprinzips. Es verlangt, dass<br />

polizeiliches Handeln nur gegen denjenigen erlaubt ist, der für die Störung unmittelbar<br />

verantwortlich ist, d.h. denjenigen, der die Polizeigüter gefährdet oder verletzt.<br />

• Man unterscheidet:<br />

- Verhaltensstörer (Abs. 1): ist, wer durch eigenes Verhalten oder durch das unter seiner<br />

Verantwortung erfolgte Verhalten Dritter unmittelbar eine<br />

polizeiwidrige Gefahr oder Störung verursacht;<br />

Bsp.: Randalierende<br />

- Zustandsstörer (Abs. 2): ist, wer über die Sache, welche den ordnungswidrigen Zustand<br />

bewirkt, rechtliche oder tatsächliche Gewalt hat;<br />

Bsp.: Eigentümer der Sache<br />

- Zweckveranlasser / "indirekter Störer": ist, wer die Störung (seitens anderer) bewusst in Kauf<br />

nimmt oder gar veranlasst.<br />

• Polizeiliches Vorkehren gegen Nicht−Störer, also Abweichungen von dem Störerprinzip, sind nur bei<br />

Notfällen zulässig (Bsp.: Requisition von Autos bei einer Katastrophe)<br />

f) Verursacherprinzip<br />

• Kostenüberwälzungsprinzip: Der Verursacher hat für Kosten und Belastungen, die er hervorruft,<br />

finanziell einzustehen und hat auch die Kosten von Sanierungen, zu denen er gesetzlich verpflichtet ist<br />

oder die er freiwillig durchführt, selber zu tragen.<br />

• Das Verursacherprinzip ergibt sich nicht aus der Verfassung, sondern bedarf einer gesetzlichen<br />

Grundlage.<br />

• Bsp. von gesetzlichen Grundlagen: Art. 2 + 59 USG, Art. 54 GSchG.<br />

• Ist eine Mehrheit von Personen kostenpflichtig, hat die Behörde die Kosten nach den subjektiven<br />

und objektiven Anteilen an der Verursachung zu verteilen. Die Verursacher haften solidarisch nur<br />

dann, wenn es ein Spezialgesetz ausdrücklich vorsieht.<br />

4.5. Öffentliche Abgaben<br />

4.5.1. Das System der öffentlichen Abgaben<br />

a) Begriff und Arten<br />

• Abgabe: Geldleistung, die das Gemeinwesen gestützt auf seine Finanzhoheit den Privaten<br />

auferlegt.<br />

• Funktion der Abgabe: Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs des Gemeinwesens<br />

• Negative Abgrenzung: ≠ Kosten der Ersatzvornahme;<br />

≠ Busse, z.B. wegen Verstosses gegen das SVG (= Strafe, Sanktion);<br />

≠ eine auf einen privatrechtlichen Vertrag gestützte Geldleistung.


<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 44 / 58<br />

• Arten:<br />

ffentliche Abgaben<br />

Steuern Gemengsteuern Kausalabgaben<br />

Allgemeine<br />

Steuer<br />

Sondersteuer:<br />

• Zwecksteuer;<br />

• Lenkungssteuer<br />

Nach Erhebungsmodus:<br />

- direkte Steuer;<br />

- indirekte Steuer.<br />

Geb hren:<br />

• Verwaltungsgeb.:<br />

- Kanzleigeb.;<br />

- Kontrollgeb.;<br />

• Ben tzungsgeb.;<br />

• Monopolgeb.<br />

(Regalgeb.,<br />

Sondernutzungsgeb.)<br />

Mehrwerts<br />

abgaben<br />

Beitr ge<br />

(Vorzugslasten)<br />

Ersatzabgaben<br />

- Diese Systematik ist nicht so wichtig, denn es gibt keinen "numerus clausus" für den Gesetzgeber;<br />

- Das Verbot der Doppelbesteuerung nach Art. 127 Abs. 3 BV 1999 gilt vorab für gewisse Steuern,<br />

nicht aber für Kausalabgaben.<br />

b) Die Steuern<br />

• gegenleistungsunabhängig ("voraussetzungslos"):<br />

- ohne staatliche Gegenleistung, wenn der Steuertatbestand erfüllt ist;<br />

- Ausdruck des Gemeinlastprinzips;<br />

- Beispiel: Mehrwertsteuer.<br />

• Allgemeine Steuer = Hauptsteuer: dient der Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs;<br />

• Sondersteuer: aus anderen Gründen erhoben<br />

- Zwecksteuer: dient der Finanzierung eines bestimmten Zwecks;<br />

Bsp.: Benzinsteuer, Alkoholsteuer.<br />

- Lenkungssteuer: bezweckt die Verhaltenslenkung, durch die Belastung mit einer Steuer sollen<br />

bestimmte Tätigkeiten unattraktiv gemacht werden;<br />

Bsp.: Wirtschaftsverwaltungsrecht, Umweltrecht, Energierecht.<br />

• Unterscheidung zwischen direkter und indirekter Steuer:<br />

- direkte Steuer: σ = τ<br />

- indirekte Steuer: σ ≠ τ<br />

σ: Steuersubjekt (wer die Steuer schuldet); τ: Steuerträger (wer die Steuer bezahlt)<br />

c) Die Kausalabgaben<br />

• Unterscheidungskriterium Steuern / Kausalabgaben: Zurechenbarkeit der staatlichen Leistung.<br />

• Merkmale: - Abgabe mit einem besonderen Entstehungsgrund ("causa"); es besteht zwischen<br />

dem Entstehungsgrund und der Abgabe ein unmittelbarer Zusammenhang im<br />

Sinne von Leistung und Gegenleistung;<br />

- Ausdruck des Verursacherprinzips.


<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 45 / 58<br />

• Gebühr: - Entgelt für eine bestimmte, von den Pflichtigen veranlasste Tätigkeit des<br />

Gemeinwesens oder für die Benützung einer öffentlichen Einrichtung;<br />

- Die Gebührenpflicht entfällt, wenn das Gemeinwesen eine öffentliche Aufgabe<br />

erfüllt (Bsp.: Geschwindigkeitskontrolle);<br />

- Funktion: Ausgleich der Kosten.<br />

• Verwaltungsgebühr (Kanzlei− & Kontrollgebühr): - Entgelt für eine einfache Tätigkeit der<br />

Verwaltung, für eine Routineverrichtung;<br />

- Bsp.: Gebühr für eine Fotokopie.<br />

• Benützungsgebühr: - Entgelt für die Benützung öffentlicher Betriebe, Anlagen oder<br />

Einrichtungen;<br />

- Bsp.: Eintrittsgeld für eine kommunale Badeanstalt.<br />

• Monopolgebühr: - Gegenleistung dafür, dass Private eine grundsätzlich dem Gemeinwesen<br />

vorbehaltene Tätigkeit ausüben dürfen oder aber dass ihnen<br />

Sondernutzungsrechte an einer öffentlichen Sache eingeräumt werden;<br />

- Es handelt sich um atypische Gebühren: Sie gleichen nicht in erster<br />

Linie staatliche Leistungen aus, sondern sind eher ein Entgelt dafür,<br />

dass der Staat Private zu ihrem Vorteil an der monopolisierten Tätigkeit<br />

teilhaben lässt.<br />

- Bsp.: Gebühr für den Radio− und Fernsehempfang.<br />

• Beitrag (Vorzuglast): - Entgelt für einen wirtschaftlichen Sondervorteil, der Privaten aus einer<br />

öffentlichen Einrichtung erwächst, egal ob er diesen Sondervorteil in<br />

Anspruch nimmt oder nicht;<br />

- Rechtlich ist der Beitrag sofort fällig.<br />

- Bsp.: Grundeigentümerbeiträge an Erschliessungsanlagen wie Strassen,<br />

Energieversorgungs− oder Abwasseranlagen.<br />

• Mehrwertabgabe: - Abschöpfung der Wertsteigerung, welche einem Grundeigentümer aus<br />

raumplanerischen Vorkehren (Ein− oder Umzonung) zuwächst<br />

(Art. 5 RPG).<br />

• Ersatzabgabe: - Entgelt für die Befreiung von einer öffentlichen Realleistungspflicht<br />

(z.B. Militär− oder Feuerwehrpflichtersatz)<br />

- Rechtsgleichheit: Diejenige Person, die die Realleistung nicht zu<br />

erbringen hat, soll dadurch nicht begünstigt werden.<br />

• Gemengsteuer: - Verbindung einer Steuer mit einer Kausalabgabe, indem die Abgabe<br />

als Gegenleistung für eine staatliche Leistung erscheint, aber bedeutend<br />

höher angesetzt wird, als es die Grundsätze für ihre Bemessung zulassen<br />

würden;<br />

- Bsp.: Handänderungsabgabe als Verwaltungsgebühr für den<br />

Grundbucheintrag, verbunden mit einer Prozentabgabe auf dem<br />

Erwerbspreis.<br />

d) Wer ist zuständig für die Erhebung der Abgaben?<br />

• Bei Steuern:<br />

- Direkte Steuern: Aus BV 3 ergibt sich die Parallelkompetenz des Bundes und der Kantone;<br />

- Indirekte Steuern: Nur der Bund ist dafür zuständig.<br />

• Bei Kausalabgaben: Die Kompetenz für die Abgabeerhebung ergibt sich aus der Sachkompetenz.<br />

4.5.2. Bemessungsgrundsätze<br />

Die Bemessungsgrundsätze richten sich an den Gesetzgeber.


<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 46 / 58<br />

a) Bemessungsgrundsätze der Steuer<br />

⋄<br />

⋄<br />

BV 4: Rechtsgleichheit Lastengleichheit<br />

a) Allgemeinheit der Besteuerung: Verbot von Steuerprivilegien;<br />

b) Gleichmässigkeit der Besteuerung: Vergleichshandlungen der Lebensbedingungen:<br />

gleiche Lebensbedingungen, gleiche Steuern;<br />

c) Verhältnismässigkeit der Besteuerung: Besteuerung nach der "wirtschaftlichen<br />

Leistungsfähigkeit".<br />

Justiziabilität: a) ist total justiziabel;<br />

dagegen sind b) und c) nur bedingt justiziabel, Überprüfung höchstens der<br />

Gleichmässigkeit; Steuergerechtigkeit ist ein politischer Begriff!<br />

BGE 110 Ia 7, 14.<br />

BV 22 ter : Eigentumsgarantie<br />

Verbot der konfiskatorischen Besteuerung:<br />

b) Bemessungsgrundsätze der Kausalabgaben<br />

Aus BV 4:<br />

a) Rechtsgleichheitsgebot;<br />

b) Kostendeckungsprinzip;<br />

c) Äquivalenzprinzip.<br />

Die Möglichkeit, Vermögen zu bilden und zu<br />

erhalten, muss gewährt sein.<br />

Grenzen der Reichtumssteuer: BGE 99 Ia 638.<br />

a) Rechtsgleichheitsgebot<br />

Der Gesetzgeber hat einen grossen Spielraum: Eine Differenzierung nach Wohnsitz, Zeit, etc. ist<br />

zulässig, wenn sachliche Gründe und keine Widersprüche vorliegen.<br />

b) Kostendeckungsprinzip Rechtsetzungsdirektive;<br />

Ersatz, Surrogat einer ungenügenden Grundlage<br />

• Gesamtertrag soll die Gesamtkosten nicht übersteigen (BGE 120 Ia 174)<br />

Verbot der Gewinnerzielung<br />

• Rechtsgrundlage: - Zweck der Kausalabgabe;<br />

- Verhältnismässigkeit.<br />

• Geltungsvoraussetzungen: - Die Kosten sind berechenbar;<br />

- Kostenabhängigkeit: Kosten müssen dem Verursacher<br />

zugerechnet werden;<br />

- Kein gewollter Steueranteil.<br />

c) Äquivalenzprinzip:<br />

• Das Äquivalenzprinzip gilt in der Regel für alle Kausalabgaben;<br />

• Im Einzelfall darf die Höhe einer Gebühr nicht in einem offensichtlichen Missverhältnis zum<br />

objektiven Wert der Leistung oder des Vorteils stehen;<br />

• Der Wert der Leistung bemisst sich...<br />

- nach dem Nutzen, den sie den Pflichtigen bringt,<br />

- nach dem Kosten für das Gemeinwesen;<br />

• Rechtsgrundlage: Verhältnismässigkeit;<br />

• Das Äquivalenzprinzip ist besser justiziabel als das Kostendeckungsprinzip;<br />

• Das Äquivalenzprinzip ist aber problematisch für die Ersatzabgabe, denn die Leistung, mangels<br />

Marktwertes, lässt sich nicht einfach bemessen:<br />

- Eventuell nach Nutzen: Was hätte der Bürger inzwischen verdienen können?<br />

- Lineare Bemessung (%, ‰)


<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 47 / 58<br />

Kostendeckungsprinzip Äquivalenzprinzip<br />

Verwaltungsgebühren <br />

Benützungsgebühren<br />

()<br />

Die Kosten sind nicht einschätzbar. <br />

Monopolgebühren<br />

−<br />

Keine Kosten<br />

<br />

Beiträge<br />

<br />

Welcher anrechenbare Anteil? <br />

Ersatzabgaben<br />

−<br />

Der Dispens an sich ist gratis, die<br />

Kosten sind nicht bemessenbar.<br />

()<br />

BGE 118 Ib 349<br />

4.5.3. Gesetzmässigkeit öffentlicher Abgaben<br />

⋄<br />

Normstufe<br />

Normdichte<br />

⋄ Grundsatz: In einem formellen Gesetz stehen: • Subjekt = Kreis der Abgabepflichtigen;<br />

• Objekt = abgabebegründender Tatbestand;<br />

• Höhe oder wenigstens Bemessungs−<br />

grundsätze;<br />

• Ausnahmen von der Abgabepflicht.<br />

⋄ Grundlage: BV 4, im Abgaberecht ein selbständiges verfassungsmässiges Recht.<br />

Ausnahmen:<br />

• Normstufe: Für Kanzlei− und Kontrollgebühren genügt eine Verordnung, denn es geht um<br />

wenig Geld.<br />

• Normdichte qua Bemessungsgrundsätze:<br />

- Wenn eine gesetzliche Festsetzung der Höhe fehlt, kann sie durch die verfassungsrechtlichen<br />

Bemessungsgrundsätze (Kostendeckungsprinzip, Äquivalenzprinzip) ersetzt werden;<br />

- Wenn die verfassungsrechtlichen Bemessungsgrundsätze versagen, muss eine hinreichende<br />

gesetzliche Grundlage bestehen.


<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 48 / 58<br />

5. Das öffentliche Entschädigungsrecht<br />

5.0.1. Überblick: Die Anspruchsgrundlagen der öffentlichen Haftung<br />

⋄ Es gibt unterschiedliche Anspruchsgrundlagen mit unterschiedlichen Voraussetzungen und<br />

unterschiedlichen Verfahren.<br />

⋄<br />

⋄<br />

⋄<br />

Die Entwicklung dieses "Systems" war anarchisch und erfolgte vor allem durch Richterrecht.<br />

Kriterien:<br />

• Handlung: - Haftung für rechtmässige Handlungen;<br />

- Haftung für rechtswidrige Handlungen.<br />

• Rechtsgrundlage: - Eigentumsgarantie;<br />

- etc.<br />

Übersicht:<br />

Haftung f r?<br />

rechtswidriges Handeln<br />

rechtm ssiges Handeln<br />

Staatshaftung<br />

- VerantwortlichkeitsG<br />

Enteignung Vertrauensschutz<br />

- BV 22 ter - BV 4<br />

- Rechtsprechung<br />

(Weitere?)<br />

- BV 4: "Sonderopfer"<br />

- Sondernormen<br />

Formelle E.<br />

- EntG<br />

Materielle E.<br />

- RPG<br />

- Rechtsprechung<br />

⋄<br />

Gemeinsame Voraussetzungen:<br />

• Gesetzliche Grundlage Legalitätsprinzip: Kein Schadenersatz ohne gesetzliche Grundlage<br />

• Schaden (Personen− oder Sachschaden), dessen Umschreibung und Bemessung dem OR analog<br />

durchgeführt wird;<br />

Materielle Enteignung, Enteignung von Nachbarrechten und Sonderopfer setzen einen<br />

qualifizierten Schaden voraus.<br />

• Adäquater Kausalzusammenhang OR analog<br />

5.1. Enteignung<br />

Begriff: Staatlicher Eingriff in das Eigentum.<br />

5.1.1. Die Eigentumsgarantie<br />

⋄ Gesetzliche Grundlage: Art. 22 ter BV 1874, Art. 26 BV 1999.<br />

⋄ Begriff: Die Eigentumsgarantie stützt das Eigentum als Rechtsinstitut. Das Eigentum ist nicht<br />

vorgegeben, ist kein vorfindliches Faktum, sondern eine Einrichtung des Rechts; es ist<br />

durch das Gesetz näher umzuschreiben.<br />

BV 22 ter garantiert keine bestimmte Eigentumsordnung; das ist Sache der<br />

Gesetzgebung.


<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 49 / 58<br />

⋄ Funktionen: • justiziable Funktion:<br />

- institutionelle Funktion Institutsgarantie<br />

- Abwehrfunktion Bestandesgarantie<br />

- Entschädigungsfunktion Wertgarantie<br />

• programmatische Funktion:<br />

- breite Streuung;<br />

- Förderung des Eigentumserwerbes (WEGes)<br />

• grundrechtliche Funktion.<br />

⋄ Geltungsbereich: - persönlicher: sowohl für In− als Ausländer (Einschränkung: BewG)<br />

- sachlicher: geht über den Begriff des ZGB, schützt auch beschränkte<br />

dingliche Rechte, Besitzesrechte, obligatorische Rechte,<br />

Immaterialgüterrechte, die sog. wohlerworbenen Rechte;<br />

nicht geschützt sind faktische Interessen.<br />

⋄ Einschränkungen: a) Teilgehalte der Eigentumsgarantie<br />

b) Inhaltsbestimmungen ⇔ Beschränkungen<br />

c) Beschränkungen in einzelnen<br />

a) Teilgehalte der Eigentumsgarantie:<br />

• Institutsgarantie (BV 22 ter Abs. 1):<br />

- gewährleistet das Eigentum als Einrichtung des Rechtes;<br />

- Institutsgarantie = Kerngehaltsgarantie;<br />

- Adressat der Eigentumsgarantie ist prinzipiell der Gesetzgeber, aber die Eigentumsgarantie ist<br />

auch justiziabel (z.B. keine konfiskatorische Besteuerung);<br />

- Gewährleistung eines Grundbestandes an Verfügungs− und Nutzungsrechten.<br />

• Bestandesgarantie (BV 22 ter Abs. 2):<br />

Sie wird negativ umgeschrieben und ist als vorausgesetzt gedacht.<br />

• Wertgarantie (BV 22 ter Abs. 3):<br />

Eingriffe in die Wertgarantie sind nicht möglich, denn die Wertgarantie ist Folge eines Eingriffes in<br />

die Bestandesgarantie.<br />

b) Abgrenzung zwischen Inhaltsbestimmungen und Beschränkungen<br />

Die Entschädigungspflicht besteht nur bei Normen, die den Eigentumsinhalt beschränken, nicht bei<br />

solchen, die ihn bestimmen.<br />

Die Raumplanung (BV 22 quater ), die Forstpolizei (BV 24), der Gewässerschutz (BV 24 bis ), der Natur−<br />

und Heimatschutz (BV 24 sexies ), der Umweltschutz (BV 24 septies ) beschränken nicht den<br />

Eigentumsinhalt, sondern bestimmen ihn! (BGE 105 Ia 330)


<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 50 / 58<br />

c) Beschränkungen in einzelnen<br />

ffentlichrechtliche Eingriffe ins Eigentum<br />

Formelle Enteignung<br />

ffentlichrechtliche Eigentumsbeschr nkungen<br />

Materielle Enteignung<br />

bliche<br />

₩ voll entsch digungspflichtig<br />

(BV 22ter Abs. 3)<br />

₩ entsch digungslos<br />

(BV 22ter Abs. 3<br />

e contrario)<br />

• Formelle Enteignung: Entzug von Rechten;<br />

• Eigentumsbeschränkungen: Eingriffe in Verfügungs− und Nutzungsmöglichkeiten;<br />

• Voraussetzungen für öffentlich−rechtliche Eingriffe ins Eigentum:<br />

- gesetzliche Grundlage;<br />

- öffentliches Interesse (der Rekurs auf rein fiskalisches Interesse ist ausgeschlossen);<br />

- Verhältnismässigkeit.<br />

5.1.2. Formelle Enteignung<br />

a) Allgemeines<br />

⋄ Begriff: Eigentumsrechte werden durch Hoheitsakt entzogen und an den Enteigner übertragen.<br />

Rechtsfolge: Entschädigungspflicht.<br />

⋄ Funktion: Beschaffung von Gütern ≈ "Zwangsverkauf"<br />

⋄ Wer kann enteignen? Das Gemeinwesen (Art. 2 EntG) ... - für sich selbst;<br />

- an Dritte übertragen<br />

⋄ Voraussetzungen: • Gesetzliche Grundlage: - in Spezialgesetzen;<br />

- subsidiär: Art. 1 Abs. 1 EntG<br />

• Öffentliches Interesse<br />

• Verhältnismässigkeit: - verbietet vorsorgliche Enteignung;<br />

- verbietet eine quantitativ oder qualitativ<br />

(z.B. Enteignung statt b.d.R.) übermässige<br />

Enteignung.<br />

⋄ Gegenstand (Art. 5 EntG): • Eigentum und beschränkte dingliche Rechte;<br />

• Nachbarrechte (Unterlassungsansprüche nach Art. 679 ZGB fallen<br />

aus)<br />

setzt einen qualifizierten Schaden voraus.<br />

• obligatorische Rechte von Mietern;<br />

• wohlerworbene Rechte.<br />

⋄ Umfang (Art. 4 EntG): • Es kann nur entzogen werden, was nötig ist für das Werk und die<br />

künftigen Erweiterungen (Grundsatz der Verhältnismässigkeit);<br />

• Ausdehnung der Enteignung auf Begehren des Enteigneten (wenn<br />

ein Teil seines Grundstückes in Anspruch genommen und der Rest<br />

dadurch schlecht verwendbar wird) ist möglich (Art. 12 1 , 12 2 , 6 2<br />

EntG).


<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 51 / 58<br />

⋄ Entschädigung: • Grundsatz: Geldersatz vor Realersatz, Geld vor Sachen;<br />

• Bemessung: - Wert des enteigneten Rechtes:<br />

- bei vollständiger Enteignung Verkehrswert<br />

(Vergleichsmethode);<br />

- bei Teilenteignung Differenz (Differenzmethode);<br />

- Inkonvenienzen (= Ersatz für weitere vermögensrechtliche<br />

Nachteile).<br />

b) Verfahren der formellen Enteignung<br />

1. Erteilung des Enteignungsrechtes an den Enteigner (Art. 3 EntG)<br />

2. Planauflage (Bestimmung des Umfanges ist Gelegenheit zur Einsprache)<br />

3. Einigungsverhandlung (Schätzungskommission)<br />

4. Entscheid<br />

Einsprache gegen die<br />

Enteignung als solche:<br />

Departement<br />

Einsprache gegen die<br />

H he der Entsch digung:<br />

Sch tzungskommission<br />

Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht<br />

5.1.3. Materielle Enteignung<br />

a) Allgemeines<br />

• Öffentlich− rechtliche Eigentumsbeschränkung<br />

• wirkt für den Eigentümer gleich wie eine formelle Enteignung<br />

• entschädigungspflichtig (BV 22 ter Abs. 3)<br />

b) Abgrenzung zur formellen Enteignung<br />

formelle Enteignung materielle Enteignung<br />

Gegenstand Entzug von Rechten Beschränkung von Rechten<br />

Zweck Güterbeschaffung Folge eines auf andere Ziele gerichteten<br />

Eingriffs<br />

Subjektswechsel ja nein (keine Übertragung von Rechten)<br />

Funktion der Entschädigung Voraussetzung der Enteignung Folge der Enteignung<br />

c) Begriff<br />

1. Besonders schwerer Eingriff − Sonderopfer<br />

Materielle Enteignung liegt vor...<br />

• ...wenn einem Eigentümer der Gebrauch seiner Sache untersagt oder besonders stark<br />

eingeschränkt wird, weil ihm eine wesentliche, aus dem Eigentumsinhalt fliessende Befugnis<br />

entzogen wird (= Grundtatbestand).<br />

Beispiele aus der Praxis:<br />

als schwerer Eingriff gilt: die Auszonung (Überführung Bauzone Nichtbauzone)<br />

als leichter Eingriff gilt: - eine Abzonung: 5 Geschosse 3 Geschosse;<br />

- Herabsetzung der Bauzone zu einem Drittel;<br />

- befristetes Bauverbot bis 10 Jahre.


<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 52 / 58<br />

• ...wenn der Eingriff weniger weit geht, jedoch ein einziger oder einzelne Grundeigentümer so<br />

betroffen werden, dass ihr Opfer gegenüber der Allgemeinheit unzumutbar erschiene und es mit<br />

der Rechtsgleichheit nicht vereinbar wäre, wenn hierfür keine Entschädigung geleistet würde<br />

(= Auffangtatbestand).<br />

2. Bisheriger Gebrauch − künftiger Gebrauch<br />

Sowohl beim besonders schweren Eingriff als auch beim Sonderopfer kommt materielle Enteignung in<br />

Betracht...<br />

• ...wenn ein bisheriger Gebrauch der Sache eingeschränkt wird.<br />

• ...wenn ein künftiger Gebrauch eingeschränkt wird, dies jedoch nur dann, wenn im massgebenden<br />

Zeitpunkt anzunehmen war, die Möglichkeit einer zukünftigen besseren Nutzung der Sache lasse<br />

sich mit hoher Wahrscheinlichkeit in naher Zukunft verwirklichen (i.d.R. Baulandqualität).<br />

d) Prüfprogramm<br />

Prüfprogramm bei Eigentumsbeschränkungen, die die Möglichkeit zu bauen eingrenzen oder<br />

unterbinden:<br />

1. Baulandqualität?<br />

Liegt Bauland im enteignungsrechtlichen Sinn vor? Das heisst: War das Bauen im massgeblichen<br />

Zeitpunkt (= Inkrafttreten der Eigentumsbeschränkung)?<br />

• rein rechtlich zulässig: - ohne Ausnahmebewilligung,<br />

- ohne weitere Rechtsänderung,<br />

- ohne Planänderung;<br />

• und tatsächlich möglich: - Erschliessungsverhältnisse,<br />

- Stand der Planung,<br />

- Grundstückverhältnisse / Bauentwicklung;<br />

• und nach den Umständen mit hoher Wahrscheinlichkeit in naher Zukunft zu erwarten<br />

(= Prognose)?<br />

2. Besonders schwerer Eingriff oder Sonderopfer?<br />

Bewirkt die Planungsmassnahme...<br />

- ...einen besonders schweren Eingriff?<br />

- ...zwar keinen besonders schweren, wegen seiner Singularität aber unzumutbaren Eingriff?<br />

Pro memoria: - Leichte Eigentumsbeschränkungen bewirken keine materielle Enteignung und sind<br />

nicht entschädigungspflichtig.<br />

- Wesentliches Abgrenzungskriterium ist die Frage, ob eine bestimmungsgemässe,<br />

wirtschaftlich sinnvolle Nutzung des Grundstücks weiterhin möglich ist.<br />

e) Polizeilich (nicht planerisch) motivierte Enteignung<br />

Fälle:<br />

1) Auszonung zum Schutze von Polizeigütern<br />

Bsp.: Bauverbot wegen Lawinengefahr<br />

entschädigungslos hinzunehmen, denn die Massnahme schützt das betroffene Eigentum selbst.<br />

2) Beschränkung zum Schutz des Grundwassers und damit der Allgemeinheit<br />

entschädigungspflichtig<br />

f) Entschädigung<br />

• Die Höhe der Entschädigung bemisst sich nach den Regeln über die Teilenteignung, also nach der<br />

Differenz zwischen dem Verkehrswert vor und demjenigen nach Inkrafttreten der<br />

Eigentumsbeschränkung.


<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 53 / 58<br />

• Die Projektierungskosten (Inkonvenienzen)...:<br />

- ... werden nur dann erstattet, wenn unabhängig davon eine materielle Enteignung vorliegt;<br />

- trifft dies nicht zu, so kann ausnahmsweise Ersatz für unnütz gewordene Projektierungskosten<br />

gestützt auf BV 4 verlangt werden, wenn die Einreichung des (den geltenden Bauvorschriften)<br />

entsprechenden Projekts gerade eine Planänderung oder eine andere Eigentumsbeschränkung<br />

veranlasst hat und wenn mit diesem Eingriff vorher nicht zu rechnen war (Vertrauensschutz).<br />

• Verfahrensdualismus:<br />

Plansetzungsverfahren<br />

Entsch digung wegen materieller Enteignung<br />

Staatsrechtliche Beschwerde<br />

an das Bundesgericht<br />

(Art. 34 Abs. 3 RPG)<br />

Verwaltungsgerichtsbeschwerde<br />

an das Bundesgericht<br />

(Art. 34 Abs. 1 RPG)<br />

Diese zwei Verfahren sind zu unterscheiden: Die Entschädigungsfrage kann nicht im<br />

Plansetzungsverfahren behandelt werden!<br />

• Schuldner der Entschädigung ist das Gemeinwesen, auch wenn der Planungsauftrag vom Bund<br />

kommt!<br />

5.1.4. Entzug wohlerworbener Rechte<br />

• Gegenstände: Rechte aus Konzessionen, aus Verträgen;<br />

• Die wohlerworbenen Rechte geniessen Schutz der Eigentumsgarantie (BV 22 ter );<br />

• Sie können nur in Verfahren der formellen Enteignung entzogen werden und mit der Folge voller<br />

Entschädigung.


<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 54 / 58<br />

5.2. Staats− und Beamtenhaftung<br />

5.2.1. Das System der Staats− und Beamtenhaftung<br />

Nota bene:<br />

Es geht hier um die vermögensrechtliche Verantwortlichkeit (neben der politischen,<br />

disziplinarischen)<br />

Unterscheidungskriterien:<br />

a) Haftungssubjekt<br />

1) Staatshaftung:<br />

Staat<br />

Beamter<br />

2) Beamtenhaftung:<br />

a) externe Beamtenhaftung: Staat<br />

Schadenersatzanspruch<br />

Schadenszuf gung<br />

Schadenersatzanspruch<br />

Dritter<br />

Dritter<br />

b) interne Beamtenhaftung:<br />

aa) unmittelbare:<br />

bb) mittelbare:<br />

Beamter<br />

Staat<br />

Staat<br />

Schadenszuf gung<br />

Schadenersatzanspruch<br />

Beamter<br />

Schadenszuf gung<br />

Schadenersatzanspruch<br />

Regress<br />

Dritter<br />

Beamter<br />

Schadenszuf gung<br />

b) Haftungsform<br />

• Ausschliessliche Beamtenhaftung heute ohne Bedeutung;<br />

• Primäre Beamtenhaftung mit subsidiärer Staatshaftung;<br />

• Solidarische Haftung von Staat und Beamten;<br />

• Ausschliessliche Staatshaftung heute vorherrschend (eventuell mit Regress).<br />

c) Haftungsgrund<br />

- nach Verschulden: • Kausalhaftung<br />

Staatshaftung<br />

• Verschuldenshaftung Beamtenhaftung<br />

- nach Rechtmässigkeit: • Haftung für rechtswidrig zugefügten Schaden<br />

• Haftung für rechtmässig zugefügten Schaden (Bsp.: Enteignung)<br />

5.2.2. Die Staats− und Beamtenhaftung im Bund<br />

a) Rechtsquelle<br />

Bundesgesetz über die Verantwortlichkeit des Bundes sowie seiner Behördenmitglieder und Beamten<br />

vom 14. März 1958 (Verantwortlichkeitsgesetz, VG; SR 170.32)


<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 55 / 58<br />

b) Grundsatz der ausschliesslichen und kausalen Staatshaftung<br />

Der Bund haftet für den Schaden, den ein Beamter in Ausübung seiner amtlichen Tätigkeit Dritten<br />

widerrechtlich zufügt, ohne Rücksicht auf das Verschulden des Beamten (VG 3 1 ). Gegenüber dem<br />

fehlbaren Beamten steht dem Geschädigten hingegen kein Anspruch zu (VG 3 3 ). Der Bund kann aber auf<br />

den Beamten Rückgriff nehmen, sofern dieser vorsätzlich oder grobfahrlässig seine Dienstpflicht<br />

verletzt hat (VG 7).<br />

c) Prüfprogramm der Staatshaftung nach VG<br />

Tritt der Staat als Subjekt des Privatrechts auf?<br />

Nein<br />

Ja<br />

Pr fung der Haftpflicht<br />

nach Privatrecht<br />

Existiert eine spezialgesetzliche Haftungsnorm?<br />

Nein<br />

Ja<br />

Pr fung der Haftpflicht<br />

nach Spezialnorm oder<br />

Haftung nach kant. Recht<br />

Schaden:<br />

Ist Schaden und / oder immaterille Unbill entstanden?<br />

Nein<br />

Ja<br />

Ad quate Kausalit t:<br />

War die Schadensursache nach dem gew hnlichen Lauf der Dinge und<br />

der allg. Erfahrung geeignet, den eingetretenen Erfolg zu bewirken?<br />

Nein<br />

Keine Haftung<br />

Ja<br />

Beamte / Beamtin i.S. des VG:<br />

Ist die Schadensursache einer Person, die unmittelbar mit<br />

ffentlichrechtlichen Aufgaben des Bundes betraut ist, zuzurechnen?<br />

Nein<br />

Pr fung der Haftpflicht<br />

nach Privatrecht<br />

Ja<br />

Sonderfall: Angeh rige von Organisationen<br />

der dezentralisierten Verwaltung<br />

Eventuell Ausfallhaftung<br />

des Staates<br />

Zusammenhang mit amtlicher T tigkeit:<br />

Wurde die Sch digung bei Aus bung amtlicher T tigkeiten verursacht?<br />

Nein<br />

Pr fung der Haftpflicht<br />

nach Privatrecht<br />

Ja<br />

Widerrechtlichkeit:<br />

Wurde ein absolutes Recht verletzt oder eine Verm genssch digung<br />

durch Verstoss gegen eine einschl gige Schutznorm bewirkt?<br />

Ja<br />

Nein<br />

Keine Haftung<br />

Liegen Rechtfertigungsgr nde vor?<br />

Ja<br />

Nein<br />

Haftung des Staates nach Verantwortlichkeitsgesetz


<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 56 / 58<br />

d) Voraussetzungen der Haftung des Bundes<br />

- neg.: • Kein gewerbliches Handeln (VG 11 1 );<br />

• Keine spezialgesetzlichen Haftungsnormen (VG 3 2 );<br />

Bsp.: MilitG 135− 143, OR 58, ZGB 679, OR 56− 57<br />

- pos. (VG 3 1 ): • Schaden (zivilrechtlicher Schadensbegriff)<br />

• Adäquater Kausalzusammenhang<br />

• Beamter im Sinne des VG:<br />

- Personenliste in VG 1, insb. Lit. e+f;<br />

- Lit. f ⇒ "unmittelbar";<br />

- Vollzug vom Bundesrecht durch Kantone fällt nicht darunter.<br />

• Funktioneller Zusammenhang (Zusammenhang mit amtlicher Tätigkeit)<br />

• Widerrechtlichkeit<br />

1) Schädigung durch eine Person, die öffentliche Aufgaben erfüllt<br />

• Person, die unmittelbar mit öffentlichrechtlichen Aufgaben des Bundes betraut ist<br />

(Bundesbeamten, Magistratspersonen, Angestellten);<br />

• Bei ausserhalb der Bundesverwaltung stehenden − privat− oder öffentlichrechtlichen −<br />

Organisationen, die mit der Erfüllung von Bundesaufgaben betraut sind, haftet primär diese<br />

Organisation; die Haftung des Bundes ist in diesem Fall subsidiär (VG 19).<br />

2) Schädigung in Ausübung amtlicher Tätigkeit<br />

• Die den Schaden verursachende Handlung hat einen Bezug zum Aufgabenbereich des Beamten;<br />

dieser Bezug ergibt sich regelmässig aus dem Pflichtenheft.<br />

• Die Verantwortlichkeit des Bundes ist ausgeschlossen, sofern der Beamte als Privatperson oder<br />

lediglich bei Gelegenheit der Ausübung amtlicher Tätigkeit Dritte schädigt.<br />

3) Widerrechtlichkeit<br />

Objektive Widerrechtlichkeitslehre im Sinne von OR 41 (BGE 116 Ib 373)<br />

⋄<br />

⋄<br />

⋄<br />

Verhaltensunrecht:<br />

• Bei Handeln: Verletzung einer "einschlägigen" Schutznorm, die dem Schutz des verletzten<br />

Rechtsgutes dient (vor allem bei Vermögensschäden)<br />

• Bei Unterlassen: Verstoss gegen Pflichten, die sich aus Garantenstellung ergeben (Gesetz verlangt<br />

Handeln oder ahndet Unterlassung ausdrücklich).<br />

Täterbezogenes Kriterium<br />

Erfolgsunrecht:<br />

• Regel: Verletzung eines absolut geschützten Rechtsgutes: Leib und Leben, Persönlichkeit,<br />

(Eigentum), nicht aber Vermögen (Vorbehalt der Grundsätze über die materielle Enteignung).<br />

• Ausnahme: Medizinische Behandlung: Sorgfaltswidrigkeit.<br />

Opferbezogenes Kriterium<br />

Widerrechtlichkeit durch Rechtsakte (Verfügungen, Entscheide oder Urteile), die sich nachträglich<br />

als rechtswidrig erweisen:<br />

• Erforderlich ist ein qualifizierter Fehler:<br />

- die Entscheidung des Richters oder Beamten erweist sich später, z.B. in einem<br />

Rechtsmittelverfahren, als unrichtig, gesetzwidrig oder sogar willkürlich; und<br />

- der Richter oder der Beamte hat eine für die Ausübung seiner Funktion wesentliche Amtspflicht<br />

verletzt. Für Prof. Zimmerli (Skript Einf. ins VwR, 1995, S. 220) kann Willkür, als qualifizierte Unrichtigkeit, nie als pflichtgemässes Verhalten gelten.<br />

• Im Verantwortlichkeitsprozess ist die Überprüfung formell rechtskräftiger Verfügungen,<br />

Entscheide und Urteile ausgeschlossen; eine Verfügung, die nicht angefochten worden ist, gilt für


<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 57 / 58<br />

⋄<br />

⋄<br />

den Staatshaftungsrichter von Gesetzes wegen als rechtmässig (Subsidiarität der Staatshaftung<br />

gegenüber dem <strong>Verwaltungsrecht</strong>sschutz, VG 12).<br />

Rechtfertigungsgründe:<br />

• Gesetz / Amtspflicht: Schädigung ist Zweck der Handlung (z.B. Verhaftung / Strafe) oder sie ist<br />

zwangsläufig mit der Durchführung der gesetzlichen Aufgabe verbunden (z.B. Wasserschaden beim<br />

Feuerwehreinsatz). Nicht gerechtfertigt ist die Schädigung als unbeabsichtigte, vom Gesetz nicht<br />

gewollte und zur Erreichung des Ziels nicht notwendige Nebenfolge.<br />

• Einwilligung des Geschädigten.<br />

Haftung für rechtmässig zugefügten Schaden: nach Doktrin (≠ positives Recht):<br />

• <strong>Bern</strong>er Personalgesetz Art. 47 Abs. 2<br />

"allg. Sonderopferentschädigung": - Spezialität;<br />

- Schwere;<br />

- Unzumutbarkeit.<br />

• Auf Bundesebene: BV 4<br />

4) Vorbehalt der Spezialgesetzgebung (VG 3 2 )<br />

• Abweichen der Spezialerlasse, die etwa eine restriktive Umschreibung der Haftung des Bundes<br />

(Haftung nur für bestimmte Schäden) oder das Verfahren und die Schadensbemessung betreffen.<br />

• Bsp.: OR 56, OR 58, SVG 73, SSG 27 3<br />

5) Schädigende Einwirkung öffentlicher Werke auf die Nachbarschaft<br />

Haftung des Bundes nach Enteignungsrecht, wenn:<br />

- der Schaden wird im Zusammenhang mit der Erfüllung öffentlicher Aufgaben zugefügt; und<br />

- die schädigende Handlung entspricht dem Zweck des betreffenden öffentlichen Werkes; und<br />

- die schädigende Handlung ist als solche unvermeidbar.<br />

Verantwortlichkeit des Bundes nach privatrechtlichen Regeln (ZGB 679, OR 58), wenn diese<br />

Voraussetzungen nicht gegeben sind.<br />

6) Der Bund als Subjekt des Privatrechts<br />

• Soweit der Bund als Subjekt des Privatrechts auftritt, haftet er nach dessen Bestimmungen (Art. 11<br />

VG; analog zu Art. 61 2 OR, gewerbliche Verrichtungen); der Geschädigte kann sich aber auch in<br />

diesem Fall einzig an den Bund halten (Art. 11 Abs. 2 VG);<br />

• Bsp.: Geschäftsherrenhaftung (OR 55/101), Organhaftung (ZGB 55);<br />

e) Verfahren<br />

• Forderung beim Eidg. Finanzdepartement (Ausnahmen vgl. VG 10 2 )<br />

• Verfügung<br />

• Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht<br />

normales Verwaltungsverfahren (≠ Klageverfahren)<br />

f) Regress und interne Haftung<br />

Hat der Bund dem Privaten Ersatz geleistet, kann er gegen den Beamten, der den Schaden verursacht hat,<br />

Regress nehmen, sofern diesem schweres Verschulden (Vorsatz oder Grobfahrlässigkeit) nachgewiesen<br />

werden kann (VG 7).


<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 58 / 58<br />

5.2.3. Haftung der Kantone<br />

• OR 61 1 behält für die Schadenersatzpflicht der Beamten des Gemeinwesens (ausdrücklich) sowie für<br />

die Haftung der Kantone oder der Gemeinden selber (stillschweigend) das öffentliche Recht vor.<br />

• Hat der Kanton die Haftung nicht selber geregelt, findet das OR als kantonales Ersatzrecht<br />

Anwendung.<br />

• Da heute alle Kantone ihre eigene Haftpflicht und diejenigen für ihre Beamten in<br />

Verantwortlichkeitsgesetzen geregelt haben, kommt OR 61 1 keine grosse Bedeutung mehr zu.

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