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Ein Quantum Kompetenz: Interkulturalität zwischen Ost und West ...

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Inhalt<br />

Vorwort<br />

Christoph Barmeyer/ Jörg Scheffer<br />

Im Auftrag der Kulturvermittlung?<br />

Interkulturelle <strong>Kompetenz</strong><br />

<strong>und</strong> Fremdheitsdarstellungen<br />

in den James-Bond-Filmen<br />

B. Alexander Dauner<br />

Die organisierende Funktion<br />

von <strong>Kompetenz</strong> –<br />

Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells<br />

interkultureller <strong>Kompetenz</strong><br />

Hanna Pułaczewska<br />

Intercultural Competence for<br />

Unequal Business Encounters<br />

Jasmin Mahadevan /<br />

Stefan Weißert / Franziska Müller<br />

From Given Cross-Cultural<br />

Difference to a New Interculture:<br />

A Sino-German Example<br />

Elias Jammal<br />

Eros-Face<br />

Anja Scherpinski – Lee<br />

Die Bedeutung von Emotionen in der<br />

koreanischen Interaktion<br />

online-Zeitschrift für Interkulturelle Studien<br />

I Jahrgang 10 I Ausgabe 14 I www.interculture-journal.com<br />

[Preface]<br />

[Bridging Cultural Gaps?<br />

Intercultural Competence and Portrayals of<br />

Otherness in James-Bond Films]<br />

[The Organizing Function of Competence –<br />

Layout of a Two-Level-Model of<br />

Intercultural Competence]<br />

[Interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> für<br />

Asymmetrische Geschäftsbeziehungen]<br />

[Von bestehenden Kulturunterschieden<br />

zu einer neuen Interkultur:<br />

<strong>Ein</strong> Chinesisch-Deutsches Fallbeispiel]<br />

[Eros-Face]<br />

[Importance of Emotions in Interpersonal<br />

Relationships and Social Networks in Korea]<br />

Herausgeber:<br />

Jürgen Bolten<br />

Stefanie Rathje<br />

unterstützt von: / supported by:<br />

<strong>Quantum</strong> of competence<br />

Interculturalism<br />

between East and <strong>West</strong><br />

2011


Herausgeber:<br />

Prof. Dr. Jürgen Bolten (Jena)<br />

Prof. Dr. Stefanie Rathje (Berlin)<br />

Wissenschaftlicher Beirat:<br />

Prof. Dr. Dr. h.c. Rüdiger Ahrens (Würzburg)<br />

Prof. Dr. Manfred Bayer (Danzig)<br />

Prof. Dr. Klaus P. Hansen (Passau)<br />

Prof. Dr. Jürgen Henze (Berlin)<br />

Prof. Dr. Bernd Müller-Jacquier (Bayreuth)<br />

Prof. Dr. Alois Moosmüller (München)<br />

Prof. Dr. Alexander Thomas (Regensburg)<br />

Chefredaktion <strong>und</strong> Web-Realisierung:<br />

Mario Schulz<br />

Editing:<br />

Susanne Wiegner<br />

Fachgebiet:<br />

Interkulturelle Wirtschaftskommunikation<br />

Friedrich-Schiller-Universität Jena<br />

ISSN: 1610-7217<br />

www.interculture-journal.com


1<br />

3<br />

25<br />

47<br />

55<br />

77<br />

87<br />

Inhalt / Content<br />

Vorwort der Herausgeber [Preface]<br />

Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle <strong>Kompetenz</strong><br />

<strong>und</strong> Fremdheitsdarstellungen in den James-Bond-Filmen<br />

[Bridging Cultural Gaps? Intercultural Competence and Portrayals of<br />

Otherness in James-Bond Films]<br />

Christoph Barmeyer/ Jörg Scheffer<br />

Die organisierende Funktion von <strong>Kompetenz</strong> – Entwurf eines<br />

zwei-Ebenen-Modells interkultureller <strong>Kompetenz</strong><br />

[The Organizing Function of Competence – Layout of a<br />

Two-Level-Model of Intercultural Competence]<br />

B. Alexander Dauner<br />

Intercultural Competence for Unequal Business Encounters<br />

[Interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> für Asymmetrische Geschäftsbeziehungen]<br />

Hanna Pułaczewska<br />

From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture:<br />

A Sino-German Example<br />

[Von bestehenden Kulturunterschieden zu einer neuen Interkultur:<br />

<strong>Ein</strong> Chinesisch-Deutsches Fallbeispiel]<br />

Jasmin Mahadevan / Stefan Weißert / Franziska Müller<br />

Eros-Face<br />

[Eros-Face]<br />

Elias Jammal<br />

Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion<br />

[Importance of Emotions in Interpersonal Relationships and<br />

Social Networks in Korea]<br />

Anja Scherpinski – Lee


Vorwort der<br />

Herausgeber<br />

Vorwort der Herausgeber<br />

Die aktuelle Ausgabe von Interculture Journal „<strong>Ein</strong> <strong>Quantum</strong><br />

<strong>Kompetenz</strong>: <strong>Interkulturalität</strong> <strong>zwischen</strong> <strong>Ost</strong> <strong>und</strong> <strong>West</strong>“ stellt<br />

erneut das Thema interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> in den Mittelpunkt.<br />

Damit ergänzt sie die 12. Ausgabe von Interculture<br />

Journal, die aktuelle Beiträge zur interkulturellen <strong>Kompetenz</strong>forschung<br />

vorstellte.<br />

Die Wahl des Titels spielt auf den James-Bond-Film „<strong>Ein</strong><br />

<strong>Quantum</strong> Trost“ an. Inspiriert wurde die Titelwahl durch den<br />

Beitrag von Christoph Barmeyer <strong>und</strong> Jörg Scheffer, die sich in<br />

ihrem Artikel „Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle<br />

<strong>Kompetenz</strong> <strong>und</strong> Fremdheitsdarstellungen in den James<br />

Bond-Filmen“ auf die Suche nach der speziellen interkulturellen<br />

<strong>Kompetenz</strong> der berühmten Filmfigur begeben. Dabei beleuchten<br />

sie kritisch die Kulturkontakte des Agenten 007, deren<br />

filmische Darstellung <strong>und</strong> mögliche Implikationen für die<br />

interkulturelle Bildung.<br />

Alexander Dauner entwickelt in seinem Beitrag „Die organisierende<br />

Funktion von <strong>Kompetenz</strong>. Entwurf eines zwei-<br />

Ebenen-Modells interkultureller <strong>Kompetenz</strong>“ ein neue Perspektive<br />

auf das Konzept interkultureller <strong>Kompetenz</strong>, auf dessen<br />

Gr<strong>und</strong>lage interkulturelle Begegnungssituationen sowohl<br />

durch essentialistische als auch durch konstruktivistischprozessuale<br />

Kultur-Verständnisse der Handelnden bestimmt<br />

werden können.<br />

Hanna Pułaczewska untersucht in ihrem Beitrag „Intercultural<br />

Competence for Unequal Business Encounters“ die Problematik<br />

von interkultureller Schulungen, die im Kontext des<br />

Machtgefälles von Investor <strong>und</strong> Tochtergesellschaft durchgeführt<br />

werden.<br />

Der Beitrag von Jasmin Mahadevan, Stefan Weißert <strong>und</strong><br />

Franziska Müller „From given cross-cultural difference to a<br />

new Interculture: A Sino-German example“ beschreibt auf<br />

Basis einer deutsch-chinesischen Industrie-Kooperation die<br />

Entstehung von Interkultur in organisationalen Zusammenhängen.<br />

Die Autoren plädieren in ihrem Beitrag für ein neues<br />

Verständnis von <strong>Interkulturalität</strong>, das sich von der kulturvergleichenden<br />

Perspektive – <strong>und</strong> den durch Kulturdimensionen<br />

vorgegebenen Unterschieden – löst zugunsten einer<br />

Perspektive emischer Prozesse des kulturellen Sinnmachens.<br />

Elias Jammal widmet sich in dem Beitrag „Eros-Face“ dem in<br />

der Forschung bisher noch nicht untersuchten arabischen<br />

Eros-Face-Konzept. Forschungen zu Face-Konzepten wurde in<br />

den letzten Jahren vorwiegend für asiatische Länder betrieben.<br />

Mit dem Beitrag eröffnet der Autor daher ein neues Forschungsfeld<br />

für die interkulturelle Forschung.<br />

1 © Interculture Journal 2011 | 14


Vorwort der Herausgeber<br />

Im abschließenden Beitrag „Über die Bedeutung von Emotionen<br />

in der koreanischen Interaktion“ beschreibt Anja Scherpinski-Lee<br />

zwei indigene koreanische Gefühlsmodi –<br />

Shimjung <strong>und</strong> Jung. Diese werden als Schlüsselkonzepte für<br />

das Verständnis koreanischer Interaktionsmechanismen vorgestellt<br />

<strong>und</strong> anhand zahlreicher Beispiele illustriert.<br />

Ergänzt wird diese Ausgabe durch drei Rezensionen.<br />

Alexandra Stang rezensiert das Buch von Barbara Sterner<br />

„Public Relations in multinationalen Unternehmen. <strong>Ein</strong>e<br />

explorative Fallstudie zur Koordination <strong>und</strong> Ausgestaltung<br />

von PR in einem multinationalen Finanzdienstleistungsunternehmen“<br />

<strong>und</strong> das Buch von Christine Zapf „Interkulturelle<br />

Wirtschaftskommunikation im kaufmännischen Schulwesen.<br />

<strong>Ein</strong>e Untersuchung im deutsch-französischen Grenzraum“.<br />

Kathrin Best widmet sich dem Sammelband von Katharina<br />

Knüttel <strong>und</strong> Martin Seeliger: „Intersektionalität <strong>und</strong> Kulturindustrie.<br />

Zum Verhältnis sozialer Kategorien <strong>und</strong> kultureller<br />

Repräsentationen“.<br />

Die Herausgeber bedanken sich an dieser Stelle bei allen Autorinnen<br />

<strong>und</strong> Autoren <strong>und</strong> freuen sich auf zahlreiche weitere<br />

Beiträge für zukünftige Ausgaben des Interculture Journal.<br />

Stefanie Rathje (Berlin) <strong>und</strong> Jürgen Bolten (Jena) im September<br />

2011<br />

© Interculture Journal 2011 | 14 2


Im Auftrag der Kulturvermittlung?Interkulturelle<br />

<strong>Kompetenz</strong> <strong>und</strong><br />

Fremdheitsdarstellungen<br />

in den James-Bond-<br />

Filmen<br />

[Bridging Cultural Gaps?<br />

Intercultural Competence<br />

and Portrayals of Otherness<br />

in James-Bond-Films]<br />

Christoph Barmeyer<br />

Prof. Dr., Lehrstuhl für Interkulturelle<br />

Kommunikation an der Universität<br />

Passau<br />

Jörg Scheffer<br />

Dr., Lehrstuhl für Anthropogeographie<br />

an der Universität Passau<br />

Barmeyer / Scheffer: Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> <strong>und</strong> Fremdheitsdarstellungen<br />

in den James-Bond-Filmen<br />

Abstract [English]<br />

Films communicate views on the world. The James Bond film<br />

series, which has been hugely successful and popular for decades,<br />

can be seen as a particularly influential medium of conveying<br />

world views. Based on the plots taking place in different<br />

regions of the earth, the audience is confronted not only<br />

with cultural foreignness, but also with the ability of the traveling<br />

agent to deal successfully with cultural differences.<br />

From an intercultural perspective, the question is nevertheless<br />

raised if intercultural competence is in fact communicated<br />

here. Based on this concept of intercultural competence, the<br />

article <strong>und</strong>ertakes a critical analysis of Bond´s cultural encounters,<br />

their cinematic portrayal as well as their implications for<br />

the intercultural education of his international audience.<br />

Keywords: intercultural competence, James Bond, cinematic<br />

portrayal, intercultural education<br />

Abstract [Deutsch]<br />

Filme vermitteln Sichtweisen auf die Welt. Die überaus verbreitete<br />

<strong>und</strong> seit Jahrzehnten erfolgreiche Serie der James-<br />

Bond-Filme kann als besonders einflussreiches Medium der<br />

Weltbildvermittlung gelten. Aufgr<strong>und</strong> der Handlungen in verschiedenen<br />

Erdregionen wird dem Zuschauer nicht nur kulturelle<br />

Fremdheit vorgelebt, sondern auch immer wieder die<br />

Fähigkeit eines reisenden Agenten gezeigt, mit kultureller Alterität<br />

erfolgreich umzugehen. Aus interkultureller Perspektive<br />

stellt sich dabei allerdings Frage, ob dies tatsächlich im<br />

Sinne einer interkulturellen <strong>Kompetenz</strong>vermittlung geschieht.<br />

Auf der Gr<strong>und</strong>lage einer Auseinandersetzung mit dem Konzept<br />

der interkulturellen <strong>Kompetenz</strong> analysiert der Beitrag<br />

kritisch Bonds Kulturkontakte, ihre filmische Darstellung <strong>und</strong><br />

ihre Implikationen für die interkulturelle Bildung einer weltweiten<br />

Fangemeinde.<br />

Stichworte: Kulturrepräsentation, James Bond, Interkulturelle<br />

<strong>Kompetenz</strong>, Fremdheitsvermittlung<br />

1. <strong>Ein</strong>führung<br />

Durch interkulturelle Begegnungen in privaten <strong>und</strong> beruflichen<br />

Kontexten handeln immer mehr Menschen interkulturell,<br />

sei es bei Auslandsaufenthalten oder innerhalb der eigenen<br />

Gesellschaft, die zunehmend multikulturell wird. In interkulturellen<br />

Begegnungen treffen Interaktionspartner mit unterschiedlichen<br />

kulturellen Hintergründen <strong>und</strong> Orientierungssystemen<br />

aufeinander (Bolten 2001, Thomas 2004), die nicht<br />

selten – durch gegenseitiges Missverstehen – problematisch<br />

3 © Interculture Journal 2011 | 14


Barmeyer / Scheffer: Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> <strong>und</strong> Fremdheitsdarstellungen<br />

in den James-Bond-Filmen<br />

verlaufen. Die Existenz <strong>und</strong> Entwicklung interkultureller <strong>Kompetenz</strong><br />

kann dazu beitragen, eine Verstehensbasis zu schaffen,<br />

die dazu beiträgt, dass Interaktionspartner zielführend<br />

<strong>und</strong> friedvoll interagieren <strong>und</strong> <strong>Interkulturalität</strong> als bereichernd<br />

wahrnehmen (Barmeyer 2000).<br />

In der interkulturellen Forschung existieren zahlreiche Definitionen<br />

<strong>und</strong> Modelle Interkultureller <strong>Kompetenz</strong> (vgl. im Überblick<br />

Bolten 2001, Deardorff 2009, Scheitza 2007, Straub<br />

2007, Thomas 2003); selten wird jedoch berücksichtigt, dass<br />

sie immer in spezifischen Kontexten durch<br />

Akteurkonstellationen in sozialen Interaktionen realisiert wird<br />

(Barmeyer 2010, Otten 2007, Scheffer 2007). Diese Realisierung<br />

erfolgt normalerweise in realen Kontexten, sie kann jedoch<br />

auch in fiktiven Kontexten stattfinden, wie Autoren <strong>und</strong><br />

Vertreter von Kultur-, Literatur- <strong>und</strong> Filmwissenschaften belegen,<br />

die interkulturelle Wahrnehmungs-, Transfer- Kommunikations-<br />

oder Interaktionsprozesse auf medialer Ebene analysieren<br />

(Lüsebrink 2008). Beide Kontexte, die mediale Inszenierung<br />

<strong>und</strong> die reale Praxis interkulturellen Handelns, können<br />

stark ineinandergreifen: Sind es doch mediale Repräsentationen,<br />

die erheblichen <strong>Ein</strong>fluss auf die alltägliche Wahrnehmung<br />

fremder Kulturen nehmen. Es werden Bilder von kulturellen<br />

Gruppen gezeichnet, die als real angenommen werden<br />

<strong>und</strong> die in persönliche Denk- <strong>und</strong> Handlungsroutinen <strong>Ein</strong>gang<br />

finden können (Hopkins 1994:47). Auch die individuelle Vorstellung,<br />

was „interkulturelle <strong>Kompetenz</strong>“ ausmacht, speist<br />

sich aus der als normal <strong>und</strong> nachahmenswert empf<strong>und</strong>enen<br />

Darstellung in Text <strong>und</strong> Film. Zuschauer sind für unkritische<br />

Übernahme medialer Repräsentationen insbesondere dann<br />

anfällig, wenn ein hohes Maß an Identifikation mit den Handelnden<br />

oder mit einem einzelnen Protagonisten hergestellt<br />

werden kann (Wegener 2008:59ff.). Das Potenzial einer breitenwirksamen<br />

Beeinflussung ist nicht zuletzt von der Rezeption<br />

des jeweiligen Mediums abhängig.<br />

In dem folgenden Beitrag wird eine fiktive Figur untersucht,<br />

die Sympathiewerte <strong>und</strong> Bekanntheit wie kaum eine andere<br />

auf sich vereint <strong>und</strong> als Ikone der Popkultur gilt (Chapman<br />

2007, Rauscher 2007). Es handelt sich um den britischen Geheimagenten<br />

James Bond, der auch die Dienstbezeichnung<br />

007 trägt.<br />

Dieser stellt nicht nur eine bekannte Figur der Literaturwelt<br />

dar (Chapmann 2008, Lindner 2003, Reitz 2009), sondern<br />

erreicht vor allem als Held der weltweit erfolgreichsten Kino-<br />

Serie ein globales Publikum (Cork 2008, Evin 2008, Hache-<br />

Bissette 2007). Mit einem <strong>Ein</strong>spielergebnis von 4,44 Mrd. US-<br />

Dollar liegen die Bond-Filme vor „Star Wars“ (4,23 Mrd.) <strong>und</strong><br />

„Herr der Ringe“ (2,95 Mrd.). 1<br />

Seine Rolle als vermeintlich<br />

interkulturell kompetenter Akteur legen die Missionen des<br />

© Interculture Journal 2011 | 14 4


Barmeyer / Scheffer: Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> <strong>und</strong> Fremdheitsdarstellungen<br />

in den James-Bond-Filmen<br />

Geheimagenten 007 nahe: In mehr als bisher 22 offiziellen<br />

Filmen der EON-Productions bereist er seit 1962 vier der fünf<br />

Kontinente <strong>und</strong> eine Vielzahl von Ländern. Dabei findet er<br />

sich in vielen interkulturellen Situationen wieder, in denen<br />

Verständigungsprobleme, Fehlinterpretationen <strong>und</strong> Schwierigkeiten<br />

aufgr<strong>und</strong> unterschiedlicher Werte <strong>und</strong> Verhaltensweisen<br />

auftreten können. Da 007 jedoch diese Situationen<br />

stets erfolgreich meistert, scheint er interkulturelle <strong>Kompetenz</strong><br />

seinen Zuschauern geradezu vorzuleben. 2 Darüber hinaus<br />

implizieren die vielfältigen Handlungskontexte an den<br />

exotischsten Schauplätzen der Erde eine überaus breite Illustration<br />

von kulturellen Unterschieden <strong>und</strong> <strong>Interkulturalität</strong> insgesamt.<br />

Der Zuschauer, so wäre zu folgern, wird über das<br />

Anschauen der 007-Filme in besonderer Weise für die globale<br />

kulturelle Vielfalt interessiert <strong>und</strong> sensibilisiert.<br />

Obwohl James Bond seit langem ein beliebtes Untersuchungsobjekt<br />

nicht nur bei seinen Fans, sondern auch bei<br />

zahlreichen Wissenschaftlern unterschiedlichster Disziplinen 3<br />

darstellt (Gresh / Weinberg 2009), hat sich die Forschung bislang<br />

in „klassischen“ <strong>und</strong> wenig originellen Themen wie<br />

Fremdwahrnehmungsmuster <strong>und</strong> Stereotypen (Hache-Bissette<br />

2007, Rauscher 2007) erschöpft. Weitergehende <strong>und</strong> komplexere<br />

Themen der <strong>Interkulturalität</strong>, wie interkulturelle <strong>Kompetenz</strong>,<br />

wurden bislang jedoch ausgespart.<br />

In diesem Sinne zielt der folgende Beitrag darauf ab, die<br />

interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> des Agenten <strong>und</strong> die filmische Darstellung<br />

interkultureller Handlungskontexte kritisch zu beleuchten.<br />

Als medial überaus mächtiger Mittler von Kulturunterschieden<br />

erhält dieser Aspekt bei 007 Relevanz für die<br />

interkulturelle (Un-)Bildung eines Millionenpublikums.<br />

Auf der Gr<strong>und</strong>lage einer konzeptionellen <strong>Ein</strong>führung zur<br />

interkulturellen <strong>Kompetenz</strong>, die sowohl drei zentrale Funktionen<br />

als auch drei zentrale Komponenten aufführt (Abschnitt<br />

2), folgt die Analyse mit einer kurzen Biographie des Protagonisten,<br />

die auf seine interkulturelle Sozialisation verweist<br />

(Abschnitt 3.1). Anhand ausgewählter Filmsequenzen, die<br />

interkulturelle Begegnungssituationen darstellen, gilt es im<br />

folgenden zu prüfen, inwieweit James Bond Eigenschaften<br />

interkultureller <strong>Kompetenz</strong> aufweist (Abschnitt 3.2) <strong>und</strong> wie<br />

kulturelle Fremdheit insgesamt filmisch transportiert wird<br />

(Abschnitt 3.3). Die Ergebnisse <strong>und</strong> Implikationen für die<br />

Wahrnehmung der Zuschauer werden schließlich in einem<br />

dritten Teil als Fazit zusammengefasst (Abschnitt 4).<br />

5 © Interculture Journal 2011 | 14


Barmeyer / Scheffer: Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> <strong>und</strong> Fremdheitsdarstellungen<br />

in den James-Bond-Filmen<br />

2. Zum Begriff der Interkulturellen <strong>Kompetenz</strong><br />

Ausgehend von angelsächsischer Forschung <strong>und</strong> Praxis, aus<br />

der wesentliche Modelle, Konzepte <strong>und</strong> Definitionen interkultureller<br />

<strong>Kompetenz</strong> hervorgingen (Deardorff 2009, Dinges /<br />

Baldwin 1996), hat sich auch im deutschsprachigen Raum<br />

eine Erforschung interkultureller <strong>Kompetenz</strong> etabliert<br />

(Barmeyer 2010, Bolten 2001, Bolten / Rathje 2010, Müller<br />

1993, Rathje 2006, Scheitza 2007, Straub et al. 2007, Thomas<br />

2003).<br />

Das Konzept der interkulturellen <strong>Kompetenz</strong> umfasst <strong>Ein</strong>stellungen,<br />

Persönlichkeitsmerkmale, Wissen <strong>und</strong> Eignungen, die<br />

einer Person die Kommunikation oder Interaktion mit Individuen<br />

anderer kultureller Umwelten erleichtern soll. Interkulturelle<br />

<strong>Kompetenz</strong> soll dazu beitragen, dass die interkulturell<br />

Interagierenden trotz kultureller Unterschiedlichkeit eine subjektive<br />

Zufriedenheit empfinden, erfolgreich ihre Ziele erreichen<br />

<strong>und</strong> wechselseitig tragfähige soziale Kontakte eingehen<br />

(Brislin / Yoshida 1994):<br />

„Interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> zeigt sich in der Fähigkeit, kulturelle Bedingungen<br />

<strong>und</strong> <strong>Ein</strong>flussfaktoren im Wahrnehmen, Urteilen, Empfinden <strong>und</strong> Handeln<br />

bei sich selbst <strong>und</strong> bei anderen Personen zu erfassen, zu respektieren,<br />

zu würdigen <strong>und</strong> produktiv zu nutzen im Sinne einer wechselseitigen Anpassung,<br />

von Toleranz gegenüber Inkompatibilitäten <strong>und</strong> einer Entwicklung<br />

hin zu synergieträchtigen Formen der Zusammenarbeit, des Zusammenlebens<br />

<strong>und</strong> handlungswirksamer Orientierungsmuster in Bezug auf Weltinterpretation<br />

<strong>und</strong> Weltgestaltung.“ (Thomas 2003:143)<br />

Interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> kann verschiedene Funktionen<br />

aufweisen, von denen drei wesentliche aufgelistet <strong>und</strong> später<br />

anhand der Figur James Bond thematisiert werden:<br />

Zielorientierter Pragmatismus: Aus einer handlungsorientierten<br />

<strong>und</strong> zielorientierten Perspektive hilft interkulturelle <strong>Kompetenz</strong><br />

Kulturkontakte effizient <strong>und</strong> erfolgreich zu gestalten,<br />

um persönliche oder berufliche Ziele zu erreichen. Dies kann<br />

die persönliche Zufriedenheit betreffen, aber auch bestimmte<br />

Interessen <strong>und</strong> Vorgaben der Organisationen bzw. des Arbeitgebers,<br />

die es gilt durchzusetzen (Thomas 2003). Zielorientierter<br />

Pragmatismus kann dazu führen, dass die interkulturelle<br />

Beziehung eher asymmetrisch <strong>und</strong> einseitig geprägt ist<br />

bzw. dass die erreichten Ziele eher den Vorstellungen einer<br />

Person entsprechen <strong>und</strong> Reziprozität nicht unbedingt gegeben<br />

ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn eine interkulturelle<br />

Beziehung von Machtbeziehungen (wie stark vs.<br />

schwach, Mehrheit vs. Minderheit) geprägt ist. Eben dann<br />

kann Wissen über andere kulturelle Systeme als Wettbewerbsvorteil<br />

genutzt werden kann. Rathje (2006) referiert die<br />

Diskussion um die von Thomas (2003) verfassten Überlegungen<br />

zu Interkultureller <strong>Kompetenz</strong>. Demnach führt das „Effizienz“-Kriterium<br />

dazu, dass die Definition interkultureller<br />

© Interculture Journal 2011 | 14 6


Barmeyer / Scheffer: Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> <strong>und</strong> Fremdheitsdarstellungen<br />

in den James-Bond-Filmen<br />

<strong>Kompetenz</strong> das Erreichen der zugr<strong>und</strong>eliegenden Handlungsziele<br />

der gesamten interkulturellen Interaktion schon in sich<br />

einschließt. Somit wäre eine Person, die sonst nicht interkulturell<br />

kompetent ist, durch das bloße Erreichen des eigenen<br />

Zieles interkulturell kompetent. Die Zieldefinition interkultureller<br />

<strong>Kompetenz</strong> sollte deshalb enger gefasst <strong>und</strong> nicht nur<br />

mit dem Gesamterfolg der Interaktion verknüpft sein.<br />

Gesellschaftlicher Humanismus: Aus einer gesellschaftlichen<br />

Perspektive trägt interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> zur besseren Verständigung<br />

von Menschen bei, die unterschiedliche kulturelle<br />

Referenzsysteme aufweisen <strong>und</strong> deshalb Gefahr laufen, Irritationen<br />

<strong>und</strong> Missverständnisse zu erleben (Hall 1981). Verständnis<br />

für kulturelle Unterschiedlichkeit ist Voraussetzung<br />

für ein wertschätzendes Miteinander <strong>und</strong> friedvolles <strong>und</strong><br />

harmonisches Zusammenleben <strong>und</strong> Zusammenarbeiten, bei<br />

dem die Interessenlagen aller Interaktionspartner ausgeglichen<br />

respektiert werden (Barmeyer 2010). Insofern wird<br />

hiermit das „Effizienz“-Kriterium um die humanistische Dimension<br />

erweitert oder gar in den Hintergr<strong>und</strong> gedrängt. <strong>Ein</strong><br />

zentraler Begriff ist „Angemessenheit“. Er bezieht sich darauf,<br />

dass auf kulturell bedingte Regeln <strong>und</strong> Erwartungen der<br />

anderskulturellen Interaktionspartner Rücksicht genommen<br />

<strong>und</strong> entsprechend gehandelt wird, so dass alle Interaktionspartner<br />

Zufriedenheit empfinden. Anders als beim zielorientierten<br />

Pragmatismus interkultureller <strong>Kompetenz</strong>, der von<br />

Asymmetrien <strong>und</strong> <strong>Ein</strong>seitigkeit geprägt ist, steht hier Reziprozität<br />

<strong>und</strong> Gegenseitigkeit im Vordergr<strong>und</strong>. Diesem Verständnis<br />

interkultureller <strong>Kompetenz</strong> wiederum kann Idealismus<br />

vorgeworfen werden, denn viele Personen interagieren nicht<br />

auf der Basis völkerverständigender <strong>und</strong> humanistischer Motive,<br />

sondern sind individuell, etwa ökonomisch oder mikropolitisch<br />

begründetet (Crozier / Friedberg 1976).<br />

Persönliche Weiterentwicklung: Aus einer individuellen Perspektive<br />

führen die reflektierten <strong>und</strong> verarbeiteten interkulturellen<br />

Erfahrungen <strong>und</strong> die Entwicklung interkultureller <strong>Kompetenz</strong><br />

auch zu einer Persönlichkeitsentwicklung (Rathje<br />

2006). Dies geschieht durch Selbstreflexion, Rollendistanz,<br />

Relativierung eigener Gr<strong>und</strong>überzeugungen <strong>und</strong> Haltungen.<br />

Nicht nur die Beschäftigung mit anderen Kulturen, auch die<br />

mit der eigenen Kultur <strong>und</strong> Identität bewirkt einen Entwicklungsprozess<br />

beim Individuum (Bennett 1993). Interkulturelles<br />

Lernen ist somit zugleich individuelles Lernen. Wie bei der<br />

humanistischen Perspektive kann kritisch hinterfragt werden,<br />

inwieweit interkulturelle Interaktion bewusst vom Willen zur<br />

Persönlichkeitsentwicklung motiviert wird – etwa durch die<br />

Entscheidung für einen Auslandaufenthalt – oder eher Ergebnis<br />

<strong>und</strong> Konsequenz der reflektierten interkultureller Erfahrung<br />

ist.<br />

7 © Interculture Journal 2011 | 14


Barmeyer / Scheffer: Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> <strong>und</strong> Fremdheitsdarstellungen<br />

in den James-Bond-Filmen<br />

Wie lässt sich nun interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> konkretisieren?<br />

<strong>Ein</strong>e eingängige <strong>und</strong> allgemein akzeptierte Strukturierung von<br />

Eigenschaften <strong>und</strong> Fähigkeiten (Komponenten) stammt aus<br />

der US-amerikanischen sozialpsychologischen Forschung (Rosenberg<br />

/ Hovland 1960). Demnach setzt sich Interkulturelle<br />

<strong>Kompetenz</strong> aus emotionalen, kognitiven <strong>und</strong> verhaltensbezogenen<br />

Komponenten zusammen (Bolten 2001a, Landis /<br />

Bhagat 1996, Scheitza 2007). Abbildung 1 zeigt eine Übersicht<br />

von Komponenten interkultureller <strong>Kompetenz</strong>.<br />

Emotional<br />

<strong>Ein</strong>stellungen, Werte, Sensibilität<br />

• Empathie<br />

• Offenheit<br />

• Flexibilität<br />

• Respekt<br />

• Rollendistanz<br />

• Wertfreie Haltung<br />

• Polyzentrismus<br />

• Ambiguitätstoleranz<br />

• Frustrationstoleranz<br />

Kognitiv<br />

Begriffe, Wissen, Verständnis<br />

• Kenntnis der politischen,<br />

sozialen <strong>und</strong> wirtschaftlichen<br />

Systeme<br />

• Kenntnis von Kulturdimensionen<br />

<strong>und</strong><br />

Kulturstandards<br />

• Fremdsprachenkenntnisse<br />

• Selbstkenntnis<br />

Abb. 1: Schlüsselkomponenten interkultureller <strong>Kompetenz</strong> (Barmeyer<br />

2000, Bolten 2001, Scheitza 2007)<br />

Die in tabellarischen Listen abgebildeten Eigenschaften werden<br />

in der Forschung verständlicherweise kritisiert (Scheitza<br />

2007, Straub 2007). Hierzu formuliert Thomas (2003b:142):<br />

„Oft lesen sich diese Listen wie das Persönlichkeitsprofil des<br />

modernen Menschen, mit stark idealisierten, von allen angestrebten,<br />

aber von niemand erreichten Leistungsmerkmalen.“<br />

Es stellt sich nun die Frage, ob die fiktive Figur James Bond als<br />

Alleswisser, -versteher <strong>und</strong> -könner gerade diese Leistungsmerkmale<br />

in sich vereint <strong>und</strong> in seinen Missionen in vielen<br />

interkulturellen Situationen auf der ganzen Welt zum <strong>Ein</strong>satz<br />

bringt. Anhand einiger Filmausschnitte wird folgend illustriert<br />

<strong>und</strong> diskutiert werden, inwiefern die Figur James Bond den<br />

Funktionen <strong>und</strong> Komponenten interkultureller <strong>Kompetenz</strong><br />

gerecht wird.<br />

3. Interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> <strong>und</strong> kulturelle Fremdheit<br />

in den James-Bond-Filmen<br />

Seit dem Erscheinen des ersten Bond-Films „James Bond jagt<br />

Dr. No“ im Jahr 1962 hat die Figur 007 in ihrer 50-jährigen<br />

Geschichte mehrfache Neubesetzungen erfahren, wobei ihr<br />

jeder Darsteller zweifellos einen eigenen Akzent verliehen<br />

hat.<br />

© Interculture Journal 2011 | 14 8<br />

Verhaltensbezogen<br />

Fähigkeiten, Eignungen, Handeln<br />

• Fähigkeit, die kognitiven<br />

Kenntnisse anzuwenden<br />

• Kommunikationsfähigkeit<br />

• Fähigkeit, Sprachkenntnisse in<br />

die Praxis umzusetzen<br />

• Fähigkeit zur Metakommunikation<br />

• Flexibles Verhalten<br />

• Selbstdisziplin


Barmeyer / Scheffer: Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> <strong>und</strong> Fremdheitsdarstellungen<br />

in den James-Bond-Filmen<br />

Vom rauen <strong>und</strong> doch charmanten Ur-Bond Sean Connery<br />

über den snobistisch-lakonischen Roger Moore bis hin zum<br />

zürnenden Daniel Craig manifestieren sich unterschiedliche<br />

Persönlichkeitsmerkmale, die eine übergreifende Beurteilung<br />

der interkulturellen <strong>Kompetenz</strong> erschweren. Auch die Darstellung<br />

der Handlungskontexte hat sich über die Jahrzehnte<br />

gewandelt. In den jüngeren Filmen taucht der Agent immer<br />

weniger in fremdkulturelle Kontexte ein. <strong>Ein</strong> Umstand, der<br />

wohl auch darauf zurückzuführen ist, dass der Reiz fremder<br />

Schauplätze den Zuschauer auch oberflächlich fasziniert <strong>und</strong><br />

kulturelle Exotik durch soziale Exklusivität kompensiert wird<br />

(Cappi 2006).<br />

Für die Figur 007 lassen sich aufgr<strong>und</strong> der filmischen Anlehnung<br />

an die Romanvorlage nichtsdestoweniger deutliche<br />

Konstanten im Umgang mit kultureller Fremdheit aufzeigen.<br />

Immer wieder rekurrieren die Filme auf die von Autor Fleming<br />

festgelegten Charakteristika, die sich aus einem ebenfalls für<br />

alle Bond-Figuren einheitlich vorgegebenen Sozialisationsprozess<br />

speisen.<br />

3.1 „Third culture kid“: Sozialisation des Agenten<br />

Liegt die Annahme zugr<strong>und</strong>e, dass sich die kulturelle Prägung<br />

eines Menschen im Rahmen von Enkulturations- <strong>und</strong> Sozialisationsprozessen<br />

vollzieht (Hofstede 2001, Thomas 2003), die<br />

in bestimmten institutionell <strong>und</strong> kulturell geprägten Kontexten<br />

stattfinden, so sollte auch die Figur James Bond diesbezüglich<br />

untersucht werden. Die kulturelle Prägung führt zum<br />

Aufbau eines oder mehrerer kultureller Orientierungssysteme.<br />

Auch kann in der Phase Enkulturation die Entwicklung interkultureller<br />

<strong>Kompetenz</strong> stattfinden; vorausgesetzt ein Individuum<br />

ist geographisch (Sozialisation in verschiedenen Ländern)<br />

oder sozial (Erziehung durch Elternteile, die aus unterschiedlichen<br />

Ländern stammen, Besuch von Schulen in unterschiedlichen<br />

Ländern oder in multikulturellen Kontexten) verschiedenkulturellen<br />

<strong>Ein</strong>flüssen <strong>und</strong> damit interkulturellen<br />

Lernprozessen ausgesetzt.<br />

Auch wenn klar ist, dass James Bond eine fiktive Roman-<br />

bzw. Filmfigur ist, dient ihre Biographie zur Analyse <strong>und</strong> Argumentation<br />

der Thematik dieses Beitrags <strong>und</strong> versucht<br />

gleichzeitig der fiktiven Figur eine „realistische“ Gr<strong>und</strong>lage zu<br />

verleihen. Passagen aus Filmen, insbesondere dem 1964 erschienen<br />

Roman „You only live twice“ <strong>und</strong> der Sek<strong>und</strong>ärliteratur<br />

(Cork 2008, Eco 1966, Habsburg-Lothringen 2008,<br />

Pearson 1973) geben Informationen über James Bonds Biographie,<br />

liefern jedoch teils unterschiedliche oder gar widersprüchliche<br />

Angaben zu seiner Person.<br />

9 © Interculture Journal 2011 | 14


Barmeyer / Scheffer: Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> <strong>und</strong> Fremdheitsdarstellungen<br />

in den James-Bond-Filmen<br />

James Bond wächst in eine bikulturelle Familie hinein: Er ist<br />

der Sohn von Monique Delacroix Bond, einer Franco-<br />

Schweizerin, <strong>und</strong> Andrew Bond, einem schottischen Ingenieur.<br />

Er kommt am 11. November 1920 – genau zwei Jahre<br />

nach dem Waffenstillstand des 1. Weltkriegs – in Wattenscheid<br />

(!), Deutschland, zur Welt. Die für die kulturelle Prägung<br />

wichtigsten Jahre verbringt James Bond bis zum seinem<br />

elften Lebensjahr in Deutschland <strong>und</strong> der Schweiz<br />

(Tornabuoni 1966). Generell lebt der Jugendliche Bond in verschiedenen<br />

Ländern (England, Österreich, Schweiz) <strong>und</strong> entwickelt<br />

sich, auch aufgr<strong>und</strong> der Herkunft seiner Eltern, mehrsprachig<br />

<strong>und</strong> in einem multi-kulturellen Umfeld.<br />

In den Publikationen zu James Bond wird nachgewiesen, dass<br />

die Figur James Bonds viele autobiographische Elemente seines<br />

Schöpfers Ian Fleming trägt (Chancellor 2005, Lycett<br />

2009). „Die [von Fleming] geschaffene Figur James Bond<br />

trägt so viele Züge seines Schöpfers, dass man von einem<br />

idealisierten Alter Ego reden muss [...]“ (Marti / Wälty<br />

2008:40). 4 James Bond besucht wie Ian Fleming mit 12 Jahren<br />

das Elite-Internat „Eton College“ in England. Er wird allerdings<br />

schon nach einem Jahr wegen disziplinarischer Vergehen<br />

der Schule verwiesen. Daraufhin wird Bond auf „Fettes“,<br />

ein Elite-Internat in Edinburgh, geschickt. Im Alter von<br />

17 Jahren verlässt er dieses <strong>und</strong> ist von da an bis zu seinem<br />

<strong>Ein</strong>tritt in den MI6 mit 30 Jahren im Marine-<br />

Nachrichtendienst tätig (Tornabuoni 1966). Während dieser<br />

Zeit geht Bond auch seiner Leidenschaft für Fremdsprachen<br />

mit einem Sprachen-Studium in Cambridge nach, wie aus<br />

dem Film „You only live twice“ zu entnehmen ist.<br />

Aus der Biographie James Bonds lassen sich Entwicklungsansätze<br />

interkultureller <strong>Kompetenz</strong> erkennen, da er sich bereits<br />

in seiner Kindheit an verschiedene Lebenswelten anpassen<br />

muss, mit vielen Kulturen in Kontakt tritt <strong>und</strong> so verschiedene<br />

kulturelle Orientierungssysteme entwickelt. Durch die unterschiedlichen<br />

Nationalitäten seiner Eltern <strong>und</strong> seine häufig<br />

wechselnden Wohnorte (Deutschland, Schweiz <strong>und</strong> England)<br />

sammelt er Sensibilität für <strong>und</strong> Erfahrungen mit kulturellen<br />

Unterschieden <strong>und</strong> lernt, sich anderskulturellen Interaktionspartnern<br />

anzupassen. Während seiner Jugend erwirbt er nicht<br />

nur „kulturelles Kapital“ <strong>und</strong> einen bestimmten weltgewandten<br />

<strong>und</strong> selbstsicheren Habitus (Bourdieu 1982, Tornabuoni<br />

1966) in elitären Bildungsstätten, er erlernt auch neben den<br />

Sprachen Deutsch, Englisch <strong>und</strong> Französisch, die er von seinen<br />

Eltern vermittelt bekommen hat, weitere wie Japanisch<br />

<strong>und</strong> Russisch. Auch verfügt er über Gr<strong>und</strong>kenntnisse in Dänisch,<br />

Spanisch, Afghanisch <strong>und</strong> Arabisch. 5<br />

Anhand der Biographie<br />

der Figur von James Bond wird deutlich, dass diese<br />

im Rahmen ihrer Sozialisation von verschiedenkulturellen <strong>Ein</strong>-<br />

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Barmeyer / Scheffer: Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> <strong>und</strong> Fremdheitsdarstellungen<br />

in den James-Bond-Filmen<br />

flüssen geprägt wurde <strong>und</strong> eigentlich die geeigneten Voraussetzungen<br />

für einen Träger interkultureller <strong>Kompetenz</strong> mit<br />

sich bringt. Die Forschung bezeichnet die so herangewachsenen<br />

Menschen als „Third culture kids“ (Pollock et al. 2007).<br />

Sie werden so bezeichnet, „weil in der Symbiose zweier Kulturen<br />

eine neue, <strong>und</strong> ganz eigene Mischung entsteht (Mahadevan<br />

2010:28). Ihre Stärke ist es, zum einen den Herausforderungen<br />

des Lebens durch den Rückgriff auf verschiedene<br />

kulturelle Orientierungssysteme zu begegnen <strong>und</strong> zum anderen<br />

sich in unterschiedliche Lebenswelten hineinversetzen zu<br />

können.<br />

Third culture kids interagieren somit sehr flexibel, anpassungsfähig,<br />

tolerant, sicher, offen <strong>und</strong> integrativ in unterschiedlichsten<br />

Handlungskontexten. James Bond konnte somit<br />

interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> entwickeln, die ihm in vielen<br />

verschiedenen Situationen des internationalen Agentenlebens<br />

dienlich sind <strong>und</strong> ihn – auch in schwierigen Situationen –<br />

handlungsfähig <strong>und</strong> zielsicher erscheinen lassen. Gleichzeitig<br />

weist er jedoch eine starke Verb<strong>und</strong>enheit <strong>und</strong> einen ausgeprägten<br />

Patriotismus zu England (Green 2002, Roberts 2006)<br />

<strong>und</strong> individualistische, zielorientierte westliche Verhaltensweisen<br />

auf. Der folgende Abschnitt soll sich anhand von Filmszenen<br />

mit dieser These auseinandersetzen.<br />

3.2 Global im <strong>Ein</strong>satz: Interkulturelle Interaktionen<br />

<strong>und</strong> <strong>Kompetenz</strong>en in der Analyse<br />

James-Bond-Filme folgen stets einem ähnlichen Handlungsmuster:<br />

Nach der Vergabe eines neuen Auftrags in der Londoner<br />

Zentrale des Britischen Geheimdienstes beginnt die<br />

Mission an einem <strong>Ein</strong>satzort im Ausland. Hier trifft Bond<br />

meist zunächst auf einen befre<strong>und</strong>eten Kontaktmann, der ihn<br />

mit ersten Informationen vor Ort versorgt. Über mehrere Stationen<br />

an unterschiedlichen exklusiven <strong>und</strong> exotischen<br />

Schauplätzen rückt Bond seinem Gegner näher, der schließlich<br />

in einem großen Showdown in seinem Versteck zur Strecke<br />

gebracht wird. Allein mit dem Bond-Girl, das <strong>zwischen</strong>zeitlich<br />

in die Fänge des Bösen geraten ist, bleibt Bond nach<br />

erfüllter Mission an einem romantischen Ort zurück (Eco<br />

1966).<br />

Entsprechend dieses Ablaufs konzentrieren sich die interkulturellen<br />

Begegnungen Bonds auf den großen Mittelteil der<br />

Filme, der einführend immer die Interaktion mit dem Kontaktmann<br />

in einem neuen, fremden Regionalkontext zum Inhalt<br />

hat.<br />

Zur Analyse der interkulturellen <strong>Kompetenz</strong> von 007, <strong>und</strong> in<br />

Orientierung an den oben herausgestellten Schlüsselkomponenten,<br />

bieten sich speziell jene Kulturkontexte an, die sich<br />

11 © Interculture Journal 2011 | 14


Barmeyer / Scheffer: Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> <strong>und</strong> Fremdheitsdarstellungen<br />

in den James-Bond-Filmen<br />

von Bonds (west)europäischen Sozialisations- <strong>und</strong> Enkulturationskontext<br />

deutlich unterscheiden. Entsprechende Szenen<br />

aus Ägypten (Der Spion, der mich liebte, 1977), Japan (Man<br />

lebt nur zweimal, 1967), Türkei (Liebesgrüße aus Moskau,<br />

1963) <strong>und</strong> Afghanistan (Der Hauch des Todes 1986) sollen im<br />

Folgenden exemplarisch herausgegriffen werden.<br />

In „Der Spion, der mich liebte“ spielt eine längere Szene in<br />

der ägyptischen Wüste, wo 007 einen Kontaktmann erstmals<br />

trifft. Den äußeren Umständen angepasst, sieht man den<br />

Agenten in einem landestypischen Gewand auf einem Kamel<br />

durch die Wüste reiten, bis er ein Beduinenzelt erreicht. Beim<br />

Absatteln übergibt er das Kamel mit der Selbstverständlichkeit<br />

eines <strong>Ein</strong>heimischen in die Hand einiger Bediensteter,<br />

wobei größte Vertrautheit mit den vorherrschenden Konventionen<br />

<strong>und</strong> der Rangordnung demonstriert wird. Selbstsicher<br />

wechselt der Agent einige Worte auf Arabisch. Seinen Kontaktmann<br />

begrüßt er formvollendet in einem ausgedehnten<br />

Begrüßungsritual <strong>und</strong> die Gastfre<strong>und</strong>schaft wird dankbar<br />

gewürdigt. Schließlich nimmt Bond den zugewiesenen Platz<br />

zu Füßen des Gastgebers auf dem Boden ein, natürlich akzeptierend,<br />

während sein Kontaktmann erhöht auf Kissen<br />

liegt. Liest man diese Verhaltensmuster vor dem Hintergr<strong>und</strong><br />

arabischer Höflichkeitskonventionen (vgl. dazu Jammal /<br />

Schwegler 2007:142 <strong>und</strong> 160ff.), so kann Bond hier zweifellos<br />

eine erhebliche Fähigkeit zur kulturellen Anpassung nachgewiesen<br />

werden. Tatsächlich kommt es im Film auch zu keinem<br />

Zeitpunkt zu Irritationen oder Missstimmungen <strong>zwischen</strong><br />

den Interaktionspartnern, der Agent versteht es vielmehr im<br />

Sinne der eingangs aufgeführten Kriterien eine subjektive Zufriedenheit<br />

bei seinem Gegenüber herzustellen.<br />

Allerdings schlägt Bond im Folgenden das Angebot landestypischer<br />

Speisen <strong>und</strong> Getränke – immerhin in arabischer Sprache<br />

– aus, um stattdessen geradeheraus auf sein Anliegen zu<br />

sprechen zu kommen. <strong>Ein</strong>e solche Zielstrebigkeit <strong>und</strong> Sachorientierung<br />

würde Bond in der arabischen Welt sicher als<br />

unangemessen angekreidet werden, kommt doch dem Beziehungsaspekt<br />

eine überragende Bedeutung zu, der mit dem<br />

ausführlichen Begrüßungsritual allein erst im Ansatz Rechnung<br />

getragen wurde (vgl. dazu Bouchara 2002:75f.). Immerhin<br />

entpuppt sich der Kontaktmann fortan als alter Studienkollege,<br />

was dem Agenten im weiteren Verlauf einen<br />

neuen Rahmen für angemessenes <strong>und</strong> zugleich effizientes<br />

Handeln beschert. Die kulturangepassten Rituale weichen<br />

nun einem entspannten Gespräch alter Vertrauter mit einem<br />

teils gemeinsamen Sozialisationshintergr<strong>und</strong>.<br />

Letztlich kommt es in keiner Szene zu kulturbedingten Missverständnissen,<br />

vielmehr besticht Bond auch auf der kognitiven<br />

Ebene im Gesprächsverlauf durch erhebliche Kenntnisse<br />

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Barmeyer / Scheffer: Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> <strong>und</strong> Fremdheitsdarstellungen<br />

in den James-Bond-Filmen<br />

über die regionalen Gegebenheiten. Zum Ende der Szene bietet<br />

ihm sein Gastgeber an, die Nacht im Zelt zu verbringen,<br />

was Bond kultursensibel – <strong>und</strong> in Anbetracht der anwesenden<br />

Frauen – bereitwillig annimmt.<br />

Ähnlich lassen sich für Bond auch in anderen Begrüßungsszenen,<br />

etwa in der Türkei (Liebesgrüße aus Moskau), interkulturelle<br />

Schlüsselkomponenten herausarbeiten. Dass der Agent<br />

selbst in Japan mit fremdkulturellen Kontakten keine Probleme<br />

hat, zeigt der Film „Man lebt nur zweimal“. Bond scheint<br />

auch hier stets zu wissen, dass in einer Hoch-Kontext-Kultur<br />

(Hall 1990) der erfolgreiche Informationsaustausch von Vertrauen<br />

<strong>und</strong> der Errichtung eines gemeinsamen Rahmensystems<br />

abhängt, welches durch Rituale <strong>und</strong> geteilte Erfahrungen<br />

aufgebaut werden muss (vgl. auch Moosmüller 1997).<br />

Entsprechend umsichtig geht der Agent vor: In einem unterirdischen<br />

Privatzug trifft Bond auf den Kontaktmann „Tiger“,<br />

den Chef des japanischen Geheimdienstes. Schon beim <strong>Ein</strong>treten<br />

in den Zug spricht Bond dem japanischen Kollegen<br />

höchste Anerkennung in Bezug auf die japanische Technologie<br />

aus. Auch die Mitarbeiterin wird im folgenden Gespräch<br />

mit Komplimenten bedacht. Bonds Bereitschaft, sich auf die<br />

Fremdkultur einzulassen, kommt nicht zuletzt in der Wahl der<br />

angebotenen Getränke zum Ausdruck. Nicht das obligatorische<br />

Stammgetränk Wodka Martini wird präferiert, sondern<br />

der japanische Sake, für den er sich selbstverständlich auf Japanisch<br />

bedankt. Anschließend brilliert Bond mit seinem Wissen<br />

über die japanische Trinkkultur, indem er auch die genaue<br />

Temperatur des Reisweins kennt. Im späteren Verlauf<br />

des Filmes nehmen beide ein gemeinsames Bad, wobei 007<br />

wiederum seine Flexibilität <strong>und</strong> Kenntnisse über das japanische<br />

Reinigungsritual unter Beweis stellt.<br />

Dieses Anpassungsvermögen auf der Gr<strong>und</strong>lage eines f<strong>und</strong>ierten<br />

Wissens über die fremde Kultur führt Bond letztlich zu<br />

einem engen Verhältnis zu Tiger. Die Effizienz seines Handelns<br />

zeigt sich im weiteren Verlauf des Films, da der intensive<br />

Kontakt zu Tiger entscheidend für den Erfolg der gesamten<br />

Mission ist. Dass sein Kulturinteresse dabei eher von strategischen<br />

Erwägungen <strong>und</strong> weniger einer tatsächlichen Neugier<br />

am kulturell Fremden geleitet wird, muss indes unterstellt<br />

werden.<br />

In „Liebesgrüße aus Moskau“ besucht Bond zusammen mit<br />

seinem Kontaktmann Kerim Bey ein Zigeunerlager <strong>und</strong> dort<br />

eine mit Bey befre<strong>und</strong>ete Familie. Gleich zu Beginn wird<br />

Bonds Ambiguitätstoleranz herausgefordert, da zwei Mädchen,<br />

die den gleichen Mann lieben, um Leben <strong>und</strong> Tod gegeneinander<br />

kämpfen sollen. Die stammesinterne Angelegenheit<br />

verbietet jede <strong>Ein</strong>mischung von Außen, was Bond<br />

ohne sichtbare Irritation zur Kenntnis nimmt. Gelassen beo-<br />

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Barmeyer / Scheffer: Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> <strong>und</strong> Fremdheitsdarstellungen<br />

in den James-Bond-Filmen<br />

bachtet er die ihm fremde Art der Konfliktlösung <strong>und</strong> enthält<br />

sich seiner persönlichen Meinung.<br />

Seine Rolle verändert sich erst, als er sich bei einem <strong>zwischen</strong>zeitlichen<br />

Überfall auf das Lager als Verteidiger profilieren<br />

kann <strong>und</strong> von dem Familienoberhaupt daraufhin als „Sohn“<br />

bezeichnet wird. Als Teil der „Familie“ äußert Bond nun im<br />

kleinen Kreise seinen Wunsch den Kampf zu beenden. Mit<br />

dem ironischen Tadel, dass Bond für einen echten Zigeuner<br />

ein zu weiches Herz habe, wird dem Wunsch schließlich<br />

stattgegeben.<br />

Zweifellos lassen sich in den Filmen auch Situationen finden,<br />

die Bonds interkulturelle <strong>Kompetenz</strong>en relativieren – speziell<br />

wenn der Agent unter hohem Druck steht <strong>und</strong> der fremdkulturelle<br />

Kontakt nicht über die Londoner Zentrale angebahnt<br />

wird. In einer Szene aus „Der Hauch des Todes“ werden<br />

Bond <strong>und</strong> sein Bondgirl von einem Anführer der Mujaheddin,<br />

Kamran Shah, in ein Lager in Afghanistan gebracht. Der angebotene<br />

Tee wird verhalten angenommen, Bond zeigt Ungeduld<br />

<strong>und</strong> ausschließliche Sachorientierung im Auftrag ihrer<br />

Majestät. Die Forderungen, die er als Fremder an die Mujaheddin<br />

unvermittelt stellt, finden entsprechend wenig Gehör.<br />

Als Bond bereits drängend auf Kamran Shah zugeht, muss er<br />

durch einen Leibwächter zurückgehalten werden. Bonds angespannte<br />

Körperhaltung <strong>und</strong> sein direkter Blick lassen jegliche<br />

Verhaltensnormen des fremdkulturellen Kontexts außer<br />

Acht. So ist es hier interessanterweise letztlich der interkulturellen<br />

<strong>Kompetenz</strong> von Kamran Shah zu verdanken, dass die<br />

Mission durch Bonds Fehlverhalten nicht gefährdet wird.<br />

Mehrere Filme enthalten zudem Tabubrüche, die entweder<br />

unmittelbar mit dem Erreichen eines wichtigen, höheren Ziels<br />

des Agenten begründet werden oder einfach zum Amüsement<br />

der Zuschauer in die Handlung eingeflochten sind. So<br />

entleiht sich 007 in Indien das Arbeitsgerät eines Schwertschluckers<br />

zur Verteidigung (Octopussy), macht sich in der<br />

Karibik über den Voodoo-Zauber lustig (Leben <strong>und</strong> Sterben<br />

lassen) oder streckt in einer Kampfschule in Hongkong seinen<br />

Partner bereits während des Verbeugungsrituals nieder, um<br />

sich dann anschließend zu verneigen (Der Mann mit dem<br />

golden Colt). Das Liebesspiel in einem buddhistischen Tempel<br />

(Stirb an einem anderen Tag) hat nicht zuletzt auch bei den<br />

südkoreanischen Kinogängern erhebliche Proteste hervorgerufen.<br />

Daneben lassen sich Szenen mangelnden Respekts gegenüber<br />

Mensch <strong>und</strong> Kulturgütern identifizieren, die der<br />

actiongeleiteten Handlung – meist vor reizvollen Kulissen –<br />

geschuldet sind. Dabei kann es auch zur teilweisen Zerstörung<br />

von Stadtzentren etwa in Saigon (Der Morgen stirbt<br />

nie), St. Petersburg (Goldeneye) oder gar einer ausländischen<br />

Botschaft (Casino Royale) kommen.<br />

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Barmeyer / Scheffer: Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> <strong>und</strong> Fremdheitsdarstellungen<br />

in den James-Bond-Filmen<br />

Betrachtet man die Serie aber insgesamt <strong>und</strong> legt den Fokus<br />

insbesondere auf die persönlichen Interaktionen, so treten die<br />

nachweisbaren <strong>Kompetenz</strong>mängel des Agenten deutlich hinter<br />

jene Sequenzen zurück, die Bonds Geschick, interkulturell<br />

kompetent zu agieren, klar herausstellen.<br />

3.3 Die Vermittlung von Kulturinformationen: Die filmische<br />

Repräsentation des Fremden<br />

Geht es um die filmische Vermittlung interkultureller <strong>Kompetenz</strong>,<br />

so erscheint eine Analyse der <strong>Kompetenz</strong>en der Leitfigur<br />

allein unzureichend. Deren Handlungen offenbaren zwar einen<br />

– in Teilen vorbildhaften – Umgang mit Fremdheit, sind<br />

aber zugleich in filmisch konstruierte Kontexte eingeb<strong>und</strong>en,<br />

die es Bond möglicherweise besonders leicht machen, interkulturell<br />

kompetent zu erscheinen. Akzeptiert man aus der<br />

fiktiven Welt des Filmes Hinweise auf interkulturelle <strong>Kompetenz</strong>en<br />

für die Praxis im Realen, so erfordert auch der Umgang<br />

mit den jeweils zugr<strong>und</strong>e liegenden kulturellen Kontexten<br />

eine Prüfung, inwieweit diese generell mit den Gegebenheiten<br />

der realen Welt in <strong>Ein</strong>klang zu bringen sind. Entsprechend<br />

gilt es, auf einer zweiten Analyseebene nach der Darstellung<br />

dieser fremdkulturellen Kontexte zu fragen, inwieweit<br />

sich die Figur wirklich in fremden, interkulturell herausfordernden<br />

Kulturen bewegt <strong>und</strong> wie diese dem Zuschauer<br />

filmisch vermittelt werden?<br />

Obwohl ein Großteil der Filme an den unterschiedlichsten<br />

Schauplätzen spielt, bekommt der Zuschauer nur einen sehr<br />

engen Ausschnitt des dortigen Alltags zu sehen. Traditionell<br />

bewegt sich Bond an diesen Orten auf sehr exklusive Weise:<br />

Er reist luxuriös in teuren Autos oder in Hubschraubern <strong>und</strong><br />

Flugzeugen, diniert in vornehmen Restaurants, besucht das<br />

obligatorische Casino <strong>und</strong> nächtigt in der westlichen Sphäre<br />

des teuersten Hotels der Stadt. In dieser Welt zeigt sich kulturelle<br />

Fremdheit auf oberflächliche Weise. Sie lässt sich festmachen<br />

an der Optik des Umfeldes, fordert Bond aber nicht –<br />

<strong>und</strong> auch nicht den Zuschauer – durch gr<strong>und</strong>sätzlich andere<br />

Denk- <strong>und</strong> Handlungsweisen heraus. Nur selten gestatten die<br />

Sequenzen einen schmalen <strong>Ein</strong>blick in andere Lebenswirklichkeiten.<br />

In „Leben <strong>und</strong> Sterben lassen“ wird 007 mit der Bevölkerung<br />

Harlems <strong>und</strong> der einer Karibikinsel konfrontiert: In<br />

„Die Welt ist nicht genug“ oder „<strong>Ein</strong> <strong>Quantum</strong> Trost“ kommen<br />

protestierende Bevölkerungsgruppen ins Bild, die unabhängig<br />

von ihrer Repräsentation zumindest darauf aufmerksam<br />

machen, dass es auch diese Wirklichkeit gibt.<br />

Ansonsten erschöpft sich Darstellung kultureller Fremdheit<br />

häufig in Stereotypen, die das bei den Zuschauern verbreitete<br />

Fremdbild aufgreifen <strong>und</strong> reproduzieren (vgl. dazu auch<br />

Escher 2006). Die oben erwähnte Begrüßungsszene aus „Der<br />

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Barmeyer / Scheffer: Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> <strong>und</strong> Fremdheitsdarstellungen<br />

in den James-Bond-Filmen<br />

Spion, der mich liebte“ in einem Zelt in Ägypten steht auch<br />

hierfür Beispiel: Neben den zuvor gezeigten Elementen Pyramiden,<br />

Wüste <strong>und</strong> Kamel wird der Betrachter nun mit einer<br />

Welt aus „Tausend<strong>und</strong>einer Nacht” konfrontiert. Im Vordergr<strong>und</strong><br />

sieht man einen großen Obstkorb, überall liegen oder<br />

hängen Teppiche <strong>und</strong> es räkeln sich einige leicht bekleidete<br />

Frauen am Boden. Auch die anderen Requisiten lassen sich<br />

für das westliche Publikum sehr schnell mit Exotik „des Orients“<br />

assoziieren.<br />

Ähnlich stellt der Film „Octopussy“ das Land Indien mit einem<br />

Anflug Bonds auf das Taj Mahal in Agra vor, lässt ihn<br />

wenige Sek<strong>und</strong>en später den Ganges entlang nach Varanasi<br />

im nordindischen B<strong>und</strong>esstaat Uttar Pradesh fahren, wo in<br />

farbige Gewänder gehüllte Hindus gerade ihr religiöses Bad<br />

nehmen. Die Szene spielt gleich darauf schließlich in Udaipur<br />

im B<strong>und</strong>esstaat Rajasthan weiter, um dort die bekannten Paläste<br />

exotisch in Szene zu setzen. Bonds Weg durch die Stadt<br />

zeigt durchaus unterschiedliche Bevölkerungsteile, ist jedoch<br />

wiederum durchsetzt mit den Klischees gängiger Reiseführer.<br />

Zu einem Fakir <strong>und</strong> Schlangenbeschwörer treten kurz darauf<br />

noch der indische Tiger, Elefanten <strong>und</strong> exotische Frauen ins<br />

Licht <strong>und</strong> vervollständigen das Erwartete im allgemeinen Assoziationsnetz.<br />

Die Praxis, durch architektonische Wahrzeichen,<br />

der Reproduktion bekannter Bilder <strong>und</strong> der Kollage von<br />

Symbolen eine Örtlichkeit herzustellen, lässt sich in nahezu<br />

jedem 007-Film wiederfinden. Die Repräsentation des Fremden<br />

reduziert sich damit letztlich auf das Vertraute. Zugespitzt<br />

formuliert: Das Fremde wird durch das Bekannte ersetzt.<br />

Für die Sensibilisierung kultureller Unterschiede <strong>und</strong> die<br />

exemplarische Demonstration interkultureller <strong>Kompetenz</strong>en<br />

bleiben derartige Ausschnitte wenig erhellend. Kritisch ließe<br />

sich vielmehr einwenden, dass die scheinbare Realitätsnähe<br />

der James-Bond-Filme eine Kulturwirklichkeit suggeriert, in<br />

der interkulturelle Missverständnisse weniger relevant werden.<br />

Auch wenn man nicht über die emotionalen, kognitiven<br />

<strong>und</strong> verhaltensbezogenen Schlüsselkomponenten eines Agenten<br />

verfügt, scheinen sich in einer Welt, die faktisch den globalen<br />

Tourismusdestinationen oder exklusiven Wohlstandsräumen<br />

entspricht, fremdkulturelle Kontakte stets reibungslos<br />

zu gestalten.<br />

In dieser Sicht stellen die gezeigten Handlungskontexte letztlich<br />

die Notwendigkeit einer Aneignung jener interkulturellen<br />

<strong>Kompetenz</strong>en in Frage, die über die Person James Bond vordergründig<br />

vermittelt werden.<br />

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Barmeyer / Scheffer: Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> <strong>und</strong> Fremdheitsdarstellungen<br />

in den James-Bond-Filmen<br />

4. Fazit<br />

Die Antwort auf die Frage, inwieweit James Bond interkulturell<br />

kompetent ist <strong>und</strong> die James-Bond-Filme demzufolge<br />

interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> exemplarisch vermitteln, muss angesichts<br />

der aufgezeigten Diskrepanzen <strong>zwischen</strong> den Handlungen<br />

<strong>und</strong> den repräsentierten Handlungskontexten ambivalent<br />

ausfallen.<br />

Unter Berücksichtigung der einen von drei genannten Funktionen<br />

interkultureller <strong>Kompetenz</strong>, des zielorientierten Pragmatismus,<br />

die besonderen Wert auf Zielerreichung legt, ist<br />

James Bond gr<strong>und</strong>sätzlich eine gewisse interkulturelle <strong>Kompetenz</strong><br />

zuzusprechen. In den meisten Situationen handelt 007<br />

effizient <strong>und</strong> zielorientiert. Damit geht aber auch einher, dass<br />

er seinen anderskulturellen Interaktionspartnern nicht mehr<br />

als das notwendige Maß an Interesse <strong>und</strong> Entgegenkommen<br />

erweist. Streng genommen profitiert nur Bond, beziehungsweise<br />

die „Auftragserfüllung“ im Namen der Queen (<strong>und</strong><br />

England), von seiner interkulturellen <strong>Kompetenz</strong>. Es handelt<br />

sich also meist um asymmetrische Konstellationen, bei denen<br />

Bond eine dominante <strong>und</strong> beherrschende Rolle einnimmt. Die<br />

Interessen <strong>und</strong> Bedürfnisse der anderskulturellen Interaktionspartner<br />

werden nicht entsprechend berücksichtigt, wie<br />

es die zweifelhafte Aufrichtigkeit hinter seiner Empathie <strong>und</strong><br />

seinem Interesse vermuten lässt. Insofern werden weder die<br />

Funktion des gesellschaftlichen Humanismus noch die der<br />

individuellen Weiterentwicklung berücksichtigt.<br />

Bezüglich der geforderten Eigenschaften <strong>und</strong> Fähigkeiten<br />

(Komponenten) interkultureller <strong>Kompetenz</strong> weist 007 den<br />

Großteil der vor allem kognitiven – wie Kenntnis der politischen,<br />

sozialen, wirtschaftlichen <strong>und</strong> Systeme, Fremdsprachenkenntnisse,<br />

Selbstkenntnis – <strong>und</strong> verhaltensbezogenen<br />

Komponenten – wie Fähigkeit, Kenntnisse <strong>und</strong> Fremdsprachen<br />

anzuwenden, Kommunikationsfähigkeit, Flexibles Verhalten,<br />

Selbstdisziplin – auf <strong>und</strong> findet in den meisten Situationen<br />

das Maß <strong>zwischen</strong> Effektivität <strong>und</strong> Angemessenheit.<br />

Lediglich bei den zentralen, von sozialer <strong>Kompetenz</strong> geprägten,<br />

persönlichen emotionalen Komponenten fällt Bond zurück:<br />

Eigenschaften wie Ambiguitätstoleranz, Frustrationstoleranz,<br />

Flexibilität <strong>und</strong> eine gewissen Rollendistanz sind ihm<br />

sicherlich zuzuschreiben, nicht jedoch Empathie, Offenheit,<br />

wertfreie Haltung oder gar Polyzentrismus (vgl. Abb. 2).<br />

17 © Interculture Journal 2011 | 14


Barmeyer / Scheffer: Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> <strong>und</strong> Fremdheitsdarstellungen<br />

in den James-Bond-Filmen<br />

Emotional<br />

<strong>Ein</strong>stellungen, Werte, Sensibilität<br />

• Empathie -<br />

• Offenheit -<br />

• Flexibilität +<br />

• Respekt -<br />

• Rollendistanz O<br />

• Wertfreie Haltung -<br />

• Polyzentrismus -<br />

• Ambiguitätstoleranz +<br />

• Frustrationstoleranz +<br />

Kognitiv<br />

Begriffe, Wissen, Verständnis<br />

• Kenntnis der politischen,<br />

sozialen <strong>und</strong> wirtschaftlichen<br />

Systeme +<br />

• Kenntnis von Kulturdimensionen<br />

<strong>und</strong><br />

Kulturstandards O<br />

• Fremdsprachenkenntnisse<br />

+<br />

• Selbstkenntnis O<br />

Abb. 2: Schlüsselkomponenten interkultureller <strong>Kompetenz</strong> bei James Bond<br />

(Legende: + = ausgeprägt, O = neutral, - = schwach ausgeprägt)<br />

Wenn die James-Bond-Reihe damit unterm Strich einen Protagonisten<br />

beschreibt, der seiner Vorbildfunktion zumindest<br />

in Teilen gerecht wird, relativiert sich die interkulturelle Bedeutung<br />

der Filme insgesamt durch einseitige Fremdheitsrepräsentationen.<br />

Der Zuschauer bekommt interkulturelle<br />

<strong>Kompetenz</strong> auf der Gr<strong>und</strong>lage oberflächlicher Fremdheitskonstrukte<br />

vorgelebt, wobei ihm die tieferliegenden Differenzen<br />

<strong>zwischen</strong> Kollektiven hinter den exklusiven Bildern des<br />

Filmes stets vorenthalten bleiben. Vergegenwärtigt man sich<br />

die Wirkmacht filmischer Darstellungen in ihrem <strong>Ein</strong>fluss auf<br />

das individuelle Weltbild (Aitken / Dixon 2006, Lukinbeal<br />

2004) <strong>und</strong> die globale Verbreitung der James-Bond-Filme im<br />

Besonderen, von denen die Hälfte der Weltbevölkerung nach<br />

Schätzungen mindestens einen kennen soll (Chapman<br />

2007:13), so unterstützen die Filme interkulturelle Bildung<br />

nur sehr bedingt: Sie wecken zwar Neugier auf die Exotik der<br />

Fremde, dies jedoch um den Preis einer radikalen Ausblendung<br />

<strong>und</strong> Entproblematisierung jener Interaktionssituationen,<br />

die den globalen Alltag unser Zeit tatsächlich bestimmen. Auf<br />

dieser schiefen Gr<strong>und</strong>lage können Eigenschaften wie Empathie,<br />

Wertfreiheit, Offenheit oder spezifisches Kulturwissen<br />

kaum transportiert <strong>und</strong> interkulturelle <strong>Kompetenz</strong>en letztlich<br />

schwer angebahnt werden.<br />

Gegenwärtig <strong>und</strong> wohl auch zukünftig scheinen sowohl die<br />

Vermittlung von fremdkulturellen Kontexten als auch die<br />

Demonstrationen interkulturell kompetenten Verhaltens in<br />

der Serie noch stärker in den Hintergr<strong>und</strong> zu treten. Während<br />

im erwähnten Film „Man lebt nur zweimal“ noch Ian<br />

Flemings Sympathie <strong>und</strong> Faszination für die Kultur Japans<br />

durchscheint (Lycett 2009), in der Bond respektvoll <strong>und</strong> sensibel<br />

agiert, werden in den folgenden Filmen sowohl Kulturrepräsentationen<br />

oberflächlicher als auch interkulturelle Be-<br />

© Interculture Journal 2011 | 14 18<br />

Verhaltensbezogen<br />

Fähigkeiten, Eignungen, Handeln<br />

• Fähigkeit, die kognitiven<br />

Kenntnisse anzuwenden +<br />

• Kommunikationsfähigkeit +<br />

• Fähigkeit, Sprachkenntnisse in<br />

die Praxis umzusetzen +<br />

• Fähigkeit zur Metakommunikation<br />

O<br />

• Flexibles Verhalten O<br />

• Selbstdisziplin +


Barmeyer / Scheffer: Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> <strong>und</strong> Fremdheitsdarstellungen<br />

in den James-Bond-Filmen<br />

gegnungen seltener. Die Filme mit Pierce Brosnan <strong>und</strong><br />

schließlich mit Daniel Craig eignen sich mangels fremdkultureller<br />

Darstellungen kaum noch für die Analyse interkultureller<br />

Begegnungen.<br />

Kann sich die Serie ansonsten rühmen, aktuelle Fragen unserer<br />

Zeit oft sehr realitätsnah <strong>und</strong> weitblickend aufzugreifen,<br />

so will die verkürzte <strong>und</strong> zuletzt gänzlich vernachlässigte Beschäftigung<br />

mit kultureller Alterität gar nicht ins Bild passen.<br />

Zählt doch die Auseinandersetzung mit kulturellen Unterschieden<br />

einer global interagierenden Weltgesellschaft zu den<br />

zentralen Fragen der Gegenwart. Insofern ist zu hoffen, dass<br />

die Filmfigur James Bond der Zukunft wieder interkulturell<br />

kompetenter begegnet <strong>und</strong> die Kulturrepräsentationen selbst<br />

eine adäquatere <strong>und</strong> intensivere Darstellung erfahren. Dies<br />

würde die Serie nicht nur von den anderen Actionhelden-<br />

Verfilmungen der Moderne unterscheiden, sondern würde sie<br />

auch aus interkultureller Perspektive im Jetzt verorten <strong>und</strong><br />

nicht in der Vergangenheit eines post-kolonialen Englands<br />

verstauben lassen.<br />

Literatur<br />

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19 © Interculture Journal 2011 | 14


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© Interculture Journal 2011 | 14 20


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in den James-Bond-Filmen<br />

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21 © Interculture Journal 2011 | 14


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1<br />

Quelle: http://www.rankaholics.de/w/die+erfolgreichsten+<br />

kino-serien_1850?addfav<br />

2 Dieser Beitrag basiert auf einer Lehrveranstaltung zu James<br />

Bond Filmen, die die beiden Autoren an der Universität Passau<br />

durchführen <strong>und</strong> auf einem Referats- <strong>und</strong> Hausarbeitsthema,<br />

das von den Studierenden Jonas Lang, Julius Schindler<br />

<strong>und</strong> Karin Müller bearbeitet wurde.<br />

3 Anglisten, Cultural Studies, Filmwissenschaftler, Geographen,<br />

Historiker, Interkulturalisten, Kommunikationswissenschaftler,<br />

Kulturwissenschaften, Literaturwissenschaftler, Musikwissenschaftler,<br />

Ökonomen, Physiker Politikwissenschaftler,<br />

Soziologen.<br />

Allein in den vergangenen Jahren wurden mehrere internationale<br />

wissenschaftliche James-Bond Kongresse durchgeführt:<br />

2003: „Ian Fleming and James Bond. The cultural politics of<br />

007“, Indiana University of Bloomington, USA; 2006:<br />

„Warten auf Bond“ Universität Bochum <strong>und</strong> Dortm<strong>und</strong>;<br />

© Interculture Journal 2011 | 14 22


Barmeyer / Scheffer: Im Auftrag der Kulturvermittlung? Interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> <strong>und</strong> Fremdheitsdarstellungen<br />

in den James-Bond-Filmen<br />

2007: „James Bond (2)007. Histoire culturelle et enjeux esthétiques<br />

d‘une saga populaire“, Université Nanterre et Versailles<br />

Paris, Bibliothèque Nationale de France; 2009: „The<br />

Cultures of James Bond“, Universität des Saarlandes.<br />

4 Allerdings wird Ian Flemings Verlobte Monique Panchaud de<br />

Bottens in den Romanen zu James Bonds Mutter.<br />

5<br />

„Man lebt nur zweimal“, „GoldenEye“, „Der Morgen stirbt<br />

nie“, „Octopussy“, „Der Hauch des Todes“, „Der Spion, der<br />

mich liebte“.<br />

23 © Interculture Journal 2011 | 14


© Interculture Journal 2011 | 14 24


Die organisierende Funktion<br />

von <strong>Kompetenz</strong> – Entwurf<br />

eines zwei-Ebenen-Modells<br />

interkultureller <strong>Kompetenz</strong><br />

[The Organizing Function<br />

of Competence – Layout<br />

of a Two-Level-Model of<br />

Intercultural Competence]<br />

B. Alexander Dauner<br />

Dipl.-Päd., wissenschaftlicher Mitarbeiter,<br />

Universität Duisburg-Essen<br />

Dauner: Die organisierende Funktion von <strong>Kompetenz</strong> – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller<br />

<strong>Kompetenz</strong><br />

Abstract [English]<br />

In this paper a two-level-model of intercultural competence is<br />

developed in order to offer a basis for describing and explaining<br />

interculturally competent behaviour. Cognitive, affective<br />

and behavioural resources (knowledge, attitudes, skills etc.)<br />

constitute the first level of this model of competence. However,<br />

in this paper the claim is made that competence cannot<br />

only be explained by these components, but that processes<br />

are involved which organize and control how these components<br />

are applied, how they interact and how they are further<br />

developed. These processes constitute the second level of the<br />

model.<br />

On the basis of this model, a concept of intercultural competence<br />

is proposed, assuming that intercultural encounters are<br />

determined by both an essentialist and a constructivistprocedural<br />

<strong>und</strong>erstanding of culture.<br />

Keywords: intercultural competence, cross-cultural competence,<br />

competence research, culture<br />

Abstract [Deutsch]<br />

Um interkulturell kompetentes Handeln beschreiben <strong>und</strong> erklären<br />

zu können, entwickelt der Autor ein Zwei-Ebenen-<br />

Modell interkultureller <strong>Kompetenz</strong>. Die erste Ebene des <strong>Kompetenz</strong>modells<br />

bilden kognitive, affektive <strong>und</strong> verhaltensbezogene<br />

Ressourcen (Wissen, <strong>Ein</strong>stellungen, Fähigkeiten etc.).<br />

Es wird argumentiert, dass sich <strong>Kompetenz</strong> aber nicht allein<br />

über diese Komponenten fassen lässt, sondern auf Prozesse<br />

zurückgegriffen werden muss, die die Anwendung, das Zusammenwirken<br />

<strong>und</strong> die Weiterentwicklung dieser Komponenten<br />

steuern <strong>und</strong> kontrollieren. Die Prozesse bilden die<br />

zweite Ebene des Modells, eine Meta-Ebene.<br />

Auf Gr<strong>und</strong>lage dieses Modells wird weiterhin ausgeführt, was<br />

unter interkultureller <strong>Kompetenz</strong> verstanden werden kann,<br />

wenn man davon ausgeht, dass interkulturelle Begegnungssituationen<br />

sowohl durch essentialistische als auch durch<br />

konstruktivistisch-prozessuale Kultur-Verständnisse der Handelnden<br />

bestimmt werden.<br />

Stichworte: Interkulturelle <strong>Kompetenz</strong>, <strong>Kompetenz</strong>forschung,<br />

Kulturbegriff<br />

25 © Interculture Journal 2011 | 14


Dauner: Die organisierende Funktion von <strong>Kompetenz</strong> – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller<br />

<strong>Kompetenz</strong><br />

1. <strong>Ein</strong>leitung<br />

Betrachtet man das Handeln von Personen in (inter)kulturellen<br />

Situationen, dann zeigt sich, dass - zunächst einmal<br />

ganz allgemein formuliert - manche Menschen in <strong>und</strong> mit<br />

diesen Situationen besser zurecht kommen als andere. Was<br />

also befähigt diese Menschen dazu, in interkulturellen Situationen<br />

erfolgreich <strong>und</strong> angemessen zu handeln? Das ist die<br />

zentrale Frage, der die Forschung zur interkulturellen <strong>Kompetenz</strong><br />

nachgeht. Interkulturelle <strong>Kompetenz</strong>-Forschung möchte<br />

ergründen, was eine interkulturell kompetente Person weiß,<br />

was sie kann, welche <strong>Ein</strong>stellungen <strong>und</strong> Motivationen sie an<br />

den Tag legt.<br />

Mittlerweile liegen zahlreiche Modelle, Theorien <strong>und</strong> empirische<br />

Bef<strong>und</strong>e vor, die Antworten auf diese Fragen liefern<br />

(Überblicke finden sich z.B. bei Bolten 2007, Scheitza 2007,<br />

Spitzberg <strong>und</strong> Changnon 2009). Weit fortgeschritten ist beispielsweise<br />

die Forschung zur Rolle, die die Intercultural<br />

Sensitivity (Bennett 2004, Hammer 2008) als eine Komponente<br />

interkultureller <strong>Kompetenz</strong>, in interkulturellen Begegnungen<br />

spielt (u.a. Altshuler et al. 2003, Medina-López-Portillo<br />

2004, Jackson 2008).<br />

<strong>Ein</strong> Aspekt, der bisher vergleichsweise wenig Beachtung gef<strong>und</strong>en<br />

hat, ist die Betrachtung des Konstrukts „<strong>Kompetenz</strong>“<br />

(Straub 2007). An dieser Stelle setzt der vorliegende Beitrag<br />

an. Zunächst soll der Blick auf die Konstruktionsweisen von<br />

<strong>Kompetenz</strong> mit ihren Konsequenzen für die Erklärung des<br />

Phänomens „Interkulturelle <strong>Kompetenz</strong>“ gelenkt werden. Im<br />

Anschluss daran wird ein Modell interkultureller <strong>Kompetenz</strong><br />

entworfen, mit dem es möglich ist, weitere Aspekte einzubeziehen,<br />

um so zur Aufklärung der Funktionsweise interkultureller<br />

<strong>Kompetenz</strong> beizutragen.<br />

2. <strong>Kompetenz</strong> - Sammelbegriff oder organisierende<br />

Funktion?<br />

Wick (2009:25) verweist in Bezug auf <strong>Kompetenz</strong> im Allgemeinen<br />

auf einen Aspekt, der auch für die Diskussion interkultureller<br />

<strong>Kompetenz</strong> relevant ist. Betrachtet wird dabei die<br />

Art <strong>und</strong> Weise, wie <strong>Kompetenz</strong> konstruiert wird; gefragt wird<br />

danach, ob es sich um einen Sammelbegriff handelt, mit dem<br />

<strong>Kompetenz</strong>-Komponenten zusammengefasst werden oder ob<br />

<strong>Kompetenz</strong> eine eigenständige Funktion besitzt <strong>und</strong> somit ein<br />

von anderen Konstrukten, wie z.B. Wissen, Fähigkeiten <strong>und</strong><br />

<strong>Ein</strong>stellungen, unterscheidbares Konstrukt darstellt.<br />

© Interculture Journal 2011 | 14 26


Dauner: Die organisierende Funktion von <strong>Kompetenz</strong> – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller<br />

<strong>Kompetenz</strong><br />

2.1 <strong>Kompetenz</strong> als Sammelbegriff<br />

In Ansätzen, die der ersten Gruppe zugeordnet werden können,<br />

wird <strong>Kompetenz</strong> verstanden als ein „Sammelbegriff für<br />

die (Ausprägungen der) Motive, Eigenschaften, Fähigkeiten,<br />

Fertigkeiten, Kenntnisse, Selbstkonzepte, <strong>Ein</strong>stellungen <strong>und</strong><br />

Werte, die die Effektivität einer Person mit der Umwelt bestimmen<br />

[...]“ (Wick 2009:25). Die <strong>Kompetenz</strong> eines Individuums<br />

entspricht der Summe dieser Komponenten <strong>und</strong> ihrer<br />

jeweiligen Ausprägungsgrade. <strong>Kompetenz</strong> steigt also (quasi<br />

automatisch) mit der Zunahme an Wissen, Fähigkeiten / Fertigkeiten,<br />

dem Aufbau adäquater <strong>Ein</strong>stellungen etc.; Inkompetenz<br />

lässt sich zurückführen auf ein Fehlen oder eine mangelhafte<br />

Ausprägung einer oder mehrerer Teilkompetenzen.<br />

Das ist ein Konzept des Konstrukts <strong>Kompetenz</strong>, das auch in<br />

Bezug auf interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> gängig ist. Bolten (2007)<br />

verweist beispielhaft auf die Ansätze von Brislin (1981) <strong>und</strong><br />

Ruben (1976) <strong>und</strong> konstatiert, dass in solchen Modellen<br />

interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> „additiv als Summe verschiedener<br />

Teilkompetenzen“ (Bolten 2007:22) verstanden wird.<br />

Ausschlaggebend für die Klassifizierung eines <strong>Kompetenz</strong>ansatzes<br />

als Sammelbegriff ist, ob ein summatives Verständnis<br />

von <strong>Kompetenz</strong> vorliegt. Dabei spielt es keine Rolle, ob die<br />

Komponenten (unsortiert) in Form von Listen präsentiert werden<br />

oder ob eine Strukturierung der Komponenten stattfindet.<br />

Häufig anzutreffen ist eine Systematisierung der Elemente<br />

- mit unterschiedlichem Zuschnitt der Kategorien <strong>und</strong> variierender<br />

Terminologie - in kognitive / wissensbezogene,<br />

affektive / motivationale <strong>und</strong> verhaltensbezogene Bestandteile<br />

(für Überblicke zu Listen- bzw. Strukturmodellen interkultureller<br />

<strong>Kompetenz</strong> siehe Bolten 2007, Scheitza 2007, Straub<br />

2007).<br />

Die Popularität solcher Modelle in Forschung <strong>und</strong> Praxis lässt<br />

sich darauf zurückführen, dass sie sich (relativ) einfach operationalisieren<br />

lassen (Bolten 2007). Mit den Modellen kann<br />

aber nicht erklärt werden, wie kompetentes Handeln zustande<br />

kommt, also wie <strong>Kompetenz</strong> funktioniert. Dafür sind einige<br />

Punkte in den Modellen nicht ausreichend spezifiziert (siehe<br />

dazu auch Straub, Nothnagel <strong>und</strong> Weidemann 2010:22):<br />

Erstens ist die Auswahl der einzelnen Komponenten in den<br />

jeweiligen Modellen fragwürdig. Sollte z.B. eine Person in einer<br />

interkulturellen Situation erfolgreich <strong>und</strong> angemessen<br />

handeln, ohne dabei auf ausgewählte Komponenten eines<br />

bestimmten Modells zurückzugreifen, handelt sie dann nicht<br />

kompetent? Boltens Fazit in Bezug auf Listenmodelle kann<br />

auf alle Modelle, die mit einem summativen <strong>Kompetenz</strong>begriff<br />

operieren, ausgeweitet werden: Die Zusammenstellung<br />

der Komponenten erscheint beliebig <strong>und</strong> unvollständig (Bol-<br />

27 © Interculture Journal 2011 | 14


Dauner: Die organisierende Funktion von <strong>Kompetenz</strong> – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller<br />

<strong>Kompetenz</strong><br />

ten 2007). Zweitens ist das Verhältnis der (ausgewählten)<br />

Komponenten untereinander nicht hinreichend bestimmt.<br />

(Werden alle Komponenten (immer) benötigt? Oder lassen<br />

sich z.B. einzelne durch andere kompensieren?) Schließlich ist<br />

aus kompetenztheoretischen Überlegungen heraus davon<br />

auszugehen, dass das Vorhandensein von Wissen, Fähigkeiten<br />

<strong>und</strong> den richtigen <strong>Ein</strong>stellungen allein noch nicht zu<br />

kompetentem Handeln führt. Entscheidend ist das „Zusammenspiel“<br />

(Bolten 2007:25) oder Zusammenwirken der Komponenten.<br />

Dieses Zusammenspiel ist ein zentrales Charakteristikum<br />

der Ansätze, die der zweiten Gruppe zugeordnet<br />

werden können.<br />

2.2 <strong>Kompetenz</strong> als organisierende Funktion<br />

In Ansätzen der zweiten Gruppe von <strong>Kompetenz</strong>-Konstrukten<br />

werden Wissensbestandteile, Fähigkeiten, Fertigkeiten, <strong>Ein</strong>stellungen,<br />

Motive etc., eben all das, was als Komponenten<br />

auch in den anderen Ansätzen eingebracht wurde, als Basis<br />

für <strong>Kompetenz</strong> betrachtet. Sie stellen Ressourcen für kompetentes<br />

Handeln dar, aber sie machen noch keine <strong>Kompetenz</strong><br />

aus. „Diese Ressourcen werden durch einen organisierenden<br />

psychischen Mechanismus oder Prozess zusammengefügt,<br />

der die Realisierung zielgerichteter Aktivitäten, sei es durch<br />

Handlung oder Reflexion, ermöglicht [...]“ (Wick 2009:25).<br />

Erst wenn man von einem Zusammenwirken der Komponenten<br />

ausgeht, entfaltet das <strong>Kompetenz</strong>konzept seine Wirkung,<br />

weil <strong>Kompetenz</strong> dann mehr ist als eine Ansammlung von Bestandteilen.<br />

„Auf diese Weise stellt <strong>Kompetenz</strong> ein genuines,<br />

unterscheidbares Konstrukt dar“ (Wick 2009:25).<br />

Das ist ein Konzept von <strong>Kompetenz</strong>, das z.B. im Bereich der<br />

beruflichen <strong>Kompetenz</strong>en Verbreitung gef<strong>und</strong>en hat.<br />

Erpenbeck <strong>und</strong> von Rosenstiel verstehen <strong>Kompetenz</strong> beispielsweise<br />

als „Selbstorganisationsdispostionen“ (Erpenbeck<br />

/ Rosenstiel 2003:XV). Das DeSeCo-Projekt (Defining and<br />

Selecting Key Competencies) der OECD, das sich auf allgemeine<br />

<strong>Kompetenz</strong>en bezieht, die für eine erfolgreiche Teilhabe<br />

am gesellschaftlichen Leben notwendig sind, hebt insbesondere<br />

auf „Reflexion“ als „Kern der Schlüsselkompetenzen“<br />

ab (OECD 2005:10). In Bezug auf interkulturelle <strong>Kompetenz</strong><br />

hat Bolten (2007) einen solchen <strong>Kompetenz</strong>begriff unter<br />

der Bezeichnung „Prozessmodelle“ besprochen.<br />

Um interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> für Forschungs- <strong>und</strong> Bildungszwecke<br />

operationalisieren zu können, bedarf es einer klaren<br />

Vorstellung des Konstrukts. Zu fragen ist also danach, wie die<br />

organisierenden Prozesse, die <strong>Kompetenz</strong> ausmachen, konkretisiert<br />

werden können. <strong>Ein</strong> Rahmenmodell für ein solches<br />

Konzept soll im Folgenden entwickelt werden.<br />

© Interculture Journal 2011 | 14 28


Dauner: Die organisierende Funktion von <strong>Kompetenz</strong> – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller<br />

<strong>Kompetenz</strong><br />

2.3 Zwei-Ebenen-Modell (Tintenfischmodell)<br />

Der Zusammenhang von Ressourcen <strong>und</strong> einer organisierenden<br />

Instanz lässt sich in Analogie zu psychologischen Modellen,<br />

die sich auf die Lösung komplexer Probleme beziehen,<br />

modellieren (Wick 2011). Die Problemlösepsychologie bietet<br />

sich als Bezugspunkt an, da man mit ihr auf theoretisch ausgearbeitete<br />

<strong>und</strong> empirisch f<strong>und</strong>ierte Modelle zurückgreifen<br />

kann, mit denen ein ähnliches, wenn auch spezifischeres <strong>und</strong><br />

weniger umfassendes, Ziel verfolgt wird wie in der <strong>Kompetenz</strong>forschung,<br />

nämlich die Erklärung von erfolgreichem<br />

Handeln bzw. Denken in Bezug auf komplexe, in der Regel<br />

kognitive, Aufgaben. Konkret wird insbesondere auf das Modell<br />

von Dörner (1979) zurückgegriffen, da Dörner den Zusammenhang<br />

von Ressourcen <strong>und</strong> organisierenden Prozessen<br />

deutlich herausarbeitet (Wick 2011).<br />

Dörner vertritt in seiner Psychologie des Problemlösens eine<br />

„2-Ebenen-Hypothese“ (1979:8), mit der er erklärt, wie Individuen<br />

komplexe (kognitive) Probleme lösen. Bei der ersten<br />

Ebene, der so genannten epistemischen Struktur, handelt es<br />

sich um die Wissensstruktur in Bezug auf ein Themen- bzw.<br />

Problemfeld. Die epistemische Struktur umfasst sowohl das<br />

inhaltliche Wissen über einen speziellen Bereich als auch<br />

Kenntnisse über die kognitiven Handlungsmöglichkeiten, die<br />

so genannten Operatoren, in diesem Feld (Dörner 1979:26).<br />

Bei der zweiten Ebene handelt es sich um die so genannte<br />

heuristische Struktur. Die Funktion dieser heuristischen Struktur<br />

ist es, geeignete Operatoren, sprich Handlungskonzepte,<br />

in den Beständen der epistemischen Struktur zu suchen, auszuwählen<br />

<strong>und</strong>, falls keine passenden zur Verfügung stehen,<br />

zu entwickeln (Dörner 1979:8). Diese Ebene „organisiert <strong>und</strong><br />

kontrolliert“ (Dörner 1979:38) dabei die Problemlösungsprozesse.<br />

Ähnlich werden Vorgänge beim komplexen Problemlösen<br />

z.B. auch bei Anderson (2007:289ff.) beschrieben.<br />

Gut verdeutlichen kann man das Gr<strong>und</strong>prinzip des<br />

Zusammenwirkens der beiden Strukturen, mit Hilfe einer Metapher,<br />

die Dörner als „Tintenfischhypothese“ (1979:37) bezeichnet:<br />

Als Bild für die Beziehung der epistemischen <strong>und</strong><br />

heuristischen Struktur dient dabei ein Tintenfisch, der sich an<br />

einem Fischernetz entlang hangelt. Dabei lässt der Tintenfisch<br />

einige Knotenpunkte des Netzes los, hält sich weiterhin an<br />

anderen fest <strong>und</strong> nimmt mit den freien Armen neue Knotenpunkte<br />

auf. Durch den Tintenfisch werden Teile des Netzes<br />

(neu) zusammengeführt. Das Fischernetz repräsentiert in dieser<br />

Analogie die epistemische Struktur, der Tintenfisch die<br />

heuristische. <strong>Ein</strong> heuristischer Prozess greift, wie der Tintenfisch,<br />

auf einige Punkte der epistemischen Struktur (Knotenpunkte<br />

des Netzes) zu, verbindet diese, kombiniert sie - zum<br />

Teil auch neu. Wie jede Analogie hat auch diese Schwächen.<br />

29 © Interculture Journal 2011 | 14


Dauner: Die organisierende Funktion von <strong>Kompetenz</strong> – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller<br />

<strong>Kompetenz</strong><br />

Die relevanteste in diesem Zusammenhang ist, dass in dem<br />

Bild nicht dargestellt werden kann, dass es auch zu den Funktionen<br />

der heuristischen Struktur gehört, die epistemische<br />

Struktur zu erweitern, wenn kein geeignetes Wissen verfügbar<br />

ist. Der Tintenfisch müsste also über eine Möglichkeit verfügen,<br />

das Netz zu verfeinern <strong>und</strong> zu erweitern, also z.B. mit<br />

Strickzeug ausgerüstet werden (Dörner 1979:37). Mit Hilfe<br />

solcher Modellvorstellungen lässt sich eine Vielzahl von Vorgängen<br />

beim Lösen komplexer kognitiver Probleme erklären.<br />

Analog zu diesem Modell kann eine Vorstellung der Funktionsweise<br />

von <strong>Kompetenz</strong> entwickelt werden (Wick 2011):<br />

Die erste Ebene bilden - im Unterschied zur rein kognitiven<br />

epistemischen Struktur in der Psychologie des Problemlösens<br />

<strong>und</strong> im <strong>Ein</strong>klang mit der Erkenntnis der <strong>Kompetenz</strong>forschung,<br />

dass <strong>Kompetenz</strong> sich neben Wissensbestandteilen auch auf<br />

Fähigkeiten, <strong>Ein</strong>stellungen <strong>und</strong> Motive etc. bezieht (Hesse<br />

2008) - kognitive, affektive <strong>und</strong> verhaltensbezogene Elemente.<br />

In diese Struktur aus kognitiven, affektiven <strong>und</strong> verhaltensbezogenen<br />

Komponenten, den Ressourcen, greifen, analog<br />

zur heuristischen Struktur beim kognitiven Problemlösen,<br />

Prozesse ein. Diese bilden die zweite Ebene des Modells.<br />

Ausgerichtet auf die spezifischen Anforderungen von Handlungssituationen,<br />

organisieren, integrieren <strong>und</strong> kontrollieren<br />

diese Prozesse die Nutzung der kognitiven, affektiven <strong>und</strong><br />

verhaltensbezogenen Ressourcen. In Anlehnung an die Psychologie<br />

des Problemlösens kann der Instanz auf der zweiten<br />

Ebene außerdem eine weitere Funktion zugeschrieben werden.<br />

Sie ist neben der Organisation der Ressourcen in der<br />

Handlungsgenese auch für die Weiterentwicklung der Ressourcen-Basis<br />

zuständig. Dies ist insbesondere in jenen Situationen<br />

<strong>und</strong> Fällen relevant, in denen das Individuum nicht<br />

über ausreichend Ressourcen oder auf einem ausreichenden<br />

Niveau verfügt, um adäquat handeln zu können.<br />

Im Sinne des vorgestellten Modells kann <strong>Kompetenz</strong> folgendermaßen<br />

definiert werden: <strong>Kompetenz</strong> soll als Bezeichnung<br />

dienen für die kognitiven, affektiven <strong>und</strong> verhaltensbezogenen<br />

Ressourcen <strong>und</strong> die Prozesse, welche die Nutzung <strong>und</strong><br />

die Weiterentwicklung der Ressourcen in Bezug auf die adäquate<br />

Bewältigung von Anforderungen in <strong>und</strong> durch komplexe<br />

Situationen organisieren <strong>und</strong> kontrollieren (vgl. Wick<br />

2011).<br />

3. Zwei-Ebenen-Modell interkultureller <strong>Kompetenz</strong><br />

Mit dieser Vorstellung von <strong>Kompetenz</strong> steht ein Rahmenmodell<br />

zur Verfügung, mit dem zum einen <strong>Kompetenz</strong> im Allgemeinen<br />

<strong>und</strong> interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> im Speziellen beschrieben<br />

<strong>und</strong> erklärt werden kann. Zum anderen können<br />

© Interculture Journal 2011 | 14 30


Dauner: Die organisierende Funktion von <strong>Kompetenz</strong> – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller<br />

<strong>Kompetenz</strong><br />

durch diesen veränderten Blick auf interkulturelles Handeln<br />

viele Ansätze <strong>und</strong> Erkenntnisse, die bisher unverb<strong>und</strong>en oder<br />

z.T. auch widersprüchlich neben einander zu stehen scheinen,<br />

zusammen geführt werden - ohne dabei die spezifischen Eigenheiten<br />

der einzelnen Ansätze zu ignorieren.<br />

Zugleich kann durch diesen Rückbezug auf bestehende Ansätze,<br />

Modelle <strong>und</strong> Theorien das hier entwickelte Modell<br />

interkultureller <strong>Kompetenz</strong> weiter konkretisiert werden. <strong>Ein</strong>e<br />

weitere Konkretisierung ist geboten, da mit dem Rahmenmodell,<br />

wie es bis hierher entwickelt wurde, zwar ein theoretisches<br />

<strong>und</strong> begriffliches Instrumentarium vorliegt, mit dem die<br />

Gr<strong>und</strong>idee von <strong>Kompetenz</strong> als Prozess beschrieben werden<br />

kann, die Darstellung der stattfindenden Prozesse aber bisher<br />

recht abstrakt verbleibt.<br />

3.1 Die Ebene der kognitiven, affektiven <strong>und</strong> verhaltensbezogenen<br />

Ressourcen interkultureller <strong>Kompetenz</strong><br />

Um in einem zweiten Schritt Prozesse konkretisieren zu können,<br />

bedarf es zunächst einmal einer Betrachtung der Komponenten,<br />

die durch solche Prozesse organisiert werden.<br />

Da das Verständnis von <strong>Kompetenz</strong>, wie es hier entwickelt<br />

wird, nicht in Konkurrenz zu Listen- <strong>und</strong> Strukturmodellen<br />

interkultureller <strong>Kompetenz</strong> steht, sondern diese vielmehr ergänzt,<br />

indem organisierende psychische Prozesse hinzugefügt<br />

– gewissermaßen „aufgesetzt“ –werden, kann bei der<br />

Modellierung der Ressourcen-Ebene auf die Erkenntnisse aus<br />

bestehenden Modellen zurückgegriffen werden. Aus Sicht<br />

dieses Zwei-Ebenen-Modells interkultureller <strong>Kompetenz</strong> beschreiben<br />

die Listen- <strong>und</strong> Strukturmodelle (nur) die Ressourcenebene.<br />

Damit kommen prinzipiell alle Wissensbestandteile,<br />

Fähigkeiten, Fertigkeiten, <strong>Ein</strong>stellungen, Motive usw., die<br />

auch bisher als Bestandteile interkultureller <strong>Kompetenz</strong> betrachtet<br />

wurden, als potentielle Ressourcen in Frage (ein<br />

Überblick über Komponenten aus den Bereichen Skills,<br />

Knowledge <strong>und</strong> Motivation aus der englischsprachigen Literatur<br />

findet sich bei Spitzberg <strong>und</strong> Changnon 2009).<br />

Darüber hinaus lassen sich über diese Konstruktionsweise von<br />

<strong>Kompetenz</strong> viele Erkenntnisse einbinden, die auf den ersten<br />

Blick ohne direkt erkennbare Bezüge nebeneinander zu stehen<br />

scheinen. Maas, Over <strong>und</strong> Mienert (2008) z.B. fassen individuelle<br />

interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> als „Konstruktiver Umgang<br />

mit kultureller Vielfalt“, „Sensibilität für kulturelle <strong>Ein</strong>flüsse“<br />

<strong>und</strong> „Kulturelle Vielfalt respektieren“. Shaftel, Shaftel<br />

<strong>und</strong> Ahluwalia (2007) hingegen heben u.a. auf „openmindedness“<br />

<strong>und</strong> „emotional resilience“ ab. Solche Studien<br />

liefern wichtige Erkenntnisse zu speziellen Fragen bezüglich<br />

31 © Interculture Journal 2011 | 14


Dauner: Die organisierende Funktion von <strong>Kompetenz</strong> – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller<br />

<strong>Kompetenz</strong><br />

interkultureller <strong>Kompetenz</strong>. Es stellt sich aber aus einer kompetenztheoretischen<br />

Sicht die Frage, in welchem Zusammenhang<br />

die Ergebnisse zu einem Gesamt-Konstrukt interkultureller<br />

<strong>Kompetenz</strong> stehen. Wie in anderen empirischen Wissenschaftsgebieten<br />

auch erschweren die hohe Spezifität, sowie<br />

unterschiedliche theoretische Bezüge <strong>und</strong><br />

Operationalisierungen den Blick auf übergreifende Zusammenhänge<br />

<strong>und</strong> Strukturen. Aus Sicht eines zwei-Ebenen-<br />

Modells, wie es hier entwickelt wird, können die untersuchten<br />

Fähigkeiten, <strong>Ein</strong>stellungen etc. als (potentielle) Ressourcen<br />

gelten, die zu gelingendem Handeln beitragen können <strong>und</strong><br />

so in ein umfassenderes Modell interkultureller <strong>Kompetenz</strong><br />

integriert werden.<br />

Vor dem Hintergr<strong>und</strong> einer solchen Vorstellung von <strong>Kompetenz</strong><br />

erscheinen die Erkenntnisse der bisherigen interkulturellen<br />

<strong>Kompetenz</strong>forschung in einem anderen Licht. In Modellen,<br />

die mit einem summativen <strong>Kompetenz</strong>begriff operieren,<br />

wird, ganz allgemein gefasst, davon ausgegangen, dass mehr<br />

<strong>und</strong> besser ausgeprägte Komponenten zu höherer <strong>Kompetenz</strong><br />

führen. Dieser Vorgang kann mit dem Modell der <strong>Kompetenz</strong><br />

als organisierende Funktion differenzierter beschrieben<br />

werden: Mehr verfügbare Komponenten, z.B. mehr Wissen<br />

über eine spezielle Kultur, führen nicht zwangsläufig zu<br />

einem höheren <strong>Kompetenz</strong>niveau, aber das Individuum kann<br />

bei der Generierung adäquater Handlungen auf eine qualitativ<br />

<strong>und</strong> quantitativ weiter entwickelte Ressourcen-Basis zugreifen,<br />

wodurch die Wahrscheinlichkeit auf gelingendes<br />

Handeln steigt; der Tintenfisch – um das Bild aufzugreifen –<br />

hat mehr <strong>und</strong> stabilere Knotenpunkte, die er aufnehmen <strong>und</strong><br />

miteinander verbinden kann.<br />

3.2 Die Prozess-Ebene: Organisierende Prozesse <strong>und</strong><br />

ihre Funktionen<br />

<strong>Kompetenz</strong> im Sinne des Modells bedeutet allgemein zunächst<br />

einmal Organisation der kognitiven, affektiven <strong>und</strong><br />

verhaltensbezogenen Ressourcen im Prozess der Handlungsgenese.<br />

Anhand eines fiktiven Beispiels lassen sich die Prozesse<br />

in ihren Gr<strong>und</strong>zügen veranschaulichen.<br />

Stephanie macht nach Abschluss ihres Studiums ein Praktikum<br />

bei einer Firma in Japan. Sie hat eine Idee zur Lösung<br />

eines Problems, das in dem Projekt aufgetreten ist, an dem<br />

sie mitarbeiten darf. Wie könnte die Genese einer kompetenten<br />

Handlung in einer solchen Anforderungssituation aussehen?<br />

Stephanie ist sich ihrer niedrigen Stellung als „Junior“<br />

(Kouhai) innerhalb der Gruppe bewusst (Selbst-<br />

Wahrnehmung in Verbindung mit konkretem kulturspezifischen<br />

Wissen), sie weiß, dass das Kommunikationsverhalten<br />

von vielen Japanern als indirekt, kollektivistisch <strong>und</strong><br />

© Interculture Journal 2011 | 14 32


Dauner: Die organisierende Funktion von <strong>Kompetenz</strong> – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller<br />

<strong>Kompetenz</strong><br />

Harmonie-wahrend charakterisiert werden kann (kulturspezifische<br />

Wissensbestandteile). Sie weiß auch, dass ein<br />

direkt vorgebrachter Veränderungsvorschlag erstens als Kritik<br />

an der bisherigen Arbeit des Teams aufgefasst werden kann,<br />

da viele Japaner stärker kontextorientiert kommunizieren, also<br />

auch <strong>zwischen</strong> den Zeilen „hören“ (kulturelles Wissen),<br />

<strong>und</strong> zweitens zu Kommunikationsproblemen führen kann, da<br />

mit der Ablehnung der Idee einer Person auch Kritik an der<br />

Person bzw. ihrer Urteilsfähigkeit verb<strong>und</strong>en ist <strong>und</strong> somit der<br />

Gr<strong>und</strong>satz der Wahrung der Harmonie verletzt werden kann<br />

(kulturelles Wissen). Hinzu kommen affektive Ressourcen.<br />

Stephanie besitzt genügend Offenheit, die von ihr wahrgenommenen<br />

kulturellen Unterschiede zu akzeptieren. Da sie<br />

darüber hinaus auch über ausreichend Frustrationstoleranz<br />

verfügt, damit leben zu können, „ihre eigene“ Idee nicht explizit<br />

als ihr „geistiges Eigentum“ gekennzeichnet einbringen<br />

zu müssen (<strong>Ein</strong>stellungen), eröffnet sich für sie die Möglichkeit,<br />

ihre Idee indirekt zu platzieren. Ihren Vorschlag formuliert<br />

sie also nicht als ihre eigene Idee, sondern behauptet, sie<br />

habe gehört, dass eine andere Firma das so machen würde.<br />

Ihre Idee wird vom Team aufgegriffen, weiterentwickelt <strong>und</strong><br />

umgesetzt. Zur Generierung der Handlung „indirekter Vorschlag“<br />

griff die organisierende Instanz, die sich über den Tintenfisch<br />

verbildlichen lässt, auf ausreichend viele kognitive,<br />

affektive <strong>und</strong> verhaltensbezogene Ressourcen zu <strong>und</strong> konnte<br />

diese in Bezug auf die Anforderungssituation sinnvoll zusammenführen.<br />

<strong>Kompetenz</strong> zeigt sich in einem solchen Fall darin, dass es dem<br />

organisierenden Mechanismus gelingt, in Bezug auf die speziellen<br />

Anforderungen <strong>und</strong> Gegebenheiten einer konkreten<br />

Situation Wissensbestände, <strong>Ein</strong>stellungen <strong>und</strong> Fähigkeiten<br />

auszuwählen, auf die Situation anzupassen <strong>und</strong> in Verbindung<br />

zueinander zu setzen. Weitergehend kann (interkulturelle)<br />

<strong>Kompetenz</strong> in Anlehnung an die Konzepte der allgemeinen<br />

Metakognition bei Flavell (1979) <strong>und</strong> der Fortschreibung<br />

als kulturelle Metakognition bei D.C. Thomas et al.<br />

(2008) verstanden werden als eine Metafunktion zur Steuerung<br />

<strong>und</strong> Regulation der Handlungen i.w.S. sowie zur Überwachung<br />

<strong>und</strong> Kontrolle der dabei stattfindenden Abläufe <strong>und</strong><br />

Erreichung des Handlungszieles (siehe auch Weinert<br />

2001:54ff.). Die Vorstellung von interkultureller <strong>Kompetenz</strong><br />

als Ressourcenbasis, bestehend aus kognitiven, affektiven <strong>und</strong><br />

verhaltensbezogenen Komponenten <strong>und</strong> einer steuernden<br />

<strong>und</strong> kontrollierenden Organisationsinstanz, bietet Erklärungsmöglichkeiten<br />

für eine Reihe von Phänomenen, die, insbesondere<br />

mit Komponenten-Modellen, nicht oder nur unzureichend<br />

abgebildet <strong>und</strong> erklärt werden können, z.B. der<br />

Transfer von Komponenten aus einem Kontext heraus auf<br />

33 © Interculture Journal 2011 | 14


Dauner: Die organisierende Funktion von <strong>Kompetenz</strong> – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller<br />

<strong>Kompetenz</strong><br />

andere (siehe z.B. Barmeyer / Laue 2010) oder die „Kompensation“<br />

von fehlenden Komponenten (siehe z.B. D. C. Thomas<br />

et al. 2008).<br />

Soeben wurde ausgeführt, dass kompetentes Handeln entsteht,<br />

wenn es dem Individuum gelingt, kognitive, affektive<br />

<strong>und</strong> verhaltensbezogene Ressourcen zusammenzuführen.<br />

Dieses Zusammenführen, das Zusammenspiel der Komponenten<br />

ist jedoch als ein komplexer <strong>und</strong> damit auch störanfälliger<br />

Prozess zu verstehen – u.a. weil die vorhandenen Komponenten<br />

in Bezug auf die Anforderungen der jeweiligen Situation<br />

aktualisiert werden müssen (vgl. Straub, Nothnagel <strong>und</strong> Weidemann<br />

2010:22f.). Um ein erfolgreiches Zusammenspiel zu<br />

ermöglichen, muss die organisierende Instanz also weitere<br />

Leistungen erbringen. Auf einige dieser Funktionen wird im<br />

Folgenden näher eingegangen.<br />

3.2.1 Funktion Anwendung auf konkrete Situationen<br />

<strong>Ein</strong>e Funktion bezieht sich auf die Anwendung der Komponenten<br />

auf die konkrete Situation in ihrer Besonderheit <strong>und</strong><br />

<strong>Ein</strong>maligkeit. Weidemann beschreibt dieses Gr<strong>und</strong>problem<br />

treffend, indem der darauf hinweist, dass sich interkulturelle<br />

<strong>Kompetenz</strong> auf „die Fähigkeit zum Umgang mit Unbekanntem,<br />

über das sich per definitionem im Vorfeld kein kontextspezifisches<br />

Wissen aneignen lässt, sondern das [...] in situ<br />

erschlossen werden kann <strong>und</strong> muss“ (Weidemann 2010:489),<br />

bezieht. Gut veranschaulichen lässt sich der Vorgang anhand<br />

der kognitiven Komponenten. Unabhängig davon, ob Wissen<br />

über andere Kulturen in Form von mehr oder weniger<br />

abstrakten Kulturbeschreibungen, wie in Kulturstandards (A.<br />

Thomas 1996), Kulturdimensionen (Hofstede 2003), Dichten<br />

Beschreibungen (Geertz 1973) etc. oder in Form von konkretem<br />

Erfahrungswissen vorliegt, die Herausforderung in einer<br />

Anwendungssituation besteht darin, das Wissen auf die aktuelle<br />

Situation mit ihren Gegebenheiten <strong>und</strong> Anforderungen<br />

zu beziehen. Kompetentes Handeln wird erst durch die Verbindung<br />

von Kenntnissen (hier: über andere Kulturen) <strong>und</strong><br />

der Fähigkeit, die Kenntnisse auf konkrete Situationen beziehen<br />

zu können, ermöglicht. Interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> zeigt<br />

sich also z.B. nicht bereits darin den japanischen Kulturstandard<br />

„Konsensorientierung“ (Petzold et al. 2005) zu kennen,<br />

sondern setzt zumindest voraus, Konsensorientierung im tatsächlich<br />

praktizierten Handeln, also in ihren jeweiligen Varianten<br />

<strong>und</strong> Spielformen identifizieren zu können. <strong>Ein</strong>e zentrale<br />

Herausforderung für die interkulturell Handelnden ist die<br />

Anwendung der Komponenten auf die konkrete Situation mit<br />

ihren Spezifika.<br />

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Dauner: Die organisierende Funktion von <strong>Kompetenz</strong> – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller<br />

<strong>Kompetenz</strong><br />

Mit dem Modell der <strong>Kompetenz</strong> als Ressourcenbasis <strong>und</strong> einer<br />

organisierenden Instanz können solche Vorgänge differenziert<br />

erfasst <strong>und</strong> analysiert werden. Über die Beschaffenheit<br />

der Ressourcen hinaus ist dann zu fragen, inwieweit eine<br />

Person auch über die notwendigen Fähigkeiten zur Steuerung,<br />

hier konkret zur Applikation der Komponenten in Bezug<br />

auf die konkrete Situation, verfügt.<br />

3.2.2 Funktion „korrekte“ Anwendung<br />

Vorausgehend wurde argumentiert, dass das situative Anwenden<br />

von Komponenten als eine Funktion der organisierenden<br />

Instanz betrachtet werden kann. Inkompetentes Handeln<br />

kann also auf eine mangelnde Komponentenausstattung<br />

oder unzureichende Steuerung zurückzuführen sein. <strong>Ein</strong> Spezialfall<br />

der unzureichenden Steuerung, nämlich „fehlerhafte“<br />

Steuerung, bedarf genauerer Betrachtung.<br />

Man stelle sich die Praktikantin Stephanie mit all den beschriebenen<br />

Ressourcen beim Ausgehen mit gleichaltrigen<br />

japanischen Bekannten vor. Ihr indirekt vorgebrachter Vorschlag<br />

in Kneipe xy weiter zu feiern, geht schlicht <strong>und</strong> einfach<br />

unter. Der organisierende Mechanismus hat auf die gleichen<br />

Ressourcen zugegriffen, wie beim Vorschlag im Projektteam<br />

(Indirektheit, Kontextorientierung, Kollektivismus etc.). Erklärt<br />

werden kann eine solche Situation über Verallgemeinerungsfehler<br />

in dem Sinn, dass es u.a. signifikante intergenerationelle<br />

Unterschiede in Japan z.B. in Bezug auf<br />

Kollektivimus <strong>und</strong> Individualismus gibt, diese aber nicht berücksichtigt<br />

wurden. Junge Japaner sind weniger kollektivistisch<br />

orientiert als der gesamtgesellschaftliche Durchschnitt<br />

<strong>und</strong> somit auch stärker individualistisch, als eine stereotypische<br />

Sichtweise nahelegt (Matsumoto 2002:37ff.). Das Problem<br />

ist nicht, dass keine Ressourcen vorhanden wären, sondern<br />

dass – bezogen auf die konkrete Situation <strong>und</strong> deren<br />

spezifische Anforderungen – die „falschen“ Komponenten<br />

aktiviert wurden, noch treffender, die Komponenten „falsch“<br />

aktiviert wurden. Die Nutzung des vorhandenen Wissens etc.<br />

war nicht auf die konkreten Anforderungen der Situation abgestimmt.<br />

Dieser Fall verdeutlicht noch einmal aus einer anderen Perspektive,<br />

warum mit einem summativen <strong>Kompetenz</strong>verständnis,<br />

kompetentes oder inkompetentes Handeln nicht hinreichend<br />

erklärt werden kann. Legt man ein (beliebiges) Modell,<br />

das mit einem summativen <strong>Kompetenz</strong>begriff arbeitet, an,<br />

dann erscheint eine Person, die über einen ausgeprägten<br />

F<strong>und</strong>us an kulturellem Wissen, <strong>Ein</strong>stellungen, Fähigkeiten etc.<br />

verfügt, als kompetent. Da inadäquate Handlungen zum Teil<br />

nicht durch das Fehlen von Komponenten verursacht werden<br />

(auch nicht durch das Fehlen einer steuernden / organisieren-<br />

35 © Interculture Journal 2011 | 14


Dauner: Die organisierende Funktion von <strong>Kompetenz</strong> – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller<br />

<strong>Kompetenz</strong><br />

den Funktion), sondern, wie im Beispiel, durch falsche Anwendung<br />

der Komponenten, empfiehlt es sich Vorgänge, die<br />

sich auf die Anwendung der Komponenten beziehen, in das<br />

<strong>Kompetenz</strong>konstrukt zu integrieren. 1<br />

Zur theoretischen <strong>und</strong> empirischen F<strong>und</strong>ierung kann man an<br />

dieser Stelle auf die Stereotypisierungsforschung zurückgreifen,<br />

da diese u.a. Prozesse der Kategorisierung von Individuen<br />

<strong>und</strong> unzutreffender Generalisierungen thematisiert. Stereotypisierung<br />

umfasst nach Tajfel (1969) die drei Prozesses Kategorisierung,<br />

Generalisierung <strong>und</strong> Akzentuierung (Jonas /<br />

Schmid Mast 2007). Im Prozess der Kategorisierung werden<br />

Individuen einer Kategorie zugeordnet. <strong>Ein</strong>zelne Personen<br />

werden z.B. als Deutsche, als Japaner etc. wahrgenommen.<br />

Im Prozess der Generalisierung werden den Personen einer<br />

Kategorie gemeinsame Merkmale zugeschrieben. Schneider<br />

(2005) erkennt darin das zentrale Merkmal von Stereotypen<br />

<strong>und</strong> definiert demgemäß: „Stereotypes are qualities perceived<br />

to be associated with particular groups or categories of<br />

people“ (Schneider 2005:24). Der dritte Prozess bezieht sich<br />

auf die Akzentuierung der wahrgenommenen Merkmale einer<br />

Gruppe (Jonas / Schmid Mast 2007:72). Stereotypen können<br />

in diesem Sinn als „unjustified generalizations“ (Schneider<br />

2005:42) verstanden werden. Das inkompetente Verhalten<br />

der Praktikantin im Beispiel lässt sich mit Hilfe der Akzentuierung<br />

<strong>und</strong> den daraus resultierenden ungerechtfertigten<br />

Verallgemeinerungen erklären. Existierende Unterschiede<br />

wurden unzulässig verallgemeinert <strong>und</strong> auf Kollektive <strong>und</strong><br />

Individuen transferiert, auf welche die angenommenen<br />

Merkmale nur eingeschränkt oder nicht zutreffen.<br />

Im Anschluss an die Psychologie der Stereotypisierung lässt<br />

sich ein Teil der Prozesse, die <strong>Kompetenz</strong> ausmachen, deutlicher<br />

fassen. Dabei können die Stereotypisierung <strong>und</strong> das<br />

kompetente Organisieren der Ressourcen als zwei Seiten des<br />

gleichen Vorgangs verstanden werden. Während Stereotypisierung<br />

den einen Fall, nämlich zu <strong>und</strong>ifferenzierte Kategorisierung,<br />

unangemessene Generalisierung etc., behandelt,<br />

kann mit der Umkehrung der Vorgänge die Organisationsfunktion<br />

der <strong>Kompetenz</strong> näher beschrieben werden. <strong>Kompetenz</strong><br />

lässt sich demgemäß u.a. ausmachen in der meta-<br />

Fähigkeit, die kognitiven, affektiven <strong>und</strong> verhaltensbezogenen<br />

Ressourcen angemessen, im Sinne von nichtstereotypisierend,<br />

den situativen Gegebenheiten <strong>und</strong> Anforderungen<br />

gemäß, anzuwenden. Anders formuliert heißt dies:<br />

Kompetent ist nicht unbedingt, wer kulturelle Eigenheiten<br />

einer gegebenen Kultur kennt <strong>und</strong> anderskulturelle kommunikative<br />

Handlungen, wie Begrüßungsformen, beherrscht,<br />

sondern diejenige Person, die darüber hinaus über die (Meta-<br />

)Fähigkeit verfügt, die Anwendung der Komponenten adä-<br />

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Dauner: Die organisierende Funktion von <strong>Kompetenz</strong> – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller<br />

<strong>Kompetenz</strong><br />

quat zu steuern, um z.B. entscheiden zu können, wann, auf<br />

wen, wie diese Komponenten angemessen angewendet werden<br />

können.<br />

3.2.3 Interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> unter den Bedingungen<br />

des dualen Kultur-Diskurses<br />

Mit der vorausgegangen beschriebenen Funktion liegt ein<br />

Konzept vor, mit dem sich auch das Verhältnis der beiden<br />

Konstrukte „Interkulturelle <strong>Kompetenz</strong>“ <strong>und</strong> „Kultur“ neu<br />

bestimmen lässt. Dazu muss aber zunächst einmal der Kulturbegriff<br />

genauer betrachtet werden.<br />

Mit einem Modell interkultureller <strong>Kompetenz</strong> sind auch - explizit<br />

oder implizit - Aussagen über das zu Gr<strong>und</strong>e liegende<br />

<strong>Kompetenz</strong>verständnis verb<strong>und</strong>en. Was unter Kultur zu verstehen<br />

sei, wird in den einzelnen Ansätzen unterschiedlich<br />

beantwortet, die Diskussion über den (angemessenen) Kulturbegriff<br />

dabei zuweilen vehement geführt (Rathje 2006).<br />

Löst man sich von den einzelnen Ansätzen mit ihren Spezifika<br />

<strong>und</strong> betrachtet dafür die gr<strong>und</strong>legenden Verständnisse von<br />

Kultur, dann lassen sich in den Sozialwissenschaften im Allgemeinen<br />

wie auch im Feld der interkulturellen Kommunikation<br />

<strong>und</strong> <strong>Kompetenz</strong> zwei Gr<strong>und</strong>verständnisse von Kultur<br />

ausmachen (Baumann 1999, Moosmüller 2004, Otten / Geppert<br />

2009).<br />

Im ersten Konzept bezieht sich Kultur auf eine irgendwie geartete<br />

Gleichheit des Denkens, Fühlens, Wahrnehmens oder<br />

Verhaltens von Mitgliedern bestimmter Gruppen (Hansen<br />

2003). „Kultur ist eine tradierte Struktur, sie ist den Menschen<br />

gegeben <strong>und</strong> prägt ihr Wahrnehmen, Denken <strong>und</strong><br />

Handeln [...]“ (Moosmüller 2004:61). Anschaulich charakterisiert<br />

<strong>und</strong> problematisiert zugleich Baumann diese Sichtweise:<br />

„Culture [...] appears as a mold that shapes lives or, to put it<br />

somewhat polemically, as a giant photocopy machine that<br />

keeps turning out identical copies“ (Baumann 1999:25). Entsprechend<br />

dieses Verständnisses von Kulturen können solche<br />

Ansätze als „essentialistisch“ bezeichnet werden (Baumann<br />

1999:24, Moosmüller 2004:60). Essentialistische Vorstellungen<br />

von Kultur sind im Feld der interkulturellen Kommunikation<br />

(Moosmüller 2004) wie auch im Alltag (Baumann 1999)<br />

weit verbreitet. Beispielsweise zeigt Moosmüller (2004) auf,<br />

dass die Kulturbegriffe, wie sie von Hall oder Hofstede verwendet<br />

werden, einer solchen Kategorie zugerechnet werden<br />

können.<br />

Dem gegenüber stehen Kulturverständnisse, die u.a. in kritischer<br />

Abgrenzung zu einem essentialistischen Verständnis<br />

entstanden sind. Moosmüller führt aus,<br />

37 © Interculture Journal 2011 | 14


Dauner: Die organisierende Funktion von <strong>Kompetenz</strong> – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller<br />

<strong>Kompetenz</strong><br />

„[...] ,dass sich die Auffassungen von Kultur bzw. vom Verhältnis <strong>zwischen</strong><br />

Individuum <strong>und</strong> Kultur in neuer Zeit gr<strong>und</strong>legend gewandelt haben. Im<br />

Unterschied zu klassischen [...] Ideen, wonach das Individuum als eine Art<br />

Automat präformierte Regeln umsetzt, wird es heute als Gestalter seiner<br />

sozialen Umwelt gesehen [...]. Mit 'Kultur' werden keine uranfänglich gegebenen,<br />

abgrenzbaren, geschlossenen, homogenen Entitäten mehr gemeint,<br />

sondern konstruierte, fluide, unscharfe <strong>und</strong> in sich widersprüchliche<br />

Phänomene [...]." (Moosmüller 2004:47)<br />

Gr<strong>und</strong>legend für solche nicht-essentialistischen Kulturbegriffe<br />

ist die Erkenntnis, dass „Kultur“ für die jeweiligen Gruppen<br />

<strong>und</strong> für die <strong>Ein</strong>zelnen nicht per se gegeben ist, sondern konstruiert<br />

wird <strong>und</strong> durch die handelnden Akteure erst hervorgebracht<br />

wird.<br />

„Culture in this second <strong>und</strong>erstanding, which may be called the processual,<br />

is not so much a photocopy machine as a concert, or indeed a historically<br />

improvised jam session. It only exists in the act of being performed,<br />

and it can never stand still or repeat itself without changing its meaning.“<br />

(Baumann 1999:26)<br />

Weiter in den Fokus der Betrachtung rücken in diesem Zusammenhang<br />

z.B. Phänomene wie die Erschaffung von Kulturen<br />

(siehe z.B. „doing culture“ bei Hörning / Reuter 2004),<br />

der Wandel von Kulturen <strong>und</strong> die Hybridität von kulturellen<br />

Identitäten (siehe z.B. Sökefeld 2007).<br />

Welche Berechtigung <strong>und</strong> welchen Nutzen die jeweiligen<br />

Konzepte von Kultur besitzen, soll hier nicht weiter thematisiert<br />

werden. Stattdessen wird betrachtet, welche Vorstellungen<br />

von Kultur in der (Alltags-)Praxis interkultureller Situationen<br />

handlungswirksam werden. Damit ändert sich die Perspektive<br />

auf den Kulturbegriff; es wird nicht mehr gefragt,<br />

welcher Kulturbegriff der richtige, angemessene oder ertragreichere<br />

sein mag, sondern auf welches Verständnis von Kultur<br />

Menschen beim Handeln in mehrkulturellen Kontexten<br />

zurückgreifen. Dieser Frage geht Baumann (1999) auf Gr<strong>und</strong>lage<br />

(s)einer qualitativ-ethnografischen Studie in einem hochgradig<br />

multikulturellen Londoner Stadtteil nach (Baumann<br />

1996). Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist, dass ein essentialistisches<br />

Kulturverständnis zwar aus Sicht der Wissenschaft<br />

als überholt eingestuft werden kann <strong>und</strong> dem prozessualen<br />

Verständnis der Vorzug zu geben ist, man sich aber<br />

trotzdem nicht vom diesem Kulturbegriff verabschieden kann,<br />

solange essentialistische Vorstellungen von Kultur Teil der<br />

Wirklichkeitskonstruktion von Personen sind, die in kulturellen<br />

Überschneidungssituationen agieren (Baumann<br />

1999:90f.). Baumann betrachtet die essentialistische <strong>und</strong> die<br />

prozessuale Auffassung von Kultur als zwei Formen des Diskurses<br />

über Kultur (Baumann 1999:93) <strong>und</strong> untersucht, wie<br />

diese in einem multikulturellen Umfeld praktiziert werden. Er<br />

kommt dabei zu folgendem Schluss:<br />

© Interculture Journal 2011 | 14 38


Dauner: Die organisierende Funktion von <strong>Kompetenz</strong> – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller<br />

<strong>Kompetenz</strong><br />

„Most people practice a double discursive competence when it comes to<br />

their discourses about culture [...]. In some situations, they can speak of, or<br />

treat, their own culture or somebody else‘s as if it were the tied and tagged<br />

baggage of a national, ethnic, or religious group. They can thus essentialize<br />

their discourse of culture to the point of creating totally static stereotypes<br />

[...]. In other situations, however, they can speak of, and treat, their own<br />

culture or somebody else‘s as if it were plastic and pliable, something that<br />

is to be shaped rather than has been shaped, something you make rather<br />

than have.“ (Baumann 1999:93f.)<br />

In der sozialen Wirklichkeit zeigt sich also, dass Personen flexibel<br />

<strong>zwischen</strong> den beiden Diskursformen wechseln (können),<br />

eigene wie andere Kulturen also in manchen Situationen<br />

essentialisieren <strong>und</strong> reifizieren, in anderen wiederum kulturelle<br />

Unterschiede relativieren (Baumann 1999:132).<br />

Bei der Betrachtung von Kultur rückt damit die Frage nach<br />

den Kulturbegriffen <strong>und</strong> ihrer Gültigkeit in den Hintergr<strong>und</strong><br />

<strong>und</strong> wird ersetzt durch die Frage nach den Gründen für einen<br />

Wechsel von einer Diskursform in die andere (Baumann<br />

1999:132, Risager 2009). Weiterführend wäre diesbezüglich,<br />

zu klären, in welchem Zusammenhang unterschiedliche<br />

Machtkonstellationen <strong>und</strong> insbesondere die darin anzutreffenden<br />

Machtasymmetrien, auf die z.B. Auernheimer (2008)<br />

in Bezug auf interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> hinweist, mit der<br />

Wahl der Kultur-Diskursformen <strong>und</strong> einem möglichen Wechsel<br />

von einer Diskursform in die andere stehen.<br />

Auf Gr<strong>und</strong>lage eines Verständnisses von Kultur als dualer Diskurs,<br />

wie oben dargestellt, soll hier das Konstrukt interkulturelle<br />

<strong>Kompetenz</strong> weiter entwickelt werden (vgl. Risager<br />

2009) 2 . Analog zur Diskussion des Kulturbegriffs geht es bei<br />

der Entwicklung eines Modells interkultureller <strong>Kompetenz</strong> vor<br />

dem Hintergr<strong>und</strong> eines dualen Kulturverständnisses nicht<br />

mehr um die Frage, welcher Kulturbegriff der angemessenere<br />

oder nützlichere ist, sondern um die Frage, wie sowohl essentialistische<br />

als auch konstruktivistisch-prozessuale Vorstellungen<br />

von Kultur berücksichtigt werden können. Wenn nämlich<br />

Personen im Alltag kultureller Begegnungen auf zwei prinzipiell<br />

unterschiedliche Weisen mit Kultur umgehen <strong>und</strong> wenn<br />

sie darüber hinaus flexibel <strong>und</strong> situativ <strong>zwischen</strong> den beiden<br />

Diskursformen wechseln, dann ergibt sich daraus die Anforderung<br />

an interkulturell kompetentes Handeln, erstens zu<br />

erkennen, welche Diskursform (<strong>und</strong> in welcher Rigidität) in<br />

einer konkreten Situation praktiziert wird, zweites adäquat<br />

auf die jeweilige Diskursformen reagieren zu können <strong>und</strong><br />

drittens zu erkennen, wann es zu einem Wechsel der Diskursformen<br />

kommt. 3<br />

Mit Hilfe des Modells der interkulturellen <strong>Kompetenz</strong> als<br />

organisierende Funktion lässt sich interkulturelle <strong>Kompetenz</strong><br />

unter den Bedingungen, die der duale Kultur-Diskurs stellt,<br />

39 © Interculture Journal 2011 | 14


Dauner: Die organisierende Funktion von <strong>Kompetenz</strong> – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller<br />

<strong>Kompetenz</strong><br />

beschreiben. Die Struktur <strong>und</strong> Prozesse interkultureller <strong>Kompetenz</strong><br />

in Bezug auf die Kulturkonzepte können als ein spezieller<br />

Aspekt des allgemeinen Modells verstanden werden <strong>und</strong><br />

analog zu diesem entwickelt werden. Verfügt eine Person nur<br />

über kognitive, affektive <strong>und</strong> verhaltensbezogene Ressourcen,<br />

die sich auf eine der beiden Kultur-Diskurs-Formen bezieht,<br />

verringert sich die Wahrscheinlichkeit auf adäquates Handeln<br />

in Situationen, die durch die jeweils andere Diskursform bestimmt<br />

werden. Es erscheint aus dieser Sicht als angebracht in<br />

ein Modell interkultureller <strong>Kompetenz</strong> kognitive, affektive<br />

<strong>und</strong> verhaltensbezogene Komponenten für beide Kontexte<br />

bzw. Diskurse einzubeziehen. Zum Beispiel kann Wissen über<br />

„andere“ Kulturen auch in Form von Kulturstandards (A.<br />

Thomas 1996) oder Kulturdimensionen (Hall / Hall 1983) hilfreich<br />

sein, um Situationen zu navigieren, die durch einen essentialistischen<br />

Kulturdiskurs geprägt werden. In Situationen<br />

hingegen, in denen ein prozessuales Verständnis anzutreffen<br />

ist, können z.B. Fähigkeiten zur Bildung von Dritt-Kulturen<br />

(Matoba 2011) ihre besondere Wirkung entfalten. Allein das<br />

Vorhandensein der entsprechenden Ressourcen für beide<br />

Formen des Kulturdiskurses ist auch hier noch kein Garant für<br />

interkulturell kompetentes Handeln. Als entscheidend kann<br />

angesehen werden, ob es einem Individuum gelingt, den <strong>Ein</strong>satz<br />

der Komponenten entsprechend, also situationsangemessen,<br />

zu steuern, wobei die dabei stattfindenden Prozesse<br />

entsprechend den allgemeinen Vorgängen modelliert werden<br />

können. Unter Übergeneralisierung kann hier der Vorgang<br />

verstanden werden, Komponenten, die sich auf ein essentialistisches<br />

Kulturverständnis beziehen, auch auf <strong>und</strong> in Situationen<br />

anzuwenden, in denen die Beteiligten einen prozessualen<br />

Kultur-Diskurs praktizieren <strong>und</strong> umgekehrt. Interkulturell<br />

kompetent zu handeln bedeutet in diesem Sinn also auch,<br />

sich nicht an Differenzen zu orientieren <strong>und</strong> auszurichten, wo<br />

Kultur prozessual gedacht <strong>und</strong> entsprechend gehandelt wird.<br />

Zusammengefasst, interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> bedeutet im<br />

Hinblick auf dualen Kultur-Diskurs, wie er im Alltag kultureller<br />

Überschneidung anzutreffen ist, die Befähigung zum Handeln<br />

in Situationen, die von essentialistischen Kulturvorstellungen<br />

strukturiert wird, als auch in jenen Situationen, in denen ein<br />

prozessualer Diskurs stattfindet. Kompetentes Handeln kann<br />

vor dem Hintergr<strong>und</strong> eines solchen Kultur-Konzepts erklärt<br />

werden über kognitive, affektive <strong>und</strong> verhaltensbezogene<br />

Ressourcen für beide Diskurs-Formen sowie eine Instanz, die<br />

den angemessenen <strong>Ein</strong>satz der Ressourcen, in Bezug auf den<br />

jeweiligen Handlungskontext <strong>und</strong> hier insbesondere das anzutreffende<br />

Kulturkonzept steuert.<br />

© Interculture Journal 2011 | 14 40


Dauner: Die organisierende Funktion von <strong>Kompetenz</strong> – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller<br />

<strong>Kompetenz</strong><br />

3.2.4 Funktion Steuerung von Lernprozessen<br />

Im Zusammenhang mit der Anwendung von Komponenten<br />

auf konkrete Situationen wurde bereits darauf hingewiesen,<br />

dass Handeln in kulturellen Überschneidungssituationen auch<br />

bedeutet, auf Unbekanntes reagieren zu können (Weidemann<br />

2010). Das handelnde Individuum wird immer wieder<br />

damit konfrontiert werden, dass die vorhandenen Ressourcen,<br />

z.B. das kulturelle Wissen, nicht genügen, um unmittelbar<br />

erfolgreich agieren zu können. Die Fähigkeit sich Wissen,<br />

Fähigkeiten usw. anzueignen, sprich die Fähigkeit zu lernen<br />

i.w.S., wird damit zu einem wichtigen Bestandteil interkultureller<br />

<strong>Kompetenz</strong> (Byram 1997, Weidemann 2010). Ob ein<br />

Individuum kompetent handeln kann, wird dadurch mitbestimmt,<br />

ob <strong>und</strong> wie schnell es sich Wissen, Können etc. aneignen<br />

kann.<br />

Legt man das Zwei-Ebenen-Modell interkultureller <strong>Kompetenz</strong>,<br />

wie es hier entwickelt wird, an, dann kann der Vorgang<br />

wie folgt beschrieben werden. Fehlendes Wissen, unzureichende<br />

Fähigkeiten <strong>und</strong> <strong>Ein</strong>stellungen können als „Lücken“<br />

in der Ressourcenbasis verstanden werden. Greift man das<br />

Bild des Tintenfisches auf, dann sind dies „Lücken“ oder<br />

„Schwachstellen“ im Netz. Diese Lücken durch Lernprozesse<br />

zu schließen, kann als eine weitere zentrale Funktion der organisierenden<br />

Instanz angesehen werden.<br />

4. Fazit<br />

Ausgangspunkt der Überlegungen ist die Erkenntnis, dass es<br />

nicht gelingt (interkulturelle) <strong>Kompetenz</strong> allein über ihre<br />

Komponenten abzubilden, sondern dass es einer Erweiterung<br />

um organisierende Prozesse bedarf. Wie interkulturelle <strong>Kompetenz</strong><br />

modelliert werden kann, damit mit diesem Konstrukt<br />

kompetentes wie inkompetentes Handeln umfassender <strong>und</strong><br />

differenzierter erklärt werden kann, wurde vorausgehend<br />

dargestellt.<br />

Mit einem <strong>Ein</strong>bezug solcher organisierender Prozesse, unabhängig<br />

davon, ob man sich der Ausgestaltung der Funktionen<br />

im <strong>Ein</strong>zelnen anschließt oder nicht, bietet sich die Chance,<br />

interkulturelle Forschung <strong>und</strong> Praxis konzeptionell weiterzuentwickeln.<br />

Für die Gestaltung von Bildungs- <strong>und</strong> Trainingsveranstaltungen<br />

z.B. bedeuten die Überlegungen, dass es sich<br />

empfiehlt, zusätzlich zur häufig bereits praktizierten Vermittlung<br />

von Wissen, Fähigkeiten / Fertigkeiten <strong>und</strong> <strong>Ein</strong>stellungen<br />

das Augenmerk verstärkt auf Steuerungs-, Kontroll- <strong>und</strong><br />

Lernprozesse zu legen. Denn erst das Vermögen, die einzelnen<br />

Komponenten (korrekt) anwenden, zusammenführen<br />

<strong>und</strong> bei Bedarf selbst-lernend erweitern zu können, ermög-<br />

41 © Interculture Journal 2011 | 14


Dauner: Die organisierende Funktion von <strong>Kompetenz</strong> – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller<br />

<strong>Kompetenz</strong><br />

licht es in interkulturellen Überschneidungssituationen adäquat,<br />

angemessen, erfolgreich – kompetent eben – zu handeln.<br />

Die Aufgabe besteht dementsprechend darin, neben den einzelnen<br />

Komponenten, auch die organisierenden Prozesse<br />

theoretisch zu beschreiben, empirisch zu erfassen <strong>und</strong> praktisch<br />

umzusetzen – dieser Artikel versteht sich als ein Beitrag<br />

dazu.<br />

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[Zugriff am 01.06.2011].<br />

1<br />

Es könnte dagegen eingewendet werden, dass auch weiter<br />

ausdifferenziertes Wissen, wie die Kenntnis der intergenerationellen<br />

Unterschiede, in der Situation geholfen hätte<br />

<strong>und</strong> somit ohne eine steuernde Instanz (in)kompetentes Verhalten<br />

allein aufgr<strong>und</strong> der Komponenten erklärt werden<br />

kann. Dieser <strong>Ein</strong>wand wird aber spätestens obsolet, wenn<br />

man individuelle Abweichungen mit in die Betrachtung einbezieht.<br />

2 Risager (2009) hat auf den Nutzen des Baumannschen Kulturkonzepts<br />

für die interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> hingewiesen;<br />

ohne allerdings dieses Kulturverständnis in ein eigenes <strong>Kompetenz</strong>modell<br />

zu integrieren.<br />

45 © Interculture Journal 2011 | 14


Dauner: Die organisierende Funktion von <strong>Kompetenz</strong> – Entwurf eines zwei-Ebenen-Modells interkultureller<br />

<strong>Kompetenz</strong><br />

3 Ob das auch die Fähigkeit beinhaltet, einen Wechsel der<br />

Diskursform, von einer essentialisitischen zu einer prozessualen<br />

zu initiieren, sei zunächst einmal dahingestellt.<br />

© Interculture Journal 2011 | 14 46


Intercultural Competence<br />

for Unequal Business<br />

Encounters<br />

[Interkulturelle <strong>Kompetenz</strong><br />

für Asymmetrische<br />

Geschäftsbeziehungen]<br />

Hanna Pułaczewska<br />

Prof., Academy of International<br />

Studies in Łódź, Poland;<br />

M.A., Dr. phil. and professorial<br />

qualifications in General and<br />

Comparative Linguistics with Focus<br />

on English, University of Regensburg<br />

Pułaczewska: Intercultural Competence for Unequal Business Encounters<br />

Abstract [English]<br />

The article treats the issue of teaching intercultural competence<br />

in courses organised by business enterprises for their<br />

employees. It is proposed that more scholarly attention<br />

should be devoted to the commodity character of intercultural<br />

training that enforces its adaptation to the market’s<br />

demands. The idealised academic view of such training as<br />

happening <strong>und</strong>er conditions unaffected by power relations<br />

needs to be replaced with a more realistic picture of power<br />

imbalance, fuelling the concept of cultural superiority on the<br />

part of the economically stronger party. Methods are suggested<br />

for reducing such an ethnocentric bias. Besides, the<br />

article indicates the ways in which the training might be used<br />

to subtly and tactfully raise the awareness of problems resulting<br />

from asymmetrical adaptation of the economically weaker<br />

party to the linguistic requirements of the stronger partner.<br />

Keywords: business, coaching, inequality, power, language<br />

Abstract [Deutsch]<br />

Der Aufsatz thematisiert die Problematik von Schulungen<br />

interkultureller <strong>Kompetenz</strong> in der freien Wirtschaft. Solche<br />

Schulungen finden oft im Kontext eines wirtschaftlichen<br />

Machgefälles <strong>zwischen</strong> dem Investor <strong>und</strong> der Tochtergesellschaft<br />

statt, was in akademischen Erwägungen außer Acht<br />

gelassen wird. <strong>Ein</strong> kultureller Relativismus ist von den Teilnehmern<br />

nicht zu erwarten. Stattdessen wird die Machtasymmetrie<br />

von der stärkeren Partei als die Konsequenz der<br />

kulturellen Unterschiede interpretiert, d.h. als ein sichtbarer<br />

Beweis für den höheren Nutzwert der eigenen Kultur. Asymmetrische<br />

sprachliche Anpassung von der Tochtergesellschaft<br />

an den Investor wird ebenfalls unreflektiert akzeptiert. Der<br />

Aufsatz deutet an, wie ethnozentrische Interpretation von<br />

kulturellen Unterschieden gemildert <strong>und</strong> eine sprachbezogene<br />

Reflexion herbeigeführt werden kann. Dabei muss stets<br />

beachtet werden, dass dies potentiell in Opposition zu den<br />

pragmatischen Interessen des Dozenten steht <strong>und</strong> sein professionelles<br />

Image gefährden kann.<br />

Stichworte: Wirtschaft, Coaching, Machtgefälle, Sprache,<br />

Dominanz<br />

1. Introduction<br />

Wilson and Wilson (2001) noted that while much of intercultural<br />

communication research and training rests on the presumption<br />

that the key to intercultural communication and<br />

<strong>und</strong>erstanding is the knowledge of the relevant culture, an<br />

47 © Interculture Journal 2011 | 14


Pułaczewska: Intercultural Competence for Unequal Business Encounters<br />

essential piece is missing from this perspective: the consideration<br />

of power relations. Indeed, it seems that the idealised<br />

view of intercultural training as happening <strong>und</strong>er conditions<br />

unaffected by power relations should be replaced with a<br />

more realistic picture of power imbalance that fuels the concept<br />

of cultural superiority on the part of the economically<br />

stronger party. In what follows, methods are presented that<br />

are claimed to be useful in reducing such an ethnocentric<br />

bias. At the same time, it is proposed that more attention<br />

should be paid to the commodity character of intercultural<br />

training that enforces its adaptation to the market’s demands,<br />

informed first of all by the customers’ economicallyoriented<br />

objectives. Thus, an IC instructor is sometimes<br />

caught in a vulnerable position, between conflicting incentives<br />

resulting from his/her position as an insider of the<br />

“weaker” society in the intercultural encounter on the one<br />

hand, and his/her economic dependence on the fulfilment of<br />

the customer’s expectations on the other.<br />

In what follows proposals are made for taking the inequality<br />

issue into account when teaching intercultural competence<br />

for business encounters, in courses that are offered as a<br />

component of professional training in business and commerce<br />

operating across national borders. This has two essential<br />

aspects which will be discussed in their logical order: the<br />

cultural superiority view (which is non-linguistic), and the linguistic<br />

issue of language proficiency and language choice.<br />

The outsourcing of production to countries offering lower<br />

cost of labour and lower taxes leads to commercial and business<br />

ventures in which three main economic assets - capital,<br />

technology, and knowledge - flow from highly developed<br />

countries to weaker partners and daughter companies, creating<br />

the conditions of unequal encounters. In such encounters,<br />

the power is with the investing party, who dictate the rules of<br />

the game. Frequently enough, a training of intercultural<br />

competence is offered to the employees, sometimes only in<br />

the investor’s country/mother company. In that case, the objective<br />

is to prepare the members of the stronger partner to<br />

successfully and efficiently communicate with the less advanced.<br />

The training is expected to inform the members of a<br />

business unit of the cultural specificity of the Other, and an<br />

unfamiliar set of communicative principles based on a hierarchy<br />

of societal values that differs in many respects from the<br />

one that has been internalised and is taken for granted.<br />

© Interculture Journal 2011 | 14 48


Pułaczewska: Intercultural Competence for Unequal Business Encounters<br />

2. Hierarchical interpretations of cultural distance<br />

As a rule, a course in intercultural competence for the employees<br />

of a business enterprise is meant to give them an orientation<br />

in dealing with members of a particular foreign culture.<br />

The trainer’s task is to present the range of cultural differences<br />

and provide specific knowledge about a particular<br />

culture of the partner country, rather than share universal<br />

deliberations and insights. The course participants seldom<br />

bring in strong educational backgro<strong>und</strong> in human sciences.<br />

The evaluation of the professionalism of the coach (which<br />

decides his/her chance of being re-hired) and the value of the<br />

training depends largely on the degree to which the trainees<br />

feel that the course has prepared them precisely for surprisefree<br />

communication with people from a particular partner<br />

country. The time allocated to such trainings is very limited<br />

and rarely exceeds three days. These factors explain why the<br />

practical handbooks of intercultural competence and training<br />

curricula worked out by trainers typically focus on contrasts<br />

between particular two cultures and do not offer much space<br />

to general explanations, which are predominant in more general<br />

and more scholarly courses fo<strong>und</strong> in higher education. In<br />

academic courses, parameters of social and cultural differences<br />

identified by social psychologists and anthropologists<br />

are dealt with extensively, and the differences between particular<br />

two cultures are analysed against the backgro<strong>und</strong> of<br />

this theoretical knowledge, which is viewed as the more essential<br />

aspect of learning. In non-academic business courses,<br />

with their focus on two particular cultures and practical, operational<br />

objectives, general explanations pertaining to parameters<br />

of difference such as individualism and collectivism,<br />

high and low social distance, monochronony and polychrony,<br />

low and high context are offered only as pendants to the<br />

specific knowledge about a specific partner (cf. also practical<br />

handbooks such as e.g. Schroll-Machl 2001, 2003, Schroll-<br />

Machl / Wiskoski 2003, Schmid 2002).<br />

This has two immediate disadvantages. The first of them is<br />

the limitation of the cognitive gain, which means that even if<br />

the training may prepare the participants for current communicative<br />

tasks, it equips them only poorly for crossing different<br />

borders, that is, for further experience-guided learning on<br />

their own in different constellations. Secondly, it holds an<br />

imminent danger of misattribution whenever such trainings<br />

49 © Interculture Journal 2011 | 14


Pułaczewska: Intercultural Competence for Unequal Business Encounters<br />

take place in the context of inequality in economic and technological<br />

spheres. The more powerful party frequently tend<br />

to interpret cultural difference as a source and, at the same<br />

time, an effect of the difference in achievement – and, thus,<br />

an indicator of the lower value of the partner’s cultural makeup.<br />

This results in the impression on the part of the members of<br />

the stronger partner that the future shape of the intercultural<br />

encounter should be guided by the partner’s gradual shift<br />

towards their own set of principles and values. Such a change<br />

is conceived as the measure of progress prerequisite to sharing<br />

in the economic success and general social advancement.<br />

To put it briefly, the degree of cultural difference from “me,<br />

now” is viewed by the more powerful as a measure of inferiority.<br />

This belief encompasses several simple ideas: that cultural<br />

differences between two societies measure the level of<br />

civilisation they achieved; that “they” are different from us<br />

because they are not “so far” yet; and that “they” will become<br />

like “us” when they have learned enough (from “us”),<br />

which is due to happen as an effect of the long-time interaction<br />

– which “we” are going to control.<br />

Paradoxically, the intercultural training itself, in particular in<br />

view of the fact that it is being offered more frequently to (a<br />

greater number of) employees in the daughter company,<br />

turns into one of the means of remaining in control.<br />

A distance between two countries on a given “parameter”<br />

(cf. Hofstede 1980, 1991) of culture is unlikely to be misconceived<br />

as a measure of the utilitarian value of each of the respective<br />

attitudes when the task focus is on ordering and systematising<br />

a heterogeneous set of countries that are similar in<br />

one respect and different in another, and when this set includes<br />

both prosperous and economically weak countries.<br />

The two countries on which the training focuses should be<br />

presented as just two among many (cf. Pułaczewska 2010).<br />

As suggested at the beginning, the misconception “they will<br />

become like us” relies on the <strong>und</strong>erlying assumption that<br />

there exists a rather universal path to modernity; and that all<br />

countries need to follow it on their way to technological (and<br />

social) advancement – becoming, for example, increasingly<br />

more monochronic, more specific, less contextual, and less<br />

indirect than the Czechs and closer to the Germans as time<br />

goes by and economy grows. In an attempt of uncoupling<br />

cultural similarity (or distance) from achievement (or its lack),<br />

© Interculture Journal 2011 | 14 50


Pułaczewska: Intercultural Competence for Unequal Business Encounters<br />

Japan comes in handy as a country very different from both<br />

<strong>West</strong>ern Europe and North America (e.g. Japan is low on directness<br />

and high on context-dependence) in matters of culture<br />

but high in the hierarchy of economic power and technological<br />

progress.<br />

It is recommendable that the dissociation of cultural similarity<br />

and similarity in economic achievement is introduced covertly,<br />

without visibly pre-supposing negative attitudes to the interaction<br />

patterns of the weaker partner on the part of the<br />

course participants. Also, an overt insistence on cultural relativism<br />

on the trainer’s part should be avoided. It can be<br />

evaluated as pushy and biased in particular if the trainer is<br />

perceived as a member of the weaker partner’s culture.<br />

3. Linguistic competence and language choice<br />

One of the central issues in communication <strong>und</strong>er conditions<br />

of unequal enounter is the language used. Paradoxically<br />

enough, language is typically being downplayed or ignored<br />

by comparative social psychologists in studies of intercultural<br />

communication and its failures. In such studies on international<br />

industrial and business communication, the linguistic<br />

forms used in communication are viewed as a merely peripheral,<br />

surface manifestation of different norms and values; it is<br />

the latter that are believed to cause communicative tensions<br />

and disturbances. The fact that both parties differ in their linguistic<br />

competence, sometimes to the extent that only one<br />

party in the encounter uses a foreign language (typically, the<br />

daughter company, i.e. the economically weaker partner),<br />

while the other party consists of native and near-native<br />

speakers, is disregarded. The lack of linguistic competence is<br />

an issue for language pedagogy, which deals with the linguistic<br />

component of intercultural communication by its very nature<br />

– both as a subject of theoretical reflection and in the<br />

applied sense. Culturally conditioned thinking habits on the<br />

one hand, and linguistic proficiency on the other, are kept<br />

cleanly apart; linguistic competence is something to be dealt<br />

with in a language course, not in courses on intercultural<br />

competence. In the latter, when role-plays are conducted in<br />

linguistically homogeneous groups simulating contacts with<br />

foreign business partners, the participants’ mother tongue is<br />

typically used even if the actual business contacts take place<br />

in a foreign language.<br />

While this clean division of labour between a language course<br />

and a course on culture has some practical merits, intercultural<br />

training should deal with language insofar as the prob-<br />

51 © Interculture Journal 2011 | 14


Pułaczewska: Intercultural Competence for Unequal Business Encounters<br />

lem of language deficiency touches upon social issues with<br />

which language courses are not even remotely concerned:<br />

the difference in power and its social and communicative<br />

consequences.<br />

The way in which a training of intercultural competence can<br />

interact with the issue of language use is through raising the<br />

awareness of the effects of linguistic discrepancy upon the<br />

social aspects of the encounter. These effects can be roughly<br />

differentiated into two interrelated factors, both rooted – to<br />

put it briefly – in the less proficient speakers being less able to<br />

make visible their professionalism, social skills and personality.<br />

The first factor is the influence of foreign language skills in<br />

the inferior party’s group upon the relationship within this<br />

group, including intergroup power relations. An example of<br />

how in a business setting some group members<br />

can gain prominence alone by way of having superior foreign<br />

language skills is given in San Antonio (1987). Also Kim and<br />

Paulk (1994) analyse the role of language proficiency in informal<br />

group structuring and Knapp (2002) analyses the<br />

“fading out of the non-native speaker” in communication<br />

with native and more proficient near-native speakers in an<br />

organisational setting.<br />

The second, more essential issue is the contribution of the<br />

linguistic component into the inequality of the encounter<br />

whenever the investing party/mother company speak their<br />

own language and the receiving party do not. Nekula (2002)<br />

and Nekula et al. (2005) in German-Czech plants in the<br />

Czech Republic showed that using the employer’s language<br />

(German) affected badly the attitudes of Czech employees to<br />

the employer and were a cause of resentments, while the socalled<br />

symmetrical adaptation with both parties using lingua<br />

franca English produced the opposite effect. While the international<br />

dominance of English has been subject to harsh criticism<br />

as tantamount to linguicide (cf. e.g. Tsuda 1998), these<br />

studies show that availability of English as a lingua franca also<br />

can contribute to re-constituting unequal relationships in a<br />

way more satisfactory to the weaker party.<br />

The functions of intercultural training do not include influencing<br />

strategic decision-making on issues such as the choice of<br />

language for international intra-company communication,<br />

and consultation on this issue is not asked for in such<br />

courses. In fact, an overt attempt to transgress the usual<br />

frame and offer ideological indoctrination instead of staying<br />

focused on the expected and paid-for contents (i.e., cultural<br />

differences) might even provoke a remedial action on the part<br />

of the senior stuff present in the course, an event that poses<br />

a severe threat to the instructor’s professional “face”. However,<br />

the instructor who wishes to address the relation be-<br />

© Interculture Journal 2011 | 14 52


Pułaczewska: Intercultural Competence for Unequal Business Encounters<br />

tween language choice and inequality, as well as suggest alternative<br />

solutions, can opt for a covert way of inducing reflection<br />

in the course participants. This can be done e.g.<br />

through job-related role-plays conducted in a foreign language.<br />

Another possibility is to use role-plays in which the<br />

issue of language choice is introduced as a controversial<br />

agenda for a discussion in a simulated work meeting, with a<br />

different task in focus – such as practicing some culturedependent<br />

negotiation strategies. Such reflection is not likely<br />

to occur spontaneously because, for the people involved,<br />

asymmetrical adaptation looks just common sense, given the<br />

asymmetry in the relationship.<br />

4. Final remarks<br />

While overtly stressing the power distance between two parties<br />

to a business encounter would be both “politically incorrect”<br />

and tactless, i.e. face-threatening to both sides alike,<br />

there is little use in the coaches pretending to themselves that<br />

communication for which they are supposed to prepare their<br />

short-time trainees is going to take place in a power vacuum.<br />

It would be equally mistaken to presuppose an openness to<br />

value relativism (which few people really embrace) on the<br />

part of the course participants. However, before methods are<br />

developed to address the inequality issue on a pragmatic<br />

level, i.e. in teaching intercultural competence, the current<br />

deficit in theoretical reflection needs to get reduced. Intercultural<br />

(business) encounters and unequal ones coincide with<br />

each other frequently, and it should not be ignored in theoretical<br />

inputs to the pedagogy of intercultural communication.<br />

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53 © Interculture Journal 2011 | 14


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© Interculture Journal 2011 | 14 54


From Given Cross-<br />

Cultural Difference to a<br />

New Interculture: A Sino-<br />

German Example<br />

[Von bestehenden Kulturunterschieden<br />

zu einer<br />

neuen Interkultur: <strong>Ein</strong><br />

Chinesisch-Deutsches<br />

Fallbeispiel]<br />

Jasmin Mahadevan<br />

Professor of International and<br />

Cross-Cultural Management,<br />

School of Engineering, Pforzheim<br />

University, Germany<br />

Dr. phil., Cultural Anthropology,<br />

Ludwig-Maximilians-University,<br />

Munich, Germany<br />

Stefan Weißert<br />

B.Eng. in International Sales and<br />

Purchasing in Engineering, University<br />

of Applied Sciences, Kiel,<br />

Germany<br />

Franziska Müller<br />

Research Assistant, Pforzheim<br />

University, Germany<br />

M.A. in International Information<br />

Management, Hildesheim University,<br />

Germany<br />

Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A Sino-<br />

German Example<br />

Abstract [English]<br />

This paper shows for a specific Sino-German case how a new<br />

interculture emerges in cross-cultural settings. It is based on<br />

participant observation in a Sino-German company. Culture is<br />

conceptualized as intersubjective sensemaking. Emic and etic<br />

perspectives on culture are differentiated.<br />

The study asked to what extent given cross-cultural difference<br />

based on large-scale cultural constructs determine behavior<br />

and to what extend employees in a Sino-German service<br />

company create a new inter-culture when interacting with<br />

each other. In our Sino-German case, employees bridged cultural<br />

difference via a new concept of ‘practicality’.<br />

The main implication is: Cross-cultural dimensions merely describe<br />

initial cross-cultural difference, but not the nature and<br />

the outcome of Intercultural Creation. These findings encourage<br />

interculturalists to rethink their cultural practice.<br />

Hence, we implement a paradigmatic shift towards an intercultural<br />

<strong>und</strong>erstanding of emic cultural meanings instead of<br />

focusing on cross-cultural difference based on predefined<br />

cross-cultural dimensions.<br />

Keywords: emic, culture, cross-culture, cross-cultural dimensions,<br />

Interculture, social identity, GLOBE<br />

Abstract [Deutsch]<br />

Der vorliegende Beitrag zeigt die Entstehung einer neuen<br />

Inter-Kultur für eine konkrete deutsch-chinesische Unternehmenskooperation<br />

auf. Die Daten wurden mittels teilnehmender<br />

Beobachtung erhoben. Kultur wird in diesem Kontext<br />

als intersubjektive Bedeutungsherstellung verstanden. Es wird<br />

<strong>zwischen</strong> emischen <strong>und</strong> etischen Perspektiven auf Kultur<br />

unterschieden.<br />

Die Kernfrage bestand darin herauszufinden, inwieweit<br />

bestehende kulturelle Unterschiede, die auf sozio- <strong>und</strong><br />

nationalkulturellen Dimensionen basieren, kontextualisiertes<br />

Verhalten determinieren <strong>und</strong> inwieweit MitarbeiterInnen<br />

eines chinesisch-deutschen Dienstleistungsunternehmens in<br />

der Interaktion miteinander eine neue Inter-Kultur erschaffen.<br />

In dem hier diskutierten Fall geschieht dies durch den<br />

kollektiven Gebrauch eines Umdeutung von „Praktikabilität“<br />

(practicality).<br />

Der Hauptbeitrag dieser Artikels ist folgende Erkenntnis:<br />

Kulturdimensionen beschreiben lediglich anfängliche kulturelle<br />

Unterschiede, sagen jedoch nichts aus über den von uns<br />

identifizierten Prozess kultureller Neuschöpfung, den wir als<br />

55 © Interculture Journal 2011 | 14


Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A Sino-<br />

German Example<br />

Intercultural Creation benennen. Diese Erkenntnis soll<br />

Interkulturalisten Denkanstöße für die Praxis liefern.<br />

Mit unserem Beitrag verlassen wir den Fokus auf kulturvergleichende,<br />

durch Kulturdimensionen vorgegebene Unterschiede<br />

(im Englischen als cross-cultural benannt). Wir<br />

implementieren einen paradigmatischen Wandel hin zu<br />

einem inter-kulturellen Verständnis emischer Prozesse des<br />

kulturellen Sinnmachens.<br />

Stichworte: Emisch, Kultur, Interkulturell, Kulturdimensionen,<br />

Interkultur, Soziale Identität, GLOBE<br />

1. Introduction<br />

Current cultural research is conducted based on various paradigms.<br />

We will classify them into two major perspectives. We<br />

will call them the given cross-cultural difference or Given Culture<br />

perspective and the Intercultural Creation perspective.<br />

We intend to show how they differ with regard to the relation<br />

between culture and individual, the concept of culture,<br />

their research paradigm and methods, and their presentation<br />

of culture.<br />

In contrast to mainstream comparative cross-cultural research,<br />

we conceptualize culture as a process of intersubjective<br />

sensemaking (based on Geertz 1973, e.g. Van Maanen<br />

1998). This means: (1) Culture is a shared process of sensemaking;<br />

(2) Individuals are not the victims of given national<br />

culture but the creators of cultural meanings; (3) borders between<br />

cultures are not static but fluid. Our argument is: As<br />

creators of culture, individuals might overcome initial crosscultural<br />

difference through the creation of new interculture.<br />

We call this a state of Intercultural Creation and research<br />

upon it qualitatively.<br />

Our research setting is a Sino-German service company, the<br />

employees of which interact across national cultural borders.<br />

We show that Chinese and German employees create a new<br />

interculture when interacting with each other that goes<br />

beyond initial cross-cultural difference. The contribution of<br />

our study is to suggest a shift towards the management of<br />

emergent intercultural meanings instead of focusing on management<br />

of given cross-cultural difference. Only then will intercultural<br />

practice help to bridge the national cultural divide.<br />

Our paper is structured as follows: First, we define our research<br />

problem and question. Second, we review existing literature<br />

and show the significance of our study. Third, we introduce<br />

research setting and methods, and our means of data<br />

collection. Next, we present our findings which will be discussed<br />

afterwards. Finally, we draw conclusions.<br />

© Interculture Journal 2011 | 14 56


Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A Sino-<br />

German Example<br />

2. Theoretical backgro<strong>und</strong><br />

A large bulk of cultural research compares national or societal<br />

cultures. It is therefore called cross-cultural. Comparative<br />

cross-cultural theory and practice of such kind is based on the<br />

assumption that aggregated national/societal cultures differ<br />

from each. This means: “Who I am” and how I interpret the<br />

world is to a large extent pre-shaped and limited by external<br />

cultural influences. In cross-cultural management literature,<br />

this perspective has been called the contingency hypothesis<br />

(overview in Thomas 2008). As McSweeney (2010: 933-937)<br />

has pointed out, comparative cross-cultural studies implicitly<br />

assume the contingency hypothesis to be correct; they are<br />

based on the paradigm that cross-cultural difference is an<br />

external given and that individuals are contingent upon this<br />

cultural imprint. We name this perspective the Given Culture<br />

perspective.<br />

The most prominent cross-cultural studies based on the Given<br />

Culture perspective are those by Hall (1976) and Hall and Hall<br />

(1990), Hofstede (1980, 2003, Trompenaars and Hampden-<br />

Turner (1997), and House et al. (2004). An extensive literature<br />

review of comparative cross-cultural studies can be<br />

fo<strong>und</strong> in Dorfman and House (2004:51-73). This review shall<br />

not be repeated here. The reason for this is the fact that the<br />

specific content of these comparative cross-cultural studies<br />

does not matter for our purpose. What matters, is their perspective<br />

on culture and the cross-cultural border. This perspective<br />

is shared. The following dimensions are well established<br />

with regard to Sino-German cultural difference.<br />

57 © Interculture Journal 2011 | 14


Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A Sino-<br />

German Example<br />

dimension definition / source GER PRC<br />

institutional<br />

collectivism<br />

In-group<br />

collectivism<br />

Humane<br />

orientation<br />

Assertiveness<br />

high context<br />

vs.<br />

low context<br />

specific<br />

vs. diffuse<br />

relationship<br />

neutral<br />

vs. affective<br />

Degree to which organizational and societal<br />

institutional practices encourage and<br />

reward collective distribution of resources<br />

and collective action (House et al. 2004)<br />

Degree to which individuals express pride,<br />

loyalty, and cohesiveness in their organizations<br />

or families (House et al. 2004)<br />

Degree to which a collective encourages<br />

and rewards individuals for being fair,<br />

altruistic, generous, caring, and kind to<br />

others (House et al. 2004)<br />

Degree to which individuals are assertive,<br />

confrontational, and aggressive in their<br />

relationship with others (House et al.<br />

2004)<br />

Degree to which communication is direct<br />

and verbal vs. indirect and implicit; high<br />

context also implies differentiation between<br />

in-group and out-group (Hall and<br />

Hall1990)<br />

Personal and public sphere overlap vs.<br />

private sphere is reserved for close friends<br />

(Hall and Hall 1990; Trompenaars /<br />

Hampden-Turner)<br />

Low vs. high degree to which emotionality<br />

is shown (Trompenaars / Hampdon-Turner<br />

1997)<br />

lower higher<br />

lower higher<br />

lower higher<br />

higher lower<br />

low<br />

context<br />

high<br />

context<br />

specific diffuse<br />

neutral<br />

Exh. 1: Relevant cultural dimensions for Sino-German cooperation<br />

affective<br />

(if ingroup)<br />

Source: own figure, based on Hall and Hall (1990: 6-12), Trompenaars<br />

/ Hampden-Turner (1997: 70, 83), House / Javidan (2004:11-<br />

14), Javidan / House / Dorfman (2004:30), Brodbeck / Frese<br />

(2007:162), Fu / Wu / Yang / Ye (2007:887)<br />

These dimensions refer to communication (assertiveness, high<br />

vs. low-context); the nature of relationship (specific vs. diffuse,<br />

neutral vs. affective); and the relationship dimension in<br />

work practice (collectivism, humane orientation). Following<br />

the Given Culture perspective, cross-cultural difference with<br />

regard to these dimensions is to be expected in a Sino-<br />

German setting.<br />

On the other hand, individuals constantly ask themselves<br />

“Who am I?”, thereby creating concepts of the self. Some<br />

answers to the question “Who am I?” will include concepts<br />

of the self that are derived from group membership of various<br />

kinds (see overview in Stelzl / Seligman 2009). This means<br />

“Who I am” as a social being is constructed through sensemaking<br />

processes in interaction with others. We call this<br />

© Interculture Journal 2011 | 14 58


Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A Sino-<br />

German Example<br />

perspective the Cultural Creation perspective. In contrast to<br />

the Given Culture perspective, the Cultural Creation perspective<br />

researches upon the intra-cultural, i.e. the shared meanings<br />

that individuals create and negotiate through social interaction<br />

(e.g. Stelzl / Seligman 2009). We assume: If such a<br />

creation of new meanings takes place between and amongst<br />

individuals from different national or societal cultural backgro<strong>und</strong>s,<br />

it can be conceptualized as inter-cultural creation. It<br />

results in a new inter-culture.<br />

The cultural scope of the Given Culture perspective and the<br />

Cultural Creation perspective differs. The Given Culture perspective<br />

mostly focuses on the nation or the society. The Cultural<br />

Creation perspective mostly focuses on small-scale cultural<br />

settings, e.g. organizations which are called cultural<br />

fields (overview in Martin 2003).<br />

Given Culture and Cultural Creation lead to different concepts<br />

of culture. Following the Given Culture perspective, culture<br />

and cultural borders exist “as such” and can be defined<br />

objectively. The cultural border is given; hence, it is crosscultural.<br />

Yet, following the Cultural Creation perspective, culture<br />

is a process of collective sense-making (based on Berger /<br />

Luckmann 1966). This means: Culture and cultural borders<br />

cannot be defined “as such”; they do not exist objectively.<br />

Rather, one has to differentiate between two different sensemaking<br />

perspectives, namely the inside, “emic”, perspective<br />

and the outside, “etic”, perspective (overview in Martin<br />

2003). Only the emic perspective will deliver the cultural<br />

meanings that groups of people give to themselves and to<br />

the world. The minimum of emic meaning that is needed in<br />

order to signify a state of Cultural Creation is a shared <strong>und</strong>erstanding<br />

of “who we are” as opposed to “who we are not”<br />

(based on Geertz 1973, Ricoeur 1992). In this way, individuals<br />

enact ‘same-ness’ and ‘other-ness’ in order to position themselves<br />

in relation to each other (based on Ricoeur 1992). The<br />

result is perceived difference between perceived groups of<br />

self and other (Ricoeur 1992). The cultural border created is<br />

fluid and can be bridged; hence, it is inter-cultural. In summary,<br />

the Cultural Creation perspective focuses on the hermeneutical<br />

process of creating and constructing categories of<br />

collective self and other (Hatch / Yanov 2003). Institutions,<br />

structure and cultural artifacts are seen as secondary to this<br />

hermeneutical process (Hatch / Yanov 2003). Therefore, our<br />

study does not focus upon these structural elements of culture.<br />

Based on these different concepts of culture, cultural research<br />

methods differ as well: If culture exists objectively, then it can<br />

be aggregated and measured, and researched upon and interpreted<br />

independently from the researcher. Therefore, the<br />

59 © Interculture Journal 2011 | 14


Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A Sino-<br />

German Example<br />

Given Culture perspective favors quantitative methods that<br />

compare large-scale cultures. Yet, if culture is an intersubjective<br />

process that is based on perspective, then it can<br />

only be approximated through deep interpretation (based on<br />

Geertz 1973) of emic sensemaking. Therefore, the Cultural<br />

Creation perspective requires deductive qualitative research of<br />

small-scale cultural fields (for details see Martin 2003 and<br />

McSweeney 2010). During research, the researcher herself/himself<br />

becomes part of emic sense-making and is therefore<br />

an integral part of data collection and interpretation (e.g.<br />

Czarniawska 2008).<br />

Throughout our article, we will use the word “culture” as<br />

consistent with the Cultural Creation paradigm. We define it<br />

as a process of making and remaking collective sense <strong>und</strong>er<br />

changing bo<strong>und</strong>ary conditions, the goal of which is to provide<br />

a sense of collective belonging (own definition based on<br />

Geertz 1973). Following the thought that the border of the<br />

collective self is not pre-defined, we will use the term “culture”<br />

and “social / collective identity” interchangeably. We<br />

will call the organizational setting a “cultural field” and refer<br />

to members of this setting as “cultural actors” or simply<br />

“actors”. We name their ability to create culture “cultural<br />

agency” (for agency see Martin 2003).<br />

The previous lines have briefly sketched the difference between<br />

Given Culture and Cultural Creation. It is summarized<br />

in the following table:<br />

© Interculture Journal 2011 | 14 60


Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A Sino-<br />

German Example<br />

theoretical<br />

paradigm<br />

main<br />

assumption<br />

scope of<br />

culture<br />

layers of<br />

culture<br />

Given Culture Cultural Creation<br />

objectivist reality reality is constructed socially<br />

individuals are victims<br />

of their cultural imprint<br />

large-scale<br />

(nation or society)<br />

individuals are agents and<br />

creators of culture<br />

small-scale: social or collective<br />

identity in a specific cultural field<br />

single culture multiple cultures<br />

perspective not considered emic vs. etic cultural meanings<br />

cultural<br />

difference<br />

exists “as such” is created<br />

cultural border given: cross-cultural blurred or fluid: inter-cultural<br />

research<br />

method<br />

quantitative / comparative<br />

cultural data exists “as such”<br />

intended<br />

results<br />

aggregated relative<br />

difference between<br />

nations or societies<br />

qualitative / deductive<br />

created inter-subjectively through<br />

researcher-field relationship<br />

deep interpretation of emic<br />

sense-making in single fields<br />

Exh. 2: Conceptual differences between Given Culture and Cultural Creation<br />

As exhibit 2 shows, each cultural perspective influences how<br />

culture is conceptualized, researched upon and interpreted.<br />

When trying to integrate both perspectives, the main problem<br />

lies in conceptualizing to what extent individuals are free<br />

creators of culture and to what extent external national cultural<br />

difference limits their sense-making possibilities.<br />

We propose that this problem can be best researched upon<br />

at a given and perceived cultural border. We do so because<br />

we assume that it will be at the cultural border where the<br />

cross-cultural and the cultural in-between (which we call inter-cultural)<br />

meet, and where the construction and negotiation<br />

of collective self and other takes place. We hypothesize<br />

the following: If cross-cultural difference remains and is perceived<br />

as such, then cultural actors are indeed limited by the<br />

given cross-cultural border. If the cultural border is bridged<br />

through the creation of new emic concepts of the collective<br />

self, then intercultural actors indeed shape new cultural<br />

meanings. We call this process Intercultural Creation. With<br />

the word “intercultural” we intend to stress the potential<br />

emergence of new integrative meanings beyond initial crosscultural<br />

difference. The result will be a new interculture.<br />

61 © Interculture Journal 2011 | 14


Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A Sino-<br />

German Example<br />

So far, the term ”intercultural´” has mainly been used as an<br />

adjective in English language studies on culture. It is almost<br />

exclusively used to describe bi-cultural individuals’ specific<br />

cultural imprint or competencies; sometimes, it also refers to<br />

a perceived need to go beyond comparative (cross-) cultural<br />

training that acknowledges the emergence of hybrid, so<br />

called “third”, cultures (see Szkudlarek 2009). We use “interculture”<br />

as a noun and in its etymological origin as an ”inbetween”<br />

culture as conceptualized from a Cultural Creation<br />

perspective. Thereby, we give it a new meaning which is<br />

linked to the idea of “third” cultures.<br />

The major methodological issue when researching upon Cultural<br />

Creation is the extent to which emic cultural meaning is<br />

shared by cultural actors (overview in Hatch / Yanov 2003).<br />

For Cultural Creation it is both, homogenous / unifying and<br />

heterogenous / dispersing, resulting in shared and contested<br />

cultural meanings. Some cultural meanings will be more homogenous<br />

than others.<br />

For the state of Intercultural Creation as defined previously,<br />

we assume the same, namely that some aspects of a new interculture<br />

are homogeneous and unifying, others are heterogeneous<br />

and dispersing. Following the anthropological paradigm<br />

that culture gives a group of people perceived collective<br />

identity as opposed to another group of people, we furthermore<br />

assume that the minimum of unification that is needed<br />

for a shared culture / collective identity is a shared <strong>und</strong>erstanding<br />

“who we are” and “who we are not” in a specific<br />

context. We next assume that this meaning needs to be exchanged<br />

intersubjectively through symbolic language or symbolic<br />

interaction (Jones 1996). Otherwise, these categorizations<br />

of collective self and other could not be meaningful<br />

categories for making collective sense out of social reality<br />

(Jones 1996). Therefore, we hypothesize that a similar symbolism<br />

must exist for the case of Intercultural Creation.<br />

Hence, we intend to look for cultural symbols that signify<br />

those “who used to be part of the collective other but are<br />

now part of the collective self” and those “who used to be<br />

part of the collective other and still are”. When looking for<br />

these symbols, we focus on the shared, homogenous and<br />

unifying part of cultural meaning. Therefore, we do not mean<br />

to say that there is no cultural variance within the field: We<br />

simply do not focus on this variance in this paper.<br />

© Interculture Journal 2011 | 14 62


Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A Sino-<br />

German Example<br />

3. Field and field methods<br />

3.1 Details to the field<br />

We studied culture in a field in which assumed given etic national<br />

cultural difference and emic Cultural Creation at the<br />

border between collective self and other met. Our field was a<br />

Sino-German service company that provides consulting and<br />

support to German small and medium-sized enterprises<br />

(SMEs) from technical industries which intend to enter the<br />

Chinese market or have already done so. For this purpose,<br />

Chinese employees at a site in the PRC and German employees<br />

at the German headquarters constantly work together<br />

across national cultural borders.<br />

These conditions made the research setting ideal for our purposes<br />

due to three reasons: Firstly, the service industry requires<br />

frequent external interactions with external clients,<br />

partners, and suppliers across organizational and national cultural<br />

borders. This demands for collective identity work by<br />

those acting at and across these borders (Swann / Russell /<br />

Bosson 2009), involving national cultural dimensions. Secondly,<br />

the organization itself spans different national and societal<br />

cultures, having sites in both the P.R. China and in Germany.<br />

Therefore, we can investigate into potential emic intercultures<br />

that bridge assumed etic national/societal cultural<br />

differences.<br />

China Service Ltd. was fo<strong>und</strong>ed in 1996 with 31 employees<br />

during the time of research. It provides consulting and support<br />

to German small and medium-sized enterprises (SMEs)<br />

from technical industries which intended to enter the Chinese<br />

market. The company also manages and administers customer<br />

and supplier relationships for clients who have already entered<br />

the market. Furthermore, it conducts market research<br />

and quality control, and searches for potential Chinese partners<br />

on behalf of its corporate clients. For customer service,<br />

German employees at the German headquarters and Chinese<br />

employees in an office in the People’s Republic of China<br />

(PRC) cooperate and interact across national borders. Chinese<br />

employees in the PRC are assigned to German corporate<br />

clients, sometimes exclusively, and act on behalf of the client<br />

while still being employed by China Service Ltd. Yet, with<br />

Chinese partners, suppliers, and customers, and with governmental<br />

institutions, they present themselves as representatives<br />

of the clients.<br />

During the time of research in 2009, 15 of such employees<br />

worked at the Chinese office, all of them being ethnic Chi-<br />

63 © Interculture Journal 2011 | 14


Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A Sino-<br />

German Example<br />

nese. They represented 46 German SMEs. Employees at both<br />

sites were between 30 and 46 years old; managers being<br />

slightly older. About one quarter of staff was female; the percentage<br />

was lower among management at both sites.<br />

Taking care of German clients on the Chinese market demanded<br />

frequent and regular communications between Chinese<br />

and German employees. Most of the time, management<br />

did not interfere into project-based communications. The<br />

main channels used were e-mail and telephone. Even though<br />

most Chinese employees had visited German headquarters at<br />

least once, none of them had worked in Germany for longer<br />

than one month at a time. All of them spoke German and/or<br />

English fluently through previous university education. Language<br />

abilities were a major criterion for recruitment.<br />

One of the authors entered this field in the role of an intern<br />

who was to assist staff in purchasing and sales of engineering<br />

goods, in quality control and in negotiations. As the researcher<br />

has an academic backgro<strong>und</strong> in international industrial<br />

engineering with a focus on sales and purchasing, this<br />

role was welcomed by the field. The interactions observed<br />

and the conversations held depended on the researcher role:<br />

As in every holistic participant observation that intends to deduct<br />

emic meanings, the researcher did not steer interaction<br />

but took in those interactions that happened to him (Bate<br />

1997, Martin 2003, Van Maanen 2006). In this way, the researcher<br />

is guided through the field by cultural actors themselves.<br />

Basically, the researcher reflects upon what happens<br />

to her/him, while acting in a certain role in the field.<br />

The researcher is a native German who is fluent in the English<br />

language, yet does not speak Mandarin Chinese. It was the<br />

researcher’s first visit to China and his first work-experience<br />

outside Germany. This condition made him experience significant<br />

cultural difference in the beginning which he later categorized<br />

as a higher humane orientation and collectivism, a<br />

higher degree of relationship, and less assertiveness when<br />

compared to the German cultural norm (based on House /<br />

Javidan 2004). Furthermore, he experienced relationships to<br />

be more diffuse and affective, and context-orientation to be<br />

higher (see exhibit 2). This experience made him aware of his<br />

own cultural imprint (Bennett 1986) and encouraged Chinese<br />

employees to ‘teach’ cultural practice to him. This proved to<br />

be a major means of access for uncovering what was considered<br />

to be ‘normal’ work-practice and behavior in this specific<br />

field.<br />

© Interculture Journal 2011 | 14 64


Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A Sino-<br />

German Example<br />

3.2 Data collection and interpretation<br />

Data was gathered through a four-month period of full-time<br />

participant observation that was conducted by one of the authors<br />

at China Service Ltd. between February and June 2009.<br />

The initial two weeks were spent at the German headquarters;<br />

three and a half months were spent at the China operations,<br />

including visits to partners, suppliers and customers.<br />

While in the field, the researcher put observations, accounts<br />

of conversations, his daily-routines and reflections upon himself<br />

and the field into a field-diary. Entries were made either<br />

directly after a social interaction or every evening at the latest.<br />

Every week, the researcher re-read, re-interpreted and recategorized<br />

his entries, thereby densifying his interpretation.<br />

Next, interpretations were correlated and triangulated with<br />

internal field data and external comparative cultural constructs<br />

and further literature.<br />

Throughout the research process, the researcher exchanged<br />

his interpretations with actors in the field, either verbally or<br />

through social interaction. This process is called “mirroring”<br />

(Marcus 1998) and intends to make sure that research interpretations<br />

are inter-subjectively meaningful from an emic<br />

perspective. Though this process, cultural patterns were identified.<br />

Exhibit 3 provides an overview of the data collection<br />

methods employed:<br />

data collection technique German headquarters Chinese operations<br />

participant observation 2 weeks 3 ½ months<br />

formal interviews No No<br />

informal interviews 5 37<br />

meeting attendance 4 15<br />

informal interaction in the field Yes / high Yes / high<br />

social activity beyond the field Yes / low Yes / high<br />

documents, websites, reports Yes Yes<br />

total duration of research 2 weeks 3 ½ months<br />

Exh. 3: Data collection and interpretation techniques<br />

65 © Interculture Journal 2011 | 14


Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A Sino-<br />

German Example<br />

3.3 Interpretative process<br />

As has been stated, the Cultural Creation assumes that actors<br />

construct culture and identity through discourse and embodied<br />

action, thereby creating intersubjective emic meanings.<br />

This process can only be deduced qualitatively (Bate<br />

1997, Van Maanen 2006).<br />

As we assumed the potential creation of a new inter-culture<br />

to be a highly contextualized process that might be embodied,<br />

emotional, tacit or otherwise non-verbal and prereflexive,<br />

we chose participant observation as our main tool<br />

of research. We employed it over four months, both at the<br />

German and at the PRC site of China Service Ltd. (for multisited<br />

participant observation see Hine 2007).<br />

Participant observation makes the researcher the main tool of<br />

research (Van Maanen 2006). As common in qualitative research,<br />

we approached the field holistically and deducted research<br />

questions from the field.<br />

In an interactive process of sensemaking with the field, the<br />

researcher observes, experiences, learns, enacts, and voices<br />

emic meanings herself/himself, thereby uncovering categories<br />

of what is considered ‘normal’ and ‘not normal’ in the field<br />

(Van Maanen 2006). For doing so, participant observation<br />

provides two options: Either the researcher learns and applies<br />

accepted behavior and discourses to the field, or she/he consciously<br />

violates accepted behavior and discourses, thereby<br />

locating the bo<strong>und</strong>ary of the cultural norm (Marcus 1998,<br />

Van Maanen 2006). Through this process, cultural norms and<br />

“patterns” (Geertz 1973) become visible.<br />

In the case of virtual cross-site interaction which takes place<br />

virtually, the researcher is limited by the fact that such communication<br />

cannot be observed directly (Hine 2007). In this<br />

case, the researcher has to largely rely on the verbal sense<br />

that cultural actors make of their doings through symbolic<br />

language.<br />

Critical voices have argued that participant observation results<br />

in an “invention” of the field by the researcher (Bate 1997)<br />

mainly due to two arguments. Firstly, it has been argued that<br />

cultural meaning in the field itself is subjective. However, cultural<br />

actors are never free in constructing their own meaning<br />

of the world (based on Berger / Luckmann 1966, overview in<br />

Hatch / Yanov 2003). Rather, their scope of interpretation is<br />

limited by context, social norms, power relations, and many<br />

more influencing factors (Hatch / Yanov 2003). These bo<strong>und</strong>ary<br />

conditions will result in inter-subjective meaning which<br />

can be learned as cultural patterns, norms and rules by the<br />

participant observer (based on Geertz 1973). Secondly, it has<br />

© Interculture Journal 2011 | 14 66


Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A Sino-<br />

German Example<br />

been argued that the researcher is subjective herself/himself.<br />

And indeed, participant observation can never deliver findings<br />

beyond the researcher’s own limitations. The task for the researcher<br />

is to make her/his findings inter-subjective through<br />

conscious interaction with and reflection upon the field (Marcus<br />

1998, Van Maanen 2006).<br />

Hence, we argue that participant observation has to meet<br />

processual criteria of excellence to be sure of the meaning it<br />

produces and to possess rigor. We define them as oscillation<br />

and densification (Mahadevan 2011b). With oscillation, we<br />

mean the researcher’s constant self-reflexive and systematic<br />

re-positioning between insider and outsider perspective, between<br />

participation and observation, and between inner and<br />

outer view. With densification, we mean the systematic circular<br />

process of (1) data collection, (2) data interpretation, (3)<br />

identification of cultural patterns, (4) application or conscious<br />

violation of cultural patterns by the researcher, (5) interpretation<br />

of field-researcher interaction, which is used for new data<br />

generation and leads back to (1).<br />

Through oscillation and densification, internal validity in the<br />

sense of intersubjectivity and processual rigor will be guaranteed.<br />

The participative researcher can also employ oscillation<br />

and densification when observing virtual interaction, namely<br />

by telling the same stories and employing the same narrative<br />

patterns in the same contexts or by consciously doing otherwise,<br />

thereby violating cultural norms.<br />

In retrospect, the research question with regard to this paper<br />

was to find out whether employees in a Sino-German service<br />

company, named China Service Ltd., create a new interculture<br />

when interacting with each other.<br />

4. Elements of a new interculture: the integrative concept<br />

of practicality<br />

Holistic participant observation deduces cultural patterns<br />

from the field through oscillation and densification. In this<br />

way, data is generated and interpreted in a circular process. It<br />

was not our purpose to analyze the field diary and lived researcher-field<br />

interaction on the level of linguistic discourse.<br />

Rather, the aim was to identify cultural patterns as<br />

represented through communication that signify unifying<br />

elements of a potential new inter-culture that bridges assumed<br />

given national cultural difference. For doing so, we<br />

looked for key dichotomies in the field diary that might signify<br />

constructs of collective self and collective other. We did so<br />

during research; the researcher mirrored our interpretations<br />

back to the field.<br />

67 © Interculture Journal 2011 | 14


Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A Sino-<br />

German Example<br />

Early in this process, we discovered a frequent use of the<br />

words “practical person” vs. “impractical person” in the English<br />

language and “praktischer Mensch” vs. “unpraktischer<br />

Mensch” in the German language when Chinese employees<br />

spoke about their German counterparts. This dichotomy<br />

turned out to be the characterization of German counterparts<br />

by Chinese employees that was verbalized towards the researcher<br />

the most frequently. We therefore conceptualized it<br />

as a verbal expression that signifies broader cultural meaning<br />

beyond its immediate wording. As we have stated, any culture<br />

/ collective identity needs to have a shared <strong>und</strong>erstanding<br />

of “who we are” as opposed to “who we are not”, i.e. a<br />

minimum of unified cultural meaning. Therefore, we assume<br />

that the categories of collective self and collective other in a<br />

cultural field are rather homogenous and unified throughout<br />

the field. Yet, we only make this claim for this cultural element.<br />

We do not assume that all cultural meanings in the<br />

field are equally unified.<br />

With regard to the key dichotomy of “practical vs. impractical<br />

person”, we will present five examples that are typical in certain<br />

aspects; we classify them as quote types 1-5.<br />

Quote 1: “I am a huge fan of Peter! Since he has been with the company,<br />

everything has been working out just fine. He is a practical person.”<br />

(Chinese employee, male, aged 34, describing a German employee)<br />

Quote 2: “I have daily telephone conversations with Klaus, funny person.<br />

He is always joking. We work together well. We always help each<br />

other when working together. (…) Klaus owns a beautiful house.<br />

Last time, I was at his home. He always buys computer games for<br />

his children here in China. When I was at his home, we played<br />

games together. He is a very practical person.”<br />

(Chinese employee, male, 36, describing a ‘practical’ German colleague)<br />

Quote 3: “The visit to company X was very nice. During my last visit, we<br />

drank a lot of beer. I can show a picture to you! The boss will<br />

come back to China as well; he is going to attend a trade fair in<br />

May. (…) He is a very practical person.”<br />

(Chinese employee, male 32, describing the visit to a client in<br />

Germany)<br />

Quote 4: “Next, you have to send [this template, the authors] back to Germany,<br />

and they will clean it up a little bit, and then I can continue<br />

working on it (…). You know, [my German counterpart, the authors]<br />

is a very practical person.”<br />

(Chinese employee, telling the researcher what to do with a certain<br />

template)<br />

Quote 5: “I don’t know exactly what their [the German client’s, the authors]<br />

intentions are, but I filled in this list [of potential partners,<br />

the authors] for them. I also don’t know them [the German client,<br />

the authors]. He [the German client’s representative, the author]<br />

© Interculture Journal 2011 | 14 68


Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A Sino-<br />

German Example<br />

has never been to China. Why not just go to a trade fair together<br />

and have it done? This would be practical. Still, I have to do something;<br />

he is the client, after all. (…) But this is very difficult, if the<br />

client is such an impractical person.”<br />

(Chinese employee commenting on a German client’s request to<br />

acquire new partners via telephone)<br />

Based on these quote types, we identified key characteristics<br />

of how to identify whether someone is a ”practical” and<br />

”impractical person” to work with. We classified these cultural<br />

meanings into major categories as defined by cultural<br />

dimensions, namely work-practice, relationship and communication.<br />

They are summarized in exhibit 4 below:<br />

category Practical Person (quotes 1-4)<br />

relationship<br />

dimension in<br />

work practice<br />

nature of relationship<br />

things work out well (quote 1)<br />

working together well (quote 2)<br />

helping each other (quote 2)<br />

cleaning up work (quote 4)<br />

working interdependently (quote 4)<br />

going to trade fair together<br />

(quotes 3 and 5)<br />

Making me “a huge fan of...”<br />

(quote 1)<br />

Is always joking (quote 2)<br />

I have visited them (quotes 2 and3)<br />

Inviting me to his home (quote 2)<br />

Coming to China (quote 5)<br />

Impractical Person<br />

(quote 5)<br />

Making me feel that<br />

“I don’t know what<br />

they want”<br />

Making me feel that<br />

“I don’t know<br />

them”<br />

communication Daily phone conversations (quote 2) Lack thereof<br />

Exh. 4: Cultural meanings of a ‘practical’ and ‘impractical’ person<br />

The researcher mirrored them back to the field in informal<br />

interaction and through norm-oriented or norm-violating behavior.<br />

Based on this process, we summarized practical work<br />

practice as interdependent; a practical relationship as emotional,<br />

affective and close; and practical communication as<br />

frequent interactions. We interpreted impractical work practice<br />

as cooperation lacking interdependency, relationship, affectivity,<br />

and interaction (based on exhibit 2).<br />

These characteristics will be analyzed with regard to their significance<br />

for Intercultural Creation in the following section.<br />

69 © Interculture Journal 2011 | 14


Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A Sino-<br />

German Example<br />

5. Interpretation and discussion of findings<br />

5.1 The Given Culture interpretation<br />

Following GLOBE, the Chinese cultural norm compared to<br />

Germany is characterized by a much higher tendency towards<br />

collectivism and humane orientation, and by much lower assertiveness.<br />

These assumptions are associated with highcontext<br />

orientation (exhibit 2).<br />

Indeed, German employees are referred to with personal detail<br />

(quote 2). Having been welcomed into a colleague’s<br />

home or having met a client in an informal setting is highly<br />

valued (quotes 2 and 3). A lack of personal relationship is said<br />

to impact work outcome (quote 5). This could signify higher<br />

humane orientation (GLOBE) and a higher orientation towards<br />

affective and diffuse relationship (exhibit 2). The deduction<br />

of a more affective relationship is supported by<br />

another employee’s statement who concedes to being “a<br />

huge fan of” a German employee (quote 1).<br />

In summary, quotes 1-3 link a ”practical person” to descriptions<br />

of good relationship and being in a type of personal<br />

contact which also involves emotions. Quote 4, however,<br />

links ”practicality” to interdependency and a helping each<br />

other out. One could interpret all these aspects with the help<br />

of specifically Chinese cultural standards. In contrast to comparative<br />

cross-cultural dimensions that describe relative difference<br />

between societal/national cultures, cultural standards<br />

describe norms within societal/national cultures from the Given<br />

Culture perspective. For greater China, harmonious interpersonal<br />

relationships governed by guanxi (interpersonal relations),<br />

human-centred obligations and reciprocity have been<br />

identified (Warner 2010). Quotes 1-4 might signify these<br />

standards; quote 5 might signify the lack thereof.<br />

In summary, the German cultural norm in relation to the Chinese<br />

cultural norm is characterized by a much lower tendency<br />

towards collectivism and humane orientation and by much<br />

higher assertiveness. These dimensions are associated with<br />

low-context and task-oriented communication at work (based<br />

on Hall and Hall 1990) and with specific and sober relationships<br />

(based on Trompenaars / Hampdon-Turner 1997). The<br />

term ”practicality” fits these norms. Therefore, it could signify<br />

specifically Chinese cultural dimensions and standards.<br />

© Interculture Journal 2011 | 14 70


Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A Sino-<br />

German Example<br />

5.2 The Cultural Creation interpretation<br />

From a Cultural Creation perspective, however, one has to<br />

ask why the specific term “practical person” emerged in this<br />

cross-cultural field to signify a person who belongs to the collective<br />

we from Chinese perspective. If the concept were to<br />

denote specifically Chinese concepts, why not call it guanxi<br />

(relationship) or renqing (human-centered obligations)?<br />

When only the immediate (denotative) meaning is considered,<br />

“practicality” does seem to denote a neutral and sober<br />

relationship and a high task-orientation. If this be the<br />

symbolic meaning of this expression, then a ”practical person”<br />

would be an indicator of German cultural norms.<br />

Yet, as has been said, the broader (connotative) narrative explanations<br />

to ”practicality” as visible through the given<br />

quotes also signify a combination of good personal relationship<br />

and interdependency (quote 1-4). Therefore, a ”practical<br />

person” might represent the Chinese cultural norms of high<br />

humane orientation, high in-group collectivism and low assertiveness<br />

(GLOBE), diffuse relationship (Hall 1976, Trompenaars<br />

/ Hampden-Turner 1997), affectivity (Trompenaars /<br />

Hampden-Turner 1997), and harmonious interpersonal relationships<br />

(Warner 2010).<br />

This combination between immediate wording and broader<br />

meaning makes the term “practicality” an ideal term to<br />

bridge given national cultural difference. In summary, the<br />

broader meaning of a ”practical person” and their behavior<br />

reflects Chinese cultural norms, whereas the immediate<br />

wording of ”practicality” reflects German cultural norms. Due<br />

to this ambiguity, this expression ‘makes sense’ from both a<br />

Chinese and German perspective. Therefore, it has the power<br />

to transport inter-cultural meaning and can therefore symbolize<br />

a new interculture.<br />

The German counterparts’ strategy to invite Chinese business<br />

partners and colleagues into their own private sphere can be<br />

interpreted as a first appropriation of the Chinese cultural<br />

norm. The use of the term ”practicality” by Chinese employees<br />

could be interpreted in the same way. Following<br />

Bennett (1986), this signifies intercultural learning through<br />

adaptation and integration. Following our previous definition,<br />

this signifies a state of Intercultural Creation.<br />

”Practicality” could also be conceptualized as a cultural<br />

“ante-narrative” (Boje 2008). According to Boje, antenarratives<br />

are not yet finite processes of verbal sense-making<br />

that integrate previously unrelated cultural elements. The inherent<br />

ambiguity of ”practicality´” can be interpreted along<br />

71 © Interculture Journal 2011 | 14


Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A Sino-<br />

German Example<br />

these lines: It serves to integrate previously unrelated cultural<br />

concepts.<br />

In the future, the inherent contradiction between the broader<br />

(connotative) and immediate (denotative) meaning of ”practicality”<br />

might either remain an asset or might lead to interpretative<br />

conflict. In any case, the key dichotomy of ”practical”<br />

vs. ”impractical person” indicates an emergent process of<br />

Intercultural Creation and might preclude a shift in collective<br />

identity. It does not yet signify a finite interculture.<br />

5.3 Implications<br />

For interculturalists, the Intercultural Creation perspective has<br />

three consequences for their practice: (1) be aware that cultural<br />

meaning cannot be prescribed; (2) acknowledge that<br />

intended etic sense-giving can be interpreted in many ways;<br />

(3) constantly aim to uncover emic categories of collective self<br />

and other. The first two require a shift in cultural paradigm.<br />

The third aspect requires interpretative action. We suggest<br />

the following approach for uncovering emic meanings in<br />

small intercultural fields:<br />

(1) First try to identify symbols that might signify Intercultural<br />

Creation. In our study, a new dichotomy of collective self and<br />

other beyond German versus Chinese was indicated by the<br />

verbal expressions of ”practical person” and ”impractical person”.<br />

(2) Investigate into the meanings that are given to these new<br />

categories and classify them into (a) given difference based<br />

on initial cross-cultural dimensions and cultural standards and<br />

(b) into new emic meanings.<br />

(3) Assess whether these new meanings have the power of<br />

bridging given cross-cultural difference. If so, design and implement<br />

a strategy and action that strengthens the unifying<br />

elements of Intercultural Creation, e.g. through reflexivity in<br />

work-practice and joint team-development activities.<br />

(4) Investigate into the emic sense that is made out of your<br />

action. Revise strategy and action, if necessary.<br />

5.4 Limitations<br />

Two limiting issues have to be reflected upon in order to<br />

judge quality and nature of access and of researcher-field relationship,<br />

namely language and power.<br />

Firstly, the researcher did not speak Chinese. Therefore, he<br />

was limited to German and English language conversations.<br />

Due to his backgro<strong>und</strong>, he was categorized as German by<br />

actors in the field. Therefore, he was not the right person to<br />

© Interculture Journal 2011 | 14 72


Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A Sino-<br />

German Example<br />

uncover emic intra-cultural elements of Chinese culture. Yet,<br />

we were interested in how the given Sino-German border is<br />

bridged through inter-cultural strategies. In our research setting,<br />

this had to be done in either German or English as no<br />

German employee spoke Chinese. Towards a German researcher,<br />

Chinese employees would most likely use the same<br />

bridging strategies they would use with any other German<br />

employee. Therefore, for the purpose of our research, we<br />

considered this researcher’s cultural identity more an asset<br />

than a liability.<br />

Secondly, the researcher was most likely categorized as representative<br />

of German headquarters by Chinese employees.<br />

German headquarters is dominant towards them, as it prescribes<br />

corporate language and establishes contact to the<br />

client. Combined with the fact that the researcher did not<br />

speak Chinese, this made it very unlikely for him to gain<br />

access to patterns of resistance towards German headquarters.<br />

Therefore, we could only focus on the unifying elements<br />

of a potential inter-culture and not on potential dispersing<br />

resistance towards German headquarters. The fact that we<br />

did not include potential issues of power and resistance is<br />

solely due to the stated limitations of our access and not due<br />

to our neglect of unequal power relations in modern business.<br />

In fact, we advocate that more cultural research be<br />

conducted from this perspective and have done so in other<br />

cases (Mahadevan 2011a).<br />

To summarize the limitations of our study: Due to the language<br />

barrier, we could not deliver insights on intra-cultural<br />

emic meanings at the Chinese site. Due to specific power relations,<br />

we could not focus upon the dispersing elements and<br />

the heterogeneity of emic cultures.<br />

With regard to the research problem, these limitations mean:<br />

We could find proof for the existence of unifying elements of<br />

emic interculture, yet, we could not counterweigh it with uncovering<br />

dispersing elements <strong>und</strong>er the condition of asymmetric<br />

power relations.<br />

6. Conclusion<br />

Our study contributed to intercultural research and practice<br />

by providing an example of how cultural actors in a crosscultural<br />

field create new emic meanings beyond given national<br />

cultural dimensions. We have called this state Intercultural<br />

Creation and have researched upon it qualitatively.<br />

It was not our argument that the state of Intercultural Creation<br />

implies that given cross-cultural difference as defined by<br />

cultural dimensions does not exist initially in a cross-cultural<br />

73 © Interculture Journal 2011 | 14


Mahadevan / Weißert / Müller: From Given Cross-Cultural Difference to a New Interculture: A Sino-<br />

German Example<br />

field. For the researcher as a new arrival to the field, crosscultural<br />

dimensions helped to conceptualize own experiences<br />

of cross-cultural difference. Rather, it is our argument that<br />

cross-cultural dimensions and large-scale cultural standards<br />

are too simplified and deterministic in order to explain which<br />

emic sense intercultural actors will make out of initial difference.<br />

Furthermore, cross-cultural dimensions cannot foresee<br />

to which degree cultural actors have the cultural agency to<br />

bridge them through Intercultural Creation.<br />

We argued that such processes of Intercultural Creation can<br />

be identified through symbolic meanings that integrate previous<br />

difference of collective self and collective other. In our<br />

study, the symbol that integrated previously unrelated cultural<br />

meanings was the verbal construct of a “practical person”.<br />

We have uncovered difference between the immediate wording<br />

and the broader meaning of ”practical person”: Whereas<br />

the immediate wording seems to indicate German cultural<br />

norms, the broader cultural narrative seems to signify Chinese<br />

cultural norms. Through this ambiguity, given cultural difference<br />

is linked.<br />

Due to the qualitative nature of our study, our generalizable<br />

contribution is the perspective and not the actual findings. To<br />

increase practitioners’ and researchers’ <strong>und</strong>erstanding of intercultures<br />

in various fields, further qualitative and explorative<br />

longitudinal research has to be conducted in different organizational<br />

settings. Special attention should be given to emergent<br />

processes of interculture and not to finite and given<br />

cross-cultures. As our study has shown, the latter are merely<br />

the initial conditions of emic sensemaking but by no means<br />

its outcome. Hence, we propose a paradigmatic shift towards<br />

an integrative intercultural management of emic cultural<br />

meanings instead of focusing on comparative cross-cultural<br />

management based on predefined cross-cultural dimensions.<br />

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© Interculture Journal 2011 | 14 76


Eros-Face<br />

[Eros-Face]<br />

Elias Jammal<br />

Professor für interkulturelle Studien<br />

an der Hochschule Heilbronn<br />

seit 1998, Leiter des Orient Institut<br />

für Interkulturelle Studien<br />

(OIS)<br />

Jammal: Eros-Face<br />

Abstract [Englisch]<br />

This paper introduces face concepts in the Arab context for<br />

which the notion Eros face has been given. Literature on face<br />

did not consider the Eros face so far. Two types of Eros face<br />

are discussed: The individual and the collective Eros face.<br />

Keywords: Face, collective face, Arab, gender<br />

Abstract [Deutsch]<br />

In diesem Papier werden Face-Konzepte im arabischen Kontext<br />

vorgestellt, die mit der Bezeichnung Eros-Face belegt<br />

werden. Dieses wurde bislang in der Face-Literatur nicht berücksichtigt.<br />

Es werden zwei Typen des Eros-Face diskutiert:<br />

Das individuelle <strong>und</strong> das kollektivistische Eros-Face.<br />

Stichworte: Face, kollektives Face, arabisch, Gender<br />

1. <strong>Ein</strong>leitung<br />

Konzepte von Face sind in den letzten Jahren intensiv in asiatischer<br />

Perspektive beleuchtet worden (für einen Überblick<br />

siehe Ting-Toomey 2005 sowie Henze 2008). Abgesehen von<br />

populären Ratgebern (vgl. z.B. Al-Sabt 1996) ist die arabische<br />

Perspektive auf Face bislang kaum erläutert worden. Die Frage<br />

nach Face-Konzepten im Arabischen ist in der Forschungsliteratur<br />

nicht zu finden.<br />

Vorliegender Beitrag widmet sich in einer ersten Annäherung<br />

dieser Thematik. Detaillierte Analysen <strong>und</strong> eine empirische<br />

F<strong>und</strong>ierung stehen noch aus.<br />

Die Leitfragen des Beitrags lauten: Gibt es Face-Begriffe <strong>und</strong><br />

-konzepte im Arabischen? Wenn ja: Welche sind es <strong>und</strong> zu<br />

welchen Ergebnissen führt der Vergleich dieser mit den bekannten<br />

Begriffen <strong>und</strong> Konzepten von Face, die vornehmlich<br />

in Auseinandersetzung mit chinesisch geprägten Kulturräumen<br />

entwickelt wurden?<br />

2. Was ist Face?<br />

Nach Goffman ist Face eine Maske, die je nach Audienz <strong>und</strong><br />

der sozialen Interaktionssituation variiert (Goffman 1955 <strong>und</strong><br />

1971). Das Image einer Person ist eine Anleihe von der Gesellschaft<br />

(Goffman 1971:15) <strong>und</strong> Goffman versteht Image<br />

„[…] als de[n] positive[n] soziale[n] Wert […], den man für<br />

sich durch die Verhaltensstrategie erwirbt, von der die anderen<br />

annehmen, man verfolge sie in einer bestimmten Interaktion“<br />

(Goffman 1971:10).<br />

77 © Interculture Journal 2011 | 14


Jammal: Eros-Face<br />

Die Politeness-Ansätze des Linguisten Lakoff (1973) sowie<br />

von Brown <strong>und</strong> Levinson (1978) fokussieren die Bemühungen,<br />

Face in Anbetracht von „face threats“ aufrechtzuerhalten<br />

<strong>und</strong> wiederherzustellen. Mills schreibt: „Politeness is the<br />

expression of the speakers’ intention to mitigate face threats<br />

carried by certain face threatening acts toward another”<br />

(Mills 2003:6, vgl. auch Watts 2005).<br />

In einer verbreiteten Definition bezeichnet Face „the negotiated<br />

public image, mutually granted each other by participants<br />

in a communicative act” (Henze 2011:81ff.). Entscheidend<br />

an dieser Erläuterung ist, dass Face in kommunikativen<br />

Akten zum Tragen kommt. Ting-Toomey <strong>und</strong> Kurogi (1998)<br />

unterstreichen diesen Aspekt <strong>und</strong> weisen sowohl auf die Beziehungs-<br />

<strong>und</strong> Netzwerkeaspekte hin, die für die kommunikativen<br />

Akte konstitutiv sind, als auch auf die Identitätsbildung:<br />

Face ist<br />

“[…] an individual’s claimed sense of favorable social self-image in a relational<br />

and network context. Facework is defined as clusters of communicative<br />

behaviors that are used to enact self-face and to uphold, challenge/threaten,<br />

or support the other person’s face. Face is a cluster of identity<br />

- and relational-based issues that simmers and surfaces before, during<br />

and after the conflict process. Face is associated with respect, honor, status,<br />

reputation, credibility, competence, family/network connection, loyalty,<br />

trust, relational indebtedness and obligation issues.” (Ting-Toomey / Kurogi<br />

1998:190)<br />

Im Folgenden belege ich dieses Verständnis, das von einem<br />

konstruierten Image als variable Maske ausgeht, die in Beziehungen<br />

<strong>und</strong> Netzwerken verhandelt wird, mit dem Begriff<br />

allgemeines Face <strong>und</strong> deute im Vergleich zu chinesischen<br />

Face-Konzepten an, dass zwar ein Pendant dafür in arabischer<br />

Perspektive zu finden ist, genannt „waģh“. Jedoch wird<br />

darüber hinaus angenommen, dass ein Gender-spezifisches<br />

Face-Konzept im Arabischen existiert, für das ich zur Abgrenzung<br />

den Namen „Eros-Face“ 1<br />

gewählt habe.<br />

3. Allgemeines Face: Mianzi <strong>und</strong> Lian<br />

In seiner detaillierten Analyse chinesischer Perspektiven auf<br />

Face geht Henze (2011) folgerichtig auf die Kommunikation<br />

ein <strong>und</strong> erläutert die vier Modi bzw. Prinzipien situationsbezogener<br />

Kommunikation: Der Modus der impliziten<br />

Kommunikation (hanxu), das Prinzip der „auf (Zu)Hören“<br />

zentrierten Kommunikation (tinghua), das Prinzip der an Höflichkeit<br />

ausgerichteten Kommunikation (keqi), die auf die<br />

Vermeidung von Disharmonie (oder anders ausgedrückt: die<br />

Sicherung von Harmonie) im Kommunikationsakt abzielt, <strong>und</strong><br />

die prinzipielle Unterscheidung bzw. den Modus der insider<br />

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Jammal: Eros-Face<br />

versus outsider Kommunikation (zijiren versus wairen) (Henze<br />

2011, Gao / Ting-Toomey 1998:37ff.).<br />

Unterschieden wird im Chinesischen <strong>zwischen</strong> zwei Face-<br />

Konzepten: Mianzi <strong>und</strong> Lian (King 2010): Mianzi benötigt „a<br />

social context whereas lian [is] an inherent aspect of a<br />

person's existence and may not have a social context” (King<br />

2010:37). King führt weiter aus, dass Lian „an all or nothing<br />

element” ist, während mianzi „can wax and wane as events<br />

unfold”. Mithin ist lian „more important and infinitely more<br />

precious than mianzi“ (King 2010:37). Gao schlägt zur weiteren<br />

Differenzierung <strong>zwischen</strong> den beiden Konzepten vor,<br />

Mianzi als „interactive face“ <strong>und</strong> Lian als „evaluative face“ zu<br />

bezeichnen (King 2010:38). King erläutert diesen Vorschlag<br />

wie folgt: „Gao defined evaluative face as a social evaluation<br />

that includes both cognition and emotion but either existed<br />

or did not exist and was not available for exchange for social<br />

resources“. Interactive face hingegen „involves cognition and<br />

behavior and could be changed into a social resource thus<br />

inductively equating to mianzi“ (King 2010:38).<br />

Sowohl die oben angegebenen Erläuterungen <strong>und</strong> Differenzierungen<br />

von Face als auch die vier Kommunikationsmodi<br />

bzw. -prinzipien lassen sich in arabisch-islamisch geprägten<br />

Kulturräumen finden 2<br />

- auch wenn die Modi <strong>zwischen</strong> den<br />

unterschiedlichen Kollektiven stark variieren können (vgl.<br />

Feghali 1997). So weicht z.B. die Kommunikation <strong>zwischen</strong><br />

Managern moderner Unternehmen von der <strong>zwischen</strong> den<br />

Mitarbeitern <strong>und</strong> dem Firmeninhaber in traditionellen Klein<strong>und</strong><br />

Kleinstbetrieben merklich ab (Jammal 2007).<br />

Lässt man dies außer Acht, so kann das arabische Pendant<br />

zum Mianzi-Face in dem Konzept „waģh“ gesehen werden<br />

(Wehr 1977, Rosen 1984). „Waģh“ bedeutet so viel wie allgemeines<br />

Gesicht <strong>und</strong> auch Fassade. Das Gesicht von jemandem<br />

in Verruf zu bringen, heißt, „sein Gesicht schwärzen“ 3<br />

,<br />

das Gesicht eines anderen verbessern, heißt „Gesicht weißeln“.<br />

Es gilt ebenfalls für das arabische „waģh“, dass es in<br />

kommunikativen Akten konstruiert, bewahrt, „geschwärzt“,<br />

„geweißelt“ bzw. wiederhergestellt <strong>und</strong> im Extremfall ruiniert<br />

werden kann. Zentral für die Aufrechterhaltung eines positiven<br />

Gesichts ist die Würde, arabisch „karãma“ ( ههار ڪ).<br />

Auch wenn es hier im <strong>Ein</strong>zelnen nicht gezeigt werden kann,<br />

ist davon auszugehen, dass dieses Face-Konzept im Arabischen<br />

zu finden ist (das öffentliche Bild ist konstruiert, es ist<br />

eine variable Maske, die in Beziehungen <strong>und</strong> Netzwerken<br />

verhandelt wird).<br />

79 © Interculture Journal 2011 | 14


Jammal: Eros-Face<br />

4. Das Eros-Face <strong>und</strong> seine zwei Begriffsvarianten<br />

Im Arabischen 4<br />

gibt es ein weiteres Face-Konzept: Das Eros-<br />

Face. Es wird mit drei Begriffen umrissen 5 : „ãr“ (ر اع), „ird“<br />

(ضرع) <strong>und</strong> „´aib“ (Wehr 1997). Letzterer wird an späterer<br />

Stelle erläutert.<br />

Der erste Begriff „ãr“ meint Schmach, Schande oder Unehre<br />

<strong>und</strong> verweist auf die Notwendigkeit von Ehre <strong>und</strong> Würde.<br />

„Ird“ hingegen ist guter Ruf. Der Begriff wird in zweifacher<br />

Hinsicht verwendet. Erstens bezeichnet er die Ehre <strong>und</strong> Würde<br />

eines Menschen (Eros-Face eines Individuums). In dieser<br />

Verwendung beruht der gute Ruf bei einem Mann in vielen<br />

Fällen auf verbreiteten Männlichkeitsvorstellungen. Der Begriff<br />

des guten Rufs (Eros-Face) kann somit in dieser Begriffsverwendung<br />

nicht nur, sondern auch mit Intimität zu tun haben.<br />

Die diesem Begriff zugr<strong>und</strong>eliegenden sozialen Konstruktionen<br />

von Männlichkeit sind historisch wandelbar <strong>und</strong><br />

in unterschiedlichen Varianten nicht nur in arabisch-islamisch<br />

geprägten Kollektiven zu finden (vgl. z.B. Bosse / King 2000,<br />

Meuser 1998). Wichtig für die weitere Differenzierung des<br />

Begriffs des guten Rufs im Arabischen ist, dass das Eros-Face<br />

in dieser Verwendung individuell ist. Das heißt: Der Begriff<br />

verweist nicht auf bestimmte Frauen <strong>und</strong> Kollektive 6<br />

, sondern<br />

lediglich auf ein anonymes Kollektiv.<br />

Lässt man den Gender-Aspekt bzw. den Intimitätsaspekt außer<br />

Acht, so stellt „ird“ in der angegebenen Begriffsverwendung<br />

ein Pendant zum chinesischen Lian dar. „Individualistisch“<br />

meint bei beiden Konzepten, dass der Bezug zu einem<br />

anonymen <strong>und</strong> nicht zu einem bestimmten Kollektiv besteht,<br />

das Werte wie Würde <strong>und</strong> Respekt definiert.<br />

Der Begriff ist im Übrigen in dieser individualistischen Verwendung<br />

auch auf Frauen anwendbar. Ihm liegen historisch<br />

gewachsene soziale Konstruktionen von Frauen zugr<strong>und</strong>e.<br />

Die zweite Begriffsverwendung ist spezifisch kollektivistisch,<br />

in hohem Maße Gender-„biased“ <strong>und</strong> sie bezieht sich ausschließlich<br />

auf Intimität. Der Begriff „Ird“ meint in dieser<br />

Verwendung zum einen das öffentliche Image eines Kollektivs,<br />

dem Frauen angehören, <strong>und</strong> zum anderen das öffentliche<br />

Image einer Frau oder eines Mannes, jedoch auch nur in<br />

Bezug zu den ihm zugeschriebenen Frauen. Der Begriff verweist<br />

also hier auf bestimmte Frauen <strong>und</strong> Kollektive. Im Zentrum<br />

stehen stets die Frau <strong>und</strong> ihre Jungfräulichkeit. Öffentlich<br />

meint hier nicht nur die Beziehung zu Fremdgruppen, sondern<br />

auch zu den Mitgliedern des eigenen Kollektivs - gleichviel<br />

wie groß oder wie klein dieses ist (Rosen 1984).<br />

In einer negativen Bestimmung geht es bei diesem kollektivistischen<br />

Eros-Face im Kern um die Abwehr von <strong>Ein</strong>dringlingen<br />

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Jammal: Eros-Face<br />

in die Privatsphäre des Kollektivs, um die Verhinderung von<br />

außerehelicher <strong>und</strong> gewaltsamer Geschlechtlichkeit <strong>zwischen</strong><br />

Mitgliedern anderer Kollektive <strong>und</strong> Frauen des eigenen Kollektivs<br />

<strong>und</strong> schließlich vor allem um die Unterbindung von<br />

Wollust, soweit diese außerhalb des ehelichen Bereichs vorliegt.<br />

Letztlich ist der gute Ruf („ird“) nur unter der Abwendung<br />

von Schmach („ãr“) möglich. In positiver Bestimmung: Bewahrt<br />

werden soll ein Bild unbefleckter <strong>und</strong> stets keuscher<br />

Privatsphäre eines Kollektivs oder einer Person.<br />

Konstitutiv für das Eros-Face der Männer eines Kollektivs ist,<br />

dass sie für die Bewahrung von Unbeflecktheit <strong>und</strong> Keuschheit<br />

ihres Kollektivs in Bezug auf die Frauen desselben Kollektivs<br />

verantwortlich sind. Wer dieser Pflicht nicht nachkommt,<br />

verliert das Eros-Gesicht. Wer es bewahrt, hat prima facie einen<br />

positiven öffentlichen Ruf („ird“). Dies ist entscheidend<br />

für die Identitätsbildung eines Mannes. Wer seinen guten Ruf<br />

(„ird“) verloren hat, ist bestenfalls bedauernswert <strong>und</strong> hat<br />

eigentlich die Prüfung aller Prüfungen, eben die der Männlichkeit,<br />

nicht bestanden.<br />

Die Frauen eines Kollektivs bilden im Eros-Face-Konzept den<br />

verletzbarsten Kern sowohl des öffentlichen Bildes („ird“) als<br />

auch des Schmachkonstrukts („ãr“). Die Schmachgefahr lauert<br />

<strong>und</strong> es herrscht daher - je nach Kollektiv - eine starke Reglementierung,<br />

die mit dem Wort „´aib“ (بيع) belegt wird.<br />

„´Aib“ meint so viel wie „zum Verderben bzw. zur Schande<br />

führend“. Alles, was den guten Ruf („ird“) gefährdet, ist etwas,<br />

das zum Verderben führt („´aib“). Und so kann man sich<br />

vorstellen, dass diejenige Instanz in einem Kollektiv die größte<br />

Macht hat, welche darüber bestimmt, was „´aib“ <strong>und</strong> folglich<br />

zu unterlassen ist.<br />

Im Übrigen: Nicht alle „´aib“-Bestimmungen sind auf das<br />

Eros-Face bezogen. Es gibt „´aib“-Bestimmungen innerhalb<br />

der Erziehung für das, was „man nicht tut“. Bezogen auf das<br />

Eros-Face sind die „´aib“-Bestimmungen häufig nicht nur moralisch,<br />

sondern auch volksreligiös beladen. Damit wird der<br />

Eros-bezogene Ruf („ird“) sakral umhüllt. 7<br />

Interessant ist des Weiteren, dass es einen Begriff dafür gibt,<br />

Verpöntes zu verdecken, um kein Unheil in dem Kollektiv anzurichten:<br />

Es heißt „sitr“ <strong>und</strong> das Wort kommt vom „sitar“,<br />

das Vorhang oder Schleier bedeutet (Wehr 1977).<br />

<strong>Ein</strong> „verschmutztes“ Eros-Face kann - wie es im arabischen<br />

heißt - gewaschen werden. Der Preis einer solchen Waschung<br />

ist in der Regel sehr hoch. Es erfolgt häufig durch Mord an<br />

der betroffenen Frau <strong>und</strong> / oder an demjenigen, der die<br />

Schande verursacht hat 8<br />

.<br />

81 © Interculture Journal 2011 | 14


Jammal: Eros-Face<br />

Beide Begriffe - Schmach („ãr“) <strong>und</strong> guter Ruf („ird“) - sind<br />

im Bereich der nahöstlichen Tradition <strong>und</strong> des Volksislam anzusiedeln<br />

<strong>und</strong> weniger mit dem Koran zu begründen. Stammes-<br />

<strong>und</strong> Clandenken bzw. -strukturen sind es, die beide Begriffe<br />

begründen. Im Koran kommen zwar die Begriffe vor<br />

(3,26-27; 49,13; 70,23-35), aber es geht dabei um die Ehre,<br />

die Gott dem rechten Gläubigen gibt 9<br />

.<br />

5. Besonderheiten des Eros-Face<br />

Es ist sicherlich erkennbar geworden, dass das Eros-Face<br />

Gender-spezifisch ist. Dies wurde meines Wissens in der bisherigen<br />

Face-Literatur - zumindest im arabischen Kontext -<br />

nicht thematisiert, obwohl die Sachverhalte, um die es dabei<br />

geht, gr<strong>und</strong>sätzlich bekannt sind. Auch existiert der Genderaspekt<br />

in der chinesisch-orientierten Faceliteratur nicht.<br />

Mianzi <strong>und</strong> Lian kennen keine Genderaspekte.<br />

<strong>Ein</strong>e weitere Besonderheit des Konzepts Eros-Face ist, dass es<br />

sowohl individuell als auch kollektivistisch sein kann. Letzteres<br />

ist Gender-„biased“ zu Ungunsten der Frauen.<br />

Das Phänomen des kollektiven Face im chinesischen Kontext<br />

wurde in der Literatur schon mehrfach diskutiert (siehe z.B.<br />

Muders 2008 mit der dort aufgeführten Literatur). Im arabischen<br />

Kontext gibt es das Eros-Gesicht einer Frau, eines<br />

Mannes <strong>und</strong> auch das des Kollektivs, dem die Frau angehört<br />

(arabisch „ird“). Auch besteht eine Wechselwirkung <strong>zwischen</strong><br />

dem Eros-Face eines Individuums auf der einen <strong>und</strong> dem<br />

Eros-Face eines Kollektivs auf der anderen Seite. So obliegt es<br />

dem Mann in einer Familie (dem Vater bzw. dem ältesten<br />

Sohn), das Image des Kollektivs (also der Familie in diesem<br />

Fall) zu schützen <strong>und</strong> dafür geeignete Strategien einzuschlagen.<br />

Das Face eines Mannes kann also sowohl individuell als<br />

auch kollektivistisch sein. Beim Letzteren steht es in einem<br />

Verweisungszusammenhang zu einem bestimmten Kollektiv.<br />

Das kollektivistische Eros-Face lässt keinen großen Spielraum<br />

für die Konstruktionen eines Selbstbildes zu. In dieser Hinsicht<br />

ist es, wie das Lian-Konzept, evaluativ. Auch variiert es nicht,<br />

so wie es beim „waģh“ oder beim chinesischen Pendant<br />

Mianzi der Fall ist, je nach Audienz <strong>und</strong> Interaktionssituation.<br />

Es ist eher vorgegeben <strong>und</strong> gegen Änderungen resistent. Was<br />

zum Verderben führt („´aib“) <strong>und</strong> was nicht, steht nicht zur<br />

Debatte. Es ist auch zu bedenken, dass die Werte, um die es<br />

beim Eros-Face geht, keinen Spielraum für Schattierungen<br />

zulassen: Es gibt eben kein Drittes <strong>zwischen</strong> Jungfräulichkeit<br />

<strong>und</strong> nicht Jungfräulichkeit. „´Aib“ wird durch Reglementierungen<br />

in einem Kollektiv bestimmt, die im Bereich des Eros-<br />

Face häufig auf impliziten bipolaren Wertvorstellungen beru-<br />

© Interculture Journal 2011 | 14 82


Jammal: Eros-Face<br />

hen. Über die der Reglementierung zugr<strong>und</strong>eliegenden Werte<br />

wird nicht verhandelt - schon gar nicht, wenn sie einen ausgesprochen<br />

sakralen Charakter haben.<br />

Gleichwohl gilt auch beim Eros-Face wie auch beim „waģh“<br />

(allgemeines Face), dass es in kommunikativen rituellen Handlungen<br />

vermittelt wird (Goffman 1955 <strong>und</strong> 1971). Es gibt<br />

sehr viele Strategien der Pflege eines Bildes von Reinheit <strong>und</strong><br />

Keuschheit. Performative Sätze - Eheschließung als performativer<br />

Sprechakt (vgl. Austin 1962) oder andere Ausgleichshandlungen<br />

10<br />

- dienen der Wiederherstellung des Eros-Face,<br />

wie z.B. die Auslöschung der Ursache des „Übels“. Letzteres<br />

ist im Übrigen nicht durch die Frauen, sondern ausschließlich<br />

durch die Männer zu bewerkstelligen.<br />

Was den Verlust des Eros-Gesichts anbelangt, so hat er gravierendere<br />

Auswirkungen als der Verlust des allgemeinen Gesichts<br />

„waģh“. Auch lässt sich der Verlust kaum durch „Politeness“<br />

reparieren. Es sind meistens existenzielle Schritte, die<br />

benötigt werden, um das Eros-Gesicht halbwegs zu kitten.<br />

6. Zusammenfassung<br />

Es wurde holzschnittartig gezeigt, dass zwei begriffliche Konzepte<br />

im Arabischen für Face existieren: Das eine ist „waģh“<br />

(allgemeines Face), was so viel bedeutet wie öffentliches<br />

Image einer Person, das kommunikativ-rituell konstruiert <strong>und</strong><br />

verhandelbar ist. Das chinesische Pendant dazu ist Mianzi.<br />

Daneben gibt es ein anderes Konzept, genannt Eros-Face, das<br />

sowohl individuell als auch kollektivistisch sein kann. In der<br />

individualistischen Variante kommt es dem chinesischen Lian-<br />

Konzept nahe. Hier stellt die anonyme Gesellschaft den Bezug<br />

dar <strong>und</strong> nicht ein bestimmtes Kollektiv. Beim kollektivistischen<br />

Eros-Face bildet die Familie oder der Clan etc. den Bezug<br />

<strong>und</strong> es kann sich zum einen um das Face eines bestimmten<br />

Kollektivs <strong>und</strong> zum anderen um das Face eines Individuums<br />

in Bezug zu dem spezifischen Kollektiv handeln.<br />

Jedenfalls unterscheidet sich das Eros-Face vom allgemeinen<br />

Face „waģh“ darin, dass es in seinen Konstruktionen rigider<br />

<strong>und</strong> weniger verhandelbar ist. Die Rigidität nimmt bei einer<br />

sakralen Umhüllung der Face-Werte durch Bezüge zum Volksislam<br />

zu. Damit geht eine stärkere Repression gegenüber<br />

Frauen einher. Deshalb wurde oben betont, dass das kollektivistische<br />

Eros-Face-Konzept Gender-„biased“ ist.<br />

Des Weiteren: <strong>Ein</strong>em Verlust des Eros-Face kann wohl kaum<br />

mit Höflichkeit begegnet werden <strong>und</strong> die Konsequenzen daraus<br />

sind weitaus gravierender als beim Verlust des allgemei-<br />

nen Face „waģh“.<br />

83 © Interculture Journal 2011 | 14


Jammal: Eros-Face<br />

7. Offene Fragen<br />

Die vorgestellte Unterscheidung <strong>zwischen</strong> Face-Konzepten im<br />

Arabischen stellt eine erste Annäherung an das Thema dar.<br />

Sie bedarf einer eingehenden Analyse unter <strong>Ein</strong>beziehung<br />

einer empirischen F<strong>und</strong>ierung, um auch zu zeigen, welche<br />

Varianten davon in unterschiedlichen arabischen Kollektiven<br />

bestehen. In diesem Papier wurde noch eher allgemein von<br />

arabischen Face-Konzepten gesprochen. Es liegt auf der<br />

Hand, dass dies einer Differenzierung bedarf.<br />

In diesem Papier wurde das Eros-Face als Konzept bezeichnet.<br />

Eventuell wäre es analytisch <strong>und</strong> systematisch sinnvoller, das<br />

Eros-Face als eine Unterkategorie des allgemeinen Face zu<br />

verstehen.<br />

Es stehen des Weiteren noch die Fragen aus, welche Kollektiv-allgemeinen<br />

<strong>und</strong> Kollektiv-spezifischen Maßnahmen zur<br />

Pflege des Eros-Face <strong>und</strong> welche angesichts von „Eros-Face<br />

Threats“ ergriffen werden. Auch wäre genauer zu klären, wie<br />

die Zusammenhänge <strong>zwischen</strong> dem individuellen <strong>und</strong> dem<br />

kollektiven Eros-Face sind.<br />

Und schließlich: Es müsste noch genauer herausgearbeitet<br />

werden, was Intimität im <strong>Ein</strong>zelnen meint bzw. welche Lebensbereiche<br />

davon betroffen sind, <strong>und</strong> das unter <strong>Ein</strong>beziehung<br />

vor allem der ethnologisch orientierten Forschungsergebnisse<br />

zu Ehre <strong>und</strong> Face.<br />

Literatur<br />

Al Sabt, M. (1996): Arabian Business and Culture Guide. Honolulu: International<br />

Export Connections.<br />

Austin, J. L. (1962): How to Do Things with Words. Oxford: Clarendon.<br />

Bosse, H. / King, V. (Hrsg.) (2000): Männlichkeitsentwürfe, Wandlungen<br />

<strong>und</strong> Widerstände. Frankfurt / New York: Campus.<br />

Brown, P. / Levinson, S. C. (1987): Politeness. Some universals in language<br />

usage. Cambridge: Cambridge University Press.<br />

Diner, D. (2005): Versiegelte Zeit. Über den Stillstand in der islamischen<br />

Welt. Berlin: Propyläen.<br />

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Gao, G. / Ting-Toomey, S. (1998). Communicating Effectively with the Chinese.<br />

Thousand Oaks: Sage.<br />

Goffman, E. (1959): The presentation of self in everyday life. Garden City,<br />

NY: Doubleday.<br />

© Interculture Journal 2011 | 14 84


Jammal: Eros-Face<br />

Goffman, E. (1971): Interaktionsrituale. Über Verhalten in direkter Kommunikation.<br />

Frankfurt/M.: Suhrkamp.<br />

Henze, J. (2008): Die Rolle von Vertrauen in sozialen Beziehungen. Das<br />

Beispiel chinesischsprachiger Kulturräume. In: Jammal, E. (Hrsg.): Vertrauen<br />

im interkulturellen Kontext. Konzepte <strong>und</strong> empirische Forschung. Wiesbaden:<br />

VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 193-211.<br />

Henze, J. (2011): Intuition <strong>und</strong>/oder Wissen. Zur Bedeutung heuristischer<br />

Modelle in der interkulturellen Kommunikationsforschung“. In: Bosse, E. /<br />

Kreß, B. / Schlickau, S. (Hrsg.): Methodische Vielfalt in der Erforschung<br />

interkultureller Kommunikation an deutschen Hochschulen. Frankfurt/Main<br />

et al.: Peter Lang, S. 81-101.<br />

King, P. C. (2010): An Examination of the Role of Lian (Face) in Mainland<br />

Chinese Business Practices. Dissertation Submitted in Partial Fulfillment<br />

of the Requirements for the Degree Doctor of Management in<br />

Organizational Leadership at Phoenix University. URL:<br />

http://gradworks.umi.com/3437009.pdf [Zugriff am 17.04.2011].<br />

Lakoff, G. P. (1973): The logic of Politeness; or minding your p's and<br />

q's. Papers from the 9th Regional Meeting, Chicago Linguistics Society.<br />

Chicago: Chicago Linguistics Society.<br />

Meuser, M. (1998): Geschlecht <strong>und</strong> Männlichkeit. Soziologische Theorie<br />

<strong>und</strong> kulturelle Deutungsmuster. Opladen: Leske + Budrich.<br />

Muders, K. (2008): Höflichkeit – ein universales Konzept? Inwiefern behaupten<br />

die Theorien von Lakoff <strong>und</strong> Brown & Levinson eine universale<br />

Gültigkeit ihrer Modelle <strong>und</strong> lassen sich diese Behauptungen vertreten?<br />

München: Grin Verlag.<br />

Mills, S. (2003): Gender and Politeness. Cambridge: Cambridge University<br />

Press.<br />

Rosen, L. (1984): Bargaining for Reality. The construction of social relations<br />

in Muslim law and society. Oxford: Oxford University Press.<br />

Ting-Toomey, S. / Kurogi, A. (1998): Facework Competence in Intercultural<br />

Conflict. An Updated Face-Negotation Theory. International Journal of Intercultural<br />

Relations 22(2), S. 187-225.<br />

Ting-Toomey, S. (2005): The Matrix of Face. An Updated Face-Negotiation<br />

Theory. In: Gudykunst, W.B. (Hrsg.): Theorizing about intercultural communication.<br />

Thousand Oaks, CA: Sage, S. 71-92.<br />

Watts, R. (2005): Linguistic Politeness Research. Quo Vadis? In: Watts, R. J.<br />

/ Ide, S. / Ehlich, K. (Hrsg.): Politeness in Language. Studies in its History,<br />

Theory and Practice. Berlin, New York: Mouton de Gruyter, S. xi–xlvii.<br />

Wehr, H. (1977): Arabisches Wörterbuch. Beirut: Librairie du Liban.<br />

1 Für die Wahl dieses Begriffes siehe z.B. die Metamorphosen-<br />

Erzählung von Apuleius. Man kann sicherlich auch „Intimitäts-Face“<br />

sagen.<br />

85 © Interculture Journal 2011 | 14


Jammal: Eros-Face<br />

2 Darauf detailliert einzugehen, würde den Rahmen dieses<br />

Beitrags sprengen.<br />

3<br />

Wie auch im Deutschen gibt es im Arabischen mehrere Begriffsverwendungen<br />

mit negativem Bezug zur schwarzen<br />

Hautfarbe. Leider gelten diese im arabischen Sprachraum<br />

längst noch nicht als inakzeptabel.<br />

4<br />

Viele wertvolle Hinweise zu den arabischen Begriffen <strong>und</strong><br />

Ehre-Konzepten verdanke ich meiner Halbschwester Frau<br />

Yasmeen Hamdan.<br />

5<br />

Es gibt einen weiteren Begriff im Arabischen, der in diesem<br />

Zusammenhang relevant ist: Ehre - arabisch „sharaf“. Darauf<br />

einzugehen <strong>und</strong> diesen Begriff von den anderen drei Begriffen<br />

abzusetzen, kann hier nicht geleistet werden.<br />

6<br />

Interessanterweise gibt es im syrischen Dialekt (Alltagsarabisch<br />

in Syrien, Palästina, Jordanien <strong>und</strong> im Libanon) ein<br />

Schimpfwort, das sich auf den individuellen guten Ruf bezieht.<br />

Es lautet in der Übersetzung: „Verflucht sei dein guter<br />

Ruf“.<br />

7 Vgl. Diner (2005): Bis auf die Idee der sakralen Umhüllung<br />

sind den Analysen Diners des angeblichen Stillstands in der<br />

arabischen Welt nicht zuzustimmen – schon gar nicht im Lichte<br />

der jüngsten Demokratisierungsrevolutionen in vielen arabischen<br />

Ländern.<br />

8<br />

Es erübrigt sich geradezu zu sagen, dass das Phänomen des<br />

Eros-Face nichts spezifisch Arabisches ist <strong>und</strong> dass es sehr<br />

wohl im „Abendland“ in rigiden Formen vorhanden war (was<br />

aber nicht ausschließt, dass es in der jeweiligen Ausgestaltung<br />

kulturspezifisch sein kann). Man denke nur an Mozarts<br />

Don Giovanni. Da muss der Komtur, der Vater von Donna<br />

Anna in der Ausgleichshandlung des Kampfes mit Don Giovanni<br />

sterben. Anlass ist natürlich, dass das Eros-Face der<br />

Donna Anna <strong>und</strong> der Familie durch die „Schandtat“ des<br />

„Wüstlings“ ramponiert wurde. Und was die Gegenwart anbelangt:<br />

Ehrenmorde gibt es nicht nur in islamisch geprägten<br />

Ländern, sondern auch in christlich geprägten Ländern, wie<br />

z.B. in Brasilien, Italien <strong>und</strong> Ecuador (UN-Bericht 2000: Civil<br />

and Political Rights).<br />

9 Auch darauf kann hier leider nicht näher eingegangen wer-<br />

den.<br />

10<br />

„Die Handlungssequenz, die durch eine anerkannte Bedrohung<br />

des Images in Bewegung gesetzt wird <strong>und</strong> mit der Wiederherstellung<br />

des rituellen Gleichgewichts endet, werde ich<br />

Ausgleichshandlung nennen“ (Goffman 1971:25).<br />

© Interculture Journal 2011 | 14 86


Die Bedeutung von<br />

Emotionen in der koreanischen<br />

Interaktion*<br />

[Importance of Emotions in<br />

Interpersonal Relationships<br />

and Social Networks in<br />

Korea]<br />

Anja Scherpinski – Lee<br />

Lektorin für deutsche Sprache<br />

<strong>und</strong> Kultur an der Hankuk<br />

University for Foreign Studies<br />

in Seoul, Südkorea<br />

Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion<br />

Abstract [English]<br />

Compared to Germany, Korea is a collectivist culture. Collectivism<br />

is considered to be a result of Confucianism which has<br />

influenced the Korean culture for h<strong>und</strong>reds of years. Confucian<br />

ethical values still play an essential role in the manner<br />

and ways Koreans establish and maintain interpersonal relationships<br />

and integrate themselves in social groups. Whereas<br />

Germans consider involvement in relationships and networks<br />

optional and reciprocally symmetrical, Confucian ethics view<br />

relationships asymmetrical and obligatory. While interacting<br />

with others high emphasis is placed on emotions that bind<br />

people together and lead to a sentiment of “we-ness” felt by<br />

partners of a relationship. Two unique indigenous phenomena<br />

– shimjung and jung – are regarded as key concepts one<br />

has to grasp in order to <strong>und</strong>erstand how Koreans interact<br />

with each other. The aim of this article is to explain these<br />

concepts and to point out crucial characteristics in the Korean<br />

ways of networking.<br />

Keywords: Korea, Confucianism, indigenous psychology,<br />

emotions, collectivism<br />

Abstract [Deutsch]<br />

Im Vergleich zu Deutschland lässt sich Korea als kollektivistische<br />

Kultur verstehen. Der Kollektivismus kann als Resultat<br />

des Konfuzianismus betrachtet werden, der Korea jahrh<strong>und</strong>ertelang<br />

geprägt hat. Konfuzianische ethische Wertvorstellungen<br />

spielen auch heute noch eine essentielle Rolle in der<br />

Art <strong>und</strong> Weise, wie Koreaner interpersonale Beziehungen<br />

pflegen <strong>und</strong> sich in sozialen Netzwerken verhalten. Während<br />

in Deutschland das Engagement, das in interpersonale Beziehungen<br />

<strong>und</strong> sozialen Gruppen eingebracht wird, eher als optional<br />

<strong>und</strong> symmetrisch reziprok betrachtet wird, betonen<br />

konfuzianisch geprägte Wertvorstellungen bedingungslose<br />

gegenseitige Verpflichtung <strong>und</strong> den Aufbau <strong>und</strong> Erhalt eines<br />

„Wir-Gefühls“. Dabei bildet der Umgang mit Emotionen, die<br />

sich <strong>zwischen</strong> den Interaktionspartnern entwickeln, den Kern<br />

der Beziehungspflege. Zwei indigen koreanische Gefühlsmodi<br />

– Shimjung <strong>und</strong> Jung – werden als Schlüsselkonzepte für das<br />

Verständnis koreanischer Interaktionsmechanismen verstanden<br />

<strong>und</strong> sollen im vorliegenden Beitrag genauer betrachtet<br />

werden.<br />

Stichwörter: Korea, Konfuzianismus, indigene Psychologie,<br />

Emotionen, Kollektivismus<br />

87 © Interculture Journal 2011 | 14


Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion<br />

1. <strong>Ein</strong>leitung<br />

Die Kultur, in der wir sozialisiert werden, beeinflusst unser<br />

Denken <strong>und</strong> Verhalten. Wir bilden uns ein Weltbild vor dem<br />

Hintergr<strong>und</strong> unserer Kultur <strong>und</strong> handeln <strong>und</strong> urteilen beeinflusst<br />

von kulturell geprägten Normalitätsannahmen <strong>und</strong><br />

Wertvorstellungen. Auch die Art <strong>und</strong> Weise, in der wir Beziehungen<br />

zu anderen Menschen aufbauen <strong>und</strong> uns in interpersonalen<br />

Beziehungen, sozialen Gruppen <strong>und</strong> Netzwerken<br />

bewegen, ist durch unsere Kultur geprägt (Matsumoto /<br />

Juang 2008:200). Vergleicht man deutsche mit koreanischen<br />

Vorstellungen von Zielen <strong>und</strong> Wirkungsweisen interpersonaler<br />

Beziehungen, so treten gravierende Unterschiede zutage:<br />

Koreaner messen dem adäquaten Umgang mit den Gefühlen,<br />

die <strong>zwischen</strong> Menschen in einer Beziehung aufkommen, eine<br />

weitaus wichtigere Bedeutung für das Funktionieren der Interaktion<br />

bei als Deutsche. Die Anstrengungen beider Interaktionspartner,<br />

Harmonie <strong>und</strong> affirmative Emotionen in ihrer<br />

Dyade widerzuspiegeln, sowie die Fähigkeit, den Gefühlsstatus<br />

des Gegenübers folgerichtig zu interpretieren, entscheiden<br />

maßgeblich über Qualität <strong>und</strong> Fortbestehen der Beziehung.<br />

Diese starke Gewichtung der emotionalen Dimension<br />

lässt sich durch die konfuzianische Prägung der koreanischen<br />

Kultur erklären, aufgr<strong>und</strong> der Werte von Zwischenmenschlichkeit<br />

<strong>und</strong> Harmonie sowie die Entwicklung eines emotionalen<br />

„Wir-Gefühls“ in der Interaktion über die zweckgerichtete<br />

Umsetzung persönlicher Absichten gestellt werden. Mit dem<br />

<strong>Ein</strong>tritt Koreas in den globalisierten Geschäftsalltag sind in<br />

den USA <strong>und</strong> Europa zahlreiche Publikationen erschienen, die<br />

Korea als kollektivistische Kultur in kulturkontrastiven Studien<br />

verorten <strong>und</strong> so die „rätselhafte“ koreanische Kultur für<br />

<strong>West</strong>ler erhellen wollen. Als Gegenbewegung zu solchen<br />

„eurozentrischen“ Theorien hat die koreanische Sozialwissenschaft<br />

in den letzten zwei Jahrzehnten einen Schwerpunkt<br />

auf die Untersuchung psychosoziologischer Wirkungsmechanismen<br />

in Netzwerkbeziehungen gelegt, um aus einer<br />

„asiazentrischen“ Perspektive indigene Konzepte freizulegen,<br />

die für das Verständnis der koreanischen Kultur eine bedeutende<br />

Rolle spielen.<br />

Im folgenden Beitrag sollen zwei indigen koreanische Phänomene<br />

– Shimjung <strong>und</strong> Jung –, die als die affektivemotionale<br />

Basis der koreanischen Interaktionen betrachtet<br />

werden, erläutert werden. Zum besseren Verständnis dieser<br />

beiden Konzepte werden vorerst Merkmale der koreanischen<br />

kollektivistischen Kultur aufgeführt <strong>und</strong> der Konfuzianismus<br />

als F<strong>und</strong>ament des koreanischen Wertesystems beleuchtet<br />

sowie sein <strong>Ein</strong>fluss auf die Art <strong>und</strong> Weise, wie Koreaner sich<br />

in Interaktionen verhalten, herausgearbeitet. Abschließend<br />

sollen in der Fachliteratur bereits benannte Konzepte aus dem<br />

© Interculture Journal 2011 | 14 88


Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion<br />

koreanischen Kommunikationsusus auf ihren Zusammenhang<br />

mit Shimjung <strong>und</strong> Jung nochmals betrachtet werden. Es handelt<br />

sich dabei um das Konzept des „Gesichtswahrens“ sowie<br />

um die soziale <strong>Kompetenz</strong> Nunchi.<br />

2. Korea – eine kollektivistisch orientierte Kultur<br />

Kulturen lassen sich aus kulturkontrastiver Perspektive u.a. in<br />

Bezug auf ihre kollektivistische bzw. individualistische Orientierung<br />

unterscheiden. Triandis (1994) differenziert in Hinsicht<br />

auf das Verhalten von Menschen in interpersonalen Beziehungen<br />

<strong>und</strong> Gruppen <strong>zwischen</strong> allozentrischer <strong>und</strong><br />

idiozentrischer Selbstwahrnehmung von Individualität <strong>und</strong><br />

Kollektivität. Demzufolge tendieren Menschen aus individualistisch<br />

orientierten Kulturen dazu, sich selbst idiozentrische<br />

Attribute zuzuschreiben. Solche Attribute umfassen u.a., dass<br />

das Individuum als Gr<strong>und</strong>element sozialer Gefüge <strong>und</strong> das<br />

Selbst als eine eigenständige, autonome <strong>Ein</strong>heit mit eigenen<br />

Zielen wahrgenommen werden. Gruppenzugehörigkeiten<br />

<strong>und</strong> Netzwerkbeziehungen werden eher als freiwillige, lockere<br />

Verbindungen betrachtet, in denen weiterhin persönliche<br />

Absichten verfolgt <strong>und</strong> diese über kollektive Gruppenziele<br />

gestellt werden. Bei Bedarf kann man sich ohne größere soziale<br />

Sanktionen wieder aus einer Beziehung zurückziehen oder<br />

aus einem Netzwerk aussteigen (Triandis 1994:47f.).<br />

Demgegenüber neigen Menschen aus kollektivistisch orientierten<br />

Kulturen zu allozentrischen Zuschreibungen. Sie betrachten<br />

Gruppen als Gr<strong>und</strong>bausteine der Gesellschaft. Das<br />

Individuum wird als interdependent wahrgenommen <strong>und</strong><br />

über seine Positionen <strong>und</strong> <strong>Ein</strong>geb<strong>und</strong>enheit in Beziehungsnetze<br />

definiert. Konformität mit Gruppenzielen steht über der<br />

Umsetzung persönlicher Ziele, die zugunsten von Harmoniewahrung<br />

innerhalb der Gruppe zurückgestellt werden. Die<br />

Involviertheit in Beziehungsnetzwerke wird als essentielle<br />

Voraussetzung für das soziale Überleben betrachtet (Triandis<br />

1994:47f. <strong>und</strong> 2006:23f.). Netzwerke sind dabei nach Alter,<br />

Geschlecht, beruflicher Position etc. stark hierarchisch strukturiert<br />

<strong>und</strong> interpersonale Beziehungen <strong>zwischen</strong> Menschen<br />

in diesen Netzwerken horizontal ausgerichtet, d.h. man ist<br />

sich der eigenen über- bzw. unterlegende Position in einer<br />

Beziehung deutlich bewusst <strong>und</strong> verhält sich dementsprechend<br />

angemessen in der Interaktion, wobei es am wichtigsten<br />

ist, sich in das Netzwerk einzupassen, anstatt hervorzustehen<br />

(Triandis 1994:47f.). Menschen aus individualistischen<br />

Kulturen hingegen fühlen sich in vertikalen interpersonalen<br />

Beziehungen, z.B. mit Fre<strong>und</strong>en, am wohlsten, wobei persönliche<br />

Freiheit <strong>und</strong> die Möglichkeit zur Selbstverwirklichung<br />

89 © Interculture Journal 2011 | 14


Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion<br />

geschätzt werden (Triandis 1995 zit. nach Gudykunst / Matsumoto<br />

1996:25).<br />

Triandis‘ Ausführungen zufolge lässt sich die deutsche Kultur<br />

als individualistisch orientierte Kultur verstehen, während<br />

Menschen der koreanischen Kultur zu allozentrischen Wertvorstellungen<br />

<strong>und</strong> Zuschreibungen tendieren. Sie handeln<br />

<strong>und</strong> urteilen vor dem Hintergr<strong>und</strong> eines konfuzianisch geprägten<br />

Normen- <strong>und</strong> Wertesystems, das auch heute noch<br />

nach tausendjähriger Bestehensgeschichte des Konfuzianismus<br />

in Korea wirksam ist. Um also zu einem Verständnis für<br />

koreanische Verhaltensweisen in interpersonalen Beziehungen<br />

<strong>und</strong> Netzwerken zu gelangen, ist es notwendig, den Blick<br />

auf die Werte zu lenken, die von der konfuzianischen Ethik<br />

betont werden.<br />

3. Der Konfuzianismus – F<strong>und</strong>ament des koreanischen<br />

Wertesystems<br />

Südkorea wird oft als das konfuzianischste aller asiatischen<br />

Länder bezeichnet. Obwohl die konfuzianische Ethik heute<br />

kaum noch in ihrer Urform durch Institutionen vermittelt<br />

wird 1 <strong>und</strong> auch nicht explizit im Curriculum von Schuleinrichtungen<br />

<strong>und</strong> Universitäten oder in der Gesetzgebung verankert<br />

ist, haben sich gr<strong>und</strong>legende Prinzipien durch konstante<br />

Tradierung <strong>und</strong> Reproduktion insbesondere im Bereich der<br />

Familie bis heute erhalten. Der Kern der Familie spielt dabei<br />

im Vergleich zu deutschen Verhältnissen eine übergeordnete<br />

Rolle im Alltag der Koreaner. Koreanische Kinder haben eine<br />

extrem starke, oft exklusive Bindung an ihre Mütter, mit denen<br />

sie die meiste Zeit verbringen <strong>und</strong> von denen sie bis zum<br />

<strong>Ein</strong>tritt ins Schulleben den Großteil an Bildung <strong>und</strong> Erziehung<br />

erhalten. Das Wort der Eltern gilt in den meisten Lebenssituationen<br />

als maßgebend 2 . Koreaner begeben sich nach wie vor<br />

zu den wichtigsten Feiertagen in ihre Heimat, um den Eltern,<br />

Großeltern <strong>und</strong> Vorfahren durch traditionelle Zeremonien<br />

<strong>und</strong> Rituale ihre Ehrerbietung zu zeigen 3 . Im Vergleich zu anderen<br />

konfuzianisch geprägten asiatischen Ländern scheinen<br />

sich in Korea konfuzianische Werte <strong>und</strong> Verhaltensmuster<br />

besonders tiefgreifend <strong>und</strong> hartnäckig durchgesetzt zu haben<br />

(Koh 2004:107). Vom Kern der Familie aus erstrecken sich die<br />

konfuzianischen Wertvorstellungen in alle Dimensionen der<br />

koreanischen Lebenswelt. Im Folgenden soll die wesentliche<br />

Wirkweise der konfuzianisch geprägten Ethik knapp erläutert<br />

werden:<br />

© Interculture Journal 2011 | 14 90


Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion<br />

Vertrauen Shin<br />

Wissen/Kultiviertheit Chi<br />

Angemessenheit/Schicklichkeit Ye<br />

Rechtschaffenheit Eu<br />

Humanität/<br />

Zwischenmenschlichkeit<br />

In<br />

Gesellschaftliche<br />

Netzwerke<br />

Netzwerke aus Schul-/<br />

Universitätsleben<br />

Familienbeziehungen<br />

Interpersonale<br />

Beziehungen in Dyaden<br />

Abb. 1: Konfuzianische Wertvorstellungen in Bezug auf interpersonale<br />

Beziehungen im gesellschaftlichen Netzwerk (Kim / Park 2006:39,<br />

Übersetzung d. A.)<br />

Die konfuzianische Gesellschaftsethik betrachtet den Menschen<br />

immer in Bezug auf seine Beziehungen zu anderen<br />

Menschen. Der geordnete Platz eines Individuums in der gesellschaftlichen<br />

Hierarchie sowie konkret definierte reziproke<br />

Beziehungen <strong>zwischen</strong> Menschen machen den Hauptinhalt<br />

aus. Solche Beziehungen sind in ihrer Urform die Beziehung<br />

<strong>zwischen</strong> Herrscher <strong>und</strong> Untergebenen, <strong>zwischen</strong> Vater <strong>und</strong><br />

Sohn, <strong>zwischen</strong> Ehemann <strong>und</strong> Ehefrau, <strong>zwischen</strong> Jüngeren<br />

<strong>und</strong> Älteren <strong>und</strong> die Beziehung <strong>zwischen</strong> Fre<strong>und</strong>en. Dabei<br />

sollen im Wesentlichen fünf ethische Verhaltensregeln diese<br />

Beziehungen steuern:<br />

1.) Humanität <strong>und</strong> Zwischenmenschlichkeit (In 인)<br />

2.) Rechtschaffenheit (Eu 의)<br />

3.) Angemessenheit <strong>und</strong> Schicklichkeit (Ye 예)<br />

4.) Kultiviertheit <strong>und</strong> Wissen (Chi 지) <strong>und</strong><br />

5.) gegenseitiges Vertrauen (Shin 신).<br />

Humanität bzw. Zwischenmenschlichkeit (In 인) bilden das<br />

Kernprinzip der konfuzianischen Ethik. Aufgr<strong>und</strong> dieses Prinzips<br />

werden in Korea, stärker als in westlichen Ländern, Emotionen,<br />

die Menschen miteinander verbinden, in den Vordergr<strong>und</strong><br />

gestellt. Kim / Park (2006:38) fassen die Lehrsätze, die<br />

aus konfuzianischen Schriften überliefert wurden <strong>und</strong> in kon-<br />

91 © Interculture Journal 2011 | 14


Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion<br />

fuzianischen, asiatischen Kulturen wirksam sind, wie folgt<br />

zusammen:<br />

„The Chinese, Japanese, and Korean word for human being is 人人, which<br />

can be translated literally as ‚human between‘. It is not what happens within<br />

an individual, but between individuals that makes us human. [...] The<br />

human essence is basically relational and can be defined in terms of the<br />

emotions people feel for one another.“<br />

Diese Gefühle von Verb<strong>und</strong>enheit werden prototypisch <strong>zwischen</strong><br />

Familienmitgliedern empf<strong>und</strong>en. Daher steht die Familie<br />

im Zentrum des konfuzianischen Gesellschaftssystems.<br />

Eltern <strong>und</strong> Kinder stehen in einem reziproken Verhältnis zueinander,<br />

das sich auf elterliche Fürsorge <strong>und</strong> Liebe auf der<br />

einen Seite sowie Respekt, Gehorsam <strong>und</strong> Kindespietät auf<br />

der anderen Seite gründet.<br />

Gefühle wie Respekt <strong>und</strong> Fürsorge entstehen demzufolge<br />

aufgr<strong>und</strong> einer Rolle, die man in einer Beziehung einnimmt.<br />

Jeder Mensch wird nach traditionell konfuzianischen Vorstellungen<br />

mit einem definierten Status in eine Familie hineingeboren.<br />

Dieser Status wird durch das Prinzip der Rechtschaffenheit<br />

(Eu 의) bestimmt <strong>und</strong> bringt konkrete Rollenzuteilungen<br />

<strong>und</strong> Verpflichtungen gegenüber den anderen Familienmitgliedern<br />

mit sich, die entsprechend den ethischen Kodes<br />

erfüllt werden müssen. So befinden sich z.B. Geschwister in<br />

einer reziproken Beziehung, die sich auf Verantwortungsbewusstsein<br />

für jüngere Geschwister gründet <strong>und</strong> dafür Respekt<br />

gegenüber den älteren Geschwistern einfordert. Ehemann<br />

<strong>und</strong> Ehefrau wiederum stehen sich in einem Verhältnis aus<br />

materieller Fürsorge <strong>und</strong> Gehorsam gegenüber. Die Prinzipien<br />

der Zwischenmenschlichkeit <strong>und</strong> Rechtschaffenheit, die das<br />

emotionale F<strong>und</strong>ament bilden, sind somit die zwei Seiten einer<br />

Medaille.<br />

Das primäre Ziel der konfuzianischen Ethik besteht in der Bewahrung<br />

von Harmonie, die realisiert wird, indem jeder<br />

Mensch seine ihm zugeschriebene Rolle im sozialen Netzwerk<br />

einnimmt <strong>und</strong> im Umgang mit Mitmenschen die Erwartungen,<br />

die an seine Rolle gestellt werden, gemäß den konfuzianischen<br />

Vorstellungen von Angemessenheit <strong>und</strong> Schicklichkeit<br />

(Ye 예) erfüllt. Unter diesem Prinzip lässt sich die äußere<br />

Form der konfuzianischen Gesellschaftsethik verstehen, zu<br />

der die konkreten Verhaltenskodes wie z.B. angemessene Anredetitel,<br />

Begrüßungsformeln <strong>und</strong> grammatische Höflichkeitsstufen<br />

sowie Durchführung von Ritualen <strong>und</strong> Zeremonien,<br />

Wissen über erwartete Pflichterfüllung etc. gehören. Indem<br />

Harmonie bewahrt wird, wird gesellschaftliche Ordnung<br />

gesichert.<br />

Diese Verhaltenskodes im Sinne von Kultiviertheit <strong>und</strong> Wissen<br />

(Chi 지) werden in erster Linie während der Sozialisation durch<br />

familiäre Indoktrinierung erworben <strong>und</strong> wurden im alten Ko-<br />

© Interculture Journal 2011 | 14 92


Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion<br />

rea außerdem durch formelle Ausbildung in Schulen vermittelt.<br />

Da im modernen Korea die institutionelle Vermittlung<br />

konfuzianischer Verhaltensregeln kaum noch eine Rolle spielt,<br />

ist heute eine Form von „familiärem Konfuzianismus“ (Koh<br />

2004:114) wirksam, der, wenn auch in einer verwaschenen<br />

Form, immer noch als Gr<strong>und</strong>substanz des koreanischen Wertesystems<br />

betrachtet wird <strong>und</strong> koreanische Menschen in ihrem<br />

Handeln <strong>und</strong> Denken beeinflusst (Miike 2009 <strong>und</strong> 2007,<br />

Shim / Kim / Martin 2008, Choi / Han 2008, Choi / Kim 2006,<br />

Kim / Park 2006, Kim 2003, Lim / Choi 1996, Koh 1996,<br />

2004, Kim 1996, Cha 1994).<br />

Wie aus der Abbildung ersichtlich wird, ziehen sich die Verhaltensregeln<br />

vom Kern der Familie bis in die gesellschaftlichen,<br />

öffentlichen Sphären. Verhaltensweisen, die im Kreis<br />

der Familie praktiziert werden, sollen demzufolge auf das Leben<br />

im Alltag vorbereiten <strong>und</strong> auch in Beziehungen zu nichtfamiliären<br />

Menschen wirksam werden. Interpersonale Beziehungen<br />

<strong>und</strong> soziale Netzwerke sollen nach konfuzianischen<br />

Vorstellungen also als eine Imitation des Familienlebens fortgeführt<br />

werden <strong>und</strong> sich auf gegenseitiges Vertrauen<br />

(Shin 신) auf <strong>Ein</strong>haltung der ethischen Prinzipien <strong>zwischen</strong><br />

Mitmenschen gründen (Choi / Han 2008:219, Shim / Kim /<br />

Martin 2008:88, Koh 2004:215, Han / Choe 1994:223 u.a.).<br />

Diese Fortführung der familiären Verhaltensweisen lassen sich<br />

auch im modernen koreanischen Alltag beobachten. So<br />

herrscht an Schulen <strong>und</strong> Universitäten das Senioritätsprinzip,<br />

nach dem ältere Schüler <strong>und</strong> Studenten den Anfängern Hilfe<br />

<strong>und</strong> Unterstützung bieten <strong>und</strong> dafür den Respekt <strong>und</strong> ein<br />

gewisses Maß an Unterwürfigkeit einfordern. Ebenso gelten<br />

diese Regeln am Arbeitsplatz, wo sich jüngere Kollegen den<br />

älteren bedingungslos unterordnen müssen. Lehrer oder Vorgesetzte<br />

nehmen die Rolle einer Vater- oder „Herrscher“figur ein <strong>und</strong><br />

stehen in der gesellschaftlichen Hierarchie weit oben. Koreanische<br />

Großunternehmen sind auch heute noch stark hierarchisch-paternalistisch<br />

strukturiert <strong>und</strong> fördern Firmen-<br />

„familien“zugehörigkeit durch regelmäßige Veranstaltungen<br />

wie gemeinsame Abendessen, Ausflüge, Firmentrainings etc.<br />

(Kim 1996). Auch in der Sprache macht sich die Imitation des<br />

Familienlebens bemerkbar. So werden ältere Fre<strong>und</strong>e <strong>und</strong><br />

Fre<strong>und</strong>innen als „großer Bruder“ bzw. „große Schwester“<br />

gerufen; ebenso können Verkäuferinnen oder Kellnerinnen<br />

als „Schwester“ oder ältere K<strong>und</strong>innen als „Tante“ oder<br />

„Mutter“, unbekannte ältere Männer als „Onkel“ oder Senioren<br />

als „Großmutter“ bzw. „Großvater“ gerufen werden. In<br />

diesen Fällen wird das Konzept des Respektierens, das innerhalb<br />

der Familie Anwendung findet, auf den außer-familiären<br />

Bereich übertragen mit den Ziel, ein harmonisches Verhältnis<br />

93 © Interculture Journal 2011 | 14


Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion<br />

zum Gegenüber zu schaffen (Choi / Han 2008:207, Koh<br />

2004:114f.).<br />

Soziale Netzwerke, in die Koreaner eingeb<strong>und</strong>en sind, lassen<br />

sich in allen gesellschaftlichen Alltagsbereichen wiederfinden.<br />

Wie bereits angesprochen, bildet die Familie die Urform<br />

aller Netzwerke, wobei hier Zusammengehörigkeit über<br />

Blutsverwandtschaft (Hyolyon 혈혈) definiert wird. Es folgen<br />

chronologisch im Leben eines Koreaners die Netzwerke, die<br />

durch Schul- bzw. Universitätsbesuch entstehen, die sogenannten<br />

Hakyon (학혈). Aus diesen Hakyon entstehen nicht<br />

nur interpersonale Beziehungen zu Kommilitonen, sondern<br />

Netzwerkdenken wird auch systematisch durch Alumnivereine<br />

gefördert <strong>und</strong> bleibt lebenslang intakt 4 . In der Arbeitswelt<br />

etablieren sich Netzwerke, die sich auf Zugehörigkeit zu einer<br />

bestimmten Firmen“familie“ gründen. Ebenso lassen sich<br />

Netzwerke im Privatbereich finden in Form von kommunalen<br />

Vereinen <strong>und</strong> Nachbarschaftshilfegruppen (Kyae 계,<br />

Donghohwae 동동동) oder Kirchengruppen (Chongkyoyon<br />

종종동); <strong>und</strong> kaum ein erwachsener Koreaner ist nicht in einer<br />

oder mehreren Gruppen aktives Mitglied. Zwischen Mitgliedern<br />

solcher Netzwerke besteht, wesentlich stärker als in<br />

Deutschland, eine emotionale Verb<strong>und</strong>enheit, die sich aus der<br />

Praktizierung konfuzianischer Prinzipien von Menschlichkeit,<br />

Angemessenheit <strong>und</strong> Schicklichkeit entwickelt.<br />

Natürlich wird der Konfuzianismus im Zeitalter von Globalisierung,<br />

Technologisierung des Alltags <strong>und</strong> Jobmobilität auch<br />

von anderen Tendenzen überlagert <strong>und</strong> befindet sich in einem<br />

Spannungsfeld <strong>zwischen</strong> Aufweichung <strong>und</strong> forcierter<br />

Wiederbelebung (Koh 2004:103). Shim, Kim <strong>und</strong> Martin<br />

(2008) verwenden in ihren Ausführungen die Bezeichnung<br />

“koreanischer Konfuzianismus-Kapitalismus”, in dem Wirkungsmechanismen<br />

aus Kollektivismus <strong>und</strong> Individualismus<br />

koexistent ins Spiel kommen. Auf der einen Seite beweisen<br />

zahlreiche Studien <strong>und</strong> Umfrageergebnisse eine wachsende<br />

Generationskluft, da insbesondere junge Menschen sich gerade<br />

im Berufsleben zunehmend individualistisch verhalten<br />

<strong>und</strong> die Umsetzung ihrer persönlichen Ziele der unbedingten<br />

<strong>Ein</strong>- <strong>und</strong> Unterordnung in Netzwerkgefügen voranstellen<br />

(Shim / Kim / Martin 2008:47ff., Koh 2004:105f. <strong>und</strong> 1996,<br />

Han / Choe 1994:221 u.a.). Auf der anderen Seite werden<br />

konfuzianische Werte über die Indoktrinierung im Familienbereich<br />

hinaus auch zur Bewahrung der nationalen Identität<br />

durch Öffentlichkeitsarbeit <strong>und</strong> Medien reproduziert <strong>und</strong> tragen<br />

somit zur weiteren Tradierung bei. So startete beispielsweise<br />

ein College einen Zeichentrickwettbewerb für Kinder<br />

<strong>und</strong> Jugendliche, der als Kampagne die Bedeutung von traditionellen<br />

Werten wie Kindespietät (Hyo 효) <strong>und</strong> Zwischenmenschlichkeit<br />

(Jung 정) wiederbeleben will 5 . Auch durch<br />

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Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion<br />

zahlreiche koreanische Fernsehserien, die die Joseon-Ära zum<br />

Schauplatz nehmen <strong>und</strong> sich um konfuzianische Lehren <strong>und</strong><br />

Verhaltenskodes drehen, werden konfuzianische Wertvorstellungen<br />

am Leben erhalten 6<br />

.<br />

Zusammenfassend scheinen sich koreanische Soziologen einig<br />

zu sein, dass der Konfuzianismus so tief in der Lebenswelt<br />

der Koreaner verankert ist, dass er auch heute noch als das<br />

F<strong>und</strong>ament der koreanischen Gesellschaft betrachtet werden<br />

kann, das Kollektivismus, Interdependenz <strong>und</strong> Netzwerkdenken<br />

betont oder sogar „glorifiziert“ (Kim 1994:25).<br />

4. Indigene Psychologie als Theorie zum Verständnis<br />

koreanischer Handlungsmuster<br />

Kulturkontrastive Studien, in denen Korea als kollektivistische<br />

Kultur beschrieben wird, liegen in Fülle vor. Zu den wohl einflussreichsten<br />

gehören u.a. sicherlich Hofstedes Arbeiten. In<br />

aktuellen koreanischen Publikationen, die psychosoziologische<br />

Phänomene der koreanischen Gesellschaft zum Schwerpunkt<br />

nehmen, wird betont, dass der Konfuzianismus als Erklärungsmuster<br />

für die kollektivistische Orientierung durchaus<br />

Berechtigung findet <strong>und</strong> unbedingt Ausgangspunkt der Forschung<br />

sein muss. Jedoch kann er nicht Endpunkt der Forschung<br />

sein, denn durch ihn allein können individuelle Unterschiede<br />

im Verhalten von Menschen nicht erklärt werden<br />

(Kim / Park 2006:41). Aus diesem Gr<strong>und</strong> sowie als Reaktion<br />

auf die westlich geprägte Psychologie der 1960er Jahre <strong>und</strong><br />

perspektivisch beschränkte kulturkontrastive Studien der<br />

1980er Jahre, die Kulturunterschiede in den meisten Fällen<br />

lediglich im Kontrast zu westlichen Ländern herausfilterten,<br />

haben in den letzten zwei Jahrzehnten Ansätze der indigenen<br />

Psychologie große Aufmerksamkeit in Korea wie auch in anderen<br />

nicht-westlichen Ländern gef<strong>und</strong>en. Azuma (1984:49)<br />

formulierte die Problematik, die die indigene Psychologie<br />

auflösen will, wie folgt: „When a psychologist looks at a non-<br />

<strong>West</strong>ern culture through <strong>West</strong>ern glasses, he may fail to notice<br />

important aspects of the non-<strong>West</strong>ern culture since the<br />

schemata for recognizing them are not provided by his<br />

science.“<br />

Ansätze, die die indigene Psychologie zum Ausgangspunkt<br />

nehmen, setzen sich zum Ziel, Wahrnehmungskonzepte <strong>und</strong><br />

Handlungsmuster, die interpersonalen Interaktionen zugr<strong>und</strong>e<br />

liegen, aus der Innenperspektive der Mitglieder einer<br />

Gruppe zu untersuchen. Im Mittelpunkt stehen beispielsweise<br />

Fragen, auf welche Wissensbestände <strong>und</strong> Fähigkeiten Menschen<br />

zur Gestaltung von Interaktionen zurückgreifen, unter<br />

welchen Überzeugungen sie ihr eigenes Handeln steuern <strong>und</strong><br />

bewerten <strong>und</strong> welche psychologischen <strong>Ein</strong>stellungen sie zu<br />

95 © Interculture Journal 2011 | 14


Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion<br />

sich selbst <strong>und</strong> ihrem Handeln vertreten. Psychologische Phänomene<br />

in spezifischen lebensweltlichen Kontexten des eigenkulturellen<br />

Alltags sollen aus innenkultureller Sicht untersucht<br />

<strong>und</strong> indigene, native Konzepte freigelegt werden, die<br />

das Handeln <strong>und</strong> die (Selbst-)Wahrnehmung von Menschen<br />

aufgr<strong>und</strong> ihrer Vernetzung in interpersonalen Dyaden <strong>und</strong><br />

Gruppen beeinflussen könnten (Kim / Yang / Hwang 2006:4,<br />

Kim / Park 2006:34). Der Fokus liegt dabei in sozialen Interaktionen<br />

in Korea insbesondere auf den Emotionen, die Individuen<br />

miteinander verbinden (Kim / Park 2006). Der Wert einer<br />

Beziehung wird nicht per se anhand des Verhaltens bemessen,<br />

mit dem sich Interaktionspartner um ihre Beziehung<br />

bemühen, sondern anhand der Qualität <strong>und</strong> Stärke der gefühlsmäßigen<br />

Verb<strong>und</strong>enheit <strong>und</strong> eines „Wir-Gefühls“, das<br />

beide Parteien in ihrer Dyade reflektieren (Choi / Kim<br />

2006:208, Choi / Han 2008:257).<br />

In vielen westlichen Ländern werden Beziehungstiefe <strong>und</strong><br />

Zusammengehörigkeitsgefühl vornehmlich durch aktive<br />

Kommunikation hergestellt. Gefühle von Vertrautheit <strong>und</strong><br />

Verb<strong>und</strong>enheit sind davon abhängig, in welchem Maße sich<br />

die Interaktionsteilnehmer verbal an der Kommunikation beteiligen,<br />

sich dem Partner gegenüber öffnen <strong>und</strong> inwiefern sie<br />

sich engagieren, die Kommunikation am Laufen zu halten.<br />

Längere Schweigepausen werden meist als unangenehm<br />

empf<strong>und</strong>en, da sie eine fehlgelaufene Kommunikation suggerieren.<br />

Im Konfuzianismus hingegen wird Schweigsamkeit<br />

bzw. bedachte, wortkarge Redeweise als primäre moralische<br />

Tugend im Umgang mit Anderen betrachtet 7<br />

. Die Gr<strong>und</strong>sätze<br />

von Humanität <strong>und</strong> Harmonie bedeuten dabei, dass Wünsche<br />

<strong>und</strong> Absichten nicht explizit verbalisiert werden brauchen,<br />

sondern auf Basis einer inneren, emotionale Verb<strong>und</strong>enheit<br />

zum Gegenüber wahrgenommen <strong>und</strong> gedeutet werden können.<br />

Anstelle der verbalen Kommunikation soll <strong>zwischen</strong> zwei<br />

Menschen in einer Beziehung idealerweise unausgesprochenes<br />

<strong>Ein</strong>verständnis herrschen (Choi / Han 2008:318, Kim /<br />

Park 2006:434, Choi / Kim 2006:366, Kim 2003:95f.).<br />

Die zentralen Konzepte, die die <strong>zwischen</strong>menschliche Psychologie<br />

in einer Dyade beschreiben, sind Shimjung <strong>und</strong> Jung. Sie<br />

werden als einzigartig indigene Phänomene der koreanischen<br />

Lebenswelt in verschiedenen Aufsätzen immer wieder hervorgehoben;<br />

<strong>und</strong> das Verständnis für diese genuin koreanischen<br />

Gefühlsmodi gilt als Schlüssel zum Verstehen der koreanischen<br />

Mentalität (Shim / Kim / Martin 2008:72ff., Choi /<br />

Han 2008:205, Kim / Park 2006:44f., Choi / Kim 2006, Kim<br />

2003:110, Lim / Choi 1996:125f., Yum 1988:380 u.a.). In<br />

Korea hat sich vor allem Sang-Chin Choi der Untersuchung<br />

dieser indigen Konzepte zugewandt <strong>und</strong> in den letzten Jahren<br />

eine Fülle an Publikationen hervorgebracht. Die folgenden<br />

© Interculture Journal 2011 | 14 96


Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion<br />

Ausführungen beziehen sich insbesondere, soweit nicht anders<br />

angegeben, auf die Arbeiten von Choi / Kim (2006) <strong>und</strong><br />

Choi / Han (2008).<br />

4.1 Umgang mit Gefühlen in interpersonalen Beziehungen<br />

– Shimjung (심정)<br />

Der Begriff Shimjung (심정) besteht aus zwei Teilen: Shim (심)<br />

bedeutet so viel wie „Psyche“, „Gemüt“, „seelischer Zustand“;<br />

Jung (정) lässt sich mit „Zuneigung“ umschreiben.<br />

Shimjung ist ein unmittelbares, spontanes, meist negativ besetztes<br />

Gefühl, das in einer bereits länger bestehenden Beziehung<br />

<strong>zwischen</strong> zwei Menschen aufkommen kann. Es wird<br />

durch eine Verhaltensweise oder Handlung eines Interaktionspartners<br />

A hervorgerufen, die entgegengesetzt zur Erwartungshaltung<br />

des Gegenübers B steht, wodurch der bisherige<br />

Status Quo der Beziehung <strong>zwischen</strong> A <strong>und</strong> B infrage<br />

gestellt wird. Deutsche Äqivalente, die Shimjung ansatzweise<br />

beinhalten, sind Konzepte von Empathie, Sympathie, Mitleid,<br />

Mitgefühl. Doch anders als diese Gefühle, die vorrangig auf<br />

einem subjektiven, intrapsychischen Level stattfinden <strong>und</strong> gegen<br />

ein externes Objekt (z.B. den Partner) gerichtet sind, ist<br />

mit Shimjung zusätzlich eine interpsychische Analyse verb<strong>und</strong>en:<br />

Auf der intrapsychischen Ebene werden sich entstandene<br />

Gefühle als Reaktion auf die Situation bewusst gemacht.<br />

Auf der interpsychischen Ebene werden darüber hinaus die<br />

gemeinsame Interaktionsgeschichte sowie vergangene Gesprächsepisoden<br />

als Interpretationsrahmen zur Analyse des<br />

Verhaltens des Partners herangezogen. Aus dieser reflexiven<br />

Retrospektive wird Rechtfertigung <strong>und</strong> Verständnis für das<br />

Handeln des Gegenübers abgeleitet <strong>und</strong> somit der negative<br />

Gefühlszustand aufgelöst. Findet sich keine Erklärung für das<br />

Verhalten des Partners, wird die Aufmerksamkeit zurück auf<br />

sich selbst gelenkt <strong>und</strong> in einer kritischen Selbstevaluation auf<br />

einer kognitiven Metaebene nach Ursachen für die Fehleinschätzungen<br />

gefahndet. Dadurch kann es zu einer negativen<br />

Selbsteinschätzung kommen, die bei Nichtauflösung die Qualität<br />

der Dyade verschlechtern könnte. Insbesondere die Phase<br />

der negativen Selbstevaluation scheint den gravierenden Unterschied<br />

zu deutschen Verhaltensmustern auszumachen: Der<br />

Fortbestand der „Wir-<strong>Ein</strong>heit“ wird in einem so starken Maß<br />

angestrebt, dass individuelle Absichten oder Ziele völlig zugunsten<br />

der Harmoniewahrung zurückgestellt werden, während<br />

man in Deutschland wohl eher den Abbruch einer Beziehung<br />

vorziehen würde.<br />

Beide Partner müssen nun über entsprechende Empathiefähigkeit<br />

verfügen, um erstens den Störfaktor in ihrer Dyade<br />

überhaupt zu erkennen <strong>und</strong> nonverbale Signale, die vom<br />

Partner kommen, wahrzunehmen. Zweitens müssen sie über<br />

97 © Interculture Journal 2011 | 14


Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion<br />

die Fähigkeit zur Inferenzbildung <strong>und</strong> zum Interpretieren des<br />

Verhaltens des Gegenübers sowie zur Bewusstmachung <strong>und</strong><br />

kritischen Hinterfragung der eigenen, als Reaktion entstandenen<br />

Gefühle verfügen. Drittens müssen sie das Feingefühl<br />

besitzen, einen Shimjung-Diskurs zu initiieren, in dem der negative<br />

Gefühlsstatus gelöst, die Beziehung im Dialog extern<br />

validiert <strong>und</strong> neu austariert werden kann. In solch einem Dialog<br />

werden Gefühle offengelegt, es wird sich „ausgesprochen“,<br />

wobei die gemeinsame Interaktionsgeschichte betont<br />

<strong>und</strong> die Notwendigkeit des weiteren Zusammenhaltens aufgr<strong>und</strong><br />

des gemeinsamen Schicksals, das beide verbindet, über<br />

die empf<strong>und</strong>enen Differenzen gestellt wird. Choi / Kim bezeichnen<br />

diese Phase als „shimjung pour-out“ (2008:218).<br />

Oberstes Ziel ist bei beiden Interaktionspartnern, sich gegenseitig<br />

durch das Gespräch über den Wert ihrer Beziehung zu<br />

versichern, einander für beidseitiges Verständnis zu motivieren<br />

<strong>und</strong> ihre Dyade zugunsten von Harmonieerhalt unbedingt<br />

aufrecht zu erhalten <strong>und</strong> möglichst zu vertiefen.<br />

4.2 Jung (정) – Zwischenmenschlichkeit <strong>und</strong> Wir-Gefühl<br />

<strong>Ein</strong> Shimjung-Diskurs findet dabei immer auf dem Hintergr<strong>und</strong><br />

von Jung (정) statt. Anders als Shimjung ist Jung ein<br />

post hoc empf<strong>und</strong>enes Gefühl, das den Status Quo, also die<br />

qualitative, affektiv-emotionale Tiefe einer Beziehung umschreibt.<br />

Es ist im Gegensatz zu Shimjung statisch <strong>und</strong> entsteht<br />

aufgr<strong>und</strong> der gemeinsamen Interaktionsgeschichte,<br />

gemeinsamer Erlebnisse sowie gemeinsamer Ziele <strong>und</strong> der<br />

Empfindung eines gemeinsamen Schicksals, was beide Partner<br />

miteinander verbindet. Es ist Gr<strong>und</strong> für das empf<strong>und</strong>ene<br />

„Wir-Gefühl“ in einer Dyade. Jung ist also der „Leim“, der<br />

eine Beziehung zusammenhält. Kommt es zu einer Shimjung-<br />

Episode, so bildet Jung die Interpretationsbasis sowohl zur<br />

Analyse nonverbaler Signale, die in der Interaktion gedeutet<br />

werden müssen, als auch zur Aushandlung der Problemsituation.<br />

Je länger <strong>und</strong> enger die gemeinsame Interaktionsgeschichte<br />

der beiden Partner ist, desto mehr Jung bzw. „Wir-<br />

Gefühl“ hat sich <strong>zwischen</strong> beiden entwickelt <strong>und</strong> desto detaillierter<br />

ist der Interpretationsrahmen, auf dem das Verhalten<br />

des Partners inferiert werden kann, <strong>und</strong> daraus folgend,<br />

desto vertrauter, wortloser, sprich harmonischer „from one<br />

mind and shimjung to another“ (Choi / Kim 2006:364) können<br />

sich beide in ihrer Beziehung bewegen.<br />

Jung findet sich im aktiven Alltagswortschatz des Koreanischen<br />

wieder. So ist ein Mensch mit viel Jung warmherzig,<br />

umgänglich <strong>und</strong> menschlich, während ein Mensch ohne Jung<br />

als kaltherzig, egoistisch <strong>und</strong> beziehungsunfähig gilt. Jung ist<br />

ein Konzept, das Reziprozität impliziert: Menschen geben<br />

Jung an Menschen, die auch viel Jung zeigen. Aber Men-<br />

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Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion<br />

schen teilen ihr Jung nicht mit Menschen ohne Jung (hierzu<br />

Lim / Choi 1996:134).<br />

Wie eingangs beschrieben, wertet der Konfuzianismus reziproke<br />

Beziehungen zu anderen Menschen als F<strong>und</strong>ament einer<br />

funktionierenden Gesellschaft. Das Fortbestehen einer<br />

interpersonalen Beziehung ist also essentiell für Koreaner.<br />

Selten werden Beziehungen aufgr<strong>und</strong> von Differenzen abgebrochen.<br />

Vielmehr bemühen sich Menschen unbewusst,<br />

affektiv-emotional um ihre Netzwerke <strong>und</strong> sind bestrebt, diese<br />

um jeden Preis aufrecht zu erhalten. Den Unterschied zu<br />

westlichen Konzepten von „Gemeinschaftssinn“ oder „Hingabe“<br />

beschreiben Lim / Choi (1996:132f.) wie folgt:<br />

„ [...] jung comprises the forces of inertia of a relationship. Jung is what ties<br />

two or more persons together, what keeps a relationship going. This aspect<br />

of jung, that is, the force of inertia of a relationship, is very different from<br />

the <strong>West</strong>ern concept of commitment. Whereas commitment is conscious<br />

and obligatory, jung is unconscious and voluntary.“<br />

Choi / Han definieren einen westlichen „Faktenmodus“<br />

(2008:114), demzufolge Menschen aus westlichen Kulturen<br />

in ihren Beziehungen vorrangig am Austausch von Inhalten<br />

<strong>und</strong> Meinungen sowie der Umsetzung gemeinsamer Ziele<br />

interessiert sind <strong>und</strong> die Interaktion <strong>zwischen</strong> zwei Individuen<br />

stattfindet, die sich trotz Beziehung als eigenständige <strong>Ein</strong>heiten<br />

betrachten. Im koreanischen „Shimjung-modus“ (Choi /<br />

Han 2008) hingegen werden das „Ich“ <strong>und</strong> individuelle Ziele<br />

zugunsten eines harmonischen „Wir-Gefühls“ aufgelöst, <strong>und</strong><br />

beide Interaktionspartner verschmelzen zu einer <strong>Ein</strong>heit<br />

(2008:214). Dieses „Wir-Gefühl“, so führen sie aus „[...] is a<br />

mentality that transcends an agreggate of individuals. For Koreans,<br />

forming a close relationships with others has special<br />

meanings to their self – the me-self is extended to become<br />

we-self“ (Choi / Han 2008:206).<br />

Dabei wird das „Wir“, das in Beziehungen zu Nicht-<br />

Familienangehörigen etabliert wird, eben als Ausdehnung<br />

familiärer Bande betrachtet <strong>und</strong> empf<strong>und</strong>en (Choi / Han<br />

2008:207).<br />

Jung ist also eine solide, emotionale Verb<strong>und</strong>enheit <strong>zwischen</strong><br />

Menschen, die Beziehungen stabil <strong>und</strong> langfristig machen.<br />

Damit verb<strong>und</strong>en ist eine Form „komplementärer,<br />

assymmetrischer Reziprozität“ (Yum 1988:375), die im Sinne<br />

konfuzianischer Prinzipien Humanität, Solidarität <strong>und</strong> Altruismus<br />

hervorheben, Kollektivismus betonen <strong>und</strong> als das gegenteilige<br />

Konzept von kalkuliertem Profit <strong>und</strong> individueller<br />

Selbstverwirklichung gewertet werden. Gegenseitige Abhängigkeit<br />

<strong>und</strong> Schuld werden dabei, im Kontrast zu deutschem<br />

Denken, nicht als etwas Negatives oder Unangenehmes betrachtet,<br />

sondern vielmehr als notwendiges Element menschlicher<br />

Beziehungen (Park / Kim 2006:424, Yum 1988:377f.).<br />

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Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion<br />

Aus den engen interpersonalen Verflechtungen entstehen<br />

exklusive Beziehungsnetzwerke, in denen sich Mitglieder aufgr<strong>und</strong><br />

der emotionalen Bindung einander verpflichtet fühlen<br />

<strong>und</strong> füreinander ein hohes Maß an Fürsorge <strong>und</strong> Loyalität<br />

empfinden. Daraus entsteht eine Neigung zu partikulärem<br />

Verhalten, das die Gruppe fast resistent gegenüber äußeren<br />

<strong>Ein</strong>flüssen macht. In den Untersuchungen von Trompenaars<br />

<strong>und</strong> Hampden-Turner (1998) lassen sich Bestätigungen dieses<br />

Partikularismus finden: Beide befragten ihre Teilnehmer in<br />

interkulturellen Trainingsseminaren, wie sie das Verhalten eines<br />

Fre<strong>und</strong>es beurteilen würden, der einen Gesetzesbruch<br />

oder Vertragsverstoß begangen hat. Teilnehmer aus universalistischen<br />

Ländern, in denen Gesetze <strong>und</strong> Regeln als weniger<br />

flexibel verhandelbar <strong>und</strong> eher als absolute Gegebenheiten<br />

betrachtet werden, tendierten dazu, das Verhalten zu<br />

sanktionieren <strong>und</strong> plädierten für Bestrafung. Koreanische<br />

Teilnehmer neigten dazu, das Verhalten des Fre<strong>und</strong>es zu entschuldigen,<br />

die Schwere des Vergehens zu relativieren, <strong>und</strong><br />

hätten im Falle einer Gerichtsverhandlung zugunsten des<br />

Fre<strong>und</strong>es Falschaussagen in Betracht gezogen (Trompenaars /<br />

Hampden-Turner 1998:29ff.). Koreaner scheinen also das<br />

Verhalten von Menschen, mit denen sie in einer Beziehung<br />

stehen, in spezifischen Situationen weniger in Hinblick auf<br />

abstrakte juristische Gesetzmäßigkeiten oder ethischmoralische<br />

Normen zu urteilen, sondern zu empathischen<br />

Urteilen zu neigen, in die sie ihre gemeinsamen Beziehungsgeschichte<br />

<strong>und</strong> Beziehungstiefe in die Bewertung des Verhaltens<br />

einfließen lassen <strong>und</strong> so Loyalität über Objektivität stellen<br />

(Kim 1994:47f.).<br />

4.3 Harmonie durch Gesichtwahren – Chemyon (체체)<br />

Das Jung-Gefühl, das <strong>zwischen</strong> Mitgliedern einer Beziehung<br />

bzw. einer Gruppe wirksam ist, macht das Beziehungsnetzwerk<br />

resistent gegenüber äußeren <strong>Ein</strong>flüssen <strong>und</strong> führt zu<br />

exklusivem Ingroup/Outgroup-Verhalten (Nisbett 2009). Mitglieder<br />

eines Netzwerks sind stark motiviert, Harmonie, Konformität<br />

<strong>und</strong> Konsens zu bewahren <strong>und</strong> Risiken zu vermeiden,<br />

die die Verbindung verletzten könnten. Solche Risiken in<br />

der koreanischen Interaktion sind verb<strong>und</strong>en mit der „Wahrung<br />

des Gesichts“. Ebenso wie in vielen anderen asiatischen<br />

Ländern spielt auch in Korea das soziale „Gesicht“ eine weitaus<br />

bedeutendere Rolle als in westlichen Kulturen. Allgemein<br />

umfasst das „Gesicht“ drei Dimensionen: Es ist das persönliche<br />

Image des Selbst, das sich aus positiven sozialen Wertvorstellungen<br />

ableitet <strong>und</strong> in Interaktionen mit Anderen beansprucht<br />

wird (Goffman 1967 zit. nach Lim / Choi<br />

1996:129ff.).<br />

Lim <strong>und</strong> Choi (1996) vergleichen das Konzept von „Gesicht“<br />

in westlichen, individualistischen Kulturen <strong>und</strong> das Konzept<br />

© Interculture Journal 2011 | 14 100


Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion<br />

von Chemyon (체체) der koreanischen, kollektivistischen Kultur.<br />

Dabei differenzieren sie Unterschiede in eben diesen drei<br />

Dimensionen: In westlichen Kulturen wird das Gesicht zum<br />

größten Teil als individuelles, psychologisches Image des<br />

Selbst betrachtet, das ein Mensch aufgr<strong>und</strong> seiner bisherigen<br />

Leistungen <strong>und</strong> Taten für sich selbst beansprucht. In der Interaktion<br />

mit Anderen bekräftigt er seinen „soziale Wert“. Er<br />

hat bspw. aufgr<strong>und</strong> seines „Gesicht-Wertes“ die Freiheit, seine<br />

Ansichten durchzusetzen <strong>und</strong> Anderen zuzustimmen bzw.<br />

zu widersprechen. Das Gesicht wird eher als Eigentum des<br />

Individuums <strong>und</strong> als individuelle Errungenschaft angesehen,<br />

was auf die Betonung des Selbstbildes des Menschen als autonomes,<br />

selbstverantwortliches Wesen zurückzuführen ist. In<br />

Interaktionen geht es für Menschen aus individualistischen<br />

Kulturen vor allem darum, das eigene Gesicht zu schützen<br />

(Lim / Choi 1996:124ff.).<br />

Im Gegensatz dazu wird das Konzept des Gesichts in der koreanischen<br />

Kultur eher als etwas betrachtet, dass einem aufgr<strong>und</strong><br />

seiner Position <strong>und</strong> seines Status´ im hierarchischen<br />

Gesellschaftsgefüge zugeschrieben wird. Es wird gewahrt,<br />

indem man den Erwartungen, Normalitäts- <strong>und</strong> Wertvorstellungen<br />

der Gesellschaft durch sein Auftreten <strong>und</strong> Handeln<br />

entspricht. Es ist also ein kollektives Konzept <strong>und</strong> weniger<br />

individuell erstanden als in westlichen Kulturen. Um eine<br />

harmonische Interaktion gestalten zu können, ist es wichtig,<br />

das Chemyon des Interaktionspartners zu respektieren <strong>und</strong><br />

empathisch <strong>und</strong> sensibel vorzugehen, um es nicht zu verletzen.<br />

Besonders in Shimjung-Situationen ist es für den<br />

Shimjung-empfindenen Partner wichtig, nicht sein Gesicht zu<br />

verlieren, indem er durch kritische Selbstreflexion seine Rolle<br />

in der Dyade prüft <strong>und</strong> einen offenen Gefühlsausbruch wie<br />

Enttäuschung oder Wut vermeidet. Gleichzeitig ist es wichtig,<br />

durch empathisches Vorgehen bei der Auflösung der Problemsituation<br />

das Chemyon des Gegenübers ebenso zu wahren<br />

<strong>und</strong> ihm darüber hinaus Gesicht „zu verleihen“. In diesem<br />

Aspekt unterscheiden sich asiatische Konzepte von „Gesicht“<br />

von westlichen, was von Shim, Kim <strong>und</strong> Martin<br />

(2008:36) wiefolgt zusammengefasst wird:<br />

„In general, face giving seems to be more of an Eastern concern […]. To<br />

Asians, face giving means allowing room for the other person to recover<br />

his/her face – room to maneuver, to negotiate – so one can gain face in the<br />

end. For <strong>West</strong>erners, face seems to be a dichotomous concept: we either<br />

lose face or save face. For Easterners, face is considered to be a mutual,<br />

interdependent concept, and is a relational and group phenomenon.”<br />

Koreaner verwenden im Vergleich zu Deutschen einen immensen<br />

Teil ihrer Freizeit darauf, ihre interpersonalen Beziehungen<br />

<strong>und</strong> Netzwerke zu pflegen, um so weitere Beziehungsgeschichte<br />

<strong>und</strong> Jung zu schaffen, die Verbindungen<br />

vertiefen <strong>und</strong> hamonisieren. Im Arbeitsleben sind <strong>zwischen</strong><br />

101 © Interculture Journal 2011 | 14


Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion<br />

Kollegen regelmäßige informelle Abendessen mit anschließendem<br />

Kneipenbesuch gang <strong>und</strong> gäbe. Ebenso gehören<br />

Alumnitreffen dazu sowie aktive Mitgliedschaft in Vereinen.<br />

Lim / Choi (1996:128) bezeichnen diese Anstrengungen als<br />

„chemyon maintenance activities“. Trotz zunehmender individualistischer<br />

Tendenzen ist Kim (2003:112) der Ansicht,<br />

dass sich solche Anstrengungen vor allem im Arbeitsleben in<br />

den letzten Jahren aufgr<strong>und</strong> zunehmender Unsicherheit auf<br />

dem Arbeitsmarkt sogar verstärkt haben <strong>und</strong> prognostiziert,<br />

dass sie weiterhin eine essentielle Rolle im Alltag der Koreaner<br />

spielen werden. Darüber hinaus vermutet u.a. Koh<br />

(2004:118f.), dass konfuzianische Werte bei der Beziehungspflege<br />

als Gegenbewegung zu Individualisierung <strong>und</strong> damit<br />

verb<strong>und</strong>ener wachsender menschlicher Isolierung eine Art<br />

Renaissance erleben <strong>und</strong> dadurch auch zukünftig weiterleben<br />

werden.<br />

4.4 Nunchi (눈눈) – die soziale <strong>Kompetenz</strong> in Kommunikationssituationen<br />

Die Betonung von Emotionen <strong>und</strong> nonverbaler Kommunikation<br />

machen Korea zu einer „high-context-culture“ (Hall<br />

1989:105ff.), die sich durch ein hohes Maß an Implizitheit<br />

<strong>und</strong> Indirektheit auszeichnet. Koreaner betrachten effektive<br />

Kommunikation eher als partikulär statt universell: Durch die<br />

Notwendigkeit, kommunikative Akte immer auch mit hierarchischer<br />

Positionierungen <strong>und</strong> Chemyon zu balancieren, wird<br />

oft vermieden, Äußerungen direkt, explizit zu vermitteln,<br />

sondern sie werden bevorzugt durch den situativen Kontext<br />

kommuniziert. Die interpersonale Beziehung, in der Kommunikationspartner<br />

zueinander stehen, spielt also eine weitaus<br />

wichtigere Rolle als der rein inhaltliche Austausch von Äußerungen<br />

(Lim / Choi 1996:130). Um non- <strong>und</strong> paraverbale Signale,<br />

die in kommunikativen Akten mittransportiert werden<br />

<strong>und</strong> Wünsche oder Absichten implizieren oder Shimjung-<br />

Eruptionen anzeigen, interpretieren zu können, ist es für ein<br />

angemessenes Verhalten unabdinglich, „<strong>zwischen</strong> den Zeilen<br />

zu lesen“. Diese Fähigkeit wird im Koreanischen Nunchi (눈눈)<br />

genannt, was auch mit Taktgefühl, Weitsichtigkeit oder<br />

Empathievermögen umschrieben werden kann. Nunchi wird<br />

als die Determinante für Erfolg oder Misserfolg in der Interaktion<br />

betrachtet (Kim 2003:99). Es hilft sowohl, die situative<br />

Gefühlslage des Interaktionspartners einzuschätzen, als auch<br />

implizite oder ambigue Äußerungen zu interpretieren, um das<br />

eigene Handeln danach ausrichten zu können. Daher ist es<br />

eine wichtige kommunikative Fähigkeit, um das Chemyon des<br />

Gegenübers zu schützen <strong>und</strong> ggf. anzuheben, Jung aufzubauen<br />

<strong>und</strong> sich ganz allgemein angemessen in koreanischen<br />

Kommunikationssituationen verhalten zu können. Je mehr<br />

Wissen Interaktionspartner voreinander haben, desto größer<br />

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Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion<br />

ist die Interpretationsbasis, auf der Nunchi wirksam werden<br />

kann <strong>und</strong> desto reibungsloser <strong>und</strong> harmonischer funktioniert<br />

die Kommunikation.<br />

Folgende Beispiele sollen die Wirkungsweise von Nunchi verdeutlichen:<br />

Wäre ein Fre<strong>und</strong> in Geldnot, so würde er dieses<br />

Problem, um sein Chemyon zu wahren, nicht direkt ansprechen.<br />

Durch Nunchi jedoch könnte sein Fre<strong>und</strong> diese Situation<br />

erfassen <strong>und</strong> ihm ohne direkte Aufforderung Geld leihen<br />

bzw. ihn einladen. Ebenso wird Nunchi im Arbeitsleben unter<br />

hierarchisch Untergebenen <strong>und</strong> Vorgesetzten aktiv, wenn es<br />

um die Klärung von Problemen geht. Der richtige Zeitpunkt<br />

bspw. für die Bitte um Urlaubstage wird durch Nunchi ausgelotet<br />

oder mögliche Erwartungen des Vorgesetzten über Arbeitspensum<br />

oder zu erledigende Aufgaben können mittels<br />

Nunchi vorausgesehen werden. Beim Diskutieren spielt<br />

Nunchi eine wichtige Rolle, die Position des Gegenübers richtig<br />

zu verstehen <strong>und</strong> nicht durch zu direktes Vorgehen die<br />

Integrität seiner Person infrage zu stellen <strong>und</strong> ihm so das<br />

Chemyon zu verletzen 8<br />

.<br />

Nunchi besteht also aus zwei Komponenten: Dekodierung<br />

nonverbaler Signale sowie Ausführung der erwarteten Handlung<br />

bzw. Reaktion (Shim / Kim / Martin 2008:74). Generell<br />

gilt in Korea die Fähigkeit, sich angemessen in interpersonalen<br />

Beziehungen zu bewegen <strong>und</strong> sie aufrecht zu erhalten,<br />

nicht nur als individuelles Charaktermerkmal, sondern als soziale<br />

<strong>Kompetenz</strong> (Kim 2003:107, Lim / Choi 1996:132, Kim<br />

1994:48). <strong>Ein</strong>er Studie von Park <strong>und</strong> Kim (2006) zufolge betrachtet<br />

die Mehrheit der Koreaner Erfolg im Schul- <strong>und</strong> Arbeitsleben<br />

als ein Resultat aus Selbstregulation (<strong>Ein</strong>satzbereitschaft,<br />

Wille, Geduld, Ausdauer) <strong>und</strong> Unterstützung aus dem<br />

sozialen Umfeld. Gleich an zweiter Stelle wurden Faktoren<br />

wie die Fähigkeit, harmonische Beziehungen zu erhalten, als<br />

Erfolgsgr<strong>und</strong> genannt, während die Rolle von Kenntnissen<br />

<strong>und</strong> fachlichen Qualifikationen an letzter Stelle angegeben<br />

wurden (2006:431ff.).<br />

5. Die asiazentrische Perspektive in der Kommunikation<br />

Um sich in Kommunikationssituationen, insbesondere im<br />

interkulturellen Kontext, angemessen verhalten zu können, ist<br />

es unabdinglich, das kulturgeprägte Weltbild, vor dessen Hintergr<strong>und</strong><br />

Kommunikation stattfindet <strong>und</strong> Menschen miteinander<br />

agieren, zu begreifen. Weltbilder sind verschieden.<br />

Daher spielen bspw. in Korea in interpersonalen Beziehungen<br />

<strong>und</strong> Kommunikationssituationen andere Prämissen eine Rolle<br />

als in Deutschland. Miike (2007:273ff. <strong>und</strong> 2009:41ff.) fasst<br />

diese Prämissen zusammen <strong>und</strong> formuliert sie gleichzeitig als<br />

Proposition an westliche Kulturen, ihr eigenes Weltbild um<br />

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Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion<br />

eine asiazentrische Perspektive zu erweitern. Demzufolge<br />

wird Kommunikation aus asiazentrischer Sicht als ein Prozess<br />

betrachtet,<br />

1.) in dem Menschen sich ihrer Abhängigkeit <strong>und</strong> Verb<strong>und</strong>enheit<br />

mit anderen Menschen bewusst werden <strong>und</strong> ihren<br />

Platz in sich erweiternden Netzwerken von Beziehungen immer<br />

wieder neu bestätigen bzw. neu definieren.<br />

2.) in dem Menschen egoistische Absichten zugunsten von<br />

Zwischenmenschlichkeit <strong>und</strong> Kooperationsfähigkeit mit Mitmenschen<br />

zurückstellen.<br />

3.) in dem Gefühle der Interaktionspartner ebenso wie inhaltliche<br />

Absichten wahrgenommen <strong>und</strong> berücksichtigt werden.<br />

4.) in dem Menschen ihre humanen, reziproken Verpflichtungen<br />

gegenüber Mitmenschen wahrnehmen <strong>und</strong> sie über<br />

Kommunikationsabsichten wie Manipulation, Profit- oder sozialen<br />

Prestigezuwachs stellen.<br />

5.) in dem das Hauptziel aus der Wahrung <strong>und</strong> Herstellung<br />

von Harmonie besteht.<br />

Kommunikationstheorien, die Mentalität <strong>und</strong> Weltbilder<br />

nicht-westlicher Kulturen durch eine „westliche Brille“ betrachten,<br />

so kritisieren asiatischen Wissenschaftler, sind geprägt<br />

von eurozentrischen Weltbildern, die unter dem Wirkungskreis<br />

der Aufklärung stehen, die Rationalität, Individualität,<br />

Autonomität <strong>und</strong> Selbst-Bewusstsein zu den obersten<br />

Prinzipien im philosophischen Denken erhob (Miike 2007,<br />

2009, Kim / Park 2006, Hwang 2006, Choi / Han 2008, Choi<br />

/ Kim 2006 u.a.). Im Gegensatz dazu werden in der koreanischen<br />

Kultur, die unter dem Wirkungskreis des Konfuzianismus<br />

steht, andere Werte hervorgehoben: Kommunikation<br />

bedeutet, sich in Abhängigkeitsverhältnisse zu begeben <strong>und</strong><br />

Individualität zugunsten von Harmonie in interpersonalen Beziehungen<br />

aufzulösen. Das Ziel dieser Arbeit bestand darin,<br />

für einige genuin koreanische Phänomene zu sensibilisieren<br />

<strong>und</strong> die herausragende Bedeutung von Emotionen in der koreanischen<br />

Interaktion zu verdeutlichen. Es ist zu erwarten,<br />

dass in Zukunft die indigene Psychologie im asiatischen Raum<br />

weiterhin eine wichtige Rolle dabei spielen wird, kulturgeb<strong>und</strong>ene<br />

Besonderheiten im Interaktions- <strong>und</strong> Kommunikationsverhalten<br />

freizulegen <strong>und</strong> somit hilfreiche Beiträge zur<br />

interkulturellen Verständigung leisten zu können.<br />

© Interculture Journal 2011 | 14 104


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Miike, Yoshitaka (2009): “Harmony without Uniformity”. An Asiacentric<br />

Worldview and Its Communicative Implications. In: Samovar, Larry A. / Porter,<br />

Richard E. / McDaniel, Edwin R. (Hrsg.): Intercultural Communication. A<br />

Reader. Boston: Wadsworth, S. 36-47.<br />

Nisbett, Richard E. (2009): Living Together vs. Going it Alone. In: Samovar,<br />

Larry A. / Porter, Richard E. / McDaniel, Edwin R. (Hrsg.): Intercultural<br />

Communication. A Reader. Boston: Wadsworth, S. 134-145.<br />

Park, Young-Shin / Kim, Uichol (2006): Family, Parent-Child-Relationship,<br />

and Academic Achievement in Korea. In: Kim, Uichol / Yang, Kuo-Shu /<br />

Hwang, Kwang-Kuo (Hrsg.): Indigenous and Cultural Psychology. Understanding<br />

People in Context. New York: Springer, S. 421-443.<br />

Shim, T. Youn-ja / Kim, Min-su / Martin, Judith N. (2008): Changing Korea.<br />

Understanding Culture and Communication. New York: Lang.<br />

Triandis, Harry C. (1994): Theoretical and Methodological Approaches to<br />

the Study of Collectivism and Individualism. In: Kim, Uichol et al. (Hrsg.):<br />

Individualism and Collectivism. Theory, Method, And Application. Thousand<br />

Oaks CA: Sage, S. 41-51.<br />

Triandis, Harry C. (1995): Individualism and collectivism. Boulder, CO:<br />

<strong>West</strong>view.<br />

Triandis, Harry C. (2006): Culture and Conflict. In: Samovar, Larry A. / Porter,<br />

Richard E. / McDaniel, Edwin R. (Hrsg.): Intercultural Communication.<br />

A Reader. Boston: Wadsworth, S. 18-27.<br />

Trompenaars, Fons / Hampden-Turner, Charles (1998): Riding the Waves of<br />

Culture. Understanding Diversity in Global Business. New York: McGraw-<br />

Hill.<br />

Yum, June-Ock (1988): The Impact of Confucianism on Interpersonal Relationships<br />

and Communication Patterns in East Asia. Communication Monographs<br />

55, S. 374-388.<br />

*This work was supported by Hankuk University of Foreign<br />

Studies Research F<strong>und</strong> 2011.<br />

1 <strong>Ein</strong>e der ältesten Institutionen in Korea, die auch heute noch<br />

die Lehren des Konfuzius´ vermittelt <strong>und</strong> sich aktiv für den<br />

Erhalt <strong>und</strong> die Förderung konfuzianischer ethischer Werte<br />

einsetzt, ist beispielsweise die Sung Kyun Kwan Universität,<br />

die mit der Sung Kyun Kwan Confucian Association Seoul<br />

zusammenarbeitet (hierzu insbesondere ein Interview mit<br />

© Interculture Journal 2011 | 14 106


Scherpinski-Lee: Die Bedeutung von Emotionen in der koreanischen Interaktion<br />

dem Präsident der Sung Kyun Kwan Confucian Association<br />

von Lee Hyo-won (2010) „Confucianism is in synch with<br />

modern times“; abrufbar unter<br />

www.koreatimes.co.kr/www/news/special/2010/05/178_667<br />

46.html [29.1.2011]). Darüber hinaus gibt es Vereinigungen<br />

konfuzianischer Gelehrter wie Yurim <strong>und</strong> Dam-soo-hoe in<br />

Andong sowie Regionalverbände, die sich um Tempelpflege<br />

<strong>und</strong> Wissenstransfer konfuzianischer Lehren kümmern.<br />

2<br />

Siehe hierzu insbesondere die Ausführungen zu Umfrageergebnisse<br />

von Park / Kim (2006) <strong>und</strong> Han / Choe (1994) zum<br />

elterlichen <strong>Ein</strong>fluss auf das Entscheidungsverhalten von Jugendlichen.<br />

3 Koh zählt durchschnittlich 10 Riten pro Jahr, die von Koreanern<br />

im Sinne konfuzianischer Traditionen durchgeführt werden<br />

(1996:195).<br />

4<br />

Genauere Ausführungen zum Wirken von Alumnivereinigungen<br />

finden sich insbesondere in Shim / Kim / Martin<br />

(2008) <strong>und</strong> Han / Choe (1994).<br />

5 Siehe Shim Jae-yun (2010): „Kyungmin College focuses on<br />

practical education based on filial piety.“ Korean Times vom<br />

6.12.2010.<br />

6 Siehe Kim Ji-soo (2010): „Filling the philosophical void.“ Ko-<br />

rean Times vom 28.1.2011.<br />

7 Auch die absolute Kontrolle über die eigene Gefühlswelt<br />

wurde im alten Korea als konfuzianische Gr<strong>und</strong>tugend betrachtet.<br />

Gefühlsausbrüche wurden als Hindernis bei der Erlangung<br />

des vollkommenen Wissens <strong>und</strong> der Wahrheitsfindung<br />

betrachtet. Selbstkultivierung bedeutete vor allem Beherrschung<br />

von Emotionen <strong>und</strong> Unterdrückung solcher irrationaler<br />

Störfaktoren (Koh 2004, Kim 2003, Kim 1996).<br />

8<br />

Das Trainingsprogramm von Brüch / Thomas (2007) bietet<br />

einen lesenswerten, reichhaltigen F<strong>und</strong>us an authentischen<br />

critical incidents, die <strong>zwischen</strong> Deutschen <strong>und</strong> Koreanern im<br />

Geschäftsleben entstanden sind <strong>und</strong> insbesondere das Wirken<br />

von Nunchi <strong>und</strong> Chemyon weiter verdeutlichen können.<br />

107 © Interculture Journal 2011 | 14


109<br />

113<br />

117<br />

Rezensionen<br />

Sterner, Barbara (2010): Public Relations in multinationalen<br />

Unternehmen. <strong>Ein</strong>e explorative Fallstudie zur Koordination<br />

<strong>und</strong> Ausgestaltung von PR in einem multinationalen<br />

Finanzdienst-leistungsunternehmen<br />

Rezensiert von: Alexandra Stang<br />

Zapf, Elke Christine (2009): Interkulturelle<br />

Wirtschaftskommunikation im kaufmännischen Schulwesen.<br />

<strong>Ein</strong>e Untersuchung im deutsch-französischen Grenzraum<br />

Rezensiert von: Alexandra Stang<br />

Knüttel, Katharina / Martin Seeliger (Hrsg.) (2011):<br />

Intersektionalität <strong>und</strong> Kulturindustrie.<br />

Zum Verhältnis sozialer Kategorien <strong>und</strong> kultureller<br />

Repräsentationen.<br />

Rezensiert von: Kathrin Best


„Public Relations in multinationalenUnternehmen.<br />

<strong>Ein</strong>e explorative<br />

Fallstudie zur Koordination<br />

<strong>und</strong> Ausgestaltung<br />

von PR in einem multinationalenFinanzdienstleistungsunternehmen“<br />

von Barbara Sterner<br />

Alexandra Stang<br />

Projektmitarbeiterin Publikationen<br />

<strong>und</strong> Interkulturelle Bildung an der<br />

TU Kaiserslautern<br />

Stang: „Public Relations in multinationalen Unternehmen. <strong>Ein</strong>e explorative Fallstudie zur Koordination<br />

<strong>und</strong> Ausgestaltung von PR in einem multinationalen Finanzdienstleistungsunternehmen“<br />

von Barbara Sterner<br />

Rezension<br />

Durch die Globalisierungsprozesse hat die Relevanz internationaler<br />

Public Relations als eine Form der Organisationskommunikation<br />

in den letzten Jahren stark an Bedeutung<br />

gewonnen. Glaubwürdige <strong>und</strong> nachhaltige Kommunikation<br />

ist daher das Öl im Getriebe eines jeden international aufgestellten<br />

Unternehmens, da diese das kritische Urteil der Öffentlichkeit<br />

bedenken müssen. Die Art <strong>und</strong> Weise, wie jedoch<br />

miteinander kommuniziert wird, ist stark vom jeweiligen kulturellen<br />

Hintergr<strong>und</strong> geprägt.<br />

Überall dort, wo eine „pankollektive Klammer“ (Hansen<br />

2009:129) in Form eines gemeinsamen Codes, zum Beispiel<br />

einer Sprache oder gleichen Werten, fehlt, entstehen in der<br />

internationalen Praxis häufig Reibungsverluste <strong>und</strong> Widersprüche<br />

im öffentlichen Auftritt. Öffentlichkeitsarbeit ist eine<br />

von zahlreichen Elementen interkultureller Öffnung. Wer länderübergreifend<br />

Public Relations verantwortet, sollte sich aus<br />

diesem Gr<strong>und</strong>e über kulturspezifische Sachverhalte Gedanken<br />

machen, denn Kommunikation ist immer auch eine Konstruktion<br />

von Wirklichkeit (Luhmann 1995).<br />

Interne wie externe Unternehmenskommunikation muss die<br />

unterschiedlichen Themen, Interessen <strong>und</strong> Anliegen der einzelnen<br />

Bereiche kennen, aufgreifen, gegebenenfalls vermitteln<br />

<strong>und</strong> ausgleichen. Kommunikation schafft den Rahmen<br />

für einen glaubwürdigen, werteorientierten <strong>und</strong> Vertrauen<br />

schaffenden Dialog mit allen internen <strong>und</strong> externen Stakeholdern.<br />

So lassen sich Prozesse harmonisieren <strong>und</strong> eine weitgehend<br />

geteilte Unternehmenskultur entwickeln, die die jeweiligen<br />

kulturellen Stile mit berücksichtigt. In der Wissenschaft<br />

wurde bereits mehrfach auf den <strong>Ein</strong>fluss von kommunikativen<br />

<strong>und</strong> kulturellen Spezifika hingewiesen (vgl. hierzu<br />

Bolten et al. 1996, Bolten 1999). Anders herum gefragt: Wie<br />

global oder lokal müssen heute PR Strategien in multinationalen<br />

Wirtschaftsorganisationen sein?<br />

Die vorliegende Publikation „Public Relations in multinationalen<br />

Unternehmen“ von Barbara Sterner ordnet sich thematisch<br />

in die Schriftenreihe der Saarbrücker Studien zur Interkulturellen<br />

Kommunikation mit Schwerpunkt Frankreich <strong>und</strong><br />

Deutschland ein. Die durchgeführte Fallstudie greift den beschriebenen<br />

Sachverhalt auf. Sie widmet sich inhaltlich der<br />

Öffentlichkeitsarbeit <strong>und</strong> ihrer kommunikativen Ausgestaltung<br />

am Beispiel eines multinationalen Finanzunternehmens<br />

in Deutschland <strong>und</strong> seinen Tochtergesellschaften in Frankreich<br />

<strong>und</strong> den USA. Die Untersuchung gliedert sich dabei in<br />

einen theoretischen Abschnitt zur Entwicklung <strong>und</strong> Bedeutung<br />

der Public Relations <strong>und</strong> einen empirischen Analyseteil.<br />

Dazu führt die Autorin neben einer kommunikativen Stilana-<br />

109 © Interculture Journal 2011 | 14


Stang: „Public Relations in multinationalen Unternehmen. <strong>Ein</strong>e explorative Fallstudie zur Koordination<br />

<strong>und</strong> Ausgestaltung von PR in einem multinationalen Finanzdienstleistungsunternehmen“<br />

von Barbara Sterner<br />

lyse als Methodik der Kulturbeschreibung auch eine qualitative<br />

Befragung von Mitarbeitern in internationalen Pressestellen<br />

in der Versicherungswirtschaft durch. Die Ergebnisse geben<br />

einen interessanten Aufschluss darüber, wie ein multinational<br />

aufgestelltes Unternehmen heute seine Öffentlichkeitsarbeit<br />

koordiniert. Darauf aufbauend entwirft die Autorin ein<br />

Modell zur Ausgestaltung von PR-Maßnahmen in internationalen<br />

Kontexten, das auf andere kulturelle Kontexte übertragbar<br />

ist.<br />

Im ersten Abschnitt der Ausarbeitung beschäftigt sich Barbara<br />

Sterner dazu ausführlich mit den vielfältigen Ansätzen der<br />

aktuellen PR-Forschung <strong>und</strong> ihren Anwendungsfeldern in der<br />

Wirtschaft. Dabei grenzt sie Public Relations von der klassischen<br />

Werbung ab. Danach schließt eine kritische Diskussion<br />

von bekannten Kommunikations- <strong>und</strong> Kulturmodellen den<br />

theoretischen Gr<strong>und</strong>lagenteil der Arbeit ab. Dieser verweist<br />

gleichsam auf den Zusammenhang von Unternehmenskommunikation<br />

<strong>und</strong> Unternehmenskultur.<br />

Der zweite Teil beschäftigt sich ausführlich mit dem methodischen<br />

Vorgehen der Auswertung. Die Datenerhebung erfolgte<br />

im Rahmen der teilnehmenden Beobachtung, Interview-<br />

<strong>und</strong> Dokumentenanalyse.<br />

Den Kern der Arbeit bildet eine vergleichende Medienanalyse<br />

von Geschäftsberichten <strong>und</strong> Webseiten bei ausgewählten<br />

Tochterunternehmen in Frankreich <strong>und</strong> den USA <strong>und</strong> der<br />

Konzernzentrale in Deutschland. Diese werden auf ihre<br />

kommunikativen Unterschiede hin analysiert <strong>und</strong> mit den Ergebnissen<br />

der Interviewaussagen der PR-Mitarbeitern <strong>und</strong> der<br />

teilnehmenden Beobachtung in Bezug gesetzt. Daraus leiten<br />

sich abschließend die <strong>Ein</strong>flussfaktoren auf die Ausgestaltung<br />

<strong>und</strong> Koordination von PR-Maßnahmen im deutschfranzösisch-US-amerikanischen<br />

Kontext ab.<br />

Die Publikation vermittelt Kenntnisse <strong>und</strong> <strong>Kompetenz</strong>en zur<br />

optimalen <strong>und</strong> zielgerichteten Gestaltung von Kommunikationsprozessen<br />

im Rahmen der internationalen Öffentlichkeitsarbeit.<br />

Um den spezifischen Wahrnehmungs- <strong>und</strong> Kommunikationsgewohnheiten<br />

der unterschiedlichen Zielgruppen<br />

gerecht werden zu können, plädiert die Autorin für eine differenzierte<br />

Herangehensweise, die die jeweiligen Stilmerkale<br />

berücksichtigt.<br />

Die Autorin wendet sich mit ihrer Dissertation insgesamt an<br />

eine breite Leserschaft <strong>und</strong> möchte für die Herausforderungen<br />

in der grenzüberschreitenden Public Relations <strong>und</strong> einem<br />

mehrsprachigen Umfeld sensibilisieren. Kommunikationswissenschaftler<br />

als auch Fach- <strong>und</strong> Führungskräfte, die in internationalen<br />

Unternehmen die Öffentlichkeitsarbeit auf opera-<br />

© Interculture Journal 2011 | 14 110


Stang: „Public Relations in multinationalen Unternehmen. <strong>Ein</strong>e explorative Fallstudie zur Koordination<br />

<strong>und</strong> Ausgestaltung von PR in einem multinationalen Finanzdienstleistungsunternehmen“<br />

von Barbara Sterner<br />

tiver oder strategischer Ebene verantworten, können gleichsam<br />

von der Lektüre des Buches profitieren.<br />

Sterner, Barbara (2010): Public Relations in multinationalen<br />

Unternehmen. <strong>Ein</strong>e explorative Fallstudie zur Koordination<br />

<strong>und</strong> Ausgestaltung von PR in einem multinationalen Finanzdienstleistungsunternehmen.<br />

St. Ingbert: Röhrig Universitätsverlag.<br />

347 Seiten. Preis 36,00 EUR. ISBN 978-3-86110-484-1.<br />

Literatur<br />

Bolten, Jürgen / Dathe, Marion et al. (1996): <strong>Interkulturalität</strong>,<br />

Interlingualität <strong>und</strong> Standardisierung bei der Öffentlichkeitsarbeit von Unternehmen.<br />

Gezeigt an amerikanischen, britischen, deutschen, französischen<br />

<strong>und</strong> russischen Geschäftsberichten. In: Baumann, Klaus-Dieter /<br />

Kalverkämper, Hartwig (Hrsg.): Fachliche Textsorten. Komponenten - Relationen<br />

– Strategien. Tübingen: Narr Verlag, S. 389 - 425.<br />

Bolten, Jürgen (1999): Kommunikativer Stil, kulturelles Gedächtnis <strong>und</strong><br />

Kommunikationsmonopole. In: Geißner, Hellmut (Hrsg.): Wirtschaftskommunikation<br />

in Europa = Business Communication in Europe. Tostedt:<br />

Attikon Verlag, S. 113 - 131.<br />

Hansen, Klaus P. (2009): Kultur, Kollektiv, Nation. Passau: Stutz Verlag.<br />

Luhmann, Niklas (1995): Die Soziologie <strong>und</strong> der Mensch. 6. Soziologische<br />

Aufklärung. Opladen: <strong>West</strong>deutscher Verlag.<br />

111 © Interculture Journal 2011 | 14


© Interculture Journal 2011 | 14 112


„Interkulturelle Wirtschaftskommunikation<br />

im kaufmännischen<br />

Schulwesen. <strong>Ein</strong>e<br />

Untersuchung im<br />

deutsch-französischen<br />

Grenzraum“ von<br />

Elke Christine Zapf<br />

Alexandra Stang<br />

Projektmitarbeiterin Publikationen<br />

<strong>und</strong> Interkulturelle Bildung an der<br />

TU Kaiserslautern<br />

Stang: „Interkulturelle Wirtschaftskommunikation im kaufmännischen Schulwesen. <strong>Ein</strong>e Untersuchung<br />

im deutsch-französischen Grenzraum“ von Elke Christine Zapf<br />

Rezension<br />

„Die Internationalisierungsprozesse gehen mit weltweiten<br />

Veränderungen einher <strong>und</strong> stellen nahezu alle gesellschaftlichen<br />

Bereiche vor neue Herausforderungen“, schreibt die Autorin<br />

Elke Christine Zapf (2009:15). Die zitierten gesellschaftlichen<br />

Veränderungen erfordern heute von Berufstätigen<br />

interkulturelle Handlungskompetenz <strong>und</strong> Mehrsprachigkeit.<br />

Sie zählen im 21. Jahrh<strong>und</strong>ert von daher zu den unabdingbaren<br />

Schlüsselqualifikationen, um ein konstruktives Miteinander<br />

ermöglichen zu können.<br />

Die deutsch-französischen Beziehungen bilden bereits seit<br />

Unterzeichnung des Elysée-Vertrags einen festen Bestandteil<br />

des wirtschaftlichen Lebens in beiden Nachbarländern. Reibungsverluste,<br />

die auf unzureichende interkulturelle Kommunikationsfähigkeit<br />

<strong>und</strong> mangelnde Sprachkenntnisse schließen<br />

lassen, gibt es jedoch bis heute genügend. Den skizzierten<br />

Herausforderungen wird sich jedoch besonders im Berufsschulwesen<br />

nur am Rande gestellt, denn Französischunterricht<br />

in Berufsschulkontexten ist bis heute kein verbindliches<br />

Unterrichtsfach.<br />

Barmeyer (2000:127) spricht von daher zurecht von „kultureller<br />

Kurzsichtigkeit“. Mit anderen Worten: Interkulturelle Wirtschaftskompetenz<br />

- besonders in Grenzregionen - bedeutet<br />

weit mehr, als nur Englischkenntnisse in Form einer Lingua<br />

franca zu erwerben!<br />

Die vorliegende Publikation „Interkulturelle Wirtschaftskommunikation<br />

im kaufmännischen Schulwesen“ von Elke Christine<br />

Zapf ordnet sich thematisch in die Schriftenreihe der<br />

Saarbrücker Studien zur Interkulturellen Kommunikation mit<br />

Schwerpunkt Frankreich <strong>und</strong> Deutschland ein. Die Dissertation<br />

widmet sich im Fortgang „der Schnittstelle von interkultureller<br />

Forschung, Fremdsprachendidaktik, Wirtschaft <strong>und</strong><br />

der Praxis im beruflichen Schulwesen“ (Zapf 2009:16). Dabei<br />

stehen drei inhaltliche Schwerpunkte im Mittelpunkt des Interesses:<br />

a) die Bedeutung der interkulturellen deutschfranzösischen<br />

Wirtschaftskommunikation, b) die persönliche<br />

Sichtweise von Französischlehrkräften bezogen auf das Thema<br />

interkulturelle Kommunikation <strong>und</strong> c) die Frage nach einer<br />

angemessenen Verankerung in Lehrmaterialien.<br />

Das Buch beschäftigt sich mit der Rolle, den gemachten Erfahrungen<br />

<strong>und</strong> Herausforderungen des wirtschafts- <strong>und</strong> berufsbezogenen<br />

Französischunterrichts in den Grenzregionen.<br />

Die dafür notwendige Bedarfserhebung <strong>und</strong> Analyse der Interviewaussagen<br />

bezieht sich auf den Zeitraum von April bis<br />

September 2004. Die getätigten Interviewaussagen <strong>und</strong> Ergebnisse<br />

sind aus diesem Gr<strong>und</strong>e auch als eine zeitliche Ist-<br />

113 © Interculture Journal 2011 | 14


Stang: „Interkulturelle Wirtschaftskommunikation im kaufmännischen Schulwesen. <strong>Ein</strong>e Untersuchung<br />

im deutsch-französischen Grenzraum“ von Elke Christine Zapf<br />

Momentaufnahme zu verstehen. Auf diesen Aspekt weist die<br />

Autorin selbst mehrfach im Methodenteil ihrer Arbeit explizit<br />

hin. Dies ist von besonderer Relevanz, um die Aussagen der<br />

Interviewpartner bezogen auf Herkunft, Alter, Bildungsstand<br />

<strong>und</strong> Tätigkeitsbereiche heute angemessen deuten zu können.<br />

Im ersten Abschnitt der Ausarbeitung stehen das historisch<br />

gewachsene deutsch-französische Beziehungsgeflecht in der<br />

Wirtschaft <strong>und</strong> im Bildungswesen nach 1945 im Mittelpunkt.<br />

Im Anschluss folgen didaktische Überlegungen zur Förderung<br />

einer berufsbezogenen interkulturellen <strong>Kompetenz</strong> <strong>und</strong> adäquate<br />

Vermittlungsmöglichkeiten. Diese schließen landesk<strong>und</strong>liches<br />

Wissen, eine sprachliche Analysefähigkeit, interkulturelles<br />

Prozesswissen <strong>und</strong> verhaltensbezogene Aspekte<br />

mit ein.<br />

Im zweiten Teil ihrer Dissertation betrachtet die Autorin den<br />

aktuellen Französischbedarf <strong>und</strong> Kenntnisstand von kaufmännischen<br />

Mitarbeitern in Wirtschaftsorganisationen (Stand<br />

2004). Die Analysen der Aussagen zeigen einen deutlichen<br />

Handlungsbedarf in der Förderung der produktiven <strong>und</strong><br />

rezeptiven berufsbezogenen Sprachfertigkeiten der befragten<br />

Personen auf. Problematisch weisen sich gleichsam die diffusen<br />

Vorstellungen der Befragten zum Begriff „Interkulturelle<br />

<strong>Kompetenz</strong>“. Dies macht deutlich, dass es einen erheblichen<br />

Klärungsbedarf gibt, um insbesondere künftige Mitarbeiter<br />

für interkulturelle Herausforderungen <strong>und</strong> Chancen in der<br />

grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zu sensibilisieren.<br />

Der dritte Abschnitt des Buches beschäftigt sich mit der persönlichen<br />

Sichtweise der befragten Lehrkräfte <strong>und</strong> ihrer Unterrichtskonzepte.<br />

Insgesamt zeichnet sich hier ein sehr heterogenes<br />

Bild <strong>und</strong> Unsicherheit darüber ab, wie eine berufsbezogene<br />

interkulturelle Wirtschaftskompetenz im Fremdsprachenunterricht<br />

am besten umgesetzt werden kann. Dies ist<br />

darauf zurückzuführen, dass die in der Studie befragten Lehrkräften<br />

in ihrer eigenen Ausbildungssozialisation mit explizit<br />

interkulturellen wirtschaftsbezogenen Fragestellungen aus<br />

didaktischer Sicht selten konfrontiert wurden. So w<strong>und</strong>ert es<br />

auch nicht, dass ein Teil des älteren Lehrpersonals mit den<br />

heute an sie gestellten Erwartungen schlichtweg überfordert<br />

ist (vgl. Bolten 2001). Dies muss stärker in der Lehrerfortbildung<br />

berücksichtigt werden.<br />

Sprachvermittlung beinhaltet immer auch eine Kulturmittlerfunktion<br />

bzw. eine Förderung des Bewusstseins der eigenen<br />

als auch der fremdsprachigen Kultur. Aus diesem Gr<strong>und</strong> beschäftigt<br />

sich die Arbeit abschließend mit der Analyse der<br />

eingesetzten französischen Lehrwerke. Aus der Perspektive<br />

der Lehrwerkanalyse zieht die Autorin insgesamt ein positives<br />

Fazit. Diese hat ergeben, dass die meisten Lehrwerke heute<br />

© Interculture Journal 2011 | 14 114


Stang: „Interkulturelle Wirtschaftskommunikation im kaufmännischen Schulwesen. <strong>Ein</strong>e Untersuchung<br />

im deutsch-französischen Grenzraum“ von Elke Christine Zapf<br />

Wert darauf legen, ihre Zielgruppe zum sprachlichen <strong>und</strong> kulturell<br />

angemessenen Handeln zu befähigen.<br />

Mit ihrer Publikation wendet sich die Autorin primär an<br />

Französischlehrkräfte, die sich mit den Herausforderungen<br />

der interkulturellen Fremdsprachendidaktik im Unterricht an<br />

beruflichen Schulen beschäftigen. Letztlich geht es darum,<br />

interkulturelle Aspekte <strong>und</strong> Fremdsprachenerwerb proaktiv<br />

<strong>und</strong> langfristig in berufs- <strong>und</strong> wirtschaftspädagogische Fragestellungen<br />

zu integrieren <strong>und</strong> damit verb<strong>und</strong>ene Stärken <strong>und</strong><br />

Schwächen zu beleuchten. Die Autorin appelliert an ihre Leserschaft,<br />

„dass das Fremdsprachenlernen <strong>und</strong> der Erwerb<br />

interkultureller <strong>Kompetenz</strong> zu einer originären Aufgabe der<br />

beruflichen Bildung gehören“ (Zapf 2009: 449).<br />

<strong>Ein</strong>e konkrete Anleitung dafür, wie dies umgesetzt werden<br />

könnte, bietet das Buch jedoch nicht. Es lädt vielmehr dazu<br />

ein, über neue Wege eines interkulturellen Lehrens <strong>und</strong> Lernens<br />

im Rahmen eines integrierten ganzheitlichen didaktischen<br />

Konzeptes nachzudenken. Ziel aller Bemühungen des<br />

Berufsschulwesens sollte es sein, künftige Fachkräfte darauf<br />

vorzubereiten, erfolgreich ein Auslandspraktikum durchzuführen<br />

bzw. in deutsch-französischen Kontexten gemeinsam<br />

effektiv <strong>und</strong> verständnisvoll miteinander arbeiten zu können.<br />

Die Autorin fordert daher zu einer aktiven Auseinandersetzung<br />

mit diesem komplexen Thema auf. Dazu gehören freilich<br />

auch entsprechende Qualifzierungs- <strong>und</strong> Fortbildungsmöglichkeiten<br />

für Lehrkräfte an beruflichen Schulen.<br />

Zapf, Elke Christine (2009): Interkulturelle Wirtschaftskommunikation<br />

im kaufmännischen Schulwesen. <strong>Ein</strong>e Untersuchung<br />

im deutsch-französischen Grenzraum. St. Ingbert: Röhrig<br />

Universitätsverlag. 471 Seiten. Preis 48,00 EUR. ISBN 978-<br />

3-86110-471-1.<br />

Literatur<br />

Barmeyer, Christoph I. (2000): Mentalitätsunterschiede <strong>und</strong> Marktchancen<br />

im Frankreichgeschäft. Zur Zur interkulturellen Kommunikation im Handwerk<br />

(mit Schwerpunkt Saarland-Lothringen). St. Ingbert: Röhrig Universitäts<br />

Verlag.<br />

Bolten, Jürgen (2001): Thesen zum interkulturellen Lernen in der Schule. In:<br />

Jürgen Bolten, Daniela Schröter (Hrsg.). Im Netzwerk interkulturellen Handelns<br />

(S. 106-113). Sternenfels: Wissenschaft <strong>und</strong> Praxis.<br />

115 © Interculture Journal 2011 | 14


© Interculture Journal 2011 | 14 116


„Intersektionalität <strong>und</strong><br />

Kulturindustrie.<br />

Zum Verhältnis sozialer<br />

Kategorien <strong>und</strong> kultureller<br />

Repräsentationen“<br />

herausgegeben von<br />

Katharina Knüttel <strong>und</strong><br />

Martin Seeliger<br />

Kathrin Best<br />

M.A. in Theater-, Film- <strong>und</strong> Medienwissenschaft<br />

sowie Architektur, Universität<br />

Wien, Teilnehmerin des Promotionsprogramms<br />

„Performance<br />

and Media Studies“ der Johannes<br />

Gutenberg-Universität Mainz<br />

Best: „Intersektionalität <strong>und</strong> Kulturindustrie. Zum Verhältnis sozialer Kategorien <strong>und</strong> kultureller<br />

Repräsentationen“ herausgegeben von Katharina Knüttel <strong>und</strong> Martin Seeliger<br />

Rezension<br />

Der Begriff der Intersektionalität gewinnt in den Kulturwissenschaften<br />

mit Beginn der 1990er Jahre zunehmend an Bedeutung.<br />

Er bezeichnet die Überlagerung beziehungsweise<br />

Komplexion sozialer Diskriminierungen in einer Person<br />

(Behrens 2011:56) <strong>und</strong> betont dabei insbesondere die Tatsache,<br />

dass diese sich nicht ausschließlich addieren, sondern<br />

sich ebenso gegenseitig verstärken oder abschwächen können.<br />

Mit dem Sammelband „Intersektionalität <strong>und</strong> Kulturindutrie“<br />

wollen Katharina Knüttel <strong>und</strong> Martin Seeliger einen Beitrag<br />

zur Intersektionalitätsdebatte innerhalb der modernen Kulturwissenschaften<br />

leisten. Ziel der Soziologen ist es, eine analytische<br />

Verbindung <strong>zwischen</strong> kulturellen Artefakten <strong>und</strong> der<br />

Reproduktion von Differenzmerkmalen herzustellen, das<br />

heißt, „dem Zusammenwirken unterschiedlicher sozialer Kategorien<br />

mit Blick auf konkrete Kulturphänomene auf die<br />

Schliche zu kommen“ (Knüttel / Seeliger 2011:8). Adäquat zu<br />

dieser Fragestellung betrachten Knüttel <strong>und</strong> Seeliger Kultur<br />

als ein „dynamisches Set von Symbolen, Artefakten <strong>und</strong> sozialen<br />

Praktiken“ (Knüttel / Seeliger 2011:15), das von den<br />

Akteuren permanent neu ausgehandelt wird.<br />

Die Gliederung des Sammelbandes erscheint nachvollziehbar:<br />

In einem einleitenden Beitrag diskutieren die Herausgeber<br />

richtungsweisende soziologische Konzepte <strong>und</strong><br />

legen so den eigenen fachlichen Zugang offen. An diese <strong>Ein</strong>führung<br />

schließen zwei weitere Gr<strong>und</strong>lagentexte an, von<br />

denen der eine verstärkt den Begriff der Intersektionalität, der<br />

andere den der Kulturindustrie behandelt: Nina Degele <strong>und</strong><br />

Gabriele Winkler schlagen in ihrem Beitrag „'Leistung muss<br />

sich wieder lohnen'. Zur intersektionalen Analyse kultureller<br />

Symbole“ ein Instrumentarium vor, mit dessen Hilfe<br />

Intersektionalität im Kulturbereich konkret erfasst werden<br />

kann; Roger Behrens liefert mit seinem Aufsatz „Unterhaltung<br />

als Unterdrückung. Kulturindustrie, Intersektionalität<br />

<strong>und</strong> Herrschaft“ einen kritischen Blick auf die historische<br />

Entwicklung des Kulturindustrie-Begriffs.<br />

An diese einleitenden Texte schließen sich insgesamt acht<br />

weitere Beiträge an, die jeweils ein konkretes Phänomen der<br />

Populärkultur im Hinblick auf die Reproduktion sozialer Differenzkategorien<br />

genauer unter die Lupe nehmen. Dem interdisziplinären<br />

Anspruch der Herausgeber wird der Sammelband<br />

insofern gerecht, als die vertretenen Wissenschaftler in<br />

unterschiedlichen Fächern wie beispielsweise der Soziologie,<br />

den Kultur- oder den Sprachwissenschaften beheimatet sind.<br />

117 © Interculture Journal 2011 | 14


Best: „Intersektionalität <strong>und</strong> Kulturindustrie. Zum Verhältnis sozialer Kategorien <strong>und</strong> kultureller<br />

Repräsentationen“ herausgegeben von Katharina Knüttel <strong>und</strong> Martin Seeliger<br />

Wenngleich die Publikation schon aufgr<strong>und</strong> des Themas eindeutig<br />

an ein Fachpublikum gerichtet ist, so ist zumindest die<br />

Mehrzahl der Texte auch für interessierte Laien verständlich:<br />

Von den einschlägigen Fachtermini abgesehen kommen die<br />

Autoren überwiegend ohne unnötige Verkomplizierungen<br />

aus. Störend bezüglich der Lesbarkeit ist allerdings das nachlässige<br />

Lektorat, dem nicht nur zahlreiche Rechtschreib- <strong>und</strong><br />

Tippfehler, sondern auch grammatikalische Schnitzer entgangen<br />

sind. Leider korrespondiert die sprachliche <strong>Ein</strong>fachheit<br />

zudem mit der Inhaltsebene, so dass die Texte insgesamt<br />

kaum neue Erkenntnisse liefern, sondern stattdessen gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

Bekanntes wiederholen. Der <strong>Ein</strong>druck von Banalität<br />

wird außerdem dadurch verstärkt, dass die Autoren zum großen<br />

Teil keine wissenschaftlichen Methoden anwenden, sondern<br />

ihre vermeintlichen Erkenntnisse als bloße Behauptungen<br />

in den Raum stellen. Dabei scheinen sie oftmals derart<br />

auf eine bestimmte Perspektive fixiert zu sein, dass bar jeder<br />

Gr<strong>und</strong>lage Argumente gesucht <strong>und</strong> Tatsachen, die nicht ins<br />

Bild passen, schlichtweg ignoriert werden.<br />

Besonders deutlich wird dies anhand des Beitrags „Zeitgenössische<br />

Frauenzeitschriften als kulturindustrieller Schnittpunkt“<br />

von Thomas Hecken <strong>und</strong> Isabelle Middeke. Die von den Autoren<br />

im Zuge ihrer Forschungsarbeit entworfenen Interview-<br />

Fragen sollen die Zielgruppenpolitik von Frauenmagazinen<br />

aufdecken, wirken dabei aber derart suggestiv, dass es kaum<br />

verw<strong>und</strong>ert, dass von den neun adressierten Redaktionen<br />

nicht eine einzige an der Untersuchung teilnehmen wollte.<br />

Dieser Umstand hält die Autoren allerdings nicht davon ab,<br />

den entstandenen Freiraum mit Spekulationen zu füllen, die<br />

sich lediglich auf die Webpräsenz einer einzigen Zeitschrift<br />

stützen <strong>und</strong> in erster Linie – nicht wissenschaftlich, sondern in<br />

beleidigtem Ton – den Frust der Forscher über die gescheiterte<br />

Untersuchung zum Ausdruck bringen: „In acht von neun<br />

Fällen wurden nicht einmal elementare Höflichkeitsregeln<br />

eingehalten; auf eine kurze Antwort bzw. Absage glaubte<br />

man verzichten zu können“ (Hecken / Middeke 2011:109).<br />

Die folgenden Seiten verwenden die Autoren dazu, wenig<br />

originell die Abwertung von Frauenzeitschriften als Unterhaltungsstoff<br />

beziehungsweise minderwertige journalistische<br />

Produkte zu beklagen. Dabei fällt auf, dass sie selbst die entsprechenden<br />

Vorurteile reproduzieren, indem sie die Leserinnen<br />

der Hefte gegenüber der als überwiegend männlich charakterisierten<br />

Leserschaft politischer Magazine deutlich abgrenzen<br />

<strong>und</strong> gleichsam abwerten:<br />

„Ihre eigene minderwertige oder unwerte Position im kulturellen, politischen<br />

<strong>und</strong> journalistischen Bereich wird von den Frauenzeitschriften selbst<br />

nicht auf vergleichbare Weise zur Sprache gebracht <strong>und</strong> versuchsweise<br />

aufgehoben. In einer Hinsicht besteht dazu tatsächlich kein Bedarf: ihr Anklang<br />

bei großen zwar nicht mit ökonomischem <strong>und</strong> kulturellem Kapital<br />

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Best: „Intersektionalität <strong>und</strong> Kulturindustrie. Zum Verhältnis sozialer Kategorien <strong>und</strong> kultureller<br />

Repräsentationen“ herausgegeben von Katharina Knüttel <strong>und</strong> Martin Seeliger<br />

ausgestatteten, aber wenigstens am Kiosk zahlungskräftigen Käuferschichten<br />

legitimiert ihr Vorgehen immerhin im unternehmerischen Sinne hinreichend.“<br />

(Hecken / Middeke 2011:116f.)<br />

Von einer wissenschaftlichen Analyse intersektionaler Prozesse<br />

sind die Autoren damit meilenweit entfernt, zumal soziale<br />

Differenz in ihrem Beitrag auf die Kategorie männlich / weiblich<br />

reduziert bleibt.<br />

<strong>Ein</strong> verhältnismäßig erfreuliches Beispiel ist demgegenüber<br />

der Beitrag „'King Kong <strong>und</strong> die weiße Frau'. Konstitution<br />

eines zivilisierten Selbst“ von Joe Schaefer-Rolffs. Der Autor<br />

zeigt anhand seines Filmbeispiels schlüssig auf, wie rassistische<br />

<strong>und</strong> sexistische Stereotype miteinander verwoben sind.<br />

Damit konzentriert er sich zwar auch nur auf zwei Differenzkategorien,<br />

lässt jedoch zumindest die Tendenz zu einer<br />

intersektionalen Betrachtungsweise erkennen.<br />

Insgesamt muss den Herausgebern zugestanden werden,<br />

dass die formulierte Fragestellung ein brisantes <strong>und</strong> weitgehend<br />

neues Forschungsfeld eröffnet. Richtungsweisend ist<br />

zudem der interdisziplinäre Zugang, da gerade fächerübergreifendes<br />

Denken häufig zu neuen Erkenntnissen führt. Bezüglich<br />

der inhaltlichen Tiefe sowie des Innovationscharakters<br />

der Beiträge lässt die Publikation – von einigen positiven Ausnahmen<br />

abgesehen – allerdings noch Wünsche offen. Das<br />

eingangs formulierte Ziel, die Intersektionalitätsdebatte für<br />

die Analyse kultureller Artefakte nutzbar zu machen, kann<br />

der Sammelband schon deshalb nicht einlösen, weil<br />

Intersektionalität in der Mehrzahl der Beiträge gar nicht erst<br />

verhandelt wird.<br />

Knüttel, Katharina / Martin Seeliger (Hrsg.) (2011):<br />

Intersektionalität <strong>und</strong> Kulturindustrie. Zum Verhältnis sozialer<br />

Kategorien <strong>und</strong> kultureller Repräsentationen. Bielefeld:<br />

Transcript Verlag. 285 Seiten, Preis: 29,80 Euro, ISBN: 978-<br />

38376-1494-7.<br />

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Best: „Intersektionalität <strong>und</strong> Kulturindustrie. Zum Verhältnis sozialer Kategorien <strong>und</strong> kultureller<br />

Repräsentationen“ herausgegeben von Katharina Knüttel <strong>und</strong> Martin Seeliger<br />

Literatur<br />

Behrens, Roger (2011): Unterhaltung als Unterdrückung. Kulturindustrie,<br />

Intersektionalität <strong>und</strong> Herrschaft. In: Knüttel, K. / M. Seeliger (Hrsg.):<br />

Intersektionalität <strong>und</strong> Kulturindustrie. Zum Verhältnis sozialer Kategorien<br />

<strong>und</strong> kultureller Repräsentationen. Bielefeld: Transcript Verlag, S:53-82.<br />

Thomas Hecken / Isabelle Middeke (2011): Zeitgenössische Frauenzeitschriften<br />

als kulturindustrieller Schnittpunkt. In: Knüttel, K. / M. Seeliger (Hrsg.):<br />

Intersektionalität <strong>und</strong> Kulturindustrie. Zum Verhältnis sozialer Kategorien<br />

<strong>und</strong> kultureller Repräsentationen. Bielefeld: Transcript Verlag, S.105-129.<br />

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