Verwaltungsrecht â AT - Studentenverbindung Concordia Bern
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<strong>Verwaltungsrecht</strong> − <strong>AT</strong><br />
1. Die Verwaltung<br />
1.0.1. Überblick: Die Verwaltung im demokratischen, freiheitlichen und sozialen<br />
Bundesstaat<br />
Was ist Verwaltung?<br />
• Verwaltung im organisatorischen Sinn: die Gesamtheit der Verwaltungsbehörden<br />
• Verwaltung im funktionellen Sinn:<br />
- negativ: Alles, was weder Rechtsetzung, noch Rechtsprechung noch Regierung ist.<br />
- positiv: Verwaltung ist die Besorgung gesetzlich übertragener Staatsaufgaben durch das<br />
Gemeinwesen.<br />
Was ist <strong>Verwaltungsrecht</strong>?<br />
<strong>Verwaltungsrecht</strong> ist das Recht der Staatsaufgaben; zum <strong>Verwaltungsrecht</strong> gehören alle generell−<br />
abstrakten Normen, welche:<br />
- die Erfüllung von Staatsaufgaben;<br />
- die damit zusammenhängenden Rechte und Pflichten von natürlichen und juristischen Personen;<br />
- die Organisation und Zuständigkeiten der Verwaltungsbehörden;<br />
- das Verwaltungsverfahren;<br />
regeln.<br />
1.1. Aufgaben der Verwaltung<br />
1.1.1. Arten der Verwaltungsaufgaben<br />
Kriterium: Zweck?<br />
Inhalt<br />
1) Ordnungsaufgaben - Eine bestimmte Ordnung einheitlich<br />
aufrechtzuhalten, vor Störungen zu bewahren;<br />
- Polizeiwesen.<br />
2) Sozialpolitische Aufgaben - Schutz oder Unterstützung schwächerer<br />
Gesellschaftsmitglieder.<br />
3) Lenkungsaufgaben - Zielzustand herbeizuführen / zu sichern;<br />
- prospektive Aufgaben;<br />
- Lenkungscharakter.<br />
4) Infrastrukturaufgaben - öffentliche Dienste offenzustellen ("services<br />
publics");<br />
- dienstleistender Charakter.<br />
In der BV<br />
"− wesen"<br />
"− schutz"<br />
"− politik"<br />
"− versorgung"<br />
"− wesen" (i. S. v.<br />
Einrichtungen)<br />
1.1.2. Arten der Aufgabenerfüllung<br />
Kriterien: - Instrument?<br />
- Qualität der Mittel?
<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 2 / 58<br />
Erf llung von Verwaltungsaufgaben<br />
mittelbare<br />
unmittelbare<br />
Wirtschaftende Vw :<br />
- Der Staat beteiligt sich am<br />
Wirtschaftsrecht;<br />
- Vw Finanzverm gen;<br />
- Fisk. Wettbewerbswirtschaft.<br />
Eingriffsverwaltung :<br />
Verpflichtend oder<br />
belastend<br />
Leistungsverwaltung :<br />
Erbringt Sach- oder<br />
Geldleistungen<br />
Bedarfsverwaltung :<br />
- Adminstrative Hilfst tigkeit;<br />
- Keine konkrete Wirkung nach aussen;<br />
- Personalwesen, Beschaffungswesen.<br />
~ Finanzverm gen ~ Verwaltungsverm gen<br />
1.2. Träger der Verwaltung<br />
1.2.1. Organisationsgrundsätze<br />
1) Gesetzmässigkeit<br />
Der Gesetzgeber bestimmt, wie es geht:<br />
Die strukturellen Grundfragen gehören<br />
dem Gesetz, aus demokratischen<br />
Gründen.<br />
2) Zentralisation<br />
= Zusammenfassung der Tätigkeiten in<br />
einer Zentralverwaltung<br />
= Unmittelbare Staatsverwaltung<br />
3) Universalität<br />
= Allzuständigkeit<br />
für die Zentralverwaltung<br />
4) Aufsicht<br />
- Die Beamten der Zentralverwaltung<br />
unterstehen der Dienstaufsicht der<br />
direkten Vorgesetzten und der<br />
übergeordneten Amtstellen;<br />
- Die Instanzen der dezentralizierten<br />
Verwaltung unterstehen der<br />
Verbandsaufsicht übergeordneter<br />
Einheiten der Zentralverwaltung.<br />
⇔<br />
⇔<br />
⇔<br />
⇔<br />
Organisationsgewalt<br />
Die Regierung bestimmt die Organisation der<br />
Vw: Die Zuteilung der verschiedenen Aufgaben<br />
ist Sache der Regierung.<br />
Dezentralisation<br />
= Einzelne Aufgaben werden an einen<br />
Organismus übertragen, der nicht direkt in die<br />
Zentralverwaltung eingebaut, sondern aus ihr<br />
ausgegliedert ist<br />
= Mittelbare Staatsverwaltung<br />
≠ Örtliche Verschiebung<br />
Spezialität<br />
= Die Instanz ist nur für die Bearbeitung der ihr<br />
besonders übertragenen Aufgaben zuständig<br />
für die dezentralisierte Verwaltung<br />
Autonomie<br />
Erhebliche Entscheidungsfreiheit
<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 3 / 58<br />
Ad 2): Man unterscheidet:<br />
Vertikale Dezentralisation<br />
Die Zentralverwaltung weist die Aufgabe<br />
einem nachgeordneten Gemeinwesen zu:<br />
Bund Kanton, Kanton Gemeinde<br />
(Föderative Struktur)<br />
1.2.2. Zentralverwaltung<br />
Horizontale Dezentralisation<br />
= sachliche Dezentralisation<br />
Motive:<br />
- grössere Flexibilität, grössere Effizienz, Kundennähe;<br />
- Heranziehen von vorbestehenden Subjekten (Bsp.:<br />
Schweizer Elektrotechnischer Verein);<br />
- Man spart sich den Aufbau einer zusätzlichen<br />
staatlichen Struktur.<br />
a) Verwaltungseinheit Verwaltungsfunktionär<br />
- Handelt nicht selbst, sondern bedarf nat. Pers.;<br />
- Bsp.: Bundesamt<br />
- Natürliche Personen;<br />
- "Agents publics", "Amtsinhaber".<br />
Jeder Verwaltungseinheit entspricht eine Zuständigkeit:<br />
• Sachliche Zuständigkeit: Sachgebiet, wofür das Bundesamt sachlich zuständig ist ("Ressort")<br />
• Funktionelle Zuständigkeit: Hierarchie<br />
• Örtliche Zuständigkeit.<br />
b) Hierarchie:<br />
• Über− / Unterordnungsverhältnisse;<br />
• Trotz Hierarchie sind die Beamten auf Kooperation angewiesen (Keine grosse Sanktionen, um<br />
Entscheide durchzusetzen);<br />
• Hierarchie ist nötig aus drei Gründen:<br />
- Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber Parlament und Volk;<br />
- Leistungsfähigkeit;<br />
- Koordinationsbedarf.<br />
• Vier Auswirkungen:<br />
- Dienstaufsicht (↓);<br />
- Evokation / Selbsteintritt (Der Übergesetzte übernimmt selbst eine Aufgabe, die einem<br />
Untergesetzten zusteht);<br />
- Dienstweg (↑);<br />
- Rechtsmittelweg (↑).<br />
c) Grundsätze der Zweckmässigkeit und der Leistungsfähigkeit der Verwaltung<br />
RVOG 3 3 , 8 2 .<br />
d) Konzentration / Dekonzentration<br />
• Konzentration: Eine einzige Verwaltungseinheit übernimmt die Aufgabe.<br />
• Dekonzentration:<br />
- Sachliche (horizontale) Dekonzentration: Aufgabenaufteilung auf Ämter;<br />
- Territoriale (vertikale) Dekonzentration: Aufgabenaufteilung auf örtliche Bezirke.<br />
1.2.3. Öffentlich− rechtliche Anstalten<br />
• Eine Anstalt ist eine von einem Gemeinwesen getragene, administrativ relativ verselbständigte,<br />
mit persönlichen und sachlichen Mitteln ausgestattete und mit Autonomie (im Rahmen des<br />
Anstaltszwecks) versehene Institution zur dauernden Erfüllung einer übertragenen<br />
Verwaltungsaufgabe;<br />
• Die Anstalt hat BenützerInnen;
<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 4 / 58<br />
• Sie bezweckt i.d.R. die Erbringung von Leistungen.<br />
• Es gibt: - autonome und nicht autonome Anstalten (Kriterium: Mass an Entscheidungsfreiheit);<br />
- rechtsfähige und nicht rechtsfähige (Kriterium: Rechtspersönlichkeit);<br />
- "Betriebe" (trägt einen Namen).<br />
• Beispiele: - Die Universität <strong>Bern</strong> (autonome Anstalt ohne Rechtspersönlichkeit)<br />
- Die Schweizerische Post (selbständige Anstalt mit Rechtspersönlichkeit)<br />
1.2.4. Öffentlich− rechtliche Körperschaften<br />
• Die öff.− recht. Körperschaft beruht auf öffentlich− rechtlicher Grundlage (ZGB 59 Abs. I).<br />
• Begriffselemente: - durch staatlichen Hoheitsakt (= Gesetz) errichtet;<br />
- rechtlich verselbständigt juristische Person i. S. v. Art. 52 2 ZGB<br />
(das Zivilrecht ist nur subsidiär anwendbar!);<br />
- mitgliedschaftlich verfasst;<br />
- mit Autonomie versehen;<br />
- zur selbständigen Erfüllung von − i.d.R. − übertragenen<br />
Verwaltungsaufgaben bestimmt.<br />
• Die Körperschaft hat Mitglieder;<br />
• Sie bezweckt die Selbstverwaltung.<br />
• Arten:<br />
Beispiele:<br />
Kriterium für die Mitgliedschaft:<br />
- Gebietskörperschaften Gemeinde Wohnsitz<br />
- Personalkörperschaften StudentInnenschaft Persönliche Eigenschaften<br />
- Realkörperschaften Bodensverbesserungs−<br />
genossenschaft<br />
Eigentum<br />
• Zwangsmitgliedschaft: - eine von Gesetzes wegen gegebene, obligatorische;<br />
- die Frage, ob eine Zwangsmitgliedschaft verfassungsmässig sei, ist<br />
ein Grundrechtsproblem.<br />
1.2.5. Öffentlich− rechtliche Stiftungen<br />
• Vermögensmassen, welche verselbständigt und einem bestimmten Zweck (= Erfüllung einer<br />
öffentlichen Aufgabe) gewidmet sind.<br />
• Beispiele: - Stiftung Schweizer Nationalpark;<br />
- Stiftung "Pro Helvetia".<br />
1.2.6. Zivilrechtliche Verwaltungsträger: Übertragung von Verwaltungsaufgaben an<br />
Private<br />
⋄<br />
⋄<br />
Begriff: Subjekte des Privatrechts erfüllen Aufgaben des Staats.<br />
Arten:<br />
• Gemischtwirtschaftliche Gesellschaften:<br />
- Zwei Möglichkeiten: 1) Der Staat beteiligt sich im Kapital der AG;<br />
2) Der Staat ist Organ der AG.<br />
- Funktion: Gewinnziel und Gemeinwohlziel zu verbinden;<br />
- Bsp.: FMB, Swissair, Swisscom;<br />
• Öffentliche Unternehmen in Privatrechtsform;<br />
• Übertragung an schon vorbestehende Rechtssubjekte ("Beleihung"):<br />
Zwecke: - Der Staat erspart Kosten;<br />
- Er benützt Fachkenntnisse der Privaten.
<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 5 / 58<br />
Beispiele:<br />
SRG, Schweizer Nationalfonds.<br />
⋄ Rechtsfolgen: - Sie stehen unter der Aufsicht der Zentralverwaltung;<br />
- Sie haften wie der Staat (im Bund: VerantwortlichkeitsG);<br />
- Sie unterliegen dem Verfahrensrecht wie der Staat<br />
(Art. 1 Abs. 2 Bst. e VwVG, Art. 98 Bst. h OG).<br />
1.2.7. NPM und Privatisierung<br />
a) Was bedeutet Privatisierung?<br />
Hinter diesem Wort stehen mehrere Begriffe:<br />
• Eine Staatsaufgabe wird an zivilrechtliche Verwaltungsträger übertragen;<br />
• Ein Staatsmonopol wird an Privaten geöffnet;<br />
• Eine Staatsaufgabe wird abgeschafft, zur Selbstregulierung.<br />
b) Was bedeutet New Public Management?<br />
≠ Privatisierung!<br />
= Reorganisation der Staatsverwaltung im Sinne von mehr Effizienz<br />
• Mängel des "Old Public Management":<br />
- Unklare Aufteilung der Verantwortungen zwischen Parlament und Regierung;<br />
- Mangelnde Steuerungskraft des Gesetzes;<br />
- Starre Ressourcenbewirtschaftung (Das Budget ist für ein Jahr vorgesehen keine langfristige<br />
Planung möglich)<br />
• Lösungsansätze:<br />
- Trennung Ziel− / Managementverantwortungen<br />
Parlament Regierung<br />
- Mehr Autonomie für Regierung und Verwaltung;<br />
- Globalbudget.<br />
• Konsequenzen:<br />
- Spannungsverhältnis zum Demokratieprinzip: Parlament und Volk könnten den gesamten<br />
politischen Prozess nicht mehr steuern;<br />
- Die Rechtssatzbindung sollte gelockert werden, mit offeneren Gesetzen, um mehr<br />
Handlungsfreiheit zu haben Problem mit Legalitäts− und Rechtsstaatsprinzipien;<br />
- Problem auf Ebene der Praktikabilität: Wie kann man die Bedürfnisse abschätzen?<br />
- Grundproblem: Der Markt erzielt Gewinn, der Staat erzielt Konsens.<br />
Zwei ganz verschiedene Grundgedanken!
<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 6 / 58<br />
2. Die Rechtsbindungen der Verwaltung<br />
2.0.1. Überblick: Die Verwaltung als rechtsgebundene Staatsfunktion<br />
"Alles Verwaltungshandeln ist Rechtshandeln": Die Verwaltung, im Gegensatz zu Privaten, verfügt<br />
über keine Privatautonomie; sie hat Staatsaufgaben zu erfüllen und muss dafür von ihrer<br />
Handlungsfreiheit pflichtgemäss Gebrauch machen.<br />
2.1. Rechtsquellen des <strong>Verwaltungsrecht</strong>s<br />
2.1.1. Gesetz<br />
Definition: • im materiellen Sinne: Rechtssatz<br />
Normstruktur: generell−abstrakt<br />
• im formellen Sinne: Erlassverfahren, ordentliches Gesetzgebungsverfahren<br />
2.1.2. Verordnung<br />
Verordnungen sind Erlasse, Rechtssätze, die der BV oder den Gesetzen geordnet sind.<br />
Verordnungen (Vo)<br />
1)<br />
ParlamentsVo<br />
GerichtsVo<br />
RegierungsVo<br />
2)<br />
VerwaltungsVo<br />
RechtsVo<br />
3)<br />
Selbst ndige Vo<br />
Unselbst ndige Vo<br />
4)<br />
VollziehungsVo<br />
Gesetzesvertretende Vo
<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 7 / 58<br />
1) Parlaments− / Gerichtsverordnungen Regierungsverordnungen<br />
Je nach erlassenden Behörden<br />
2) Verwaltungsverordnungen Rechtsverordnungen<br />
- richten sich an die Behörden und<br />
verpflichtet sie;<br />
- Führungsmittel für die<br />
Verwaltungsbehörden;<br />
- enthalten keine Rechtssätze, keine Quelle<br />
für das <strong>Verwaltungsrecht</strong>.<br />
3) Selbständige Verordnungen<br />
- beruht auf der BV;<br />
- Bestand hängt nicht vom Gesetz ab.<br />
- richten sich an die Allgemeinheit;<br />
- <strong>Verwaltungsrecht</strong>squelle.<br />
Unselbständige Verordnungen<br />
- beruht auf einem Gesetz;<br />
- Bestand hängt vom Bestand des Gesetzes ab.<br />
4) Vollziehungsverordnungen Gesetzesvertretende Verordnungen<br />
inhaltliches Verhältnis zum Gesetz:<br />
- vom Gesetz vorbestimmt;<br />
- das Gesetz ist vollständig, muss aber für<br />
dessen Anwendung in Praxis mehr<br />
entfaltet werden;<br />
- Vo übernimmt keine Gesetzesfunktion;<br />
- Der BR ist befugt, VollziehungsVo zu<br />
erlassen, auch wenn es das Gesetz nicht<br />
vorsieht (BV 102 Ziff. 5).<br />
2.1.3. Autonome Satzung<br />
- vom Gesetz nicht vorbestimmt;<br />
- das Gesetz ist unvollständig (Leerstelle im<br />
Gesetz);<br />
- Vo übernimmt Gesetzesfunktion;<br />
- Gesetzesvertretende Vo kann der BR nur<br />
erlassen, wenn das Gesetz ihn dazu<br />
ausdrücklich ermächtigt.<br />
= Reglemente, Statuten (Bsp.: Gemeindereglemente).<br />
Sie können Funktion eines Gesetzes haben, wenn sie referendumspflichtig sind (formelles Gesetz).<br />
2.1.4. Allgemeine Rechtsregeln, Gewohnheitsrecht, Richterrecht<br />
a) Gewohnheitsrecht<br />
• Definition: Gewohnheitsrecht ist ungeschriebenes Recht, das gestützt auf langjährige Anwendung<br />
durch die Behörden und auf Anerkennung durch Behörden und betroffene Bürger<br />
Geltung beansprucht.<br />
• Problem: Spannung zum Gesetzmässigkeitsprinzip.<br />
• 2 Voraussetzungen für Anerkennung durch das Bundesgericht:<br />
- langjährige, ununterbrochene und unangefochtene Praxis;<br />
- Rechtsüberzeugung aller Beteiligten, d.h. der Behörden und der Bürger (= "opinio juris").<br />
b) Richterrecht<br />
• Definition: jene Grundsatzentscheidungen des Bundesgerichts, welche...<br />
- die Verfassung ergänzen, indem sie (über blosse Verfassungsauslegung hinaus)<br />
Lücken der Verfassung schliessen oder unbestimmte Rechtsbegriffe der<br />
Verfassung konkretisieren;<br />
- an der Stelle fehlender Gesetzgebung treten.<br />
• Die Entscheidungen des Bundesgerichts haben nicht Gesetzeskraft; sie wirken nur für den jeweils<br />
entschiedenen Rechtsstreit.
<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 8 / 58<br />
• Beispiele:<br />
- Konkretisierung von BV 4 (Rechtsgleichheit);<br />
- Anerkennung ungeschriebener Grundrechte;<br />
- Derogatische Kraft des Bundesrechtes;<br />
- Gemeindeautonomie;<br />
- Gewaltenteilungsgrundsatz;<br />
- Stimmrecht.<br />
c) Allgemeine Rechtsregeln<br />
• These: Die allgemeinen Rechtsregeln sind ungeschriebene Verfassungsnormen;<br />
• Nach h. L. sind Verzinsung und Verjährung Gesetzesrecht, nicht Verfassungsrecht.<br />
2.1.5. Bedeutung des Völkerrechts und des Verfassungsrechts für das VwR<br />
a) Verfassungsrecht<br />
Man muss streng unterscheiden:<br />
BV als Quelle von <strong>Verwaltungsrecht</strong>ssätzen:<br />
- BV ist Verfügungsgrundlage<br />
- Bsp.: Art. 22 ter Abs. 3, 24 bis Abs. 3 + 4;<br />
32 quater Abs. 6, 70<br />
b) Völkerrecht<br />
BV als Grundlage, Schranke, Direktive von<br />
<strong>Verwaltungsrecht</strong>ssätzen<br />
Völkerrecht ist nur dann VwR’quelle, wenn es direkt anwendbares <strong>Verwaltungsrecht</strong> enthält.<br />
Bsp.: EMRK 6<br />
2.1.6. Bedeutung von Zivilrecht und Strafrecht für das <strong>Verwaltungsrecht</strong><br />
a) Zivilrecht<br />
Relevanz der Unterscheidung:<br />
• Zivilrecht: Recht der Privatautonomie;<br />
• Öff., VwR: Recht der staatlichen Aufgaben.<br />
Konsequenzen dieser Unterscheidung:<br />
• Die Gesetzesbindung ist viel strenger für das öffentliche Recht;<br />
• das <strong>Verwaltungsrecht</strong> ist i.d.R. zwingender Natur;<br />
• das <strong>Verwaltungsrecht</strong> wird von Amtes wegen angewendet;<br />
• Rechtsschutz beim <strong>Verwaltungsrecht</strong> durch Beschwerdeverfahren (≠ Klageverfahren)<br />
Individuum ⇔ Staat (kein Zweiparteienverhältnis)<br />
• Der Sachverhalt wird von Amtes wegen festgestellt (≠ ZGB 8).<br />
Abgrenzung:<br />
Subordinationstheorie<br />
Interessentheorie<br />
Funktionstheorie<br />
Faustregel:<br />
Abgrenzungskriterium<br />
Bestehen eines Unterordnungsverhältnisses<br />
Verfolgung eines öffentlichen Interesses<br />
Verfolgung einer staatlichen Aufgabe<br />
Wenn ein Verwaltungsträger eine staatliche Aufgabe erfüllt, ist öffentliches Recht<br />
anzuwenden, es sei denn, das Gesetz sage es anders.
<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 9 / 58<br />
Im einzelnen:<br />
• Wirtschaftende Vw i.d.R. in Form des Zivilrechts;<br />
• Leistungsverwaltung <br />
in Form des Zivilrechts, wenn das Gesetz sagt, dass sich die Beziehung<br />
nach Zivilrecht abwickelt;<br />
• Bedarfsverwaltung Zweistufentheorie:<br />
- Staatsinterne Willensbildung öff.− rechtl. Bindung<br />
- Abschluss des Rechtsgeschäfts Zivilrecht*, es sei denn, es<br />
liege eine Verfügung vor.<br />
*Bemerkung:<br />
b) Strafrecht<br />
Beim Vertragsabschluss ist der Staat an das Rechtsgleichheitsgebot und an das<br />
Willkürverbot gebunden; im Gegensatz zum Privaten geniesst er keine Privatautonomie.<br />
Zum Beispiel darf er seine Leistungen nicht zu verschiedenen Preisen anbieten.<br />
• Das Bundesgesetz über das Verwaltungsstrafrecht findet Anwendung auf alle Widerhandlungen,<br />
deren Verfolgung und Beurteilung Verwaltungsbehörden des Bundes übertragen sind.<br />
• Verknüpfungen zwischen <strong>Verwaltungsrecht</strong> und Strafrecht:<br />
- Ein Strafgericht kann vorfrageweise über eine verwaltungsrechtliche Frage entscheiden, wenn<br />
diese für die strafrechtliche Beurteilung relevant ist.<br />
- Umgekehrt kann die Verhängung einer Strafe verwaltungsrechtliche Folgen haben, so überall<br />
dort, wo für die Ausübung eines Amtes, für die Zulassung zu einer Anstalt usf. ein guter Leumund<br />
verlangt ist.<br />
- Es kommt oft vor, dass ein deliktisches Verhalten sowohl eine strafrechtliche als auch eine<br />
verwaltungsrechtliche Sanktion nach sich zieht. Eine solche doppelte Sanktionierung ist<br />
zulässig, soweit sie unterschiedlichen Anliegen dient.<br />
2.2. Verfassungsgrundsätze des <strong>Verwaltungsrecht</strong>s<br />
2.2.1. Gesetzmässigkeitsprinzip = Legalitätsprinzip<br />
a) Begriff<br />
Der Staat darf nur auf Grund und in Rahmen einer gültigen gesetzlichen Grundlage handeln. Alle<br />
Staatstätigkeit ist an das Gesetz gebunden und nur gestützt auf das Gesetz zulässig. Alle<br />
Staatsorgane sind an das Gesetz gebunden.<br />
Was bedeutet "gesetzliche Grundlage"?<br />
• Rechtssatzmässigkeit ("Vorbehalt des Gesetzes"): Alle Staatstätigkeit darf nur aufgrund von<br />
generell− abstrakten Rechtsnormen ausgeübt werden.<br />
• Rechtmässigkeit ("Vorrang des Gesetzes"):<br />
- Formell: In einem richtigen Gesetzgebungsverfahren zustandegekommen;<br />
- Materiell: Mit übergeordnetem Recht übereinstimmend.<br />
b) Funktionen des Gesetzmässigkeitsprinzips<br />
• Demokratische Funktion:<br />
Sicherung der Demokratie durch die Legitimation der gesetzlichen Grundlage: Der Rechtssatz<br />
muss vom Parlament und Volk legitimiert sein;<br />
Richtige angemessene Normstufe.
<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 10 / 58<br />
• Rechtsstaatliche Funktion:<br />
Gewährleistung der Rechtssicherheit und der Rechtsgleichheit durch die Berechenbarkeit der<br />
gesetzlichen Grundlage: Bestimmbarkeit des Rechtssatzes ist anzustreben;<br />
Angemessene Normdichte.<br />
c) Geltungsbereich<br />
Es ist zu unterscheiden zwischen:<br />
• Verwaltungsorganisation demokratische Funktion des Gesetzmässigkeitsprinzips<br />
• Arten der Aufgabenerfüllung: vor allem rechtsstaatliche F. des Gesetzmässigkeitsprinzips<br />
- Eingriffsverwaltung: Es gilt uneingeschränkt.<br />
- Leistungsverwaltung: Es gilt (insbesondere in grundrechtsrelevanten Bereichen wie im<br />
Sozialversicherungsrecht), aber mit Einschränkungen.<br />
- Bedarfsverwaltung: Es gilt nur eingeschränkt.<br />
d) Anforderungen an die Ausgestaltung der gesetzlichen Grundlage?<br />
Normstufe Legitimation Gesetz<br />
⇔<br />
Flexibilit t Verordnungen<br />
Normdichte<br />
Berechenbarkeit<br />
bestimmt<br />
⇔ Einzelfallgerechtigkeit<br />
offen<br />
• Rechtssicherheit und Rechtsgleichheit werden durch Berechenbarkeit gesichert.<br />
• Offene Normen dienen der Konkretisierung von komplexen Materien.<br />
• Faustregel: Je wichtiger ein Anliegen angeschätzt wird, desto höher liegen die Anforderungen an<br />
Normdichte und Normstufe.<br />
e) Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen (Gesetzesdelegation)<br />
• Problem: Der Forderung nach möglich vollständiger Regelung im Gesetz steht das Anliegen<br />
adäquater Flexibilität einer Regelung gegenüber.<br />
• Definition: Unter Gesetzesdelegation wird die Übertragung von Rechtsetzungskompetenzen<br />
an die Exekutive (Verwaltung) verstanden.<br />
• Die entsprechenden Verordnungen erhalten gesetzesvertretende Funktion.<br />
• Im Entscheid "Wäffler" (BGE 103 Ia 369) sagte das Bundesgericht, dass die Delegation von<br />
Rechtsetzungskompetenzen an die Verwaltung einen Einbruch in das als verfassungsmässiges Recht<br />
anerkannte Gewaltenteilungsprinzip darstellt und die demokratischen Rechte der Bürger auf<br />
Mitwirkung bei der Gesetzgebung beschränkt.<br />
• Voraussetzungen:<br />
- Die Delegation darf (im kantonalen Bereich) nicht durch die Kantonsverfassung ausgeschlossen<br />
sein;<br />
- Sie muss sich auf eine bestimmte Materie beziehen;<br />
- Die Delegationsnorm muss in einem formellen Gesetz enthalten sein;<br />
- Das Grundsätzliche zu Inhalt, Zweck, und Ausmass der Rechtsetzung muss in einem Gesetz im<br />
formellen Sinne verankert werden, soweit die Rechtsstellung von Bürgern schwerwiegend<br />
betroffen wird (Erfordernis hinreichender Substantiierung der Regelung im formellen Sinne);
<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 11 / 58<br />
2.2.2. Öffentliches Interesse<br />
• Für konkrete Grundrechtsbeschränkungen ist ein überwiegendes öffentliches Interesse erforderlich;<br />
um diese zu prüfen, muss eine Güterabwägung vorgenommen werden zwischen den<br />
Grundrechtsinteressen und den gegenläufigen Interessen, die sich aus besonderen Staatsaufgaben,<br />
aber auch aus Grundrechten oder sonstigen Rechten anderer ergeben.<br />
• Rechtsschutz: Die Grundsätze des öffentlichen Interesses und der Verhältnismässigkeit sind<br />
keine verfassungsmässigen Rechte, sondern nicht selbständig durchsetzbare<br />
Verfassungsprinzipien.<br />
2.2.3. Verhältnismässigkeit<br />
Das Verhältnismässigkeitsprinzip wird in verschiedenen Einzelaspekten aufgegliedert:<br />
• Eignung:<br />
Eine Massnahme muss tauglich sein, den angestrebten Erfolg überhaupt zu erzielen. Sie darf das<br />
anvisierte Ziel nich verfehlen (Zwecktauglichkeit und Zielkonformität);<br />
• Erforderlichkeit (Notwendigkeit):<br />
Auch eine geeignete Massnahme ist dann unzulässig, wenn eine gleich geeignete, mildere Anordnung<br />
für den angestrebten Erfolg ausreicht; mit anderen Worten, der Eingriff darf in sachlicher, räumlicher,<br />
zeitlicher und personeller Hinsicht nicht weiter gehen als notwendig;<br />
• Verhältnismässigkeit i.e.S. (Zumutbarkeit):<br />
Auch eine geeignete und notwendige Massnahme kann unverhältnismässig sein, wenn der mit ihr<br />
verbundene Eingriff im Vergleich zur Bedeutung des angestrebten Ziel unangemessen schwer wiegt,<br />
also keine vernünftige Zweck−Mittel−Relation vorliegt.<br />
2.2.4. Treu und Glauben<br />
a) Begriff<br />
Dieses Gebot richtet sich an das Gemeinwesen!<br />
3 Ausprägungen: • Vertrauensschutz im engeren Sinne<br />
• Verbot des widersprüchlichen Verhaltens<br />
• Verbot des Rechtsmissbrauchs<br />
Vertrauensschutz:<br />
Die Privatperson hat Anspruch darauf, in ihrem berechtigten Vertrauen in<br />
Behörden geschützt zu werden, wenn er besondere Erwartungen begründet hat.<br />
Abgrenzungen:<br />
Vertrauensschutz<br />
Rechtssicherheit<br />
Gemeinsam: Sie schützen das Vertrauen im Recht<br />
• individuelles Vertrauen (einer einzigen Person); • generelles Vertrauen (der Gemeinschaft);<br />
• konkretisierte Rechtslage; • Bestätigung der Rechtsordnung;<br />
• subjektives Interesse. • objektives Interesse.<br />
Zwischen Vertrauensschutz und Gesetzmässigkeitsprinzip besteht ein Spannungsverhältnis; grundsätzlich<br />
hat das Gesetzmässigkeitsprinzip den Vorrang:<br />
• demokratische Legitimation des Gesetzes;<br />
• das Gesetzmässigkeitsprinzip dient der Rechtsgleichheit;<br />
• das Gesetz dient einem allgemeinen Interesse.<br />
b) Struktur des Vertrauensschutzes<br />
Voraussetzungen des Vertrauensschutzes allgemein:
<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 12 / 58<br />
• Vertrauensgrundlage, Anknüpfungspunkt<br />
- jedes Verhalten einer Behörde (Form gleichgültig): Auskunft;<br />
• Berechtigung des Vertrauens in die Grundlage<br />
- Kenntnis von der Grundlage;<br />
- eigene Fehlerhaftigkeit ist nicht erkennbar;<br />
• Vertrauensbetätigung<br />
- gestützt auf der Berechtigung hat die Privatperson Dispositionen (= Geldausgabe) betätigt, die sie<br />
nicht ohne Nachteil rückfordern kann;<br />
- Kausalzusammenhang zwischen Dispositionen und Nachteil.<br />
Der Vertrauensschutz soll hindern, dass ein Nachteil aus einem berechtigten Vertrauen entsteht.<br />
Rechtsfolgen: • Der Staat haftet Leistung<br />
• Wenn Behaften gegen öffentliches Interesse verstösst Schadenersatz<br />
c) Unrichtige Auskünfte und Zusicherungen als Anwendungsfall des Vertrauensschutzes<br />
Rechtsprechung: BGE 116 V 298 E. 3a; BGE 121 II 479 E. 2c.<br />
Auskünfte und Zusicherungen:<br />
Massgeblichkeitsvoraussetzungen<br />
Vertrauensschutz:<br />
Strukturelemente<br />
• Konkret und vorbehaltlos Vertrauensgrundlage<br />
• Zuständigkeit in der Sache Berechtigung des Vertrauens<br />
• Unrichtigkeit nicht offensichtlich Berechtigung des Vertrauens<br />
• Dispositionen Vertrauensbetätigung<br />
• Unveränderte Rechts− und Sachlage Vertrauensgrundlage<br />
2.2.5. Rechtsgleichheit<br />
a) Allgemeines<br />
Das Rechtsgleichheitsgebot von BV 4 1 nimmt sowohl rechtsetzende als auch rechtsanwendende<br />
Behörden in Pflicht. Es gebietet, Gleiches nach Massgabe der Gleichheit gleich, Ungleiches nach<br />
Massgabe der Ungleichheit ungleich zu behandeln. Vorausgesetzt ist, dass sich der Unterschied oder<br />
die Gleichstellung auf rechtlich wesentliche Tatsachen bezieht; die Behandlung von zwei Sachverhalten<br />
in gleicher oder ungleicher Weise muss sich immer auf vernünftige sachliche Gründe stützen.<br />
b) Rechtsgleichheit in der Rechtsetzung<br />
Ein Erlass verletzt das Rechtsgleichheitsgebot, wenn er rechtliche Unterscheidungen trifft, für die ein<br />
vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen nicht ersichtlich ist, oder Unterscheidungen<br />
unterlässt, die sich aufgrund der Verhältnisse aufdrängen.<br />
c) Rechtsgleichheit in der Rechtsanwendung<br />
Das Rechtsgleichheitsgebot verbietet die ungleiche Anwendung des Rechts auf vergleichbare<br />
Sachverhalte, sofern hiefür keine sachlichen Gründe gegeben sind, d.h. sofern sie sich nicht in<br />
rechtswesentlicher Weise unterscheiden.<br />
2.2.6. Willkürverbot<br />
a) Allgemeines<br />
Das Willkürverbot ist ein elementarer Grundsatz rechtsstaatlichen Handelns. Staatliches Handeln ist<br />
dann willkürlich, wenn es grob unrichtig, d.h. durch keine ernsthaften sachlichen Gründe zu<br />
rechtfertigen ist.
<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 13 / 58<br />
b) Willkür in der Rechtsetzung<br />
...ist dann gegeben, wenn sich eine Regelung nicht auf ernsthafte sachliche Gründe stützen lässt oder<br />
sinn− und zwecklos ist.<br />
c) Willkür in der Rechtsanwendung<br />
⋄<br />
Rechtsanwendungsakte (Urteile, Verfügungen, Entscheide) sind willkürlich, wenn sie offensichtlich<br />
unhaltbar sind, zur tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen, eine Norm oder einen<br />
unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzen oder in stossender Weise dem<br />
Gerechtigkeitsgedanken zuwiderlaufen; die Willkür ist objektive (qualifizierte) Unrichtigkeit.<br />
⋄<br />
Fallgruppen:<br />
• Fälle offensichtlicher, schwerwiegender Rechtsverletzung, vor allem durch<br />
- eindeutiges Abweichen vom klaren Wortlaut einer Norm (sofern die Auslegung kein<br />
Abweichen vom klaren Wortlaut gebietet);<br />
- schwerwiegend zweckwidrige Anwendung einer Norm (im Ermessensbereich gilt dies als<br />
Ermessensmissbrauch);<br />
• Fälle gravierender Fehler in der Tatbestandsermittlung, z.B. in der Beweiswürdigung;<br />
• Fälle eines stossenden, die Gerechtigkeit verletzenden Ergebnisses (unter anderen die Fälle des<br />
überspitzten Formalismus in Verfahren);<br />
• Fälle eines ungerechtfertigten Methodenpluralismus.<br />
2.3. Anwendung des <strong>Verwaltungsrecht</strong>s<br />
2.3.1. Räumliche Geltung von <strong>Verwaltungsrecht</strong>ssätzen<br />
• Grundsatz: Territorialitätsprinzip: Ein Rechtssatz kann nicht über das Territorium des<br />
Gemeinwesens hinauswirken, von dem er erlassen wurde.<br />
Relevanz: Steuerrecht (BV 46 2 )<br />
• Ausnahme: dort, wo ein Rechtssatz an das Schweizerbürgerrecht anknüpft und Schweizer<br />
BürgerInnen auch im Ausland gewissen Regeln unterwirft.<br />
Bsp.: BG über die politischen Rechte der Auslandschweizer.<br />
2.3.2. Zeitliche Geltung von <strong>Verwaltungsrecht</strong>ssätzen<br />
• Grundsätze: - Ein Rechtssatz gilt erst, wenn er publiziert ist;<br />
- Ein Rechtssatz ist nicht anwendbar auf Sachverhalte, die vor seinem<br />
Inkrafttreten und nach seinem Ausserkrafttreten entstanden sind.<br />
• Übergangsproblem: Rechtsänderungen sind jederzeit möglich; sie bilden keinen Verstoss gegen das<br />
Prinzip der Rechtssicherheit, solange sie motiviert sind; sie bilden auch keinen Verstoss gegen das<br />
Vertrauensschutzprinzip, solange kein individualisiertes Vertrauen begründet wurde.<br />
• Falls es keine spezialgesetzliche Regelung (Übergangsbestimmungen) gibt, greifen subsidiär die<br />
Rechtsprechungsgrundsätze<br />
Abwägung zwischen Kontinuitätsinteresse und Geltungsinteresse.
<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 14 / 58<br />
a) Nachwirkung<br />
Verwaltungsverfahren<br />
2. Instanz<br />
• Rechtsänderung während erstinstanzlichem Verfahren<br />
Neues Recht<br />
• Rechtsänderung während Beschwerdeverfahren<br />
Altes Recht; Ausnahme: überwiegende öffentliche Interessen<br />
b) Vorwirkung<br />
• Ein Erlass wird angewendet, obwohl er noch nicht in Kraft getreten ist;<br />
• das alte, massgebliche Recht wird nicht angewendet.<br />
Sachverhalt<br />
1. Instanz<br />
Altes Gesetz<br />
Neues Gesetz<br />
2 Fälle: • Negative Vorwirkung: Die Anwendung des alten Gesetzes wird abgelehnt<br />
zulässig, wenn: - vom alten Gesetz vorgesehen und<br />
- keine grosse Verzögerung.<br />
• Positive Vorwirkung: Das neue Gesetz wird an Stelle des alten Gesetzes angewendet<br />
unzulässig: Verstoss gegen Gesetzmässigkeitsprinzip<br />
c) Rückwirkung<br />
• Definition: Anknüpfen neuer gesetzlicher Normen an einen in der Vergangenheit eingetretenen<br />
und abgeschlossenen Sachverhalt<br />
• Echte Rückwirkung: Das neue Recht wird auf einem Sachverhalt angewendet, der unter dem alten<br />
Recht stattgefunden hat.<br />
grundsätzlich unzulässig, ausser wenn: - gesetzliche Grundlage;<br />
- öffentliches Interesse;<br />
- verhältnismässig.<br />
Sachverhalt<br />
Altes Gesetz<br />
Neues Gesetz
<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 15 / 58<br />
• Unechte Rückwirkung: Ein Sachverhalt wird erfasst, der zwar in der Vergangenheit entstanden<br />
ist, jedoch in die Gegenwart hinein fortdauert<br />
grundsätzlich zulässig<br />
Sachverhalt<br />
Altes Gesetz<br />
Neues Gesetz<br />
2.3.3. Auslegung und Lückenfüllung<br />
Kriterien: • grammatikalische Auslegung;<br />
• systematische Auslegung;<br />
- verfassungskonforme Auslegung;<br />
- völkerrechtskonforme Auslegung;<br />
• teleologische Auslegung;<br />
• historische Auslegung;<br />
- subjektiv− historische Auslegung;<br />
- objektiv− historische Auslegung;<br />
• geltungszeitliche Auslegung.<br />
Für das Bundesgericht hat die Kombination von teleologischer Auslegung und geltungszeitlicher<br />
Auslegung den Vorrang.<br />
2.3.4. Ermessen und unbestimmter Gesetzesbegriff<br />
Ermessen<br />
Unbestimmter Gesetzesbegriff<br />
Ort der Offenheit Rechtsfolgeseite Tatbestandseite<br />
Typische Begriffe - "kann"<br />
- "wichtige Gründe"<br />
- "nach Möglichkeit"<br />
- "Eignung"<br />
- "soweit zumutbar"<br />
- "leichter Fall"<br />
Handhabung Angemessenheitsfrage Rechtsfrage<br />
Gerichtliche Überprüfung i.d.R. nur auf Rechtsfehler grundsätzlich frei, aber<br />
Beurteilungsspielraum<br />
Ermessen bedeutet immer: pflichtgemässes Ermessen.<br />
Die Behörde muss entscheiden, indem sie allgemeine Grundsätze berücksichtigt, ihr Ermessen<br />
zweckmässig ausübt.<br />
Es gibt zwei Arten von Ermessen:<br />
Der Verwaltung steht ein Spielraum offen...<br />
• Entschliessungsermessen: ...ob eine Massnahme zu treffen sei oder nicht;<br />
• Auswahlermessen: ...bei der Wahl zwischen zwei oder mehreren Möglichkeiten.
<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 16 / 58<br />
3. Das Handeln der Verwaltung<br />
3.0.1. Überblick: Die Handlungsformen und der Vorrang der Verfügung<br />
Handlungsformen der Verwaltung<br />
<br />
Realakt<br />
Rechtsakt<br />
<br />
Öffentlich−rechtlich<br />
<br />
Privatrechtlich<br />
Nach innen<br />
wirkend<br />
Nach aussen<br />
wirkend<br />
Generell−<br />
abstrakt<br />
(individuell)−<br />
konkret<br />
Generell−<br />
abstrakt<br />
(individuell)−<br />
konkret<br />
<br />
Einseitig<br />
Zweiseitig<br />
Realakt Vw−Vo Dienstbefehl RechtsVo Plan Verfügung Vwr. Vertrag Zivilr.<br />
Vertrag<br />
Taterfolg Rechtserfolg<br />
Öff. R PrivatR<br />
Nur Behörden auch Private<br />
hoheitlich konsensual<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Frage nach dem Erfolg: Taterfolg oder Rechtserfolg?<br />
Frage nach der Rechtsgrundlage: Öffentliches Recht oder Privatrecht?<br />
Frage nach den Adressaten: Nur Behörden oder auch Private?<br />
Frage nach dem Handlungsmodus: Hoheitlich oder konsensual?<br />
3.1. Die Verfügung<br />
3.1.1. Begriff, Funktion und Arten der Verfügung<br />
a) Begriff<br />
Legaldefinition der Verfügung in VwVG 5:<br />
Als Verfügung im Sinne von Art. 5 VwVG gilt die Anordnung einer Behörde , mit der im<br />
Einzelfall ein Rechtsverhältnis geregelt wird in einseitiger und verbindlicher Weise,<br />
gestützt auf öff. Recht des Bundes .<br />
<br />
Verfügungskompetente Behörde:<br />
• Aufzählung in VwVG 1 2 ;<br />
• Faustregel: Wer eine Verwaltungsbefugnis in einem Bereich hat, der hat auch die<br />
Verfügungsbefugnis.
<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 17 / 58<br />
Die Verfügungsbefugnis kann entfallen, wenn...<br />
• der Verwaltungsträger keine Staatsaufgabe erfüllt (z.B. wirtschaftende Verwaltung);<br />
• der Verwaltungsträger zwar eine Staatsaufgabe erfüllt, aber auf eine Gleichheitsebene handelt;<br />
• das Gesetz die Behörde auf den Klageweg verweist;<br />
• die Verfügung kann entbehrlich sein:<br />
- Generelle Tempolimiten (50, 80, 120) ergeben sich aus Rechtssätzen;<br />
- Abweichende Tempolimiten bedürfen einer Verfügung.<br />
<br />
Die Verfügung gilt für einen einzigen oder eine bestimmte Anzahl von Adressaten (individuell)<br />
und für einen bestimmten, in Raum und Zeit abgeschlossenen Sachverhalt (konkret); sie kann<br />
aber auch generell− konkret sein (Allgemeinverfügung).<br />
Die Verfügung regelt Rechte und Pflichten (VwVG 5 Lit. a, b, c)<br />
Abgrenzungen:<br />
- Kein Rechtsverhältnis wird geregelt, wenn die Anordnung den Verwaltungsbetrieb betrifft;<br />
- Realakt.<br />
<br />
<br />
<br />
Einseitigkeit ⇒ Konsens des Adressaten ist nicht erforderlich.<br />
Die Einseitigkeit entfällt nicht, wenn:<br />
- antrags− /mitwirkungsbedürftige (auf Gesuch) Verfügungen;<br />
- "Verhandlungsmomente" in gewissen Vorverfahren;<br />
- Anspruch auf rechtliches Gehör in allen Verwaltungsverfahren.<br />
Die Einseitigkeit bezieht sich nicht auf das Verfahren, sondern auf den Verfügungsinhalt.<br />
Verbindlichkeit: Die Verfügung ist zweiseitig rechtswirksam<br />
Rechtswirksamkeit und Vollstreckbarkeit<br />
Bundesrechtliche Verfügungen stützen sich auf das öffentliche Recht des Bundes, während<br />
kantonalrechtliche Verfügungen sich auf Kantonalrecht stützen<br />
Dieses Merkmal ist wichtig für die Abgrenzung der Rechtsmittel.<br />
Bemerkungen:<br />
- Folgen der Formmangelhaftigkeit: Es bleibt eine Verfügung, aber eine fehlerhafte;<br />
- Spezialgesetze können den Verfügungsbegriff erweitern (Bsp.: Art. 29 BG über das öff.<br />
Beschaffungswesen).<br />
b) Funktionen<br />
• Materielle Funktion: Die Verfügung gestaltet verwaltungsrechtliche Verhältnisse, regelt also Rechte<br />
und Pflichten im Einzelfall<br />
Rechtsanwendungsakt<br />
- Die Verfügung dient der Rechtsgleichheit und der Rechtssicherheit<br />
Die Verfügung ist Ausdruck des Legalitätsprinzips;<br />
- Es gibt eine Rechtsmittelfrist;<br />
- Sie ist verbindlich und rechtsbeständigt: Sie kann nur schwer widerrufen werden.<br />
• Verfahrensrechtliche Funktion: Die Verfügung ist Endpunkt eines Verwaltungsverfahrens:<br />
- Die Verfügung hat die Funktion eines Anfechtungsobjektes für das Beschwerdeverfahren;<br />
- Ohne Verfügung läuft nichts im Rechtsschutz;<br />
- Verfügung = Vollstreckungsmittel, mit Zwang: wo keine Verfügung, dort ist kein<br />
Vollstreckungsmittel (VwVG 39).
<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 18 / 58<br />
• Verwaltungsökonomie: Einverständnis des Bürgers ist nicht erforderlich, die Verwaltung ist auf<br />
Konsens nicht angewiesen:<br />
- Wenn der Bürger nicht einverstanden ist, trägt er die Handlungslast, er muss tätig werden<br />
Effizienz!<br />
• Klarstellungsfunktion: Einseitigkeit ⇒ Verantwortlichkeit bei den Behörden; Machtgefälle ist<br />
ersichtlich.<br />
c) Arten<br />
• Nach der Wirkung für den Adressaten:<br />
- Begünstigend ist eine Verfügung, wenn dem Verfügungsadressaten bestimmte Rechte zugestanden<br />
oder bestimmte Pflichten erlassen werden;<br />
- Die belastende Verfügung auferlegt dem Verfügungsadressaten bestimmte Pflichten oder entzieht<br />
ihm bestimmte Rechte.<br />
• Nach Typus der Verfügung:<br />
- VwVG 5 Lit. a: Positive Verfügung (Gestaltungsverfügung / Leistungsverfügung);<br />
- VwVG 5 Lit. c: Negative Verfügung (Abweisung von Begehren).<br />
- VwVG 5 Lit. b: Die Feststellungsverfügung stellt den Bestand, Nichtbestand oder Umfang<br />
von öffentlichrechtlichen Rechten und Pflichten im Einzelfall fest;<br />
VwVG 25 2 ⇒ subsidiäres Institut: Eine Feststellungsverfügung ist zulässig,<br />
soweit ein Feststellungsinteresse vorliegt; dieses fehlt dort, wo genauso gut<br />
eine positive oder negative Verfügung getroffen werden könnte.<br />
• Nach dem partizipativen Anteil der Parteien:<br />
- Mitwirkungsbedürftige Verfügung (auf Gesuch oder mit Zustimmung der Privaten)<br />
- (!) Die Mitwirkung bezieht sich lediglich auf das Verfahren!<br />
• Nach der instanzabschliessenden Wirkung:<br />
- Die Endverfügung schliesst das Verfahren vor der betroffenen Instanz ab;<br />
- Die Teilverfügung ist eine Unterart der Endverfügung und bezieht sich lediglich auf einen Teil des<br />
Streitgegenstandes;<br />
- Die Zwischenverfügung ist ein Instrument der Verfahrensführung; sie ist grundsätzlich nicht<br />
selbständig anfechtbar, sondern muss zusammen mit dem Endentscheid angefochten werden;<br />
ausnahmsweise ist sie auch selbständig anfechtbar, wenn sie einen nicht wiedergutzumachenden<br />
Nachteil bewirken würde, könnte sie erst mit dem Endentscheid angefochten werden.<br />
• Nach dem Subjekt der Erfüllung:<br />
- Sachverfügung: Endverfügung in der Sache;<br />
- Vollstreckungsverfügung: Durchsetzung einer Sachverfügung.<br />
• Nach der Dauer:<br />
- Die Dauerverfügung regelt ein Dauerrechtsverhältnis, also ein Rechtsverhältnis, das während eines<br />
längeren Zeitraums besteht oder gar auf unbestimmte Zeit hin angelegt ist.<br />
- Die urteilsähnliche Verfügung regelt einen in zeitlicher Hinsicht klar abgegrenzten Sachverhalt.<br />
• Die Allgemeinverfügung wirkt generell− konkret: Sie regelt einen bestimmten Sachverhalt, richtet<br />
sich aber gleichzeitig an einen unbestimmten Kreis von Verfügungsadressaten:<br />
- Bsp.: Verkehrsbeschränkung.<br />
- Bezüglich ihrer Anfechtbarkeit ist die Allgemeinverfügung der Verfügung im Sinne von VwVG 5<br />
gleichgestellt.<br />
d) Nebenbestimmungen<br />
• Diese Modalitäten beziehen sich auf die Hauptregelung der Verfügung und präzisieren sie:<br />
- Befristungen: begrenzen die zeitliche Geltung der Verfügung;<br />
- Bedingungen: machen die Rechtswirksamkeit von einem Ereignis abhängig;
<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 19 / 58<br />
- Auflagen: Die Rechtswirkung der Hauptregelung wird durch die Auflage nicht berührt; die<br />
Auflage bezieht sich aber auf sie; sie kann vollstreckt werden (Bsp.:<br />
Ersatzvornahme).<br />
• Die Abgrenzung der Bedingung von der Auflage ist schwierig; im Zweifelsfall sollte die Auflage<br />
gewählt werden, weil sie die Rechtswirksamkeit der Hauptregelung der Verfügung nicht hemmt.<br />
• Gesetzmässigkeit von Nebenbestimmungen? Es gibt keine explizite gesetzliche Grundlage.<br />
Zwei Faustregeln: - Sachfremde Bedingungen und Auflagen sind unzulässig;<br />
- Bedingungen und Auflagen sind dort zulässig, wo die Bewilligung<br />
aufgrund des Gesetzes überhaupt verweigert werden könnte: Diese<br />
Einschränkung ist immer eine mildere Massnahme als die Verweigerung.<br />
3.1.2. Form der Verfügung<br />
VwVG 34− 38 ("Eröffnung")<br />
a) Formerfordernisse<br />
• Schriftlichkeit (VwVG 34)<br />
- dient der Rechtssicherheit;<br />
- Schriftform ist Voraussetzung der Anfechtung;<br />
- ausnahmsweise sind, als Notbehelfe, mündliche Verfügungen zulässig (VwVG 34 2 , 3 Lit. f).<br />
• Sprache (VwVG 37)<br />
• Notwendige formelle Elemente:<br />
- die Bezeichnung als Verfügung (VwVG 35);<br />
- die verfügende Behörde (Wer?);<br />
- der Adressat (Gegen wen?);<br />
- die Begründung (Warum?): Darstellung des rechtswesentlichen Sachverhalts und der rechtlichen<br />
Erwägungen;<br />
- das Dispositiv oder die Verfügungsformel (Was?): rechtliche Regelung des Rechtsverhältnisses<br />
und Kostenregelung;<br />
- die Rechtsmittelbelehrung: Rechtsmittel, Instanz, Frist;<br />
- die Eröffnungsformel: Parteienbegriff (VwVG 6)<br />
- Ort, Datum, Unterschrift.<br />
b) Begründung<br />
Funktionen der Begründung:<br />
• Rationalität der Entscheidung dient der Selbstkontrolle der Verwaltung.<br />
• Transparenz: Durch das Offenlegen der Motive wird die Verfügung für den Adressaten klar, und<br />
so nachvollziehbar.<br />
• Akzeptanz: Die Verwaltung hofft, dass der Adressat freiwillig die Regelung akzeptieren wird<br />
fördert die Einsicht in die Regelung;<br />
Legitimität.<br />
• Dichte: Die Verfügung muss soviel Informationen enthalten, dass sie vom Privaten<br />
angefochten und von Behörden beurteilt werden kann;<br />
Je offener die Norm, desto präziser die Begründung.<br />
c) Folgen eines Formmangels<br />
• Struktur und Form der Verfügung sind zu trennen:<br />
- Eine mangelhafte Form zerstört die Verfügung nicht;<br />
- Eine richtige Form macht nicht eine Verfügung (z.B. wenn strukturelle Elemente fehlen).<br />
• Keine Rechtswirkung (VwVG 38: Kein Nachteil erwächst für den Betroffenen);
<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 20 / 58<br />
• Anfechtbarkeit;<br />
• Für einen Rechtsunkundigen beginnt die Frist nicht zu laufen, wohl aber für einen Juristen;<br />
• Der Betroffene kann sich auf den Mangel berufen, es sei denn, er hätte nach Treu und Glauben sie<br />
kennen und merken müssen.<br />
3.1.3. Verfahren auf Erlass einer Verfügung<br />
a) Verfahrensmaximen<br />
1. Form?<br />
Schriftlichkeit<br />
Regelfall<br />
⇔<br />
Mündlichkeit<br />
Ausnahme<br />
2. Wer hat Zugang zum Verfahren?<br />
Publikumsöffentlichkeit ⇔ Parteienöffentlichkeit<br />
3. Wer kann das Verfahren auflösen, beenden, wer hält es in Händen?<br />
Offizialmaxime<br />
Behörden, von Amtes wegen<br />
⇔ Dispositionsmaxime<br />
Parteien, auf Gesuch<br />
Es kommt auf das Verfahren an.<br />
4. Wer beschafft den Prüfungsstoff?<br />
Untersuchungsmaxime<br />
Die Behörde ist für die Beschaffung<br />
verantwortlich<br />
materielle Wahrheit<br />
⇔<br />
Verhandlungsmaxime<br />
Die Parteien sind für die Untersuchung der<br />
Tatsachen verantwortlich<br />
formelle Wahrheit (Wahrheit ist das, worüber sich<br />
die Parteien geeinigt haben)<br />
5. "Jura novit curia": Die Behörden sind nicht an die Rechtsauffassung der Parteien gebunden.<br />
b) Geltungsbereich des VwVG<br />
• Formell: "durch Verfügungen zu erledigen" (VwVG 1)<br />
• Sachlich: "Verfügungen gestützt auf öff. Recht des Bundes" (ergibt sich aus VwVG 1, 5)<br />
[≠ Kantonales Recht, wo VwVG nicht gilt]<br />
Ausnahmen: VwVG 2−3<br />
• Persönlich: Bundesverwaltungsbehörden (VwVG 1 Abs. 2)<br />
+ ausnahmsweise Erweiterung auf letzten kt. Instanzen (Abs. 3).<br />
c) Verwaltungsverfahren<br />
• Einleitung<br />
1. Einleitung von Amtes wegen oder auf Gesuch (Bsp.: VwVG 25 1 )<br />
2. Prüfung der Sachentscheidvoraussetzungen (Prozessfähigkeit der Parteien; VwVG 7−10)<br />
• Ermittlung<br />
3. Ermittlung des rechtserheblichen Sachverhalts (VwVG 12−13)<br />
4. Ermittlung der Parteistandpünkte Akteneinsicht und rechtliches Gehör (VwVG 26−33)<br />
5. Ermittlung des sacherheblichen Rechts ("Jura novit curia")<br />
• Entscheid<br />
6. Erlass der Verfügung<br />
• Durchsetzung<br />
7. Vollstreckung der Verfügung<br />
d) Rechtliches Gehör (VwVG 29−30a)<br />
• Funktionen: - personell: Man gibt dem Betroffenen das Gefühl, er wird als Person, als<br />
Subjekt, nicht als Objekt, behandelt;
<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 21 / 58<br />
- materiell: Ermittlung von Tatsachen, Sachaufklärung, Entscheidhilfe.<br />
• Rechtsgrundlage: VwVG, kantonale Gesetze (z.B. <strong>Bern</strong>er VRPG), BV 4;<br />
• Zeitpunkt: - Grundsatz: "bevor sie verfügt" (VwVG 30 1 );<br />
- Ausnahmen: VwVG 30 2 .<br />
• Form: - Grundsatz: Via Schriftenwechsel;<br />
- Ausnahme: VwVG 30a<br />
In Spezialgesetzen: "Einsprache" zwei Begriffsverwendungen<br />
• ohne Rechtsmittelfunktion<br />
(mit Entscheidhilfefunktion):<br />
(VwVG 30a)<br />
wird vor Erlass der Verfügung<br />
durchgeführt<br />
• mit Rechtsmittelfunktion<br />
(Einspracheverfahren):<br />
(VwVG 30 Abs. 2 Lit. b)<br />
"Anfechtung" bei der verfügenden Behörde<br />
Entlastungsfunktion (für die übergeordnete<br />
Behörde)<br />
"Einsprache"<br />
Verf gung<br />
Verf gung<br />
"Einsprache"<br />
Folgen einer Gehörverletzung: • Die Parteien führen Beschwerde vor der Rechtsmittelinstanz;<br />
• Entweder verweist die Rechtsmittelinstanz das ganze Verfahren<br />
wieder an die 1. Instanz, oder<br />
• die Rechtsmittelinstanz führt es selber durch (Heilungsfunktion),<br />
vorausgesetzt, dass:<br />
- sie über freie Kognition in Rechts− und Sachverhaltsfragen<br />
verfügt;<br />
- dem Betroffenen die gleichen Mitwirkungsrechte wie vor erster<br />
Instanz zustehen.<br />
• Kritik in der Lehre darüber:<br />
- Der Betroffene hat eine Instanz schon "verbraucht";<br />
- Erschwerung der Argumentationsmöglichkeiten.<br />
3.1.4. Rechtswirksamkeit, Fehlerhaftigkeit und Beständigkeit von Verfügungen<br />
a) Rechtswirksamkeit<br />
• Rechtswirksamkeit der Verf.: Die Verfügung entfaltet Rechtswirkungen; z.B. kann von einer<br />
eingeräumten Befugnis Gebrauch gemacht werden.<br />
• Zeitpunkt des Eintritts<br />
der Rechtswirksamkeit: - Grundsatz: Die Verfügung ist mit ihrer Eröffnung wirksam;<br />
- Ausnahmen: - Die Wirksamkeit kann durch Spezialgesetz<br />
verschoben werden;<br />
- Die Verwaltungsbeschwerde hat in der Regel<br />
aufschiebende Wirkung (Suspensiveffekt).<br />
• Formelle Rechtskraft: - Die Verfügung kann mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr<br />
angefochten werden;<br />
- Sie ist vollstreckbar.<br />
• Zeitpunkt des Eintritts der formellen Rechtskraft: Nach Ablauf der Rechtsmittelfrist oder mit<br />
Eröffnung des letztinstanzlichen Urteils
<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 22 / 58<br />
• Materielle Rechtskraft: - Grundsätzliche Unumstösslichkeit: Kein zweites Urteil über den<br />
selben Sachverhalt;<br />
- Sie gilt nicht im <strong>Verwaltungsrecht</strong>, wo die Entscheide einseitig und<br />
hoheitlich genommen werden;<br />
- Warum? Verfügungen regeln meistens dauernde Verhältnisse, deren<br />
nachträgliche Änderungen zu rechtswidrigen Verhältnissen und<br />
Rechtsungleichheit führen würden;<br />
- Es gilt die Rechtsbeständigkeit, welche eine Neubeurteilung nur unter<br />
qualifizierten Voraussetzungen erlaubt.<br />
b) Fehlerhaftigkeit<br />
• Definition: Die Verfügung verletzt Rechtsnormen hinsichtlich Zustandekommen, Form oder Inhalt.<br />
• Arten von Fehlerhaftigkeit:<br />
- Ursprüngliche Fehlerhaftigkeit: Die Verfügung war schon bei ihrem Erlass fehlerhaft;<br />
- Nachträgliche Fehlerhaftigkeit: Die Verfügung ist zwar ursprünglich einwandfrei, aber die<br />
rechtswesentlichen Verhältnisse haben sich nachträglich<br />
derart verändert, dass die Verfügung nun fehlerhaft<br />
erscheint (insbesondere bei dauerhaften Verfügungen).<br />
• Folgen der Fehlerhaftigkeit: - Regel Anfechtbarkeit;<br />
- Ausnahme Nichtigkeit.<br />
• Regel Anfechtbarkeit:<br />
- Die (rechtswirksame) Verfügung ist mittels Beschwerde anfechtbar;<br />
- nach Ablauf der Rechtsmittelfrist, oder Abweisung der Beschwerde, tritt die Verfügung in<br />
formeller Rechtskraft;<br />
- wird die Beschwerde gutgeheissen, folgt in der Regel eine Änderung, eventuell eine Berichtigung<br />
(VwVG 69 3 )<br />
• Ausnahme Nichtigkeit:<br />
- Eine nichtige Verfügung ist ein "Nichtakt", entfaltet ex tunc keine Rechtswirkungen;<br />
- Die Nichtigkeit ist von Amtes wegen zu beachten;<br />
- Voraussetzung: Die Rechtssicherheit muss nicht durch die Aufhebung gefährdet werden.<br />
• Nichtigkeitsgründe:<br />
- sachliche Unzuständigkeit der verfügenden Behörde;<br />
- schwerwiegende Verfahrensmängel;<br />
- schwerwiegende inhaltliche Mängel.<br />
• Bemerkung: Im Zweifelsfall ist es empfohlen, die fehlerhafte Verfügung anzufechten.<br />
3.1.5. Änderung von Verfügungen − Wiedererwägung und Widerruf<br />
Es geht um das Problem, ob eine fehlerhafte Verfügung, die formell rechtskräftig geworden ist, noch<br />
geändert werden kann und muss.<br />
a) Terminologie<br />
• Urteilsähnliche Verfügung: - abgeschlossener Sachverhalt;<br />
- einmalige Rechtsfolge.<br />
• Dauerverfügung: Rechtsfolge wirkt in Zukunft herein.<br />
nachträgliche Fehlerhaftigkeit möglich;<br />
lange Fortdauer des rechtswidrigen Zustandes.
<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 23 / 58<br />
b) Prüfprogramm<br />
von Amtes wegen<br />
auf Gesuch hin<br />
1. Verfahrensrechtliche Phase: "Wiedererwägung"<br />
Bestehen ausreichende Gründe für ein Zurückkommen auf die formell rechtskräftige<br />
Verfügung?<br />
(Fällt in der Praxis mit Phase 2 zusammen) • wenn ja<br />
Eintreten und weiter zu Phase 2<br />
• wenn nein:<br />
Nichteintreten<br />
2. Materiellrechtliche Phase: "Widerruf"<br />
Bestehen ausreichende Gründe für eine Aufhebung der formell rechtskräftigen Verfügung?<br />
• wenn ja<br />
Widerruf<br />
• wenn ja<br />
Gutheissung + Widerruf<br />
• wenn nein:<br />
Bestätigung<br />
• wenn nein:<br />
Abweisung + Bestätigung<br />
c) Verfahrensrechtliche Phase<br />
Bestehen ausreichende Gründe für ein Zurückkommen auf die formell rechtskräftige Verfügung?<br />
Gesetzliche Regelung? Wenn nein:<br />
Bundesgerichtliche Rechtsprechung:<br />
BV 4 und analoge Anwendung von VwVG 25 + 66<br />
• Revisionsähnliche Gründe (siehe unten)<br />
• Deutlich fehlerhafte Rechtsanwendung<br />
• Änderung des Sachverhalts<br />
• Änderung der Rechtslage<br />
U = Urteilsähnliche Verfügung<br />
D = Dauerverfügung<br />
schattiert: nachträgliche Fehlerhaftigkeit<br />
Ad : Rückkommensgründe nach Bundesgericht<br />
U, D<br />
[U], D<br />
nur D<br />
nur D<br />
R. von Amtes wegen<br />
VwVG 66 Abs. 1<br />
• Verbrechen / Vergehen<br />
• EMRK−Urteil<br />
Revisionsgründe nach VwVG 66<br />
Revision auf Gesuch hin<br />
VwVG 66 Abs. 1−3<br />
• Verbrechen / Vergehen<br />
• EMRK−Urteil<br />
• Neue Tatsachen / Beweismittel<br />
• Aktenkundige Tatsachen / Begehren übersehen<br />
• Wesentliche Verfahrensfehler<br />
d) Materiellrechtliche Phase<br />
Bestehen ausreichende Gründe für eine Änderung der formell rechtskräftigen Verfügung?<br />
Gesetzliche Regelung? Wenn nein:<br />
Bundesgerichtliche Rechtsprechung: Abwägungsformel
<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 24 / 58<br />
Ad : Nach Bundesgericht ist abzuwägen zwischen<br />
Gesetzmässigkeit...<br />
...und Rechtssicherheit<br />
Gesetzmässigkeitsinteresse kann dennoch<br />
überwiegen, wenn<br />
• unrichtige / unvollständige Angabe;<br />
• gewichtiges öffentliches Interesse;<br />
• lange Fortdauer des rechtswidrigen Zustandes.<br />
3.1.6. Durchsetzung der Verfügung − Verwaltungszwang<br />
a) Allgemeines<br />
Rechtssicherheit überwiegt i.d.R., wenn<br />
• subjektives Recht begründet;<br />
• Abwägung stattgefunden;<br />
• von der Befugnis Gebrauch gemacht.<br />
Man unterscheidet:<br />
• Exekutorische Massnahmen, mit denen die Einhaltung der Pflichten der <strong>Verwaltungsrecht</strong>sordnung<br />
direkt durchgesetzt wird (VwVG 41 1 ):<br />
- Ersatzvornahme;<br />
- Unmittelbarer Zwang.<br />
Gesetzmässigkeit: Die Norm, die diese Pflicht statuiert, genügt als gesetzliche Grundlage.<br />
• Repressive Massnahmen, mit denen Bürger indirekt zur Pflichterfüllung angehalten werden soll:<br />
- Administrative Rechtsnachteile;<br />
- Verwaltungsstrafen.<br />
Gesetzmässigkeit: Sie bedürfen einer spezifischen und ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage.<br />
b) Ersatzvornahme<br />
• Definition: Die Verwaltungsbehörde lässt eine den Privaten obliegende, von diesen aber<br />
pflichtwidrig verweigerte, vertretbare Handlung auf deren Kosten durch eine amtliche Stelle<br />
oder durch eine Drittperson (beispielsweise eine Bauunternehmung) vornehmen.<br />
• Die Ersatzvornahme ist mit der Pflicht verbunden, die Kosten zu tragen (Kostentragungspflicht).<br />
• Voraussetzungen:<br />
- Es steht keine Verrichtung in Frage, die von den Pflichtigen nur höchstpersönlich erbracht werden<br />
kann;<br />
- Eine vollstreckbare Sachverfügung ist vorhanden, die die Pflichtigen zu einem Tun verpflichtet.<br />
• In der Regel hat der Ersatzvornahme eine Androhung unter Einräumung einer Erfüllungsfrist<br />
voranzugehen (VwVG 41 2 )<br />
• Wenn "Gefahr in Verzuge ist" (VwVG 41 3 ), kann auf die Androhung und auf die Einräumung einer<br />
Erfüllungsfrist verzichtet werden: Solche Massnahmen sind polizeiliche Vorkehren zum Schutze<br />
unmittelbar bedrohter, wichtiger Rechtsgüter.<br />
c) Rechtsschutz gegenüber der Vollstreckung von Verfügungen<br />
• Die Vollstreckungverfügung (Art. 5 2 i.V.m. Art. 41 1 Lit. a und b VwVG) ist eine eigenständige<br />
Anordnung über die zwangsweise Durchsetzung einer früher ergangenen, rechtskräftigen Verfügung<br />
(der sog. Sachverfügung). Wie jede andere Verfügung unterliegt sie der Verwaltungsbeschwerde<br />
(Art. 44 VwVG).
<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 25 / 58<br />
• Gegenstand der Überprüfung von Vollstreckungverfügungen im Beschwerdeverfahren ist<br />
grundsätzlich nur noch die Rechtmässigkeit der Vollstreckungsmassnahme, nicht mehr dagegen<br />
die Rechtmässigkeit der Sachverfügung.<br />
• Ausnahmsweise ist die Überprüfung der Sachverfügung im Rahmen der Überprüfung der<br />
Vollstreckungverfügung noch möglich:<br />
- Bei Nichtigkeit der Sachverfügung;<br />
- Bei der Verletzung unverjährbarer und unverzichtbarer verfassungsmässiger Rechte;<br />
- Im Strafverfahren wegen Verstosses gegen StGB 292, sofern keine gesetzliche Möglichkeit<br />
bestanden hat, die Sachverfügung durch ein Verwaltungsgericht überprüfen zu lassen.<br />
3.2. Der verwaltungsrechtliche Vertrag<br />
3.2.1. Begriff, Funktion und Arten des verwaltungsrechtlichen Vertrags<br />
a) Grundlagen<br />
• Begriff: Vertrag = Vereinbarung, Übereinstimmung zwischen mehreren Parteien<br />
• Gegenstand: <strong>Verwaltungsrecht</strong>, d.h. Erfüllung von Staatsaufgaben<br />
• Abgrenzungen:<br />
Verf gung<br />
<strong>Verwaltungsrecht</strong>licher<br />
Vertrag<br />
Privatrechtlicher<br />
Vertrag<br />
Modus<br />
Rechtsgrundlage<br />
einseitig zweiseitig <strong>Verwaltungsrecht</strong> OR, ZGB,?<br />
• Kriterien zur Abgrenzung verwaltungsrechtlichen Vertrag / privatrechtlichen Vertrag:<br />
- anwendbares Gesetz konsultieren: wenn es auf Zivilrichter verweist Privatrecht;<br />
- dient der V. unmittelbar der Erfüllung von Staatsaufgaben? Wenn nicht Privatrecht (Bsp.:<br />
Bedarfsverwaltung, bewirtschaftende Vw.);<br />
- Kriterium: Interesse?<br />
- allein die Tatsache, dass der Staat Vertragspartei ist, kann nicht zum Schluss führen, es muss ein<br />
verwaltungsrechtlicher Vertrag sein;<br />
- umgekehrt kann es vorkommen, dass zwei Private einen verwaltungsrechtlichen Vertrag<br />
abschliessen!<br />
• Arten:<br />
- Koordinationsrechtlicher Vertrag: verwaltungsrechtlicher Vertrag unter Gemeinwesen:<br />
Gemeinwesen = Gemeinwesen<br />
Beide Parteien erfüllen Staatsaufgaben.<br />
- Subordinationsrechtlicher Vertrag: Gemeinwesen = Privatperson<br />
( Privatperson = Privatperson )<br />
Nur das Gemeinwesen muss Staatsaufgaben erfüllen.<br />
b) Der subordinationsrechtliche Vertrag<br />
Zulässigkeit der Rechtsform subordinationsrechtlicher Verträge?<br />
Die Rechtsform des Vertrags ist zulässig unter folgenden Bedingungen:<br />
• Das Gesetz gibt Raum oder Ermessen für die Vertragsform, erlaubt sie<br />
= Frage der Auslegung<br />
Unzulässig, wenn das Gesetz eine abschliessende Regelung enthält!<br />
Die Wahl der Vertragsform muss ausserdem dem Sinn dieses Spielraums entsprechen.
<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 26 / 58<br />
• Die Vertragsform ist geeigneter als diejenige der Verfügung:<br />
Motive: - Beide Parteien bezwecken eine dauerhafte Bindung<br />
Bsp.: SuG 16 2 ("wenn bei Finanzhilfen ausgeschlossen werden soll"): Statt Subventionen<br />
mit Auflagen zu geben, möchte der Staat den Privaten verpflichten.<br />
- Konkretisierung des Ermessens via Konsens<br />
Bsp.: SuG 16 2 ("Ermessensspielraum")<br />
Unzulässig: - Steuerabkommen: Keine Steuergerechtigkeit<br />
- Planungsabkommen (Einzonung eines Grundstücks)<br />
3.2.2. Verfahrensfragen<br />
• Gibt es Formvorschriften? Umstritten einfache Schriftform (wie Verfügung)<br />
• Es gibt kein Verfahrensgesetz, welches die Entstehung von verwaltungsrechtlichen Verträgen regelt;<br />
manchmal enthält ein Spezialgesetz eine Regelung<br />
kein Anfechtungsobjekt für die <strong>Verwaltungsrecht</strong>spflege;<br />
kein Rechtsschutz;<br />
Drittbeteiligte können weder gehört werden noch anfechten.<br />
3.2.3. Wirksamkeit, Beständigkeit und Durchsetzung des verwaltungsrechtlichen Vertrags<br />
• Auslegung des verwaltungsrechtlichen Vertrags nach Vertrauensprinzip.<br />
• Mangels Rechtsprechung fehlen Grundsätze.<br />
• Durchsetzung: Es gibt keinen Vollstreckungstitel; eine Verfügung ist erforderlich.<br />
3.3. Der Plan<br />
3.3.1. Begriff, Funktion und Arten des Plans<br />
a) Terminologie<br />
Unterscheiden wir: die Planung... ...und den Plan<br />
= Vorgang zur Problemlösung = Ergebnis dieses Vorganges<br />
b) Die Planung<br />
4 Schritte: 1. Phase der Problemanalyse<br />
2. Phase der Zielfindung<br />
3. Phase der Massnahmen<br />
4. Phase der Kontrolle / Evaluation (ex post)<br />
c) Der Plan<br />
• Definition: Zusammenfassung zukunftsbezogener Aussagen;<br />
• Form: Der Plan kann zahlreiche Formen annehmen (Wörter, Karten,...);<br />
• Funktion: Der Plan hat eine Steuerfunktion.<br />
d) Rechtsnatur des Plans<br />
- Rechtssatz? rechtsverbindlich<br />
- Verfügung? behördenverbindlich<br />
Das Spezialgesetz konsultieren!<br />
3.3.2. Raumpläne insbesondere<br />
a) Rechtsquelle<br />
BV 22 quater , Raumplanungsgesetz (RPG)
<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 27 / 58<br />
b) Das RPG<br />
• Ziele (RPG 1): 1. Haushälterische Nutzung des Bodens;<br />
2. Abstimmung aufeinander der raumwirksamen Tätigkeiten;<br />
3. Verwirklichung einer auf die erwünschte Entwicklung des Landes<br />
ausgerichteten Ordnung der Besiedlung.<br />
• Zweck: Koordination<br />
• Mittel (RPG 2 1 ): Die Planung<br />
• Richtpläne (RPG 8−9) sind für die Behörden verbindlich<br />
• Nutzungspläne (RPG 14 + 21) - ordnen die Nutzung des Bodens;<br />
- für jedermann verbindlich;<br />
- schaffen Rechte und Pflichten für Privaten.<br />
c) Rechtsnatur der Nutzungspläne: Rechtssatz oder Verfügung?<br />
• Je nach Form gibt es verschiedene Formen zum Rechtsschutz:<br />
- Bei Verfügungen hat man Anspruch auf rechtlichen Gehör;<br />
- Bei Rechtssätzen ist eine Änderung jederzeit möglich;<br />
- Verfügungen muss man sofort anfechten.<br />
• Kriterium ist die Dichte der Nutzungsplanung:<br />
- Rechtliches Gehör (RPG 33 1 );<br />
- Änderung (RPG 21 2 ): Je älter der Plan, desto mehr muss er mit der Wirklichkeit übereinstimmen;<br />
- Rechtsschutz: Zulässigkeit der Klage gegen Umplanung?<br />
Es kommt darauf an, ob der Betroffene die Wirkungen der Planungsänderungen<br />
vorhersehen könnte; wenn ja kein Rechtsschutz.<br />
3.4. Der Realakt<br />
3.4.1. Begriff, Funktion und Arten des Realakts<br />
• Begriff: - Der Realakt ist nicht auf einen Rechtserfolg, sondern auf einen Taterfolg gerichtet;<br />
- Dessen Gegenbegriff ist der Rechtsakt.<br />
• Form: In der Regel ist der Realakt formfrei, der Rechtsakt formgebunden; es gibt aber viele<br />
Ausnahmen.<br />
• Funktion: hängt vom Typus des Realaktes ab.<br />
• Arten:<br />
Funktion<br />
- Reales Erfüllen von staatlichen Aufgaben Besorgung von staatlichen Aufgaben<br />
- Erteilen von Auskünften Rechtssicherheit, Vertrauensschutz<br />
- Ankündigung und Durchführung von Durchsetzung des <strong>Verwaltungsrecht</strong>es<br />
Vollstreckungsmassnahmen<br />
- Unmittelbarer Vollzug des <strong>Verwaltungsrecht</strong>es Durchsetzung des <strong>Verwaltungsrecht</strong>es (ohne<br />
vorherige Sachverfügung)<br />
- Informationskampagne / Empfehlungen Verhaltenslenkung<br />
- Informelle Absprachen Verhaltenslenkung
<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 28 / 58<br />
3.4.2. Empfehlungen und Informationskampagnen insbesondere<br />
a) Information nur im Rahmen der Exekutivfunktion:<br />
• Information als Regierungsaufgabe: - Art. 10 RVOG;<br />
- vor Wahlen und Abstimmungen.<br />
• Information als Verwaltungsaufgabe: - über der Verwaltungstätigkeit (Geschäftsberichte);<br />
- im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens;<br />
- im Rahmen der Leistungstätigkeit;<br />
- im Rahmen einer Sachaufgabe.<br />
b) Informationshandeln<br />
3 Ebenen der Information:<br />
• Tatsachenebene Informationskampagne i.e.S.<br />
• Wertebene Einstellungskampagne<br />
• Einwirkungsebene Verhaltenskampagne<br />
Beispiele:<br />
- Impfkampagne gegen Mumps: Verhaltenskampagne;<br />
- Stop− Aids− Kampagne: Informationskampagne i.e.S., Verhaltenskampagne,<br />
Einstellungskampagne;<br />
- K. gegen den Vacherin Mont− d’Or: Verhaltenskampagne.<br />
c) Dogmatische Einordnung von Kampagnen<br />
• Rechtsakt? Nein: Die Kampagne begründet keine Rechte oder Pflichten!<br />
• Realakt? Ja! Die Impfkampagne, zum Beispiel, begründet einen faktischen Befolgungszwang.<br />
• "Sui generis"?<br />
d) Rechtliche Zulässigkeit von Kampagnen<br />
• Zuständigkeit der Behörden<br />
• Zulässigkeit der Form gesetzliche Grundlage erforderlich (Bsp.: Art. 3 Epidemiengesetz,<br />
Art. 12 Lebensmittelgesetz)<br />
• Zulässigkeit des Inhalts die Empfehlung muss ein Mittel sein, das Gesetz durchzusetzen:<br />
- funktioneller Bezug zur Aufgabe;<br />
- keine Ideologie!<br />
- keine Anstiftung zu einer verbotenen Handlung (Verstösst die Empfehlung, Drogensüchtige sollten saubere<br />
Spritzen benützen, gegen das Betäubungsmittelgesetz?).<br />
• Wahrung der Verhältnismässigkeit:<br />
- "ob": nur dann, wenn erforderlich;<br />
- "wie": Achtung an Drittinteresse;<br />
- Grundrechtsrelevanz? Eine Impfkampagne führt zu einem Eingriff in die körperliche Integrität,<br />
eine Produktempfehlung schädigt die anderen Anbieter.<br />
• Rechtsschutz:<br />
- Die Empfehlung als solche ist kein Anfechtungsobjekt;<br />
- Surrogat: Staatshaftung (Grundlage: Verantwortlichkeitsgesetz, welches Widerrechtlichkeit<br />
voraussetzt; nun bilden RVOG 10 und EpidemieG 3 Rechtfertigungsgründe Prüfung der<br />
Verhältnismässigkeit);<br />
- Spezialgesetzliche Bezeichnung von Anfechtungsobjekt (Wer ist dann beschwerdelegitimiert?);<br />
- Einbezug betroffener Kreise in die Erarbeitung der Kampagne.
<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 29 / 58<br />
3.4.3. Informelle Absprachen insbesondere<br />
• Grundlage: Preisüberwachungsgesetz, Art. 29−30 Kartellgesetz;<br />
• zwischen Staat und Privaten;<br />
• unverbindlich;<br />
• dennoch Einigungs− und Befolgungsdruck: Denn der Staat droht, eine Verfügung zu erlassen;<br />
• vermeidet Verfügungen;<br />
• Rechtsschutz Dritter und Rechtsgleichheit sind gefährdet (daher: KartellG 29 2 );<br />
• Rechtliche Zulässigkeit: - Zuständigkeit der Behörden;<br />
- Zulässigkeit der Form (wenn keine Grundlage, dann Verfügung);<br />
- Zulässigkeit des Inhalts;<br />
• Verfahren: - VwVG nicht anwendbar;<br />
- Keine Dispensierung des Untersuchungsgrundsatzes (Materielle<br />
Wahrheit, Handeln von Amtes wegen).<br />
3.5. Weitere Formen des Verwaltungshandelns<br />
3.5.1. Rechtsetzung als Form des Verwaltungshandelns<br />
Verordnungsarten<br />
• selbständige Verordnung stützt sich auf die BV primäre Rechtsetzung<br />
• unselbständige Verordnung:<br />
- Vollziehungsverordnung<br />
- gesetzesvertretende Verordnung gestützt auf gesetzl. Delegationsnorm<br />
primäre Rechtsetzung<br />
Die Vollziehungsverordnung kann als Verwaltungshandeln gefasst werden:<br />
Gesetz (generell-abstrakt)<br />
Vollziehungsverordnung<br />
Einzelakt (individuell-konkret)<br />
3.5.2. Dienstbefehle und Verwaltungsverordnungen<br />
Problematisch ist die Abgrenzung zwischen<br />
Dienstbefehl ⇔ Verfügung<br />
Verwaltungsverordnung ⇔ Rechtsverordnung<br />
a) Der Dienstbefehl<br />
• Definition: Weisung der vorgesetzten Behörden an Untergeordneten;<br />
• Bsp.: Dienstaufsicht;<br />
• Gesetzliche Grundlage: Art. 25 Beamtengesetz;
<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 30 / 58<br />
• Abgrenzung von Verfügung:<br />
gemeinsam: - Anordnung einer Behörde;<br />
- Einzelfall, individuell− konkret;<br />
- einseitig;<br />
- verbindlich;<br />
- gestützt auf öffentlichem Recht;<br />
Unterschied: - Rechtsverhältnis?<br />
Der Dienstbefehl ist zwar ein Rechtsakt, aber begründet kein Verhältnis zwischen<br />
dem Staat und den Privaten; er richtet sich ausschliesslich an einen<br />
verwaltungsinternen Adressaten.<br />
• Rechtsschutz: - Rechtswidrigkeit des Dienstbefehls<br />
ist offensichtlich<br />
kann missachtet werden;<br />
- Rechtswidrigkeit ist zweifelhaft rechtswirksam, aber anfechtbar bei<br />
dem Vorgesetzten des Erteilers des<br />
Dienstbefehls.<br />
b) Die Verwaltungsverordnung<br />
• Definition: generell−abstrakter Dienstbefehl;<br />
• Gesetzliche Grundlage: Art. 25 Beamtengesetz;<br />
• Abgrenzung von Rechtsverordnung: Adressat gehört zur Verwaltung;<br />
• Funktion: - Führungsmittel der Verwaltung;<br />
- Steuerungsmittel;<br />
- Keine Quelle für <strong>Verwaltungsrecht</strong>, keine Rechtsgrundlage!<br />
• Rechtsschutz: - grundsätzlich nicht anfechtbar;<br />
- die Verletzung einer Verwaltungsverordnung kann nicht gerügt werden;<br />
• Nach Rechtsprechung des Bundesgerichts ist die Verwaltungsverordnung ausnahmsweise anfechtbar,<br />
wenn:<br />
- sie eine Aussenwirkung hat, und<br />
- die Anfechtung von Einzelakten ist nicht möglich / zumutbar.<br />
3.5.3. Privatrechtliches Handeln<br />
Bsp.: Privatrechtlicher Vertrag<br />
Problematisch ist die Frage der Zulässigkeit.
<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 31 / 58<br />
4. <strong>Verwaltungsrecht</strong>sverhältnisse<br />
4.1. Das <strong>Verwaltungsrecht</strong>sverhältnis im allgemeinen<br />
• Entstehung: a) unmittelbar durch Rechtssatz (eher selten)<br />
b) durch Verfügung (in der Regel)<br />
c) durch verwaltungsrechtlichen Vertrag (eher selten)<br />
• Änderung: a) durch Änderung des Rechtssatzes;<br />
b) Rechtsbeständigkeit Problem des Widerrufs;<br />
c) Rechtsbeständigkeit Problem des Widerrufs.<br />
• Beendigung: - durch Erfüllung;<br />
- durch Zeitablauf (befristetes <strong>Verwaltungsrecht</strong>sverhältnis);<br />
- durch neues Recht;<br />
- durch Verrechnung;<br />
- durch Verjährung / Verwirkung.<br />
• Übertragung von Rechten und Pflichten:<br />
- des Gemeinwesens an Privaten nur wenn es das Gesetz ausdrücklich sagt;<br />
- des Privaten es kommt darauf an!<br />
• Stellvertretung: Es kommt darauf an! - zulässig bei Steuer;<br />
- unzulässig bei höchstpersönlichen Verhältnissen.<br />
4.2. Bewilligungen, Konzessionen, Subventionen<br />
4.2.1. Bewilligungen<br />
Die Bewilligung ist eine Verfügung, welche eine private Tätigkeit in Übereinstimmung mit dem<br />
öffentlichen Recht erlaubt.<br />
a) Grundform: Polizeibewilligung<br />
• Definition: Eine Tätigkeit ist grundsätzlich verboten; die Polizeibewilligung hebt das Verbot auf.<br />
• Funktion: - Früher: Schutz der Polizeigüter;<br />
- Heute: Schutz weiterer öffentlicher Interessen (sozialpolitische oder<br />
raumplanerische Gründe);<br />
- Präventionskontrolle.<br />
• Rechtliche Bedeutung: Die Polizeibewilligung schafft keine neuen Rechte, weil diese dem<br />
Gesuchsteller bereits durch das Gesetz eingeräumt werden: das Verbot ist<br />
lediglich formell. Folgen aus diesem Konzept:<br />
- Die Polizeibewilligung ist deklaratorisch (≠ konstitutiv): Sie kann<br />
keine neuen Rechte begründen, die nicht im Gesetz stehen<br />
Die Bewilligung ist bloss formelle Voraussetzung für die<br />
Rechtmässigkeit der privaten Tätigkeit;<br />
- Sofern die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind, hat der Private<br />
einen Rechtsanspruch (≠ Ermessen) auf unbedingte Erteilung der<br />
Bewilligung<br />
- Die Polizeibewilligung schafft keine wohlerworbenen Rechte<br />
(Rechte, die nur gegen Entschädigung entzogen werden können).
<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 32 / 58<br />
b) Wirtschaftspolitische Bewilligung<br />
• Definition: Erlaubnis zu einer wirtschaftlichen Tätigkeit innerhalb eines Kontingentes oder eines<br />
wirtschaftlichen Bedürfnisses.<br />
• Funktion: Lenkung des Wirtschaftsgeschehens, vor allem im Landwirtschaftsrecht;<br />
• Rechtliche Bedeutung: Es besteht kein Rechtsanspruch auf Erteilung, wenn schon, also ein<br />
bedingter Anspruch.<br />
• Bemerkung: Die Kantone sind grundsätzlich nicht befugt, wirtschaftspolitische Massnahmen<br />
einzuführen (BV 31 Abs. 2, Handels− und Gewerbefreiheit);<br />
Ausnahme: Gastwirtschaftsgewerbe, BV 32 quater .<br />
c) Bewilligung für gesteigerten Gemeingebrauch<br />
• Definition: Der gesteigerte Gemeingebrauch, nämlich der nicht gemeinverträgliche oder<br />
ausserhalb der Zweckbestimmung der betreffenden öffentlichen Sache liegende<br />
Gebrauch (Beispiele: Demonstrationen, Verkaufsstände), ist in der Regel<br />
bewilligungspflichtig;<br />
• Funktion: Koordination der verschiedenen Nutzungen;<br />
• Rechtliche Bedeutung: Die Erteilung der Bewilligungen liegt im Ermessen der Behörde<br />
bedingter Rechtsanspruch mit Grundrechtsrelevanz.<br />
• Voraussetzungen der Bewilligungspflicht (denn die Bewilligungspflicht führt zu einer<br />
Einschränkung von verfassungsmässigen Rechten):<br />
⋄ Gesetzliche Grundlage (ausdrückliche, im formellen Gesetz verankert)<br />
Ausnahmen: - Polizeilische Generalklausel als Surrogat der gesetzlichen Grundlage;<br />
- Frühere Praxis: Die Bewilligungspflicht ergibt sich aus der Sachherrschaft des<br />
Gemeinwesens über den öffentlichen Grund.<br />
⋄ Öffentliches Interesse: ergibt sich aus: - Schutz von Polizeigütern;<br />
- anderen öffentlichen Interessen;<br />
- Erfüllung von staatlichen Aufgaben.<br />
⋄ Verhältnismässigkeit: Prinzip der Subsidiarität (mildere Massnahme)<br />
d) Ausnahmebewilligung<br />
• Definition: Die Ausnahmebewilligung erlaubt die Ausübung einer Tätigkeit in Abweichung zu<br />
den normalen gesetzlichen Vorschriften; der Gesetzgeber verlangt ein grundsätzliches<br />
Verbot, lässt aber im Einzelfall Ausnahmen zu, wenn die strenge Anwendung des<br />
Gesetzes zu zweckwidrigen Ergebnissen führen würde.<br />
• Man unterscheidet:<br />
- echte Ausnahmebewilligung = "kleine Ausnahme" = Dispens:<br />
Notventil für unvorgesehene Fälle (Bsp.: Art. 26 <strong>Bern</strong>er Baugesetz);<br />
- unechte Ausnahmebewilligung = "grosse Ausnahme":<br />
Der Gesetzgeber sieht eine Alternativregelung vor, denn er weiss von Anfang an, dass er<br />
Ausnahmen zulassen wird (Bsp.: Art. 24 RPG).<br />
• Voraussetzungen der Erteilung von Ausnahmebewilligungen:<br />
- Gesetzliche Grundlage, welche die Möglichkeit einer Ausnahme ausdrücklich vorsieht;<br />
- Vorliegen der gesetzlichen Ausnahmesituation (wäre nicht gegeben, wenn es eine Situation<br />
wäre, die häufig vorkommt);<br />
- Keine Normkorrektur: Der Grundgedanke des Gesetzes muss nur einzelfallgerecht verfeinert<br />
werden, keine Umwertung des Gesetzes;<br />
- Umfassende Interessenabwägung.
<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 33 / 58<br />
• Das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Ausnahmebewilligung bildet eine Rechtsfrage; dagegen<br />
ist Ermessensfrage, wie der Ausnahmesituation Rechnung getragen werden soll.<br />
e) Verfahrensfragen: Erteilung, Übertragung, Verlängerung<br />
• Bewilligungen werden auf Gesuch erteilt.<br />
• Erteilungsvoraussetzungen: - persönliche: z.B. Fahrtüchtigkeit, guter Leumund<br />
- sachliche: z.B. Vorschriftskonformität eines Bautes<br />
• Übertragung: Art Beispiel Übertragbarkeit<br />
personbezogene Bewilligung Führerschein nicht übertragbar<br />
sachbezogene Bewilligung Fahrzeugausweis übertragbar<br />
• Bewilligungen sind meist befristet; am Ende der Frist wird der Fall neu überprüft: Sind die<br />
Voraussetzungen der Bewilligungserteilung wegen neuer rechtlicher oder tatsächlicher Verhältnisse<br />
nicht mehr erfüllt, so wird keine neue Bewilligung erteilt.<br />
f) Koordination von Bewilligungsverfahren<br />
Problematik:<br />
Es gibt Tätigkeiten, die mehreren Bewilligungen bedürfen<br />
Bsp.: Deponie in einem Wald Rodungsbewilligung<br />
Baubewilligung<br />
Gewässerschutzbewilligung<br />
Das führt zu Mehrfachprüfungen, oft unter verschiedenen Blickwinkeln: unterschiedliche Ergebnisse<br />
können die Folge sein; überdies unterliegen die verschiedenen Verfügungen unterschiedlichen<br />
Rechtsmitteln. All dies macht das Verfahren lang und kompliziert.<br />
In BGE 116 Ib 50 hat das Bundesgericht gefordert, diese Doppelspurigkeiten und vor allem Inkohärenzen<br />
seien durch "Koordination" der verschiedenen zu durchlaufenden Verfahren und Prüfungen zu<br />
vermeiden oder wenigstens so gering wie möglich zu halten:<br />
- Die Verfügungen sollen gleichzeitig eröffnet werden;<br />
- Sie sollen in einem einzigen Rechtsmittelverfahren angefochten werden können.<br />
Modelle:<br />
1) Koordinationsmodell<br />
2) Konzentrationsmodell<br />
A B C<br />
Koordinationsbeh rde<br />
Leitverfahren<br />
A B C<br />
Leitbeh rde<br />
Beurteilung: 1) Vorteile: Sachzuständigkeiten bleiben gewahrt;<br />
Nachteile: Das Verfahren ist schwerfällig und lästig.
<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 34 / 58<br />
2) Vorteile: Eine einzige Behörde ist zuständig;<br />
Nachteile: Der Sachverstand kann untergehen.<br />
Die Koordination wird auch durch Spezialgesetze geregelt: <strong>Bern</strong>er Koordinationsgesetz, RPG.<br />
4.2.2. Konzessionen<br />
a) Allgemeines / Konzessionsarten<br />
Konzessionen zu erteilen setzt ein Monopol voraus.<br />
Monopolarten<br />
Konzessionsarten<br />
• Staatliches Monopol: Ein Wirtschaftsbereich wird • Monopolkonzession: verleiht das Recht<br />
dem freien Wettbewerb entzogen und der Ausübung<br />
durch das Gemeinwesen vorbehalten;<br />
auf Ausübung einer an sich dem Staat<br />
vorbehaltenen Tätigkeit;<br />
• Konzession des öffentlichen Dienstes:<br />
verleiht das Recht auf Ausübung einer<br />
konzessionspflichtigen Tätigkeit, die im<br />
öffentlichen Interesse liegt, aber nicht vom<br />
Staat selber ausgeübt werden soll;<br />
• Polizeimonopol: darf nur errichtet werden, wenn ∅: Gemeinwesen hat die Tätigkeit selbst<br />
kein milderes Mittel, wie etwa eine<br />
Bewilligungspflicht, den Schutz des fraglichen<br />
auszuüben<br />
Polizeigutes sicherstellt;<br />
• Wohlfahrtsmonopol: aus weiteren öffentlichen<br />
Interessen, bloss nicht aus rein fiskalischen Gründen<br />
Verhältnismässigkeitsprinzip<br />
• Faktisches Monopol: Hoheit des Gemeinwesens<br />
über die öffentlichen Sachen im Gemeingebrauch<br />
b) Begründung von Konzessionsverhältnissen<br />
• durch Verfügung;<br />
• man unterscheidet:<br />
- Popularkonzession: Jede Person hat gegenüber der<br />
Konzessionsbehörde einen<br />
Rechtsanspruch auf Erteilung<br />
der Konzession<br />
- Ermessensbedingte<br />
Konzession: Die Erteilung der K. bleibt dem<br />
Rechtsfolgeermessen des<br />
Konzedenten überlassen<br />
Sondernutzungskonzession: verleiht das<br />
Recht auf ausschliessliche Benützung einer<br />
öffentlichen Sache im Gemeingebrauch<br />
Rechtsschutz:<br />
Verwaltungsgerichtsbeschwerde<br />
(Art. 97 OG)<br />
Verwaltungsbeschwerde an den<br />
Bundesrat<br />
(Art. 99 Abs. 1 Bst. d OG,<br />
Art. 74 Bst. a VwVG)<br />
Ausnahme: Wassernutzungskonzession<br />
(Art. 99 Abs. 2 Bst. a OG).<br />
Ob auf die Konzession ein Rechtsanspruch besteht oder ob ihre Erteilung im Ermessen der<br />
Verwaltung liegt, ist durch Auslegung zu ermitteln.
<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 35 / 58<br />
c) Beendigung (oder Änderung) von Konzessionsverhältnissen<br />
• Den ordentlichen Grund für die Beendigung eines Konzessionsverhältnisses bildet der Ablauf der<br />
Konzessionsdauer. Wird die Konzession nicht erneuert und ist kein Heimfall (= Übernahme der<br />
Anlagen durch den Konzedenten zum Zeitwert) vorgesehen, so muss der Konzessionär die Anlagen in<br />
diesem Zeitpunkt auf eigene Kosten beseitigen;<br />
• Möglich ist während der Geltungsdauer der Konzession ein Entzug der Konzession; die mit einer<br />
Konzession übertragenen Rechte gelten als wohlerworben, weshalb sie nur in Verfahren der formellen<br />
Enteignung entzogen werden können und mit der Folge voller Entschädigung.<br />
d) Konzessionsgebühren<br />
• Die Erhebung von Konzessionsgebühren untersteht dem Gesetzmässigkeitsprinzip, wonach<br />
grundsätzlich das formelle Gesetz die Abgabepflichtigen (Abgabesubjekt), den Gegenstand der<br />
Abgabe (Abgabeobjekt), die Grundzüge der Bemessung der Abgabe sowie die allfälligen<br />
Ausnahmen von der Abgabepflicht mit hinreichender Bestimmheit zu nennen hat;<br />
• Das abgaberechtliche Kostendeckungsprinzip ist auf Konzessionsgebühren nicht anwendbar.<br />
e) Rechtsbeziehung des Konzessionärs zu Dritten<br />
Im Gegensatz zur Rechtsbeziehung zwischen Konzessionär und Konzedent, welche dem öffentlichen<br />
Recht untersteht, regelt regelmässig das Privatrecht die Rechtsbeziehung zwischen dem Konzessionär<br />
und Dritten. Das bedeutet, dass allfällige Streitigkeiten, besonders über Leistungen des Konzessionärs<br />
und ihre Bezahlung, vor den Zivilgerichten auszutragen sind.<br />
4.2.3. Subventionen<br />
a) Subventionsarten<br />
• Definition: Geldleistungen eines Gemeinwesens an ein anderes Gemeinwesen oder an Private zur<br />
Unterstützung von Tätigkeiten im öffentlichen Interesse.<br />
• Das Subventionsgesetz unterteilt die Subventionen in:<br />
- Finanzhilfen: Beiträge zur Förderung oder zur Erhaltung einer vom Empfänger gewählten<br />
Aufgabe;<br />
- Abgeltung: Beiträge an finanzielle Lasten, die sich aus der Erfüllung bundesrechtlicher<br />
Pflichtaufgaben oder öffentlichrechtlicher Aufgaben ergeben, die dem<br />
Empfänger vom Bund übertragen worden sind.<br />
b) Bindung des Empfängers an den Subventionszweck<br />
Das Gemeinwesen richtet Subventionen aus, weil sich der Empfänger verpflichtet, die Beiträge für einen<br />
bestimmten, im öffentlichen Interesse liegenden Subventionszweck einzusetzen. Der Rechtsgrund der<br />
Subventionierung besteht also in der Bindung des Empfängers an den mit den staatlichen<br />
Subventionsleistungen verfolgten Zweck.<br />
c) Rechtsform der Subventionsgewährung<br />
• Verfügung;<br />
• <strong>Verwaltungsrecht</strong>licher Vertrag.<br />
d) Rechtsschutz<br />
• (Entschliessungs−)<br />
ermessenssubvention:<br />
Die Gewährung der S. bleibt dem<br />
Ermessen der Verwaltung<br />
überlassen<br />
Verwaltungsbeschwerde an den<br />
Bundesrat<br />
(Art. 99 Abs. 1 Bst. h OG,<br />
Art. 74 Bst. a VwVG)
<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 36 / 58<br />
• Anspruchssubvention: Jede Person hat einen<br />
Rechtsanspruch auf Gewährung der<br />
S. Es kann im Ermessen der<br />
Verwaltung sein, die Höhe der<br />
Zuwendungen festzulegen.<br />
Verwaltungsgerichtsbeschwerde<br />
(Art. 97 OG)<br />
4.3. Beschaffung und Nutzung öffentlicher Sachen<br />
4.3.1. Das System des öffentlichen Sachenrechts<br />
a) Begriff und Arten der öffentlichen Sachen<br />
ffentliche Sachen i.w.S.<br />
Finanzverm gen<br />
ffentliche Sachen i.e.S.<br />
Verwaltungsverm<br />
gen<br />
ff. Sachen im<br />
Gemeingebrauch<br />
Regalsachen<br />
1) Finanzvermögen<br />
• Zweckbestimmung: dient mittelbar der Erfüllung von öffentlichen Aufgaben (durch Erträge)<br />
• Realisierbarkeit: frei<br />
• Beispiele: - Wertschriften;<br />
- Liegenschaften als Mietobjekte, mit Zweck zum Gewinn;<br />
- Bargeld mit Gewinnerzielung;<br />
- dagegen nicht die Wälder.<br />
2) Verwaltungsvermögen<br />
- Verwaltungssachen;<br />
- Anstaltssachen.<br />
• Zweckbestimmung: dient der unmittelbaren Erfüllung von öffentlichen Aufgaben.<br />
• Nicht pfändbar<br />
• Verwaltungssachen: stehen primär den Behörden zur Verfügung<br />
• Anstaltssachen stehen der Allgemeinheit zu (beschränkt)<br />
3) Öffentliche Sachen im Gemeingebrauch<br />
• Beispiele: - öffentliche Strassen / Plätze;<br />
- öffentliche (oberirdische) Gewässer;<br />
- öffentliche Wälder;<br />
- Luftraum;<br />
- Kulturunfähiges Land.<br />
• Keine Erfüllung von Verwaltungsaufgaben;<br />
• Benutzerkreis: unbeschränkt.<br />
4) Regalsachen<br />
• Beispiele: - Berg− (Salz− )rechte;<br />
- Fischereirechte<br />
- Jagdrechte.<br />
• Im rechtlichen Monopol des Staates Konzession
<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 37 / 58<br />
b) Konnex zum Finanzreferendum<br />
Aufwendungen<br />
Anlage<br />
Ausgaben<br />
delegiert<br />
nicht delegiert<br />
gebunden<br />
neu<br />
Bereich des Finanzreferendums<br />
Zweck:<br />
Mitwirkung bei Aufwendungen, welche die Steuerbelastung beeinflüssen<br />
Steuerbelastung nicht beeinflüsst kein Finanzreferendum<br />
frei realisierbar<br />
Aufwendungen zum Erwerb von Objekten, vor allem von Liegenschaften ins Finanzvermögen,<br />
unterliegen nicht dem Finanzreferendum, da sie nicht Ausgabe (im Sinne einer Verminderung des<br />
Staatsvermögens), sondern blosse Anlage öffentlicher Gelder sind, der ein frei realisierbarer Wert<br />
gegenübersteht.<br />
c) Anwendung des Rechts: ZGB oder öffentliches Recht?<br />
Finanzvermögen<br />
Privatrecht:<br />
• Zivilgerichte zuständig<br />
• Bindung an öffentlich−rechtliche Vorschriften<br />
• Einschränkung: Bestimmte Fragen beurteilen sich<br />
nach öffentlichem Recht<br />
Öffentliche Sachen i.e.S.<br />
Zwei Handlungsmöglichkeiten:<br />
- Monistische Theorie: Nur öff. Recht<br />
- Dualistische Theorie: Öff. Recht + ZGB<br />
Dualistische Theorie: bald öffentliches Recht, bald ZGB<br />
• Begriff und Inhalt des Eigentums ZGB<br />
• Formen ZGB<br />
• Zweckbestimmung Öffentliches Recht<br />
• Nutzung der öffentlichen Sachen Im Prinzip öffentliches Recht, unter Umständen OR<br />
• Zwangsverwertung BG über die Schuldbetreibung gegen Gemeinden<br />
Pfändung geregelt in Art. 7, 9<br />
• Nachbarrecht, Grundeigentümerhaftung Im Prinzip ZGB, aber auch öffentliches Recht<br />
• Werkeigentümerhaftung Art. 58 OR<br />
4.3.2. Beschaffung öffentlicher Sachen<br />
Literatur: Recht 1997, 165<br />
• Beschaffung von Gütern und Bauwesen<br />
• Rechtsquellen: - BÖB (BG über das öffentliche Beschaffungswesen)<br />
- VÖB (Verordnung über das öffentliche Beschaffungswesen)<br />
- IVÖB (Interkantonale Vereinbarung über das öff. Beschaffungswesen)
<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 38 / 58<br />
• Zwei Stufen:<br />
1) Staatsinterne Willensbildung Zuschlag = anfechtbare Verfügung Öff. Recht<br />
2) Abschluss des Vertrages Priv. Recht<br />
• Rechtsschutz gegen Zuschlag<br />
- VwVG anwendbar<br />
- Rechtsmittel: Verwaltungsbeschwerde an die Rekurskommission, die endgültig entscheidet<br />
(VwGerBe an BGer ausgeschlossen, OG 100 Lit. x)<br />
- Ein positiver Entscheid der Rekurskommission wirkt nicht reformerisch / kassatorisch<br />
der streitige Vertrag bleibt, Vertrauensschaden für den Rekurrenten.<br />
4.3.3. Anstaltssachen und Anstaltsnutzung<br />
• Pro memoria: Eine Anstalt ist eine von einem Gemeinwesen getragene, administrativ relativ<br />
verselbständigte, mit persönlichen und sachlichen Mitteln ausgestattete und mit<br />
Autonomie (im Rahmen des Anstaltszwecks) versehene Institution zur dauernden<br />
Erfüllung einer übertragenen Verwaltungsaufgabe;<br />
• Zwischen der Anstalt und den Anstaltsbenützern besteht ein besonderes Rechtsverhältnis: Die<br />
Benützer müssen gewisse zusätzliche Beschränkungen ihrer Grundrechte hinnehmen,<br />
Einschränkungen nämlich, die erforderlich sind, damit die Anstalt ihre Zwecke erreichen kann.<br />
• Die Benützung der Anstalt setzt i.d.R. eine Zulassung voraus; nun sind die Kapazitäten der Anstalt oft<br />
beschränkt. Haben die potentiellen Benützer einen Anspruch auf Zulassung?<br />
Aus BV 4 folgt ein Anspruch auf rechtsgleiche und willkürfreie Behandlung bei der Zulassung zu<br />
Anstalten, insoweit überhaupt ein bedingter Anspruch auf Zulassung und Nutzung.<br />
• In wieweit gilt das Legalitätsprinzip?<br />
In formellen Gesetz: - Zwangsweise Begründung;<br />
- Einführung von Zulassungsbeschränkungen;<br />
- Wesentliche Rechte und Pflichten;<br />
- Zwangsweise Auflösung.<br />
• Anstaltsbenützung: Anwendung von öffentlichem oder privatem Recht?<br />
Das hängt von der Art der zu lösenden Aufgabe ab.<br />
Hilfskriterien, Indizien:<br />
Öff. Recht Verfolgung des öffentlichen Interesses im Vordergrund<br />
Anstaltsbenützung ist unabänderlich<br />
Priv. Recht Verhandelbarkeit: - der Leistung der Anstalt<br />
- des Tarifs / Entgeltes<br />
Das Rechtsverhältnis zwischen dem Gemeinwesen und dem Anstaltsbenützer ist grundsätzlich<br />
öffentlichrechtlich, damit auch die einzelnen Rechte und Pflichten, die sich aus dem<br />
Benutzungsverhältnis ergeben.
<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 39 / 58<br />
4.3.4. Strassen und Plätze im Gemeingebrauch<br />
a) Arten von Gebrauchsrechten<br />
schlichter<br />
Gemeingebrauch<br />
gesteigerter<br />
Gemeingebrauch<br />
Begriffselemente Bewilligungspflicht Abgabepflicht<br />
• bestimmungsgemäss und<br />
• gemeinverträglich<br />
• nicht bestimmungsgemäss<br />
oder<br />
• nicht gemeinverträglich<br />
Sondernutzung • nicht bestimmungsgemäss<br />
und<br />
• ausschliessend<br />
• bewilligungsfrei • abgabefrei<br />
• Kontrollgebühr<br />
zulässig<br />
• kann<br />
bewilligungspflichtig<br />
erklärt werden<br />
• Benutzungsgebühr<br />
zulässig<br />
• konzessionspflichtig • Konzessionsgebühr<br />
⋄<br />
⋄<br />
⋄<br />
Schlichter Gemeingebrauch:<br />
• bestimmungsgemäss: dafür ist die Sache da, der Gebrauch entspricht dem Zweck;<br />
ergibt sich aus:<br />
- dem Widmungsakt: das Gemeinwesen sagt, wozu eine öff. Sache da<br />
ist (Verfügung, Zonenplan);<br />
- der natürlichen Beschaffenheit der Sache (subsidiär);<br />
- dem traditionellen Gebrauch;<br />
• gemeinverträglich: jeder kann sie benützen, ohne dass der Gebrauch erheblich vermindert<br />
wird; es wird von den selbstregulierenden Kräften erlaubt;<br />
• bewilligungsfrei: kein öffentliches Interesse an einer präventiven Kontrolle; nur repressive<br />
Kontrolle;<br />
• abgabefrei: gratis!<br />
Gesteigerter Gemeingebrauch:<br />
• nicht bestimmungsgemäss oder<br />
nicht gemeinverträglich:<br />
erhebliche Behinderung, aber nicht soweit, dass andere Benützer<br />
ausgeschlossen werden;<br />
• intensiver Gebrauch: z.B. Entnahme von Wasser;<br />
• erhebliche Beeinträchtigung: keine Selbstregulierung der Benützer;<br />
• Nutzungsansprüche auf den knapp gewordenen Platz müssen von den Behörden bewirtschaftet<br />
werden<br />
Bewilligung bedingter Anspruch auf Erteilung<br />
• Nach Rechtsprechung des Bundesgerichts bedarf es für die Einführung einer Bewilligungspflicht<br />
keiner besonderen gesetzlichen Grundlage; vergleich aber:<br />
- Art. 19 2 KV BE;<br />
- BGE 119 Ia 449 E. 2. a).<br />
• Benützungsgebühr zulässig.<br />
Sondernutzung: Ausschliessliche Nutzung auf Dauer.<br />
b) Öffentliche Strassen und Plätze<br />
Strassenhoheit<br />
Bund - Durchgangsstrassen (Die Kantone dürfen sie<br />
nicht entwidmen)<br />
- Benützung im Dienste des Bundes (z.B.<br />
Militär, Post)<br />
Kantone - Bau + Unterhalt<br />
- Widmung / Entwidmung<br />
Verkehrsrecht<br />
- "Allgemeine Benutzungsordnung"<br />
(= SVG, VRV, SSV)<br />
- Funktionelle Verkehrsbeschränkung
<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 40 / 58<br />
1) Unentgeltlichkeit des Verkehrs − Parkiergebühr<br />
Art. 82 Abs. 3 BV 1999:<br />
"Die Benützung öffentlicher Strassen ist gebührenfrei. Die Bundesversammlung kann<br />
Ausnahmen bewilligen."<br />
Bemerkungen: • Die Autobahnen sind gebührenpflichtig von Verfassungs wegen (Art 86 Abs. 2<br />
BV 1999);<br />
• "Ausnahmen" Einzige bekannte Ausnahme ist der Gotthard−Tunnel.<br />
Ist Parkieren Verkehr im Sinne des Gemeingebrauchs oder im Sinne des gesteigerten Gebrauchs?<br />
• Kurzzeitiges Abstellen = Gemeingebrauch (bescheidene) Kontrollgebühr<br />
• Langzeitiges Abstellen = gesteigerter Gebrauch Benutzungsgebühr, welche<br />
marktkonform, d.h. hoch ist.<br />
Abgrenzung: BGE 122 I 279<br />
2) Ausübung von Grundrechten auf öffentlichen Strassen und Plätzen<br />
• Betroffene Grundrechte: - Ideelle Grundrechte;<br />
- Handels− und Gewerbefreiheit.<br />
• Grundrechtskonforme Auslegung des "schlichten Gemeingebrauchs":<br />
- Die Begriffe "gemeinverträglich" und "bestimmungsgemäss" sind unbestimmte Gesetzesbegriffe<br />
grosser Auslegungsspielraum, bei welchem die Grundrechte berücksichtigt werden sollen!<br />
- Beispiel: Kleine, spontane Demonstrationen in der Fussgängerzone sind noch schlichter<br />
Gemeingebrauch.<br />
Eine grundrechtsfreundliche Auslegung ist möglich!<br />
• Grundrechtskonforme Handhabung der Bewilligungspflicht<br />
bedingter Anspruch auf Erteilung einer Bewilligung;<br />
"bedingt" heisst: unter Vorbehalt der Kapazität und einer Interessenabwägung.<br />
3) Sperrung einer Strasse als Grundrechtseingriff<br />
Zentralblatt 1995 S. 508<br />
4.3.5. Öffentliche Gewässer und Regalsachen<br />
4.4. Polizei<br />
• als Tätigkeit funktioneller Polizeibegriff<br />
Tätigkeit: Sicherung vor Gefährdungen<br />
- Objekt: Schutz bestimmter Schutzgüter Polizeigüter<br />
- Art: Störungen (Gefahren abwenden) Polizeiaufgaben<br />
• als Behörde organisatorischer Polizeibegriff<br />
Beispiele<br />
- Polizei i.e.S. = Polizeikorps Sicherheits−, Gerichts−, Verkehrspolizei<br />
- Spezialpolizeibehörden Bau−, Gesundheits−, Gewerbepolizei
<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 41 / 58<br />
4.4.1. Polizeigüter<br />
• Relativierung: Die Polizeigüter wandeln sich mit der Zeit, spiegeln politisch den Staatsbegriff.<br />
Was ist aufrechtzuerhalten?<br />
Rechtsprechung: BGE 97 I 499 ("Griessen")<br />
• Einzelne Polizeigüter:<br />
- öffentliche Ordnung und Sicherheit als Oberbegriff;<br />
- Leib und Leben, körperliche Integrität;<br />
- öffentliche Gesundheit (der Bevölkerung als Kollektiv) ≠ die Gesundheit eines Individuums;<br />
- öffentliche Ruhe (Sonntagsruhe);<br />
- öffentliche Sittlichkeit (sittliche Empfindung der Bevölkerung);<br />
- Treu und Glaube im Geschäftsverkehr (Schutz der Bevölkerung vor Täuschung);<br />
- Umweltgüter wie Luft, Grundwasser (Schutz vor Umweltkatastrophen)<br />
• Bezüglich öffentlicher Ordnung und Sicherheit:<br />
- Mittel zum Zweck: friedliches Zusammenleben in der Gesellschaft;<br />
- Durch wen? Durch den Staat oder auch durch Private (= private Polizei)? Primat der staatlichen<br />
Polizei; eine private Polizei kommt nur zum Zuge im Auftrag des Gemeinwesens und nur<br />
hilfsweise Verbot der Selbsthilfe.<br />
• Können private Rechtsgüter auch Polizeigüter sein? In der Regel sind Polizeigüter nur öffentliche<br />
Güter (Schutz vor Grundrechtsverletzungen).<br />
• Können Eigengefährdungen auch polizeiliches Verhalten rechtfertigen?<br />
Beispiele: Bau eines Hauses im Lawinengefahrgebiet;<br />
Hungerstreik;<br />
Selbstmordversuch.<br />
: Der Staat muss eingreifen, denn viele Personen betreten dieses Haus.<br />
, : Einschreiten ist nicht polizeilich, sondern ethisch geboten.<br />
4.4.2. Polizeiaufgaben<br />
Polizeiaufgaben: • Schutz von Polizeigütern vor Störung und Schädigung;<br />
• Aufrechterhalten von öffentlicher Ordnung und Sicherheit.<br />
• Schutz der Polizeigüter: - präventiv (ex ante);<br />
- repressiv (ex post).<br />
• Präventiver Schutz: Braucht es eine aktuelle Gefahr, oder reicht eine abstrakte, potentielle<br />
Gefahr?<br />
Präventiver Schutz ist zulässig gegen abstrakte Gefahr, wenn diese nach der<br />
allgemeinen Lebenserfahrung zu einer konkreten Gefahr führen kann<br />
(Bsp.: Tempolimiten)<br />
Problem der Verhältnismässigkeit polizeilicher Massnahmen.<br />
• Repressiver Schutz: Beheben von bereits eingetretenen Störungen und Schäden und<br />
Wiederherstellen des ordnungsgemässen Zustandes<br />
• Aufgaben der Polizeibehörden i.e.S.:<br />
<strong>Bern</strong>er Polizeigesetz Art. 1:<br />
Abs. 1 Lit. a − c: Sicherheitspolizei<br />
Lit. d: Kriminalpolizei<br />
Lit. e: Polizei = verlängerter Arm der Verwaltungsbehörden beim Vollzug von<br />
Verfügungen<br />
Abs. 2:<br />
Normalerweise geht es über die Gerichte
<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 42 / 58<br />
4.4.3. Polizeiliche Massnahmen<br />
• Polizei im funktionellem Sinne: - Polizeieinsatz = Realakt.<br />
- generell− abstrakte Polizeiregelung erlassen<br />
(Bsp.: baupolizeiliche Vorschriften);<br />
- Polizeibewilligung;<br />
- Polizeimonopol.<br />
• Bsp. von Massnahme: Anhalten von Personen und Prüfung der Identität<br />
BGE 109 Ia 146 = Pra 1983 S. 752<br />
4.4.4. Verfassungsgrundsätze des polizeilichen Handelns<br />
Voraussetzungen für Handeln der Polizei: • gesetzliche Grundlage / polizeiliche Generalklausel;<br />
• öffentliches Interesse;<br />
• Verhältnismässigkeit;<br />
• Störerprinzip.<br />
a) Gesetzliche Grundlage<br />
• Heute ist grundsätzlich eine explizite gesetzliche Grundlage erforderlich.<br />
Inhalt: Umschreibung der Voraussetzungen, unter denen von polizeilichen Zwangsmitteln Gebrauch<br />
gemacht werden darf.<br />
• Ersatz für eine fehlende gesetzliche Grundlage stellt die polizeiliche Generalklausel als<br />
ungeschriebener Grundsatz des polizeilichen Handelns dar (Vgl. Art 21−22 <strong>Bern</strong>er PolG)<br />
Voraussetzungen: - Polizeigüter sind betroffen ("öffentliche Sicherheit");<br />
- Es muss eine schwere und unmittelbare Gefahr abgewendet oder eine<br />
bereits eingetretene Störung beseitigt werden ("eingetretene ... Gefahr");<br />
- Zeitliche Dringlichkeit ("unaufschiebbare");<br />
- Es gibt keine geeigneten gesetzlichen Massnahmen (Subsidiaritätsprinzip).<br />
Die polizeiliche Generalklausel darf nur subsidiär und vorübergehend beansprucht werden.<br />
b) Öffentliches Interesse<br />
Schutz der Polizeigüter.<br />
c) Verhältnismässigkeit (Art. 23 <strong>Bern</strong>er PolG)<br />
Die Massnahme muss geeignet, erforderlich sein; Zweck− Mittel− Relation.<br />
d) Opportunitätsprinzip<br />
= Frage des ob / wie (Entschliessungs− / Auswahlermessen)<br />
• Grund: Beschränktheit der Mittel Prioritäten setzen können<br />
• Opportunitätsprinzip heisst entscheiden nach pflichtgemässen Ermessen; Interessenabwägung<br />
unter folgenden Gesichtspunkten:<br />
- Schwere der Gefahr (dringlich? nur abstrakt?);<br />
- Art des Polizeigutes (Leib und Leben?);<br />
- Zur Zeit vorhandene Mittel;<br />
- Umstände des Falles.<br />
BGE 119 Ia 28 = Pra 82 S. 206
<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 43 / 58<br />
e) Störerprinzip (Art. 24 <strong>Bern</strong>er PolG)<br />
• Das Störerprinzip ist eine Sonderprägung des Verhältnismässigkeitsprinzips. Es verlangt, dass<br />
polizeiliches Handeln nur gegen denjenigen erlaubt ist, der für die Störung unmittelbar<br />
verantwortlich ist, d.h. denjenigen, der die Polizeigüter gefährdet oder verletzt.<br />
• Man unterscheidet:<br />
- Verhaltensstörer (Abs. 1): ist, wer durch eigenes Verhalten oder durch das unter seiner<br />
Verantwortung erfolgte Verhalten Dritter unmittelbar eine<br />
polizeiwidrige Gefahr oder Störung verursacht;<br />
Bsp.: Randalierende<br />
- Zustandsstörer (Abs. 2): ist, wer über die Sache, welche den ordnungswidrigen Zustand<br />
bewirkt, rechtliche oder tatsächliche Gewalt hat;<br />
Bsp.: Eigentümer der Sache<br />
- Zweckveranlasser / "indirekter Störer": ist, wer die Störung (seitens anderer) bewusst in Kauf<br />
nimmt oder gar veranlasst.<br />
• Polizeiliches Vorkehren gegen Nicht−Störer, also Abweichungen von dem Störerprinzip, sind nur bei<br />
Notfällen zulässig (Bsp.: Requisition von Autos bei einer Katastrophe)<br />
f) Verursacherprinzip<br />
• Kostenüberwälzungsprinzip: Der Verursacher hat für Kosten und Belastungen, die er hervorruft,<br />
finanziell einzustehen und hat auch die Kosten von Sanierungen, zu denen er gesetzlich verpflichtet ist<br />
oder die er freiwillig durchführt, selber zu tragen.<br />
• Das Verursacherprinzip ergibt sich nicht aus der Verfassung, sondern bedarf einer gesetzlichen<br />
Grundlage.<br />
• Bsp. von gesetzlichen Grundlagen: Art. 2 + 59 USG, Art. 54 GSchG.<br />
• Ist eine Mehrheit von Personen kostenpflichtig, hat die Behörde die Kosten nach den subjektiven<br />
und objektiven Anteilen an der Verursachung zu verteilen. Die Verursacher haften solidarisch nur<br />
dann, wenn es ein Spezialgesetz ausdrücklich vorsieht.<br />
4.5. Öffentliche Abgaben<br />
4.5.1. Das System der öffentlichen Abgaben<br />
a) Begriff und Arten<br />
• Abgabe: Geldleistung, die das Gemeinwesen gestützt auf seine Finanzhoheit den Privaten<br />
auferlegt.<br />
• Funktion der Abgabe: Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs des Gemeinwesens<br />
• Negative Abgrenzung: ≠ Kosten der Ersatzvornahme;<br />
≠ Busse, z.B. wegen Verstosses gegen das SVG (= Strafe, Sanktion);<br />
≠ eine auf einen privatrechtlichen Vertrag gestützte Geldleistung.
<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 44 / 58<br />
• Arten:<br />
ffentliche Abgaben<br />
Steuern Gemengsteuern Kausalabgaben<br />
Allgemeine<br />
Steuer<br />
Sondersteuer:<br />
• Zwecksteuer;<br />
• Lenkungssteuer<br />
Nach Erhebungsmodus:<br />
- direkte Steuer;<br />
- indirekte Steuer.<br />
Geb hren:<br />
• Verwaltungsgeb.:<br />
- Kanzleigeb.;<br />
- Kontrollgeb.;<br />
• Ben tzungsgeb.;<br />
• Monopolgeb.<br />
(Regalgeb.,<br />
Sondernutzungsgeb.)<br />
Mehrwerts<br />
abgaben<br />
Beitr ge<br />
(Vorzugslasten)<br />
Ersatzabgaben<br />
- Diese Systematik ist nicht so wichtig, denn es gibt keinen "numerus clausus" für den Gesetzgeber;<br />
- Das Verbot der Doppelbesteuerung nach Art. 127 Abs. 3 BV 1999 gilt vorab für gewisse Steuern,<br />
nicht aber für Kausalabgaben.<br />
b) Die Steuern<br />
• gegenleistungsunabhängig ("voraussetzungslos"):<br />
- ohne staatliche Gegenleistung, wenn der Steuertatbestand erfüllt ist;<br />
- Ausdruck des Gemeinlastprinzips;<br />
- Beispiel: Mehrwertsteuer.<br />
• Allgemeine Steuer = Hauptsteuer: dient der Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs;<br />
• Sondersteuer: aus anderen Gründen erhoben<br />
- Zwecksteuer: dient der Finanzierung eines bestimmten Zwecks;<br />
Bsp.: Benzinsteuer, Alkoholsteuer.<br />
- Lenkungssteuer: bezweckt die Verhaltenslenkung, durch die Belastung mit einer Steuer sollen<br />
bestimmte Tätigkeiten unattraktiv gemacht werden;<br />
Bsp.: Wirtschaftsverwaltungsrecht, Umweltrecht, Energierecht.<br />
• Unterscheidung zwischen direkter und indirekter Steuer:<br />
- direkte Steuer: σ = τ<br />
- indirekte Steuer: σ ≠ τ<br />
σ: Steuersubjekt (wer die Steuer schuldet); τ: Steuerträger (wer die Steuer bezahlt)<br />
c) Die Kausalabgaben<br />
• Unterscheidungskriterium Steuern / Kausalabgaben: Zurechenbarkeit der staatlichen Leistung.<br />
• Merkmale: - Abgabe mit einem besonderen Entstehungsgrund ("causa"); es besteht zwischen<br />
dem Entstehungsgrund und der Abgabe ein unmittelbarer Zusammenhang im<br />
Sinne von Leistung und Gegenleistung;<br />
- Ausdruck des Verursacherprinzips.
<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 45 / 58<br />
• Gebühr: - Entgelt für eine bestimmte, von den Pflichtigen veranlasste Tätigkeit des<br />
Gemeinwesens oder für die Benützung einer öffentlichen Einrichtung;<br />
- Die Gebührenpflicht entfällt, wenn das Gemeinwesen eine öffentliche Aufgabe<br />
erfüllt (Bsp.: Geschwindigkeitskontrolle);<br />
- Funktion: Ausgleich der Kosten.<br />
• Verwaltungsgebühr (Kanzlei− & Kontrollgebühr): - Entgelt für eine einfache Tätigkeit der<br />
Verwaltung, für eine Routineverrichtung;<br />
- Bsp.: Gebühr für eine Fotokopie.<br />
• Benützungsgebühr: - Entgelt für die Benützung öffentlicher Betriebe, Anlagen oder<br />
Einrichtungen;<br />
- Bsp.: Eintrittsgeld für eine kommunale Badeanstalt.<br />
• Monopolgebühr: - Gegenleistung dafür, dass Private eine grundsätzlich dem Gemeinwesen<br />
vorbehaltene Tätigkeit ausüben dürfen oder aber dass ihnen<br />
Sondernutzungsrechte an einer öffentlichen Sache eingeräumt werden;<br />
- Es handelt sich um atypische Gebühren: Sie gleichen nicht in erster<br />
Linie staatliche Leistungen aus, sondern sind eher ein Entgelt dafür,<br />
dass der Staat Private zu ihrem Vorteil an der monopolisierten Tätigkeit<br />
teilhaben lässt.<br />
- Bsp.: Gebühr für den Radio− und Fernsehempfang.<br />
• Beitrag (Vorzuglast): - Entgelt für einen wirtschaftlichen Sondervorteil, der Privaten aus einer<br />
öffentlichen Einrichtung erwächst, egal ob er diesen Sondervorteil in<br />
Anspruch nimmt oder nicht;<br />
- Rechtlich ist der Beitrag sofort fällig.<br />
- Bsp.: Grundeigentümerbeiträge an Erschliessungsanlagen wie Strassen,<br />
Energieversorgungs− oder Abwasseranlagen.<br />
• Mehrwertabgabe: - Abschöpfung der Wertsteigerung, welche einem Grundeigentümer aus<br />
raumplanerischen Vorkehren (Ein− oder Umzonung) zuwächst<br />
(Art. 5 RPG).<br />
• Ersatzabgabe: - Entgelt für die Befreiung von einer öffentlichen Realleistungspflicht<br />
(z.B. Militär− oder Feuerwehrpflichtersatz)<br />
- Rechtsgleichheit: Diejenige Person, die die Realleistung nicht zu<br />
erbringen hat, soll dadurch nicht begünstigt werden.<br />
• Gemengsteuer: - Verbindung einer Steuer mit einer Kausalabgabe, indem die Abgabe<br />
als Gegenleistung für eine staatliche Leistung erscheint, aber bedeutend<br />
höher angesetzt wird, als es die Grundsätze für ihre Bemessung zulassen<br />
würden;<br />
- Bsp.: Handänderungsabgabe als Verwaltungsgebühr für den<br />
Grundbucheintrag, verbunden mit einer Prozentabgabe auf dem<br />
Erwerbspreis.<br />
d) Wer ist zuständig für die Erhebung der Abgaben?<br />
• Bei Steuern:<br />
- Direkte Steuern: Aus BV 3 ergibt sich die Parallelkompetenz des Bundes und der Kantone;<br />
- Indirekte Steuern: Nur der Bund ist dafür zuständig.<br />
• Bei Kausalabgaben: Die Kompetenz für die Abgabeerhebung ergibt sich aus der Sachkompetenz.<br />
4.5.2. Bemessungsgrundsätze<br />
Die Bemessungsgrundsätze richten sich an den Gesetzgeber.
<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 46 / 58<br />
a) Bemessungsgrundsätze der Steuer<br />
⋄<br />
⋄<br />
BV 4: Rechtsgleichheit Lastengleichheit<br />
a) Allgemeinheit der Besteuerung: Verbot von Steuerprivilegien;<br />
b) Gleichmässigkeit der Besteuerung: Vergleichshandlungen der Lebensbedingungen:<br />
gleiche Lebensbedingungen, gleiche Steuern;<br />
c) Verhältnismässigkeit der Besteuerung: Besteuerung nach der "wirtschaftlichen<br />
Leistungsfähigkeit".<br />
Justiziabilität: a) ist total justiziabel;<br />
dagegen sind b) und c) nur bedingt justiziabel, Überprüfung höchstens der<br />
Gleichmässigkeit; Steuergerechtigkeit ist ein politischer Begriff!<br />
BGE 110 Ia 7, 14.<br />
BV 22 ter : Eigentumsgarantie<br />
Verbot der konfiskatorischen Besteuerung:<br />
b) Bemessungsgrundsätze der Kausalabgaben<br />
Aus BV 4:<br />
a) Rechtsgleichheitsgebot;<br />
b) Kostendeckungsprinzip;<br />
c) Äquivalenzprinzip.<br />
Die Möglichkeit, Vermögen zu bilden und zu<br />
erhalten, muss gewährt sein.<br />
Grenzen der Reichtumssteuer: BGE 99 Ia 638.<br />
a) Rechtsgleichheitsgebot<br />
Der Gesetzgeber hat einen grossen Spielraum: Eine Differenzierung nach Wohnsitz, Zeit, etc. ist<br />
zulässig, wenn sachliche Gründe und keine Widersprüche vorliegen.<br />
b) Kostendeckungsprinzip Rechtsetzungsdirektive;<br />
Ersatz, Surrogat einer ungenügenden Grundlage<br />
• Gesamtertrag soll die Gesamtkosten nicht übersteigen (BGE 120 Ia 174)<br />
Verbot der Gewinnerzielung<br />
• Rechtsgrundlage: - Zweck der Kausalabgabe;<br />
- Verhältnismässigkeit.<br />
• Geltungsvoraussetzungen: - Die Kosten sind berechenbar;<br />
- Kostenabhängigkeit: Kosten müssen dem Verursacher<br />
zugerechnet werden;<br />
- Kein gewollter Steueranteil.<br />
c) Äquivalenzprinzip:<br />
• Das Äquivalenzprinzip gilt in der Regel für alle Kausalabgaben;<br />
• Im Einzelfall darf die Höhe einer Gebühr nicht in einem offensichtlichen Missverhältnis zum<br />
objektiven Wert der Leistung oder des Vorteils stehen;<br />
• Der Wert der Leistung bemisst sich...<br />
- nach dem Nutzen, den sie den Pflichtigen bringt,<br />
- nach dem Kosten für das Gemeinwesen;<br />
• Rechtsgrundlage: Verhältnismässigkeit;<br />
• Das Äquivalenzprinzip ist besser justiziabel als das Kostendeckungsprinzip;<br />
• Das Äquivalenzprinzip ist aber problematisch für die Ersatzabgabe, denn die Leistung, mangels<br />
Marktwertes, lässt sich nicht einfach bemessen:<br />
- Eventuell nach Nutzen: Was hätte der Bürger inzwischen verdienen können?<br />
- Lineare Bemessung (%, ‰)
<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 47 / 58<br />
Kostendeckungsprinzip Äquivalenzprinzip<br />
Verwaltungsgebühren <br />
Benützungsgebühren<br />
()<br />
Die Kosten sind nicht einschätzbar. <br />
Monopolgebühren<br />
−<br />
Keine Kosten<br />
<br />
Beiträge<br />
<br />
Welcher anrechenbare Anteil? <br />
Ersatzabgaben<br />
−<br />
Der Dispens an sich ist gratis, die<br />
Kosten sind nicht bemessenbar.<br />
()<br />
BGE 118 Ib 349<br />
4.5.3. Gesetzmässigkeit öffentlicher Abgaben<br />
⋄<br />
Normstufe<br />
Normdichte<br />
⋄ Grundsatz: In einem formellen Gesetz stehen: • Subjekt = Kreis der Abgabepflichtigen;<br />
• Objekt = abgabebegründender Tatbestand;<br />
• Höhe oder wenigstens Bemessungs−<br />
grundsätze;<br />
• Ausnahmen von der Abgabepflicht.<br />
⋄ Grundlage: BV 4, im Abgaberecht ein selbständiges verfassungsmässiges Recht.<br />
Ausnahmen:<br />
• Normstufe: Für Kanzlei− und Kontrollgebühren genügt eine Verordnung, denn es geht um<br />
wenig Geld.<br />
• Normdichte qua Bemessungsgrundsätze:<br />
- Wenn eine gesetzliche Festsetzung der Höhe fehlt, kann sie durch die verfassungsrechtlichen<br />
Bemessungsgrundsätze (Kostendeckungsprinzip, Äquivalenzprinzip) ersetzt werden;<br />
- Wenn die verfassungsrechtlichen Bemessungsgrundsätze versagen, muss eine hinreichende<br />
gesetzliche Grundlage bestehen.
<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 48 / 58<br />
5. Das öffentliche Entschädigungsrecht<br />
5.0.1. Überblick: Die Anspruchsgrundlagen der öffentlichen Haftung<br />
⋄ Es gibt unterschiedliche Anspruchsgrundlagen mit unterschiedlichen Voraussetzungen und<br />
unterschiedlichen Verfahren.<br />
⋄<br />
⋄<br />
⋄<br />
Die Entwicklung dieses "Systems" war anarchisch und erfolgte vor allem durch Richterrecht.<br />
Kriterien:<br />
• Handlung: - Haftung für rechtmässige Handlungen;<br />
- Haftung für rechtswidrige Handlungen.<br />
• Rechtsgrundlage: - Eigentumsgarantie;<br />
- etc.<br />
Übersicht:<br />
Haftung f r?<br />
rechtswidriges Handeln<br />
rechtm ssiges Handeln<br />
Staatshaftung<br />
- VerantwortlichkeitsG<br />
Enteignung Vertrauensschutz<br />
- BV 22 ter - BV 4<br />
- Rechtsprechung<br />
(Weitere?)<br />
- BV 4: "Sonderopfer"<br />
- Sondernormen<br />
Formelle E.<br />
- EntG<br />
Materielle E.<br />
- RPG<br />
- Rechtsprechung<br />
⋄<br />
Gemeinsame Voraussetzungen:<br />
• Gesetzliche Grundlage Legalitätsprinzip: Kein Schadenersatz ohne gesetzliche Grundlage<br />
• Schaden (Personen− oder Sachschaden), dessen Umschreibung und Bemessung dem OR analog<br />
durchgeführt wird;<br />
Materielle Enteignung, Enteignung von Nachbarrechten und Sonderopfer setzen einen<br />
qualifizierten Schaden voraus.<br />
• Adäquater Kausalzusammenhang OR analog<br />
5.1. Enteignung<br />
Begriff: Staatlicher Eingriff in das Eigentum.<br />
5.1.1. Die Eigentumsgarantie<br />
⋄ Gesetzliche Grundlage: Art. 22 ter BV 1874, Art. 26 BV 1999.<br />
⋄ Begriff: Die Eigentumsgarantie stützt das Eigentum als Rechtsinstitut. Das Eigentum ist nicht<br />
vorgegeben, ist kein vorfindliches Faktum, sondern eine Einrichtung des Rechts; es ist<br />
durch das Gesetz näher umzuschreiben.<br />
BV 22 ter garantiert keine bestimmte Eigentumsordnung; das ist Sache der<br />
Gesetzgebung.
<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 49 / 58<br />
⋄ Funktionen: • justiziable Funktion:<br />
- institutionelle Funktion Institutsgarantie<br />
- Abwehrfunktion Bestandesgarantie<br />
- Entschädigungsfunktion Wertgarantie<br />
• programmatische Funktion:<br />
- breite Streuung;<br />
- Förderung des Eigentumserwerbes (WEGes)<br />
• grundrechtliche Funktion.<br />
⋄ Geltungsbereich: - persönlicher: sowohl für In− als Ausländer (Einschränkung: BewG)<br />
- sachlicher: geht über den Begriff des ZGB, schützt auch beschränkte<br />
dingliche Rechte, Besitzesrechte, obligatorische Rechte,<br />
Immaterialgüterrechte, die sog. wohlerworbenen Rechte;<br />
nicht geschützt sind faktische Interessen.<br />
⋄ Einschränkungen: a) Teilgehalte der Eigentumsgarantie<br />
b) Inhaltsbestimmungen ⇔ Beschränkungen<br />
c) Beschränkungen in einzelnen<br />
a) Teilgehalte der Eigentumsgarantie:<br />
• Institutsgarantie (BV 22 ter Abs. 1):<br />
- gewährleistet das Eigentum als Einrichtung des Rechtes;<br />
- Institutsgarantie = Kerngehaltsgarantie;<br />
- Adressat der Eigentumsgarantie ist prinzipiell der Gesetzgeber, aber die Eigentumsgarantie ist<br />
auch justiziabel (z.B. keine konfiskatorische Besteuerung);<br />
- Gewährleistung eines Grundbestandes an Verfügungs− und Nutzungsrechten.<br />
• Bestandesgarantie (BV 22 ter Abs. 2):<br />
Sie wird negativ umgeschrieben und ist als vorausgesetzt gedacht.<br />
• Wertgarantie (BV 22 ter Abs. 3):<br />
Eingriffe in die Wertgarantie sind nicht möglich, denn die Wertgarantie ist Folge eines Eingriffes in<br />
die Bestandesgarantie.<br />
b) Abgrenzung zwischen Inhaltsbestimmungen und Beschränkungen<br />
Die Entschädigungspflicht besteht nur bei Normen, die den Eigentumsinhalt beschränken, nicht bei<br />
solchen, die ihn bestimmen.<br />
Die Raumplanung (BV 22 quater ), die Forstpolizei (BV 24), der Gewässerschutz (BV 24 bis ), der Natur−<br />
und Heimatschutz (BV 24 sexies ), der Umweltschutz (BV 24 septies ) beschränken nicht den<br />
Eigentumsinhalt, sondern bestimmen ihn! (BGE 105 Ia 330)
<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 50 / 58<br />
c) Beschränkungen in einzelnen<br />
ffentlichrechtliche Eingriffe ins Eigentum<br />
Formelle Enteignung<br />
ffentlichrechtliche Eigentumsbeschr nkungen<br />
Materielle Enteignung<br />
bliche<br />
₩ voll entsch digungspflichtig<br />
(BV 22ter Abs. 3)<br />
₩ entsch digungslos<br />
(BV 22ter Abs. 3<br />
e contrario)<br />
• Formelle Enteignung: Entzug von Rechten;<br />
• Eigentumsbeschränkungen: Eingriffe in Verfügungs− und Nutzungsmöglichkeiten;<br />
• Voraussetzungen für öffentlich−rechtliche Eingriffe ins Eigentum:<br />
- gesetzliche Grundlage;<br />
- öffentliches Interesse (der Rekurs auf rein fiskalisches Interesse ist ausgeschlossen);<br />
- Verhältnismässigkeit.<br />
5.1.2. Formelle Enteignung<br />
a) Allgemeines<br />
⋄ Begriff: Eigentumsrechte werden durch Hoheitsakt entzogen und an den Enteigner übertragen.<br />
Rechtsfolge: Entschädigungspflicht.<br />
⋄ Funktion: Beschaffung von Gütern ≈ "Zwangsverkauf"<br />
⋄ Wer kann enteignen? Das Gemeinwesen (Art. 2 EntG) ... - für sich selbst;<br />
- an Dritte übertragen<br />
⋄ Voraussetzungen: • Gesetzliche Grundlage: - in Spezialgesetzen;<br />
- subsidiär: Art. 1 Abs. 1 EntG<br />
• Öffentliches Interesse<br />
• Verhältnismässigkeit: - verbietet vorsorgliche Enteignung;<br />
- verbietet eine quantitativ oder qualitativ<br />
(z.B. Enteignung statt b.d.R.) übermässige<br />
Enteignung.<br />
⋄ Gegenstand (Art. 5 EntG): • Eigentum und beschränkte dingliche Rechte;<br />
• Nachbarrechte (Unterlassungsansprüche nach Art. 679 ZGB fallen<br />
aus)<br />
setzt einen qualifizierten Schaden voraus.<br />
• obligatorische Rechte von Mietern;<br />
• wohlerworbene Rechte.<br />
⋄ Umfang (Art. 4 EntG): • Es kann nur entzogen werden, was nötig ist für das Werk und die<br />
künftigen Erweiterungen (Grundsatz der Verhältnismässigkeit);<br />
• Ausdehnung der Enteignung auf Begehren des Enteigneten (wenn<br />
ein Teil seines Grundstückes in Anspruch genommen und der Rest<br />
dadurch schlecht verwendbar wird) ist möglich (Art. 12 1 , 12 2 , 6 2<br />
EntG).
<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 51 / 58<br />
⋄ Entschädigung: • Grundsatz: Geldersatz vor Realersatz, Geld vor Sachen;<br />
• Bemessung: - Wert des enteigneten Rechtes:<br />
- bei vollständiger Enteignung Verkehrswert<br />
(Vergleichsmethode);<br />
- bei Teilenteignung Differenz (Differenzmethode);<br />
- Inkonvenienzen (= Ersatz für weitere vermögensrechtliche<br />
Nachteile).<br />
b) Verfahren der formellen Enteignung<br />
1. Erteilung des Enteignungsrechtes an den Enteigner (Art. 3 EntG)<br />
2. Planauflage (Bestimmung des Umfanges ist Gelegenheit zur Einsprache)<br />
3. Einigungsverhandlung (Schätzungskommission)<br />
4. Entscheid<br />
Einsprache gegen die<br />
Enteignung als solche:<br />
Departement<br />
Einsprache gegen die<br />
H he der Entsch digung:<br />
Sch tzungskommission<br />
Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht<br />
5.1.3. Materielle Enteignung<br />
a) Allgemeines<br />
• Öffentlich− rechtliche Eigentumsbeschränkung<br />
• wirkt für den Eigentümer gleich wie eine formelle Enteignung<br />
• entschädigungspflichtig (BV 22 ter Abs. 3)<br />
b) Abgrenzung zur formellen Enteignung<br />
formelle Enteignung materielle Enteignung<br />
Gegenstand Entzug von Rechten Beschränkung von Rechten<br />
Zweck Güterbeschaffung Folge eines auf andere Ziele gerichteten<br />
Eingriffs<br />
Subjektswechsel ja nein (keine Übertragung von Rechten)<br />
Funktion der Entschädigung Voraussetzung der Enteignung Folge der Enteignung<br />
c) Begriff<br />
1. Besonders schwerer Eingriff − Sonderopfer<br />
Materielle Enteignung liegt vor...<br />
• ...wenn einem Eigentümer der Gebrauch seiner Sache untersagt oder besonders stark<br />
eingeschränkt wird, weil ihm eine wesentliche, aus dem Eigentumsinhalt fliessende Befugnis<br />
entzogen wird (= Grundtatbestand).<br />
Beispiele aus der Praxis:<br />
als schwerer Eingriff gilt: die Auszonung (Überführung Bauzone Nichtbauzone)<br />
als leichter Eingriff gilt: - eine Abzonung: 5 Geschosse 3 Geschosse;<br />
- Herabsetzung der Bauzone zu einem Drittel;<br />
- befristetes Bauverbot bis 10 Jahre.
<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 52 / 58<br />
• ...wenn der Eingriff weniger weit geht, jedoch ein einziger oder einzelne Grundeigentümer so<br />
betroffen werden, dass ihr Opfer gegenüber der Allgemeinheit unzumutbar erschiene und es mit<br />
der Rechtsgleichheit nicht vereinbar wäre, wenn hierfür keine Entschädigung geleistet würde<br />
(= Auffangtatbestand).<br />
2. Bisheriger Gebrauch − künftiger Gebrauch<br />
Sowohl beim besonders schweren Eingriff als auch beim Sonderopfer kommt materielle Enteignung in<br />
Betracht...<br />
• ...wenn ein bisheriger Gebrauch der Sache eingeschränkt wird.<br />
• ...wenn ein künftiger Gebrauch eingeschränkt wird, dies jedoch nur dann, wenn im massgebenden<br />
Zeitpunkt anzunehmen war, die Möglichkeit einer zukünftigen besseren Nutzung der Sache lasse<br />
sich mit hoher Wahrscheinlichkeit in naher Zukunft verwirklichen (i.d.R. Baulandqualität).<br />
d) Prüfprogramm<br />
Prüfprogramm bei Eigentumsbeschränkungen, die die Möglichkeit zu bauen eingrenzen oder<br />
unterbinden:<br />
1. Baulandqualität?<br />
Liegt Bauland im enteignungsrechtlichen Sinn vor? Das heisst: War das Bauen im massgeblichen<br />
Zeitpunkt (= Inkrafttreten der Eigentumsbeschränkung)?<br />
• rein rechtlich zulässig: - ohne Ausnahmebewilligung,<br />
- ohne weitere Rechtsänderung,<br />
- ohne Planänderung;<br />
• und tatsächlich möglich: - Erschliessungsverhältnisse,<br />
- Stand der Planung,<br />
- Grundstückverhältnisse / Bauentwicklung;<br />
• und nach den Umständen mit hoher Wahrscheinlichkeit in naher Zukunft zu erwarten<br />
(= Prognose)?<br />
2. Besonders schwerer Eingriff oder Sonderopfer?<br />
Bewirkt die Planungsmassnahme...<br />
- ...einen besonders schweren Eingriff?<br />
- ...zwar keinen besonders schweren, wegen seiner Singularität aber unzumutbaren Eingriff?<br />
Pro memoria: - Leichte Eigentumsbeschränkungen bewirken keine materielle Enteignung und sind<br />
nicht entschädigungspflichtig.<br />
- Wesentliches Abgrenzungskriterium ist die Frage, ob eine bestimmungsgemässe,<br />
wirtschaftlich sinnvolle Nutzung des Grundstücks weiterhin möglich ist.<br />
e) Polizeilich (nicht planerisch) motivierte Enteignung<br />
Fälle:<br />
1) Auszonung zum Schutze von Polizeigütern<br />
Bsp.: Bauverbot wegen Lawinengefahr<br />
entschädigungslos hinzunehmen, denn die Massnahme schützt das betroffene Eigentum selbst.<br />
2) Beschränkung zum Schutz des Grundwassers und damit der Allgemeinheit<br />
entschädigungspflichtig<br />
f) Entschädigung<br />
• Die Höhe der Entschädigung bemisst sich nach den Regeln über die Teilenteignung, also nach der<br />
Differenz zwischen dem Verkehrswert vor und demjenigen nach Inkrafttreten der<br />
Eigentumsbeschränkung.
<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 53 / 58<br />
• Die Projektierungskosten (Inkonvenienzen)...:<br />
- ... werden nur dann erstattet, wenn unabhängig davon eine materielle Enteignung vorliegt;<br />
- trifft dies nicht zu, so kann ausnahmsweise Ersatz für unnütz gewordene Projektierungskosten<br />
gestützt auf BV 4 verlangt werden, wenn die Einreichung des (den geltenden Bauvorschriften)<br />
entsprechenden Projekts gerade eine Planänderung oder eine andere Eigentumsbeschränkung<br />
veranlasst hat und wenn mit diesem Eingriff vorher nicht zu rechnen war (Vertrauensschutz).<br />
• Verfahrensdualismus:<br />
Plansetzungsverfahren<br />
Entsch digung wegen materieller Enteignung<br />
Staatsrechtliche Beschwerde<br />
an das Bundesgericht<br />
(Art. 34 Abs. 3 RPG)<br />
Verwaltungsgerichtsbeschwerde<br />
an das Bundesgericht<br />
(Art. 34 Abs. 1 RPG)<br />
Diese zwei Verfahren sind zu unterscheiden: Die Entschädigungsfrage kann nicht im<br />
Plansetzungsverfahren behandelt werden!<br />
• Schuldner der Entschädigung ist das Gemeinwesen, auch wenn der Planungsauftrag vom Bund<br />
kommt!<br />
5.1.4. Entzug wohlerworbener Rechte<br />
• Gegenstände: Rechte aus Konzessionen, aus Verträgen;<br />
• Die wohlerworbenen Rechte geniessen Schutz der Eigentumsgarantie (BV 22 ter );<br />
• Sie können nur in Verfahren der formellen Enteignung entzogen werden und mit der Folge voller<br />
Entschädigung.
<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 54 / 58<br />
5.2. Staats− und Beamtenhaftung<br />
5.2.1. Das System der Staats− und Beamtenhaftung<br />
Nota bene:<br />
Es geht hier um die vermögensrechtliche Verantwortlichkeit (neben der politischen,<br />
disziplinarischen)<br />
Unterscheidungskriterien:<br />
a) Haftungssubjekt<br />
1) Staatshaftung:<br />
Staat<br />
Beamter<br />
2) Beamtenhaftung:<br />
a) externe Beamtenhaftung: Staat<br />
Schadenersatzanspruch<br />
Schadenszuf gung<br />
Schadenersatzanspruch<br />
Dritter<br />
Dritter<br />
b) interne Beamtenhaftung:<br />
aa) unmittelbare:<br />
bb) mittelbare:<br />
Beamter<br />
Staat<br />
Staat<br />
Schadenszuf gung<br />
Schadenersatzanspruch<br />
Beamter<br />
Schadenszuf gung<br />
Schadenersatzanspruch<br />
Regress<br />
Dritter<br />
Beamter<br />
Schadenszuf gung<br />
b) Haftungsform<br />
• Ausschliessliche Beamtenhaftung heute ohne Bedeutung;<br />
• Primäre Beamtenhaftung mit subsidiärer Staatshaftung;<br />
• Solidarische Haftung von Staat und Beamten;<br />
• Ausschliessliche Staatshaftung heute vorherrschend (eventuell mit Regress).<br />
c) Haftungsgrund<br />
- nach Verschulden: • Kausalhaftung<br />
Staatshaftung<br />
• Verschuldenshaftung Beamtenhaftung<br />
- nach Rechtmässigkeit: • Haftung für rechtswidrig zugefügten Schaden<br />
• Haftung für rechtmässig zugefügten Schaden (Bsp.: Enteignung)<br />
5.2.2. Die Staats− und Beamtenhaftung im Bund<br />
a) Rechtsquelle<br />
Bundesgesetz über die Verantwortlichkeit des Bundes sowie seiner Behördenmitglieder und Beamten<br />
vom 14. März 1958 (Verantwortlichkeitsgesetz, VG; SR 170.32)
<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 55 / 58<br />
b) Grundsatz der ausschliesslichen und kausalen Staatshaftung<br />
Der Bund haftet für den Schaden, den ein Beamter in Ausübung seiner amtlichen Tätigkeit Dritten<br />
widerrechtlich zufügt, ohne Rücksicht auf das Verschulden des Beamten (VG 3 1 ). Gegenüber dem<br />
fehlbaren Beamten steht dem Geschädigten hingegen kein Anspruch zu (VG 3 3 ). Der Bund kann aber auf<br />
den Beamten Rückgriff nehmen, sofern dieser vorsätzlich oder grobfahrlässig seine Dienstpflicht<br />
verletzt hat (VG 7).<br />
c) Prüfprogramm der Staatshaftung nach VG<br />
Tritt der Staat als Subjekt des Privatrechts auf?<br />
Nein<br />
Ja<br />
Pr fung der Haftpflicht<br />
nach Privatrecht<br />
Existiert eine spezialgesetzliche Haftungsnorm?<br />
Nein<br />
Ja<br />
Pr fung der Haftpflicht<br />
nach Spezialnorm oder<br />
Haftung nach kant. Recht<br />
Schaden:<br />
Ist Schaden und / oder immaterille Unbill entstanden?<br />
Nein<br />
Ja<br />
Ad quate Kausalit t:<br />
War die Schadensursache nach dem gew hnlichen Lauf der Dinge und<br />
der allg. Erfahrung geeignet, den eingetretenen Erfolg zu bewirken?<br />
Nein<br />
Keine Haftung<br />
Ja<br />
Beamte / Beamtin i.S. des VG:<br />
Ist die Schadensursache einer Person, die unmittelbar mit<br />
ffentlichrechtlichen Aufgaben des Bundes betraut ist, zuzurechnen?<br />
Nein<br />
Pr fung der Haftpflicht<br />
nach Privatrecht<br />
Ja<br />
Sonderfall: Angeh rige von Organisationen<br />
der dezentralisierten Verwaltung<br />
Eventuell Ausfallhaftung<br />
des Staates<br />
Zusammenhang mit amtlicher T tigkeit:<br />
Wurde die Sch digung bei Aus bung amtlicher T tigkeiten verursacht?<br />
Nein<br />
Pr fung der Haftpflicht<br />
nach Privatrecht<br />
Ja<br />
Widerrechtlichkeit:<br />
Wurde ein absolutes Recht verletzt oder eine Verm genssch digung<br />
durch Verstoss gegen eine einschl gige Schutznorm bewirkt?<br />
Ja<br />
Nein<br />
Keine Haftung<br />
Liegen Rechtfertigungsgr nde vor?<br />
Ja<br />
Nein<br />
Haftung des Staates nach Verantwortlichkeitsgesetz
<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 56 / 58<br />
d) Voraussetzungen der Haftung des Bundes<br />
- neg.: • Kein gewerbliches Handeln (VG 11 1 );<br />
• Keine spezialgesetzlichen Haftungsnormen (VG 3 2 );<br />
Bsp.: MilitG 135− 143, OR 58, ZGB 679, OR 56− 57<br />
- pos. (VG 3 1 ): • Schaden (zivilrechtlicher Schadensbegriff)<br />
• Adäquater Kausalzusammenhang<br />
• Beamter im Sinne des VG:<br />
- Personenliste in VG 1, insb. Lit. e+f;<br />
- Lit. f ⇒ "unmittelbar";<br />
- Vollzug vom Bundesrecht durch Kantone fällt nicht darunter.<br />
• Funktioneller Zusammenhang (Zusammenhang mit amtlicher Tätigkeit)<br />
• Widerrechtlichkeit<br />
1) Schädigung durch eine Person, die öffentliche Aufgaben erfüllt<br />
• Person, die unmittelbar mit öffentlichrechtlichen Aufgaben des Bundes betraut ist<br />
(Bundesbeamten, Magistratspersonen, Angestellten);<br />
• Bei ausserhalb der Bundesverwaltung stehenden − privat− oder öffentlichrechtlichen −<br />
Organisationen, die mit der Erfüllung von Bundesaufgaben betraut sind, haftet primär diese<br />
Organisation; die Haftung des Bundes ist in diesem Fall subsidiär (VG 19).<br />
2) Schädigung in Ausübung amtlicher Tätigkeit<br />
• Die den Schaden verursachende Handlung hat einen Bezug zum Aufgabenbereich des Beamten;<br />
dieser Bezug ergibt sich regelmässig aus dem Pflichtenheft.<br />
• Die Verantwortlichkeit des Bundes ist ausgeschlossen, sofern der Beamte als Privatperson oder<br />
lediglich bei Gelegenheit der Ausübung amtlicher Tätigkeit Dritte schädigt.<br />
3) Widerrechtlichkeit<br />
Objektive Widerrechtlichkeitslehre im Sinne von OR 41 (BGE 116 Ib 373)<br />
⋄<br />
⋄<br />
⋄<br />
Verhaltensunrecht:<br />
• Bei Handeln: Verletzung einer "einschlägigen" Schutznorm, die dem Schutz des verletzten<br />
Rechtsgutes dient (vor allem bei Vermögensschäden)<br />
• Bei Unterlassen: Verstoss gegen Pflichten, die sich aus Garantenstellung ergeben (Gesetz verlangt<br />
Handeln oder ahndet Unterlassung ausdrücklich).<br />
Täterbezogenes Kriterium<br />
Erfolgsunrecht:<br />
• Regel: Verletzung eines absolut geschützten Rechtsgutes: Leib und Leben, Persönlichkeit,<br />
(Eigentum), nicht aber Vermögen (Vorbehalt der Grundsätze über die materielle Enteignung).<br />
• Ausnahme: Medizinische Behandlung: Sorgfaltswidrigkeit.<br />
Opferbezogenes Kriterium<br />
Widerrechtlichkeit durch Rechtsakte (Verfügungen, Entscheide oder Urteile), die sich nachträglich<br />
als rechtswidrig erweisen:<br />
• Erforderlich ist ein qualifizierter Fehler:<br />
- die Entscheidung des Richters oder Beamten erweist sich später, z.B. in einem<br />
Rechtsmittelverfahren, als unrichtig, gesetzwidrig oder sogar willkürlich; und<br />
- der Richter oder der Beamte hat eine für die Ausübung seiner Funktion wesentliche Amtspflicht<br />
verletzt. Für Prof. Zimmerli (Skript Einf. ins VwR, 1995, S. 220) kann Willkür, als qualifizierte Unrichtigkeit, nie als pflichtgemässes Verhalten gelten.<br />
• Im Verantwortlichkeitsprozess ist die Überprüfung formell rechtskräftiger Verfügungen,<br />
Entscheide und Urteile ausgeschlossen; eine Verfügung, die nicht angefochten worden ist, gilt für
<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 57 / 58<br />
⋄<br />
⋄<br />
den Staatshaftungsrichter von Gesetzes wegen als rechtmässig (Subsidiarität der Staatshaftung<br />
gegenüber dem <strong>Verwaltungsrecht</strong>sschutz, VG 12).<br />
Rechtfertigungsgründe:<br />
• Gesetz / Amtspflicht: Schädigung ist Zweck der Handlung (z.B. Verhaftung / Strafe) oder sie ist<br />
zwangsläufig mit der Durchführung der gesetzlichen Aufgabe verbunden (z.B. Wasserschaden beim<br />
Feuerwehreinsatz). Nicht gerechtfertigt ist die Schädigung als unbeabsichtigte, vom Gesetz nicht<br />
gewollte und zur Erreichung des Ziels nicht notwendige Nebenfolge.<br />
• Einwilligung des Geschädigten.<br />
Haftung für rechtmässig zugefügten Schaden: nach Doktrin (≠ positives Recht):<br />
• <strong>Bern</strong>er Personalgesetz Art. 47 Abs. 2<br />
"allg. Sonderopferentschädigung": - Spezialität;<br />
- Schwere;<br />
- Unzumutbarkeit.<br />
• Auf Bundesebene: BV 4<br />
4) Vorbehalt der Spezialgesetzgebung (VG 3 2 )<br />
• Abweichen der Spezialerlasse, die etwa eine restriktive Umschreibung der Haftung des Bundes<br />
(Haftung nur für bestimmte Schäden) oder das Verfahren und die Schadensbemessung betreffen.<br />
• Bsp.: OR 56, OR 58, SVG 73, SSG 27 3<br />
5) Schädigende Einwirkung öffentlicher Werke auf die Nachbarschaft<br />
Haftung des Bundes nach Enteignungsrecht, wenn:<br />
- der Schaden wird im Zusammenhang mit der Erfüllung öffentlicher Aufgaben zugefügt; und<br />
- die schädigende Handlung entspricht dem Zweck des betreffenden öffentlichen Werkes; und<br />
- die schädigende Handlung ist als solche unvermeidbar.<br />
Verantwortlichkeit des Bundes nach privatrechtlichen Regeln (ZGB 679, OR 58), wenn diese<br />
Voraussetzungen nicht gegeben sind.<br />
6) Der Bund als Subjekt des Privatrechts<br />
• Soweit der Bund als Subjekt des Privatrechts auftritt, haftet er nach dessen Bestimmungen (Art. 11<br />
VG; analog zu Art. 61 2 OR, gewerbliche Verrichtungen); der Geschädigte kann sich aber auch in<br />
diesem Fall einzig an den Bund halten (Art. 11 Abs. 2 VG);<br />
• Bsp.: Geschäftsherrenhaftung (OR 55/101), Organhaftung (ZGB 55);<br />
e) Verfahren<br />
• Forderung beim Eidg. Finanzdepartement (Ausnahmen vgl. VG 10 2 )<br />
• Verfügung<br />
• Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht<br />
normales Verwaltungsverfahren (≠ Klageverfahren)<br />
f) Regress und interne Haftung<br />
Hat der Bund dem Privaten Ersatz geleistet, kann er gegen den Beamten, der den Schaden verursacht hat,<br />
Regress nehmen, sofern diesem schweres Verschulden (Vorsatz oder Grobfahrlässigkeit) nachgewiesen<br />
werden kann (VG 7).
<strong>Verwaltungsrecht</strong> <strong>AT</strong> Didier Meyer © 1998 58 / 58<br />
5.2.3. Haftung der Kantone<br />
• OR 61 1 behält für die Schadenersatzpflicht der Beamten des Gemeinwesens (ausdrücklich) sowie für<br />
die Haftung der Kantone oder der Gemeinden selber (stillschweigend) das öffentliche Recht vor.<br />
• Hat der Kanton die Haftung nicht selber geregelt, findet das OR als kantonales Ersatzrecht<br />
Anwendung.<br />
• Da heute alle Kantone ihre eigene Haftpflicht und diejenigen für ihre Beamten in<br />
Verantwortlichkeitsgesetzen geregelt haben, kommt OR 61 1 keine grosse Bedeutung mehr zu.