Ein Quantum Kompetenz: Interkulturalität zwischen Ost und West ...
Ein Quantum Kompetenz: Interkulturalität zwischen Ost und West ...
Ein Quantum Kompetenz: Interkulturalität zwischen Ost und West ...
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Inhalt<br />
Vorwort<br />
Christoph Barmeyer/ Jörg Scheffer<br />
Im Auftrag der Kulturvermittlung?<br />
Interkulturelle <strong>Kompetenz</strong><br />
<strong>und</strong> Fremdheitsdarstellungen<br />
in den James-Bond-Filmen<br />
B. Alexander Dauner<br />
Die organisierende Funktion<br />
von <strong>Kompetenz</strong> –<br />
Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells<br />
interkultureller <strong>Kompetenz</strong><br />
Hanna Pułaczewska<br />
Intercultural Competence for<br />
Unequal Business Encounters<br />
Jasmin Mahadevan /<br />
Stefan Weißert / Franziska Müller<br />
From Given Cross-Cultural<br />
Difference to a New Interculture:<br />
A Sino-German Example<br />
Elias Jammal<br />
Eros-Face<br />
Anja Scherpinski – Lee<br />
Die Bedeutung von Emotionen in der<br />
koreanischen Interaktion<br />
online-Zeitschrift für Interkulturelle Studien<br />
I Jahrgang 10 I Ausgabe 14 I www.interculture-journal.com<br />
[Preface]<br />
[Bridging Cultural Gaps?<br />
Intercultural Competence and Portrayals of<br />
Otherness in James-Bond Films]<br />
[The Organizing Function of Competence –<br />
Layout of a Two-Level-Model of<br />
Intercultural Competence]<br />
[Interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> für<br />
Asymmetrische Geschäftsbeziehungen]<br />
[Von bestehenden Kulturunterschieden<br />
zu einer neuen Interkultur:<br />
<strong>Ein</strong> Chinesisch-Deutsches Fallbeispiel]<br />
[Eros-Face]<br />
[Importance of Emotions in Interpersonal<br />
Relationships and Social Networks in Korea]<br />
Herausgeber:<br />
Jürgen Bolten<br />
Stefanie Rathje<br />
unterstützt von: / supported by:<br />
<strong>Quantum</strong> of competence<br />
Interculturalism<br />
between East and <strong>West</strong><br />
2011
Herausgeber:<br />
Prof. Dr. Jürgen Bolten (Jena)<br />
Prof. Dr. Stefanie Rathje (Berlin)<br />
Wissenschaftlicher Beirat:<br />
Prof. Dr. Dr. h.c. Rüdiger Ahrens (Würzburg)<br />
Prof. Dr. Manfred Bayer (Danzig)<br />
Prof. Dr. Klaus P. Hansen (Passau)<br />
Prof. Dr. Jürgen Henze (Berlin)<br />
Prof. Dr. Bernd Müller-Jacquier (Bayreuth)<br />
Prof. Dr. Alois Moosmüller (München)<br />
Prof. Dr. Alexander Thomas (Regensburg)<br />
Chefredaktion <strong>und</strong> Web-Realisierung:<br />
Mario Schulz<br />
Editing:<br />
Susanne Wiegner<br />
Fachgebiet:<br />
Interkulturelle Wirtschaftskommunikation<br />
Friedrich-Schiller-Universität Jena<br />
ISSN: 1610-7217<br />
www.interculture-journal.com
1<br />
3<br />
25<br />
47<br />
55<br />
77<br />
87<br />
Inhalt / Content<br />
Vorwort der Herausgeber [Preface]<br />
Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle <strong>Kompetenz</strong><br />
<strong>und</strong> Fremdheitsdarstellungen in den James-Bond-Filmen<br />
[Bridging Cultural Gaps? Intercultural Competence and Portrayals of<br />
Otherness in James-Bond Films]<br />
Christoph Barmeyer/ Jörg Scheffer<br />
Die organisierende Funktion von <strong>Kompetenz</strong> – Entwurf eines<br />
zwei-Ebenen-Modells interkultureller <strong>Kompetenz</strong><br />
[The Organizing Function of Competence – Layout of a<br />
Two-Level-Model of Intercultural Competence]<br />
B. Alexander Dauner<br />
Intercultural Competence for Unequal Business Encounters<br />
[Interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> für Asymmetrische Geschäftsbeziehungen]<br />
Hanna Pułaczewska<br />
From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture:<br />
A Sino-German Example<br />
[Von bestehenden Kulturunterschieden zu einer neuen Interkultur:<br />
<strong>Ein</strong> Chinesisch-Deutsches Fallbeispiel]<br />
Jasmin Mahadevan / Stefan Weißert / Franziska Müller<br />
Eros-Face<br />
[Eros-Face]<br />
Elias Jammal<br />
Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion<br />
[Importance of Emotions in Interpersonal Relationships and<br />
Social Networks in Korea]<br />
Anja Scherpinski – Lee
Vorwort der<br />
Herausgeber<br />
Vorwort der Herausgeber<br />
Die aktuelle Ausgabe von Interculture Journal „<strong>Ein</strong> <strong>Quantum</strong><br />
<strong>Kompetenz</strong>: <strong>Interkulturalität</strong> <strong>zwischen</strong> <strong>Ost</strong> <strong>und</strong> <strong>West</strong>“ stellt<br />
erneut das Thema interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> in den Mittelpunkt.<br />
Damit ergänzt sie die 12. Ausgabe von Interculture<br />
Journal, die aktuelle Beiträge zur interkulturellen <strong>Kompetenz</strong>forschung<br />
vorstellte.<br />
Die Wahl des Titels spielt auf den James-Bond-Film „<strong>Ein</strong><br />
<strong>Quantum</strong> Trost“ an. Inspiriert wurde die Titelwahl durch den<br />
Beitrag von Christoph Barmeyer <strong>und</strong> Jörg Scheffer, die sich in<br />
ihrem Artikel „Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle<br />
<strong>Kompetenz</strong> <strong>und</strong> Fremdheitsdarstellungen in den James<br />
Bond-Filmen“ auf die Suche nach der speziellen interkulturellen<br />
<strong>Kompetenz</strong> der berühmten Filmfigur begeben. Dabei beleuchten<br />
sie kritisch die Kulturkontakte des Agenten 007, deren<br />
filmische Darstellung <strong>und</strong> mögliche Implikationen für die<br />
interkulturelle Bildung.<br />
Alexander Dauner entwickelt in seinem Beitrag „Die organisierende<br />
Funktion von <strong>Kompetenz</strong>. Entwurf eines zwei-<br />
Ebenen-Modells interkultureller <strong>Kompetenz</strong>“ ein neue Perspektive<br />
auf das Konzept interkultureller <strong>Kompetenz</strong>, auf dessen<br />
Gr<strong>und</strong>lage interkulturelle Begegnungssituationen sowohl<br />
durch essentialistische als auch durch konstruktivistischprozessuale<br />
Kultur-Verständnisse der Handelnden bestimmt<br />
werden können.<br />
Hanna Pułaczewska untersucht in ihrem Beitrag „Intercultural<br />
Competence for Unequal Business Encounters“ die Problematik<br />
von interkultureller Schulungen, die im Kontext des<br />
Machtgefälles von Investor <strong>und</strong> Tochtergesellschaft durchgeführt<br />
werden.<br />
Der Beitrag von Jasmin Mahadevan, Stefan Weißert <strong>und</strong><br />
Franziska Müller „From given cross-cultural difference to a<br />
new Interculture: A Sino-German example“ beschreibt auf<br />
Basis einer deutsch-chinesischen Industrie-Kooperation die<br />
Entstehung von Interkultur in organisationalen Zusammenhängen.<br />
Die Autoren plädieren in ihrem Beitrag für ein neues<br />
Verständnis von <strong>Interkulturalität</strong>, das sich von der kulturvergleichenden<br />
Perspektive – <strong>und</strong> den durch Kulturdimensionen<br />
vorgegebenen Unterschieden – löst zugunsten einer<br />
Perspektive emischer Prozesse des kulturellen Sinnmachens.<br />
Elias Jammal widmet sich in dem Beitrag „Eros-Face“ dem in<br />
der Forschung bisher noch nicht untersuchten arabischen<br />
Eros-Face-Konzept. Forschungen zu Face-Konzepten wurde in<br />
den letzten Jahren vorwiegend für asiatische Länder betrieben.<br />
Mit dem Beitrag eröffnet der Autor daher ein neues Forschungsfeld<br />
für die interkulturelle Forschung.<br />
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Vorwort der Herausgeber<br />
Im abschließenden Beitrag „Über die Bedeutung von Emotionen<br />
in der koreanischen Interaktion“ beschreibt Anja Scherpinski-Lee<br />
zwei indigene koreanische Gefühlsmodi –<br />
Shimjung <strong>und</strong> Jung. Diese werden als Schlüsselkonzepte für<br />
das Verständnis koreanischer Interaktionsmechanismen vorgestellt<br />
<strong>und</strong> anhand zahlreicher Beispiele illustriert.<br />
Ergänzt wird diese Ausgabe durch drei Rezensionen.<br />
Alexandra Stang rezensiert das Buch von Barbara Sterner<br />
„Public Relations in multinationalen Unternehmen. <strong>Ein</strong>e<br />
explorative Fallstudie zur Koordination <strong>und</strong> Ausgestaltung<br />
von PR in einem multinationalen Finanzdienstleistungsunternehmen“<br />
<strong>und</strong> das Buch von Christine Zapf „Interkulturelle<br />
Wirtschaftskommunikation im kaufmännischen Schulwesen.<br />
<strong>Ein</strong>e Untersuchung im deutsch-französischen Grenzraum“.<br />
Kathrin Best widmet sich dem Sammelband von Katharina<br />
Knüttel <strong>und</strong> Martin Seeliger: „Intersektionalität <strong>und</strong> Kulturindustrie.<br />
Zum Verhältnis sozialer Kategorien <strong>und</strong> kultureller<br />
Repräsentationen“.<br />
Die Herausgeber bedanken sich an dieser Stelle bei allen Autorinnen<br />
<strong>und</strong> Autoren <strong>und</strong> freuen sich auf zahlreiche weitere<br />
Beiträge für zukünftige Ausgaben des Interculture Journal.<br />
Stefanie Rathje (Berlin) <strong>und</strong> Jürgen Bolten (Jena) im September<br />
2011<br />
© Interculture Journal 2011 | 14 2
Im Auftrag der Kulturvermittlung?Interkulturelle<br />
<strong>Kompetenz</strong> <strong>und</strong><br />
Fremdheitsdarstellungen<br />
in den James-Bond-<br />
Filmen<br />
[Bridging Cultural Gaps?<br />
Intercultural Competence<br />
and Portrayals of Otherness<br />
in James-Bond-Films]<br />
Christoph Barmeyer<br />
Prof. Dr., Lehrstuhl für Interkulturelle<br />
Kommunikation an der Universität<br />
Passau<br />
Jörg Scheffer<br />
Dr., Lehrstuhl für Anthropogeographie<br />
an der Universität Passau<br />
Barmeyer / Scheffer: Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> <strong>und</strong> Fremdheitsdarstellungen<br />
in den James-Bond-Filmen<br />
Abstract [English]<br />
Films communicate views on the world. The James Bond film<br />
series, which has been hugely successful and popular for decades,<br />
can be seen as a particularly influential medium of conveying<br />
world views. Based on the plots taking place in different<br />
regions of the earth, the audience is confronted not only<br />
with cultural foreignness, but also with the ability of the traveling<br />
agent to deal successfully with cultural differences.<br />
From an intercultural perspective, the question is nevertheless<br />
raised if intercultural competence is in fact communicated<br />
here. Based on this concept of intercultural competence, the<br />
article <strong>und</strong>ertakes a critical analysis of Bond´s cultural encounters,<br />
their cinematic portrayal as well as their implications for<br />
the intercultural education of his international audience.<br />
Keywords: intercultural competence, James Bond, cinematic<br />
portrayal, intercultural education<br />
Abstract [Deutsch]<br />
Filme vermitteln Sichtweisen auf die Welt. Die überaus verbreitete<br />
<strong>und</strong> seit Jahrzehnten erfolgreiche Serie der James-<br />
Bond-Filme kann als besonders einflussreiches Medium der<br />
Weltbildvermittlung gelten. Aufgr<strong>und</strong> der Handlungen in verschiedenen<br />
Erdregionen wird dem Zuschauer nicht nur kulturelle<br />
Fremdheit vorgelebt, sondern auch immer wieder die<br />
Fähigkeit eines reisenden Agenten gezeigt, mit kultureller Alterität<br />
erfolgreich umzugehen. Aus interkultureller Perspektive<br />
stellt sich dabei allerdings Frage, ob dies tatsächlich im<br />
Sinne einer interkulturellen <strong>Kompetenz</strong>vermittlung geschieht.<br />
Auf der Gr<strong>und</strong>lage einer Auseinandersetzung mit dem Konzept<br />
der interkulturellen <strong>Kompetenz</strong> analysiert der Beitrag<br />
kritisch Bonds Kulturkontakte, ihre filmische Darstellung <strong>und</strong><br />
ihre Implikationen für die interkulturelle Bildung einer weltweiten<br />
Fangemeinde.<br />
Stichworte: Kulturrepräsentation, James Bond, Interkulturelle<br />
<strong>Kompetenz</strong>, Fremdheitsvermittlung<br />
1. <strong>Ein</strong>führung<br />
Durch interkulturelle Begegnungen in privaten <strong>und</strong> beruflichen<br />
Kontexten handeln immer mehr Menschen interkulturell,<br />
sei es bei Auslandsaufenthalten oder innerhalb der eigenen<br />
Gesellschaft, die zunehmend multikulturell wird. In interkulturellen<br />
Begegnungen treffen Interaktionspartner mit unterschiedlichen<br />
kulturellen Hintergründen <strong>und</strong> Orientierungssystemen<br />
aufeinander (Bolten 2001, Thomas 2004), die nicht<br />
selten – durch gegenseitiges Missverstehen – problematisch<br />
3 © Interculture Journal 2011 | 14
Barmeyer / Scheffer: Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> <strong>und</strong> Fremdheitsdarstellungen<br />
in den James-Bond-Filmen<br />
verlaufen. Die Existenz <strong>und</strong> Entwicklung interkultureller <strong>Kompetenz</strong><br />
kann dazu beitragen, eine Verstehensbasis zu schaffen,<br />
die dazu beiträgt, dass Interaktionspartner zielführend<br />
<strong>und</strong> friedvoll interagieren <strong>und</strong> <strong>Interkulturalität</strong> als bereichernd<br />
wahrnehmen (Barmeyer 2000).<br />
In der interkulturellen Forschung existieren zahlreiche Definitionen<br />
<strong>und</strong> Modelle Interkultureller <strong>Kompetenz</strong> (vgl. im Überblick<br />
Bolten 2001, Deardorff 2009, Scheitza 2007, Straub<br />
2007, Thomas 2003); selten wird jedoch berücksichtigt, dass<br />
sie immer in spezifischen Kontexten durch<br />
Akteurkonstellationen in sozialen Interaktionen realisiert wird<br />
(Barmeyer 2010, Otten 2007, Scheffer 2007). Diese Realisierung<br />
erfolgt normalerweise in realen Kontexten, sie kann jedoch<br />
auch in fiktiven Kontexten stattfinden, wie Autoren <strong>und</strong><br />
Vertreter von Kultur-, Literatur- <strong>und</strong> Filmwissenschaften belegen,<br />
die interkulturelle Wahrnehmungs-, Transfer- Kommunikations-<br />
oder Interaktionsprozesse auf medialer Ebene analysieren<br />
(Lüsebrink 2008). Beide Kontexte, die mediale Inszenierung<br />
<strong>und</strong> die reale Praxis interkulturellen Handelns, können<br />
stark ineinandergreifen: Sind es doch mediale Repräsentationen,<br />
die erheblichen <strong>Ein</strong>fluss auf die alltägliche Wahrnehmung<br />
fremder Kulturen nehmen. Es werden Bilder von kulturellen<br />
Gruppen gezeichnet, die als real angenommen werden<br />
<strong>und</strong> die in persönliche Denk- <strong>und</strong> Handlungsroutinen <strong>Ein</strong>gang<br />
finden können (Hopkins 1994:47). Auch die individuelle Vorstellung,<br />
was „interkulturelle <strong>Kompetenz</strong>“ ausmacht, speist<br />
sich aus der als normal <strong>und</strong> nachahmenswert empf<strong>und</strong>enen<br />
Darstellung in Text <strong>und</strong> Film. Zuschauer sind für unkritische<br />
Übernahme medialer Repräsentationen insbesondere dann<br />
anfällig, wenn ein hohes Maß an Identifikation mit den Handelnden<br />
oder mit einem einzelnen Protagonisten hergestellt<br />
werden kann (Wegener 2008:59ff.). Das Potenzial einer breitenwirksamen<br />
Beeinflussung ist nicht zuletzt von der Rezeption<br />
des jeweiligen Mediums abhängig.<br />
In dem folgenden Beitrag wird eine fiktive Figur untersucht,<br />
die Sympathiewerte <strong>und</strong> Bekanntheit wie kaum eine andere<br />
auf sich vereint <strong>und</strong> als Ikone der Popkultur gilt (Chapman<br />
2007, Rauscher 2007). Es handelt sich um den britischen Geheimagenten<br />
James Bond, der auch die Dienstbezeichnung<br />
007 trägt.<br />
Dieser stellt nicht nur eine bekannte Figur der Literaturwelt<br />
dar (Chapmann 2008, Lindner 2003, Reitz 2009), sondern<br />
erreicht vor allem als Held der weltweit erfolgreichsten Kino-<br />
Serie ein globales Publikum (Cork 2008, Evin 2008, Hache-<br />
Bissette 2007). Mit einem <strong>Ein</strong>spielergebnis von 4,44 Mrd. US-<br />
Dollar liegen die Bond-Filme vor „Star Wars“ (4,23 Mrd.) <strong>und</strong><br />
„Herr der Ringe“ (2,95 Mrd.). 1<br />
Seine Rolle als vermeintlich<br />
interkulturell kompetenter Akteur legen die Missionen des<br />
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Barmeyer / Scheffer: Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> <strong>und</strong> Fremdheitsdarstellungen<br />
in den James-Bond-Filmen<br />
Geheimagenten 007 nahe: In mehr als bisher 22 offiziellen<br />
Filmen der EON-Productions bereist er seit 1962 vier der fünf<br />
Kontinente <strong>und</strong> eine Vielzahl von Ländern. Dabei findet er<br />
sich in vielen interkulturellen Situationen wieder, in denen<br />
Verständigungsprobleme, Fehlinterpretationen <strong>und</strong> Schwierigkeiten<br />
aufgr<strong>und</strong> unterschiedlicher Werte <strong>und</strong> Verhaltensweisen<br />
auftreten können. Da 007 jedoch diese Situationen<br />
stets erfolgreich meistert, scheint er interkulturelle <strong>Kompetenz</strong><br />
seinen Zuschauern geradezu vorzuleben. 2 Darüber hinaus<br />
implizieren die vielfältigen Handlungskontexte an den<br />
exotischsten Schauplätzen der Erde eine überaus breite Illustration<br />
von kulturellen Unterschieden <strong>und</strong> <strong>Interkulturalität</strong> insgesamt.<br />
Der Zuschauer, so wäre zu folgern, wird über das<br />
Anschauen der 007-Filme in besonderer Weise für die globale<br />
kulturelle Vielfalt interessiert <strong>und</strong> sensibilisiert.<br />
Obwohl James Bond seit langem ein beliebtes Untersuchungsobjekt<br />
nicht nur bei seinen Fans, sondern auch bei<br />
zahlreichen Wissenschaftlern unterschiedlichster Disziplinen 3<br />
darstellt (Gresh / Weinberg 2009), hat sich die Forschung bislang<br />
in „klassischen“ <strong>und</strong> wenig originellen Themen wie<br />
Fremdwahrnehmungsmuster <strong>und</strong> Stereotypen (Hache-Bissette<br />
2007, Rauscher 2007) erschöpft. Weitergehende <strong>und</strong> komplexere<br />
Themen der <strong>Interkulturalität</strong>, wie interkulturelle <strong>Kompetenz</strong>,<br />
wurden bislang jedoch ausgespart.<br />
In diesem Sinne zielt der folgende Beitrag darauf ab, die<br />
interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> des Agenten <strong>und</strong> die filmische Darstellung<br />
interkultureller Handlungskontexte kritisch zu beleuchten.<br />
Als medial überaus mächtiger Mittler von Kulturunterschieden<br />
erhält dieser Aspekt bei 007 Relevanz für die<br />
interkulturelle (Un-)Bildung eines Millionenpublikums.<br />
Auf der Gr<strong>und</strong>lage einer konzeptionellen <strong>Ein</strong>führung zur<br />
interkulturellen <strong>Kompetenz</strong>, die sowohl drei zentrale Funktionen<br />
als auch drei zentrale Komponenten aufführt (Abschnitt<br />
2), folgt die Analyse mit einer kurzen Biographie des Protagonisten,<br />
die auf seine interkulturelle Sozialisation verweist<br />
(Abschnitt 3.1). Anhand ausgewählter Filmsequenzen, die<br />
interkulturelle Begegnungssituationen darstellen, gilt es im<br />
folgenden zu prüfen, inwieweit James Bond Eigenschaften<br />
interkultureller <strong>Kompetenz</strong> aufweist (Abschnitt 3.2) <strong>und</strong> wie<br />
kulturelle Fremdheit insgesamt filmisch transportiert wird<br />
(Abschnitt 3.3). Die Ergebnisse <strong>und</strong> Implikationen für die<br />
Wahrnehmung der Zuschauer werden schließlich in einem<br />
dritten Teil als Fazit zusammengefasst (Abschnitt 4).<br />
5 © Interculture Journal 2011 | 14
Barmeyer / Scheffer: Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> <strong>und</strong> Fremdheitsdarstellungen<br />
in den James-Bond-Filmen<br />
2. Zum Begriff der Interkulturellen <strong>Kompetenz</strong><br />
Ausgehend von angelsächsischer Forschung <strong>und</strong> Praxis, aus<br />
der wesentliche Modelle, Konzepte <strong>und</strong> Definitionen interkultureller<br />
<strong>Kompetenz</strong> hervorgingen (Deardorff 2009, Dinges /<br />
Baldwin 1996), hat sich auch im deutschsprachigen Raum<br />
eine Erforschung interkultureller <strong>Kompetenz</strong> etabliert<br />
(Barmeyer 2010, Bolten 2001, Bolten / Rathje 2010, Müller<br />
1993, Rathje 2006, Scheitza 2007, Straub et al. 2007, Thomas<br />
2003).<br />
Das Konzept der interkulturellen <strong>Kompetenz</strong> umfasst <strong>Ein</strong>stellungen,<br />
Persönlichkeitsmerkmale, Wissen <strong>und</strong> Eignungen, die<br />
einer Person die Kommunikation oder Interaktion mit Individuen<br />
anderer kultureller Umwelten erleichtern soll. Interkulturelle<br />
<strong>Kompetenz</strong> soll dazu beitragen, dass die interkulturell<br />
Interagierenden trotz kultureller Unterschiedlichkeit eine subjektive<br />
Zufriedenheit empfinden, erfolgreich ihre Ziele erreichen<br />
<strong>und</strong> wechselseitig tragfähige soziale Kontakte eingehen<br />
(Brislin / Yoshida 1994):<br />
„Interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> zeigt sich in der Fähigkeit, kulturelle Bedingungen<br />
<strong>und</strong> <strong>Ein</strong>flussfaktoren im Wahrnehmen, Urteilen, Empfinden <strong>und</strong> Handeln<br />
bei sich selbst <strong>und</strong> bei anderen Personen zu erfassen, zu respektieren,<br />
zu würdigen <strong>und</strong> produktiv zu nutzen im Sinne einer wechselseitigen Anpassung,<br />
von Toleranz gegenüber Inkompatibilitäten <strong>und</strong> einer Entwicklung<br />
hin zu synergieträchtigen Formen der Zusammenarbeit, des Zusammenlebens<br />
<strong>und</strong> handlungswirksamer Orientierungsmuster in Bezug auf Weltinterpretation<br />
<strong>und</strong> Weltgestaltung.“ (Thomas 2003:143)<br />
Interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> kann verschiedene Funktionen<br />
aufweisen, von denen drei wesentliche aufgelistet <strong>und</strong> später<br />
anhand der Figur James Bond thematisiert werden:<br />
Zielorientierter Pragmatismus: Aus einer handlungsorientierten<br />
<strong>und</strong> zielorientierten Perspektive hilft interkulturelle <strong>Kompetenz</strong><br />
Kulturkontakte effizient <strong>und</strong> erfolgreich zu gestalten,<br />
um persönliche oder berufliche Ziele zu erreichen. Dies kann<br />
die persönliche Zufriedenheit betreffen, aber auch bestimmte<br />
Interessen <strong>und</strong> Vorgaben der Organisationen bzw. des Arbeitgebers,<br />
die es gilt durchzusetzen (Thomas 2003). Zielorientierter<br />
Pragmatismus kann dazu führen, dass die interkulturelle<br />
Beziehung eher asymmetrisch <strong>und</strong> einseitig geprägt ist<br />
bzw. dass die erreichten Ziele eher den Vorstellungen einer<br />
Person entsprechen <strong>und</strong> Reziprozität nicht unbedingt gegeben<br />
ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn eine interkulturelle<br />
Beziehung von Machtbeziehungen (wie stark vs.<br />
schwach, Mehrheit vs. Minderheit) geprägt ist. Eben dann<br />
kann Wissen über andere kulturelle Systeme als Wettbewerbsvorteil<br />
genutzt werden kann. Rathje (2006) referiert die<br />
Diskussion um die von Thomas (2003) verfassten Überlegungen<br />
zu Interkultureller <strong>Kompetenz</strong>. Demnach führt das „Effizienz“-Kriterium<br />
dazu, dass die Definition interkultureller<br />
© Interculture Journal 2011 | 14 6
Barmeyer / Scheffer: Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> <strong>und</strong> Fremdheitsdarstellungen<br />
in den James-Bond-Filmen<br />
<strong>Kompetenz</strong> das Erreichen der zugr<strong>und</strong>eliegenden Handlungsziele<br />
der gesamten interkulturellen Interaktion schon in sich<br />
einschließt. Somit wäre eine Person, die sonst nicht interkulturell<br />
kompetent ist, durch das bloße Erreichen des eigenen<br />
Zieles interkulturell kompetent. Die Zieldefinition interkultureller<br />
<strong>Kompetenz</strong> sollte deshalb enger gefasst <strong>und</strong> nicht nur<br />
mit dem Gesamterfolg der Interaktion verknüpft sein.<br />
Gesellschaftlicher Humanismus: Aus einer gesellschaftlichen<br />
Perspektive trägt interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> zur besseren Verständigung<br />
von Menschen bei, die unterschiedliche kulturelle<br />
Referenzsysteme aufweisen <strong>und</strong> deshalb Gefahr laufen, Irritationen<br />
<strong>und</strong> Missverständnisse zu erleben (Hall 1981). Verständnis<br />
für kulturelle Unterschiedlichkeit ist Voraussetzung<br />
für ein wertschätzendes Miteinander <strong>und</strong> friedvolles <strong>und</strong><br />
harmonisches Zusammenleben <strong>und</strong> Zusammenarbeiten, bei<br />
dem die Interessenlagen aller Interaktionspartner ausgeglichen<br />
respektiert werden (Barmeyer 2010). Insofern wird<br />
hiermit das „Effizienz“-Kriterium um die humanistische Dimension<br />
erweitert oder gar in den Hintergr<strong>und</strong> gedrängt. <strong>Ein</strong><br />
zentraler Begriff ist „Angemessenheit“. Er bezieht sich darauf,<br />
dass auf kulturell bedingte Regeln <strong>und</strong> Erwartungen der<br />
anderskulturellen Interaktionspartner Rücksicht genommen<br />
<strong>und</strong> entsprechend gehandelt wird, so dass alle Interaktionspartner<br />
Zufriedenheit empfinden. Anders als beim zielorientierten<br />
Pragmatismus interkultureller <strong>Kompetenz</strong>, der von<br />
Asymmetrien <strong>und</strong> <strong>Ein</strong>seitigkeit geprägt ist, steht hier Reziprozität<br />
<strong>und</strong> Gegenseitigkeit im Vordergr<strong>und</strong>. Diesem Verständnis<br />
interkultureller <strong>Kompetenz</strong> wiederum kann Idealismus<br />
vorgeworfen werden, denn viele Personen interagieren nicht<br />
auf der Basis völkerverständigender <strong>und</strong> humanistischer Motive,<br />
sondern sind individuell, etwa ökonomisch oder mikropolitisch<br />
begründetet (Crozier / Friedberg 1976).<br />
Persönliche Weiterentwicklung: Aus einer individuellen Perspektive<br />
führen die reflektierten <strong>und</strong> verarbeiteten interkulturellen<br />
Erfahrungen <strong>und</strong> die Entwicklung interkultureller <strong>Kompetenz</strong><br />
auch zu einer Persönlichkeitsentwicklung (Rathje<br />
2006). Dies geschieht durch Selbstreflexion, Rollendistanz,<br />
Relativierung eigener Gr<strong>und</strong>überzeugungen <strong>und</strong> Haltungen.<br />
Nicht nur die Beschäftigung mit anderen Kulturen, auch die<br />
mit der eigenen Kultur <strong>und</strong> Identität bewirkt einen Entwicklungsprozess<br />
beim Individuum (Bennett 1993). Interkulturelles<br />
Lernen ist somit zugleich individuelles Lernen. Wie bei der<br />
humanistischen Perspektive kann kritisch hinterfragt werden,<br />
inwieweit interkulturelle Interaktion bewusst vom Willen zur<br />
Persönlichkeitsentwicklung motiviert wird – etwa durch die<br />
Entscheidung für einen Auslandaufenthalt – oder eher Ergebnis<br />
<strong>und</strong> Konsequenz der reflektierten interkultureller Erfahrung<br />
ist.<br />
7 © Interculture Journal 2011 | 14
Barmeyer / Scheffer: Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> <strong>und</strong> Fremdheitsdarstellungen<br />
in den James-Bond-Filmen<br />
Wie lässt sich nun interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> konkretisieren?<br />
<strong>Ein</strong>e eingängige <strong>und</strong> allgemein akzeptierte Strukturierung von<br />
Eigenschaften <strong>und</strong> Fähigkeiten (Komponenten) stammt aus<br />
der US-amerikanischen sozialpsychologischen Forschung (Rosenberg<br />
/ Hovland 1960). Demnach setzt sich Interkulturelle<br />
<strong>Kompetenz</strong> aus emotionalen, kognitiven <strong>und</strong> verhaltensbezogenen<br />
Komponenten zusammen (Bolten 2001a, Landis /<br />
Bhagat 1996, Scheitza 2007). Abbildung 1 zeigt eine Übersicht<br />
von Komponenten interkultureller <strong>Kompetenz</strong>.<br />
Emotional<br />
<strong>Ein</strong>stellungen, Werte, Sensibilität<br />
• Empathie<br />
• Offenheit<br />
• Flexibilität<br />
• Respekt<br />
• Rollendistanz<br />
• Wertfreie Haltung<br />
• Polyzentrismus<br />
• Ambiguitätstoleranz<br />
• Frustrationstoleranz<br />
Kognitiv<br />
Begriffe, Wissen, Verständnis<br />
• Kenntnis der politischen,<br />
sozialen <strong>und</strong> wirtschaftlichen<br />
Systeme<br />
• Kenntnis von Kulturdimensionen<br />
<strong>und</strong><br />
Kulturstandards<br />
• Fremdsprachenkenntnisse<br />
• Selbstkenntnis<br />
Abb. 1: Schlüsselkomponenten interkultureller <strong>Kompetenz</strong> (Barmeyer<br />
2000, Bolten 2001, Scheitza 2007)<br />
Die in tabellarischen Listen abgebildeten Eigenschaften werden<br />
in der Forschung verständlicherweise kritisiert (Scheitza<br />
2007, Straub 2007). Hierzu formuliert Thomas (2003b:142):<br />
„Oft lesen sich diese Listen wie das Persönlichkeitsprofil des<br />
modernen Menschen, mit stark idealisierten, von allen angestrebten,<br />
aber von niemand erreichten Leistungsmerkmalen.“<br />
Es stellt sich nun die Frage, ob die fiktive Figur James Bond als<br />
Alleswisser, -versteher <strong>und</strong> -könner gerade diese Leistungsmerkmale<br />
in sich vereint <strong>und</strong> in seinen Missionen in vielen<br />
interkulturellen Situationen auf der ganzen Welt zum <strong>Ein</strong>satz<br />
bringt. Anhand einiger Filmausschnitte wird folgend illustriert<br />
<strong>und</strong> diskutiert werden, inwiefern die Figur James Bond den<br />
Funktionen <strong>und</strong> Komponenten interkultureller <strong>Kompetenz</strong><br />
gerecht wird.<br />
3. Interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> <strong>und</strong> kulturelle Fremdheit<br />
in den James-Bond-Filmen<br />
Seit dem Erscheinen des ersten Bond-Films „James Bond jagt<br />
Dr. No“ im Jahr 1962 hat die Figur 007 in ihrer 50-jährigen<br />
Geschichte mehrfache Neubesetzungen erfahren, wobei ihr<br />
jeder Darsteller zweifellos einen eigenen Akzent verliehen<br />
hat.<br />
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Verhaltensbezogen<br />
Fähigkeiten, Eignungen, Handeln<br />
• Fähigkeit, die kognitiven<br />
Kenntnisse anzuwenden<br />
• Kommunikationsfähigkeit<br />
• Fähigkeit, Sprachkenntnisse in<br />
die Praxis umzusetzen<br />
• Fähigkeit zur Metakommunikation<br />
• Flexibles Verhalten<br />
• Selbstdisziplin
Barmeyer / Scheffer: Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> <strong>und</strong> Fremdheitsdarstellungen<br />
in den James-Bond-Filmen<br />
Vom rauen <strong>und</strong> doch charmanten Ur-Bond Sean Connery<br />
über den snobistisch-lakonischen Roger Moore bis hin zum<br />
zürnenden Daniel Craig manifestieren sich unterschiedliche<br />
Persönlichkeitsmerkmale, die eine übergreifende Beurteilung<br />
der interkulturellen <strong>Kompetenz</strong> erschweren. Auch die Darstellung<br />
der Handlungskontexte hat sich über die Jahrzehnte<br />
gewandelt. In den jüngeren Filmen taucht der Agent immer<br />
weniger in fremdkulturelle Kontexte ein. <strong>Ein</strong> Umstand, der<br />
wohl auch darauf zurückzuführen ist, dass der Reiz fremder<br />
Schauplätze den Zuschauer auch oberflächlich fasziniert <strong>und</strong><br />
kulturelle Exotik durch soziale Exklusivität kompensiert wird<br />
(Cappi 2006).<br />
Für die Figur 007 lassen sich aufgr<strong>und</strong> der filmischen Anlehnung<br />
an die Romanvorlage nichtsdestoweniger deutliche<br />
Konstanten im Umgang mit kultureller Fremdheit aufzeigen.<br />
Immer wieder rekurrieren die Filme auf die von Autor Fleming<br />
festgelegten Charakteristika, die sich aus einem ebenfalls für<br />
alle Bond-Figuren einheitlich vorgegebenen Sozialisationsprozess<br />
speisen.<br />
3.1 „Third culture kid“: Sozialisation des Agenten<br />
Liegt die Annahme zugr<strong>und</strong>e, dass sich die kulturelle Prägung<br />
eines Menschen im Rahmen von Enkulturations- <strong>und</strong> Sozialisationsprozessen<br />
vollzieht (Hofstede 2001, Thomas 2003), die<br />
in bestimmten institutionell <strong>und</strong> kulturell geprägten Kontexten<br />
stattfinden, so sollte auch die Figur James Bond diesbezüglich<br />
untersucht werden. Die kulturelle Prägung führt zum<br />
Aufbau eines oder mehrerer kultureller Orientierungssysteme.<br />
Auch kann in der Phase Enkulturation die Entwicklung interkultureller<br />
<strong>Kompetenz</strong> stattfinden; vorausgesetzt ein Individuum<br />
ist geographisch (Sozialisation in verschiedenen Ländern)<br />
oder sozial (Erziehung durch Elternteile, die aus unterschiedlichen<br />
Ländern stammen, Besuch von Schulen in unterschiedlichen<br />
Ländern oder in multikulturellen Kontexten) verschiedenkulturellen<br />
<strong>Ein</strong>flüssen <strong>und</strong> damit interkulturellen<br />
Lernprozessen ausgesetzt.<br />
Auch wenn klar ist, dass James Bond eine fiktive Roman-<br />
bzw. Filmfigur ist, dient ihre Biographie zur Analyse <strong>und</strong> Argumentation<br />
der Thematik dieses Beitrags <strong>und</strong> versucht<br />
gleichzeitig der fiktiven Figur eine „realistische“ Gr<strong>und</strong>lage zu<br />
verleihen. Passagen aus Filmen, insbesondere dem 1964 erschienen<br />
Roman „You only live twice“ <strong>und</strong> der Sek<strong>und</strong>ärliteratur<br />
(Cork 2008, Eco 1966, Habsburg-Lothringen 2008,<br />
Pearson 1973) geben Informationen über James Bonds Biographie,<br />
liefern jedoch teils unterschiedliche oder gar widersprüchliche<br />
Angaben zu seiner Person.<br />
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Barmeyer / Scheffer: Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> <strong>und</strong> Fremdheitsdarstellungen<br />
in den James-Bond-Filmen<br />
James Bond wächst in eine bikulturelle Familie hinein: Er ist<br />
der Sohn von Monique Delacroix Bond, einer Franco-<br />
Schweizerin, <strong>und</strong> Andrew Bond, einem schottischen Ingenieur.<br />
Er kommt am 11. November 1920 – genau zwei Jahre<br />
nach dem Waffenstillstand des 1. Weltkriegs – in Wattenscheid<br />
(!), Deutschland, zur Welt. Die für die kulturelle Prägung<br />
wichtigsten Jahre verbringt James Bond bis zum seinem<br />
elften Lebensjahr in Deutschland <strong>und</strong> der Schweiz<br />
(Tornabuoni 1966). Generell lebt der Jugendliche Bond in verschiedenen<br />
Ländern (England, Österreich, Schweiz) <strong>und</strong> entwickelt<br />
sich, auch aufgr<strong>und</strong> der Herkunft seiner Eltern, mehrsprachig<br />
<strong>und</strong> in einem multi-kulturellen Umfeld.<br />
In den Publikationen zu James Bond wird nachgewiesen, dass<br />
die Figur James Bonds viele autobiographische Elemente seines<br />
Schöpfers Ian Fleming trägt (Chancellor 2005, Lycett<br />
2009). „Die [von Fleming] geschaffene Figur James Bond<br />
trägt so viele Züge seines Schöpfers, dass man von einem<br />
idealisierten Alter Ego reden muss [...]“ (Marti / Wälty<br />
2008:40). 4 James Bond besucht wie Ian Fleming mit 12 Jahren<br />
das Elite-Internat „Eton College“ in England. Er wird allerdings<br />
schon nach einem Jahr wegen disziplinarischer Vergehen<br />
der Schule verwiesen. Daraufhin wird Bond auf „Fettes“,<br />
ein Elite-Internat in Edinburgh, geschickt. Im Alter von<br />
17 Jahren verlässt er dieses <strong>und</strong> ist von da an bis zu seinem<br />
<strong>Ein</strong>tritt in den MI6 mit 30 Jahren im Marine-<br />
Nachrichtendienst tätig (Tornabuoni 1966). Während dieser<br />
Zeit geht Bond auch seiner Leidenschaft für Fremdsprachen<br />
mit einem Sprachen-Studium in Cambridge nach, wie aus<br />
dem Film „You only live twice“ zu entnehmen ist.<br />
Aus der Biographie James Bonds lassen sich Entwicklungsansätze<br />
interkultureller <strong>Kompetenz</strong> erkennen, da er sich bereits<br />
in seiner Kindheit an verschiedene Lebenswelten anpassen<br />
muss, mit vielen Kulturen in Kontakt tritt <strong>und</strong> so verschiedene<br />
kulturelle Orientierungssysteme entwickelt. Durch die unterschiedlichen<br />
Nationalitäten seiner Eltern <strong>und</strong> seine häufig<br />
wechselnden Wohnorte (Deutschland, Schweiz <strong>und</strong> England)<br />
sammelt er Sensibilität für <strong>und</strong> Erfahrungen mit kulturellen<br />
Unterschieden <strong>und</strong> lernt, sich anderskulturellen Interaktionspartnern<br />
anzupassen. Während seiner Jugend erwirbt er nicht<br />
nur „kulturelles Kapital“ <strong>und</strong> einen bestimmten weltgewandten<br />
<strong>und</strong> selbstsicheren Habitus (Bourdieu 1982, Tornabuoni<br />
1966) in elitären Bildungsstätten, er erlernt auch neben den<br />
Sprachen Deutsch, Englisch <strong>und</strong> Französisch, die er von seinen<br />
Eltern vermittelt bekommen hat, weitere wie Japanisch<br />
<strong>und</strong> Russisch. Auch verfügt er über Gr<strong>und</strong>kenntnisse in Dänisch,<br />
Spanisch, Afghanisch <strong>und</strong> Arabisch. 5<br />
Anhand der Biographie<br />
der Figur von James Bond wird deutlich, dass diese<br />
im Rahmen ihrer Sozialisation von verschiedenkulturellen <strong>Ein</strong>-<br />
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Barmeyer / Scheffer: Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> <strong>und</strong> Fremdheitsdarstellungen<br />
in den James-Bond-Filmen<br />
flüssen geprägt wurde <strong>und</strong> eigentlich die geeigneten Voraussetzungen<br />
für einen Träger interkultureller <strong>Kompetenz</strong> mit<br />
sich bringt. Die Forschung bezeichnet die so herangewachsenen<br />
Menschen als „Third culture kids“ (Pollock et al. 2007).<br />
Sie werden so bezeichnet, „weil in der Symbiose zweier Kulturen<br />
eine neue, <strong>und</strong> ganz eigene Mischung entsteht (Mahadevan<br />
2010:28). Ihre Stärke ist es, zum einen den Herausforderungen<br />
des Lebens durch den Rückgriff auf verschiedene<br />
kulturelle Orientierungssysteme zu begegnen <strong>und</strong> zum anderen<br />
sich in unterschiedliche Lebenswelten hineinversetzen zu<br />
können.<br />
Third culture kids interagieren somit sehr flexibel, anpassungsfähig,<br />
tolerant, sicher, offen <strong>und</strong> integrativ in unterschiedlichsten<br />
Handlungskontexten. James Bond konnte somit<br />
interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> entwickeln, die ihm in vielen<br />
verschiedenen Situationen des internationalen Agentenlebens<br />
dienlich sind <strong>und</strong> ihn – auch in schwierigen Situationen –<br />
handlungsfähig <strong>und</strong> zielsicher erscheinen lassen. Gleichzeitig<br />
weist er jedoch eine starke Verb<strong>und</strong>enheit <strong>und</strong> einen ausgeprägten<br />
Patriotismus zu England (Green 2002, Roberts 2006)<br />
<strong>und</strong> individualistische, zielorientierte westliche Verhaltensweisen<br />
auf. Der folgende Abschnitt soll sich anhand von Filmszenen<br />
mit dieser These auseinandersetzen.<br />
3.2 Global im <strong>Ein</strong>satz: Interkulturelle Interaktionen<br />
<strong>und</strong> <strong>Kompetenz</strong>en in der Analyse<br />
James-Bond-Filme folgen stets einem ähnlichen Handlungsmuster:<br />
Nach der Vergabe eines neuen Auftrags in der Londoner<br />
Zentrale des Britischen Geheimdienstes beginnt die<br />
Mission an einem <strong>Ein</strong>satzort im Ausland. Hier trifft Bond<br />
meist zunächst auf einen befre<strong>und</strong>eten Kontaktmann, der ihn<br />
mit ersten Informationen vor Ort versorgt. Über mehrere Stationen<br />
an unterschiedlichen exklusiven <strong>und</strong> exotischen<br />
Schauplätzen rückt Bond seinem Gegner näher, der schließlich<br />
in einem großen Showdown in seinem Versteck zur Strecke<br />
gebracht wird. Allein mit dem Bond-Girl, das <strong>zwischen</strong>zeitlich<br />
in die Fänge des Bösen geraten ist, bleibt Bond nach<br />
erfüllter Mission an einem romantischen Ort zurück (Eco<br />
1966).<br />
Entsprechend dieses Ablaufs konzentrieren sich die interkulturellen<br />
Begegnungen Bonds auf den großen Mittelteil der<br />
Filme, der einführend immer die Interaktion mit dem Kontaktmann<br />
in einem neuen, fremden Regionalkontext zum Inhalt<br />
hat.<br />
Zur Analyse der interkulturellen <strong>Kompetenz</strong> von 007, <strong>und</strong> in<br />
Orientierung an den oben herausgestellten Schlüsselkomponenten,<br />
bieten sich speziell jene Kulturkontexte an, die sich<br />
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in den James-Bond-Filmen<br />
von Bonds (west)europäischen Sozialisations- <strong>und</strong> Enkulturationskontext<br />
deutlich unterscheiden. Entsprechende Szenen<br />
aus Ägypten (Der Spion, der mich liebte, 1977), Japan (Man<br />
lebt nur zweimal, 1967), Türkei (Liebesgrüße aus Moskau,<br />
1963) <strong>und</strong> Afghanistan (Der Hauch des Todes 1986) sollen im<br />
Folgenden exemplarisch herausgegriffen werden.<br />
In „Der Spion, der mich liebte“ spielt eine längere Szene in<br />
der ägyptischen Wüste, wo 007 einen Kontaktmann erstmals<br />
trifft. Den äußeren Umständen angepasst, sieht man den<br />
Agenten in einem landestypischen Gewand auf einem Kamel<br />
durch die Wüste reiten, bis er ein Beduinenzelt erreicht. Beim<br />
Absatteln übergibt er das Kamel mit der Selbstverständlichkeit<br />
eines <strong>Ein</strong>heimischen in die Hand einiger Bediensteter,<br />
wobei größte Vertrautheit mit den vorherrschenden Konventionen<br />
<strong>und</strong> der Rangordnung demonstriert wird. Selbstsicher<br />
wechselt der Agent einige Worte auf Arabisch. Seinen Kontaktmann<br />
begrüßt er formvollendet in einem ausgedehnten<br />
Begrüßungsritual <strong>und</strong> die Gastfre<strong>und</strong>schaft wird dankbar<br />
gewürdigt. Schließlich nimmt Bond den zugewiesenen Platz<br />
zu Füßen des Gastgebers auf dem Boden ein, natürlich akzeptierend,<br />
während sein Kontaktmann erhöht auf Kissen<br />
liegt. Liest man diese Verhaltensmuster vor dem Hintergr<strong>und</strong><br />
arabischer Höflichkeitskonventionen (vgl. dazu Jammal /<br />
Schwegler 2007:142 <strong>und</strong> 160ff.), so kann Bond hier zweifellos<br />
eine erhebliche Fähigkeit zur kulturellen Anpassung nachgewiesen<br />
werden. Tatsächlich kommt es im Film auch zu keinem<br />
Zeitpunkt zu Irritationen oder Missstimmungen <strong>zwischen</strong><br />
den Interaktionspartnern, der Agent versteht es vielmehr im<br />
Sinne der eingangs aufgeführten Kriterien eine subjektive Zufriedenheit<br />
bei seinem Gegenüber herzustellen.<br />
Allerdings schlägt Bond im Folgenden das Angebot landestypischer<br />
Speisen <strong>und</strong> Getränke – immerhin in arabischer Sprache<br />
– aus, um stattdessen geradeheraus auf sein Anliegen zu<br />
sprechen zu kommen. <strong>Ein</strong>e solche Zielstrebigkeit <strong>und</strong> Sachorientierung<br />
würde Bond in der arabischen Welt sicher als<br />
unangemessen angekreidet werden, kommt doch dem Beziehungsaspekt<br />
eine überragende Bedeutung zu, der mit dem<br />
ausführlichen Begrüßungsritual allein erst im Ansatz Rechnung<br />
getragen wurde (vgl. dazu Bouchara 2002:75f.). Immerhin<br />
entpuppt sich der Kontaktmann fortan als alter Studienkollege,<br />
was dem Agenten im weiteren Verlauf einen<br />
neuen Rahmen für angemessenes <strong>und</strong> zugleich effizientes<br />
Handeln beschert. Die kulturangepassten Rituale weichen<br />
nun einem entspannten Gespräch alter Vertrauter mit einem<br />
teils gemeinsamen Sozialisationshintergr<strong>und</strong>.<br />
Letztlich kommt es in keiner Szene zu kulturbedingten Missverständnissen,<br />
vielmehr besticht Bond auch auf der kognitiven<br />
Ebene im Gesprächsverlauf durch erhebliche Kenntnisse<br />
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in den James-Bond-Filmen<br />
über die regionalen Gegebenheiten. Zum Ende der Szene bietet<br />
ihm sein Gastgeber an, die Nacht im Zelt zu verbringen,<br />
was Bond kultursensibel – <strong>und</strong> in Anbetracht der anwesenden<br />
Frauen – bereitwillig annimmt.<br />
Ähnlich lassen sich für Bond auch in anderen Begrüßungsszenen,<br />
etwa in der Türkei (Liebesgrüße aus Moskau), interkulturelle<br />
Schlüsselkomponenten herausarbeiten. Dass der Agent<br />
selbst in Japan mit fremdkulturellen Kontakten keine Probleme<br />
hat, zeigt der Film „Man lebt nur zweimal“. Bond scheint<br />
auch hier stets zu wissen, dass in einer Hoch-Kontext-Kultur<br />
(Hall 1990) der erfolgreiche Informationsaustausch von Vertrauen<br />
<strong>und</strong> der Errichtung eines gemeinsamen Rahmensystems<br />
abhängt, welches durch Rituale <strong>und</strong> geteilte Erfahrungen<br />
aufgebaut werden muss (vgl. auch Moosmüller 1997).<br />
Entsprechend umsichtig geht der Agent vor: In einem unterirdischen<br />
Privatzug trifft Bond auf den Kontaktmann „Tiger“,<br />
den Chef des japanischen Geheimdienstes. Schon beim <strong>Ein</strong>treten<br />
in den Zug spricht Bond dem japanischen Kollegen<br />
höchste Anerkennung in Bezug auf die japanische Technologie<br />
aus. Auch die Mitarbeiterin wird im folgenden Gespräch<br />
mit Komplimenten bedacht. Bonds Bereitschaft, sich auf die<br />
Fremdkultur einzulassen, kommt nicht zuletzt in der Wahl der<br />
angebotenen Getränke zum Ausdruck. Nicht das obligatorische<br />
Stammgetränk Wodka Martini wird präferiert, sondern<br />
der japanische Sake, für den er sich selbstverständlich auf Japanisch<br />
bedankt. Anschließend brilliert Bond mit seinem Wissen<br />
über die japanische Trinkkultur, indem er auch die genaue<br />
Temperatur des Reisweins kennt. Im späteren Verlauf<br />
des Filmes nehmen beide ein gemeinsames Bad, wobei 007<br />
wiederum seine Flexibilität <strong>und</strong> Kenntnisse über das japanische<br />
Reinigungsritual unter Beweis stellt.<br />
Dieses Anpassungsvermögen auf der Gr<strong>und</strong>lage eines f<strong>und</strong>ierten<br />
Wissens über die fremde Kultur führt Bond letztlich zu<br />
einem engen Verhältnis zu Tiger. Die Effizienz seines Handelns<br />
zeigt sich im weiteren Verlauf des Films, da der intensive<br />
Kontakt zu Tiger entscheidend für den Erfolg der gesamten<br />
Mission ist. Dass sein Kulturinteresse dabei eher von strategischen<br />
Erwägungen <strong>und</strong> weniger einer tatsächlichen Neugier<br />
am kulturell Fremden geleitet wird, muss indes unterstellt<br />
werden.<br />
In „Liebesgrüße aus Moskau“ besucht Bond zusammen mit<br />
seinem Kontaktmann Kerim Bey ein Zigeunerlager <strong>und</strong> dort<br />
eine mit Bey befre<strong>und</strong>ete Familie. Gleich zu Beginn wird<br />
Bonds Ambiguitätstoleranz herausgefordert, da zwei Mädchen,<br />
die den gleichen Mann lieben, um Leben <strong>und</strong> Tod gegeneinander<br />
kämpfen sollen. Die stammesinterne Angelegenheit<br />
verbietet jede <strong>Ein</strong>mischung von Außen, was Bond<br />
ohne sichtbare Irritation zur Kenntnis nimmt. Gelassen beo-<br />
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in den James-Bond-Filmen<br />
bachtet er die ihm fremde Art der Konfliktlösung <strong>und</strong> enthält<br />
sich seiner persönlichen Meinung.<br />
Seine Rolle verändert sich erst, als er sich bei einem <strong>zwischen</strong>zeitlichen<br />
Überfall auf das Lager als Verteidiger profilieren<br />
kann <strong>und</strong> von dem Familienoberhaupt daraufhin als „Sohn“<br />
bezeichnet wird. Als Teil der „Familie“ äußert Bond nun im<br />
kleinen Kreise seinen Wunsch den Kampf zu beenden. Mit<br />
dem ironischen Tadel, dass Bond für einen echten Zigeuner<br />
ein zu weiches Herz habe, wird dem Wunsch schließlich<br />
stattgegeben.<br />
Zweifellos lassen sich in den Filmen auch Situationen finden,<br />
die Bonds interkulturelle <strong>Kompetenz</strong>en relativieren – speziell<br />
wenn der Agent unter hohem Druck steht <strong>und</strong> der fremdkulturelle<br />
Kontakt nicht über die Londoner Zentrale angebahnt<br />
wird. In einer Szene aus „Der Hauch des Todes“ werden<br />
Bond <strong>und</strong> sein Bondgirl von einem Anführer der Mujaheddin,<br />
Kamran Shah, in ein Lager in Afghanistan gebracht. Der angebotene<br />
Tee wird verhalten angenommen, Bond zeigt Ungeduld<br />
<strong>und</strong> ausschließliche Sachorientierung im Auftrag ihrer<br />
Majestät. Die Forderungen, die er als Fremder an die Mujaheddin<br />
unvermittelt stellt, finden entsprechend wenig Gehör.<br />
Als Bond bereits drängend auf Kamran Shah zugeht, muss er<br />
durch einen Leibwächter zurückgehalten werden. Bonds angespannte<br />
Körperhaltung <strong>und</strong> sein direkter Blick lassen jegliche<br />
Verhaltensnormen des fremdkulturellen Kontexts außer<br />
Acht. So ist es hier interessanterweise letztlich der interkulturellen<br />
<strong>Kompetenz</strong> von Kamran Shah zu verdanken, dass die<br />
Mission durch Bonds Fehlverhalten nicht gefährdet wird.<br />
Mehrere Filme enthalten zudem Tabubrüche, die entweder<br />
unmittelbar mit dem Erreichen eines wichtigen, höheren Ziels<br />
des Agenten begründet werden oder einfach zum Amüsement<br />
der Zuschauer in die Handlung eingeflochten sind. So<br />
entleiht sich 007 in Indien das Arbeitsgerät eines Schwertschluckers<br />
zur Verteidigung (Octopussy), macht sich in der<br />
Karibik über den Voodoo-Zauber lustig (Leben <strong>und</strong> Sterben<br />
lassen) oder streckt in einer Kampfschule in Hongkong seinen<br />
Partner bereits während des Verbeugungsrituals nieder, um<br />
sich dann anschließend zu verneigen (Der Mann mit dem<br />
golden Colt). Das Liebesspiel in einem buddhistischen Tempel<br />
(Stirb an einem anderen Tag) hat nicht zuletzt auch bei den<br />
südkoreanischen Kinogängern erhebliche Proteste hervorgerufen.<br />
Daneben lassen sich Szenen mangelnden Respekts gegenüber<br />
Mensch <strong>und</strong> Kulturgütern identifizieren, die der<br />
actiongeleiteten Handlung – meist vor reizvollen Kulissen –<br />
geschuldet sind. Dabei kann es auch zur teilweisen Zerstörung<br />
von Stadtzentren etwa in Saigon (Der Morgen stirbt<br />
nie), St. Petersburg (Goldeneye) oder gar einer ausländischen<br />
Botschaft (Casino Royale) kommen.<br />
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Barmeyer / Scheffer: Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> <strong>und</strong> Fremdheitsdarstellungen<br />
in den James-Bond-Filmen<br />
Betrachtet man die Serie aber insgesamt <strong>und</strong> legt den Fokus<br />
insbesondere auf die persönlichen Interaktionen, so treten die<br />
nachweisbaren <strong>Kompetenz</strong>mängel des Agenten deutlich hinter<br />
jene Sequenzen zurück, die Bonds Geschick, interkulturell<br />
kompetent zu agieren, klar herausstellen.<br />
3.3 Die Vermittlung von Kulturinformationen: Die filmische<br />
Repräsentation des Fremden<br />
Geht es um die filmische Vermittlung interkultureller <strong>Kompetenz</strong>,<br />
so erscheint eine Analyse der <strong>Kompetenz</strong>en der Leitfigur<br />
allein unzureichend. Deren Handlungen offenbaren zwar einen<br />
– in Teilen vorbildhaften – Umgang mit Fremdheit, sind<br />
aber zugleich in filmisch konstruierte Kontexte eingeb<strong>und</strong>en,<br />
die es Bond möglicherweise besonders leicht machen, interkulturell<br />
kompetent zu erscheinen. Akzeptiert man aus der<br />
fiktiven Welt des Filmes Hinweise auf interkulturelle <strong>Kompetenz</strong>en<br />
für die Praxis im Realen, so erfordert auch der Umgang<br />
mit den jeweils zugr<strong>und</strong>e liegenden kulturellen Kontexten<br />
eine Prüfung, inwieweit diese generell mit den Gegebenheiten<br />
der realen Welt in <strong>Ein</strong>klang zu bringen sind. Entsprechend<br />
gilt es, auf einer zweiten Analyseebene nach der Darstellung<br />
dieser fremdkulturellen Kontexte zu fragen, inwieweit<br />
sich die Figur wirklich in fremden, interkulturell herausfordernden<br />
Kulturen bewegt <strong>und</strong> wie diese dem Zuschauer<br />
filmisch vermittelt werden?<br />
Obwohl ein Großteil der Filme an den unterschiedlichsten<br />
Schauplätzen spielt, bekommt der Zuschauer nur einen sehr<br />
engen Ausschnitt des dortigen Alltags zu sehen. Traditionell<br />
bewegt sich Bond an diesen Orten auf sehr exklusive Weise:<br />
Er reist luxuriös in teuren Autos oder in Hubschraubern <strong>und</strong><br />
Flugzeugen, diniert in vornehmen Restaurants, besucht das<br />
obligatorische Casino <strong>und</strong> nächtigt in der westlichen Sphäre<br />
des teuersten Hotels der Stadt. In dieser Welt zeigt sich kulturelle<br />
Fremdheit auf oberflächliche Weise. Sie lässt sich festmachen<br />
an der Optik des Umfeldes, fordert Bond aber nicht –<br />
<strong>und</strong> auch nicht den Zuschauer – durch gr<strong>und</strong>sätzlich andere<br />
Denk- <strong>und</strong> Handlungsweisen heraus. Nur selten gestatten die<br />
Sequenzen einen schmalen <strong>Ein</strong>blick in andere Lebenswirklichkeiten.<br />
In „Leben <strong>und</strong> Sterben lassen“ wird 007 mit der Bevölkerung<br />
Harlems <strong>und</strong> der einer Karibikinsel konfrontiert: In<br />
„Die Welt ist nicht genug“ oder „<strong>Ein</strong> <strong>Quantum</strong> Trost“ kommen<br />
protestierende Bevölkerungsgruppen ins Bild, die unabhängig<br />
von ihrer Repräsentation zumindest darauf aufmerksam<br />
machen, dass es auch diese Wirklichkeit gibt.<br />
Ansonsten erschöpft sich Darstellung kultureller Fremdheit<br />
häufig in Stereotypen, die das bei den Zuschauern verbreitete<br />
Fremdbild aufgreifen <strong>und</strong> reproduzieren (vgl. dazu auch<br />
Escher 2006). Die oben erwähnte Begrüßungsszene aus „Der<br />
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in den James-Bond-Filmen<br />
Spion, der mich liebte“ in einem Zelt in Ägypten steht auch<br />
hierfür Beispiel: Neben den zuvor gezeigten Elementen Pyramiden,<br />
Wüste <strong>und</strong> Kamel wird der Betrachter nun mit einer<br />
Welt aus „Tausend<strong>und</strong>einer Nacht” konfrontiert. Im Vordergr<strong>und</strong><br />
sieht man einen großen Obstkorb, überall liegen oder<br />
hängen Teppiche <strong>und</strong> es räkeln sich einige leicht bekleidete<br />
Frauen am Boden. Auch die anderen Requisiten lassen sich<br />
für das westliche Publikum sehr schnell mit Exotik „des Orients“<br />
assoziieren.<br />
Ähnlich stellt der Film „Octopussy“ das Land Indien mit einem<br />
Anflug Bonds auf das Taj Mahal in Agra vor, lässt ihn<br />
wenige Sek<strong>und</strong>en später den Ganges entlang nach Varanasi<br />
im nordindischen B<strong>und</strong>esstaat Uttar Pradesh fahren, wo in<br />
farbige Gewänder gehüllte Hindus gerade ihr religiöses Bad<br />
nehmen. Die Szene spielt gleich darauf schließlich in Udaipur<br />
im B<strong>und</strong>esstaat Rajasthan weiter, um dort die bekannten Paläste<br />
exotisch in Szene zu setzen. Bonds Weg durch die Stadt<br />
zeigt durchaus unterschiedliche Bevölkerungsteile, ist jedoch<br />
wiederum durchsetzt mit den Klischees gängiger Reiseführer.<br />
Zu einem Fakir <strong>und</strong> Schlangenbeschwörer treten kurz darauf<br />
noch der indische Tiger, Elefanten <strong>und</strong> exotische Frauen ins<br />
Licht <strong>und</strong> vervollständigen das Erwartete im allgemeinen Assoziationsnetz.<br />
Die Praxis, durch architektonische Wahrzeichen,<br />
der Reproduktion bekannter Bilder <strong>und</strong> der Kollage von<br />
Symbolen eine Örtlichkeit herzustellen, lässt sich in nahezu<br />
jedem 007-Film wiederfinden. Die Repräsentation des Fremden<br />
reduziert sich damit letztlich auf das Vertraute. Zugespitzt<br />
formuliert: Das Fremde wird durch das Bekannte ersetzt.<br />
Für die Sensibilisierung kultureller Unterschiede <strong>und</strong> die<br />
exemplarische Demonstration interkultureller <strong>Kompetenz</strong>en<br />
bleiben derartige Ausschnitte wenig erhellend. Kritisch ließe<br />
sich vielmehr einwenden, dass die scheinbare Realitätsnähe<br />
der James-Bond-Filme eine Kulturwirklichkeit suggeriert, in<br />
der interkulturelle Missverständnisse weniger relevant werden.<br />
Auch wenn man nicht über die emotionalen, kognitiven<br />
<strong>und</strong> verhaltensbezogenen Schlüsselkomponenten eines Agenten<br />
verfügt, scheinen sich in einer Welt, die faktisch den globalen<br />
Tourismusdestinationen oder exklusiven Wohlstandsräumen<br />
entspricht, fremdkulturelle Kontakte stets reibungslos<br />
zu gestalten.<br />
In dieser Sicht stellen die gezeigten Handlungskontexte letztlich<br />
die Notwendigkeit einer Aneignung jener interkulturellen<br />
<strong>Kompetenz</strong>en in Frage, die über die Person James Bond vordergründig<br />
vermittelt werden.<br />
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in den James-Bond-Filmen<br />
4. Fazit<br />
Die Antwort auf die Frage, inwieweit James Bond interkulturell<br />
kompetent ist <strong>und</strong> die James-Bond-Filme demzufolge<br />
interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> exemplarisch vermitteln, muss angesichts<br />
der aufgezeigten Diskrepanzen <strong>zwischen</strong> den Handlungen<br />
<strong>und</strong> den repräsentierten Handlungskontexten ambivalent<br />
ausfallen.<br />
Unter Berücksichtigung der einen von drei genannten Funktionen<br />
interkultureller <strong>Kompetenz</strong>, des zielorientierten Pragmatismus,<br />
die besonderen Wert auf Zielerreichung legt, ist<br />
James Bond gr<strong>und</strong>sätzlich eine gewisse interkulturelle <strong>Kompetenz</strong><br />
zuzusprechen. In den meisten Situationen handelt 007<br />
effizient <strong>und</strong> zielorientiert. Damit geht aber auch einher, dass<br />
er seinen anderskulturellen Interaktionspartnern nicht mehr<br />
als das notwendige Maß an Interesse <strong>und</strong> Entgegenkommen<br />
erweist. Streng genommen profitiert nur Bond, beziehungsweise<br />
die „Auftragserfüllung“ im Namen der Queen (<strong>und</strong><br />
England), von seiner interkulturellen <strong>Kompetenz</strong>. Es handelt<br />
sich also meist um asymmetrische Konstellationen, bei denen<br />
Bond eine dominante <strong>und</strong> beherrschende Rolle einnimmt. Die<br />
Interessen <strong>und</strong> Bedürfnisse der anderskulturellen Interaktionspartner<br />
werden nicht entsprechend berücksichtigt, wie<br />
es die zweifelhafte Aufrichtigkeit hinter seiner Empathie <strong>und</strong><br />
seinem Interesse vermuten lässt. Insofern werden weder die<br />
Funktion des gesellschaftlichen Humanismus noch die der<br />
individuellen Weiterentwicklung berücksichtigt.<br />
Bezüglich der geforderten Eigenschaften <strong>und</strong> Fähigkeiten<br />
(Komponenten) interkultureller <strong>Kompetenz</strong> weist 007 den<br />
Großteil der vor allem kognitiven – wie Kenntnis der politischen,<br />
sozialen, wirtschaftlichen <strong>und</strong> Systeme, Fremdsprachenkenntnisse,<br />
Selbstkenntnis – <strong>und</strong> verhaltensbezogenen<br />
Komponenten – wie Fähigkeit, Kenntnisse <strong>und</strong> Fremdsprachen<br />
anzuwenden, Kommunikationsfähigkeit, Flexibles Verhalten,<br />
Selbstdisziplin – auf <strong>und</strong> findet in den meisten Situationen<br />
das Maß <strong>zwischen</strong> Effektivität <strong>und</strong> Angemessenheit.<br />
Lediglich bei den zentralen, von sozialer <strong>Kompetenz</strong> geprägten,<br />
persönlichen emotionalen Komponenten fällt Bond zurück:<br />
Eigenschaften wie Ambiguitätstoleranz, Frustrationstoleranz,<br />
Flexibilität <strong>und</strong> eine gewissen Rollendistanz sind ihm<br />
sicherlich zuzuschreiben, nicht jedoch Empathie, Offenheit,<br />
wertfreie Haltung oder gar Polyzentrismus (vgl. Abb. 2).<br />
17 © Interculture Journal 2011 | 14
Barmeyer / Scheffer: Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> <strong>und</strong> Fremdheitsdarstellungen<br />
in den James-Bond-Filmen<br />
Emotional<br />
<strong>Ein</strong>stellungen, Werte, Sensibilität<br />
• Empathie -<br />
• Offenheit -<br />
• Flexibilität +<br />
• Respekt -<br />
• Rollendistanz O<br />
• Wertfreie Haltung -<br />
• Polyzentrismus -<br />
• Ambiguitätstoleranz +<br />
• Frustrationstoleranz +<br />
Kognitiv<br />
Begriffe, Wissen, Verständnis<br />
• Kenntnis der politischen,<br />
sozialen <strong>und</strong> wirtschaftlichen<br />
Systeme +<br />
• Kenntnis von Kulturdimensionen<br />
<strong>und</strong><br />
Kulturstandards O<br />
• Fremdsprachenkenntnisse<br />
+<br />
• Selbstkenntnis O<br />
Abb. 2: Schlüsselkomponenten interkultureller <strong>Kompetenz</strong> bei James Bond<br />
(Legende: + = ausgeprägt, O = neutral, - = schwach ausgeprägt)<br />
Wenn die James-Bond-Reihe damit unterm Strich einen Protagonisten<br />
beschreibt, der seiner Vorbildfunktion zumindest<br />
in Teilen gerecht wird, relativiert sich die interkulturelle Bedeutung<br />
der Filme insgesamt durch einseitige Fremdheitsrepräsentationen.<br />
Der Zuschauer bekommt interkulturelle<br />
<strong>Kompetenz</strong> auf der Gr<strong>und</strong>lage oberflächlicher Fremdheitskonstrukte<br />
vorgelebt, wobei ihm die tieferliegenden Differenzen<br />
<strong>zwischen</strong> Kollektiven hinter den exklusiven Bildern des<br />
Filmes stets vorenthalten bleiben. Vergegenwärtigt man sich<br />
die Wirkmacht filmischer Darstellungen in ihrem <strong>Ein</strong>fluss auf<br />
das individuelle Weltbild (Aitken / Dixon 2006, Lukinbeal<br />
2004) <strong>und</strong> die globale Verbreitung der James-Bond-Filme im<br />
Besonderen, von denen die Hälfte der Weltbevölkerung nach<br />
Schätzungen mindestens einen kennen soll (Chapman<br />
2007:13), so unterstützen die Filme interkulturelle Bildung<br />
nur sehr bedingt: Sie wecken zwar Neugier auf die Exotik der<br />
Fremde, dies jedoch um den Preis einer radikalen Ausblendung<br />
<strong>und</strong> Entproblematisierung jener Interaktionssituationen,<br />
die den globalen Alltag unser Zeit tatsächlich bestimmen. Auf<br />
dieser schiefen Gr<strong>und</strong>lage können Eigenschaften wie Empathie,<br />
Wertfreiheit, Offenheit oder spezifisches Kulturwissen<br />
kaum transportiert <strong>und</strong> interkulturelle <strong>Kompetenz</strong>en letztlich<br />
schwer angebahnt werden.<br />
Gegenwärtig <strong>und</strong> wohl auch zukünftig scheinen sowohl die<br />
Vermittlung von fremdkulturellen Kontexten als auch die<br />
Demonstrationen interkulturell kompetenten Verhaltens in<br />
der Serie noch stärker in den Hintergr<strong>und</strong> zu treten. Während<br />
im erwähnten Film „Man lebt nur zweimal“ noch Ian<br />
Flemings Sympathie <strong>und</strong> Faszination für die Kultur Japans<br />
durchscheint (Lycett 2009), in der Bond respektvoll <strong>und</strong> sensibel<br />
agiert, werden in den folgenden Filmen sowohl Kulturrepräsentationen<br />
oberflächlicher als auch interkulturelle Be-<br />
© Interculture Journal 2011 | 14 18<br />
Verhaltensbezogen<br />
Fähigkeiten, Eignungen, Handeln<br />
• Fähigkeit, die kognitiven<br />
Kenntnisse anzuwenden +<br />
• Kommunikationsfähigkeit +<br />
• Fähigkeit, Sprachkenntnisse in<br />
die Praxis umzusetzen +<br />
• Fähigkeit zur Metakommunikation<br />
O<br />
• Flexibles Verhalten O<br />
• Selbstdisziplin +
Barmeyer / Scheffer: Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> <strong>und</strong> Fremdheitsdarstellungen<br />
in den James-Bond-Filmen<br />
gegnungen seltener. Die Filme mit Pierce Brosnan <strong>und</strong><br />
schließlich mit Daniel Craig eignen sich mangels fremdkultureller<br />
Darstellungen kaum noch für die Analyse interkultureller<br />
Begegnungen.<br />
Kann sich die Serie ansonsten rühmen, aktuelle Fragen unserer<br />
Zeit oft sehr realitätsnah <strong>und</strong> weitblickend aufzugreifen,<br />
so will die verkürzte <strong>und</strong> zuletzt gänzlich vernachlässigte Beschäftigung<br />
mit kultureller Alterität gar nicht ins Bild passen.<br />
Zählt doch die Auseinandersetzung mit kulturellen Unterschieden<br />
einer global interagierenden Weltgesellschaft zu den<br />
zentralen Fragen der Gegenwart. Insofern ist zu hoffen, dass<br />
die Filmfigur James Bond der Zukunft wieder interkulturell<br />
kompetenter begegnet <strong>und</strong> die Kulturrepräsentationen selbst<br />
eine adäquatere <strong>und</strong> intensivere Darstellung erfahren. Dies<br />
würde die Serie nicht nur von den anderen Actionhelden-<br />
Verfilmungen der Moderne unterscheiden, sondern würde sie<br />
auch aus interkultureller Perspektive im Jetzt verorten <strong>und</strong><br />
nicht in der Vergangenheit eines post-kolonialen Englands<br />
verstauben lassen.<br />
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1<br />
Quelle: http://www.rankaholics.de/w/die+erfolgreichsten+<br />
kino-serien_1850?addfav<br />
2 Dieser Beitrag basiert auf einer Lehrveranstaltung zu James<br />
Bond Filmen, die die beiden Autoren an der Universität Passau<br />
durchführen <strong>und</strong> auf einem Referats- <strong>und</strong> Hausarbeitsthema,<br />
das von den Studierenden Jonas Lang, Julius Schindler<br />
<strong>und</strong> Karin Müller bearbeitet wurde.<br />
3 Anglisten, Cultural Studies, Filmwissenschaftler, Geographen,<br />
Historiker, Interkulturalisten, Kommunikationswissenschaftler,<br />
Kulturwissenschaften, Literaturwissenschaftler, Musikwissenschaftler,<br />
Ökonomen, Physiker Politikwissenschaftler,<br />
Soziologen.<br />
Allein in den vergangenen Jahren wurden mehrere internationale<br />
wissenschaftliche James-Bond Kongresse durchgeführt:<br />
2003: „Ian Fleming and James Bond. The cultural politics of<br />
007“, Indiana University of Bloomington, USA; 2006:<br />
„Warten auf Bond“ Universität Bochum <strong>und</strong> Dortm<strong>und</strong>;<br />
© Interculture Journal 2011 | 14 22
Barmeyer / Scheffer: Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> <strong>und</strong> Fremdheitsdarstellungen<br />
in den James-Bond-Filmen<br />
2007: „James Bond (2)007. Histoire culturelle et enjeux esthétiques<br />
d‘une saga populaire“, Université Nanterre et Versailles<br />
Paris, Bibliothèque Nationale de France; 2009: „The<br />
Cultures of James Bond“, Universität des Saarlandes.<br />
4 Allerdings wird Ian Flemings Verlobte Monique Panchaud de<br />
Bottens in den Romanen zu James Bonds Mutter.<br />
5<br />
„Man lebt nur zweimal“, „GoldenEye“, „Der Morgen stirbt<br />
nie“, „Octopussy“, „Der Hauch des Todes“, „Der Spion, der<br />
mich liebte“.<br />
23 © Interculture Journal 2011 | 14
© Interculture Journal 2011 | 14 24
Die organisierende Funktion<br />
von <strong>Kompetenz</strong> – Entwurf<br />
eines zwei-Ebenen-Modells<br />
interkultureller <strong>Kompetenz</strong><br />
[The Organizing Function<br />
of Competence – Layout<br />
of a Two-Level-Model of<br />
Intercultural Competence]<br />
B. Alexander Dauner<br />
Dipl.-Päd., wissenschaftlicher Mitarbeiter,<br />
Universität Duisburg-Essen<br />
Dauner: Die organisierende Funktion von <strong>Kompetenz</strong> – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller<br />
<strong>Kompetenz</strong><br />
Abstract [English]<br />
In this paper a two-level-model of intercultural competence is<br />
developed in order to offer a basis for describing and explaining<br />
interculturally competent behaviour. Cognitive, affective<br />
and behavioural resources (knowledge, attitudes, skills etc.)<br />
constitute the first level of this model of competence. However,<br />
in this paper the claim is made that competence cannot<br />
only be explained by these components, but that processes<br />
are involved which organize and control how these components<br />
are applied, how they interact and how they are further<br />
developed. These processes constitute the second level of the<br />
model.<br />
On the basis of this model, a concept of intercultural competence<br />
is proposed, assuming that intercultural encounters are<br />
determined by both an essentialist and a constructivistprocedural<br />
<strong>und</strong>erstanding of culture.<br />
Keywords: intercultural competence, cross-cultural competence,<br />
competence research, culture<br />
Abstract [Deutsch]<br />
Um interkulturell kompetentes Handeln beschreiben <strong>und</strong> erklären<br />
zu können, entwickelt der Autor ein Zwei-Ebenen-<br />
Modell interkultureller <strong>Kompetenz</strong>. Die erste Ebene des <strong>Kompetenz</strong>modells<br />
bilden kognitive, affektive <strong>und</strong> verhaltensbezogene<br />
Ressourcen (Wissen, <strong>Ein</strong>stellungen, Fähigkeiten etc.).<br />
Es wird argumentiert, dass sich <strong>Kompetenz</strong> aber nicht allein<br />
über diese Komponenten fassen lässt, sondern auf Prozesse<br />
zurückgegriffen werden muss, die die Anwendung, das Zusammenwirken<br />
<strong>und</strong> die Weiterentwicklung dieser Komponenten<br />
steuern <strong>und</strong> kontrollieren. Die Prozesse bilden die<br />
zweite Ebene des Modells, eine Meta-Ebene.<br />
Auf Gr<strong>und</strong>lage dieses Modells wird weiterhin ausgeführt, was<br />
unter interkultureller <strong>Kompetenz</strong> verstanden werden kann,<br />
wenn man davon ausgeht, dass interkulturelle Begegnungssituationen<br />
sowohl durch essentialistische als auch durch<br />
konstruktivistisch-prozessuale Kultur-Verständnisse der Handelnden<br />
bestimmt werden.<br />
Stichworte: Interkulturelle <strong>Kompetenz</strong>, <strong>Kompetenz</strong>forschung,<br />
Kulturbegriff<br />
25 © Interculture Journal 2011 | 14
Dauner: Die organisierende Funktion von <strong>Kompetenz</strong> – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller<br />
<strong>Kompetenz</strong><br />
1. <strong>Ein</strong>leitung<br />
Betrachtet man das Handeln von Personen in (inter)kulturellen<br />
Situationen, dann zeigt sich, dass - zunächst einmal<br />
ganz allgemein formuliert - manche Menschen in <strong>und</strong> mit<br />
diesen Situationen besser zurecht kommen als andere. Was<br />
also befähigt diese Menschen dazu, in interkulturellen Situationen<br />
erfolgreich <strong>und</strong> angemessen zu handeln? Das ist die<br />
zentrale Frage, der die Forschung zur interkulturellen <strong>Kompetenz</strong><br />
nachgeht. Interkulturelle <strong>Kompetenz</strong>-Forschung möchte<br />
ergründen, was eine interkulturell kompetente Person weiß,<br />
was sie kann, welche <strong>Ein</strong>stellungen <strong>und</strong> Motivationen sie an<br />
den Tag legt.<br />
Mittlerweile liegen zahlreiche Modelle, Theorien <strong>und</strong> empirische<br />
Bef<strong>und</strong>e vor, die Antworten auf diese Fragen liefern<br />
(Überblicke finden sich z.B. bei Bolten 2007, Scheitza 2007,<br />
Spitzberg <strong>und</strong> Changnon 2009). Weit fortgeschritten ist beispielsweise<br />
die Forschung zur Rolle, die die Intercultural<br />
Sensitivity (Bennett 2004, Hammer 2008) als eine Komponente<br />
interkultureller <strong>Kompetenz</strong>, in interkulturellen Begegnungen<br />
spielt (u.a. Altshuler et al. 2003, Medina-López-Portillo<br />
2004, Jackson 2008).<br />
<strong>Ein</strong> Aspekt, der bisher vergleichsweise wenig Beachtung gef<strong>und</strong>en<br />
hat, ist die Betrachtung des Konstrukts „<strong>Kompetenz</strong>“<br />
(Straub 2007). An dieser Stelle setzt der vorliegende Beitrag<br />
an. Zunächst soll der Blick auf die Konstruktionsweisen von<br />
<strong>Kompetenz</strong> mit ihren Konsequenzen für die Erklärung des<br />
Phänomens „Interkulturelle <strong>Kompetenz</strong>“ gelenkt werden. Im<br />
Anschluss daran wird ein Modell interkultureller <strong>Kompetenz</strong><br />
entworfen, mit dem es möglich ist, weitere Aspekte einzubeziehen,<br />
um so zur Aufklärung der Funktionsweise interkultureller<br />
<strong>Kompetenz</strong> beizutragen.<br />
2. <strong>Kompetenz</strong> - Sammelbegriff oder organisierende<br />
Funktion?<br />
Wick (2009:25) verweist in Bezug auf <strong>Kompetenz</strong> im Allgemeinen<br />
auf einen Aspekt, der auch für die Diskussion interkultureller<br />
<strong>Kompetenz</strong> relevant ist. Betrachtet wird dabei die<br />
Art <strong>und</strong> Weise, wie <strong>Kompetenz</strong> konstruiert wird; gefragt wird<br />
danach, ob es sich um einen Sammelbegriff handelt, mit dem<br />
<strong>Kompetenz</strong>-Komponenten zusammengefasst werden oder ob<br />
<strong>Kompetenz</strong> eine eigenständige Funktion besitzt <strong>und</strong> somit ein<br />
von anderen Konstrukten, wie z.B. Wissen, Fähigkeiten <strong>und</strong><br />
<strong>Ein</strong>stellungen, unterscheidbares Konstrukt darstellt.<br />
© Interculture Journal 2011 | 14 26
Dauner: Die organisierende Funktion von <strong>Kompetenz</strong> – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller<br />
<strong>Kompetenz</strong><br />
2.1 <strong>Kompetenz</strong> als Sammelbegriff<br />
In Ansätzen, die der ersten Gruppe zugeordnet werden können,<br />
wird <strong>Kompetenz</strong> verstanden als ein „Sammelbegriff für<br />
die (Ausprägungen der) Motive, Eigenschaften, Fähigkeiten,<br />
Fertigkeiten, Kenntnisse, Selbstkonzepte, <strong>Ein</strong>stellungen <strong>und</strong><br />
Werte, die die Effektivität einer Person mit der Umwelt bestimmen<br />
[...]“ (Wick 2009:25). Die <strong>Kompetenz</strong> eines Individuums<br />
entspricht der Summe dieser Komponenten <strong>und</strong> ihrer<br />
jeweiligen Ausprägungsgrade. <strong>Kompetenz</strong> steigt also (quasi<br />
automatisch) mit der Zunahme an Wissen, Fähigkeiten / Fertigkeiten,<br />
dem Aufbau adäquater <strong>Ein</strong>stellungen etc.; Inkompetenz<br />
lässt sich zurückführen auf ein Fehlen oder eine mangelhafte<br />
Ausprägung einer oder mehrerer Teilkompetenzen.<br />
Das ist ein Konzept des Konstrukts <strong>Kompetenz</strong>, das auch in<br />
Bezug auf interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> gängig ist. Bolten (2007)<br />
verweist beispielhaft auf die Ansätze von Brislin (1981) <strong>und</strong><br />
Ruben (1976) <strong>und</strong> konstatiert, dass in solchen Modellen<br />
interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> „additiv als Summe verschiedener<br />
Teilkompetenzen“ (Bolten 2007:22) verstanden wird.<br />
Ausschlaggebend für die Klassifizierung eines <strong>Kompetenz</strong>ansatzes<br />
als Sammelbegriff ist, ob ein summatives Verständnis<br />
von <strong>Kompetenz</strong> vorliegt. Dabei spielt es keine Rolle, ob die<br />
Komponenten (unsortiert) in Form von Listen präsentiert werden<br />
oder ob eine Strukturierung der Komponenten stattfindet.<br />
Häufig anzutreffen ist eine Systematisierung der Elemente<br />
- mit unterschiedlichem Zuschnitt der Kategorien <strong>und</strong> variierender<br />
Terminologie - in kognitive / wissensbezogene,<br />
affektive / motivationale <strong>und</strong> verhaltensbezogene Bestandteile<br />
(für Überblicke zu Listen- bzw. Strukturmodellen interkultureller<br />
<strong>Kompetenz</strong> siehe Bolten 2007, Scheitza 2007, Straub<br />
2007).<br />
Die Popularität solcher Modelle in Forschung <strong>und</strong> Praxis lässt<br />
sich darauf zurückführen, dass sie sich (relativ) einfach operationalisieren<br />
lassen (Bolten 2007). Mit den Modellen kann<br />
aber nicht erklärt werden, wie kompetentes Handeln zustande<br />
kommt, also wie <strong>Kompetenz</strong> funktioniert. Dafür sind einige<br />
Punkte in den Modellen nicht ausreichend spezifiziert (siehe<br />
dazu auch Straub, Nothnagel <strong>und</strong> Weidemann 2010:22):<br />
Erstens ist die Auswahl der einzelnen Komponenten in den<br />
jeweiligen Modellen fragwürdig. Sollte z.B. eine Person in einer<br />
interkulturellen Situation erfolgreich <strong>und</strong> angemessen<br />
handeln, ohne dabei auf ausgewählte Komponenten eines<br />
bestimmten Modells zurückzugreifen, handelt sie dann nicht<br />
kompetent? Boltens Fazit in Bezug auf Listenmodelle kann<br />
auf alle Modelle, die mit einem summativen <strong>Kompetenz</strong>begriff<br />
operieren, ausgeweitet werden: Die Zusammenstellung<br />
der Komponenten erscheint beliebig <strong>und</strong> unvollständig (Bol-<br />
27 © Interculture Journal 2011 | 14
Dauner: Die organisierende Funktion von <strong>Kompetenz</strong> – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller<br />
<strong>Kompetenz</strong><br />
ten 2007). Zweitens ist das Verhältnis der (ausgewählten)<br />
Komponenten untereinander nicht hinreichend bestimmt.<br />
(Werden alle Komponenten (immer) benötigt? Oder lassen<br />
sich z.B. einzelne durch andere kompensieren?) Schließlich ist<br />
aus kompetenztheoretischen Überlegungen heraus davon<br />
auszugehen, dass das Vorhandensein von Wissen, Fähigkeiten<br />
<strong>und</strong> den richtigen <strong>Ein</strong>stellungen allein noch nicht zu<br />
kompetentem Handeln führt. Entscheidend ist das „Zusammenspiel“<br />
(Bolten 2007:25) oder Zusammenwirken der Komponenten.<br />
Dieses Zusammenspiel ist ein zentrales Charakteristikum<br />
der Ansätze, die der zweiten Gruppe zugeordnet<br />
werden können.<br />
2.2 <strong>Kompetenz</strong> als organisierende Funktion<br />
In Ansätzen der zweiten Gruppe von <strong>Kompetenz</strong>-Konstrukten<br />
werden Wissensbestandteile, Fähigkeiten, Fertigkeiten, <strong>Ein</strong>stellungen,<br />
Motive etc., eben all das, was als Komponenten<br />
auch in den anderen Ansätzen eingebracht wurde, als Basis<br />
für <strong>Kompetenz</strong> betrachtet. Sie stellen Ressourcen für kompetentes<br />
Handeln dar, aber sie machen noch keine <strong>Kompetenz</strong><br />
aus. „Diese Ressourcen werden durch einen organisierenden<br />
psychischen Mechanismus oder Prozess zusammengefügt,<br />
der die Realisierung zielgerichteter Aktivitäten, sei es durch<br />
Handlung oder Reflexion, ermöglicht [...]“ (Wick 2009:25).<br />
Erst wenn man von einem Zusammenwirken der Komponenten<br />
ausgeht, entfaltet das <strong>Kompetenz</strong>konzept seine Wirkung,<br />
weil <strong>Kompetenz</strong> dann mehr ist als eine Ansammlung von Bestandteilen.<br />
„Auf diese Weise stellt <strong>Kompetenz</strong> ein genuines,<br />
unterscheidbares Konstrukt dar“ (Wick 2009:25).<br />
Das ist ein Konzept von <strong>Kompetenz</strong>, das z.B. im Bereich der<br />
beruflichen <strong>Kompetenz</strong>en Verbreitung gef<strong>und</strong>en hat.<br />
Erpenbeck <strong>und</strong> von Rosenstiel verstehen <strong>Kompetenz</strong> beispielsweise<br />
als „Selbstorganisationsdispostionen“ (Erpenbeck<br />
/ Rosenstiel 2003:XV). Das DeSeCo-Projekt (Defining and<br />
Selecting Key Competencies) der OECD, das sich auf allgemeine<br />
<strong>Kompetenz</strong>en bezieht, die für eine erfolgreiche Teilhabe<br />
am gesellschaftlichen Leben notwendig sind, hebt insbesondere<br />
auf „Reflexion“ als „Kern der Schlüsselkompetenzen“<br />
ab (OECD 2005:10). In Bezug auf interkulturelle <strong>Kompetenz</strong><br />
hat Bolten (2007) einen solchen <strong>Kompetenz</strong>begriff unter<br />
der Bezeichnung „Prozessmodelle“ besprochen.<br />
Um interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> für Forschungs- <strong>und</strong> Bildungszwecke<br />
operationalisieren zu können, bedarf es einer klaren<br />
Vorstellung des Konstrukts. Zu fragen ist also danach, wie die<br />
organisierenden Prozesse, die <strong>Kompetenz</strong> ausmachen, konkretisiert<br />
werden können. <strong>Ein</strong> Rahmenmodell für ein solches<br />
Konzept soll im Folgenden entwickelt werden.<br />
© Interculture Journal 2011 | 14 28
Dauner: Die organisierende Funktion von <strong>Kompetenz</strong> – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller<br />
<strong>Kompetenz</strong><br />
2.3 Zwei-Ebenen-Modell (Tintenfischmodell)<br />
Der Zusammenhang von Ressourcen <strong>und</strong> einer organisierenden<br />
Instanz lässt sich in Analogie zu psychologischen Modellen,<br />
die sich auf die Lösung komplexer Probleme beziehen,<br />
modellieren (Wick 2011). Die Problemlösepsychologie bietet<br />
sich als Bezugspunkt an, da man mit ihr auf theoretisch ausgearbeitete<br />
<strong>und</strong> empirisch f<strong>und</strong>ierte Modelle zurückgreifen<br />
kann, mit denen ein ähnliches, wenn auch spezifischeres <strong>und</strong><br />
weniger umfassendes, Ziel verfolgt wird wie in der <strong>Kompetenz</strong>forschung,<br />
nämlich die Erklärung von erfolgreichem<br />
Handeln bzw. Denken in Bezug auf komplexe, in der Regel<br />
kognitive, Aufgaben. Konkret wird insbesondere auf das Modell<br />
von Dörner (1979) zurückgegriffen, da Dörner den Zusammenhang<br />
von Ressourcen <strong>und</strong> organisierenden Prozessen<br />
deutlich herausarbeitet (Wick 2011).<br />
Dörner vertritt in seiner Psychologie des Problemlösens eine<br />
„2-Ebenen-Hypothese“ (1979:8), mit der er erklärt, wie Individuen<br />
komplexe (kognitive) Probleme lösen. Bei der ersten<br />
Ebene, der so genannten epistemischen Struktur, handelt es<br />
sich um die Wissensstruktur in Bezug auf ein Themen- bzw.<br />
Problemfeld. Die epistemische Struktur umfasst sowohl das<br />
inhaltliche Wissen über einen speziellen Bereich als auch<br />
Kenntnisse über die kognitiven Handlungsmöglichkeiten, die<br />
so genannten Operatoren, in diesem Feld (Dörner 1979:26).<br />
Bei der zweiten Ebene handelt es sich um die so genannte<br />
heuristische Struktur. Die Funktion dieser heuristischen Struktur<br />
ist es, geeignete Operatoren, sprich Handlungskonzepte,<br />
in den Beständen der epistemischen Struktur zu suchen, auszuwählen<br />
<strong>und</strong>, falls keine passenden zur Verfügung stehen,<br />
zu entwickeln (Dörner 1979:8). Diese Ebene „organisiert <strong>und</strong><br />
kontrolliert“ (Dörner 1979:38) dabei die Problemlösungsprozesse.<br />
Ähnlich werden Vorgänge beim komplexen Problemlösen<br />
z.B. auch bei Anderson (2007:289ff.) beschrieben.<br />
Gut verdeutlichen kann man das Gr<strong>und</strong>prinzip des<br />
Zusammenwirkens der beiden Strukturen, mit Hilfe einer Metapher,<br />
die Dörner als „Tintenfischhypothese“ (1979:37) bezeichnet:<br />
Als Bild für die Beziehung der epistemischen <strong>und</strong><br />
heuristischen Struktur dient dabei ein Tintenfisch, der sich an<br />
einem Fischernetz entlang hangelt. Dabei lässt der Tintenfisch<br />
einige Knotenpunkte des Netzes los, hält sich weiterhin an<br />
anderen fest <strong>und</strong> nimmt mit den freien Armen neue Knotenpunkte<br />
auf. Durch den Tintenfisch werden Teile des Netzes<br />
(neu) zusammengeführt. Das Fischernetz repräsentiert in dieser<br />
Analogie die epistemische Struktur, der Tintenfisch die<br />
heuristische. <strong>Ein</strong> heuristischer Prozess greift, wie der Tintenfisch,<br />
auf einige Punkte der epistemischen Struktur (Knotenpunkte<br />
des Netzes) zu, verbindet diese, kombiniert sie - zum<br />
Teil auch neu. Wie jede Analogie hat auch diese Schwächen.<br />
29 © Interculture Journal 2011 | 14
Dauner: Die organisierende Funktion von <strong>Kompetenz</strong> – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller<br />
<strong>Kompetenz</strong><br />
Die relevanteste in diesem Zusammenhang ist, dass in dem<br />
Bild nicht dargestellt werden kann, dass es auch zu den Funktionen<br />
der heuristischen Struktur gehört, die epistemische<br />
Struktur zu erweitern, wenn kein geeignetes Wissen verfügbar<br />
ist. Der Tintenfisch müsste also über eine Möglichkeit verfügen,<br />
das Netz zu verfeinern <strong>und</strong> zu erweitern, also z.B. mit<br />
Strickzeug ausgerüstet werden (Dörner 1979:37). Mit Hilfe<br />
solcher Modellvorstellungen lässt sich eine Vielzahl von Vorgängen<br />
beim Lösen komplexer kognitiver Probleme erklären.<br />
Analog zu diesem Modell kann eine Vorstellung der Funktionsweise<br />
von <strong>Kompetenz</strong> entwickelt werden (Wick 2011):<br />
Die erste Ebene bilden - im Unterschied zur rein kognitiven<br />
epistemischen Struktur in der Psychologie des Problemlösens<br />
<strong>und</strong> im <strong>Ein</strong>klang mit der Erkenntnis der <strong>Kompetenz</strong>forschung,<br />
dass <strong>Kompetenz</strong> sich neben Wissensbestandteilen auch auf<br />
Fähigkeiten, <strong>Ein</strong>stellungen <strong>und</strong> Motive etc. bezieht (Hesse<br />
2008) - kognitive, affektive <strong>und</strong> verhaltensbezogene Elemente.<br />
In diese Struktur aus kognitiven, affektiven <strong>und</strong> verhaltensbezogenen<br />
Komponenten, den Ressourcen, greifen, analog<br />
zur heuristischen Struktur beim kognitiven Problemlösen,<br />
Prozesse ein. Diese bilden die zweite Ebene des Modells.<br />
Ausgerichtet auf die spezifischen Anforderungen von Handlungssituationen,<br />
organisieren, integrieren <strong>und</strong> kontrollieren<br />
diese Prozesse die Nutzung der kognitiven, affektiven <strong>und</strong><br />
verhaltensbezogenen Ressourcen. In Anlehnung an die Psychologie<br />
des Problemlösens kann der Instanz auf der zweiten<br />
Ebene außerdem eine weitere Funktion zugeschrieben werden.<br />
Sie ist neben der Organisation der Ressourcen in der<br />
Handlungsgenese auch für die Weiterentwicklung der Ressourcen-Basis<br />
zuständig. Dies ist insbesondere in jenen Situationen<br />
<strong>und</strong> Fällen relevant, in denen das Individuum nicht<br />
über ausreichend Ressourcen oder auf einem ausreichenden<br />
Niveau verfügt, um adäquat handeln zu können.<br />
Im Sinne des vorgestellten Modells kann <strong>Kompetenz</strong> folgendermaßen<br />
definiert werden: <strong>Kompetenz</strong> soll als Bezeichnung<br />
dienen für die kognitiven, affektiven <strong>und</strong> verhaltensbezogenen<br />
Ressourcen <strong>und</strong> die Prozesse, welche die Nutzung <strong>und</strong><br />
die Weiterentwicklung der Ressourcen in Bezug auf die adäquate<br />
Bewältigung von Anforderungen in <strong>und</strong> durch komplexe<br />
Situationen organisieren <strong>und</strong> kontrollieren (vgl. Wick<br />
2011).<br />
3. Zwei-Ebenen-Modell interkultureller <strong>Kompetenz</strong><br />
Mit dieser Vorstellung von <strong>Kompetenz</strong> steht ein Rahmenmodell<br />
zur Verfügung, mit dem zum einen <strong>Kompetenz</strong> im Allgemeinen<br />
<strong>und</strong> interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> im Speziellen beschrieben<br />
<strong>und</strong> erklärt werden kann. Zum anderen können<br />
© Interculture Journal 2011 | 14 30
Dauner: Die organisierende Funktion von <strong>Kompetenz</strong> – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller<br />
<strong>Kompetenz</strong><br />
durch diesen veränderten Blick auf interkulturelles Handeln<br />
viele Ansätze <strong>und</strong> Erkenntnisse, die bisher unverb<strong>und</strong>en oder<br />
z.T. auch widersprüchlich neben einander zu stehen scheinen,<br />
zusammen geführt werden - ohne dabei die spezifischen Eigenheiten<br />
der einzelnen Ansätze zu ignorieren.<br />
Zugleich kann durch diesen Rückbezug auf bestehende Ansätze,<br />
Modelle <strong>und</strong> Theorien das hier entwickelte Modell<br />
interkultureller <strong>Kompetenz</strong> weiter konkretisiert werden. <strong>Ein</strong>e<br />
weitere Konkretisierung ist geboten, da mit dem Rahmenmodell,<br />
wie es bis hierher entwickelt wurde, zwar ein theoretisches<br />
<strong>und</strong> begriffliches Instrumentarium vorliegt, mit dem die<br />
Gr<strong>und</strong>idee von <strong>Kompetenz</strong> als Prozess beschrieben werden<br />
kann, die Darstellung der stattfindenden Prozesse aber bisher<br />
recht abstrakt verbleibt.<br />
3.1 Die Ebene der kognitiven, affektiven <strong>und</strong> verhaltensbezogenen<br />
Ressourcen interkultureller <strong>Kompetenz</strong><br />
Um in einem zweiten Schritt Prozesse konkretisieren zu können,<br />
bedarf es zunächst einmal einer Betrachtung der Komponenten,<br />
die durch solche Prozesse organisiert werden.<br />
Da das Verständnis von <strong>Kompetenz</strong>, wie es hier entwickelt<br />
wird, nicht in Konkurrenz zu Listen- <strong>und</strong> Strukturmodellen<br />
interkultureller <strong>Kompetenz</strong> steht, sondern diese vielmehr ergänzt,<br />
indem organisierende psychische Prozesse hinzugefügt<br />
– gewissermaßen „aufgesetzt“ –werden, kann bei der<br />
Modellierung der Ressourcen-Ebene auf die Erkenntnisse aus<br />
bestehenden Modellen zurückgegriffen werden. Aus Sicht<br />
dieses Zwei-Ebenen-Modells interkultureller <strong>Kompetenz</strong> beschreiben<br />
die Listen- <strong>und</strong> Strukturmodelle (nur) die Ressourcenebene.<br />
Damit kommen prinzipiell alle Wissensbestandteile,<br />
Fähigkeiten, Fertigkeiten, <strong>Ein</strong>stellungen, Motive usw., die<br />
auch bisher als Bestandteile interkultureller <strong>Kompetenz</strong> betrachtet<br />
wurden, als potentielle Ressourcen in Frage (ein<br />
Überblick über Komponenten aus den Bereichen Skills,<br />
Knowledge <strong>und</strong> Motivation aus der englischsprachigen Literatur<br />
findet sich bei Spitzberg <strong>und</strong> Changnon 2009).<br />
Darüber hinaus lassen sich über diese Konstruktionsweise von<br />
<strong>Kompetenz</strong> viele Erkenntnisse einbinden, die auf den ersten<br />
Blick ohne direkt erkennbare Bezüge nebeneinander zu stehen<br />
scheinen. Maas, Over <strong>und</strong> Mienert (2008) z.B. fassen individuelle<br />
interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> als „Konstruktiver Umgang<br />
mit kultureller Vielfalt“, „Sensibilität für kulturelle <strong>Ein</strong>flüsse“<br />
<strong>und</strong> „Kulturelle Vielfalt respektieren“. Shaftel, Shaftel<br />
<strong>und</strong> Ahluwalia (2007) hingegen heben u.a. auf „openmindedness“<br />
<strong>und</strong> „emotional resilience“ ab. Solche Studien<br />
liefern wichtige Erkenntnisse zu speziellen Fragen bezüglich<br />
31 © Interculture Journal 2011 | 14
Dauner: Die organisierende Funktion von <strong>Kompetenz</strong> – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller<br />
<strong>Kompetenz</strong><br />
interkultureller <strong>Kompetenz</strong>. Es stellt sich aber aus einer kompetenztheoretischen<br />
Sicht die Frage, in welchem Zusammenhang<br />
die Ergebnisse zu einem Gesamt-Konstrukt interkultureller<br />
<strong>Kompetenz</strong> stehen. Wie in anderen empirischen Wissenschaftsgebieten<br />
auch erschweren die hohe Spezifität, sowie<br />
unterschiedliche theoretische Bezüge <strong>und</strong><br />
Operationalisierungen den Blick auf übergreifende Zusammenhänge<br />
<strong>und</strong> Strukturen. Aus Sicht eines zwei-Ebenen-<br />
Modells, wie es hier entwickelt wird, können die untersuchten<br />
Fähigkeiten, <strong>Ein</strong>stellungen etc. als (potentielle) Ressourcen<br />
gelten, die zu gelingendem Handeln beitragen können <strong>und</strong><br />
so in ein umfassenderes Modell interkultureller <strong>Kompetenz</strong><br />
integriert werden.<br />
Vor dem Hintergr<strong>und</strong> einer solchen Vorstellung von <strong>Kompetenz</strong><br />
erscheinen die Erkenntnisse der bisherigen interkulturellen<br />
<strong>Kompetenz</strong>forschung in einem anderen Licht. In Modellen,<br />
die mit einem summativen <strong>Kompetenz</strong>begriff operieren,<br />
wird, ganz allgemein gefasst, davon ausgegangen, dass mehr<br />
<strong>und</strong> besser ausgeprägte Komponenten zu höherer <strong>Kompetenz</strong><br />
führen. Dieser Vorgang kann mit dem Modell der <strong>Kompetenz</strong><br />
als organisierende Funktion differenzierter beschrieben<br />
werden: Mehr verfügbare Komponenten, z.B. mehr Wissen<br />
über eine spezielle Kultur, führen nicht zwangsläufig zu<br />
einem höheren <strong>Kompetenz</strong>niveau, aber das Individuum kann<br />
bei der Generierung adäquater Handlungen auf eine qualitativ<br />
<strong>und</strong> quantitativ weiter entwickelte Ressourcen-Basis zugreifen,<br />
wodurch die Wahrscheinlichkeit auf gelingendes<br />
Handeln steigt; der Tintenfisch – um das Bild aufzugreifen –<br />
hat mehr <strong>und</strong> stabilere Knotenpunkte, die er aufnehmen <strong>und</strong><br />
miteinander verbinden kann.<br />
3.2 Die Prozess-Ebene: Organisierende Prozesse <strong>und</strong><br />
ihre Funktionen<br />
<strong>Kompetenz</strong> im Sinne des Modells bedeutet allgemein zunächst<br />
einmal Organisation der kognitiven, affektiven <strong>und</strong><br />
verhaltensbezogenen Ressourcen im Prozess der Handlungsgenese.<br />
Anhand eines fiktiven Beispiels lassen sich die Prozesse<br />
in ihren Gr<strong>und</strong>zügen veranschaulichen.<br />
Stephanie macht nach Abschluss ihres Studiums ein Praktikum<br />
bei einer Firma in Japan. Sie hat eine Idee zur Lösung<br />
eines Problems, das in dem Projekt aufgetreten ist, an dem<br />
sie mitarbeiten darf. Wie könnte die Genese einer kompetenten<br />
Handlung in einer solchen Anforderungssituation aussehen?<br />
Stephanie ist sich ihrer niedrigen Stellung als „Junior“<br />
(Kouhai) innerhalb der Gruppe bewusst (Selbst-<br />
Wahrnehmung in Verbindung mit konkretem kulturspezifischen<br />
Wissen), sie weiß, dass das Kommunikationsverhalten<br />
von vielen Japanern als indirekt, kollektivistisch <strong>und</strong><br />
© Interculture Journal 2011 | 14 32
Dauner: Die organisierende Funktion von <strong>Kompetenz</strong> – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller<br />
<strong>Kompetenz</strong><br />
Harmonie-wahrend charakterisiert werden kann (kulturspezifische<br />
Wissensbestandteile). Sie weiß auch, dass ein<br />
direkt vorgebrachter Veränderungsvorschlag erstens als Kritik<br />
an der bisherigen Arbeit des Teams aufgefasst werden kann,<br />
da viele Japaner stärker kontextorientiert kommunizieren, also<br />
auch <strong>zwischen</strong> den Zeilen „hören“ (kulturelles Wissen),<br />
<strong>und</strong> zweitens zu Kommunikationsproblemen führen kann, da<br />
mit der Ablehnung der Idee einer Person auch Kritik an der<br />
Person bzw. ihrer Urteilsfähigkeit verb<strong>und</strong>en ist <strong>und</strong> somit der<br />
Gr<strong>und</strong>satz der Wahrung der Harmonie verletzt werden kann<br />
(kulturelles Wissen). Hinzu kommen affektive Ressourcen.<br />
Stephanie besitzt genügend Offenheit, die von ihr wahrgenommenen<br />
kulturellen Unterschiede zu akzeptieren. Da sie<br />
darüber hinaus auch über ausreichend Frustrationstoleranz<br />
verfügt, damit leben zu können, „ihre eigene“ Idee nicht explizit<br />
als ihr „geistiges Eigentum“ gekennzeichnet einbringen<br />
zu müssen (<strong>Ein</strong>stellungen), eröffnet sich für sie die Möglichkeit,<br />
ihre Idee indirekt zu platzieren. Ihren Vorschlag formuliert<br />
sie also nicht als ihre eigene Idee, sondern behauptet, sie<br />
habe gehört, dass eine andere Firma das so machen würde.<br />
Ihre Idee wird vom Team aufgegriffen, weiterentwickelt <strong>und</strong><br />
umgesetzt. Zur Generierung der Handlung „indirekter Vorschlag“<br />
griff die organisierende Instanz, die sich über den Tintenfisch<br />
verbildlichen lässt, auf ausreichend viele kognitive,<br />
affektive <strong>und</strong> verhaltensbezogene Ressourcen zu <strong>und</strong> konnte<br />
diese in Bezug auf die Anforderungssituation sinnvoll zusammenführen.<br />
<strong>Kompetenz</strong> zeigt sich in einem solchen Fall darin, dass es dem<br />
organisierenden Mechanismus gelingt, in Bezug auf die speziellen<br />
Anforderungen <strong>und</strong> Gegebenheiten einer konkreten<br />
Situation Wissensbestände, <strong>Ein</strong>stellungen <strong>und</strong> Fähigkeiten<br />
auszuwählen, auf die Situation anzupassen <strong>und</strong> in Verbindung<br />
zueinander zu setzen. Weitergehend kann (interkulturelle)<br />
<strong>Kompetenz</strong> in Anlehnung an die Konzepte der allgemeinen<br />
Metakognition bei Flavell (1979) <strong>und</strong> der Fortschreibung<br />
als kulturelle Metakognition bei D.C. Thomas et al.<br />
(2008) verstanden werden als eine Metafunktion zur Steuerung<br />
<strong>und</strong> Regulation der Handlungen i.w.S. sowie zur Überwachung<br />
<strong>und</strong> Kontrolle der dabei stattfindenden Abläufe <strong>und</strong><br />
Erreichung des Handlungszieles (siehe auch Weinert<br />
2001:54ff.). Die Vorstellung von interkultureller <strong>Kompetenz</strong><br />
als Ressourcenbasis, bestehend aus kognitiven, affektiven <strong>und</strong><br />
verhaltensbezogenen Komponenten <strong>und</strong> einer steuernden<br />
<strong>und</strong> kontrollierenden Organisationsinstanz, bietet Erklärungsmöglichkeiten<br />
für eine Reihe von Phänomenen, die, insbesondere<br />
mit Komponenten-Modellen, nicht oder nur unzureichend<br />
abgebildet <strong>und</strong> erklärt werden können, z.B. der<br />
Transfer von Komponenten aus einem Kontext heraus auf<br />
33 © Interculture Journal 2011 | 14
Dauner: Die organisierende Funktion von <strong>Kompetenz</strong> – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller<br />
<strong>Kompetenz</strong><br />
andere (siehe z.B. Barmeyer / Laue 2010) oder die „Kompensation“<br />
von fehlenden Komponenten (siehe z.B. D. C. Thomas<br />
et al. 2008).<br />
Soeben wurde ausgeführt, dass kompetentes Handeln entsteht,<br />
wenn es dem Individuum gelingt, kognitive, affektive<br />
<strong>und</strong> verhaltensbezogene Ressourcen zusammenzuführen.<br />
Dieses Zusammenführen, das Zusammenspiel der Komponenten<br />
ist jedoch als ein komplexer <strong>und</strong> damit auch störanfälliger<br />
Prozess zu verstehen – u.a. weil die vorhandenen Komponenten<br />
in Bezug auf die Anforderungen der jeweiligen Situation<br />
aktualisiert werden müssen (vgl. Straub, Nothnagel <strong>und</strong> Weidemann<br />
2010:22f.). Um ein erfolgreiches Zusammenspiel zu<br />
ermöglichen, muss die organisierende Instanz also weitere<br />
Leistungen erbringen. Auf einige dieser Funktionen wird im<br />
Folgenden näher eingegangen.<br />
3.2.1 Funktion Anwendung auf konkrete Situationen<br />
<strong>Ein</strong>e Funktion bezieht sich auf die Anwendung der Komponenten<br />
auf die konkrete Situation in ihrer Besonderheit <strong>und</strong><br />
<strong>Ein</strong>maligkeit. Weidemann beschreibt dieses Gr<strong>und</strong>problem<br />
treffend, indem der darauf hinweist, dass sich interkulturelle<br />
<strong>Kompetenz</strong> auf „die Fähigkeit zum Umgang mit Unbekanntem,<br />
über das sich per definitionem im Vorfeld kein kontextspezifisches<br />
Wissen aneignen lässt, sondern das [...] in situ<br />
erschlossen werden kann <strong>und</strong> muss“ (Weidemann 2010:489),<br />
bezieht. Gut veranschaulichen lässt sich der Vorgang anhand<br />
der kognitiven Komponenten. Unabhängig davon, ob Wissen<br />
über andere Kulturen in Form von mehr oder weniger<br />
abstrakten Kulturbeschreibungen, wie in Kulturstandards (A.<br />
Thomas 1996), Kulturdimensionen (Hofstede 2003), Dichten<br />
Beschreibungen (Geertz 1973) etc. oder in Form von konkretem<br />
Erfahrungswissen vorliegt, die Herausforderung in einer<br />
Anwendungssituation besteht darin, das Wissen auf die aktuelle<br />
Situation mit ihren Gegebenheiten <strong>und</strong> Anforderungen<br />
zu beziehen. Kompetentes Handeln wird erst durch die Verbindung<br />
von Kenntnissen (hier: über andere Kulturen) <strong>und</strong><br />
der Fähigkeit, die Kenntnisse auf konkrete Situationen beziehen<br />
zu können, ermöglicht. Interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> zeigt<br />
sich also z.B. nicht bereits darin den japanischen Kulturstandard<br />
„Konsensorientierung“ (Petzold et al. 2005) zu kennen,<br />
sondern setzt zumindest voraus, Konsensorientierung im tatsächlich<br />
praktizierten Handeln, also in ihren jeweiligen Varianten<br />
<strong>und</strong> Spielformen identifizieren zu können. <strong>Ein</strong>e zentrale<br />
Herausforderung für die interkulturell Handelnden ist die<br />
Anwendung der Komponenten auf die konkrete Situation mit<br />
ihren Spezifika.<br />
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Dauner: Die organisierende Funktion von <strong>Kompetenz</strong> – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller<br />
<strong>Kompetenz</strong><br />
Mit dem Modell der <strong>Kompetenz</strong> als Ressourcenbasis <strong>und</strong> einer<br />
organisierenden Instanz können solche Vorgänge differenziert<br />
erfasst <strong>und</strong> analysiert werden. Über die Beschaffenheit<br />
der Ressourcen hinaus ist dann zu fragen, inwieweit eine<br />
Person auch über die notwendigen Fähigkeiten zur Steuerung,<br />
hier konkret zur Applikation der Komponenten in Bezug<br />
auf die konkrete Situation, verfügt.<br />
3.2.2 Funktion „korrekte“ Anwendung<br />
Vorausgehend wurde argumentiert, dass das situative Anwenden<br />
von Komponenten als eine Funktion der organisierenden<br />
Instanz betrachtet werden kann. Inkompetentes Handeln<br />
kann also auf eine mangelnde Komponentenausstattung<br />
oder unzureichende Steuerung zurückzuführen sein. <strong>Ein</strong> Spezialfall<br />
der unzureichenden Steuerung, nämlich „fehlerhafte“<br />
Steuerung, bedarf genauerer Betrachtung.<br />
Man stelle sich die Praktikantin Stephanie mit all den beschriebenen<br />
Ressourcen beim Ausgehen mit gleichaltrigen<br />
japanischen Bekannten vor. Ihr indirekt vorgebrachter Vorschlag<br />
in Kneipe xy weiter zu feiern, geht schlicht <strong>und</strong> einfach<br />
unter. Der organisierende Mechanismus hat auf die gleichen<br />
Ressourcen zugegriffen, wie beim Vorschlag im Projektteam<br />
(Indirektheit, Kontextorientierung, Kollektivismus etc.). Erklärt<br />
werden kann eine solche Situation über Verallgemeinerungsfehler<br />
in dem Sinn, dass es u.a. signifikante intergenerationelle<br />
Unterschiede in Japan z.B. in Bezug auf<br />
Kollektivimus <strong>und</strong> Individualismus gibt, diese aber nicht berücksichtigt<br />
wurden. Junge Japaner sind weniger kollektivistisch<br />
orientiert als der gesamtgesellschaftliche Durchschnitt<br />
<strong>und</strong> somit auch stärker individualistisch, als eine stereotypische<br />
Sichtweise nahelegt (Matsumoto 2002:37ff.). Das Problem<br />
ist nicht, dass keine Ressourcen vorhanden wären, sondern<br />
dass – bezogen auf die konkrete Situation <strong>und</strong> deren<br />
spezifische Anforderungen – die „falschen“ Komponenten<br />
aktiviert wurden, noch treffender, die Komponenten „falsch“<br />
aktiviert wurden. Die Nutzung des vorhandenen Wissens etc.<br />
war nicht auf die konkreten Anforderungen der Situation abgestimmt.<br />
Dieser Fall verdeutlicht noch einmal aus einer anderen Perspektive,<br />
warum mit einem summativen <strong>Kompetenz</strong>verständnis,<br />
kompetentes oder inkompetentes Handeln nicht hinreichend<br />
erklärt werden kann. Legt man ein (beliebiges) Modell,<br />
das mit einem summativen <strong>Kompetenz</strong>begriff arbeitet, an,<br />
dann erscheint eine Person, die über einen ausgeprägten<br />
F<strong>und</strong>us an kulturellem Wissen, <strong>Ein</strong>stellungen, Fähigkeiten etc.<br />
verfügt, als kompetent. Da inadäquate Handlungen zum Teil<br />
nicht durch das Fehlen von Komponenten verursacht werden<br />
(auch nicht durch das Fehlen einer steuernden / organisieren-<br />
35 © Interculture Journal 2011 | 14
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<strong>Kompetenz</strong><br />
den Funktion), sondern, wie im Beispiel, durch falsche Anwendung<br />
der Komponenten, empfiehlt es sich Vorgänge, die<br />
sich auf die Anwendung der Komponenten beziehen, in das<br />
<strong>Kompetenz</strong>konstrukt zu integrieren. 1<br />
Zur theoretischen <strong>und</strong> empirischen F<strong>und</strong>ierung kann man an<br />
dieser Stelle auf die Stereotypisierungsforschung zurückgreifen,<br />
da diese u.a. Prozesse der Kategorisierung von Individuen<br />
<strong>und</strong> unzutreffender Generalisierungen thematisiert. Stereotypisierung<br />
umfasst nach Tajfel (1969) die drei Prozesses Kategorisierung,<br />
Generalisierung <strong>und</strong> Akzentuierung (Jonas /<br />
Schmid Mast 2007). Im Prozess der Kategorisierung werden<br />
Individuen einer Kategorie zugeordnet. <strong>Ein</strong>zelne Personen<br />
werden z.B. als Deutsche, als Japaner etc. wahrgenommen.<br />
Im Prozess der Generalisierung werden den Personen einer<br />
Kategorie gemeinsame Merkmale zugeschrieben. Schneider<br />
(2005) erkennt darin das zentrale Merkmal von Stereotypen<br />
<strong>und</strong> definiert demgemäß: „Stereotypes are qualities perceived<br />
to be associated with particular groups or categories of<br />
people“ (Schneider 2005:24). Der dritte Prozess bezieht sich<br />
auf die Akzentuierung der wahrgenommenen Merkmale einer<br />
Gruppe (Jonas / Schmid Mast 2007:72). Stereotypen können<br />
in diesem Sinn als „unjustified generalizations“ (Schneider<br />
2005:42) verstanden werden. Das inkompetente Verhalten<br />
der Praktikantin im Beispiel lässt sich mit Hilfe der Akzentuierung<br />
<strong>und</strong> den daraus resultierenden ungerechtfertigten<br />
Verallgemeinerungen erklären. Existierende Unterschiede<br />
wurden unzulässig verallgemeinert <strong>und</strong> auf Kollektive <strong>und</strong><br />
Individuen transferiert, auf welche die angenommenen<br />
Merkmale nur eingeschränkt oder nicht zutreffen.<br />
Im Anschluss an die Psychologie der Stereotypisierung lässt<br />
sich ein Teil der Prozesse, die <strong>Kompetenz</strong> ausmachen, deutlicher<br />
fassen. Dabei können die Stereotypisierung <strong>und</strong> das<br />
kompetente Organisieren der Ressourcen als zwei Seiten des<br />
gleichen Vorgangs verstanden werden. Während Stereotypisierung<br />
den einen Fall, nämlich zu <strong>und</strong>ifferenzierte Kategorisierung,<br />
unangemessene Generalisierung etc., behandelt,<br />
kann mit der Umkehrung der Vorgänge die Organisationsfunktion<br />
der <strong>Kompetenz</strong> näher beschrieben werden. <strong>Kompetenz</strong><br />
lässt sich demgemäß u.a. ausmachen in der meta-<br />
Fähigkeit, die kognitiven, affektiven <strong>und</strong> verhaltensbezogenen<br />
Ressourcen angemessen, im Sinne von nichtstereotypisierend,<br />
den situativen Gegebenheiten <strong>und</strong> Anforderungen<br />
gemäß, anzuwenden. Anders formuliert heißt dies:<br />
Kompetent ist nicht unbedingt, wer kulturelle Eigenheiten<br />
einer gegebenen Kultur kennt <strong>und</strong> anderskulturelle kommunikative<br />
Handlungen, wie Begrüßungsformen, beherrscht,<br />
sondern diejenige Person, die darüber hinaus über die (Meta-<br />
)Fähigkeit verfügt, die Anwendung der Komponenten adä-<br />
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Dauner: Die organisierende Funktion von <strong>Kompetenz</strong> – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller<br />
<strong>Kompetenz</strong><br />
quat zu steuern, um z.B. entscheiden zu können, wann, auf<br />
wen, wie diese Komponenten angemessen angewendet werden<br />
können.<br />
3.2.3 Interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> unter den Bedingungen<br />
des dualen Kultur-Diskurses<br />
Mit der vorausgegangen beschriebenen Funktion liegt ein<br />
Konzept vor, mit dem sich auch das Verhältnis der beiden<br />
Konstrukte „Interkulturelle <strong>Kompetenz</strong>“ <strong>und</strong> „Kultur“ neu<br />
bestimmen lässt. Dazu muss aber zunächst einmal der Kulturbegriff<br />
genauer betrachtet werden.<br />
Mit einem Modell interkultureller <strong>Kompetenz</strong> sind auch - explizit<br />
oder implizit - Aussagen über das zu Gr<strong>und</strong>e liegende<br />
<strong>Kompetenz</strong>verständnis verb<strong>und</strong>en. Was unter Kultur zu verstehen<br />
sei, wird in den einzelnen Ansätzen unterschiedlich<br />
beantwortet, die Diskussion über den (angemessenen) Kulturbegriff<br />
dabei zuweilen vehement geführt (Rathje 2006).<br />
Löst man sich von den einzelnen Ansätzen mit ihren Spezifika<br />
<strong>und</strong> betrachtet dafür die gr<strong>und</strong>legenden Verständnisse von<br />
Kultur, dann lassen sich in den Sozialwissenschaften im Allgemeinen<br />
wie auch im Feld der interkulturellen Kommunikation<br />
<strong>und</strong> <strong>Kompetenz</strong> zwei Gr<strong>und</strong>verständnisse von Kultur<br />
ausmachen (Baumann 1999, Moosmüller 2004, Otten / Geppert<br />
2009).<br />
Im ersten Konzept bezieht sich Kultur auf eine irgendwie geartete<br />
Gleichheit des Denkens, Fühlens, Wahrnehmens oder<br />
Verhaltens von Mitgliedern bestimmter Gruppen (Hansen<br />
2003). „Kultur ist eine tradierte Struktur, sie ist den Menschen<br />
gegeben <strong>und</strong> prägt ihr Wahrnehmen, Denken <strong>und</strong><br />
Handeln [...]“ (Moosmüller 2004:61). Anschaulich charakterisiert<br />
<strong>und</strong> problematisiert zugleich Baumann diese Sichtweise:<br />
„Culture [...] appears as a mold that shapes lives or, to put it<br />
somewhat polemically, as a giant photocopy machine that<br />
keeps turning out identical copies“ (Baumann 1999:25). Entsprechend<br />
dieses Verständnisses von Kulturen können solche<br />
Ansätze als „essentialistisch“ bezeichnet werden (Baumann<br />
1999:24, Moosmüller 2004:60). Essentialistische Vorstellungen<br />
von Kultur sind im Feld der interkulturellen Kommunikation<br />
(Moosmüller 2004) wie auch im Alltag (Baumann 1999)<br />
weit verbreitet. Beispielsweise zeigt Moosmüller (2004) auf,<br />
dass die Kulturbegriffe, wie sie von Hall oder Hofstede verwendet<br />
werden, einer solchen Kategorie zugerechnet werden<br />
können.<br />
Dem gegenüber stehen Kulturverständnisse, die u.a. in kritischer<br />
Abgrenzung zu einem essentialistischen Verständnis<br />
entstanden sind. Moosmüller führt aus,<br />
37 © Interculture Journal 2011 | 14
Dauner: Die organisierende Funktion von <strong>Kompetenz</strong> – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller<br />
<strong>Kompetenz</strong><br />
„[...] ,dass sich die Auffassungen von Kultur bzw. vom Verhältnis <strong>zwischen</strong><br />
Individuum <strong>und</strong> Kultur in neuer Zeit gr<strong>und</strong>legend gewandelt haben. Im<br />
Unterschied zu klassischen [...] Ideen, wonach das Individuum als eine Art<br />
Automat präformierte Regeln umsetzt, wird es heute als Gestalter seiner<br />
sozialen Umwelt gesehen [...]. Mit 'Kultur' werden keine uranfänglich gegebenen,<br />
abgrenzbaren, geschlossenen, homogenen Entitäten mehr gemeint,<br />
sondern konstruierte, fluide, unscharfe <strong>und</strong> in sich widersprüchliche<br />
Phänomene [...]." (Moosmüller 2004:47)<br />
Gr<strong>und</strong>legend für solche nicht-essentialistischen Kulturbegriffe<br />
ist die Erkenntnis, dass „Kultur“ für die jeweiligen Gruppen<br />
<strong>und</strong> für die <strong>Ein</strong>zelnen nicht per se gegeben ist, sondern konstruiert<br />
wird <strong>und</strong> durch die handelnden Akteure erst hervorgebracht<br />
wird.<br />
„Culture in this second <strong>und</strong>erstanding, which may be called the processual,<br />
is not so much a photocopy machine as a concert, or indeed a historically<br />
improvised jam session. It only exists in the act of being performed,<br />
and it can never stand still or repeat itself without changing its meaning.“<br />
(Baumann 1999:26)<br />
Weiter in den Fokus der Betrachtung rücken in diesem Zusammenhang<br />
z.B. Phänomene wie die Erschaffung von Kulturen<br />
(siehe z.B. „doing culture“ bei Hörning / Reuter 2004),<br />
der Wandel von Kulturen <strong>und</strong> die Hybridität von kulturellen<br />
Identitäten (siehe z.B. Sökefeld 2007).<br />
Welche Berechtigung <strong>und</strong> welchen Nutzen die jeweiligen<br />
Konzepte von Kultur besitzen, soll hier nicht weiter thematisiert<br />
werden. Stattdessen wird betrachtet, welche Vorstellungen<br />
von Kultur in der (Alltags-)Praxis interkultureller Situationen<br />
handlungswirksam werden. Damit ändert sich die Perspektive<br />
auf den Kulturbegriff; es wird nicht mehr gefragt,<br />
welcher Kulturbegriff der richtige, angemessene oder ertragreichere<br />
sein mag, sondern auf welches Verständnis von Kultur<br />
Menschen beim Handeln in mehrkulturellen Kontexten<br />
zurückgreifen. Dieser Frage geht Baumann (1999) auf Gr<strong>und</strong>lage<br />
(s)einer qualitativ-ethnografischen Studie in einem hochgradig<br />
multikulturellen Londoner Stadtteil nach (Baumann<br />
1996). Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist, dass ein essentialistisches<br />
Kulturverständnis zwar aus Sicht der Wissenschaft<br />
als überholt eingestuft werden kann <strong>und</strong> dem prozessualen<br />
Verständnis der Vorzug zu geben ist, man sich aber<br />
trotzdem nicht vom diesem Kulturbegriff verabschieden kann,<br />
solange essentialistische Vorstellungen von Kultur Teil der<br />
Wirklichkeitskonstruktion von Personen sind, die in kulturellen<br />
Überschneidungssituationen agieren (Baumann<br />
1999:90f.). Baumann betrachtet die essentialistische <strong>und</strong> die<br />
prozessuale Auffassung von Kultur als zwei Formen des Diskurses<br />
über Kultur (Baumann 1999:93) <strong>und</strong> untersucht, wie<br />
diese in einem multikulturellen Umfeld praktiziert werden. Er<br />
kommt dabei zu folgendem Schluss:<br />
© Interculture Journal 2011 | 14 38
Dauner: Die organisierende Funktion von <strong>Kompetenz</strong> – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller<br />
<strong>Kompetenz</strong><br />
„Most people practice a double discursive competence when it comes to<br />
their discourses about culture [...]. In some situations, they can speak of, or<br />
treat, their own culture or somebody else‘s as if it were the tied and tagged<br />
baggage of a national, ethnic, or religious group. They can thus essentialize<br />
their discourse of culture to the point of creating totally static stereotypes<br />
[...]. In other situations, however, they can speak of, and treat, their own<br />
culture or somebody else‘s as if it were plastic and pliable, something that<br />
is to be shaped rather than has been shaped, something you make rather<br />
than have.“ (Baumann 1999:93f.)<br />
In der sozialen Wirklichkeit zeigt sich also, dass Personen flexibel<br />
<strong>zwischen</strong> den beiden Diskursformen wechseln (können),<br />
eigene wie andere Kulturen also in manchen Situationen<br />
essentialisieren <strong>und</strong> reifizieren, in anderen wiederum kulturelle<br />
Unterschiede relativieren (Baumann 1999:132).<br />
Bei der Betrachtung von Kultur rückt damit die Frage nach<br />
den Kulturbegriffen <strong>und</strong> ihrer Gültigkeit in den Hintergr<strong>und</strong><br />
<strong>und</strong> wird ersetzt durch die Frage nach den Gründen für einen<br />
Wechsel von einer Diskursform in die andere (Baumann<br />
1999:132, Risager 2009). Weiterführend wäre diesbezüglich,<br />
zu klären, in welchem Zusammenhang unterschiedliche<br />
Machtkonstellationen <strong>und</strong> insbesondere die darin anzutreffenden<br />
Machtasymmetrien, auf die z.B. Auernheimer (2008)<br />
in Bezug auf interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> hinweist, mit der<br />
Wahl der Kultur-Diskursformen <strong>und</strong> einem möglichen Wechsel<br />
von einer Diskursform in die andere stehen.<br />
Auf Gr<strong>und</strong>lage eines Verständnisses von Kultur als dualer Diskurs,<br />
wie oben dargestellt, soll hier das Konstrukt interkulturelle<br />
<strong>Kompetenz</strong> weiter entwickelt werden (vgl. Risager<br />
2009) 2 . Analog zur Diskussion des Kulturbegriffs geht es bei<br />
der Entwicklung eines Modells interkultureller <strong>Kompetenz</strong> vor<br />
dem Hintergr<strong>und</strong> eines dualen Kulturverständnisses nicht<br />
mehr um die Frage, welcher Kulturbegriff der angemessenere<br />
oder nützlichere ist, sondern um die Frage, wie sowohl essentialistische<br />
als auch konstruktivistisch-prozessuale Vorstellungen<br />
von Kultur berücksichtigt werden können. Wenn nämlich<br />
Personen im Alltag kultureller Begegnungen auf zwei prinzipiell<br />
unterschiedliche Weisen mit Kultur umgehen <strong>und</strong> wenn<br />
sie darüber hinaus flexibel <strong>und</strong> situativ <strong>zwischen</strong> den beiden<br />
Diskursformen wechseln, dann ergibt sich daraus die Anforderung<br />
an interkulturell kompetentes Handeln, erstens zu<br />
erkennen, welche Diskursform (<strong>und</strong> in welcher Rigidität) in<br />
einer konkreten Situation praktiziert wird, zweites adäquat<br />
auf die jeweilige Diskursformen reagieren zu können <strong>und</strong><br />
drittens zu erkennen, wann es zu einem Wechsel der Diskursformen<br />
kommt. 3<br />
Mit Hilfe des Modells der interkulturellen <strong>Kompetenz</strong> als<br />
organisierende Funktion lässt sich interkulturelle <strong>Kompetenz</strong><br />
unter den Bedingungen, die der duale Kultur-Diskurs stellt,<br />
39 © Interculture Journal 2011 | 14
Dauner: Die organisierende Funktion von <strong>Kompetenz</strong> – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller<br />
<strong>Kompetenz</strong><br />
beschreiben. Die Struktur <strong>und</strong> Prozesse interkultureller <strong>Kompetenz</strong><br />
in Bezug auf die Kulturkonzepte können als ein spezieller<br />
Aspekt des allgemeinen Modells verstanden werden <strong>und</strong><br />
analog zu diesem entwickelt werden. Verfügt eine Person nur<br />
über kognitive, affektive <strong>und</strong> verhaltensbezogene Ressourcen,<br />
die sich auf eine der beiden Kultur-Diskurs-Formen bezieht,<br />
verringert sich die Wahrscheinlichkeit auf adäquates Handeln<br />
in Situationen, die durch die jeweils andere Diskursform bestimmt<br />
werden. Es erscheint aus dieser Sicht als angebracht in<br />
ein Modell interkultureller <strong>Kompetenz</strong> kognitive, affektive<br />
<strong>und</strong> verhaltensbezogene Komponenten für beide Kontexte<br />
bzw. Diskurse einzubeziehen. Zum Beispiel kann Wissen über<br />
„andere“ Kulturen auch in Form von Kulturstandards (A.<br />
Thomas 1996) oder Kulturdimensionen (Hall / Hall 1983) hilfreich<br />
sein, um Situationen zu navigieren, die durch einen essentialistischen<br />
Kulturdiskurs geprägt werden. In Situationen<br />
hingegen, in denen ein prozessuales Verständnis anzutreffen<br />
ist, können z.B. Fähigkeiten zur Bildung von Dritt-Kulturen<br />
(Matoba 2011) ihre besondere Wirkung entfalten. Allein das<br />
Vorhandensein der entsprechenden Ressourcen für beide<br />
Formen des Kulturdiskurses ist auch hier noch kein Garant für<br />
interkulturell kompetentes Handeln. Als entscheidend kann<br />
angesehen werden, ob es einem Individuum gelingt, den <strong>Ein</strong>satz<br />
der Komponenten entsprechend, also situationsangemessen,<br />
zu steuern, wobei die dabei stattfindenden Prozesse<br />
entsprechend den allgemeinen Vorgängen modelliert werden<br />
können. Unter Übergeneralisierung kann hier der Vorgang<br />
verstanden werden, Komponenten, die sich auf ein essentialistisches<br />
Kulturverständnis beziehen, auch auf <strong>und</strong> in Situationen<br />
anzuwenden, in denen die Beteiligten einen prozessualen<br />
Kultur-Diskurs praktizieren <strong>und</strong> umgekehrt. Interkulturell<br />
kompetent zu handeln bedeutet in diesem Sinn also auch,<br />
sich nicht an Differenzen zu orientieren <strong>und</strong> auszurichten, wo<br />
Kultur prozessual gedacht <strong>und</strong> entsprechend gehandelt wird.<br />
Zusammengefasst, interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> bedeutet im<br />
Hinblick auf dualen Kultur-Diskurs, wie er im Alltag kultureller<br />
Überschneidung anzutreffen ist, die Befähigung zum Handeln<br />
in Situationen, die von essentialistischen Kulturvorstellungen<br />
strukturiert wird, als auch in jenen Situationen, in denen ein<br />
prozessualer Diskurs stattfindet. Kompetentes Handeln kann<br />
vor dem Hintergr<strong>und</strong> eines solchen Kultur-Konzepts erklärt<br />
werden über kognitive, affektive <strong>und</strong> verhaltensbezogene<br />
Ressourcen für beide Diskurs-Formen sowie eine Instanz, die<br />
den angemessenen <strong>Ein</strong>satz der Ressourcen, in Bezug auf den<br />
jeweiligen Handlungskontext <strong>und</strong> hier insbesondere das anzutreffende<br />
Kulturkonzept steuert.<br />
© Interculture Journal 2011 | 14 40
Dauner: Die organisierende Funktion von <strong>Kompetenz</strong> – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller<br />
<strong>Kompetenz</strong><br />
3.2.4 Funktion Steuerung von Lernprozessen<br />
Im Zusammenhang mit der Anwendung von Komponenten<br />
auf konkrete Situationen wurde bereits darauf hingewiesen,<br />
dass Handeln in kulturellen Überschneidungssituationen auch<br />
bedeutet, auf Unbekanntes reagieren zu können (Weidemann<br />
2010). Das handelnde Individuum wird immer wieder<br />
damit konfrontiert werden, dass die vorhandenen Ressourcen,<br />
z.B. das kulturelle Wissen, nicht genügen, um unmittelbar<br />
erfolgreich agieren zu können. Die Fähigkeit sich Wissen,<br />
Fähigkeiten usw. anzueignen, sprich die Fähigkeit zu lernen<br />
i.w.S., wird damit zu einem wichtigen Bestandteil interkultureller<br />
<strong>Kompetenz</strong> (Byram 1997, Weidemann 2010). Ob ein<br />
Individuum kompetent handeln kann, wird dadurch mitbestimmt,<br />
ob <strong>und</strong> wie schnell es sich Wissen, Können etc. aneignen<br />
kann.<br />
Legt man das Zwei-Ebenen-Modell interkultureller <strong>Kompetenz</strong>,<br />
wie es hier entwickelt wird, an, dann kann der Vorgang<br />
wie folgt beschrieben werden. Fehlendes Wissen, unzureichende<br />
Fähigkeiten <strong>und</strong> <strong>Ein</strong>stellungen können als „Lücken“<br />
in der Ressourcenbasis verstanden werden. Greift man das<br />
Bild des Tintenfisches auf, dann sind dies „Lücken“ oder<br />
„Schwachstellen“ im Netz. Diese Lücken durch Lernprozesse<br />
zu schließen, kann als eine weitere zentrale Funktion der organisierenden<br />
Instanz angesehen werden.<br />
4. Fazit<br />
Ausgangspunkt der Überlegungen ist die Erkenntnis, dass es<br />
nicht gelingt (interkulturelle) <strong>Kompetenz</strong> allein über ihre<br />
Komponenten abzubilden, sondern dass es einer Erweiterung<br />
um organisierende Prozesse bedarf. Wie interkulturelle <strong>Kompetenz</strong><br />
modelliert werden kann, damit mit diesem Konstrukt<br />
kompetentes wie inkompetentes Handeln umfassender <strong>und</strong><br />
differenzierter erklärt werden kann, wurde vorausgehend<br />
dargestellt.<br />
Mit einem <strong>Ein</strong>bezug solcher organisierender Prozesse, unabhängig<br />
davon, ob man sich der Ausgestaltung der Funktionen<br />
im <strong>Ein</strong>zelnen anschließt oder nicht, bietet sich die Chance,<br />
interkulturelle Forschung <strong>und</strong> Praxis konzeptionell weiterzuentwickeln.<br />
Für die Gestaltung von Bildungs- <strong>und</strong> Trainingsveranstaltungen<br />
z.B. bedeuten die Überlegungen, dass es sich<br />
empfiehlt, zusätzlich zur häufig bereits praktizierten Vermittlung<br />
von Wissen, Fähigkeiten / Fertigkeiten <strong>und</strong> <strong>Ein</strong>stellungen<br />
das Augenmerk verstärkt auf Steuerungs-, Kontroll- <strong>und</strong><br />
Lernprozesse zu legen. Denn erst das Vermögen, die einzelnen<br />
Komponenten (korrekt) anwenden, zusammenführen<br />
<strong>und</strong> bei Bedarf selbst-lernend erweitern zu können, ermög-<br />
41 © Interculture Journal 2011 | 14
Dauner: Die organisierende Funktion von <strong>Kompetenz</strong> – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller<br />
<strong>Kompetenz</strong><br />
licht es in interkulturellen Überschneidungssituationen adäquat,<br />
angemessen, erfolgreich – kompetent eben – zu handeln.<br />
Die Aufgabe besteht dementsprechend darin, neben den einzelnen<br />
Komponenten, auch die organisierenden Prozesse<br />
theoretisch zu beschreiben, empirisch zu erfassen <strong>und</strong> praktisch<br />
umzusetzen – dieser Artikel versteht sich als ein Beitrag<br />
dazu.<br />
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in Hochschulstudiengängen. HeiDOK. URL: www.ub.uniheidelberg.de/archiv/12001<br />
[Zugriff am 01.06.2011].<br />
1<br />
Es könnte dagegen eingewendet werden, dass auch weiter<br />
ausdifferenziertes Wissen, wie die Kenntnis der intergenerationellen<br />
Unterschiede, in der Situation geholfen hätte<br />
<strong>und</strong> somit ohne eine steuernde Instanz (in)kompetentes Verhalten<br />
allein aufgr<strong>und</strong> der Komponenten erklärt werden<br />
kann. Dieser <strong>Ein</strong>wand wird aber spätestens obsolet, wenn<br />
man individuelle Abweichungen mit in die Betrachtung einbezieht.<br />
2 Risager (2009) hat auf den Nutzen des Baumannschen Kulturkonzepts<br />
für die interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> hingewiesen;<br />
ohne allerdings dieses Kulturverständnis in ein eigenes <strong>Kompetenz</strong>modell<br />
zu integrieren.<br />
45 © Interculture Journal 2011 | 14
Dauner: Die organisierende Funktion von <strong>Kompetenz</strong> – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller<br />
<strong>Kompetenz</strong><br />
3 Ob das auch die Fähigkeit beinhaltet, einen Wechsel der<br />
Diskursform, von einer essentialisitischen zu einer prozessualen<br />
zu initiieren, sei zunächst einmal dahingestellt.<br />
© Interculture Journal 2011 | 14 46
Intercultural Competence<br />
for Unequal Business<br />
Encounters<br />
[Interkulturelle <strong>Kompetenz</strong><br />
für Asymmetrische<br />
Geschäftsbeziehungen]<br />
Hanna Pułaczewska<br />
Prof., Academy of International<br />
Studies in Łódź, Poland;<br />
M.A., Dr. phil. and professorial<br />
qualifications in General and<br />
Comparative Linguistics with Focus<br />
on English, University of Regensburg<br />
Pułaczewska: Intercultural Competence for Unequal Business Encounters<br />
Abstract [English]<br />
The article treats the issue of teaching intercultural competence<br />
in courses organised by business enterprises for their<br />
employees. It is proposed that more scholarly attention<br />
should be devoted to the commodity character of intercultural<br />
training that enforces its adaptation to the market’s<br />
demands. The idealised academic view of such training as<br />
happening <strong>und</strong>er conditions unaffected by power relations<br />
needs to be replaced with a more realistic picture of power<br />
imbalance, fuelling the concept of cultural superiority on the<br />
part of the economically stronger party. Methods are suggested<br />
for reducing such an ethnocentric bias. Besides, the<br />
article indicates the ways in which the training might be used<br />
to subtly and tactfully raise the awareness of problems resulting<br />
from asymmetrical adaptation of the economically weaker<br />
party to the linguistic requirements of the stronger partner.<br />
Keywords: business, coaching, inequality, power, language<br />
Abstract [Deutsch]<br />
Der Aufsatz thematisiert die Problematik von Schulungen<br />
interkultureller <strong>Kompetenz</strong> in der freien Wirtschaft. Solche<br />
Schulungen finden oft im Kontext eines wirtschaftlichen<br />
Machgefälles <strong>zwischen</strong> dem Investor <strong>und</strong> der Tochtergesellschaft<br />
statt, was in akademischen Erwägungen außer Acht<br />
gelassen wird. <strong>Ein</strong> kultureller Relativismus ist von den Teilnehmern<br />
nicht zu erwarten. Stattdessen wird die Machtasymmetrie<br />
von der stärkeren Partei als die Konsequenz der<br />
kulturellen Unterschiede interpretiert, d.h. als ein sichtbarer<br />
Beweis für den höheren Nutzwert der eigenen Kultur. Asymmetrische<br />
sprachliche Anpassung von der Tochtergesellschaft<br />
an den Investor wird ebenfalls unreflektiert akzeptiert. Der<br />
Aufsatz deutet an, wie ethnozentrische Interpretation von<br />
kulturellen Unterschieden gemildert <strong>und</strong> eine sprachbezogene<br />
Reflexion herbeigeführt werden kann. Dabei muss stets<br />
beachtet werden, dass dies potentiell in Opposition zu den<br />
pragmatischen Interessen des Dozenten steht <strong>und</strong> sein professionelles<br />
Image gefährden kann.<br />
Stichworte: Wirtschaft, Coaching, Machtgefälle, Sprache,<br />
Dominanz<br />
1. Introduction<br />
Wilson and Wilson (2001) noted that while much of intercultural<br />
communication research and training rests on the presumption<br />
that the key to intercultural communication and<br />
<strong>und</strong>erstanding is the knowledge of the relevant culture, an<br />
47 © Interculture Journal 2011 | 14
Pułaczewska: Intercultural Competence for Unequal Business Encounters<br />
essential piece is missing from this perspective: the consideration<br />
of power relations. Indeed, it seems that the idealised<br />
view of intercultural training as happening <strong>und</strong>er conditions<br />
unaffected by power relations should be replaced with a<br />
more realistic picture of power imbalance that fuels the concept<br />
of cultural superiority on the part of the economically<br />
stronger party. In what follows, methods are presented that<br />
are claimed to be useful in reducing such an ethnocentric<br />
bias. At the same time, it is proposed that more attention<br />
should be paid to the commodity character of intercultural<br />
training that enforces its adaptation to the market’s demands,<br />
informed first of all by the customers’ economicallyoriented<br />
objectives. Thus, an IC instructor is sometimes<br />
caught in a vulnerable position, between conflicting incentives<br />
resulting from his/her position as an insider of the<br />
“weaker” society in the intercultural encounter on the one<br />
hand, and his/her economic dependence on the fulfilment of<br />
the customer’s expectations on the other.<br />
In what follows proposals are made for taking the inequality<br />
issue into account when teaching intercultural competence<br />
for business encounters, in courses that are offered as a<br />
component of professional training in business and commerce<br />
operating across national borders. This has two essential<br />
aspects which will be discussed in their logical order: the<br />
cultural superiority view (which is non-linguistic), and the linguistic<br />
issue of language proficiency and language choice.<br />
The outsourcing of production to countries offering lower<br />
cost of labour and lower taxes leads to commercial and business<br />
ventures in which three main economic assets - capital,<br />
technology, and knowledge - flow from highly developed<br />
countries to weaker partners and daughter companies, creating<br />
the conditions of unequal encounters. In such encounters,<br />
the power is with the investing party, who dictate the rules of<br />
the game. Frequently enough, a training of intercultural<br />
competence is offered to the employees, sometimes only in<br />
the investor’s country/mother company. In that case, the objective<br />
is to prepare the members of the stronger partner to<br />
successfully and efficiently communicate with the less advanced.<br />
The training is expected to inform the members of a<br />
business unit of the cultural specificity of the Other, and an<br />
unfamiliar set of communicative principles based on a hierarchy<br />
of societal values that differs in many respects from the<br />
one that has been internalised and is taken for granted.<br />
© Interculture Journal 2011 | 14 48
Pułaczewska: Intercultural Competence for Unequal Business Encounters<br />
2. Hierarchical interpretations of cultural distance<br />
As a rule, a course in intercultural competence for the employees<br />
of a business enterprise is meant to give them an orientation<br />
in dealing with members of a particular foreign culture.<br />
The trainer’s task is to present the range of cultural differences<br />
and provide specific knowledge about a particular<br />
culture of the partner country, rather than share universal<br />
deliberations and insights. The course participants seldom<br />
bring in strong educational backgro<strong>und</strong> in human sciences.<br />
The evaluation of the professionalism of the coach (which<br />
decides his/her chance of being re-hired) and the value of the<br />
training depends largely on the degree to which the trainees<br />
feel that the course has prepared them precisely for surprisefree<br />
communication with people from a particular partner<br />
country. The time allocated to such trainings is very limited<br />
and rarely exceeds three days. These factors explain why the<br />
practical handbooks of intercultural competence and training<br />
curricula worked out by trainers typically focus on contrasts<br />
between particular two cultures and do not offer much space<br />
to general explanations, which are predominant in more general<br />
and more scholarly courses fo<strong>und</strong> in higher education. In<br />
academic courses, parameters of social and cultural differences<br />
identified by social psychologists and anthropologists<br />
are dealt with extensively, and the differences between particular<br />
two cultures are analysed against the backgro<strong>und</strong> of<br />
this theoretical knowledge, which is viewed as the more essential<br />
aspect of learning. In non-academic business courses,<br />
with their focus on two particular cultures and practical, operational<br />
objectives, general explanations pertaining to parameters<br />
of difference such as individualism and collectivism,<br />
high and low social distance, monochronony and polychrony,<br />
low and high context are offered only as pendants to the<br />
specific knowledge about a specific partner (cf. also practical<br />
handbooks such as e.g. Schroll-Machl 2001, 2003, Schroll-<br />
Machl / Wiskoski 2003, Schmid 2002).<br />
This has two immediate disadvantages. The first of them is<br />
the limitation of the cognitive gain, which means that even if<br />
the training may prepare the participants for current communicative<br />
tasks, it equips them only poorly for crossing different<br />
borders, that is, for further experience-guided learning on<br />
their own in different constellations. Secondly, it holds an<br />
imminent danger of misattribution whenever such trainings<br />
49 © Interculture Journal 2011 | 14
Pułaczewska: Intercultural Competence for Unequal Business Encounters<br />
take place in the context of inequality in economic and technological<br />
spheres. The more powerful party frequently tend<br />
to interpret cultural difference as a source and, at the same<br />
time, an effect of the difference in achievement – and, thus,<br />
an indicator of the lower value of the partner’s cultural makeup.<br />
This results in the impression on the part of the members of<br />
the stronger partner that the future shape of the intercultural<br />
encounter should be guided by the partner’s gradual shift<br />
towards their own set of principles and values. Such a change<br />
is conceived as the measure of progress prerequisite to sharing<br />
in the economic success and general social advancement.<br />
To put it briefly, the degree of cultural difference from “me,<br />
now” is viewed by the more powerful as a measure of inferiority.<br />
This belief encompasses several simple ideas: that cultural<br />
differences between two societies measure the level of<br />
civilisation they achieved; that “they” are different from us<br />
because they are not “so far” yet; and that “they” will become<br />
like “us” when they have learned enough (from “us”),<br />
which is due to happen as an effect of the long-time interaction<br />
– which “we” are going to control.<br />
Paradoxically, the intercultural training itself, in particular in<br />
view of the fact that it is being offered more frequently to (a<br />
greater number of) employees in the daughter company,<br />
turns into one of the means of remaining in control.<br />
A distance between two countries on a given “parameter”<br />
(cf. Hofstede 1980, 1991) of culture is unlikely to be misconceived<br />
as a measure of the utilitarian value of each of the respective<br />
attitudes when the task focus is on ordering and systematising<br />
a heterogeneous set of countries that are similar in<br />
one respect and different in another, and when this set includes<br />
both prosperous and economically weak countries.<br />
The two countries on which the training focuses should be<br />
presented as just two among many (cf. Pułaczewska 2010).<br />
As suggested at the beginning, the misconception “they will<br />
become like us” relies on the <strong>und</strong>erlying assumption that<br />
there exists a rather universal path to modernity; and that all<br />
countries need to follow it on their way to technological (and<br />
social) advancement – becoming, for example, increasingly<br />
more monochronic, more specific, less contextual, and less<br />
indirect than the Czechs and closer to the Germans as time<br />
goes by and economy grows. In an attempt of uncoupling<br />
cultural similarity (or distance) from achievement (or its lack),<br />
© Interculture Journal 2011 | 14 50
Pułaczewska: Intercultural Competence for Unequal Business Encounters<br />
Japan comes in handy as a country very different from both<br />
<strong>West</strong>ern Europe and North America (e.g. Japan is low on directness<br />
and high on context-dependence) in matters of culture<br />
but high in the hierarchy of economic power and technological<br />
progress.<br />
It is recommendable that the dissociation of cultural similarity<br />
and similarity in economic achievement is introduced covertly,<br />
without visibly pre-supposing negative attitudes to the interaction<br />
patterns of the weaker partner on the part of the<br />
course participants. Also, an overt insistence on cultural relativism<br />
on the trainer’s part should be avoided. It can be<br />
evaluated as pushy and biased in particular if the trainer is<br />
perceived as a member of the weaker partner’s culture.<br />
3. Linguistic competence and language choice<br />
One of the central issues in communication <strong>und</strong>er conditions<br />
of unequal enounter is the language used. Paradoxically<br />
enough, language is typically being downplayed or ignored<br />
by comparative social psychologists in studies of intercultural<br />
communication and its failures. In such studies on international<br />
industrial and business communication, the linguistic<br />
forms used in communication are viewed as a merely peripheral,<br />
surface manifestation of different norms and values; it is<br />
the latter that are believed to cause communicative tensions<br />
and disturbances. The fact that both parties differ in their linguistic<br />
competence, sometimes to the extent that only one<br />
party in the encounter uses a foreign language (typically, the<br />
daughter company, i.e. the economically weaker partner),<br />
while the other party consists of native and near-native<br />
speakers, is disregarded. The lack of linguistic competence is<br />
an issue for language pedagogy, which deals with the linguistic<br />
component of intercultural communication by its very nature<br />
– both as a subject of theoretical reflection and in the<br />
applied sense. Culturally conditioned thinking habits on the<br />
one hand, and linguistic proficiency on the other, are kept<br />
cleanly apart; linguistic competence is something to be dealt<br />
with in a language course, not in courses on intercultural<br />
competence. In the latter, when role-plays are conducted in<br />
linguistically homogeneous groups simulating contacts with<br />
foreign business partners, the participants’ mother tongue is<br />
typically used even if the actual business contacts take place<br />
in a foreign language.<br />
While this clean division of labour between a language course<br />
and a course on culture has some practical merits, intercultural<br />
training should deal with language insofar as the prob-<br />
51 © Interculture Journal 2011 | 14
Pułaczewska: Intercultural Competence for Unequal Business Encounters<br />
lem of language deficiency touches upon social issues with<br />
which language courses are not even remotely concerned:<br />
the difference in power and its social and communicative<br />
consequences.<br />
The way in which a training of intercultural competence can<br />
interact with the issue of language use is through raising the<br />
awareness of the effects of linguistic discrepancy upon the<br />
social aspects of the encounter. These effects can be roughly<br />
differentiated into two interrelated factors, both rooted – to<br />
put it briefly – in the less proficient speakers being less able to<br />
make visible their professionalism, social skills and personality.<br />
The first factor is the influence of foreign language skills in<br />
the inferior party’s group upon the relationship within this<br />
group, including intergroup power relations. An example of<br />
how in a business setting some group members<br />
can gain prominence alone by way of having superior foreign<br />
language skills is given in San Antonio (1987). Also Kim and<br />
Paulk (1994) analyse the role of language proficiency in informal<br />
group structuring and Knapp (2002) analyses the<br />
“fading out of the non-native speaker” in communication<br />
with native and more proficient near-native speakers in an<br />
organisational setting.<br />
The second, more essential issue is the contribution of the<br />
linguistic component into the inequality of the encounter<br />
whenever the investing party/mother company speak their<br />
own language and the receiving party do not. Nekula (2002)<br />
and Nekula et al. (2005) in German-Czech plants in the<br />
Czech Republic showed that using the employer’s language<br />
(German) affected badly the attitudes of Czech employees to<br />
the employer and were a cause of resentments, while the socalled<br />
symmetrical adaptation with both parties using lingua<br />
franca English produced the opposite effect. While the international<br />
dominance of English has been subject to harsh criticism<br />
as tantamount to linguicide (cf. e.g. Tsuda 1998), these<br />
studies show that availability of English as a lingua franca also<br />
can contribute to re-constituting unequal relationships in a<br />
way more satisfactory to the weaker party.<br />
The functions of intercultural training do not include influencing<br />
strategic decision-making on issues such as the choice of<br />
language for international intra-company communication,<br />
and consultation on this issue is not asked for in such<br />
courses. In fact, an overt attempt to transgress the usual<br />
frame and offer ideological indoctrination instead of staying<br />
focused on the expected and paid-for contents (i.e., cultural<br />
differences) might even provoke a remedial action on the part<br />
of the senior stuff present in the course, an event that poses<br />
a severe threat to the instructor’s professional “face”. However,<br />
the instructor who wishes to address the relation be-<br />
© Interculture Journal 2011 | 14 52
Pułaczewska: Intercultural Competence for Unequal Business Encounters<br />
tween language choice and inequality, as well as suggest alternative<br />
solutions, can opt for a covert way of inducing reflection<br />
in the course participants. This can be done e.g.<br />
through job-related role-plays conducted in a foreign language.<br />
Another possibility is to use role-plays in which the<br />
issue of language choice is introduced as a controversial<br />
agenda for a discussion in a simulated work meeting, with a<br />
different task in focus – such as practicing some culturedependent<br />
negotiation strategies. Such reflection is not likely<br />
to occur spontaneously because, for the people involved,<br />
asymmetrical adaptation looks just common sense, given the<br />
asymmetry in the relationship.<br />
4. Final remarks<br />
While overtly stressing the power distance between two parties<br />
to a business encounter would be both “politically incorrect”<br />
and tactless, i.e. face-threatening to both sides alike,<br />
there is little use in the coaches pretending to themselves that<br />
communication for which they are supposed to prepare their<br />
short-time trainees is going to take place in a power vacuum.<br />
It would be equally mistaken to presuppose an openness to<br />
value relativism (which few people really embrace) on the<br />
part of the course participants. However, before methods are<br />
developed to address the inequality issue on a pragmatic<br />
level, i.e. in teaching intercultural competence, the current<br />
deficit in theoretical reflection needs to get reduced. Intercultural<br />
(business) encounters and unequal ones coincide with<br />
each other frequently, and it should not be ignored in theoretical<br />
inputs to the pedagogy of intercultural communication.<br />
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Pułaczewska: Intercultural Competence for Unequal Business Encounters<br />
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Schroll-Machl, Sylvia (2001): Businesskontakte <strong>zwischen</strong> Deutschen <strong>und</strong><br />
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Sternenfels: Wissenschaft <strong>und</strong> Praxis.<br />
Schroll-Machl, Sylvia (2003): Doing Business with Germans. Their Perception,<br />
Our Perception. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.<br />
Schroll-Machl, Sylvia / Wiskoski, K. (2003): Interkulturelle Kommunikation<br />
im deutsch-polnischen Geschäftsalltag. Wirtschaftshandbuch Polen, Band<br />
8. Frankfurt: FAZ-Institut.<br />
Tsuda, Yukio (1998): Critical Studies on the Dominance of English and the<br />
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Communication 1(1), pp. 76-93.<br />
© Interculture Journal 2011 | 14 54
From Given Cross-<br />
Cultural Difference to a<br />
New Interculture: A Sino-<br />
German Example<br />
[Von bestehenden Kulturunterschieden<br />
zu einer<br />
neuen Interkultur: <strong>Ein</strong><br />
Chinesisch-Deutsches<br />
Fallbeispiel]<br />
Jasmin Mahadevan<br />
Professor of International and<br />
Cross-Cultural Management,<br />
School of Engineering, Pforzheim<br />
University, Germany<br />
Dr. phil., Cultural Anthropology,<br />
Ludwig-Maximilians-University,<br />
Munich, Germany<br />
Stefan Weißert<br />
B.Eng. in International Sales and<br />
Purchasing in Engineering, University<br />
of Applied Sciences, Kiel,<br />
Germany<br />
Franziska Müller<br />
Research Assistant, Pforzheim<br />
University, Germany<br />
M.A. in International Information<br />
Management, Hildesheim University,<br />
Germany<br />
Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A Sino-<br />
German Example<br />
Abstract [English]<br />
This paper shows for a specific Sino-German case how a new<br />
interculture emerges in cross-cultural settings. It is based on<br />
participant observation in a Sino-German company. Culture is<br />
conceptualized as intersubjective sensemaking. Emic and etic<br />
perspectives on culture are differentiated.<br />
The study asked to what extent given cross-cultural difference<br />
based on large-scale cultural constructs determine behavior<br />
and to what extend employees in a Sino-German service<br />
company create a new inter-culture when interacting with<br />
each other. In our Sino-German case, employees bridged cultural<br />
difference via a new concept of ‘practicality’.<br />
The main implication is: Cross-cultural dimensions merely describe<br />
initial cross-cultural difference, but not the nature and<br />
the outcome of Intercultural Creation. These findings encourage<br />
interculturalists to rethink their cultural practice.<br />
Hence, we implement a paradigmatic shift towards an intercultural<br />
<strong>und</strong>erstanding of emic cultural meanings instead of<br />
focusing on cross-cultural difference based on predefined<br />
cross-cultural dimensions.<br />
Keywords: emic, culture, cross-culture, cross-cultural dimensions,<br />
Interculture, social identity, GLOBE<br />
Abstract [Deutsch]<br />
Der vorliegende Beitrag zeigt die Entstehung einer neuen<br />
Inter-Kultur für eine konkrete deutsch-chinesische Unternehmenskooperation<br />
auf. Die Daten wurden mittels teilnehmender<br />
Beobachtung erhoben. Kultur wird in diesem Kontext<br />
als intersubjektive Bedeutungsherstellung verstanden. Es wird<br />
<strong>zwischen</strong> emischen <strong>und</strong> etischen Perspektiven auf Kultur<br />
unterschieden.<br />
Die Kernfrage bestand darin herauszufinden, inwieweit<br />
bestehende kulturelle Unterschiede, die auf sozio- <strong>und</strong><br />
nationalkulturellen Dimensionen basieren, kontextualisiertes<br />
Verhalten determinieren <strong>und</strong> inwieweit MitarbeiterInnen<br />
eines chinesisch-deutschen Dienstleistungsunternehmens in<br />
der Interaktion miteinander eine neue Inter-Kultur erschaffen.<br />
In dem hier diskutierten Fall geschieht dies durch den<br />
kollektiven Gebrauch eines Umdeutung von „Praktikabilität“<br />
(practicality).<br />
Der Hauptbeitrag dieser Artikels ist folgende Erkenntnis:<br />
Kulturdimensionen beschreiben lediglich anfängliche kulturelle<br />
Unterschiede, sagen jedoch nichts aus über den von uns<br />
identifizierten Prozess kultureller Neuschöpfung, den wir als<br />
55 © Interculture Journal 2011 | 14
Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A Sino-<br />
German Example<br />
Intercultural Creation benennen. Diese Erkenntnis soll<br />
Interkulturalisten Denkanstöße für die Praxis liefern.<br />
Mit unserem Beitrag verlassen wir den Fokus auf kulturvergleichende,<br />
durch Kulturdimensionen vorgegebene Unterschiede<br />
(im Englischen als cross-cultural benannt). Wir<br />
implementieren einen paradigmatischen Wandel hin zu<br />
einem inter-kulturellen Verständnis emischer Prozesse des<br />
kulturellen Sinnmachens.<br />
Stichworte: Emisch, Kultur, Interkulturell, Kulturdimensionen,<br />
Interkultur, Soziale Identität, GLOBE<br />
1. Introduction<br />
Current cultural research is conducted based on various paradigms.<br />
We will classify them into two major perspectives. We<br />
will call them the given cross-cultural difference or Given Culture<br />
perspective and the Intercultural Creation perspective.<br />
We intend to show how they differ with regard to the relation<br />
between culture and individual, the concept of culture,<br />
their research paradigm and methods, and their presentation<br />
of culture.<br />
In contrast to mainstream comparative cross-cultural research,<br />
we conceptualize culture as a process of intersubjective<br />
sensemaking (based on Geertz 1973, e.g. Van Maanen<br />
1998). This means: (1) Culture is a shared process of sensemaking;<br />
(2) Individuals are not the victims of given national<br />
culture but the creators of cultural meanings; (3) borders between<br />
cultures are not static but fluid. Our argument is: As<br />
creators of culture, individuals might overcome initial crosscultural<br />
difference through the creation of new interculture.<br />
We call this a state of Intercultural Creation and research<br />
upon it qualitatively.<br />
Our research setting is a Sino-German service company, the<br />
employees of which interact across national cultural borders.<br />
We show that Chinese and German employees create a new<br />
interculture when interacting with each other that goes<br />
beyond initial cross-cultural difference. The contribution of<br />
our study is to suggest a shift towards the management of<br />
emergent intercultural meanings instead of focusing on management<br />
of given cross-cultural difference. Only then will intercultural<br />
practice help to bridge the national cultural divide.<br />
Our paper is structured as follows: First, we define our research<br />
problem and question. Second, we review existing literature<br />
and show the significance of our study. Third, we introduce<br />
research setting and methods, and our means of data<br />
collection. Next, we present our findings which will be discussed<br />
afterwards. Finally, we draw conclusions.<br />
© Interculture Journal 2011 | 14 56
Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A Sino-<br />
German Example<br />
2. Theoretical backgro<strong>und</strong><br />
A large bulk of cultural research compares national or societal<br />
cultures. It is therefore called cross-cultural. Comparative<br />
cross-cultural theory and practice of such kind is based on the<br />
assumption that aggregated national/societal cultures differ<br />
from each. This means: “Who I am” and how I interpret the<br />
world is to a large extent pre-shaped and limited by external<br />
cultural influences. In cross-cultural management literature,<br />
this perspective has been called the contingency hypothesis<br />
(overview in Thomas 2008). As McSweeney (2010: 933-937)<br />
has pointed out, comparative cross-cultural studies implicitly<br />
assume the contingency hypothesis to be correct; they are<br />
based on the paradigm that cross-cultural difference is an<br />
external given and that individuals are contingent upon this<br />
cultural imprint. We name this perspective the Given Culture<br />
perspective.<br />
The most prominent cross-cultural studies based on the Given<br />
Culture perspective are those by Hall (1976) and Hall and Hall<br />
(1990), Hofstede (1980, 2003, Trompenaars and Hampden-<br />
Turner (1997), and House et al. (2004). An extensive literature<br />
review of comparative cross-cultural studies can be<br />
fo<strong>und</strong> in Dorfman and House (2004:51-73). This review shall<br />
not be repeated here. The reason for this is the fact that the<br />
specific content of these comparative cross-cultural studies<br />
does not matter for our purpose. What matters, is their perspective<br />
on culture and the cross-cultural border. This perspective<br />
is shared. The following dimensions are well established<br />
with regard to Sino-German cultural difference.<br />
57 © Interculture Journal 2011 | 14
Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A Sino-<br />
German Example<br />
dimension definition / source GER PRC<br />
institutional<br />
collectivism<br />
In-group<br />
collectivism<br />
Humane<br />
orientation<br />
Assertiveness<br />
high context<br />
vs.<br />
low context<br />
specific<br />
vs. diffuse<br />
relationship<br />
neutral<br />
vs. affective<br />
Degree to which organizational and societal<br />
institutional practices encourage and<br />
reward collective distribution of resources<br />
and collective action (House et al. 2004)<br />
Degree to which individuals express pride,<br />
loyalty, and cohesiveness in their organizations<br />
or families (House et al. 2004)<br />
Degree to which a collective encourages<br />
and rewards individuals for being fair,<br />
altruistic, generous, caring, and kind to<br />
others (House et al. 2004)<br />
Degree to which individuals are assertive,<br />
confrontational, and aggressive in their<br />
relationship with others (House et al.<br />
2004)<br />
Degree to which communication is direct<br />
and verbal vs. indirect and implicit; high<br />
context also implies differentiation between<br />
in-group and out-group (Hall and<br />
Hall1990)<br />
Personal and public sphere overlap vs.<br />
private sphere is reserved for close friends<br />
(Hall and Hall 1990; Trompenaars /<br />
Hampden-Turner)<br />
Low vs. high degree to which emotionality<br />
is shown (Trompenaars / Hampdon-Turner<br />
1997)<br />
lower higher<br />
lower higher<br />
lower higher<br />
higher lower<br />
low<br />
context<br />
high<br />
context<br />
specific diffuse<br />
neutral<br />
Exh. 1: Relevant cultural dimensions for Sino-German cooperation<br />
affective<br />
(if ingroup)<br />
Source: own figure, based on Hall and Hall (1990: 6-12), Trompenaars<br />
/ Hampden-Turner (1997: 70, 83), House / Javidan (2004:11-<br />
14), Javidan / House / Dorfman (2004:30), Brodbeck / Frese<br />
(2007:162), Fu / Wu / Yang / Ye (2007:887)<br />
These dimensions refer to communication (assertiveness, high<br />
vs. low-context); the nature of relationship (specific vs. diffuse,<br />
neutral vs. affective); and the relationship dimension in<br />
work practice (collectivism, humane orientation). Following<br />
the Given Culture perspective, cross-cultural difference with<br />
regard to these dimensions is to be expected in a Sino-<br />
German setting.<br />
On the other hand, individuals constantly ask themselves<br />
“Who am I?”, thereby creating concepts of the self. Some<br />
answers to the question “Who am I?” will include concepts<br />
of the self that are derived from group membership of various<br />
kinds (see overview in Stelzl / Seligman 2009). This means<br />
“Who I am” as a social being is constructed through sensemaking<br />
processes in interaction with others. We call this<br />
© Interculture Journal 2011 | 14 58
Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A Sino-<br />
German Example<br />
perspective the Cultural Creation perspective. In contrast to<br />
the Given Culture perspective, the Cultural Creation perspective<br />
researches upon the intra-cultural, i.e. the shared meanings<br />
that individuals create and negotiate through social interaction<br />
(e.g. Stelzl / Seligman 2009). We assume: If such a<br />
creation of new meanings takes place between and amongst<br />
individuals from different national or societal cultural backgro<strong>und</strong>s,<br />
it can be conceptualized as inter-cultural creation. It<br />
results in a new inter-culture.<br />
The cultural scope of the Given Culture perspective and the<br />
Cultural Creation perspective differs. The Given Culture perspective<br />
mostly focuses on the nation or the society. The Cultural<br />
Creation perspective mostly focuses on small-scale cultural<br />
settings, e.g. organizations which are called cultural<br />
fields (overview in Martin 2003).<br />
Given Culture and Cultural Creation lead to different concepts<br />
of culture. Following the Given Culture perspective, culture<br />
and cultural borders exist “as such” and can be defined<br />
objectively. The cultural border is given; hence, it is crosscultural.<br />
Yet, following the Cultural Creation perspective, culture<br />
is a process of collective sense-making (based on Berger /<br />
Luckmann 1966). This means: Culture and cultural borders<br />
cannot be defined “as such”; they do not exist objectively.<br />
Rather, one has to differentiate between two different sensemaking<br />
perspectives, namely the inside, “emic”, perspective<br />
and the outside, “etic”, perspective (overview in Martin<br />
2003). Only the emic perspective will deliver the cultural<br />
meanings that groups of people give to themselves and to<br />
the world. The minimum of emic meaning that is needed in<br />
order to signify a state of Cultural Creation is a shared <strong>und</strong>erstanding<br />
of “who we are” as opposed to “who we are not”<br />
(based on Geertz 1973, Ricoeur 1992). In this way, individuals<br />
enact ‘same-ness’ and ‘other-ness’ in order to position themselves<br />
in relation to each other (based on Ricoeur 1992). The<br />
result is perceived difference between perceived groups of<br />
self and other (Ricoeur 1992). The cultural border created is<br />
fluid and can be bridged; hence, it is inter-cultural. In summary,<br />
the Cultural Creation perspective focuses on the hermeneutical<br />
process of creating and constructing categories of<br />
collective self and other (Hatch / Yanov 2003). Institutions,<br />
structure and cultural artifacts are seen as secondary to this<br />
hermeneutical process (Hatch / Yanov 2003). Therefore, our<br />
study does not focus upon these structural elements of culture.<br />
Based on these different concepts of culture, cultural research<br />
methods differ as well: If culture exists objectively, then it can<br />
be aggregated and measured, and researched upon and interpreted<br />
independently from the researcher. Therefore, the<br />
59 © Interculture Journal 2011 | 14
Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A Sino-<br />
German Example<br />
Given Culture perspective favors quantitative methods that<br />
compare large-scale cultures. Yet, if culture is an intersubjective<br />
process that is based on perspective, then it can<br />
only be approximated through deep interpretation (based on<br />
Geertz 1973) of emic sensemaking. Therefore, the Cultural<br />
Creation perspective requires deductive qualitative research of<br />
small-scale cultural fields (for details see Martin 2003 and<br />
McSweeney 2010). During research, the researcher herself/himself<br />
becomes part of emic sense-making and is therefore<br />
an integral part of data collection and interpretation (e.g.<br />
Czarniawska 2008).<br />
Throughout our article, we will use the word “culture” as<br />
consistent with the Cultural Creation paradigm. We define it<br />
as a process of making and remaking collective sense <strong>und</strong>er<br />
changing bo<strong>und</strong>ary conditions, the goal of which is to provide<br />
a sense of collective belonging (own definition based on<br />
Geertz 1973). Following the thought that the border of the<br />
collective self is not pre-defined, we will use the term “culture”<br />
and “social / collective identity” interchangeably. We<br />
will call the organizational setting a “cultural field” and refer<br />
to members of this setting as “cultural actors” or simply<br />
“actors”. We name their ability to create culture “cultural<br />
agency” (for agency see Martin 2003).<br />
The previous lines have briefly sketched the difference between<br />
Given Culture and Cultural Creation. It is summarized<br />
in the following table:<br />
© Interculture Journal 2011 | 14 60
Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A Sino-<br />
German Example<br />
theoretical<br />
paradigm<br />
main<br />
assumption<br />
scope of<br />
culture<br />
layers of<br />
culture<br />
Given Culture Cultural Creation<br />
objectivist reality reality is constructed socially<br />
individuals are victims<br />
of their cultural imprint<br />
large-scale<br />
(nation or society)<br />
individuals are agents and<br />
creators of culture<br />
small-scale: social or collective<br />
identity in a specific cultural field<br />
single culture multiple cultures<br />
perspective not considered emic vs. etic cultural meanings<br />
cultural<br />
difference<br />
exists “as such” is created<br />
cultural border given: cross-cultural blurred or fluid: inter-cultural<br />
research<br />
method<br />
quantitative / comparative<br />
cultural data exists “as such”<br />
intended<br />
results<br />
aggregated relative<br />
difference between<br />
nations or societies<br />
qualitative / deductive<br />
created inter-subjectively through<br />
researcher-field relationship<br />
deep interpretation of emic<br />
sense-making in single fields<br />
Exh. 2: Conceptual differences between Given Culture and Cultural Creation<br />
As exhibit 2 shows, each cultural perspective influences how<br />
culture is conceptualized, researched upon and interpreted.<br />
When trying to integrate both perspectives, the main problem<br />
lies in conceptualizing to what extent individuals are free<br />
creators of culture and to what extent external national cultural<br />
difference limits their sense-making possibilities.<br />
We propose that this problem can be best researched upon<br />
at a given and perceived cultural border. We do so because<br />
we assume that it will be at the cultural border where the<br />
cross-cultural and the cultural in-between (which we call inter-cultural)<br />
meet, and where the construction and negotiation<br />
of collective self and other takes place. We hypothesize<br />
the following: If cross-cultural difference remains and is perceived<br />
as such, then cultural actors are indeed limited by the<br />
given cross-cultural border. If the cultural border is bridged<br />
through the creation of new emic concepts of the collective<br />
self, then intercultural actors indeed shape new cultural<br />
meanings. We call this process Intercultural Creation. With<br />
the word “intercultural” we intend to stress the potential<br />
emergence of new integrative meanings beyond initial crosscultural<br />
difference. The result will be a new interculture.<br />
61 © Interculture Journal 2011 | 14
Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A Sino-<br />
German Example<br />
So far, the term ”intercultural´” has mainly been used as an<br />
adjective in English language studies on culture. It is almost<br />
exclusively used to describe bi-cultural individuals’ specific<br />
cultural imprint or competencies; sometimes, it also refers to<br />
a perceived need to go beyond comparative (cross-) cultural<br />
training that acknowledges the emergence of hybrid, so<br />
called “third”, cultures (see Szkudlarek 2009). We use “interculture”<br />
as a noun and in its etymological origin as an ”inbetween”<br />
culture as conceptualized from a Cultural Creation<br />
perspective. Thereby, we give it a new meaning which is<br />
linked to the idea of “third” cultures.<br />
The major methodological issue when researching upon Cultural<br />
Creation is the extent to which emic cultural meaning is<br />
shared by cultural actors (overview in Hatch / Yanov 2003).<br />
For Cultural Creation it is both, homogenous / unifying and<br />
heterogenous / dispersing, resulting in shared and contested<br />
cultural meanings. Some cultural meanings will be more homogenous<br />
than others.<br />
For the state of Intercultural Creation as defined previously,<br />
we assume the same, namely that some aspects of a new interculture<br />
are homogeneous and unifying, others are heterogeneous<br />
and dispersing. Following the anthropological paradigm<br />
that culture gives a group of people perceived collective<br />
identity as opposed to another group of people, we furthermore<br />
assume that the minimum of unification that is needed<br />
for a shared culture / collective identity is a shared <strong>und</strong>erstanding<br />
“who we are” and “who we are not” in a specific<br />
context. We next assume that this meaning needs to be exchanged<br />
intersubjectively through symbolic language or symbolic<br />
interaction (Jones 1996). Otherwise, these categorizations<br />
of collective self and other could not be meaningful<br />
categories for making collective sense out of social reality<br />
(Jones 1996). Therefore, we hypothesize that a similar symbolism<br />
must exist for the case of Intercultural Creation.<br />
Hence, we intend to look for cultural symbols that signify<br />
those “who used to be part of the collective other but are<br />
now part of the collective self” and those “who used to be<br />
part of the collective other and still are”. When looking for<br />
these symbols, we focus on the shared, homogenous and<br />
unifying part of cultural meaning. Therefore, we do not mean<br />
to say that there is no cultural variance within the field: We<br />
simply do not focus on this variance in this paper.<br />
© Interculture Journal 2011 | 14 62
Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A Sino-<br />
German Example<br />
3. Field and field methods<br />
3.1 Details to the field<br />
We studied culture in a field in which assumed given etic national<br />
cultural difference and emic Cultural Creation at the<br />
border between collective self and other met. Our field was a<br />
Sino-German service company that provides consulting and<br />
support to German small and medium-sized enterprises<br />
(SMEs) from technical industries which intend to enter the<br />
Chinese market or have already done so. For this purpose,<br />
Chinese employees at a site in the PRC and German employees<br />
at the German headquarters constantly work together<br />
across national cultural borders.<br />
These conditions made the research setting ideal for our purposes<br />
due to three reasons: Firstly, the service industry requires<br />
frequent external interactions with external clients,<br />
partners, and suppliers across organizational and national cultural<br />
borders. This demands for collective identity work by<br />
those acting at and across these borders (Swann / Russell /<br />
Bosson 2009), involving national cultural dimensions. Secondly,<br />
the organization itself spans different national and societal<br />
cultures, having sites in both the P.R. China and in Germany.<br />
Therefore, we can investigate into potential emic intercultures<br />
that bridge assumed etic national/societal cultural<br />
differences.<br />
China Service Ltd. was fo<strong>und</strong>ed in 1996 with 31 employees<br />
during the time of research. It provides consulting and support<br />
to German small and medium-sized enterprises (SMEs)<br />
from technical industries which intended to enter the Chinese<br />
market. The company also manages and administers customer<br />
and supplier relationships for clients who have already entered<br />
the market. Furthermore, it conducts market research<br />
and quality control, and searches for potential Chinese partners<br />
on behalf of its corporate clients. For customer service,<br />
German employees at the German headquarters and Chinese<br />
employees in an office in the People’s Republic of China<br />
(PRC) cooperate and interact across national borders. Chinese<br />
employees in the PRC are assigned to German corporate<br />
clients, sometimes exclusively, and act on behalf of the client<br />
while still being employed by China Service Ltd. Yet, with<br />
Chinese partners, suppliers, and customers, and with governmental<br />
institutions, they present themselves as representatives<br />
of the clients.<br />
During the time of research in 2009, 15 of such employees<br />
worked at the Chinese office, all of them being ethnic Chi-<br />
63 © Interculture Journal 2011 | 14
Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A Sino-<br />
German Example<br />
nese. They represented 46 German SMEs. Employees at both<br />
sites were between 30 and 46 years old; managers being<br />
slightly older. About one quarter of staff was female; the percentage<br />
was lower among management at both sites.<br />
Taking care of German clients on the Chinese market demanded<br />
frequent and regular communications between Chinese<br />
and German employees. Most of the time, management<br />
did not interfere into project-based communications. The<br />
main channels used were e-mail and telephone. Even though<br />
most Chinese employees had visited German headquarters at<br />
least once, none of them had worked in Germany for longer<br />
than one month at a time. All of them spoke German and/or<br />
English fluently through previous university education. Language<br />
abilities were a major criterion for recruitment.<br />
One of the authors entered this field in the role of an intern<br />
who was to assist staff in purchasing and sales of engineering<br />
goods, in quality control and in negotiations. As the researcher<br />
has an academic backgro<strong>und</strong> in international industrial<br />
engineering with a focus on sales and purchasing, this<br />
role was welcomed by the field. The interactions observed<br />
and the conversations held depended on the researcher role:<br />
As in every holistic participant observation that intends to deduct<br />
emic meanings, the researcher did not steer interaction<br />
but took in those interactions that happened to him (Bate<br />
1997, Martin 2003, Van Maanen 2006). In this way, the researcher<br />
is guided through the field by cultural actors themselves.<br />
Basically, the researcher reflects upon what happens<br />
to her/him, while acting in a certain role in the field.<br />
The researcher is a native German who is fluent in the English<br />
language, yet does not speak Mandarin Chinese. It was the<br />
researcher’s first visit to China and his first work-experience<br />
outside Germany. This condition made him experience significant<br />
cultural difference in the beginning which he later categorized<br />
as a higher humane orientation and collectivism, a<br />
higher degree of relationship, and less assertiveness when<br />
compared to the German cultural norm (based on House /<br />
Javidan 2004). Furthermore, he experienced relationships to<br />
be more diffuse and affective, and context-orientation to be<br />
higher (see exhibit 2). This experience made him aware of his<br />
own cultural imprint (Bennett 1986) and encouraged Chinese<br />
employees to ‘teach’ cultural practice to him. This proved to<br />
be a major means of access for uncovering what was considered<br />
to be ‘normal’ work-practice and behavior in this specific<br />
field.<br />
© Interculture Journal 2011 | 14 64
Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A Sino-<br />
German Example<br />
3.2 Data collection and interpretation<br />
Data was gathered through a four-month period of full-time<br />
participant observation that was conducted by one of the authors<br />
at China Service Ltd. between February and June 2009.<br />
The initial two weeks were spent at the German headquarters;<br />
three and a half months were spent at the China operations,<br />
including visits to partners, suppliers and customers.<br />
While in the field, the researcher put observations, accounts<br />
of conversations, his daily-routines and reflections upon himself<br />
and the field into a field-diary. Entries were made either<br />
directly after a social interaction or every evening at the latest.<br />
Every week, the researcher re-read, re-interpreted and recategorized<br />
his entries, thereby densifying his interpretation.<br />
Next, interpretations were correlated and triangulated with<br />
internal field data and external comparative cultural constructs<br />
and further literature.<br />
Throughout the research process, the researcher exchanged<br />
his interpretations with actors in the field, either verbally or<br />
through social interaction. This process is called “mirroring”<br />
(Marcus 1998) and intends to make sure that research interpretations<br />
are inter-subjectively meaningful from an emic<br />
perspective. Though this process, cultural patterns were identified.<br />
Exhibit 3 provides an overview of the data collection<br />
methods employed:<br />
data collection technique German headquarters Chinese operations<br />
participant observation 2 weeks 3 ½ months<br />
formal interviews No No<br />
informal interviews 5 37<br />
meeting attendance 4 15<br />
informal interaction in the field Yes / high Yes / high<br />
social activity beyond the field Yes / low Yes / high<br />
documents, websites, reports Yes Yes<br />
total duration of research 2 weeks 3 ½ months<br />
Exh. 3: Data collection and interpretation techniques<br />
65 © Interculture Journal 2011 | 14
Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A Sino-<br />
German Example<br />
3.3 Interpretative process<br />
As has been stated, the Cultural Creation assumes that actors<br />
construct culture and identity through discourse and embodied<br />
action, thereby creating intersubjective emic meanings.<br />
This process can only be deduced qualitatively (Bate<br />
1997, Van Maanen 2006).<br />
As we assumed the potential creation of a new inter-culture<br />
to be a highly contextualized process that might be embodied,<br />
emotional, tacit or otherwise non-verbal and prereflexive,<br />
we chose participant observation as our main tool<br />
of research. We employed it over four months, both at the<br />
German and at the PRC site of China Service Ltd. (for multisited<br />
participant observation see Hine 2007).<br />
Participant observation makes the researcher the main tool of<br />
research (Van Maanen 2006). As common in qualitative research,<br />
we approached the field holistically and deducted research<br />
questions from the field.<br />
In an interactive process of sensemaking with the field, the<br />
researcher observes, experiences, learns, enacts, and voices<br />
emic meanings herself/himself, thereby uncovering categories<br />
of what is considered ‘normal’ and ‘not normal’ in the field<br />
(Van Maanen 2006). For doing so, participant observation<br />
provides two options: Either the researcher learns and applies<br />
accepted behavior and discourses to the field, or she/he consciously<br />
violates accepted behavior and discourses, thereby<br />
locating the bo<strong>und</strong>ary of the cultural norm (Marcus 1998,<br />
Van Maanen 2006). Through this process, cultural norms and<br />
“patterns” (Geertz 1973) become visible.<br />
In the case of virtual cross-site interaction which takes place<br />
virtually, the researcher is limited by the fact that such communication<br />
cannot be observed directly (Hine 2007). In this<br />
case, the researcher has to largely rely on the verbal sense<br />
that cultural actors make of their doings through symbolic<br />
language.<br />
Critical voices have argued that participant observation results<br />
in an “invention” of the field by the researcher (Bate 1997)<br />
mainly due to two arguments. Firstly, it has been argued that<br />
cultural meaning in the field itself is subjective. However, cultural<br />
actors are never free in constructing their own meaning<br />
of the world (based on Berger / Luckmann 1966, overview in<br />
Hatch / Yanov 2003). Rather, their scope of interpretation is<br />
limited by context, social norms, power relations, and many<br />
more influencing factors (Hatch / Yanov 2003). These bo<strong>und</strong>ary<br />
conditions will result in inter-subjective meaning which<br />
can be learned as cultural patterns, norms and rules by the<br />
participant observer (based on Geertz 1973). Secondly, it has<br />
© Interculture Journal 2011 | 14 66
Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A Sino-<br />
German Example<br />
been argued that the researcher is subjective herself/himself.<br />
And indeed, participant observation can never deliver findings<br />
beyond the researcher’s own limitations. The task for the researcher<br />
is to make her/his findings inter-subjective through<br />
conscious interaction with and reflection upon the field (Marcus<br />
1998, Van Maanen 2006).<br />
Hence, we argue that participant observation has to meet<br />
processual criteria of excellence to be sure of the meaning it<br />
produces and to possess rigor. We define them as oscillation<br />
and densification (Mahadevan 2011b). With oscillation, we<br />
mean the researcher’s constant self-reflexive and systematic<br />
re-positioning between insider and outsider perspective, between<br />
participation and observation, and between inner and<br />
outer view. With densification, we mean the systematic circular<br />
process of (1) data collection, (2) data interpretation, (3)<br />
identification of cultural patterns, (4) application or conscious<br />
violation of cultural patterns by the researcher, (5) interpretation<br />
of field-researcher interaction, which is used for new data<br />
generation and leads back to (1).<br />
Through oscillation and densification, internal validity in the<br />
sense of intersubjectivity and processual rigor will be guaranteed.<br />
The participative researcher can also employ oscillation<br />
and densification when observing virtual interaction, namely<br />
by telling the same stories and employing the same narrative<br />
patterns in the same contexts or by consciously doing otherwise,<br />
thereby violating cultural norms.<br />
In retrospect, the research question with regard to this paper<br />
was to find out whether employees in a Sino-German service<br />
company, named China Service Ltd., create a new interculture<br />
when interacting with each other.<br />
4. Elements of a new interculture: the integrative concept<br />
of practicality<br />
Holistic participant observation deduces cultural patterns<br />
from the field through oscillation and densification. In this<br />
way, data is generated and interpreted in a circular process. It<br />
was not our purpose to analyze the field diary and lived researcher-field<br />
interaction on the level of linguistic discourse.<br />
Rather, the aim was to identify cultural patterns as<br />
represented through communication that signify unifying<br />
elements of a potential new inter-culture that bridges assumed<br />
given national cultural difference. For doing so, we<br />
looked for key dichotomies in the field diary that might signify<br />
constructs of collective self and collective other. We did so<br />
during research; the researcher mirrored our interpretations<br />
back to the field.<br />
67 © Interculture Journal 2011 | 14
Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A Sino-<br />
German Example<br />
Early in this process, we discovered a frequent use of the<br />
words “practical person” vs. “impractical person” in the English<br />
language and “praktischer Mensch” vs. “unpraktischer<br />
Mensch” in the German language when Chinese employees<br />
spoke about their German counterparts. This dichotomy<br />
turned out to be the characterization of German counterparts<br />
by Chinese employees that was verbalized towards the researcher<br />
the most frequently. We therefore conceptualized it<br />
as a verbal expression that signifies broader cultural meaning<br />
beyond its immediate wording. As we have stated, any culture<br />
/ collective identity needs to have a shared <strong>und</strong>erstanding<br />
of “who we are” as opposed to “who we are not”, i.e. a<br />
minimum of unified cultural meaning. Therefore, we assume<br />
that the categories of collective self and collective other in a<br />
cultural field are rather homogenous and unified throughout<br />
the field. Yet, we only make this claim for this cultural element.<br />
We do not assume that all cultural meanings in the<br />
field are equally unified.<br />
With regard to the key dichotomy of “practical vs. impractical<br />
person”, we will present five examples that are typical in certain<br />
aspects; we classify them as quote types 1-5.<br />
Quote 1: “I am a huge fan of Peter! Since he has been with the company,<br />
everything has been working out just fine. He is a practical person.”<br />
(Chinese employee, male, aged 34, describing a German employee)<br />
Quote 2: “I have daily telephone conversations with Klaus, funny person.<br />
He is always joking. We work together well. We always help each<br />
other when working together. (…) Klaus owns a beautiful house.<br />
Last time, I was at his home. He always buys computer games for<br />
his children here in China. When I was at his home, we played<br />
games together. He is a very practical person.”<br />
(Chinese employee, male, 36, describing a ‘practical’ German colleague)<br />
Quote 3: “The visit to company X was very nice. During my last visit, we<br />
drank a lot of beer. I can show a picture to you! The boss will<br />
come back to China as well; he is going to attend a trade fair in<br />
May. (…) He is a very practical person.”<br />
(Chinese employee, male 32, describing the visit to a client in<br />
Germany)<br />
Quote 4: “Next, you have to send [this template, the authors] back to Germany,<br />
and they will clean it up a little bit, and then I can continue<br />
working on it (…). You know, [my German counterpart, the authors]<br />
is a very practical person.”<br />
(Chinese employee, telling the researcher what to do with a certain<br />
template)<br />
Quote 5: “I don’t know exactly what their [the German client’s, the authors]<br />
intentions are, but I filled in this list [of potential partners,<br />
the authors] for them. I also don’t know them [the German client,<br />
the authors]. He [the German client’s representative, the author]<br />
© Interculture Journal 2011 | 14 68
Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A Sino-<br />
German Example<br />
has never been to China. Why not just go to a trade fair together<br />
and have it done? This would be practical. Still, I have to do something;<br />
he is the client, after all. (…) But this is very difficult, if the<br />
client is such an impractical person.”<br />
(Chinese employee commenting on a German client’s request to<br />
acquire new partners via telephone)<br />
Based on these quote types, we identified key characteristics<br />
of how to identify whether someone is a ”practical” and<br />
”impractical person” to work with. We classified these cultural<br />
meanings into major categories as defined by cultural<br />
dimensions, namely work-practice, relationship and communication.<br />
They are summarized in exhibit 4 below:<br />
category Practical Person (quotes 1-4)<br />
relationship<br />
dimension in<br />
work practice<br />
nature of relationship<br />
things work out well (quote 1)<br />
working together well (quote 2)<br />
helping each other (quote 2)<br />
cleaning up work (quote 4)<br />
working interdependently (quote 4)<br />
going to trade fair together<br />
(quotes 3 and 5)<br />
Making me “a huge fan of...”<br />
(quote 1)<br />
Is always joking (quote 2)<br />
I have visited them (quotes 2 and3)<br />
Inviting me to his home (quote 2)<br />
Coming to China (quote 5)<br />
Impractical Person<br />
(quote 5)<br />
Making me feel that<br />
“I don’t know what<br />
they want”<br />
Making me feel that<br />
“I don’t know<br />
them”<br />
communication Daily phone conversations (quote 2) Lack thereof<br />
Exh. 4: Cultural meanings of a ‘practical’ and ‘impractical’ person<br />
The researcher mirrored them back to the field in informal<br />
interaction and through norm-oriented or norm-violating behavior.<br />
Based on this process, we summarized practical work<br />
practice as interdependent; a practical relationship as emotional,<br />
affective and close; and practical communication as<br />
frequent interactions. We interpreted impractical work practice<br />
as cooperation lacking interdependency, relationship, affectivity,<br />
and interaction (based on exhibit 2).<br />
These characteristics will be analyzed with regard to their significance<br />
for Intercultural Creation in the following section.<br />
69 © Interculture Journal 2011 | 14
Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A Sino-<br />
German Example<br />
5. Interpretation and discussion of findings<br />
5.1 The Given Culture interpretation<br />
Following GLOBE, the Chinese cultural norm compared to<br />
Germany is characterized by a much higher tendency towards<br />
collectivism and humane orientation, and by much lower assertiveness.<br />
These assumptions are associated with highcontext<br />
orientation (exhibit 2).<br />
Indeed, German employees are referred to with personal detail<br />
(quote 2). Having been welcomed into a colleague’s<br />
home or having met a client in an informal setting is highly<br />
valued (quotes 2 and 3). A lack of personal relationship is said<br />
to impact work outcome (quote 5). This could signify higher<br />
humane orientation (GLOBE) and a higher orientation towards<br />
affective and diffuse relationship (exhibit 2). The deduction<br />
of a more affective relationship is supported by<br />
another employee’s statement who concedes to being “a<br />
huge fan of” a German employee (quote 1).<br />
In summary, quotes 1-3 link a ”practical person” to descriptions<br />
of good relationship and being in a type of personal<br />
contact which also involves emotions. Quote 4, however,<br />
links ”practicality” to interdependency and a helping each<br />
other out. One could interpret all these aspects with the help<br />
of specifically Chinese cultural standards. In contrast to comparative<br />
cross-cultural dimensions that describe relative difference<br />
between societal/national cultures, cultural standards<br />
describe norms within societal/national cultures from the Given<br />
Culture perspective. For greater China, harmonious interpersonal<br />
relationships governed by guanxi (interpersonal relations),<br />
human-centred obligations and reciprocity have been<br />
identified (Warner 2010). Quotes 1-4 might signify these<br />
standards; quote 5 might signify the lack thereof.<br />
In summary, the German cultural norm in relation to the Chinese<br />
cultural norm is characterized by a much lower tendency<br />
towards collectivism and humane orientation and by much<br />
higher assertiveness. These dimensions are associated with<br />
low-context and task-oriented communication at work (based<br />
on Hall and Hall 1990) and with specific and sober relationships<br />
(based on Trompenaars / Hampdon-Turner 1997). The<br />
term ”practicality” fits these norms. Therefore, it could signify<br />
specifically Chinese cultural dimensions and standards.<br />
© Interculture Journal 2011 | 14 70
Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A Sino-<br />
German Example<br />
5.2 The Cultural Creation interpretation<br />
From a Cultural Creation perspective, however, one has to<br />
ask why the specific term “practical person” emerged in this<br />
cross-cultural field to signify a person who belongs to the collective<br />
we from Chinese perspective. If the concept were to<br />
denote specifically Chinese concepts, why not call it guanxi<br />
(relationship) or renqing (human-centered obligations)?<br />
When only the immediate (denotative) meaning is considered,<br />
“practicality” does seem to denote a neutral and sober<br />
relationship and a high task-orientation. If this be the<br />
symbolic meaning of this expression, then a ”practical person”<br />
would be an indicator of German cultural norms.<br />
Yet, as has been said, the broader (connotative) narrative explanations<br />
to ”practicality” as visible through the given<br />
quotes also signify a combination of good personal relationship<br />
and interdependency (quote 1-4). Therefore, a ”practical<br />
person” might represent the Chinese cultural norms of high<br />
humane orientation, high in-group collectivism and low assertiveness<br />
(GLOBE), diffuse relationship (Hall 1976, Trompenaars<br />
/ Hampden-Turner 1997), affectivity (Trompenaars /<br />
Hampden-Turner 1997), and harmonious interpersonal relationships<br />
(Warner 2010).<br />
This combination between immediate wording and broader<br />
meaning makes the term “practicality” an ideal term to<br />
bridge given national cultural difference. In summary, the<br />
broader meaning of a ”practical person” and their behavior<br />
reflects Chinese cultural norms, whereas the immediate<br />
wording of ”practicality” reflects German cultural norms. Due<br />
to this ambiguity, this expression ‘makes sense’ from both a<br />
Chinese and German perspective. Therefore, it has the power<br />
to transport inter-cultural meaning and can therefore symbolize<br />
a new interculture.<br />
The German counterparts’ strategy to invite Chinese business<br />
partners and colleagues into their own private sphere can be<br />
interpreted as a first appropriation of the Chinese cultural<br />
norm. The use of the term ”practicality” by Chinese employees<br />
could be interpreted in the same way. Following<br />
Bennett (1986), this signifies intercultural learning through<br />
adaptation and integration. Following our previous definition,<br />
this signifies a state of Intercultural Creation.<br />
”Practicality” could also be conceptualized as a cultural<br />
“ante-narrative” (Boje 2008). According to Boje, antenarratives<br />
are not yet finite processes of verbal sense-making<br />
that integrate previously unrelated cultural elements. The inherent<br />
ambiguity of ”practicality´” can be interpreted along<br />
71 © Interculture Journal 2011 | 14
Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A Sino-<br />
German Example<br />
these lines: It serves to integrate previously unrelated cultural<br />
concepts.<br />
In the future, the inherent contradiction between the broader<br />
(connotative) and immediate (denotative) meaning of ”practicality”<br />
might either remain an asset or might lead to interpretative<br />
conflict. In any case, the key dichotomy of ”practical”<br />
vs. ”impractical person” indicates an emergent process of<br />
Intercultural Creation and might preclude a shift in collective<br />
identity. It does not yet signify a finite interculture.<br />
5.3 Implications<br />
For interculturalists, the Intercultural Creation perspective has<br />
three consequences for their practice: (1) be aware that cultural<br />
meaning cannot be prescribed; (2) acknowledge that<br />
intended etic sense-giving can be interpreted in many ways;<br />
(3) constantly aim to uncover emic categories of collective self<br />
and other. The first two require a shift in cultural paradigm.<br />
The third aspect requires interpretative action. We suggest<br />
the following approach for uncovering emic meanings in<br />
small intercultural fields:<br />
(1) First try to identify symbols that might signify Intercultural<br />
Creation. In our study, a new dichotomy of collective self and<br />
other beyond German versus Chinese was indicated by the<br />
verbal expressions of ”practical person” and ”impractical person”.<br />
(2) Investigate into the meanings that are given to these new<br />
categories and classify them into (a) given difference based<br />
on initial cross-cultural dimensions and cultural standards and<br />
(b) into new emic meanings.<br />
(3) Assess whether these new meanings have the power of<br />
bridging given cross-cultural difference. If so, design and implement<br />
a strategy and action that strengthens the unifying<br />
elements of Intercultural Creation, e.g. through reflexivity in<br />
work-practice and joint team-development activities.<br />
(4) Investigate into the emic sense that is made out of your<br />
action. Revise strategy and action, if necessary.<br />
5.4 Limitations<br />
Two limiting issues have to be reflected upon in order to<br />
judge quality and nature of access and of researcher-field relationship,<br />
namely language and power.<br />
Firstly, the researcher did not speak Chinese. Therefore, he<br />
was limited to German and English language conversations.<br />
Due to his backgro<strong>und</strong>, he was categorized as German by<br />
actors in the field. Therefore, he was not the right person to<br />
© Interculture Journal 2011 | 14 72
Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A Sino-<br />
German Example<br />
uncover emic intra-cultural elements of Chinese culture. Yet,<br />
we were interested in how the given Sino-German border is<br />
bridged through inter-cultural strategies. In our research setting,<br />
this had to be done in either German or English as no<br />
German employee spoke Chinese. Towards a German researcher,<br />
Chinese employees would most likely use the same<br />
bridging strategies they would use with any other German<br />
employee. Therefore, for the purpose of our research, we<br />
considered this researcher’s cultural identity more an asset<br />
than a liability.<br />
Secondly, the researcher was most likely categorized as representative<br />
of German headquarters by Chinese employees.<br />
German headquarters is dominant towards them, as it prescribes<br />
corporate language and establishes contact to the<br />
client. Combined with the fact that the researcher did not<br />
speak Chinese, this made it very unlikely for him to gain<br />
access to patterns of resistance towards German headquarters.<br />
Therefore, we could only focus on the unifying elements<br />
of a potential inter-culture and not on potential dispersing<br />
resistance towards German headquarters. The fact that we<br />
did not include potential issues of power and resistance is<br />
solely due to the stated limitations of our access and not due<br />
to our neglect of unequal power relations in modern business.<br />
In fact, we advocate that more cultural research be<br />
conducted from this perspective and have done so in other<br />
cases (Mahadevan 2011a).<br />
To summarize the limitations of our study: Due to the language<br />
barrier, we could not deliver insights on intra-cultural<br />
emic meanings at the Chinese site. Due to specific power relations,<br />
we could not focus upon the dispersing elements and<br />
the heterogeneity of emic cultures.<br />
With regard to the research problem, these limitations mean:<br />
We could find proof for the existence of unifying elements of<br />
emic interculture, yet, we could not counterweigh it with uncovering<br />
dispersing elements <strong>und</strong>er the condition of asymmetric<br />
power relations.<br />
6. Conclusion<br />
Our study contributed to intercultural research and practice<br />
by providing an example of how cultural actors in a crosscultural<br />
field create new emic meanings beyond given national<br />
cultural dimensions. We have called this state Intercultural<br />
Creation and have researched upon it qualitatively.<br />
It was not our argument that the state of Intercultural Creation<br />
implies that given cross-cultural difference as defined by<br />
cultural dimensions does not exist initially in a cross-cultural<br />
73 © Interculture Journal 2011 | 14
Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A Sino-<br />
German Example<br />
field. For the researcher as a new arrival to the field, crosscultural<br />
dimensions helped to conceptualize own experiences<br />
of cross-cultural difference. Rather, it is our argument that<br />
cross-cultural dimensions and large-scale cultural standards<br />
are too simplified and deterministic in order to explain which<br />
emic sense intercultural actors will make out of initial difference.<br />
Furthermore, cross-cultural dimensions cannot foresee<br />
to which degree cultural actors have the cultural agency to<br />
bridge them through Intercultural Creation.<br />
We argued that such processes of Intercultural Creation can<br />
be identified through symbolic meanings that integrate previous<br />
difference of collective self and collective other. In our<br />
study, the symbol that integrated previously unrelated cultural<br />
meanings was the verbal construct of a “practical person”.<br />
We have uncovered difference between the immediate wording<br />
and the broader meaning of ”practical person”: Whereas<br />
the immediate wording seems to indicate German cultural<br />
norms, the broader cultural narrative seems to signify Chinese<br />
cultural norms. Through this ambiguity, given cultural difference<br />
is linked.<br />
Due to the qualitative nature of our study, our generalizable<br />
contribution is the perspective and not the actual findings. To<br />
increase practitioners’ and researchers’ <strong>und</strong>erstanding of intercultures<br />
in various fields, further qualitative and explorative<br />
longitudinal research has to be conducted in different organizational<br />
settings. Special attention should be given to emergent<br />
processes of interculture and not to finite and given<br />
cross-cultures. As our study has shown, the latter are merely<br />
the initial conditions of emic sensemaking but by no means<br />
its outcome. Hence, we propose a paradigmatic shift towards<br />
an integrative intercultural management of emic cultural<br />
meanings instead of focusing on comparative cross-cultural<br />
management based on predefined cross-cultural dimensions.<br />
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© Interculture Journal 2011 | 14 76
Eros-Face<br />
[Eros-Face]<br />
Elias Jammal<br />
Professor für interkulturelle Studien<br />
an der Hochschule Heilbronn<br />
seit 1998, Leiter des Orient Institut<br />
für Interkulturelle Studien<br />
(OIS)<br />
Jammal: Eros-Face<br />
Abstract [Englisch]<br />
This paper introduces face concepts in the Arab context for<br />
which the notion Eros face has been given. Literature on face<br />
did not consider the Eros face so far. Two types of Eros face<br />
are discussed: The individual and the collective Eros face.<br />
Keywords: Face, collective face, Arab, gender<br />
Abstract [Deutsch]<br />
In diesem Papier werden Face-Konzepte im arabischen Kontext<br />
vorgestellt, die mit der Bezeichnung Eros-Face belegt<br />
werden. Dieses wurde bislang in der Face-Literatur nicht berücksichtigt.<br />
Es werden zwei Typen des Eros-Face diskutiert:<br />
Das individuelle <strong>und</strong> das kollektivistische Eros-Face.<br />
Stichworte: Face, kollektives Face, arabisch, Gender<br />
1. <strong>Ein</strong>leitung<br />
Konzepte von Face sind in den letzten Jahren intensiv in asiatischer<br />
Perspektive beleuchtet worden (für einen Überblick<br />
siehe Ting-Toomey 2005 sowie Henze 2008). Abgesehen von<br />
populären Ratgebern (vgl. z.B. Al-Sabt 1996) ist die arabische<br />
Perspektive auf Face bislang kaum erläutert worden. Die Frage<br />
nach Face-Konzepten im Arabischen ist in der Forschungsliteratur<br />
nicht zu finden.<br />
Vorliegender Beitrag widmet sich in einer ersten Annäherung<br />
dieser Thematik. Detaillierte Analysen <strong>und</strong> eine empirische<br />
F<strong>und</strong>ierung stehen noch aus.<br />
Die Leitfragen des Beitrags lauten: Gibt es Face-Begriffe <strong>und</strong><br />
-konzepte im Arabischen? Wenn ja: Welche sind es <strong>und</strong> zu<br />
welchen Ergebnissen führt der Vergleich dieser mit den bekannten<br />
Begriffen <strong>und</strong> Konzepten von Face, die vornehmlich<br />
in Auseinandersetzung mit chinesisch geprägten Kulturräumen<br />
entwickelt wurden?<br />
2. Was ist Face?<br />
Nach Goffman ist Face eine Maske, die je nach Audienz <strong>und</strong><br />
der sozialen Interaktionssituation variiert (Goffman 1955 <strong>und</strong><br />
1971). Das Image einer Person ist eine Anleihe von der Gesellschaft<br />
(Goffman 1971:15) <strong>und</strong> Goffman versteht Image<br />
„[…] als de[n] positive[n] soziale[n] Wert […], den man für<br />
sich durch die Verhaltensstrategie erwirbt, von der die anderen<br />
annehmen, man verfolge sie in einer bestimmten Interaktion“<br />
(Goffman 1971:10).<br />
77 © Interculture Journal 2011 | 14
Jammal: Eros-Face<br />
Die Politeness-Ansätze des Linguisten Lakoff (1973) sowie<br />
von Brown <strong>und</strong> Levinson (1978) fokussieren die Bemühungen,<br />
Face in Anbetracht von „face threats“ aufrechtzuerhalten<br />
<strong>und</strong> wiederherzustellen. Mills schreibt: „Politeness is the<br />
expression of the speakers’ intention to mitigate face threats<br />
carried by certain face threatening acts toward another”<br />
(Mills 2003:6, vgl. auch Watts 2005).<br />
In einer verbreiteten Definition bezeichnet Face „the negotiated<br />
public image, mutually granted each other by participants<br />
in a communicative act” (Henze 2011:81ff.). Entscheidend<br />
an dieser Erläuterung ist, dass Face in kommunikativen<br />
Akten zum Tragen kommt. Ting-Toomey <strong>und</strong> Kurogi (1998)<br />
unterstreichen diesen Aspekt <strong>und</strong> weisen sowohl auf die Beziehungs-<br />
<strong>und</strong> Netzwerkeaspekte hin, die für die kommunikativen<br />
Akte konstitutiv sind, als auch auf die Identitätsbildung:<br />
Face ist<br />
“[…] an individual’s claimed sense of favorable social self-image in a relational<br />
and network context. Facework is defined as clusters of communicative<br />
behaviors that are used to enact self-face and to uphold, challenge/threaten,<br />
or support the other person’s face. Face is a cluster of identity<br />
- and relational-based issues that simmers and surfaces before, during<br />
and after the conflict process. Face is associated with respect, honor, status,<br />
reputation, credibility, competence, family/network connection, loyalty,<br />
trust, relational indebtedness and obligation issues.” (Ting-Toomey / Kurogi<br />
1998:190)<br />
Im Folgenden belege ich dieses Verständnis, das von einem<br />
konstruierten Image als variable Maske ausgeht, die in Beziehungen<br />
<strong>und</strong> Netzwerken verhandelt wird, mit dem Begriff<br />
allgemeines Face <strong>und</strong> deute im Vergleich zu chinesischen<br />
Face-Konzepten an, dass zwar ein Pendant dafür in arabischer<br />
Perspektive zu finden ist, genannt „waģh“. Jedoch wird<br />
darüber hinaus angenommen, dass ein Gender-spezifisches<br />
Face-Konzept im Arabischen existiert, für das ich zur Abgrenzung<br />
den Namen „Eros-Face“ 1<br />
gewählt habe.<br />
3. Allgemeines Face: Mianzi <strong>und</strong> Lian<br />
In seiner detaillierten Analyse chinesischer Perspektiven auf<br />
Face geht Henze (2011) folgerichtig auf die Kommunikation<br />
ein <strong>und</strong> erläutert die vier Modi bzw. Prinzipien situationsbezogener<br />
Kommunikation: Der Modus der impliziten<br />
Kommunikation (hanxu), das Prinzip der „auf (Zu)Hören“<br />
zentrierten Kommunikation (tinghua), das Prinzip der an Höflichkeit<br />
ausgerichteten Kommunikation (keqi), die auf die<br />
Vermeidung von Disharmonie (oder anders ausgedrückt: die<br />
Sicherung von Harmonie) im Kommunikationsakt abzielt, <strong>und</strong><br />
die prinzipielle Unterscheidung bzw. den Modus der insider<br />
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Jammal: Eros-Face<br />
versus outsider Kommunikation (zijiren versus wairen) (Henze<br />
2011, Gao / Ting-Toomey 1998:37ff.).<br />
Unterschieden wird im Chinesischen <strong>zwischen</strong> zwei Face-<br />
Konzepten: Mianzi <strong>und</strong> Lian (King 2010): Mianzi benötigt „a<br />
social context whereas lian [is] an inherent aspect of a<br />
person's existence and may not have a social context” (King<br />
2010:37). King führt weiter aus, dass Lian „an all or nothing<br />
element” ist, während mianzi „can wax and wane as events<br />
unfold”. Mithin ist lian „more important and infinitely more<br />
precious than mianzi“ (King 2010:37). Gao schlägt zur weiteren<br />
Differenzierung <strong>zwischen</strong> den beiden Konzepten vor,<br />
Mianzi als „interactive face“ <strong>und</strong> Lian als „evaluative face“ zu<br />
bezeichnen (King 2010:38). King erläutert diesen Vorschlag<br />
wie folgt: „Gao defined evaluative face as a social evaluation<br />
that includes both cognition and emotion but either existed<br />
or did not exist and was not available for exchange for social<br />
resources“. Interactive face hingegen „involves cognition and<br />
behavior and could be changed into a social resource thus<br />
inductively equating to mianzi“ (King 2010:38).<br />
Sowohl die oben angegebenen Erläuterungen <strong>und</strong> Differenzierungen<br />
von Face als auch die vier Kommunikationsmodi<br />
bzw. -prinzipien lassen sich in arabisch-islamisch geprägten<br />
Kulturräumen finden 2<br />
- auch wenn die Modi <strong>zwischen</strong> den<br />
unterschiedlichen Kollektiven stark variieren können (vgl.<br />
Feghali 1997). So weicht z.B. die Kommunikation <strong>zwischen</strong><br />
Managern moderner Unternehmen von der <strong>zwischen</strong> den<br />
Mitarbeitern <strong>und</strong> dem Firmeninhaber in traditionellen Klein<strong>und</strong><br />
Kleinstbetrieben merklich ab (Jammal 2007).<br />
Lässt man dies außer Acht, so kann das arabische Pendant<br />
zum Mianzi-Face in dem Konzept „waģh“ gesehen werden<br />
(Wehr 1977, Rosen 1984). „Waģh“ bedeutet so viel wie allgemeines<br />
Gesicht <strong>und</strong> auch Fassade. Das Gesicht von jemandem<br />
in Verruf zu bringen, heißt, „sein Gesicht schwärzen“ 3<br />
,<br />
das Gesicht eines anderen verbessern, heißt „Gesicht weißeln“.<br />
Es gilt ebenfalls für das arabische „waģh“, dass es in<br />
kommunikativen Akten konstruiert, bewahrt, „geschwärzt“,<br />
„geweißelt“ bzw. wiederhergestellt <strong>und</strong> im Extremfall ruiniert<br />
werden kann. Zentral für die Aufrechterhaltung eines positiven<br />
Gesichts ist die Würde, arabisch „karãma“ ( ههار ڪ).<br />
Auch wenn es hier im <strong>Ein</strong>zelnen nicht gezeigt werden kann,<br />
ist davon auszugehen, dass dieses Face-Konzept im Arabischen<br />
zu finden ist (das öffentliche Bild ist konstruiert, es ist<br />
eine variable Maske, die in Beziehungen <strong>und</strong> Netzwerken<br />
verhandelt wird).<br />
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Jammal: Eros-Face<br />
4. Das Eros-Face <strong>und</strong> seine zwei Begriffsvarianten<br />
Im Arabischen 4<br />
gibt es ein weiteres Face-Konzept: Das Eros-<br />
Face. Es wird mit drei Begriffen umrissen 5 : „ãr“ (ر اع), „ird“<br />
(ضرع) <strong>und</strong> „´aib“ (Wehr 1997). Letzterer wird an späterer<br />
Stelle erläutert.<br />
Der erste Begriff „ãr“ meint Schmach, Schande oder Unehre<br />
<strong>und</strong> verweist auf die Notwendigkeit von Ehre <strong>und</strong> Würde.<br />
„Ird“ hingegen ist guter Ruf. Der Begriff wird in zweifacher<br />
Hinsicht verwendet. Erstens bezeichnet er die Ehre <strong>und</strong> Würde<br />
eines Menschen (Eros-Face eines Individuums). In dieser<br />
Verwendung beruht der gute Ruf bei einem Mann in vielen<br />
Fällen auf verbreiteten Männlichkeitsvorstellungen. Der Begriff<br />
des guten Rufs (Eros-Face) kann somit in dieser Begriffsverwendung<br />
nicht nur, sondern auch mit Intimität zu tun haben.<br />
Die diesem Begriff zugr<strong>und</strong>eliegenden sozialen Konstruktionen<br />
von Männlichkeit sind historisch wandelbar <strong>und</strong><br />
in unterschiedlichen Varianten nicht nur in arabisch-islamisch<br />
geprägten Kollektiven zu finden (vgl. z.B. Bosse / King 2000,<br />
Meuser 1998). Wichtig für die weitere Differenzierung des<br />
Begriffs des guten Rufs im Arabischen ist, dass das Eros-Face<br />
in dieser Verwendung individuell ist. Das heißt: Der Begriff<br />
verweist nicht auf bestimmte Frauen <strong>und</strong> Kollektive 6<br />
, sondern<br />
lediglich auf ein anonymes Kollektiv.<br />
Lässt man den Gender-Aspekt bzw. den Intimitätsaspekt außer<br />
Acht, so stellt „ird“ in der angegebenen Begriffsverwendung<br />
ein Pendant zum chinesischen Lian dar. „Individualistisch“<br />
meint bei beiden Konzepten, dass der Bezug zu einem<br />
anonymen <strong>und</strong> nicht zu einem bestimmten Kollektiv besteht,<br />
das Werte wie Würde <strong>und</strong> Respekt definiert.<br />
Der Begriff ist im Übrigen in dieser individualistischen Verwendung<br />
auch auf Frauen anwendbar. Ihm liegen historisch<br />
gewachsene soziale Konstruktionen von Frauen zugr<strong>und</strong>e.<br />
Die zweite Begriffsverwendung ist spezifisch kollektivistisch,<br />
in hohem Maße Gender-„biased“ <strong>und</strong> sie bezieht sich ausschließlich<br />
auf Intimität. Der Begriff „Ird“ meint in dieser<br />
Verwendung zum einen das öffentliche Image eines Kollektivs,<br />
dem Frauen angehören, <strong>und</strong> zum anderen das öffentliche<br />
Image einer Frau oder eines Mannes, jedoch auch nur in<br />
Bezug zu den ihm zugeschriebenen Frauen. Der Begriff verweist<br />
also hier auf bestimmte Frauen <strong>und</strong> Kollektive. Im Zentrum<br />
stehen stets die Frau <strong>und</strong> ihre Jungfräulichkeit. Öffentlich<br />
meint hier nicht nur die Beziehung zu Fremdgruppen, sondern<br />
auch zu den Mitgliedern des eigenen Kollektivs - gleichviel<br />
wie groß oder wie klein dieses ist (Rosen 1984).<br />
In einer negativen Bestimmung geht es bei diesem kollektivistischen<br />
Eros-Face im Kern um die Abwehr von <strong>Ein</strong>dringlingen<br />
© Interculture Journal 2011 | 14 80
Jammal: Eros-Face<br />
in die Privatsphäre des Kollektivs, um die Verhinderung von<br />
außerehelicher <strong>und</strong> gewaltsamer Geschlechtlichkeit <strong>zwischen</strong><br />
Mitgliedern anderer Kollektive <strong>und</strong> Frauen des eigenen Kollektivs<br />
<strong>und</strong> schließlich vor allem um die Unterbindung von<br />
Wollust, soweit diese außerhalb des ehelichen Bereichs vorliegt.<br />
Letztlich ist der gute Ruf („ird“) nur unter der Abwendung<br />
von Schmach („ãr“) möglich. In positiver Bestimmung: Bewahrt<br />
werden soll ein Bild unbefleckter <strong>und</strong> stets keuscher<br />
Privatsphäre eines Kollektivs oder einer Person.<br />
Konstitutiv für das Eros-Face der Männer eines Kollektivs ist,<br />
dass sie für die Bewahrung von Unbeflecktheit <strong>und</strong> Keuschheit<br />
ihres Kollektivs in Bezug auf die Frauen desselben Kollektivs<br />
verantwortlich sind. Wer dieser Pflicht nicht nachkommt,<br />
verliert das Eros-Gesicht. Wer es bewahrt, hat prima facie einen<br />
positiven öffentlichen Ruf („ird“). Dies ist entscheidend<br />
für die Identitätsbildung eines Mannes. Wer seinen guten Ruf<br />
(„ird“) verloren hat, ist bestenfalls bedauernswert <strong>und</strong> hat<br />
eigentlich die Prüfung aller Prüfungen, eben die der Männlichkeit,<br />
nicht bestanden.<br />
Die Frauen eines Kollektivs bilden im Eros-Face-Konzept den<br />
verletzbarsten Kern sowohl des öffentlichen Bildes („ird“) als<br />
auch des Schmachkonstrukts („ãr“). Die Schmachgefahr lauert<br />
<strong>und</strong> es herrscht daher - je nach Kollektiv - eine starke Reglementierung,<br />
die mit dem Wort „´aib“ (بيع) belegt wird.<br />
„´Aib“ meint so viel wie „zum Verderben bzw. zur Schande<br />
führend“. Alles, was den guten Ruf („ird“) gefährdet, ist etwas,<br />
das zum Verderben führt („´aib“). Und so kann man sich<br />
vorstellen, dass diejenige Instanz in einem Kollektiv die größte<br />
Macht hat, welche darüber bestimmt, was „´aib“ <strong>und</strong> folglich<br />
zu unterlassen ist.<br />
Im Übrigen: Nicht alle „´aib“-Bestimmungen sind auf das<br />
Eros-Face bezogen. Es gibt „´aib“-Bestimmungen innerhalb<br />
der Erziehung für das, was „man nicht tut“. Bezogen auf das<br />
Eros-Face sind die „´aib“-Bestimmungen häufig nicht nur moralisch,<br />
sondern auch volksreligiös beladen. Damit wird der<br />
Eros-bezogene Ruf („ird“) sakral umhüllt. 7<br />
Interessant ist des Weiteren, dass es einen Begriff dafür gibt,<br />
Verpöntes zu verdecken, um kein Unheil in dem Kollektiv anzurichten:<br />
Es heißt „sitr“ <strong>und</strong> das Wort kommt vom „sitar“,<br />
das Vorhang oder Schleier bedeutet (Wehr 1977).<br />
<strong>Ein</strong> „verschmutztes“ Eros-Face kann - wie es im arabischen<br />
heißt - gewaschen werden. Der Preis einer solchen Waschung<br />
ist in der Regel sehr hoch. Es erfolgt häufig durch Mord an<br />
der betroffenen Frau <strong>und</strong> / oder an demjenigen, der die<br />
Schande verursacht hat 8<br />
.<br />
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Jammal: Eros-Face<br />
Beide Begriffe - Schmach („ãr“) <strong>und</strong> guter Ruf („ird“) - sind<br />
im Bereich der nahöstlichen Tradition <strong>und</strong> des Volksislam anzusiedeln<br />
<strong>und</strong> weniger mit dem Koran zu begründen. Stammes-<br />
<strong>und</strong> Clandenken bzw. -strukturen sind es, die beide Begriffe<br />
begründen. Im Koran kommen zwar die Begriffe vor<br />
(3,26-27; 49,13; 70,23-35), aber es geht dabei um die Ehre,<br />
die Gott dem rechten Gläubigen gibt 9<br />
.<br />
5. Besonderheiten des Eros-Face<br />
Es ist sicherlich erkennbar geworden, dass das Eros-Face<br />
Gender-spezifisch ist. Dies wurde meines Wissens in der bisherigen<br />
Face-Literatur - zumindest im arabischen Kontext -<br />
nicht thematisiert, obwohl die Sachverhalte, um die es dabei<br />
geht, gr<strong>und</strong>sätzlich bekannt sind. Auch existiert der Genderaspekt<br />
in der chinesisch-orientierten Faceliteratur nicht.<br />
Mianzi <strong>und</strong> Lian kennen keine Genderaspekte.<br />
<strong>Ein</strong>e weitere Besonderheit des Konzepts Eros-Face ist, dass es<br />
sowohl individuell als auch kollektivistisch sein kann. Letzteres<br />
ist Gender-„biased“ zu Ungunsten der Frauen.<br />
Das Phänomen des kollektiven Face im chinesischen Kontext<br />
wurde in der Literatur schon mehrfach diskutiert (siehe z.B.<br />
Muders 2008 mit der dort aufgeführten Literatur). Im arabischen<br />
Kontext gibt es das Eros-Gesicht einer Frau, eines<br />
Mannes <strong>und</strong> auch das des Kollektivs, dem die Frau angehört<br />
(arabisch „ird“). Auch besteht eine Wechselwirkung <strong>zwischen</strong><br />
dem Eros-Face eines Individuums auf der einen <strong>und</strong> dem<br />
Eros-Face eines Kollektivs auf der anderen Seite. So obliegt es<br />
dem Mann in einer Familie (dem Vater bzw. dem ältesten<br />
Sohn), das Image des Kollektivs (also der Familie in diesem<br />
Fall) zu schützen <strong>und</strong> dafür geeignete Strategien einzuschlagen.<br />
Das Face eines Mannes kann also sowohl individuell als<br />
auch kollektivistisch sein. Beim Letzteren steht es in einem<br />
Verweisungszusammenhang zu einem bestimmten Kollektiv.<br />
Das kollektivistische Eros-Face lässt keinen großen Spielraum<br />
für die Konstruktionen eines Selbstbildes zu. In dieser Hinsicht<br />
ist es, wie das Lian-Konzept, evaluativ. Auch variiert es nicht,<br />
so wie es beim „waģh“ oder beim chinesischen Pendant<br />
Mianzi der Fall ist, je nach Audienz <strong>und</strong> Interaktionssituation.<br />
Es ist eher vorgegeben <strong>und</strong> gegen Änderungen resistent. Was<br />
zum Verderben führt („´aib“) <strong>und</strong> was nicht, steht nicht zur<br />
Debatte. Es ist auch zu bedenken, dass die Werte, um die es<br />
beim Eros-Face geht, keinen Spielraum für Schattierungen<br />
zulassen: Es gibt eben kein Drittes <strong>zwischen</strong> Jungfräulichkeit<br />
<strong>und</strong> nicht Jungfräulichkeit. „´Aib“ wird durch Reglementierungen<br />
in einem Kollektiv bestimmt, die im Bereich des Eros-<br />
Face häufig auf impliziten bipolaren Wertvorstellungen beru-<br />
© Interculture Journal 2011 | 14 82
Jammal: Eros-Face<br />
hen. Über die der Reglementierung zugr<strong>und</strong>eliegenden Werte<br />
wird nicht verhandelt - schon gar nicht, wenn sie einen ausgesprochen<br />
sakralen Charakter haben.<br />
Gleichwohl gilt auch beim Eros-Face wie auch beim „waģh“<br />
(allgemeines Face), dass es in kommunikativen rituellen Handlungen<br />
vermittelt wird (Goffman 1955 <strong>und</strong> 1971). Es gibt<br />
sehr viele Strategien der Pflege eines Bildes von Reinheit <strong>und</strong><br />
Keuschheit. Performative Sätze - Eheschließung als performativer<br />
Sprechakt (vgl. Austin 1962) oder andere Ausgleichshandlungen<br />
10<br />
- dienen der Wiederherstellung des Eros-Face,<br />
wie z.B. die Auslöschung der Ursache des „Übels“. Letzteres<br />
ist im Übrigen nicht durch die Frauen, sondern ausschließlich<br />
durch die Männer zu bewerkstelligen.<br />
Was den Verlust des Eros-Gesichts anbelangt, so hat er gravierendere<br />
Auswirkungen als der Verlust des allgemeinen Gesichts<br />
„waģh“. Auch lässt sich der Verlust kaum durch „Politeness“<br />
reparieren. Es sind meistens existenzielle Schritte, die<br />
benötigt werden, um das Eros-Gesicht halbwegs zu kitten.<br />
6. Zusammenfassung<br />
Es wurde holzschnittartig gezeigt, dass zwei begriffliche Konzepte<br />
im Arabischen für Face existieren: Das eine ist „waģh“<br />
(allgemeines Face), was so viel bedeutet wie öffentliches<br />
Image einer Person, das kommunikativ-rituell konstruiert <strong>und</strong><br />
verhandelbar ist. Das chinesische Pendant dazu ist Mianzi.<br />
Daneben gibt es ein anderes Konzept, genannt Eros-Face, das<br />
sowohl individuell als auch kollektivistisch sein kann. In der<br />
individualistischen Variante kommt es dem chinesischen Lian-<br />
Konzept nahe. Hier stellt die anonyme Gesellschaft den Bezug<br />
dar <strong>und</strong> nicht ein bestimmtes Kollektiv. Beim kollektivistischen<br />
Eros-Face bildet die Familie oder der Clan etc. den Bezug<br />
<strong>und</strong> es kann sich zum einen um das Face eines bestimmten<br />
Kollektivs <strong>und</strong> zum anderen um das Face eines Individuums<br />
in Bezug zu dem spezifischen Kollektiv handeln.<br />
Jedenfalls unterscheidet sich das Eros-Face vom allgemeinen<br />
Face „waģh“ darin, dass es in seinen Konstruktionen rigider<br />
<strong>und</strong> weniger verhandelbar ist. Die Rigidität nimmt bei einer<br />
sakralen Umhüllung der Face-Werte durch Bezüge zum Volksislam<br />
zu. Damit geht eine stärkere Repression gegenüber<br />
Frauen einher. Deshalb wurde oben betont, dass das kollektivistische<br />
Eros-Face-Konzept Gender-„biased“ ist.<br />
Des Weiteren: <strong>Ein</strong>em Verlust des Eros-Face kann wohl kaum<br />
mit Höflichkeit begegnet werden <strong>und</strong> die Konsequenzen daraus<br />
sind weitaus gravierender als beim Verlust des allgemei-<br />
nen Face „waģh“.<br />
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Jammal: Eros-Face<br />
7. Offene Fragen<br />
Die vorgestellte Unterscheidung <strong>zwischen</strong> Face-Konzepten im<br />
Arabischen stellt eine erste Annäherung an das Thema dar.<br />
Sie bedarf einer eingehenden Analyse unter <strong>Ein</strong>beziehung<br />
einer empirischen F<strong>und</strong>ierung, um auch zu zeigen, welche<br />
Varianten davon in unterschiedlichen arabischen Kollektiven<br />
bestehen. In diesem Papier wurde noch eher allgemein von<br />
arabischen Face-Konzepten gesprochen. Es liegt auf der<br />
Hand, dass dies einer Differenzierung bedarf.<br />
In diesem Papier wurde das Eros-Face als Konzept bezeichnet.<br />
Eventuell wäre es analytisch <strong>und</strong> systematisch sinnvoller, das<br />
Eros-Face als eine Unterkategorie des allgemeinen Face zu<br />
verstehen.<br />
Es stehen des Weiteren noch die Fragen aus, welche Kollektiv-allgemeinen<br />
<strong>und</strong> Kollektiv-spezifischen Maßnahmen zur<br />
Pflege des Eros-Face <strong>und</strong> welche angesichts von „Eros-Face<br />
Threats“ ergriffen werden. Auch wäre genauer zu klären, wie<br />
die Zusammenhänge <strong>zwischen</strong> dem individuellen <strong>und</strong> dem<br />
kollektiven Eros-Face sind.<br />
Und schließlich: Es müsste noch genauer herausgearbeitet<br />
werden, was Intimität im <strong>Ein</strong>zelnen meint bzw. welche Lebensbereiche<br />
davon betroffen sind, <strong>und</strong> das unter <strong>Ein</strong>beziehung<br />
vor allem der ethnologisch orientierten Forschungsergebnisse<br />
zu Ehre <strong>und</strong> Face.<br />
Literatur<br />
Al Sabt, M. (1996): Arabian Business and Culture Guide. Honolulu: International<br />
Export Connections.<br />
Austin, J. L. (1962): How to Do Things with Words. Oxford: Clarendon.<br />
Bosse, H. / King, V. (Hrsg.) (2000): Männlichkeitsentwürfe, Wandlungen<br />
<strong>und</strong> Widerstände. Frankfurt / New York: Campus.<br />
Brown, P. / Levinson, S. C. (1987): Politeness. Some universals in language<br />
usage. Cambridge: Cambridge University Press.<br />
Diner, D. (2005): Versiegelte Zeit. Über den Stillstand in der islamischen<br />
Welt. Berlin: Propyläen.<br />
Feghali, E. (1997): Arab Communication Patterns. International Journal of<br />
Intercultural Relations 21(3), S. 345-378.<br />
Gao, G. / Ting-Toomey, S. (1998). Communicating Effectively with the Chinese.<br />
Thousand Oaks: Sage.<br />
Goffman, E. (1959): The presentation of self in everyday life. Garden City,<br />
NY: Doubleday.<br />
© Interculture Journal 2011 | 14 84
Jammal: Eros-Face<br />
Goffman, E. (1971): Interaktionsrituale. Über Verhalten in direkter Kommunikation.<br />
Frankfurt/M.: Suhrkamp.<br />
Henze, J. (2008): Die Rolle von Vertrauen in sozialen Beziehungen. Das<br />
Beispiel chinesischsprachiger Kulturräume. In: Jammal, E. (Hrsg.): Vertrauen<br />
im interkulturellen Kontext. Konzepte <strong>und</strong> empirische Forschung. Wiesbaden:<br />
VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 193-211.<br />
Henze, J. (2011): Intuition <strong>und</strong>/oder Wissen. Zur Bedeutung heuristischer<br />
Modelle in der interkulturellen Kommunikationsforschung“. In: Bosse, E. /<br />
Kreß, B. / Schlickau, S. (Hrsg.): Methodische Vielfalt in der Erforschung<br />
interkultureller Kommunikation an deutschen Hochschulen. Frankfurt/Main<br />
et al.: Peter Lang, S. 81-101.<br />
King, P. C. (2010): An Examination of the Role of Lian (Face) in Mainland<br />
Chinese Business Practices. Dissertation Submitted in Partial Fulfillment<br />
of the Requirements for the Degree Doctor of Management in<br />
Organizational Leadership at Phoenix University. URL:<br />
http://gradworks.umi.com/3437009.pdf [Zugriff am 17.04.2011].<br />
Lakoff, G. P. (1973): The logic of Politeness; or minding your p's and<br />
q's. Papers from the 9th Regional Meeting, Chicago Linguistics Society.<br />
Chicago: Chicago Linguistics Society.<br />
Meuser, M. (1998): Geschlecht <strong>und</strong> Männlichkeit. Soziologische Theorie<br />
<strong>und</strong> kulturelle Deutungsmuster. Opladen: Leske + Budrich.<br />
Muders, K. (2008): Höflichkeit – ein universales Konzept? Inwiefern behaupten<br />
die Theorien von Lakoff <strong>und</strong> Brown & Levinson eine universale<br />
Gültigkeit ihrer Modelle <strong>und</strong> lassen sich diese Behauptungen vertreten?<br />
München: Grin Verlag.<br />
Mills, S. (2003): Gender and Politeness. Cambridge: Cambridge University<br />
Press.<br />
Rosen, L. (1984): Bargaining for Reality. The construction of social relations<br />
in Muslim law and society. Oxford: Oxford University Press.<br />
Ting-Toomey, S. / Kurogi, A. (1998): Facework Competence in Intercultural<br />
Conflict. An Updated Face-Negotation Theory. International Journal of Intercultural<br />
Relations 22(2), S. 187-225.<br />
Ting-Toomey, S. (2005): The Matrix of Face. An Updated Face-Negotiation<br />
Theory. In: Gudykunst, W.B. (Hrsg.): Theorizing about intercultural communication.<br />
Thousand Oaks, CA: Sage, S. 71-92.<br />
Watts, R. (2005): Linguistic Politeness Research. Quo Vadis? In: Watts, R. J.<br />
/ Ide, S. / Ehlich, K. (Hrsg.): Politeness in Language. Studies in its History,<br />
Theory and Practice. Berlin, New York: Mouton de Gruyter, S. xi–xlvii.<br />
Wehr, H. (1977): Arabisches Wörterbuch. Beirut: Librairie du Liban.<br />
1 Für die Wahl dieses Begriffes siehe z.B. die Metamorphosen-<br />
Erzählung von Apuleius. Man kann sicherlich auch „Intimitäts-Face“<br />
sagen.<br />
85 © Interculture Journal 2011 | 14
Jammal: Eros-Face<br />
2 Darauf detailliert einzugehen, würde den Rahmen dieses<br />
Beitrags sprengen.<br />
3<br />
Wie auch im Deutschen gibt es im Arabischen mehrere Begriffsverwendungen<br />
mit negativem Bezug zur schwarzen<br />
Hautfarbe. Leider gelten diese im arabischen Sprachraum<br />
längst noch nicht als inakzeptabel.<br />
4<br />
Viele wertvolle Hinweise zu den arabischen Begriffen <strong>und</strong><br />
Ehre-Konzepten verdanke ich meiner Halbschwester Frau<br />
Yasmeen Hamdan.<br />
5<br />
Es gibt einen weiteren Begriff im Arabischen, der in diesem<br />
Zusammenhang relevant ist: Ehre - arabisch „sharaf“. Darauf<br />
einzugehen <strong>und</strong> diesen Begriff von den anderen drei Begriffen<br />
abzusetzen, kann hier nicht geleistet werden.<br />
6<br />
Interessanterweise gibt es im syrischen Dialekt (Alltagsarabisch<br />
in Syrien, Palästina, Jordanien <strong>und</strong> im Libanon) ein<br />
Schimpfwort, das sich auf den individuellen guten Ruf bezieht.<br />
Es lautet in der Übersetzung: „Verflucht sei dein guter<br />
Ruf“.<br />
7 Vgl. Diner (2005): Bis auf die Idee der sakralen Umhüllung<br />
sind den Analysen Diners des angeblichen Stillstands in der<br />
arabischen Welt nicht zuzustimmen – schon gar nicht im Lichte<br />
der jüngsten Demokratisierungsrevolutionen in vielen arabischen<br />
Ländern.<br />
8<br />
Es erübrigt sich geradezu zu sagen, dass das Phänomen des<br />
Eros-Face nichts spezifisch Arabisches ist <strong>und</strong> dass es sehr<br />
wohl im „Abendland“ in rigiden Formen vorhanden war (was<br />
aber nicht ausschließt, dass es in der jeweiligen Ausgestaltung<br />
kulturspezifisch sein kann). Man denke nur an Mozarts<br />
Don Giovanni. Da muss der Komtur, der Vater von Donna<br />
Anna in der Ausgleichshandlung des Kampfes mit Don Giovanni<br />
sterben. Anlass ist natürlich, dass das Eros-Face der<br />
Donna Anna <strong>und</strong> der Familie durch die „Schandtat“ des<br />
„Wüstlings“ ramponiert wurde. Und was die Gegenwart anbelangt:<br />
Ehrenmorde gibt es nicht nur in islamisch geprägten<br />
Ländern, sondern auch in christlich geprägten Ländern, wie<br />
z.B. in Brasilien, Italien <strong>und</strong> Ecuador (UN-Bericht 2000: Civil<br />
and Political Rights).<br />
9 Auch darauf kann hier leider nicht näher eingegangen wer-<br />
den.<br />
10<br />
„Die Handlungssequenz, die durch eine anerkannte Bedrohung<br />
des Images in Bewegung gesetzt wird <strong>und</strong> mit der Wiederherstellung<br />
des rituellen Gleichgewichts endet, werde ich<br />
Ausgleichshandlung nennen“ (Goffman 1971:25).<br />
© Interculture Journal 2011 | 14 86
Die Bedeutung von<br />
Emotionen in der koreanischen<br />
Interaktion*<br />
[Importance of Emotions in<br />
Interpersonal Relationships<br />
and Social Networks in<br />
Korea]<br />
Anja Scherpinski – Lee<br />
Lektorin für deutsche Sprache<br />
<strong>und</strong> Kultur an der Hankuk<br />
University for Foreign Studies<br />
in Seoul, Südkorea<br />
Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion<br />
Abstract [English]<br />
Compared to Germany, Korea is a collectivist culture. Collectivism<br />
is considered to be a result of Confucianism which has<br />
influenced the Korean culture for h<strong>und</strong>reds of years. Confucian<br />
ethical values still play an essential role in the manner<br />
and ways Koreans establish and maintain interpersonal relationships<br />
and integrate themselves in social groups. Whereas<br />
Germans consider involvement in relationships and networks<br />
optional and reciprocally symmetrical, Confucian ethics view<br />
relationships asymmetrical and obligatory. While interacting<br />
with others high emphasis is placed on emotions that bind<br />
people together and lead to a sentiment of “we-ness” felt by<br />
partners of a relationship. Two unique indigenous phenomena<br />
– shimjung and jung – are regarded as key concepts one<br />
has to grasp in order to <strong>und</strong>erstand how Koreans interact<br />
with each other. The aim of this article is to explain these<br />
concepts and to point out crucial characteristics in the Korean<br />
ways of networking.<br />
Keywords: Korea, Confucianism, indigenous psychology,<br />
emotions, collectivism<br />
Abstract [Deutsch]<br />
Im Vergleich zu Deutschland lässt sich Korea als kollektivistische<br />
Kultur verstehen. Der Kollektivismus kann als Resultat<br />
des Konfuzianismus betrachtet werden, der Korea jahrh<strong>und</strong>ertelang<br />
geprägt hat. Konfuzianische ethische Wertvorstellungen<br />
spielen auch heute noch eine essentielle Rolle in der<br />
Art <strong>und</strong> Weise, wie Koreaner interpersonale Beziehungen<br />
pflegen <strong>und</strong> sich in sozialen Netzwerken verhalten. Während<br />
in Deutschland das Engagement, das in interpersonale Beziehungen<br />
<strong>und</strong> sozialen Gruppen eingebracht wird, eher als optional<br />
<strong>und</strong> symmetrisch reziprok betrachtet wird, betonen<br />
konfuzianisch geprägte Wertvorstellungen bedingungslose<br />
gegenseitige Verpflichtung <strong>und</strong> den Aufbau <strong>und</strong> Erhalt eines<br />
„Wir-Gefühls“. Dabei bildet der Umgang mit Emotionen, die<br />
sich <strong>zwischen</strong> den Interaktionspartnern entwickeln, den Kern<br />
der Beziehungspflege. Zwei indigen koreanische Gefühlsmodi<br />
– Shimjung <strong>und</strong> Jung – werden als Schlüsselkonzepte für das<br />
Verständnis koreanischer Interaktionsmechanismen verstanden<br />
<strong>und</strong> sollen im vorliegenden Beitrag genauer betrachtet<br />
werden.<br />
Stichwörter: Korea, Konfuzianismus, indigene Psychologie,<br />
Emotionen, Kollektivismus<br />
87 © Interculture Journal 2011 | 14
Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion<br />
1. <strong>Ein</strong>leitung<br />
Die Kultur, in der wir sozialisiert werden, beeinflusst unser<br />
Denken <strong>und</strong> Verhalten. Wir bilden uns ein Weltbild vor dem<br />
Hintergr<strong>und</strong> unserer Kultur <strong>und</strong> handeln <strong>und</strong> urteilen beeinflusst<br />
von kulturell geprägten Normalitätsannahmen <strong>und</strong><br />
Wertvorstellungen. Auch die Art <strong>und</strong> Weise, in der wir Beziehungen<br />
zu anderen Menschen aufbauen <strong>und</strong> uns in interpersonalen<br />
Beziehungen, sozialen Gruppen <strong>und</strong> Netzwerken<br />
bewegen, ist durch unsere Kultur geprägt (Matsumoto /<br />
Juang 2008:200). Vergleicht man deutsche mit koreanischen<br />
Vorstellungen von Zielen <strong>und</strong> Wirkungsweisen interpersonaler<br />
Beziehungen, so treten gravierende Unterschiede zutage:<br />
Koreaner messen dem adäquaten Umgang mit den Gefühlen,<br />
die <strong>zwischen</strong> Menschen in einer Beziehung aufkommen, eine<br />
weitaus wichtigere Bedeutung für das Funktionieren der Interaktion<br />
bei als Deutsche. Die Anstrengungen beider Interaktionspartner,<br />
Harmonie <strong>und</strong> affirmative Emotionen in ihrer<br />
Dyade widerzuspiegeln, sowie die Fähigkeit, den Gefühlsstatus<br />
des Gegenübers folgerichtig zu interpretieren, entscheiden<br />
maßgeblich über Qualität <strong>und</strong> Fortbestehen der Beziehung.<br />
Diese starke Gewichtung der emotionalen Dimension<br />
lässt sich durch die konfuzianische Prägung der koreanischen<br />
Kultur erklären, aufgr<strong>und</strong> der Werte von Zwischenmenschlichkeit<br />
<strong>und</strong> Harmonie sowie die Entwicklung eines emotionalen<br />
„Wir-Gefühls“ in der Interaktion über die zweckgerichtete<br />
Umsetzung persönlicher Absichten gestellt werden. Mit dem<br />
<strong>Ein</strong>tritt Koreas in den globalisierten Geschäftsalltag sind in<br />
den USA <strong>und</strong> Europa zahlreiche Publikationen erschienen, die<br />
Korea als kollektivistische Kultur in kulturkontrastiven Studien<br />
verorten <strong>und</strong> so die „rätselhafte“ koreanische Kultur für<br />
<strong>West</strong>ler erhellen wollen. Als Gegenbewegung zu solchen<br />
„eurozentrischen“ Theorien hat die koreanische Sozialwissenschaft<br />
in den letzten zwei Jahrzehnten einen Schwerpunkt<br />
auf die Untersuchung psychosoziologischer Wirkungsmechanismen<br />
in Netzwerkbeziehungen gelegt, um aus einer<br />
„asiazentrischen“ Perspektive indigene Konzepte freizulegen,<br />
die für das Verständnis der koreanischen Kultur eine bedeutende<br />
Rolle spielen.<br />
Im folgenden Beitrag sollen zwei indigen koreanische Phänomene<br />
– Shimjung <strong>und</strong> Jung –, die als die affektivemotionale<br />
Basis der koreanischen Interaktionen betrachtet<br />
werden, erläutert werden. Zum besseren Verständnis dieser<br />
beiden Konzepte werden vorerst Merkmale der koreanischen<br />
kollektivistischen Kultur aufgeführt <strong>und</strong> der Konfuzianismus<br />
als F<strong>und</strong>ament des koreanischen Wertesystems beleuchtet<br />
sowie sein <strong>Ein</strong>fluss auf die Art <strong>und</strong> Weise, wie Koreaner sich<br />
in Interaktionen verhalten, herausgearbeitet. Abschließend<br />
sollen in der Fachliteratur bereits benannte Konzepte aus dem<br />
© Interculture Journal 2011 | 14 88
Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion<br />
koreanischen Kommunikationsusus auf ihren Zusammenhang<br />
mit Shimjung <strong>und</strong> Jung nochmals betrachtet werden. Es handelt<br />
sich dabei um das Konzept des „Gesichtswahrens“ sowie<br />
um die soziale <strong>Kompetenz</strong> Nunchi.<br />
2. Korea – eine kollektivistisch orientierte Kultur<br />
Kulturen lassen sich aus kulturkontrastiver Perspektive u.a. in<br />
Bezug auf ihre kollektivistische bzw. individualistische Orientierung<br />
unterscheiden. Triandis (1994) differenziert in Hinsicht<br />
auf das Verhalten von Menschen in interpersonalen Beziehungen<br />
<strong>und</strong> Gruppen <strong>zwischen</strong> allozentrischer <strong>und</strong><br />
idiozentrischer Selbstwahrnehmung von Individualität <strong>und</strong><br />
Kollektivität. Demzufolge tendieren Menschen aus individualistisch<br />
orientierten Kulturen dazu, sich selbst idiozentrische<br />
Attribute zuzuschreiben. Solche Attribute umfassen u.a., dass<br />
das Individuum als Gr<strong>und</strong>element sozialer Gefüge <strong>und</strong> das<br />
Selbst als eine eigenständige, autonome <strong>Ein</strong>heit mit eigenen<br />
Zielen wahrgenommen werden. Gruppenzugehörigkeiten<br />
<strong>und</strong> Netzwerkbeziehungen werden eher als freiwillige, lockere<br />
Verbindungen betrachtet, in denen weiterhin persönliche<br />
Absichten verfolgt <strong>und</strong> diese über kollektive Gruppenziele<br />
gestellt werden. Bei Bedarf kann man sich ohne größere soziale<br />
Sanktionen wieder aus einer Beziehung zurückziehen oder<br />
aus einem Netzwerk aussteigen (Triandis 1994:47f.).<br />
Demgegenüber neigen Menschen aus kollektivistisch orientierten<br />
Kulturen zu allozentrischen Zuschreibungen. Sie betrachten<br />
Gruppen als Gr<strong>und</strong>bausteine der Gesellschaft. Das<br />
Individuum wird als interdependent wahrgenommen <strong>und</strong><br />
über seine Positionen <strong>und</strong> <strong>Ein</strong>geb<strong>und</strong>enheit in Beziehungsnetze<br />
definiert. Konformität mit Gruppenzielen steht über der<br />
Umsetzung persönlicher Ziele, die zugunsten von Harmoniewahrung<br />
innerhalb der Gruppe zurückgestellt werden. Die<br />
Involviertheit in Beziehungsnetzwerke wird als essentielle<br />
Voraussetzung für das soziale Überleben betrachtet (Triandis<br />
1994:47f. <strong>und</strong> 2006:23f.). Netzwerke sind dabei nach Alter,<br />
Geschlecht, beruflicher Position etc. stark hierarchisch strukturiert<br />
<strong>und</strong> interpersonale Beziehungen <strong>zwischen</strong> Menschen<br />
in diesen Netzwerken horizontal ausgerichtet, d.h. man ist<br />
sich der eigenen über- bzw. unterlegende Position in einer<br />
Beziehung deutlich bewusst <strong>und</strong> verhält sich dementsprechend<br />
angemessen in der Interaktion, wobei es am wichtigsten<br />
ist, sich in das Netzwerk einzupassen, anstatt hervorzustehen<br />
(Triandis 1994:47f.). Menschen aus individualistischen<br />
Kulturen hingegen fühlen sich in vertikalen interpersonalen<br />
Beziehungen, z.B. mit Fre<strong>und</strong>en, am wohlsten, wobei persönliche<br />
Freiheit <strong>und</strong> die Möglichkeit zur Selbstverwirklichung<br />
89 © Interculture Journal 2011 | 14
Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion<br />
geschätzt werden (Triandis 1995 zit. nach Gudykunst / Matsumoto<br />
1996:25).<br />
Triandis‘ Ausführungen zufolge lässt sich die deutsche Kultur<br />
als individualistisch orientierte Kultur verstehen, während<br />
Menschen der koreanischen Kultur zu allozentrischen Wertvorstellungen<br />
<strong>und</strong> Zuschreibungen tendieren. Sie handeln<br />
<strong>und</strong> urteilen vor dem Hintergr<strong>und</strong> eines konfuzianisch geprägten<br />
Normen- <strong>und</strong> Wertesystems, das auch heute noch<br />
nach tausendjähriger Bestehensgeschichte des Konfuzianismus<br />
in Korea wirksam ist. Um also zu einem Verständnis für<br />
koreanische Verhaltensweisen in interpersonalen Beziehungen<br />
<strong>und</strong> Netzwerken zu gelangen, ist es notwendig, den Blick<br />
auf die Werte zu lenken, die von der konfuzianischen Ethik<br />
betont werden.<br />
3. Der Konfuzianismus – F<strong>und</strong>ament des koreanischen<br />
Wertesystems<br />
Südkorea wird oft als das konfuzianischste aller asiatischen<br />
Länder bezeichnet. Obwohl die konfuzianische Ethik heute<br />
kaum noch in ihrer Urform durch Institutionen vermittelt<br />
wird 1 <strong>und</strong> auch nicht explizit im Curriculum von Schuleinrichtungen<br />
<strong>und</strong> Universitäten oder in der Gesetzgebung verankert<br />
ist, haben sich gr<strong>und</strong>legende Prinzipien durch konstante<br />
Tradierung <strong>und</strong> Reproduktion insbesondere im Bereich der<br />
Familie bis heute erhalten. Der Kern der Familie spielt dabei<br />
im Vergleich zu deutschen Verhältnissen eine übergeordnete<br />
Rolle im Alltag der Koreaner. Koreanische Kinder haben eine<br />
extrem starke, oft exklusive Bindung an ihre Mütter, mit denen<br />
sie die meiste Zeit verbringen <strong>und</strong> von denen sie bis zum<br />
<strong>Ein</strong>tritt ins Schulleben den Großteil an Bildung <strong>und</strong> Erziehung<br />
erhalten. Das Wort der Eltern gilt in den meisten Lebenssituationen<br />
als maßgebend 2 . Koreaner begeben sich nach wie vor<br />
zu den wichtigsten Feiertagen in ihre Heimat, um den Eltern,<br />
Großeltern <strong>und</strong> Vorfahren durch traditionelle Zeremonien<br />
<strong>und</strong> Rituale ihre Ehrerbietung zu zeigen 3 . Im Vergleich zu anderen<br />
konfuzianisch geprägten asiatischen Ländern scheinen<br />
sich in Korea konfuzianische Werte <strong>und</strong> Verhaltensmuster<br />
besonders tiefgreifend <strong>und</strong> hartnäckig durchgesetzt zu haben<br />
(Koh 2004:107). Vom Kern der Familie aus erstrecken sich die<br />
konfuzianischen Wertvorstellungen in alle Dimensionen der<br />
koreanischen Lebenswelt. Im Folgenden soll die wesentliche<br />
Wirkweise der konfuzianisch geprägten Ethik knapp erläutert<br />
werden:<br />
© Interculture Journal 2011 | 14 90
Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion<br />
Vertrauen Shin<br />
Wissen/Kultiviertheit Chi<br />
Angemessenheit/Schicklichkeit Ye<br />
Rechtschaffenheit Eu<br />
Humanität/<br />
Zwischenmenschlichkeit<br />
In<br />
Gesellschaftliche<br />
Netzwerke<br />
Netzwerke aus Schul-/<br />
Universitätsleben<br />
Familienbeziehungen<br />
Interpersonale<br />
Beziehungen in Dyaden<br />
Abb. 1: Konfuzianische Wertvorstellungen in Bezug auf interpersonale<br />
Beziehungen im gesellschaftlichen Netzwerk (Kim / Park 2006:39,<br />
Übersetzung d. A.)<br />
Die konfuzianische Gesellschaftsethik betrachtet den Menschen<br />
immer in Bezug auf seine Beziehungen zu anderen<br />
Menschen. Der geordnete Platz eines Individuums in der gesellschaftlichen<br />
Hierarchie sowie konkret definierte reziproke<br />
Beziehungen <strong>zwischen</strong> Menschen machen den Hauptinhalt<br />
aus. Solche Beziehungen sind in ihrer Urform die Beziehung<br />
<strong>zwischen</strong> Herrscher <strong>und</strong> Untergebenen, <strong>zwischen</strong> Vater <strong>und</strong><br />
Sohn, <strong>zwischen</strong> Ehemann <strong>und</strong> Ehefrau, <strong>zwischen</strong> Jüngeren<br />
<strong>und</strong> Älteren <strong>und</strong> die Beziehung <strong>zwischen</strong> Fre<strong>und</strong>en. Dabei<br />
sollen im Wesentlichen fünf ethische Verhaltensregeln diese<br />
Beziehungen steuern:<br />
1.) Humanität <strong>und</strong> Zwischenmenschlichkeit (In 인)<br />
2.) Rechtschaffenheit (Eu 의)<br />
3.) Angemessenheit <strong>und</strong> Schicklichkeit (Ye 예)<br />
4.) Kultiviertheit <strong>und</strong> Wissen (Chi 지) <strong>und</strong><br />
5.) gegenseitiges Vertrauen (Shin 신).<br />
Humanität bzw. Zwischenmenschlichkeit (In 인) bilden das<br />
Kernprinzip der konfuzianischen Ethik. Aufgr<strong>und</strong> dieses Prinzips<br />
werden in Korea, stärker als in westlichen Ländern, Emotionen,<br />
die Menschen miteinander verbinden, in den Vordergr<strong>und</strong><br />
gestellt. Kim / Park (2006:38) fassen die Lehrsätze, die<br />
aus konfuzianischen Schriften überliefert wurden <strong>und</strong> in kon-<br />
91 © Interculture Journal 2011 | 14
Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion<br />
fuzianischen, asiatischen Kulturen wirksam sind, wie folgt<br />
zusammen:<br />
„The Chinese, Japanese, and Korean word for human being is 人人, which<br />
can be translated literally as ‚human between‘. It is not what happens within<br />
an individual, but between individuals that makes us human. [...] The<br />
human essence is basically relational and can be defined in terms of the<br />
emotions people feel for one another.“<br />
Diese Gefühle von Verb<strong>und</strong>enheit werden prototypisch <strong>zwischen</strong><br />
Familienmitgliedern empf<strong>und</strong>en. Daher steht die Familie<br />
im Zentrum des konfuzianischen Gesellschaftssystems.<br />
Eltern <strong>und</strong> Kinder stehen in einem reziproken Verhältnis zueinander,<br />
das sich auf elterliche Fürsorge <strong>und</strong> Liebe auf der<br />
einen Seite sowie Respekt, Gehorsam <strong>und</strong> Kindespietät auf<br />
der anderen Seite gründet.<br />
Gefühle wie Respekt <strong>und</strong> Fürsorge entstehen demzufolge<br />
aufgr<strong>und</strong> einer Rolle, die man in einer Beziehung einnimmt.<br />
Jeder Mensch wird nach traditionell konfuzianischen Vorstellungen<br />
mit einem definierten Status in eine Familie hineingeboren.<br />
Dieser Status wird durch das Prinzip der Rechtschaffenheit<br />
(Eu 의) bestimmt <strong>und</strong> bringt konkrete Rollenzuteilungen<br />
<strong>und</strong> Verpflichtungen gegenüber den anderen Familienmitgliedern<br />
mit sich, die entsprechend den ethischen Kodes<br />
erfüllt werden müssen. So befinden sich z.B. Geschwister in<br />
einer reziproken Beziehung, die sich auf Verantwortungsbewusstsein<br />
für jüngere Geschwister gründet <strong>und</strong> dafür Respekt<br />
gegenüber den älteren Geschwistern einfordert. Ehemann<br />
<strong>und</strong> Ehefrau wiederum stehen sich in einem Verhältnis aus<br />
materieller Fürsorge <strong>und</strong> Gehorsam gegenüber. Die Prinzipien<br />
der Zwischenmenschlichkeit <strong>und</strong> Rechtschaffenheit, die das<br />
emotionale F<strong>und</strong>ament bilden, sind somit die zwei Seiten einer<br />
Medaille.<br />
Das primäre Ziel der konfuzianischen Ethik besteht in der Bewahrung<br />
von Harmonie, die realisiert wird, indem jeder<br />
Mensch seine ihm zugeschriebene Rolle im sozialen Netzwerk<br />
einnimmt <strong>und</strong> im Umgang mit Mitmenschen die Erwartungen,<br />
die an seine Rolle gestellt werden, gemäß den konfuzianischen<br />
Vorstellungen von Angemessenheit <strong>und</strong> Schicklichkeit<br />
(Ye 예) erfüllt. Unter diesem Prinzip lässt sich die äußere<br />
Form der konfuzianischen Gesellschaftsethik verstehen, zu<br />
der die konkreten Verhaltenskodes wie z.B. angemessene Anredetitel,<br />
Begrüßungsformeln <strong>und</strong> grammatische Höflichkeitsstufen<br />
sowie Durchführung von Ritualen <strong>und</strong> Zeremonien,<br />
Wissen über erwartete Pflichterfüllung etc. gehören. Indem<br />
Harmonie bewahrt wird, wird gesellschaftliche Ordnung<br />
gesichert.<br />
Diese Verhaltenskodes im Sinne von Kultiviertheit <strong>und</strong> Wissen<br />
(Chi 지) werden in erster Linie während der Sozialisation durch<br />
familiäre Indoktrinierung erworben <strong>und</strong> wurden im alten Ko-<br />
© Interculture Journal 2011 | 14 92
Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion<br />
rea außerdem durch formelle Ausbildung in Schulen vermittelt.<br />
Da im modernen Korea die institutionelle Vermittlung<br />
konfuzianischer Verhaltensregeln kaum noch eine Rolle spielt,<br />
ist heute eine Form von „familiärem Konfuzianismus“ (Koh<br />
2004:114) wirksam, der, wenn auch in einer verwaschenen<br />
Form, immer noch als Gr<strong>und</strong>substanz des koreanischen Wertesystems<br />
betrachtet wird <strong>und</strong> koreanische Menschen in ihrem<br />
Handeln <strong>und</strong> Denken beeinflusst (Miike 2009 <strong>und</strong> 2007,<br />
Shim / Kim / Martin 2008, Choi / Han 2008, Choi / Kim 2006,<br />
Kim / Park 2006, Kim 2003, Lim / Choi 1996, Koh 1996,<br />
2004, Kim 1996, Cha 1994).<br />
Wie aus der Abbildung ersichtlich wird, ziehen sich die Verhaltensregeln<br />
vom Kern der Familie bis in die gesellschaftlichen,<br />
öffentlichen Sphären. Verhaltensweisen, die im Kreis<br />
der Familie praktiziert werden, sollen demzufolge auf das Leben<br />
im Alltag vorbereiten <strong>und</strong> auch in Beziehungen zu nichtfamiliären<br />
Menschen wirksam werden. Interpersonale Beziehungen<br />
<strong>und</strong> soziale Netzwerke sollen nach konfuzianischen<br />
Vorstellungen also als eine Imitation des Familienlebens fortgeführt<br />
werden <strong>und</strong> sich auf gegenseitiges Vertrauen<br />
(Shin 신) auf <strong>Ein</strong>haltung der ethischen Prinzipien <strong>zwischen</strong><br />
Mitmenschen gründen (Choi / Han 2008:219, Shim / Kim /<br />
Martin 2008:88, Koh 2004:215, Han / Choe 1994:223 u.a.).<br />
Diese Fortführung der familiären Verhaltensweisen lassen sich<br />
auch im modernen koreanischen Alltag beobachten. So<br />
herrscht an Schulen <strong>und</strong> Universitäten das Senioritätsprinzip,<br />
nach dem ältere Schüler <strong>und</strong> Studenten den Anfängern Hilfe<br />
<strong>und</strong> Unterstützung bieten <strong>und</strong> dafür den Respekt <strong>und</strong> ein<br />
gewisses Maß an Unterwürfigkeit einfordern. Ebenso gelten<br />
diese Regeln am Arbeitsplatz, wo sich jüngere Kollegen den<br />
älteren bedingungslos unterordnen müssen. Lehrer oder Vorgesetzte<br />
nehmen die Rolle einer Vater- oder „Herrscher“figur ein <strong>und</strong><br />
stehen in der gesellschaftlichen Hierarchie weit oben. Koreanische<br />
Großunternehmen sind auch heute noch stark hierarchisch-paternalistisch<br />
strukturiert <strong>und</strong> fördern Firmen-<br />
„familien“zugehörigkeit durch regelmäßige Veranstaltungen<br />
wie gemeinsame Abendessen, Ausflüge, Firmentrainings etc.<br />
(Kim 1996). Auch in der Sprache macht sich die Imitation des<br />
Familienlebens bemerkbar. So werden ältere Fre<strong>und</strong>e <strong>und</strong><br />
Fre<strong>und</strong>innen als „großer Bruder“ bzw. „große Schwester“<br />
gerufen; ebenso können Verkäuferinnen oder Kellnerinnen<br />
als „Schwester“ oder ältere K<strong>und</strong>innen als „Tante“ oder<br />
„Mutter“, unbekannte ältere Männer als „Onkel“ oder Senioren<br />
als „Großmutter“ bzw. „Großvater“ gerufen werden. In<br />
diesen Fällen wird das Konzept des Respektierens, das innerhalb<br />
der Familie Anwendung findet, auf den außer-familiären<br />
Bereich übertragen mit den Ziel, ein harmonisches Verhältnis<br />
93 © Interculture Journal 2011 | 14
Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion<br />
zum Gegenüber zu schaffen (Choi / Han 2008:207, Koh<br />
2004:114f.).<br />
Soziale Netzwerke, in die Koreaner eingeb<strong>und</strong>en sind, lassen<br />
sich in allen gesellschaftlichen Alltagsbereichen wiederfinden.<br />
Wie bereits angesprochen, bildet die Familie die Urform<br />
aller Netzwerke, wobei hier Zusammengehörigkeit über<br />
Blutsverwandtschaft (Hyolyon 혈혈) definiert wird. Es folgen<br />
chronologisch im Leben eines Koreaners die Netzwerke, die<br />
durch Schul- bzw. Universitätsbesuch entstehen, die sogenannten<br />
Hakyon (학혈). Aus diesen Hakyon entstehen nicht<br />
nur interpersonale Beziehungen zu Kommilitonen, sondern<br />
Netzwerkdenken wird auch systematisch durch Alumnivereine<br />
gefördert <strong>und</strong> bleibt lebenslang intakt 4 . In der Arbeitswelt<br />
etablieren sich Netzwerke, die sich auf Zugehörigkeit zu einer<br />
bestimmten Firmen“familie“ gründen. Ebenso lassen sich<br />
Netzwerke im Privatbereich finden in Form von kommunalen<br />
Vereinen <strong>und</strong> Nachbarschaftshilfegruppen (Kyae 계,<br />
Donghohwae 동동동) oder Kirchengruppen (Chongkyoyon<br />
종종동); <strong>und</strong> kaum ein erwachsener Koreaner ist nicht in einer<br />
oder mehreren Gruppen aktives Mitglied. Zwischen Mitgliedern<br />
solcher Netzwerke besteht, wesentlich stärker als in<br />
Deutschland, eine emotionale Verb<strong>und</strong>enheit, die sich aus der<br />
Praktizierung konfuzianischer Prinzipien von Menschlichkeit,<br />
Angemessenheit <strong>und</strong> Schicklichkeit entwickelt.<br />
Natürlich wird der Konfuzianismus im Zeitalter von Globalisierung,<br />
Technologisierung des Alltags <strong>und</strong> Jobmobilität auch<br />
von anderen Tendenzen überlagert <strong>und</strong> befindet sich in einem<br />
Spannungsfeld <strong>zwischen</strong> Aufweichung <strong>und</strong> forcierter<br />
Wiederbelebung (Koh 2004:103). Shim, Kim <strong>und</strong> Martin<br />
(2008) verwenden in ihren Ausführungen die Bezeichnung<br />
“koreanischer Konfuzianismus-Kapitalismus”, in dem Wirkungsmechanismen<br />
aus Kollektivismus <strong>und</strong> Individualismus<br />
koexistent ins Spiel kommen. Auf der einen Seite beweisen<br />
zahlreiche Studien <strong>und</strong> Umfrageergebnisse eine wachsende<br />
Generationskluft, da insbesondere junge Menschen sich gerade<br />
im Berufsleben zunehmend individualistisch verhalten<br />
<strong>und</strong> die Umsetzung ihrer persönlichen Ziele der unbedingten<br />
<strong>Ein</strong>- <strong>und</strong> Unterordnung in Netzwerkgefügen voranstellen<br />
(Shim / Kim / Martin 2008:47ff., Koh 2004:105f. <strong>und</strong> 1996,<br />
Han / Choe 1994:221 u.a.). Auf der anderen Seite werden<br />
konfuzianische Werte über die Indoktrinierung im Familienbereich<br />
hinaus auch zur Bewahrung der nationalen Identität<br />
durch Öffentlichkeitsarbeit <strong>und</strong> Medien reproduziert <strong>und</strong> tragen<br />
somit zur weiteren Tradierung bei. So startete beispielsweise<br />
ein College einen Zeichentrickwettbewerb für Kinder<br />
<strong>und</strong> Jugendliche, der als Kampagne die Bedeutung von traditionellen<br />
Werten wie Kindespietät (Hyo 효) <strong>und</strong> Zwischenmenschlichkeit<br />
(Jung 정) wiederbeleben will 5 . Auch durch<br />
© Interculture Journal 2011 | 14 94
Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion<br />
zahlreiche koreanische Fernsehserien, die die Joseon-Ära zum<br />
Schauplatz nehmen <strong>und</strong> sich um konfuzianische Lehren <strong>und</strong><br />
Verhaltenskodes drehen, werden konfuzianische Wertvorstellungen<br />
am Leben erhalten 6<br />
.<br />
Zusammenfassend scheinen sich koreanische Soziologen einig<br />
zu sein, dass der Konfuzianismus so tief in der Lebenswelt<br />
der Koreaner verankert ist, dass er auch heute noch als das<br />
F<strong>und</strong>ament der koreanischen Gesellschaft betrachtet werden<br />
kann, das Kollektivismus, Interdependenz <strong>und</strong> Netzwerkdenken<br />
betont oder sogar „glorifiziert“ (Kim 1994:25).<br />
4. Indigene Psychologie als Theorie zum Verständnis<br />
koreanischer Handlungsmuster<br />
Kulturkontrastive Studien, in denen Korea als kollektivistische<br />
Kultur beschrieben wird, liegen in Fülle vor. Zu den wohl einflussreichsten<br />
gehören u.a. sicherlich Hofstedes Arbeiten. In<br />
aktuellen koreanischen Publikationen, die psychosoziologische<br />
Phänomene der koreanischen Gesellschaft zum Schwerpunkt<br />
nehmen, wird betont, dass der Konfuzianismus als Erklärungsmuster<br />
für die kollektivistische Orientierung durchaus<br />
Berechtigung findet <strong>und</strong> unbedingt Ausgangspunkt der Forschung<br />
sein muss. Jedoch kann er nicht Endpunkt der Forschung<br />
sein, denn durch ihn allein können individuelle Unterschiede<br />
im Verhalten von Menschen nicht erklärt werden<br />
(Kim / Park 2006:41). Aus diesem Gr<strong>und</strong> sowie als Reaktion<br />
auf die westlich geprägte Psychologie der 1960er Jahre <strong>und</strong><br />
perspektivisch beschränkte kulturkontrastive Studien der<br />
1980er Jahre, die Kulturunterschiede in den meisten Fällen<br />
lediglich im Kontrast zu westlichen Ländern herausfilterten,<br />
haben in den letzten zwei Jahrzehnten Ansätze der indigenen<br />
Psychologie große Aufmerksamkeit in Korea wie auch in anderen<br />
nicht-westlichen Ländern gef<strong>und</strong>en. Azuma (1984:49)<br />
formulierte die Problematik, die die indigene Psychologie<br />
auflösen will, wie folgt: „When a psychologist looks at a non-<br />
<strong>West</strong>ern culture through <strong>West</strong>ern glasses, he may fail to notice<br />
important aspects of the non-<strong>West</strong>ern culture since the<br />
schemata for recognizing them are not provided by his<br />
science.“<br />
Ansätze, die die indigene Psychologie zum Ausgangspunkt<br />
nehmen, setzen sich zum Ziel, Wahrnehmungskonzepte <strong>und</strong><br />
Handlungsmuster, die interpersonalen Interaktionen zugr<strong>und</strong>e<br />
liegen, aus der Innenperspektive der Mitglieder einer<br />
Gruppe zu untersuchen. Im Mittelpunkt stehen beispielsweise<br />
Fragen, auf welche Wissensbestände <strong>und</strong> Fähigkeiten Menschen<br />
zur Gestaltung von Interaktionen zurückgreifen, unter<br />
welchen Überzeugungen sie ihr eigenes Handeln steuern <strong>und</strong><br />
bewerten <strong>und</strong> welche psychologischen <strong>Ein</strong>stellungen sie zu<br />
95 © Interculture Journal 2011 | 14
Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion<br />
sich selbst <strong>und</strong> ihrem Handeln vertreten. Psychologische Phänomene<br />
in spezifischen lebensweltlichen Kontexten des eigenkulturellen<br />
Alltags sollen aus innenkultureller Sicht untersucht<br />
<strong>und</strong> indigene, native Konzepte freigelegt werden, die<br />
das Handeln <strong>und</strong> die (Selbst-)Wahrnehmung von Menschen<br />
aufgr<strong>und</strong> ihrer Vernetzung in interpersonalen Dyaden <strong>und</strong><br />
Gruppen beeinflussen könnten (Kim / Yang / Hwang 2006:4,<br />
Kim / Park 2006:34). Der Fokus liegt dabei in sozialen Interaktionen<br />
in Korea insbesondere auf den Emotionen, die Individuen<br />
miteinander verbinden (Kim / Park 2006). Der Wert einer<br />
Beziehung wird nicht per se anhand des Verhaltens bemessen,<br />
mit dem sich Interaktionspartner um ihre Beziehung<br />
bemühen, sondern anhand der Qualität <strong>und</strong> Stärke der gefühlsmäßigen<br />
Verb<strong>und</strong>enheit <strong>und</strong> eines „Wir-Gefühls“, das<br />
beide Parteien in ihrer Dyade reflektieren (Choi / Kim<br />
2006:208, Choi / Han 2008:257).<br />
In vielen westlichen Ländern werden Beziehungstiefe <strong>und</strong><br />
Zusammengehörigkeitsgefühl vornehmlich durch aktive<br />
Kommunikation hergestellt. Gefühle von Vertrautheit <strong>und</strong><br />
Verb<strong>und</strong>enheit sind davon abhängig, in welchem Maße sich<br />
die Interaktionsteilnehmer verbal an der Kommunikation beteiligen,<br />
sich dem Partner gegenüber öffnen <strong>und</strong> inwiefern sie<br />
sich engagieren, die Kommunikation am Laufen zu halten.<br />
Längere Schweigepausen werden meist als unangenehm<br />
empf<strong>und</strong>en, da sie eine fehlgelaufene Kommunikation suggerieren.<br />
Im Konfuzianismus hingegen wird Schweigsamkeit<br />
bzw. bedachte, wortkarge Redeweise als primäre moralische<br />
Tugend im Umgang mit Anderen betrachtet 7<br />
. Die Gr<strong>und</strong>sätze<br />
von Humanität <strong>und</strong> Harmonie bedeuten dabei, dass Wünsche<br />
<strong>und</strong> Absichten nicht explizit verbalisiert werden brauchen,<br />
sondern auf Basis einer inneren, emotionale Verb<strong>und</strong>enheit<br />
zum Gegenüber wahrgenommen <strong>und</strong> gedeutet werden können.<br />
Anstelle der verbalen Kommunikation soll <strong>zwischen</strong> zwei<br />
Menschen in einer Beziehung idealerweise unausgesprochenes<br />
<strong>Ein</strong>verständnis herrschen (Choi / Han 2008:318, Kim /<br />
Park 2006:434, Choi / Kim 2006:366, Kim 2003:95f.).<br />
Die zentralen Konzepte, die die <strong>zwischen</strong>menschliche Psychologie<br />
in einer Dyade beschreiben, sind Shimjung <strong>und</strong> Jung. Sie<br />
werden als einzigartig indigene Phänomene der koreanischen<br />
Lebenswelt in verschiedenen Aufsätzen immer wieder hervorgehoben;<br />
<strong>und</strong> das Verständnis für diese genuin koreanischen<br />
Gefühlsmodi gilt als Schlüssel zum Verstehen der koreanischen<br />
Mentalität (Shim / Kim / Martin 2008:72ff., Choi /<br />
Han 2008:205, Kim / Park 2006:44f., Choi / Kim 2006, Kim<br />
2003:110, Lim / Choi 1996:125f., Yum 1988:380 u.a.). In<br />
Korea hat sich vor allem Sang-Chin Choi der Untersuchung<br />
dieser indigen Konzepte zugewandt <strong>und</strong> in den letzten Jahren<br />
eine Fülle an Publikationen hervorgebracht. Die folgenden<br />
© Interculture Journal 2011 | 14 96
Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion<br />
Ausführungen beziehen sich insbesondere, soweit nicht anders<br />
angegeben, auf die Arbeiten von Choi / Kim (2006) <strong>und</strong><br />
Choi / Han (2008).<br />
4.1 Umgang mit Gefühlen in interpersonalen Beziehungen<br />
– Shimjung (심정)<br />
Der Begriff Shimjung (심정) besteht aus zwei Teilen: Shim (심)<br />
bedeutet so viel wie „Psyche“, „Gemüt“, „seelischer Zustand“;<br />
Jung (정) lässt sich mit „Zuneigung“ umschreiben.<br />
Shimjung ist ein unmittelbares, spontanes, meist negativ besetztes<br />
Gefühl, das in einer bereits länger bestehenden Beziehung<br />
<strong>zwischen</strong> zwei Menschen aufkommen kann. Es wird<br />
durch eine Verhaltensweise oder Handlung eines Interaktionspartners<br />
A hervorgerufen, die entgegengesetzt zur Erwartungshaltung<br />
des Gegenübers B steht, wodurch der bisherige<br />
Status Quo der Beziehung <strong>zwischen</strong> A <strong>und</strong> B infrage<br />
gestellt wird. Deutsche Äqivalente, die Shimjung ansatzweise<br />
beinhalten, sind Konzepte von Empathie, Sympathie, Mitleid,<br />
Mitgefühl. Doch anders als diese Gefühle, die vorrangig auf<br />
einem subjektiven, intrapsychischen Level stattfinden <strong>und</strong> gegen<br />
ein externes Objekt (z.B. den Partner) gerichtet sind, ist<br />
mit Shimjung zusätzlich eine interpsychische Analyse verb<strong>und</strong>en:<br />
Auf der intrapsychischen Ebene werden sich entstandene<br />
Gefühle als Reaktion auf die Situation bewusst gemacht.<br />
Auf der interpsychischen Ebene werden darüber hinaus die<br />
gemeinsame Interaktionsgeschichte sowie vergangene Gesprächsepisoden<br />
als Interpretationsrahmen zur Analyse des<br />
Verhaltens des Partners herangezogen. Aus dieser reflexiven<br />
Retrospektive wird Rechtfertigung <strong>und</strong> Verständnis für das<br />
Handeln des Gegenübers abgeleitet <strong>und</strong> somit der negative<br />
Gefühlszustand aufgelöst. Findet sich keine Erklärung für das<br />
Verhalten des Partners, wird die Aufmerksamkeit zurück auf<br />
sich selbst gelenkt <strong>und</strong> in einer kritischen Selbstevaluation auf<br />
einer kognitiven Metaebene nach Ursachen für die Fehleinschätzungen<br />
gefahndet. Dadurch kann es zu einer negativen<br />
Selbsteinschätzung kommen, die bei Nichtauflösung die Qualität<br />
der Dyade verschlechtern könnte. Insbesondere die Phase<br />
der negativen Selbstevaluation scheint den gravierenden Unterschied<br />
zu deutschen Verhaltensmustern auszumachen: Der<br />
Fortbestand der „Wir-<strong>Ein</strong>heit“ wird in einem so starken Maß<br />
angestrebt, dass individuelle Absichten oder Ziele völlig zugunsten<br />
der Harmoniewahrung zurückgestellt werden, während<br />
man in Deutschland wohl eher den Abbruch einer Beziehung<br />
vorziehen würde.<br />
Beide Partner müssen nun über entsprechende Empathiefähigkeit<br />
verfügen, um erstens den Störfaktor in ihrer Dyade<br />
überhaupt zu erkennen <strong>und</strong> nonverbale Signale, die vom<br />
Partner kommen, wahrzunehmen. Zweitens müssen sie über<br />
97 © Interculture Journal 2011 | 14
Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion<br />
die Fähigkeit zur Inferenzbildung <strong>und</strong> zum Interpretieren des<br />
Verhaltens des Gegenübers sowie zur Bewusstmachung <strong>und</strong><br />
kritischen Hinterfragung der eigenen, als Reaktion entstandenen<br />
Gefühle verfügen. Drittens müssen sie das Feingefühl<br />
besitzen, einen Shimjung-Diskurs zu initiieren, in dem der negative<br />
Gefühlsstatus gelöst, die Beziehung im Dialog extern<br />
validiert <strong>und</strong> neu austariert werden kann. In solch einem Dialog<br />
werden Gefühle offengelegt, es wird sich „ausgesprochen“,<br />
wobei die gemeinsame Interaktionsgeschichte betont<br />
<strong>und</strong> die Notwendigkeit des weiteren Zusammenhaltens aufgr<strong>und</strong><br />
des gemeinsamen Schicksals, das beide verbindet, über<br />
die empf<strong>und</strong>enen Differenzen gestellt wird. Choi / Kim bezeichnen<br />
diese Phase als „shimjung pour-out“ (2008:218).<br />
Oberstes Ziel ist bei beiden Interaktionspartnern, sich gegenseitig<br />
durch das Gespräch über den Wert ihrer Beziehung zu<br />
versichern, einander für beidseitiges Verständnis zu motivieren<br />
<strong>und</strong> ihre Dyade zugunsten von Harmonieerhalt unbedingt<br />
aufrecht zu erhalten <strong>und</strong> möglichst zu vertiefen.<br />
4.2 Jung (정) – Zwischenmenschlichkeit <strong>und</strong> Wir-Gefühl<br />
<strong>Ein</strong> Shimjung-Diskurs findet dabei immer auf dem Hintergr<strong>und</strong><br />
von Jung (정) statt. Anders als Shimjung ist Jung ein<br />
post hoc empf<strong>und</strong>enes Gefühl, das den Status Quo, also die<br />
qualitative, affektiv-emotionale Tiefe einer Beziehung umschreibt.<br />
Es ist im Gegensatz zu Shimjung statisch <strong>und</strong> entsteht<br />
aufgr<strong>und</strong> der gemeinsamen Interaktionsgeschichte,<br />
gemeinsamer Erlebnisse sowie gemeinsamer Ziele <strong>und</strong> der<br />
Empfindung eines gemeinsamen Schicksals, was beide Partner<br />
miteinander verbindet. Es ist Gr<strong>und</strong> für das empf<strong>und</strong>ene<br />
„Wir-Gefühl“ in einer Dyade. Jung ist also der „Leim“, der<br />
eine Beziehung zusammenhält. Kommt es zu einer Shimjung-<br />
Episode, so bildet Jung die Interpretationsbasis sowohl zur<br />
Analyse nonverbaler Signale, die in der Interaktion gedeutet<br />
werden müssen, als auch zur Aushandlung der Problemsituation.<br />
Je länger <strong>und</strong> enger die gemeinsame Interaktionsgeschichte<br />
der beiden Partner ist, desto mehr Jung bzw. „Wir-<br />
Gefühl“ hat sich <strong>zwischen</strong> beiden entwickelt <strong>und</strong> desto detaillierter<br />
ist der Interpretationsrahmen, auf dem das Verhalten<br />
des Partners inferiert werden kann, <strong>und</strong> daraus folgend,<br />
desto vertrauter, wortloser, sprich harmonischer „from one<br />
mind and shimjung to another“ (Choi / Kim 2006:364) können<br />
sich beide in ihrer Beziehung bewegen.<br />
Jung findet sich im aktiven Alltagswortschatz des Koreanischen<br />
wieder. So ist ein Mensch mit viel Jung warmherzig,<br />
umgänglich <strong>und</strong> menschlich, während ein Mensch ohne Jung<br />
als kaltherzig, egoistisch <strong>und</strong> beziehungsunfähig gilt. Jung ist<br />
ein Konzept, das Reziprozität impliziert: Menschen geben<br />
Jung an Menschen, die auch viel Jung zeigen. Aber Men-<br />
© Interculture Journal 2011 | 14 98
Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion<br />
schen teilen ihr Jung nicht mit Menschen ohne Jung (hierzu<br />
Lim / Choi 1996:134).<br />
Wie eingangs beschrieben, wertet der Konfuzianismus reziproke<br />
Beziehungen zu anderen Menschen als F<strong>und</strong>ament einer<br />
funktionierenden Gesellschaft. Das Fortbestehen einer<br />
interpersonalen Beziehung ist also essentiell für Koreaner.<br />
Selten werden Beziehungen aufgr<strong>und</strong> von Differenzen abgebrochen.<br />
Vielmehr bemühen sich Menschen unbewusst,<br />
affektiv-emotional um ihre Netzwerke <strong>und</strong> sind bestrebt, diese<br />
um jeden Preis aufrecht zu erhalten. Den Unterschied zu<br />
westlichen Konzepten von „Gemeinschaftssinn“ oder „Hingabe“<br />
beschreiben Lim / Choi (1996:132f.) wie folgt:<br />
„ [...] jung comprises the forces of inertia of a relationship. Jung is what ties<br />
two or more persons together, what keeps a relationship going. This aspect<br />
of jung, that is, the force of inertia of a relationship, is very different from<br />
the <strong>West</strong>ern concept of commitment. Whereas commitment is conscious<br />
and obligatory, jung is unconscious and voluntary.“<br />
Choi / Han definieren einen westlichen „Faktenmodus“<br />
(2008:114), demzufolge Menschen aus westlichen Kulturen<br />
in ihren Beziehungen vorrangig am Austausch von Inhalten<br />
<strong>und</strong> Meinungen sowie der Umsetzung gemeinsamer Ziele<br />
interessiert sind <strong>und</strong> die Interaktion <strong>zwischen</strong> zwei Individuen<br />
stattfindet, die sich trotz Beziehung als eigenständige <strong>Ein</strong>heiten<br />
betrachten. Im koreanischen „Shimjung-modus“ (Choi /<br />
Han 2008) hingegen werden das „Ich“ <strong>und</strong> individuelle Ziele<br />
zugunsten eines harmonischen „Wir-Gefühls“ aufgelöst, <strong>und</strong><br />
beide Interaktionspartner verschmelzen zu einer <strong>Ein</strong>heit<br />
(2008:214). Dieses „Wir-Gefühl“, so führen sie aus „[...] is a<br />
mentality that transcends an agreggate of individuals. For Koreans,<br />
forming a close relationships with others has special<br />
meanings to their self – the me-self is extended to become<br />
we-self“ (Choi / Han 2008:206).<br />
Dabei wird das „Wir“, das in Beziehungen zu Nicht-<br />
Familienangehörigen etabliert wird, eben als Ausdehnung<br />
familiärer Bande betrachtet <strong>und</strong> empf<strong>und</strong>en (Choi / Han<br />
2008:207).<br />
Jung ist also eine solide, emotionale Verb<strong>und</strong>enheit <strong>zwischen</strong><br />
Menschen, die Beziehungen stabil <strong>und</strong> langfristig machen.<br />
Damit verb<strong>und</strong>en ist eine Form „komplementärer,<br />
assymmetrischer Reziprozität“ (Yum 1988:375), die im Sinne<br />
konfuzianischer Prinzipien Humanität, Solidarität <strong>und</strong> Altruismus<br />
hervorheben, Kollektivismus betonen <strong>und</strong> als das gegenteilige<br />
Konzept von kalkuliertem Profit <strong>und</strong> individueller<br />
Selbstverwirklichung gewertet werden. Gegenseitige Abhängigkeit<br />
<strong>und</strong> Schuld werden dabei, im Kontrast zu deutschem<br />
Denken, nicht als etwas Negatives oder Unangenehmes betrachtet,<br />
sondern vielmehr als notwendiges Element menschlicher<br />
Beziehungen (Park / Kim 2006:424, Yum 1988:377f.).<br />
99 © Interculture Journal 2011 | 14
Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion<br />
Aus den engen interpersonalen Verflechtungen entstehen<br />
exklusive Beziehungsnetzwerke, in denen sich Mitglieder aufgr<strong>und</strong><br />
der emotionalen Bindung einander verpflichtet fühlen<br />
<strong>und</strong> füreinander ein hohes Maß an Fürsorge <strong>und</strong> Loyalität<br />
empfinden. Daraus entsteht eine Neigung zu partikulärem<br />
Verhalten, das die Gruppe fast resistent gegenüber äußeren<br />
<strong>Ein</strong>flüssen macht. In den Untersuchungen von Trompenaars<br />
<strong>und</strong> Hampden-Turner (1998) lassen sich Bestätigungen dieses<br />
Partikularismus finden: Beide befragten ihre Teilnehmer in<br />
interkulturellen Trainingsseminaren, wie sie das Verhalten eines<br />
Fre<strong>und</strong>es beurteilen würden, der einen Gesetzesbruch<br />
oder Vertragsverstoß begangen hat. Teilnehmer aus universalistischen<br />
Ländern, in denen Gesetze <strong>und</strong> Regeln als weniger<br />
flexibel verhandelbar <strong>und</strong> eher als absolute Gegebenheiten<br />
betrachtet werden, tendierten dazu, das Verhalten zu<br />
sanktionieren <strong>und</strong> plädierten für Bestrafung. Koreanische<br />
Teilnehmer neigten dazu, das Verhalten des Fre<strong>und</strong>es zu entschuldigen,<br />
die Schwere des Vergehens zu relativieren, <strong>und</strong><br />
hätten im Falle einer Gerichtsverhandlung zugunsten des<br />
Fre<strong>und</strong>es Falschaussagen in Betracht gezogen (Trompenaars /<br />
Hampden-Turner 1998:29ff.). Koreaner scheinen also das<br />
Verhalten von Menschen, mit denen sie in einer Beziehung<br />
stehen, in spezifischen Situationen weniger in Hinblick auf<br />
abstrakte juristische Gesetzmäßigkeiten oder ethischmoralische<br />
Normen zu urteilen, sondern zu empathischen<br />
Urteilen zu neigen, in die sie ihre gemeinsamen Beziehungsgeschichte<br />
<strong>und</strong> Beziehungstiefe in die Bewertung des Verhaltens<br />
einfließen lassen <strong>und</strong> so Loyalität über Objektivität stellen<br />
(Kim 1994:47f.).<br />
4.3 Harmonie durch Gesichtwahren – Chemyon (체체)<br />
Das Jung-Gefühl, das <strong>zwischen</strong> Mitgliedern einer Beziehung<br />
bzw. einer Gruppe wirksam ist, macht das Beziehungsnetzwerk<br />
resistent gegenüber äußeren <strong>Ein</strong>flüssen <strong>und</strong> führt zu<br />
exklusivem Ingroup/Outgroup-Verhalten (Nisbett 2009). Mitglieder<br />
eines Netzwerks sind stark motiviert, Harmonie, Konformität<br />
<strong>und</strong> Konsens zu bewahren <strong>und</strong> Risiken zu vermeiden,<br />
die die Verbindung verletzten könnten. Solche Risiken in<br />
der koreanischen Interaktion sind verb<strong>und</strong>en mit der „Wahrung<br />
des Gesichts“. Ebenso wie in vielen anderen asiatischen<br />
Ländern spielt auch in Korea das soziale „Gesicht“ eine weitaus<br />
bedeutendere Rolle als in westlichen Kulturen. Allgemein<br />
umfasst das „Gesicht“ drei Dimensionen: Es ist das persönliche<br />
Image des Selbst, das sich aus positiven sozialen Wertvorstellungen<br />
ableitet <strong>und</strong> in Interaktionen mit Anderen beansprucht<br />
wird (Goffman 1967 zit. nach Lim / Choi<br />
1996:129ff.).<br />
Lim <strong>und</strong> Choi (1996) vergleichen das Konzept von „Gesicht“<br />
in westlichen, individualistischen Kulturen <strong>und</strong> das Konzept<br />
© Interculture Journal 2011 | 14 100
Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion<br />
von Chemyon (체체) der koreanischen, kollektivistischen Kultur.<br />
Dabei differenzieren sie Unterschiede in eben diesen drei<br />
Dimensionen: In westlichen Kulturen wird das Gesicht zum<br />
größten Teil als individuelles, psychologisches Image des<br />
Selbst betrachtet, das ein Mensch aufgr<strong>und</strong> seiner bisherigen<br />
Leistungen <strong>und</strong> Taten für sich selbst beansprucht. In der Interaktion<br />
mit Anderen bekräftigt er seinen „soziale Wert“. Er<br />
hat bspw. aufgr<strong>und</strong> seines „Gesicht-Wertes“ die Freiheit, seine<br />
Ansichten durchzusetzen <strong>und</strong> Anderen zuzustimmen bzw.<br />
zu widersprechen. Das Gesicht wird eher als Eigentum des<br />
Individuums <strong>und</strong> als individuelle Errungenschaft angesehen,<br />
was auf die Betonung des Selbstbildes des Menschen als autonomes,<br />
selbstverantwortliches Wesen zurückzuführen ist. In<br />
Interaktionen geht es für Menschen aus individualistischen<br />
Kulturen vor allem darum, das eigene Gesicht zu schützen<br />
(Lim / Choi 1996:124ff.).<br />
Im Gegensatz dazu wird das Konzept des Gesichts in der koreanischen<br />
Kultur eher als etwas betrachtet, dass einem aufgr<strong>und</strong><br />
seiner Position <strong>und</strong> seines Status´ im hierarchischen<br />
Gesellschaftsgefüge zugeschrieben wird. Es wird gewahrt,<br />
indem man den Erwartungen, Normalitäts- <strong>und</strong> Wertvorstellungen<br />
der Gesellschaft durch sein Auftreten <strong>und</strong> Handeln<br />
entspricht. Es ist also ein kollektives Konzept <strong>und</strong> weniger<br />
individuell erstanden als in westlichen Kulturen. Um eine<br />
harmonische Interaktion gestalten zu können, ist es wichtig,<br />
das Chemyon des Interaktionspartners zu respektieren <strong>und</strong><br />
empathisch <strong>und</strong> sensibel vorzugehen, um es nicht zu verletzen.<br />
Besonders in Shimjung-Situationen ist es für den<br />
Shimjung-empfindenen Partner wichtig, nicht sein Gesicht zu<br />
verlieren, indem er durch kritische Selbstreflexion seine Rolle<br />
in der Dyade prüft <strong>und</strong> einen offenen Gefühlsausbruch wie<br />
Enttäuschung oder Wut vermeidet. Gleichzeitig ist es wichtig,<br />
durch empathisches Vorgehen bei der Auflösung der Problemsituation<br />
das Chemyon des Gegenübers ebenso zu wahren<br />
<strong>und</strong> ihm darüber hinaus Gesicht „zu verleihen“. In diesem<br />
Aspekt unterscheiden sich asiatische Konzepte von „Gesicht“<br />
von westlichen, was von Shim, Kim <strong>und</strong> Martin<br />
(2008:36) wiefolgt zusammengefasst wird:<br />
„In general, face giving seems to be more of an Eastern concern […]. To<br />
Asians, face giving means allowing room for the other person to recover<br />
his/her face – room to maneuver, to negotiate – so one can gain face in the<br />
end. For <strong>West</strong>erners, face seems to be a dichotomous concept: we either<br />
lose face or save face. For Easterners, face is considered to be a mutual,<br />
interdependent concept, and is a relational and group phenomenon.”<br />
Koreaner verwenden im Vergleich zu Deutschen einen immensen<br />
Teil ihrer Freizeit darauf, ihre interpersonalen Beziehungen<br />
<strong>und</strong> Netzwerke zu pflegen, um so weitere Beziehungsgeschichte<br />
<strong>und</strong> Jung zu schaffen, die Verbindungen<br />
vertiefen <strong>und</strong> hamonisieren. Im Arbeitsleben sind <strong>zwischen</strong><br />
101 © Interculture Journal 2011 | 14
Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion<br />
Kollegen regelmäßige informelle Abendessen mit anschließendem<br />
Kneipenbesuch gang <strong>und</strong> gäbe. Ebenso gehören<br />
Alumnitreffen dazu sowie aktive Mitgliedschaft in Vereinen.<br />
Lim / Choi (1996:128) bezeichnen diese Anstrengungen als<br />
„chemyon maintenance activities“. Trotz zunehmender individualistischer<br />
Tendenzen ist Kim (2003:112) der Ansicht,<br />
dass sich solche Anstrengungen vor allem im Arbeitsleben in<br />
den letzten Jahren aufgr<strong>und</strong> zunehmender Unsicherheit auf<br />
dem Arbeitsmarkt sogar verstärkt haben <strong>und</strong> prognostiziert,<br />
dass sie weiterhin eine essentielle Rolle im Alltag der Koreaner<br />
spielen werden. Darüber hinaus vermutet u.a. Koh<br />
(2004:118f.), dass konfuzianische Werte bei der Beziehungspflege<br />
als Gegenbewegung zu Individualisierung <strong>und</strong> damit<br />
verb<strong>und</strong>ener wachsender menschlicher Isolierung eine Art<br />
Renaissance erleben <strong>und</strong> dadurch auch zukünftig weiterleben<br />
werden.<br />
4.4 Nunchi (눈눈) – die soziale <strong>Kompetenz</strong> in Kommunikationssituationen<br />
Die Betonung von Emotionen <strong>und</strong> nonverbaler Kommunikation<br />
machen Korea zu einer „high-context-culture“ (Hall<br />
1989:105ff.), die sich durch ein hohes Maß an Implizitheit<br />
<strong>und</strong> Indirektheit auszeichnet. Koreaner betrachten effektive<br />
Kommunikation eher als partikulär statt universell: Durch die<br />
Notwendigkeit, kommunikative Akte immer auch mit hierarchischer<br />
Positionierungen <strong>und</strong> Chemyon zu balancieren, wird<br />
oft vermieden, Äußerungen direkt, explizit zu vermitteln,<br />
sondern sie werden bevorzugt durch den situativen Kontext<br />
kommuniziert. Die interpersonale Beziehung, in der Kommunikationspartner<br />
zueinander stehen, spielt also eine weitaus<br />
wichtigere Rolle als der rein inhaltliche Austausch von Äußerungen<br />
(Lim / Choi 1996:130). Um non- <strong>und</strong> paraverbale Signale,<br />
die in kommunikativen Akten mittransportiert werden<br />
<strong>und</strong> Wünsche oder Absichten implizieren oder Shimjung-<br />
Eruptionen anzeigen, interpretieren zu können, ist es für ein<br />
angemessenes Verhalten unabdinglich, „<strong>zwischen</strong> den Zeilen<br />
zu lesen“. Diese Fähigkeit wird im Koreanischen Nunchi (눈눈)<br />
genannt, was auch mit Taktgefühl, Weitsichtigkeit oder<br />
Empathievermögen umschrieben werden kann. Nunchi wird<br />
als die Determinante für Erfolg oder Misserfolg in der Interaktion<br />
betrachtet (Kim 2003:99). Es hilft sowohl, die situative<br />
Gefühlslage des Interaktionspartners einzuschätzen, als auch<br />
implizite oder ambigue Äußerungen zu interpretieren, um das<br />
eigene Handeln danach ausrichten zu können. Daher ist es<br />
eine wichtige kommunikative Fähigkeit, um das Chemyon des<br />
Gegenübers zu schützen <strong>und</strong> ggf. anzuheben, Jung aufzubauen<br />
<strong>und</strong> sich ganz allgemein angemessen in koreanischen<br />
Kommunikationssituationen verhalten zu können. Je mehr<br />
Wissen Interaktionspartner voreinander haben, desto größer<br />
© Interculture Journal 2011 | 14 102
Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion<br />
ist die Interpretationsbasis, auf der Nunchi wirksam werden<br />
kann <strong>und</strong> desto reibungsloser <strong>und</strong> harmonischer funktioniert<br />
die Kommunikation.<br />
Folgende Beispiele sollen die Wirkungsweise von Nunchi verdeutlichen:<br />
Wäre ein Fre<strong>und</strong> in Geldnot, so würde er dieses<br />
Problem, um sein Chemyon zu wahren, nicht direkt ansprechen.<br />
Durch Nunchi jedoch könnte sein Fre<strong>und</strong> diese Situation<br />
erfassen <strong>und</strong> ihm ohne direkte Aufforderung Geld leihen<br />
bzw. ihn einladen. Ebenso wird Nunchi im Arbeitsleben unter<br />
hierarchisch Untergebenen <strong>und</strong> Vorgesetzten aktiv, wenn es<br />
um die Klärung von Problemen geht. Der richtige Zeitpunkt<br />
bspw. für die Bitte um Urlaubstage wird durch Nunchi ausgelotet<br />
oder mögliche Erwartungen des Vorgesetzten über Arbeitspensum<br />
oder zu erledigende Aufgaben können mittels<br />
Nunchi vorausgesehen werden. Beim Diskutieren spielt<br />
Nunchi eine wichtige Rolle, die Position des Gegenübers richtig<br />
zu verstehen <strong>und</strong> nicht durch zu direktes Vorgehen die<br />
Integrität seiner Person infrage zu stellen <strong>und</strong> ihm so das<br />
Chemyon zu verletzen 8<br />
.<br />
Nunchi besteht also aus zwei Komponenten: Dekodierung<br />
nonverbaler Signale sowie Ausführung der erwarteten Handlung<br />
bzw. Reaktion (Shim / Kim / Martin 2008:74). Generell<br />
gilt in Korea die Fähigkeit, sich angemessen in interpersonalen<br />
Beziehungen zu bewegen <strong>und</strong> sie aufrecht zu erhalten,<br />
nicht nur als individuelles Charaktermerkmal, sondern als soziale<br />
<strong>Kompetenz</strong> (Kim 2003:107, Lim / Choi 1996:132, Kim<br />
1994:48). <strong>Ein</strong>er Studie von Park <strong>und</strong> Kim (2006) zufolge betrachtet<br />
die Mehrheit der Koreaner Erfolg im Schul- <strong>und</strong> Arbeitsleben<br />
als ein Resultat aus Selbstregulation (<strong>Ein</strong>satzbereitschaft,<br />
Wille, Geduld, Ausdauer) <strong>und</strong> Unterstützung aus dem<br />
sozialen Umfeld. Gleich an zweiter Stelle wurden Faktoren<br />
wie die Fähigkeit, harmonische Beziehungen zu erhalten, als<br />
Erfolgsgr<strong>und</strong> genannt, während die Rolle von Kenntnissen<br />
<strong>und</strong> fachlichen Qualifikationen an letzter Stelle angegeben<br />
wurden (2006:431ff.).<br />
5. Die asiazentrische Perspektive in der Kommunikation<br />
Um sich in Kommunikationssituationen, insbesondere im<br />
interkulturellen Kontext, angemessen verhalten zu können, ist<br />
es unabdinglich, das kulturgeprägte Weltbild, vor dessen Hintergr<strong>und</strong><br />
Kommunikation stattfindet <strong>und</strong> Menschen miteinander<br />
agieren, zu begreifen. Weltbilder sind verschieden.<br />
Daher spielen bspw. in Korea in interpersonalen Beziehungen<br />
<strong>und</strong> Kommunikationssituationen andere Prämissen eine Rolle<br />
als in Deutschland. Miike (2007:273ff. <strong>und</strong> 2009:41ff.) fasst<br />
diese Prämissen zusammen <strong>und</strong> formuliert sie gleichzeitig als<br />
Proposition an westliche Kulturen, ihr eigenes Weltbild um<br />
103 © Interculture Journal 2011 | 14
Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion<br />
eine asiazentrische Perspektive zu erweitern. Demzufolge<br />
wird Kommunikation aus asiazentrischer Sicht als ein Prozess<br />
betrachtet,<br />
1.) in dem Menschen sich ihrer Abhängigkeit <strong>und</strong> Verb<strong>und</strong>enheit<br />
mit anderen Menschen bewusst werden <strong>und</strong> ihren<br />
Platz in sich erweiternden Netzwerken von Beziehungen immer<br />
wieder neu bestätigen bzw. neu definieren.<br />
2.) in dem Menschen egoistische Absichten zugunsten von<br />
Zwischenmenschlichkeit <strong>und</strong> Kooperationsfähigkeit mit Mitmenschen<br />
zurückstellen.<br />
3.) in dem Gefühle der Interaktionspartner ebenso wie inhaltliche<br />
Absichten wahrgenommen <strong>und</strong> berücksichtigt werden.<br />
4.) in dem Menschen ihre humanen, reziproken Verpflichtungen<br />
gegenüber Mitmenschen wahrnehmen <strong>und</strong> sie über<br />
Kommunikationsabsichten wie Manipulation, Profit- oder sozialen<br />
Prestigezuwachs stellen.<br />
5.) in dem das Hauptziel aus der Wahrung <strong>und</strong> Herstellung<br />
von Harmonie besteht.<br />
Kommunikationstheorien, die Mentalität <strong>und</strong> Weltbilder<br />
nicht-westlicher Kulturen durch eine „westliche Brille“ betrachten,<br />
so kritisieren asiatischen Wissenschaftler, sind geprägt<br />
von eurozentrischen Weltbildern, die unter dem Wirkungskreis<br />
der Aufklärung stehen, die Rationalität, Individualität,<br />
Autonomität <strong>und</strong> Selbst-Bewusstsein zu den obersten<br />
Prinzipien im philosophischen Denken erhob (Miike 2007,<br />
2009, Kim / Park 2006, Hwang 2006, Choi / Han 2008, Choi<br />
/ Kim 2006 u.a.). Im Gegensatz dazu werden in der koreanischen<br />
Kultur, die unter dem Wirkungskreis des Konfuzianismus<br />
steht, andere Werte hervorgehoben: Kommunikation<br />
bedeutet, sich in Abhängigkeitsverhältnisse zu begeben <strong>und</strong><br />
Individualität zugunsten von Harmonie in interpersonalen Beziehungen<br />
aufzulösen. Das Ziel dieser Arbeit bestand darin,<br />
für einige genuin koreanische Phänomene zu sensibilisieren<br />
<strong>und</strong> die herausragende Bedeutung von Emotionen in der koreanischen<br />
Interaktion zu verdeutlichen. Es ist zu erwarten,<br />
dass in Zukunft die indigene Psychologie im asiatischen Raum<br />
weiterhin eine wichtige Rolle dabei spielen wird, kulturgeb<strong>und</strong>ene<br />
Besonderheiten im Interaktions- <strong>und</strong> Kommunikationsverhalten<br />
freizulegen <strong>und</strong> somit hilfreiche Beiträge zur<br />
interkulturellen Verständigung leisten zu können.<br />
© Interculture Journal 2011 | 14 104
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Miike, Yoshitaka (2009): “Harmony without Uniformity”. An Asiacentric<br />
Worldview and Its Communicative Implications. In: Samovar, Larry A. / Porter,<br />
Richard E. / McDaniel, Edwin R. (Hrsg.): Intercultural Communication. A<br />
Reader. Boston: Wadsworth, S. 36-47.<br />
Nisbett, Richard E. (2009): Living Together vs. Going it Alone. In: Samovar,<br />
Larry A. / Porter, Richard E. / McDaniel, Edwin R. (Hrsg.): Intercultural<br />
Communication. A Reader. Boston: Wadsworth, S. 134-145.<br />
Park, Young-Shin / Kim, Uichol (2006): Family, Parent-Child-Relationship,<br />
and Academic Achievement in Korea. In: Kim, Uichol / Yang, Kuo-Shu /<br />
Hwang, Kwang-Kuo (Hrsg.): Indigenous and Cultural Psychology. Understanding<br />
People in Context. New York: Springer, S. 421-443.<br />
Shim, T. Youn-ja / Kim, Min-su / Martin, Judith N. (2008): Changing Korea.<br />
Understanding Culture and Communication. New York: Lang.<br />
Triandis, Harry C. (1994): Theoretical and Methodological Approaches to<br />
the Study of Collectivism and Individualism. In: Kim, Uichol et al. (Hrsg.):<br />
Individualism and Collectivism. Theory, Method, And Application. Thousand<br />
Oaks CA: Sage, S. 41-51.<br />
Triandis, Harry C. (1995): Individualism and collectivism. Boulder, CO:<br />
<strong>West</strong>view.<br />
Triandis, Harry C. (2006): Culture and Conflict. In: Samovar, Larry A. / Porter,<br />
Richard E. / McDaniel, Edwin R. (Hrsg.): Intercultural Communication.<br />
A Reader. Boston: Wadsworth, S. 18-27.<br />
Trompenaars, Fons / Hampden-Turner, Charles (1998): Riding the Waves of<br />
Culture. Understanding Diversity in Global Business. New York: McGraw-<br />
Hill.<br />
Yum, June-Ock (1988): The Impact of Confucianism on Interpersonal Relationships<br />
and Communication Patterns in East Asia. Communication Monographs<br />
55, S. 374-388.<br />
*This work was supported by Hankuk University of Foreign<br />
Studies Research F<strong>und</strong> 2011.<br />
1 <strong>Ein</strong>e der ältesten Institutionen in Korea, die auch heute noch<br />
die Lehren des Konfuzius´ vermittelt <strong>und</strong> sich aktiv für den<br />
Erhalt <strong>und</strong> die Förderung konfuzianischer ethischer Werte<br />
einsetzt, ist beispielsweise die Sung Kyun Kwan Universität,<br />
die mit der Sung Kyun Kwan Confucian Association Seoul<br />
zusammenarbeitet (hierzu insbesondere ein Interview mit<br />
© Interculture Journal 2011 | 14 106
Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion<br />
dem Präsident der Sung Kyun Kwan Confucian Association<br />
von Lee Hyo-won (2010) „Confucianism is in synch with<br />
modern times“; abrufbar unter<br />
www.koreatimes.co.kr/www/news/special/2010/05/178_667<br />
46.html [29.1.2011]). Darüber hinaus gibt es Vereinigungen<br />
konfuzianischer Gelehrter wie Yurim <strong>und</strong> Dam-soo-hoe in<br />
Andong sowie Regionalverbände, die sich um Tempelpflege<br />
<strong>und</strong> Wissenstransfer konfuzianischer Lehren kümmern.<br />
2<br />
Siehe hierzu insbesondere die Ausführungen zu Umfrageergebnisse<br />
von Park / Kim (2006) <strong>und</strong> Han / Choe (1994) zum<br />
elterlichen <strong>Ein</strong>fluss auf das Entscheidungsverhalten von Jugendlichen.<br />
3 Koh zählt durchschnittlich 10 Riten pro Jahr, die von Koreanern<br />
im Sinne konfuzianischer Traditionen durchgeführt werden<br />
(1996:195).<br />
4<br />
Genauere Ausführungen zum Wirken von Alumnivereinigungen<br />
finden sich insbesondere in Shim / Kim / Martin<br />
(2008) <strong>und</strong> Han / Choe (1994).<br />
5 Siehe Shim Jae-yun (2010): „Kyungmin College focuses on<br />
practical education based on filial piety.“ Korean Times vom<br />
6.12.2010.<br />
6 Siehe Kim Ji-soo (2010): „Filling the philosophical void.“ Ko-<br />
rean Times vom 28.1.2011.<br />
7 Auch die absolute Kontrolle über die eigene Gefühlswelt<br />
wurde im alten Korea als konfuzianische Gr<strong>und</strong>tugend betrachtet.<br />
Gefühlsausbrüche wurden als Hindernis bei der Erlangung<br />
des vollkommenen Wissens <strong>und</strong> der Wahrheitsfindung<br />
betrachtet. Selbstkultivierung bedeutete vor allem Beherrschung<br />
von Emotionen <strong>und</strong> Unterdrückung solcher irrationaler<br />
Störfaktoren (Koh 2004, Kim 2003, Kim 1996).<br />
8<br />
Das Trainingsprogramm von Brüch / Thomas (2007) bietet<br />
einen lesenswerten, reichhaltigen F<strong>und</strong>us an authentischen<br />
critical incidents, die <strong>zwischen</strong> Deutschen <strong>und</strong> Koreanern im<br />
Geschäftsleben entstanden sind <strong>und</strong> insbesondere das Wirken<br />
von Nunchi <strong>und</strong> Chemyon weiter verdeutlichen können.<br />
107 © Interculture Journal 2011 | 14
109<br />
113<br />
117<br />
Rezensionen<br />
Sterner, Barbara (2010): Public Relations in multinationalen<br />
Unternehmen. <strong>Ein</strong>e explorative Fallstudie zur Koordination<br />
<strong>und</strong> Ausgestaltung von PR in einem multinationalen<br />
Finanzdienst-leistungsunternehmen<br />
Rezensiert von: Alexandra Stang<br />
Zapf, Elke Christine (2009): Interkulturelle<br />
Wirtschaftskommunikation im kaufmännischen Schulwesen.<br />
<strong>Ein</strong>e Untersuchung im deutsch-französischen Grenzraum<br />
Rezensiert von: Alexandra Stang<br />
Knüttel, Katharina / Martin Seeliger (Hrsg.) (2011):<br />
Intersektionalität <strong>und</strong> Kulturindustrie.<br />
Zum Verhältnis sozialer Kategorien <strong>und</strong> kultureller<br />
Repräsentationen.<br />
Rezensiert von: Kathrin Best
„Public Relations in multinationalenUnternehmen.<br />
<strong>Ein</strong>e explorative<br />
Fallstudie zur Koordination<br />
<strong>und</strong> Ausgestaltung<br />
von PR in einem multinationalenFinanzdienstleistungsunternehmen“<br />
von Barbara Sterner<br />
Alexandra Stang<br />
Projektmitarbeiterin Publikationen<br />
<strong>und</strong> Interkulturelle Bildung an der<br />
TU Kaiserslautern<br />
Stang: „Public Relations in multinationalen Unternehmen. <strong>Ein</strong>e explorative Fallstudie zur Koordination<br />
<strong>und</strong> Ausgestaltung von PR in einem multinationalen Finanzdienstleistungsunternehmen“<br />
von Barbara Sterner<br />
Rezension<br />
Durch die Globalisierungsprozesse hat die Relevanz internationaler<br />
Public Relations als eine Form der Organisationskommunikation<br />
in den letzten Jahren stark an Bedeutung<br />
gewonnen. Glaubwürdige <strong>und</strong> nachhaltige Kommunikation<br />
ist daher das Öl im Getriebe eines jeden international aufgestellten<br />
Unternehmens, da diese das kritische Urteil der Öffentlichkeit<br />
bedenken müssen. Die Art <strong>und</strong> Weise, wie jedoch<br />
miteinander kommuniziert wird, ist stark vom jeweiligen kulturellen<br />
Hintergr<strong>und</strong> geprägt.<br />
Überall dort, wo eine „pankollektive Klammer“ (Hansen<br />
2009:129) in Form eines gemeinsamen Codes, zum Beispiel<br />
einer Sprache oder gleichen Werten, fehlt, entstehen in der<br />
internationalen Praxis häufig Reibungsverluste <strong>und</strong> Widersprüche<br />
im öffentlichen Auftritt. Öffentlichkeitsarbeit ist eine<br />
von zahlreichen Elementen interkultureller Öffnung. Wer länderübergreifend<br />
Public Relations verantwortet, sollte sich aus<br />
diesem Gr<strong>und</strong>e über kulturspezifische Sachverhalte Gedanken<br />
machen, denn Kommunikation ist immer auch eine Konstruktion<br />
von Wirklichkeit (Luhmann 1995).<br />
Interne wie externe Unternehmenskommunikation muss die<br />
unterschiedlichen Themen, Interessen <strong>und</strong> Anliegen der einzelnen<br />
Bereiche kennen, aufgreifen, gegebenenfalls vermitteln<br />
<strong>und</strong> ausgleichen. Kommunikation schafft den Rahmen<br />
für einen glaubwürdigen, werteorientierten <strong>und</strong> Vertrauen<br />
schaffenden Dialog mit allen internen <strong>und</strong> externen Stakeholdern.<br />
So lassen sich Prozesse harmonisieren <strong>und</strong> eine weitgehend<br />
geteilte Unternehmenskultur entwickeln, die die jeweiligen<br />
kulturellen Stile mit berücksichtigt. In der Wissenschaft<br />
wurde bereits mehrfach auf den <strong>Ein</strong>fluss von kommunikativen<br />
<strong>und</strong> kulturellen Spezifika hingewiesen (vgl. hierzu<br />
Bolten et al. 1996, Bolten 1999). Anders herum gefragt: Wie<br />
global oder lokal müssen heute PR Strategien in multinationalen<br />
Wirtschaftsorganisationen sein?<br />
Die vorliegende Publikation „Public Relations in multinationalen<br />
Unternehmen“ von Barbara Sterner ordnet sich thematisch<br />
in die Schriftenreihe der Saarbrücker Studien zur Interkulturellen<br />
Kommunikation mit Schwerpunkt Frankreich <strong>und</strong><br />
Deutschland ein. Die durchgeführte Fallstudie greift den beschriebenen<br />
Sachverhalt auf. Sie widmet sich inhaltlich der<br />
Öffentlichkeitsarbeit <strong>und</strong> ihrer kommunikativen Ausgestaltung<br />
am Beispiel eines multinationalen Finanzunternehmens<br />
in Deutschland <strong>und</strong> seinen Tochtergesellschaften in Frankreich<br />
<strong>und</strong> den USA. Die Untersuchung gliedert sich dabei in<br />
einen theoretischen Abschnitt zur Entwicklung <strong>und</strong> Bedeutung<br />
der Public Relations <strong>und</strong> einen empirischen Analyseteil.<br />
Dazu führt die Autorin neben einer kommunikativen Stilana-<br />
109 © Interculture Journal 2011 | 14
Stang: „Public Relations in multinationalen Unternehmen. <strong>Ein</strong>e explorative Fallstudie zur Koordination<br />
<strong>und</strong> Ausgestaltung von PR in einem multinationalen Finanzdienstleistungsunternehmen“<br />
von Barbara Sterner<br />
lyse als Methodik der Kulturbeschreibung auch eine qualitative<br />
Befragung von Mitarbeitern in internationalen Pressestellen<br />
in der Versicherungswirtschaft durch. Die Ergebnisse geben<br />
einen interessanten Aufschluss darüber, wie ein multinational<br />
aufgestelltes Unternehmen heute seine Öffentlichkeitsarbeit<br />
koordiniert. Darauf aufbauend entwirft die Autorin ein<br />
Modell zur Ausgestaltung von PR-Maßnahmen in internationalen<br />
Kontexten, das auf andere kulturelle Kontexte übertragbar<br />
ist.<br />
Im ersten Abschnitt der Ausarbeitung beschäftigt sich Barbara<br />
Sterner dazu ausführlich mit den vielfältigen Ansätzen der<br />
aktuellen PR-Forschung <strong>und</strong> ihren Anwendungsfeldern in der<br />
Wirtschaft. Dabei grenzt sie Public Relations von der klassischen<br />
Werbung ab. Danach schließt eine kritische Diskussion<br />
von bekannten Kommunikations- <strong>und</strong> Kulturmodellen den<br />
theoretischen Gr<strong>und</strong>lagenteil der Arbeit ab. Dieser verweist<br />
gleichsam auf den Zusammenhang von Unternehmenskommunikation<br />
<strong>und</strong> Unternehmenskultur.<br />
Der zweite Teil beschäftigt sich ausführlich mit dem methodischen<br />
Vorgehen der Auswertung. Die Datenerhebung erfolgte<br />
im Rahmen der teilnehmenden Beobachtung, Interview-<br />
<strong>und</strong> Dokumentenanalyse.<br />
Den Kern der Arbeit bildet eine vergleichende Medienanalyse<br />
von Geschäftsberichten <strong>und</strong> Webseiten bei ausgewählten<br />
Tochterunternehmen in Frankreich <strong>und</strong> den USA <strong>und</strong> der<br />
Konzernzentrale in Deutschland. Diese werden auf ihre<br />
kommunikativen Unterschiede hin analysiert <strong>und</strong> mit den Ergebnissen<br />
der Interviewaussagen der PR-Mitarbeitern <strong>und</strong> der<br />
teilnehmenden Beobachtung in Bezug gesetzt. Daraus leiten<br />
sich abschließend die <strong>Ein</strong>flussfaktoren auf die Ausgestaltung<br />
<strong>und</strong> Koordination von PR-Maßnahmen im deutschfranzösisch-US-amerikanischen<br />
Kontext ab.<br />
Die Publikation vermittelt Kenntnisse <strong>und</strong> <strong>Kompetenz</strong>en zur<br />
optimalen <strong>und</strong> zielgerichteten Gestaltung von Kommunikationsprozessen<br />
im Rahmen der internationalen Öffentlichkeitsarbeit.<br />
Um den spezifischen Wahrnehmungs- <strong>und</strong> Kommunikationsgewohnheiten<br />
der unterschiedlichen Zielgruppen<br />
gerecht werden zu können, plädiert die Autorin für eine differenzierte<br />
Herangehensweise, die die jeweiligen Stilmerkale<br />
berücksichtigt.<br />
Die Autorin wendet sich mit ihrer Dissertation insgesamt an<br />
eine breite Leserschaft <strong>und</strong> möchte für die Herausforderungen<br />
in der grenzüberschreitenden Public Relations <strong>und</strong> einem<br />
mehrsprachigen Umfeld sensibilisieren. Kommunikationswissenschaftler<br />
als auch Fach- <strong>und</strong> Führungskräfte, die in internationalen<br />
Unternehmen die Öffentlichkeitsarbeit auf opera-<br />
© Interculture Journal 2011 | 14 110
Stang: „Public Relations in multinationalen Unternehmen. <strong>Ein</strong>e explorative Fallstudie zur Koordination<br />
<strong>und</strong> Ausgestaltung von PR in einem multinationalen Finanzdienstleistungsunternehmen“<br />
von Barbara Sterner<br />
tiver oder strategischer Ebene verantworten, können gleichsam<br />
von der Lektüre des Buches profitieren.<br />
Sterner, Barbara (2010): Public Relations in multinationalen<br />
Unternehmen. <strong>Ein</strong>e explorative Fallstudie zur Koordination<br />
<strong>und</strong> Ausgestaltung von PR in einem multinationalen Finanzdienstleistungsunternehmen.<br />
St. Ingbert: Röhrig Universitätsverlag.<br />
347 Seiten. Preis 36,00 EUR. ISBN 978-3-86110-484-1.<br />
Literatur<br />
Bolten, Jürgen / Dathe, Marion et al. (1996): <strong>Interkulturalität</strong>,<br />
Interlingualität <strong>und</strong> Standardisierung bei der Öffentlichkeitsarbeit von Unternehmen.<br />
Gezeigt an amerikanischen, britischen, deutschen, französischen<br />
<strong>und</strong> russischen Geschäftsberichten. In: Baumann, Klaus-Dieter /<br />
Kalverkämper, Hartwig (Hrsg.): Fachliche Textsorten. Komponenten - Relationen<br />
– Strategien. Tübingen: Narr Verlag, S. 389 - 425.<br />
Bolten, Jürgen (1999): Kommunikativer Stil, kulturelles Gedächtnis <strong>und</strong><br />
Kommunikationsmonopole. In: Geißner, Hellmut (Hrsg.): Wirtschaftskommunikation<br />
in Europa = Business Communication in Europe. Tostedt:<br />
Attikon Verlag, S. 113 - 131.<br />
Hansen, Klaus P. (2009): Kultur, Kollektiv, Nation. Passau: Stutz Verlag.<br />
Luhmann, Niklas (1995): Die Soziologie <strong>und</strong> der Mensch. 6. Soziologische<br />
Aufklärung. Opladen: <strong>West</strong>deutscher Verlag.<br />
111 © Interculture Journal 2011 | 14
© Interculture Journal 2011 | 14 112
„Interkulturelle Wirtschaftskommunikation<br />
im kaufmännischen<br />
Schulwesen. <strong>Ein</strong>e<br />
Untersuchung im<br />
deutsch-französischen<br />
Grenzraum“ von<br />
Elke Christine Zapf<br />
Alexandra Stang<br />
Projektmitarbeiterin Publikationen<br />
<strong>und</strong> Interkulturelle Bildung an der<br />
TU Kaiserslautern<br />
Stang: „Interkulturelle Wirtschaftskommunikation im kaufmännischen Schulwesen. <strong>Ein</strong>e Untersuchung<br />
im deutsch-französischen Grenzraum“ von Elke Christine Zapf<br />
Rezension<br />
„Die Internationalisierungsprozesse gehen mit weltweiten<br />
Veränderungen einher <strong>und</strong> stellen nahezu alle gesellschaftlichen<br />
Bereiche vor neue Herausforderungen“, schreibt die Autorin<br />
Elke Christine Zapf (2009:15). Die zitierten gesellschaftlichen<br />
Veränderungen erfordern heute von Berufstätigen<br />
interkulturelle Handlungskompetenz <strong>und</strong> Mehrsprachigkeit.<br />
Sie zählen im 21. Jahrh<strong>und</strong>ert von daher zu den unabdingbaren<br />
Schlüsselqualifikationen, um ein konstruktives Miteinander<br />
ermöglichen zu können.<br />
Die deutsch-französischen Beziehungen bilden bereits seit<br />
Unterzeichnung des Elysée-Vertrags einen festen Bestandteil<br />
des wirtschaftlichen Lebens in beiden Nachbarländern. Reibungsverluste,<br />
die auf unzureichende interkulturelle Kommunikationsfähigkeit<br />
<strong>und</strong> mangelnde Sprachkenntnisse schließen<br />
lassen, gibt es jedoch bis heute genügend. Den skizzierten<br />
Herausforderungen wird sich jedoch besonders im Berufsschulwesen<br />
nur am Rande gestellt, denn Französischunterricht<br />
in Berufsschulkontexten ist bis heute kein verbindliches<br />
Unterrichtsfach.<br />
Barmeyer (2000:127) spricht von daher zurecht von „kultureller<br />
Kurzsichtigkeit“. Mit anderen Worten: Interkulturelle Wirtschaftskompetenz<br />
- besonders in Grenzregionen - bedeutet<br />
weit mehr, als nur Englischkenntnisse in Form einer Lingua<br />
franca zu erwerben!<br />
Die vorliegende Publikation „Interkulturelle Wirtschaftskommunikation<br />
im kaufmännischen Schulwesen“ von Elke Christine<br />
Zapf ordnet sich thematisch in die Schriftenreihe der<br />
Saarbrücker Studien zur Interkulturellen Kommunikation mit<br />
Schwerpunkt Frankreich <strong>und</strong> Deutschland ein. Die Dissertation<br />
widmet sich im Fortgang „der Schnittstelle von interkultureller<br />
Forschung, Fremdsprachendidaktik, Wirtschaft <strong>und</strong><br />
der Praxis im beruflichen Schulwesen“ (Zapf 2009:16). Dabei<br />
stehen drei inhaltliche Schwerpunkte im Mittelpunkt des Interesses:<br />
a) die Bedeutung der interkulturellen deutschfranzösischen<br />
Wirtschaftskommunikation, b) die persönliche<br />
Sichtweise von Französischlehrkräften bezogen auf das Thema<br />
interkulturelle Kommunikation <strong>und</strong> c) die Frage nach einer<br />
angemessenen Verankerung in Lehrmaterialien.<br />
Das Buch beschäftigt sich mit der Rolle, den gemachten Erfahrungen<br />
<strong>und</strong> Herausforderungen des wirtschafts- <strong>und</strong> berufsbezogenen<br />
Französischunterrichts in den Grenzregionen.<br />
Die dafür notwendige Bedarfserhebung <strong>und</strong> Analyse der Interviewaussagen<br />
bezieht sich auf den Zeitraum von April bis<br />
September 2004. Die getätigten Interviewaussagen <strong>und</strong> Ergebnisse<br />
sind aus diesem Gr<strong>und</strong>e auch als eine zeitliche Ist-<br />
113 © Interculture Journal 2011 | 14
Stang: „Interkulturelle Wirtschaftskommunikation im kaufmännischen Schulwesen. <strong>Ein</strong>e Untersuchung<br />
im deutsch-französischen Grenzraum“ von Elke Christine Zapf<br />
Momentaufnahme zu verstehen. Auf diesen Aspekt weist die<br />
Autorin selbst mehrfach im Methodenteil ihrer Arbeit explizit<br />
hin. Dies ist von besonderer Relevanz, um die Aussagen der<br />
Interviewpartner bezogen auf Herkunft, Alter, Bildungsstand<br />
<strong>und</strong> Tätigkeitsbereiche heute angemessen deuten zu können.<br />
Im ersten Abschnitt der Ausarbeitung stehen das historisch<br />
gewachsene deutsch-französische Beziehungsgeflecht in der<br />
Wirtschaft <strong>und</strong> im Bildungswesen nach 1945 im Mittelpunkt.<br />
Im Anschluss folgen didaktische Überlegungen zur Förderung<br />
einer berufsbezogenen interkulturellen <strong>Kompetenz</strong> <strong>und</strong> adäquate<br />
Vermittlungsmöglichkeiten. Diese schließen landesk<strong>und</strong>liches<br />
Wissen, eine sprachliche Analysefähigkeit, interkulturelles<br />
Prozesswissen <strong>und</strong> verhaltensbezogene Aspekte<br />
mit ein.<br />
Im zweiten Teil ihrer Dissertation betrachtet die Autorin den<br />
aktuellen Französischbedarf <strong>und</strong> Kenntnisstand von kaufmännischen<br />
Mitarbeitern in Wirtschaftsorganisationen (Stand<br />
2004). Die Analysen der Aussagen zeigen einen deutlichen<br />
Handlungsbedarf in der Förderung der produktiven <strong>und</strong><br />
rezeptiven berufsbezogenen Sprachfertigkeiten der befragten<br />
Personen auf. Problematisch weisen sich gleichsam die diffusen<br />
Vorstellungen der Befragten zum Begriff „Interkulturelle<br />
<strong>Kompetenz</strong>“. Dies macht deutlich, dass es einen erheblichen<br />
Klärungsbedarf gibt, um insbesondere künftige Mitarbeiter<br />
für interkulturelle Herausforderungen <strong>und</strong> Chancen in der<br />
grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zu sensibilisieren.<br />
Der dritte Abschnitt des Buches beschäftigt sich mit der persönlichen<br />
Sichtweise der befragten Lehrkräfte <strong>und</strong> ihrer Unterrichtskonzepte.<br />
Insgesamt zeichnet sich hier ein sehr heterogenes<br />
Bild <strong>und</strong> Unsicherheit darüber ab, wie eine berufsbezogene<br />
interkulturelle Wirtschaftskompetenz im Fremdsprachenunterricht<br />
am besten umgesetzt werden kann. Dies ist<br />
darauf zurückzuführen, dass die in der Studie befragten Lehrkräften<br />
in ihrer eigenen Ausbildungssozialisation mit explizit<br />
interkulturellen wirtschaftsbezogenen Fragestellungen aus<br />
didaktischer Sicht selten konfrontiert wurden. So w<strong>und</strong>ert es<br />
auch nicht, dass ein Teil des älteren Lehrpersonals mit den<br />
heute an sie gestellten Erwartungen schlichtweg überfordert<br />
ist (vgl. Bolten 2001). Dies muss stärker in der Lehrerfortbildung<br />
berücksichtigt werden.<br />
Sprachvermittlung beinhaltet immer auch eine Kulturmittlerfunktion<br />
bzw. eine Förderung des Bewusstseins der eigenen<br />
als auch der fremdsprachigen Kultur. Aus diesem Gr<strong>und</strong> beschäftigt<br />
sich die Arbeit abschließend mit der Analyse der<br />
eingesetzten französischen Lehrwerke. Aus der Perspektive<br />
der Lehrwerkanalyse zieht die Autorin insgesamt ein positives<br />
Fazit. Diese hat ergeben, dass die meisten Lehrwerke heute<br />
© Interculture Journal 2011 | 14 114
Stang: „Interkulturelle Wirtschaftskommunikation im kaufmännischen Schulwesen. <strong>Ein</strong>e Untersuchung<br />
im deutsch-französischen Grenzraum“ von Elke Christine Zapf<br />
Wert darauf legen, ihre Zielgruppe zum sprachlichen <strong>und</strong> kulturell<br />
angemessenen Handeln zu befähigen.<br />
Mit ihrer Publikation wendet sich die Autorin primär an<br />
Französischlehrkräfte, die sich mit den Herausforderungen<br />
der interkulturellen Fremdsprachendidaktik im Unterricht an<br />
beruflichen Schulen beschäftigen. Letztlich geht es darum,<br />
interkulturelle Aspekte <strong>und</strong> Fremdsprachenerwerb proaktiv<br />
<strong>und</strong> langfristig in berufs- <strong>und</strong> wirtschaftspädagogische Fragestellungen<br />
zu integrieren <strong>und</strong> damit verb<strong>und</strong>ene Stärken <strong>und</strong><br />
Schwächen zu beleuchten. Die Autorin appelliert an ihre Leserschaft,<br />
„dass das Fremdsprachenlernen <strong>und</strong> der Erwerb<br />
interkultureller <strong>Kompetenz</strong> zu einer originären Aufgabe der<br />
beruflichen Bildung gehören“ (Zapf 2009: 449).<br />
<strong>Ein</strong>e konkrete Anleitung dafür, wie dies umgesetzt werden<br />
könnte, bietet das Buch jedoch nicht. Es lädt vielmehr dazu<br />
ein, über neue Wege eines interkulturellen Lehrens <strong>und</strong> Lernens<br />
im Rahmen eines integrierten ganzheitlichen didaktischen<br />
Konzeptes nachzudenken. Ziel aller Bemühungen des<br />
Berufsschulwesens sollte es sein, künftige Fachkräfte darauf<br />
vorzubereiten, erfolgreich ein Auslandspraktikum durchzuführen<br />
bzw. in deutsch-französischen Kontexten gemeinsam<br />
effektiv <strong>und</strong> verständnisvoll miteinander arbeiten zu können.<br />
Die Autorin fordert daher zu einer aktiven Auseinandersetzung<br />
mit diesem komplexen Thema auf. Dazu gehören freilich<br />
auch entsprechende Qualifzierungs- <strong>und</strong> Fortbildungsmöglichkeiten<br />
für Lehrkräfte an beruflichen Schulen.<br />
Zapf, Elke Christine (2009): Interkulturelle Wirtschaftskommunikation<br />
im kaufmännischen Schulwesen. <strong>Ein</strong>e Untersuchung<br />
im deutsch-französischen Grenzraum. St. Ingbert: Röhrig<br />
Universitätsverlag. 471 Seiten. Preis 48,00 EUR. ISBN 978-<br />
3-86110-471-1.<br />
Literatur<br />
Barmeyer, Christoph I. (2000): Mentalitätsunterschiede <strong>und</strong> Marktchancen<br />
im Frankreichgeschäft. Zur Zur interkulturellen Kommunikation im Handwerk<br />
(mit Schwerpunkt Saarland-Lothringen). St. Ingbert: Röhrig Universitäts<br />
Verlag.<br />
Bolten, Jürgen (2001): Thesen zum interkulturellen Lernen in der Schule. In:<br />
Jürgen Bolten, Daniela Schröter (Hrsg.). Im Netzwerk interkulturellen Handelns<br />
(S. 106-113). Sternenfels: Wissenschaft <strong>und</strong> Praxis.<br />
115 © Interculture Journal 2011 | 14
© Interculture Journal 2011 | 14 116
„Intersektionalität <strong>und</strong><br />
Kulturindustrie.<br />
Zum Verhältnis sozialer<br />
Kategorien <strong>und</strong> kultureller<br />
Repräsentationen“<br />
herausgegeben von<br />
Katharina Knüttel <strong>und</strong><br />
Martin Seeliger<br />
Kathrin Best<br />
M.A. in Theater-, Film- <strong>und</strong> Medienwissenschaft<br />
sowie Architektur, Universität<br />
Wien, Teilnehmerin des Promotionsprogramms<br />
„Performance<br />
and Media Studies“ der Johannes<br />
Gutenberg-Universität Mainz<br />
Best: „Intersektionalität <strong>und</strong> Kulturindustrie. Zum Verhältnis sozialer Kategorien <strong>und</strong> kultureller<br />
Repräsentationen“ herausgegeben von Katharina Knüttel <strong>und</strong> Martin Seeliger<br />
Rezension<br />
Der Begriff der Intersektionalität gewinnt in den Kulturwissenschaften<br />
mit Beginn der 1990er Jahre zunehmend an Bedeutung.<br />
Er bezeichnet die Überlagerung beziehungsweise<br />
Komplexion sozialer Diskriminierungen in einer Person<br />
(Behrens 2011:56) <strong>und</strong> betont dabei insbesondere die Tatsache,<br />
dass diese sich nicht ausschließlich addieren, sondern<br />
sich ebenso gegenseitig verstärken oder abschwächen können.<br />
Mit dem Sammelband „Intersektionalität <strong>und</strong> Kulturindutrie“<br />
wollen Katharina Knüttel <strong>und</strong> Martin Seeliger einen Beitrag<br />
zur Intersektionalitätsdebatte innerhalb der modernen Kulturwissenschaften<br />
leisten. Ziel der Soziologen ist es, eine analytische<br />
Verbindung <strong>zwischen</strong> kulturellen Artefakten <strong>und</strong> der<br />
Reproduktion von Differenzmerkmalen herzustellen, das<br />
heißt, „dem Zusammenwirken unterschiedlicher sozialer Kategorien<br />
mit Blick auf konkrete Kulturphänomene auf die<br />
Schliche zu kommen“ (Knüttel / Seeliger 2011:8). Adäquat zu<br />
dieser Fragestellung betrachten Knüttel <strong>und</strong> Seeliger Kultur<br />
als ein „dynamisches Set von Symbolen, Artefakten <strong>und</strong> sozialen<br />
Praktiken“ (Knüttel / Seeliger 2011:15), das von den<br />
Akteuren permanent neu ausgehandelt wird.<br />
Die Gliederung des Sammelbandes erscheint nachvollziehbar:<br />
In einem einleitenden Beitrag diskutieren die Herausgeber<br />
richtungsweisende soziologische Konzepte <strong>und</strong><br />
legen so den eigenen fachlichen Zugang offen. An diese <strong>Ein</strong>führung<br />
schließen zwei weitere Gr<strong>und</strong>lagentexte an, von<br />
denen der eine verstärkt den Begriff der Intersektionalität, der<br />
andere den der Kulturindustrie behandelt: Nina Degele <strong>und</strong><br />
Gabriele Winkler schlagen in ihrem Beitrag „'Leistung muss<br />
sich wieder lohnen'. Zur intersektionalen Analyse kultureller<br />
Symbole“ ein Instrumentarium vor, mit dessen Hilfe<br />
Intersektionalität im Kulturbereich konkret erfasst werden<br />
kann; Roger Behrens liefert mit seinem Aufsatz „Unterhaltung<br />
als Unterdrückung. Kulturindustrie, Intersektionalität<br />
<strong>und</strong> Herrschaft“ einen kritischen Blick auf die historische<br />
Entwicklung des Kulturindustrie-Begriffs.<br />
An diese einleitenden Texte schließen sich insgesamt acht<br />
weitere Beiträge an, die jeweils ein konkretes Phänomen der<br />
Populärkultur im Hinblick auf die Reproduktion sozialer Differenzkategorien<br />
genauer unter die Lupe nehmen. Dem interdisziplinären<br />
Anspruch der Herausgeber wird der Sammelband<br />
insofern gerecht, als die vertretenen Wissenschaftler in<br />
unterschiedlichen Fächern wie beispielsweise der Soziologie,<br />
den Kultur- oder den Sprachwissenschaften beheimatet sind.<br />
117 © Interculture Journal 2011 | 14
Best: „Intersektionalität <strong>und</strong> Kulturindustrie. Zum Verhältnis sozialer Kategorien <strong>und</strong> kultureller<br />
Repräsentationen“ herausgegeben von Katharina Knüttel <strong>und</strong> Martin Seeliger<br />
Wenngleich die Publikation schon aufgr<strong>und</strong> des Themas eindeutig<br />
an ein Fachpublikum gerichtet ist, so ist zumindest die<br />
Mehrzahl der Texte auch für interessierte Laien verständlich:<br />
Von den einschlägigen Fachtermini abgesehen kommen die<br />
Autoren überwiegend ohne unnötige Verkomplizierungen<br />
aus. Störend bezüglich der Lesbarkeit ist allerdings das nachlässige<br />
Lektorat, dem nicht nur zahlreiche Rechtschreib- <strong>und</strong><br />
Tippfehler, sondern auch grammatikalische Schnitzer entgangen<br />
sind. Leider korrespondiert die sprachliche <strong>Ein</strong>fachheit<br />
zudem mit der Inhaltsebene, so dass die Texte insgesamt<br />
kaum neue Erkenntnisse liefern, sondern stattdessen gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
Bekanntes wiederholen. Der <strong>Ein</strong>druck von Banalität<br />
wird außerdem dadurch verstärkt, dass die Autoren zum großen<br />
Teil keine wissenschaftlichen Methoden anwenden, sondern<br />
ihre vermeintlichen Erkenntnisse als bloße Behauptungen<br />
in den Raum stellen. Dabei scheinen sie oftmals derart<br />
auf eine bestimmte Perspektive fixiert zu sein, dass bar jeder<br />
Gr<strong>und</strong>lage Argumente gesucht <strong>und</strong> Tatsachen, die nicht ins<br />
Bild passen, schlichtweg ignoriert werden.<br />
Besonders deutlich wird dies anhand des Beitrags „Zeitgenössische<br />
Frauenzeitschriften als kulturindustrieller Schnittpunkt“<br />
von Thomas Hecken <strong>und</strong> Isabelle Middeke. Die von den Autoren<br />
im Zuge ihrer Forschungsarbeit entworfenen Interview-<br />
Fragen sollen die Zielgruppenpolitik von Frauenmagazinen<br />
aufdecken, wirken dabei aber derart suggestiv, dass es kaum<br />
verw<strong>und</strong>ert, dass von den neun adressierten Redaktionen<br />
nicht eine einzige an der Untersuchung teilnehmen wollte.<br />
Dieser Umstand hält die Autoren allerdings nicht davon ab,<br />
den entstandenen Freiraum mit Spekulationen zu füllen, die<br />
sich lediglich auf die Webpräsenz einer einzigen Zeitschrift<br />
stützen <strong>und</strong> in erster Linie – nicht wissenschaftlich, sondern in<br />
beleidigtem Ton – den Frust der Forscher über die gescheiterte<br />
Untersuchung zum Ausdruck bringen: „In acht von neun<br />
Fällen wurden nicht einmal elementare Höflichkeitsregeln<br />
eingehalten; auf eine kurze Antwort bzw. Absage glaubte<br />
man verzichten zu können“ (Hecken / Middeke 2011:109).<br />
Die folgenden Seiten verwenden die Autoren dazu, wenig<br />
originell die Abwertung von Frauenzeitschriften als Unterhaltungsstoff<br />
beziehungsweise minderwertige journalistische<br />
Produkte zu beklagen. Dabei fällt auf, dass sie selbst die entsprechenden<br />
Vorurteile reproduzieren, indem sie die Leserinnen<br />
der Hefte gegenüber der als überwiegend männlich charakterisierten<br />
Leserschaft politischer Magazine deutlich abgrenzen<br />
<strong>und</strong> gleichsam abwerten:<br />
„Ihre eigene minderwertige oder unwerte Position im kulturellen, politischen<br />
<strong>und</strong> journalistischen Bereich wird von den Frauenzeitschriften selbst<br />
nicht auf vergleichbare Weise zur Sprache gebracht <strong>und</strong> versuchsweise<br />
aufgehoben. In einer Hinsicht besteht dazu tatsächlich kein Bedarf: ihr Anklang<br />
bei großen zwar nicht mit ökonomischem <strong>und</strong> kulturellem Kapital<br />
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Best: „Intersektionalität <strong>und</strong> Kulturindustrie. Zum Verhältnis sozialer Kategorien <strong>und</strong> kultureller<br />
Repräsentationen“ herausgegeben von Katharina Knüttel <strong>und</strong> Martin Seeliger<br />
ausgestatteten, aber wenigstens am Kiosk zahlungskräftigen Käuferschichten<br />
legitimiert ihr Vorgehen immerhin im unternehmerischen Sinne hinreichend.“<br />
(Hecken / Middeke 2011:116f.)<br />
Von einer wissenschaftlichen Analyse intersektionaler Prozesse<br />
sind die Autoren damit meilenweit entfernt, zumal soziale<br />
Differenz in ihrem Beitrag auf die Kategorie männlich / weiblich<br />
reduziert bleibt.<br />
<strong>Ein</strong> verhältnismäßig erfreuliches Beispiel ist demgegenüber<br />
der Beitrag „'King Kong <strong>und</strong> die weiße Frau'. Konstitution<br />
eines zivilisierten Selbst“ von Joe Schaefer-Rolffs. Der Autor<br />
zeigt anhand seines Filmbeispiels schlüssig auf, wie rassistische<br />
<strong>und</strong> sexistische Stereotype miteinander verwoben sind.<br />
Damit konzentriert er sich zwar auch nur auf zwei Differenzkategorien,<br />
lässt jedoch zumindest die Tendenz zu einer<br />
intersektionalen Betrachtungsweise erkennen.<br />
Insgesamt muss den Herausgebern zugestanden werden,<br />
dass die formulierte Fragestellung ein brisantes <strong>und</strong> weitgehend<br />
neues Forschungsfeld eröffnet. Richtungsweisend ist<br />
zudem der interdisziplinäre Zugang, da gerade fächerübergreifendes<br />
Denken häufig zu neuen Erkenntnissen führt. Bezüglich<br />
der inhaltlichen Tiefe sowie des Innovationscharakters<br />
der Beiträge lässt die Publikation – von einigen positiven Ausnahmen<br />
abgesehen – allerdings noch Wünsche offen. Das<br />
eingangs formulierte Ziel, die Intersektionalitätsdebatte für<br />
die Analyse kultureller Artefakte nutzbar zu machen, kann<br />
der Sammelband schon deshalb nicht einlösen, weil<br />
Intersektionalität in der Mehrzahl der Beiträge gar nicht erst<br />
verhandelt wird.<br />
Knüttel, Katharina / Martin Seeliger (Hrsg.) (2011):<br />
Intersektionalität <strong>und</strong> Kulturindustrie. Zum Verhältnis sozialer<br />
Kategorien <strong>und</strong> kultureller Repräsentationen. Bielefeld:<br />
Transcript Verlag. 285 Seiten, Preis: 29,80 Euro, ISBN: 978-<br />
38376-1494-7.<br />
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Best: „Intersektionalität <strong>und</strong> Kulturindustrie. Zum Verhältnis sozialer Kategorien <strong>und</strong> kultureller<br />
Repräsentationen“ herausgegeben von Katharina Knüttel <strong>und</strong> Martin Seeliger<br />
Literatur<br />
Behrens, Roger (2011): Unterhaltung als Unterdrückung. Kulturindustrie,<br />
Intersektionalität <strong>und</strong> Herrschaft. In: Knüttel, K. / M. Seeliger (Hrsg.):<br />
Intersektionalität <strong>und</strong> Kulturindustrie. Zum Verhältnis sozialer Kategorien<br />
<strong>und</strong> kultureller Repräsentationen. Bielefeld: Transcript Verlag, S:53-82.<br />
Thomas Hecken / Isabelle Middeke (2011): Zeitgenössische Frauenzeitschriften<br />
als kulturindustrieller Schnittpunkt. In: Knüttel, K. / M. Seeliger (Hrsg.):<br />
Intersektionalität <strong>und</strong> Kulturindustrie. Zum Verhältnis sozialer Kategorien<br />
<strong>und</strong> kultureller Repräsentationen. Bielefeld: Transcript Verlag, S.105-129.<br />
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