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Aktuelle Anwendungsfälle Interkultureller Kommunikation | Current ...

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Inhalt<br />

Vorwort<br />

Klaus P. Hansen<br />

Interkulturelle Tragik:<br />

Jürgen Klinsmann über Amerika<br />

Alexandra Dehmel/<br />

Yi Li/ Peter F. E. Sloane<br />

Intercultural competence development<br />

in higher education<br />

study abroad programs:<br />

A good practice example<br />

Xun Luo/ Sebastian Kück<br />

Gibt es Lernstile,<br />

die kulturspezifisch sind?<br />

Eine interkulturelle Annäherung<br />

an das Lernstilkonzept anhand einer<br />

vergleichenden Untersuchung am<br />

Beispiel deutsch-chinesischer Studenten<br />

Nurcan Akbulut<br />

Chancengleichheit -<br />

ein (ir)realistischer Anspruch?<br />

online-Zeitschrift für Interkulturelle Studien<br />

I Jahrgang 10 I Ausgabe 15 I www.interculture-journal.com<br />

[Preface]<br />

ITragic Stereotypes:<br />

Jürgen Klinsmann on America]<br />

[Entwicklung interkultureller<br />

Kompetenz in universitären<br />

Auslandsstudienprogrammen:<br />

Ein Good-Practice-Beispiel]<br />

[Are there culture-specific<br />

learning styles?<br />

An intercultural approach to the learning<br />

style concept based on a<br />

comparative study of<br />

German and Chinese students]<br />

[Equal opportunity – A/an<br />

(ir)realistic claim?]<br />

Herausgeber:<br />

Jürgen Bolten<br />

Stefanie Rathje<br />

unterstützt von: / supported by:<br />

Ak <strong>Aktuelle</strong> Anwen endu dung n sfälle<br />

<strong>Interkultureller</strong> er Kommuni n kation<br />

<strong>Current</strong> applications<br />

of intercultural communication<br />

2011


Herausgeber:<br />

Prof. Dr. Jürgen Bolten (Jena)<br />

Prof. Dr. Stefanie Rathje (Berlin)<br />

Wissenschaftlicher Beirat:<br />

Prof. Dr. Dr. h.c. Rüdiger Ahrens (Würzburg)<br />

Prof. Dr. Manfred Bayer (Danzig)<br />

Prof. Dr. Klaus P. Hansen (Passau)<br />

Prof. Dr. Jürgen Henze (Berlin)<br />

Prof. Dr. Bernd Müller-Jacquier (Bayreuth)<br />

Prof. Dr. Alois Moosmüller (München)<br />

Prof. Dr. Alexander Thomas (Regensburg)<br />

Chefredaktion und Web-Realisierung:<br />

Mario Schulz<br />

Editing:<br />

Diana Krieg<br />

Fachgebiet:<br />

Interkulturelle Wirtschaftskommunikation<br />

Friedrich-Schiller-Universität Jena<br />

ISSN: 1610-7217<br />

www.interculture-journal.com


1<br />

3<br />

11<br />

37<br />

63<br />

Inhalt / Content<br />

Vorwort der Herausgeber [Preface]<br />

Interkulturelle Tragik: Jürgen Klinsmann über Amerika<br />

[Tragic Stereotypes: Jürgen Klinsmann on America]<br />

Klaus P. Hansen<br />

Intercultural competence development in higher<br />

education study abroad programs: A good practice example<br />

[Entwicklung interkultureller Kompetenz in universitären<br />

Auslandsstudienprogrammen: Ein Good-Practice-Beispiel]<br />

Alexandra Dehmel / Yi Li / Peter F. E. Sloane<br />

Gibt es Lernstile, die kulturspezifisch sind?<br />

Eine interkulturelle Annährung an das Lernstilkonzept<br />

anhand einer vergleichenden Untersuchung am Beispiel<br />

deutscher und chinesischer Studenten<br />

[Are there culture-specific learning styles?<br />

An intercultural approach to the learning style concept based on a<br />

comparative study of German and Chinese students]<br />

Xun Luo / Sebastian Kück<br />

Chancengleichheit – ein (ir)realistischer Anspruch?<br />

[Equal opportunity – A/an (ir)realistic claim?]<br />

Nurcan Akbulut


Vorwort<br />

Please insert<br />

der<br />

the the title title of of<br />

Herausgeber<br />

your article here<br />

First First name Surname<br />

Please Please insert insert information information about about<br />

the the author author here here (e.g. (e.g. title, title, posiposition,tion, institution) institution)<br />

Die 15. Ausgabe von Interculture Journal beschäftigt sich mit<br />

ausgewählten <strong>Anwendungsfälle</strong>n interkultureller <strong>Kommunikation</strong>.<br />

Im ersten Beitrag beschreibt Klaus P. Hansen in seinem Essay<br />

"Interkulturelle Tragik: Jürgen Klinsmann über Amerika" das<br />

Amerikabild des ehemaligen Bundestrainers der Deutschen<br />

Nationalmannschaft und jetzigen Trainers der USamerikanischen<br />

Fußballnationalmannschaft, das er anlässlich<br />

des 10. Jahrestages der Terroranschläge von 9/11 einem<br />

deutschen Fernsehpublikum in einer Talk-Show offenbarte.<br />

Angesichts der stereotyphaftigen Schilderung eines typischen<br />

Amerikaners aus Sicht eines in Deutschland sozialisierten<br />

Menschen plädiert Hansen für die Einführung des Begriffs<br />

"Interkulturelle Tragik".<br />

Der zweite Beitrag von Alexandra Dehmel, Yi Li und Peter<br />

F. E. Sloane „Intercultural competence development in higher<br />

education study abroad programs: A good practice example"<br />

beschäftigt sich mit der Frage, wie effizient und effektiv universitäre<br />

Auslandsstudienprogramme hinsichtlich der Entwicklung<br />

interkultureller Kompetenz sein können. Als Good-<br />

Practice-Beispiel wird das „Asian Studies in Business and Economics<br />

(ASBE)” Programm der Universität Paderborn vorgestellt.<br />

Der dritte Artikel von Xun Luo und Sebastian Kück "Gibt es<br />

Lernstile, die kulturspezifisch sind? Eine interkulturelle Annäherung<br />

an das Lernstilkonzept anhand einer vergleichenden<br />

Untersuchung am Beispiel deutsch-chinesischer Studenten"<br />

geht der Frage nach, inwiefern Lernstile sich aufgrund von<br />

Kulturspezifik darstellen lassen. Die Autoren vertreten dabei<br />

die Auffassung, dass eine Beschreibung der Lernstile – trotz<br />

deren Differenzierungsfunktion – nicht die Beschreibung der<br />

Gemeinsamkeiten im Lernverhalten der Zielgruppe ausschließen<br />

soll, um Synergiepotenziale zur Förderung von Interkulturalität<br />

zu entdecken.<br />

Der letzte Beitrag von Nurcan Akbulut "Chancengleichheit:<br />

ein (ir)realistischer Anspruch?" setzt sich kritisch mit dem<br />

sonderpädagogischen Feststellungsverfahren auseinander<br />

und analysiert die Gründe und Legitimationskriterien für die<br />

Überrepräsentativität von Kindern mit nicht-deutscher Erstsprache<br />

an Förderschulen.<br />

Ergänzt wird die Ausgabe durch zwei Rezensionen. Sara Dirnagl<br />

rezensiert das Buch "Prekäre <strong>Kommunikation</strong>: Die Vernehmung<br />

in der multikulturellen Gesellschaft" von Jan Rommerskirchen.<br />

Alexandra Stang rezensiert das Buch "Kultur<br />

und Kulturwissenschaft" von Klaus P. Hansen, das in diesem<br />

Jahr in der vierten Ausgabe erschienen ist.<br />

1 © Interculture Journal 2011 | 15


Darüber hinaus möchten wir auf einen aktuellen Call-for-<br />

Paper der beiden Gastherausgeber Prof. Dr. Jasmin Mahadevan<br />

und Prof. Dr. Claude-Hélène Mayer hinweisen: "Intercultural<br />

Engineering. Special Issue of Interculture Journal, October<br />

2012." Genauere Informationen finden Sie in der<br />

Rubrik "ausblick" auf interculture-journal.com.<br />

Die Herausgeber bedanken sich an dieser Stelle bei allen Autorinnen<br />

und Autoren und freuen sich auf zahlreiche weitere<br />

Beiträge für zukünftige Ausgaben des Interculture Journal.<br />

Stefanie Rathje (Berlin) und Jürgen Bolten (Jena) im Dezember<br />

2011<br />

© Interculture Journal 2011 | 15 2


Interkulturelle<br />

Please insert the the<br />

Tragik:<br />

title title of of<br />

Jürgen Klinsmann über<br />

your article here<br />

Amerika<br />

[Tragic Stereotypes: Jürgen<br />

Klinsmann on America]<br />

First First name Surname<br />

Please Please insert insert information information about about<br />

Klaus P. Hansen<br />

the the author author here here (e.g. (e.g. title, title, posiposition, Prof. tion, institution)<br />

Dr. institution) Klaus P. Hansen leitet die<br />

Forschungsstelle „Grundlagen<br />

Kulturwissenschaft“ an der Universität<br />

Passau.<br />

Hansen: Interkulturelle Tragik: Jürgen Klinsmann über Amerika<br />

Abstract [English]<br />

The famous soccer coach Jürgen Klinsmann emigrated to the<br />

US and settled in California. During a recent talk show on<br />

German TV he judged his new home country in a strange<br />

way.<br />

Abstract [Deutsch]<br />

Jürgen Kliensmann liebt seine neue Heimat, die USA, doch<br />

wenn er sich über sie äußert, benutzt er all die Stereotype,<br />

die er aus Deutschland mitbrachte.<br />

Interkulturelle Tragik<br />

Zum zehnten Jahrestag des Anschlags auf die Türme des<br />

World Trade Center, also am 11. September 2011 sendete<br />

die ARD eine Talkshow mit Günther Jauch. Für interkulturell<br />

Interessierte war ein Gast von besonderem Interesse: Jürgen<br />

Klinsmann. Ihn, der in den USA lebt und zwischen der Alten<br />

und Neuen Welt pendelt, hatte Jauch eingeladen, damit er,<br />

sozusagen als Augenzeuge, über die Reaktionen der Amerikaner<br />

auf das Ereignis selbst und den begangenen Jahrestag<br />

berichtete. Ob die Wahl für die Talkshow gut war – der Bäckergeselle<br />

und Fußballer zwischen intellektuellen Groß- und<br />

Kleinkalibern – sei dahin gestellt, wie überhaupt die Sendung<br />

als ganze hier nicht interessieren soll. Für interkulturelle Detektive<br />

aber, die dem Alltag zwischen den Nationen auf die<br />

Schliche kommen wollen, war die Wahl goldrichtig. Klinsmann<br />

ist ein gescheiter und wohlwollender Mensch, und jeder<br />

spürt, dass er gerne in den USA lebt. Wir können somit<br />

annehmen, dass er, was die Themen Kulturkontakt und Migration<br />

betrifft, die Normalität einer bestimmten deutschen<br />

Generation und sozialen Schicht verkörpert, die weder zur<br />

Xenophobie noch zum Ethnomythos neigt. Die aber auch<br />

nicht, aufgrund einer gewissen Bildungsferne, durch politische<br />

Korrektheit geknebelt wird. Wenn das zutrifft, müsste es<br />

von großem Interesse sein, wie ein so Unvorbelasteter über<br />

eine andere Kultur urteilt, zudem eine, die er zu seiner Heimat<br />

erkor.<br />

Die erste Frage, die ihm Jauch stellte, war: Wie nahmen die<br />

Amerikaner das Ereignis auf? Klinsmann antwortet mit dem<br />

Hinweis auf die schockierende Neuartigkeit der Erfahrung.<br />

Amerika sei gewohnt, mit Schicksalsschlägen umzugehen,<br />

mit Naturkatastrophen wie Erdbeben und Wirbelstürmen,<br />

aber „auf dem eigenen Grund und Boden mit dieser Vehemenz<br />

attackiert zu werden“ war etwas „ganz, ganz Neues“.<br />

Aber noch aus einem anderen Grunde, sei es so schwer ge-<br />

3 © Interculture Journal 2011 | 15


Hansen: Interkulturelle Tragik: Jürgen Klinsmann über Amerika<br />

wesen, mit dem Ereignis umzugehen. „Amerikaner schauen<br />

immer nach vorne, er möchte nicht gerne nach hinten schauen,<br />

aber dieser Moment hat ihn schwer getroffen, weil er<br />

wusste, jetzt müssen wir mit diesem Tatbestand umgehen,<br />

wir müssen die Zukunft so bilden, basierend auf dieser Vergangenheit.<br />

Da tut er sich heute noch schwer damit“. Der<br />

Schock soll mithin ein doppelter gewesen sein. Zum einen<br />

war das historische Faktum zu verarbeiten, dass die militärisch<br />

mächtigste Nation auf ihrem eigenen Territorium angegriffen<br />

wurde, und zum anderen hatte diese Verarbeitung mit der<br />

nationalen Eigenheit des Nach-Vorne-Schauens zu kämpfen.<br />

Bei Naturkatastrophen genügte der Blick nach vorn, also der<br />

Wiederaufbau, bei diesem Ereignis aber war es damit nicht<br />

getan. Naturkatastrophen, so wird es Klinsmann gemeint haben,<br />

gehorchen dem Zufall, die Zerstörung der Türme aber<br />

war ein geplanter politischer Akt, den man erst einmal, und<br />

zwar aus der Vergangenheit heraus, verstehen musste.<br />

Was Klinsmann da behauptet, ist weder richtig noch schmeichelhaft.<br />

Es ist einseitig und verkürzt, doch wir wollen nicht<br />

darüber zu Gericht sitzen, sondern ergründen, wie es zu solcher<br />

Einseitigkeit kommt. Klinsmann konstatiert eine nationale<br />

Eigenschaft; der Amerikaner – den er mal im Singular, mal<br />

im Plural anspricht – sei stets nach vorne schauender Optimist,<br />

und dieser Optimismus sei mit dem Anschlag an eine<br />

Grenze gestoßen. Die USA mussten sich also, nennen wir es<br />

beim Namen, gegen ihren Nationalcharakter verhalten. Woher<br />

aber weiß Klinsmann, dass Optimismus eine tragende Eigenschaft<br />

ist? Hat er es vor Ort beobachtet oder brachte er<br />

dieses Wissen aus Deutschland mit? Es stammt wohl aus der<br />

alten Heimat, denn wenn wir Deutschen eine Eigenschaft mit<br />

Amerika assoziieren, dann Optimismus. Insofern regte sich in<br />

der Runde, die Klinsmann zuhörte, auch kein Widerspruch.<br />

Der Optimismus des Amerikaners im Singular ist ein wahrscheinlich<br />

nicht nur deutsches, sondern weithin europäisches<br />

Stereotyp. Negativ ist es nicht, aber auch nur scheinbar<br />

freundlich, denn Optimismus wächst auf dem Boden von<br />

Harmlosigkeit und Naivität. Optimismus schmückt nicht den<br />

kritischen Intellektuellen, sondern wird eher beim geistigen<br />

Durchschnitt angetroffen. Es ist die Eigenschaft pauschaler<br />

Gutgläubigkeit, wenn nicht Vertrauensseligkeit, die ihren<br />

Träger nicht herabwürdigt, aber auch nicht erhebt. Herauszufinden,<br />

seit wann dieses Stereotyp existiert und aus welchem<br />

Anlass es entstand – ob es vielleicht aus dem inneramerikanischen<br />

Yankee-Bild herrührt – wäre eine Untersuchung<br />

wert. Im Zusammenhang der hier angestellten Überlegungen<br />

bleibt aber unverständlich, wieso Klinsmann, der<br />

Amerikafreund, das Stereotyp nicht überwindet.<br />

© Interculture Journal 2011 | 15 4


Hansen: Interkulturelle Tragik: Jürgen Klinsmann über Amerika<br />

Die zweite Frage Jauchs, „Ich habe den Eindruck, sie [die<br />

Amerikaner] können es gar nicht verstehen“, knüpft an<br />

Klinsmanns Ausführungen an, der ja, wie gerade analysiert,<br />

Verständnisschwierigkeiten hervorgehoben hatte. Die Nachfrage<br />

wird aber indirekt beantwortet, indem Klinsmann sie<br />

auf ein dem Verstehen vorausliegendes Thema verschiebt,<br />

das der Informiertheit. Die Amerikaner, so die erstaunliche<br />

These, hätten über die Anschläge und ihre Hintergründe nicht<br />

ausreichend Bescheid gewusst. „Wenn man sich mal den Alltag<br />

anschaut, dass die Eltern Doppelverdiener sind [und] am<br />

Wochenende das Haus reparieren, wo nehme ich meine Informationen<br />

dann auf […]. Sie nehmen sie meistens auf in<br />

der Küche am Fernseher, so im Vorbeigehen, und im Vorbeigehen,<br />

wenn du da die Informationen aufschnappst, sind sie<br />

nie so tiefgehend, werden nicht so erklärt, wie es eigentlich<br />

sein müsste.“ Mit anderen Worten, der Griff zur New York<br />

Times oder Washington Post ist dem Amerikaner aus Zeitgründen<br />

verwehrt, und deshalb, da mangelhaft unterrichtet,<br />

so muss man den Gedanken wohl zu Ende führen, versteht er<br />

all die schrecklichen Dinge nicht. Die Arbeitsüberlastung ist<br />

aber nicht der einzige Grund, sondern auch die Medien haben<br />

ihren Anteil. „Wenn das Informationssystem in Amerika<br />

so funktioniert, alles in der Schnelle mal mitzunehmen, sich<br />

berieseln zu lassen von über 300 Fernsehstationen, da<br />

schnapp ich irgendwas auf.“ Die Konsequenz der schlechten<br />

Informiertheit liegt auf der Hand: „Viele sind deshalb auch<br />

mehr unpolitisch, als wir in europäischen Ländern gewohnt<br />

sind.“<br />

Wie kommt der ehemalige Bundestrainer zu solch waghalsigen<br />

Aussagen? Wohl kaum durch persönliche Beobachtungen<br />

vor Ort, etwa dergestalt, dass ihm irgendwann aufgefallen<br />

wäre, in der elterlichen Backstube in Deutschland hätte<br />

man auf höherem Informationsniveau politisiert als in der kalifornischen<br />

Wahlheimat. Wenn er aber nicht auf bewusst<br />

Erlebtes und selbst Reflektiertes zurückgreift, muss es sich um<br />

Vorauswissen handeln, also um Klischees und Stereotype. Der<br />

Vorwurf der Uninformiertheit ist zwar selbst kein Klischee,<br />

gibt sich aber schnell als Modifikation eines solchen zu erkennen.<br />

Klinsmann variiert die alte Vorstellung vom kulturlosen<br />

Amerikaner. Im 19. Jahrhundert hatte sie ihren Höhepunkt<br />

und wurde von vielen, vor allem englischen Geistesgrößen,<br />

unter ihnen Charles Dickens, verbreitet, und selbst<br />

der amerikanische Schriftsteller Henry James, eine kultivierte<br />

Persönlichkeit, die lieber im kulturgesättigten London lebte<br />

als in der Heimat, stimmte in den Chor der Amerikakritiker<br />

ein. Allerdings lieferten die Kulturlosen selbst die Vorlage. Mit<br />

Rousseau war die Neue Welt stolz darauf „nature’s nation“<br />

zu sein und sich vom gekünstelt dekadenten Europa zu unterscheiden.<br />

Diesen Angriff parierte die Alte Welt mit der an-<br />

5 © Interculture Journal 2011 | 15


Hansen: Interkulturelle Tragik: Jürgen Klinsmann über Amerika<br />

deren Bedeutung des Begriffs Natur und stellte die amerikanische<br />

Natürlichkeit als ungehobelt, hinterwäldlerisch und provinziell<br />

hin. Welch schönes Beispiel für die Symmetrie von Auto-<br />

und Heterostereotyp! Bei der Modifikation durch Klinsmann<br />

bleibt die Grundidee des Provinziellen erhalten, denn<br />

Uninformiertheit und Verständnislosigkeit sind, egal ob auf<br />

dem Lande oder in der Stadt, Ausdruck geistiger Provinzialität.<br />

Wie übrigens auch Optimismus.<br />

Sobald Klinsmann die Modifikation vollzogen hat, merkt er<br />

aber, dass er sich verheddert. Wenn die aufgeschnappten Informationshappen<br />

kein richtiges Bild ergeben, wie kann der<br />

Amerikaner dann überhaupt angemessen reagieren? Klinsmann<br />

windet sich, wie folgt, aus der Klemme: „Viele Amerikaner<br />

können diese Zusammenhänge auch gar nicht nachempfinden,<br />

Irak, Afghanistan, die Lager, all diese Dinge […]<br />

und ihre Reaktion, von Bush getrieben, nach 9/11, ist natürlich<br />

purer Patriotismus […]“. Womit unser von Jauch ernannter<br />

Amerikafachmann ein weiteres wohlfeiles Stereotyp aus<br />

dem Ärmel zieht, das des Patriotismus. Im Unterschied zu<br />

dem der Kulturlosigkeit mag in ihm zwar ein Körnchen mehr<br />

Wahrheit enthalten sein, zur Erklärung des Irakkriegs aber<br />

reicht es nicht. Bush lässt es zu gut wegkommen und den<br />

Rest Amerikas zu schlecht.<br />

Doch so richtig wohl fühlt sich Klinsmann mit dem, was er<br />

sagte, nicht mehr. Kaum hat er sich aus der Klemme gewunden,<br />

beginnt er, ohne jeden erkennbaren Anlass, sich selbst<br />

Einwände zu machen. „Derjenige natürlich, der mehr liberal<br />

denkt, politisch denkt, der lebt meistens an der Küste oder in<br />

Städten, New York, Miami, Boston oder an der Westküste,<br />

Los Angeles, San Francisco, Seattle.“ Er zerbricht den Singular-Amerikaner<br />

in zwei Gruppen, den Städtern der Ost- und<br />

Westküste, auf die der Vorwurf der Provinzialität nicht zutrifft,<br />

und der im Innern siedelnden Landbevölkerung. Doch<br />

das Aufbrechen der nationalen Einheit geht noch weiter:<br />

„[…] es ist eine Bevölkerung von 300 Millionen, die immer<br />

mehr beeinflusst werden von 50 Millionen hispanics, eine<br />

Kultur, die sich dort bildet aus Mittelamerika, besonders Mexiko,<br />

und dieses Land stetig verändert […]“. Was ist passiert?<br />

Klinsmann, dem Westküstenbewohner wird klar, und indem<br />

er es ausspricht, zeigt er seine Redlichkeit, dass die USA nicht<br />

nur aus uninformierten und unpolitischen Provinzlern bestehen.<br />

Plötzlich dämmert ihm die Pauschalität seiner Behauptungen.<br />

Nachdem diese Befürchtung einmal bewusst oder<br />

halbbewusst wurde, greift sie weiter um sich und schockiert<br />

mit der Einsicht, dass man 300 Millionen Individuen schlecht<br />

über einen Kamm scheren kann. Zu der riesigen Menge an<br />

Bewohnern kommt hinzu, dass sich diese im Einwanderungsland<br />

Amerika aus verschiedenen Ethnien zusammensetzen.<br />

© Interculture Journal 2011 | 15 6


Hansen: Interkulturelle Tragik: Jürgen Klinsmann über Amerika<br />

Damit steht Klinsmann kurz vor der die üblichen Denkgewohnheiten<br />

sprengenden Erleuchtung, dass eine Nationalkultur<br />

kein homogenes Gebilde ist. Doch sie leuchtet nicht hell<br />

genug, um eine Revision der bisherigen Aussagen über den<br />

Amerikaner anzustoßen. Trotzdem sollten wir, dass diese<br />

Einwände überhaupt aufblitzen, als Aktivposten verbuchen,<br />

auch wenn sie sich aus Stereotypen speisen. Für jeden Europäer<br />

sind die USA das Land der Vielfalt und Multi-Kulturalität,<br />

ebenso wie sich herum gesprochen hat, dass Ost- und Westküste<br />

fortschrittlicher sind als das platte Land des bible belt.<br />

Die dritte und letzte Frage, die Jauch an seinen Gast richtet,<br />

möchte wissen, wie Amerikaner auf die schrecklichen Bilder<br />

aus dem Irakkrieg reagieren, die Tote der Zivilbevölkerung<br />

zeigen. Klinsmann, der wieder zum Singular zurückgefunden<br />

hat, antwortet: „Der Amerikaner nimmt diese Bilder genauso<br />

mit Entsetzen auf und diskutiert es […] und es ist absolut ein<br />

Thema […]. Nur nach zehn Jahren dieses ständigen Themas,<br />

Kriege um den Terror, ist er müde; er möchte nach vorne<br />

schauen, er möchte Lösungsmöglichkeiten sehen, er hat da<br />

Angst vor noch höherer Arbeitslosigkeit, er möchte nicht seinen<br />

Job verlieren. Wenn er seinen Job verliert, ist da nicht<br />

dieses Auffangnetz, das wir hier in Deutschland und in europäischen<br />

Ländern teilweise haben.“ Wieder fährt Klinsmann<br />

eine Entschuldigungsstrategie. Wenn es zuvor hieß, der Amerikaner<br />

ist uninformiert, weil er so viel arbeitet, wird jetzt der<br />

Überdruss am Thema Terror mit Sorgen um den Arbeitsplatz<br />

begründet. Diese Sorgen sind heftig, weil es keinen Sozialstaat<br />

gibt. Das Erstaunliche an dieser Entschuldigungsstrategie<br />

ist die Entfernung zwischen Ursache und Wirkung. Wie<br />

kommt man von Kriegsbildern auf die fehlende Sozialversicherung?<br />

Es ist die Logik der Stereotype. Zu dem, was Europäern<br />

zu Amerika einfällt, gehört an prominenter Stelle – und<br />

das selbst bei FDP Wählern – die angeblich nicht vorhandene<br />

Sozialversicherung. Kaum hat der deutsche Austauschstudent<br />

sein Zimmer im dorm der amerikanischen Universität bezogen,<br />

stellt er seinen Mitbewohner aus Texas zur Rede, warum<br />

die USA keine Krankenversicherung hat. Erst bei der Diskussion<br />

merkt er die eigenen Wissenslücken und vor allem die fehlende<br />

Begeisterung seines Gegenübers. Im Unterschied dazu<br />

macht Klinsmann diesbezüglich aber keine Vorwürfe, sondern<br />

entschuldigt ein Klischee mit einem anderen.<br />

Nur ein Stereotyp fehlt noch: die Oberflächlichkeit. Sie, die<br />

bei interkulturellen Trainings beliebt ist und dort mit Obstmetaphern<br />

umschrieben wird – der Amerikaner ist wie ein Pfirsich,<br />

zuerst eine weiche Schale und dann ein harter Kern –<br />

hört sich bei Klinsmann so an: „Heute ist ein großer Tag in<br />

Amerika; aber sie haben das Bedürfnis, jetzt einfach nach<br />

vorne zu schauen, und natürlich verfolgen sie Afghanistan,<br />

7 © Interculture Journal 2011 | 15


Hansen: Interkulturelle Tragik: Jürgen Klinsmann über Amerika<br />

Irak, all die Terroranschläge; sie nehmen Teil daran, aber es ist<br />

viel an Themen in den USA, mit denen sie umgehen müssen,<br />

deshalb muss man auch ein bisschen verstehen als Europäer,<br />

dass der Amerikaner hier vielleicht ein bisschen oberflächlich<br />

rüberkommt.“ Wieder versucht Klinsmann zu entschuldigen:<br />

Amerika ist nicht oberflächlich, sondern wirkt nur so. Wobei<br />

diese Entschuldigung genau genommen lauten müsste: Er ist<br />

oberflächlich, das aber aus verständlichen Gründen. Fassen<br />

wir Klinsmanns Urteil über die andere Kultur zusammen: Der<br />

Amerikaner ist patriotisch, optimistisch nach vorne schauend,<br />

uninformiert, fleißig, unpolitisch, kennt kein Sozialsystem, ist<br />

überfordert und erscheint oberflächlich. Alles das wusste der<br />

Emigrant schon, als in Deutschland die Koffer gepackt wurden.<br />

Klinsmann, ein moderner Deutscher der sympathischen Sorte,<br />

nicht akademisch gebildet, aber weithin interessiert, weltoffen<br />

und polyglott, lässt sich in einem fremden Land nieder.<br />

Der dadurch beginnende Kontakt wird einerseits durch bestimmte<br />

Denkgewohnheiten interkultureller Art bedingt, andererseits<br />

durch aus der Heimat mitgebrachte Stereotype gestaltet.<br />

Die erste dieser Denkgewohnheiten besteht darin,<br />

dass wir jede an einem Ausländer entdeckte Eigenschaft seiner<br />

Nationalität zuschreiben. Wenn Klinsmann bei seinem<br />

Nachbarn zur Rechten Uninformiertheit feststellte, nahm er<br />

das sofort in die Liste amerikanischer Merkmale auf. War der<br />

Nachbar zur Linken politisch desinteressiert, wurde die Liste<br />

sofort weiter geführt. Vor lauter Listenbildung merkte er<br />

nicht, dass es diese Eigenschaften auch in Deutschland oder<br />

Frankreich gibt. Wenn er einen uninformierten Deutschen<br />

traf, verbuchte er das als Zufall der Individualität, in Amerika<br />

hingegen rückt es zur nationalen Eigenart auf. Dieser Zuschreibungsautomatismus,<br />

der die Prägekraft des Nationalen<br />

weit überschätzt, gilt nicht nur für Klinsmann, sondern für<br />

fast jeden von uns. Es wäre zu überprüfen, ob manche Theorien<br />

oder Trainingsprogramme der interkulturellen <strong>Kommunikation</strong><br />

diesen Automatismus nicht fördern.<br />

Die zweite Denkgewohnheit ist die Annahme nationalkultureller<br />

Homogenität. D.h. alle 300 Millionen Amerikaner haben<br />

dieselben Eigenheiten. Wenn das so ist, brauche ich nur den<br />

Singular-Amerikaner, so unmodern oder vielleicht sogar politisch<br />

unkorrekt eine solche Formulierung auch ist. „Vom Neger<br />

als solchem“ spricht keiner mehr, aber der Talkmaster<br />

Jauch hatte mit Klinsmanns Singular keine Probleme. Die Annahme<br />

der Homogenität, die einen bereinigten und abstrahierten<br />

Amerikaner konstruiert, spart Denkschmalz und Papier,<br />

denn ich brauche nur eine einzige Liste. Mittendrin<br />

merkte Klinsmann allerdings, dass eine vielleicht zu wenig ist<br />

und begann, Listen für Stadt- und Landbewohner und Listen<br />

© Interculture Journal 2011 | 15 8


Hansen: Interkulturelle Tragik: Jürgen Klinsmann über Amerika<br />

für hispanics zu eröffnen. Wir sehen daran, wie der im Kulturkontakt<br />

Stehende mit den traditionellen Denkgewohnheiten<br />

hadert, da sie ihm die polykollektive Wirklichkeit nicht<br />

erschließen.<br />

Bei seiner Übersiedlung in die Neue Welt brachte Klinsmann<br />

neben diesen Denkgewohnheiten auch eine Reihe von inhaltlichen<br />

Stereotypen mit. Durch die deutsche Sozialisation betrachtet<br />

er das Neue nicht offen, sondern vorinformiert.<br />

Doch, das müssen wir Klinsmann zugutehalten, er reproduziert<br />

die Stereotype nicht unkritisch, sondern ringt mit ihnen.<br />

Er merkt zwar nicht, wie wenig sie auf die Wirklichkeit passen,<br />

aber irgendwie stören sie ihn, weil sie ehrenrührig sind.<br />

Sie stören seine Zuneigung zu Amerika. Deshalb entschuldigt<br />

er sie. Letztendlich aber schafft er es nicht, sich von den vorgestanzten<br />

Urteilen, die er in Deutschland aufsog, zu befreien.<br />

Das ist ein bisschen tragisch und vielleicht sollte man den<br />

Jargon der Kulturkontakte analysierenden Disziplinen um den<br />

Begriff der interkulturellen Tragik erweitern. Sie zu verhindern,<br />

wäre vielleicht die dringlichste Aufgabe dieser Disziplinen.<br />

9 © Interculture Journal 2011 | 15


© Interculture Journal 2011 | 15 10


Intercultural<br />

Please insert<br />

competence<br />

the the title title of of<br />

development in higher<br />

your article here<br />

education study abroad<br />

programs: A good practice<br />

example<br />

[Entwicklung<br />

First First name Surname interkultureller<br />

Kompetenz in universi-<br />

Please Please insert insert information information about about<br />

tären<br />

the the author author Auslandsstudienpro-<br />

here here (e.g. (e.g. title, title, posiposigrammen:tion,tion, institution) institution) Ein Good-<br />

Practice-Beispiel]<br />

Alexandra Dehmel<br />

Dr., works at the European Centre<br />

for the Development of Vocational<br />

Training (Cedefop); previously<br />

research assistant at the<br />

Department of Business and Human<br />

Resource Education, University<br />

of Paderborn. Research interests:<br />

vocational education and<br />

training, comparative research,<br />

development of intercultural<br />

competence, adult learning. The<br />

views in this article do not reflect<br />

those of Cedefop.<br />

Yi Li<br />

M.A., research assistant and doctoral<br />

student at the Department<br />

of Business and Human Resource<br />

Education, University of Paderborn.<br />

Research interests: intercultural<br />

education and training, development<br />

of intercultural competence,<br />

internationalization of<br />

higher education.<br />

Peter F. E. Sloane<br />

Prof. Dr., professor at the Department<br />

of Business and Human<br />

Resource Education, University of<br />

Paderborn. Research interests:<br />

self-regulated and collaborative<br />

learning, design-based research,<br />

didactic issues in the vocational<br />

education and training sector,<br />

among others.<br />

Dehmel / Li / Sloane: Intercultural competence development in higher education study abroad<br />

programs: A good practice example<br />

Abstract [English]<br />

International student mobility programs at higher education<br />

level have increasingly been fostered over the past years.<br />

Most of these programs merely send students for a term<br />

abroad, but do not provide comprehensive accompanying<br />

measures before, during and after the stay. There is no doubt<br />

that through a short time of studying in another country, participants<br />

gain intercultural living and learning experience.<br />

However, some crucial questions remain: How effective and<br />

efficient are such programs in promoting intercultural learning<br />

and competence development? How can they be designed<br />

in order to foster the students’ learning processes and<br />

to increase learning outcomes? This article addresses these<br />

questions and provides an example of a comprehensive study<br />

abroad program for graduate students.<br />

The article gives an overview of current research on study<br />

abroad programs and defines the term intercultural competence.<br />

It then presents the „Asian Studies in Business and<br />

Economics (ASBE) program” at the University of Paderborn<br />

(Germany) as a good practice example. The strengths of the<br />

program are: It a) consists of four master-level modules, all<br />

fully integrated into the curriculum of the Master programs;<br />

b) provides continuous and systematic accompanying<br />

measures over a long period of time (preparation, study<br />

abroad and follow-up phases); c) uses an innovative, learnercentered<br />

pedagogical design that combines individual and cooperative<br />

learning and applies – amongst others – experiential<br />

and reflective learning as well as the critical incidents<br />

technique.<br />

Keywords: Intercultural competence, higher education, study<br />

abroad programs, pedagogical design, good practice example<br />

Abstract [Deutsch]<br />

Universitäre Auslandsstudienprogramme wurden in den vergangenen<br />

Jahren verstärkt gefördert. Die meisten dieser Programme<br />

senden ihre Teilnehmer / innen lediglich für eine<br />

gewisse Zeit ins Ausland, bieten aber keine umfassenden Begleitprogramme<br />

vor, während und nach dem Auslandsaufenthalt.<br />

Obwohl kein Zweifel daran besteht, dass Studierende<br />

durch einen solchen Auslandsstudienaufenthalt interkulturelle<br />

Lebens- und Lernerfahrungen sammeln, bleiben dennoch einige<br />

wichtige Fragen offen: Wie effizient und effektiv sind<br />

diese Programme darin, interkulturelles Lernen und die Entwicklung<br />

interkultureller Kompetenz zu fördern? Wie können<br />

sie gestaltet werden, um Lernprozesse optimal zu unterstützen<br />

und Lernergebnisse zu steigern? Der vorliegende Artikel<br />

11 © Interculture Journal 2011 | 15


Dehmel / Li / Sloane: Intercultural competence development in higher education study abroad<br />

programs: A good practice example<br />

widmet sich diesen Fragen und stellt exemplarisch ein umfassendes<br />

Auslandsstudienprogramm für Masterstudierende vor.<br />

In den ersten Kapiteln erfolgt ein Überblick über den aktuellen<br />

Forschungsstand zu Auslandsstudienprogrammen und<br />

eine Präzision des Begriffs interkulturelle Kompetenz. Anschließend<br />

wird das „Asian Studies in Business and Economics<br />

(ASBE)” Programm der Universität Paderborn als good<br />

practice Beispiel vorgestellt. Die Stärken dieses Programms<br />

sind: a) Es besteht aus vier Master-Modulen, die vollständig in<br />

das Curriculum der Masterprogramme integriert sind; b) es<br />

bietet ein kontinuierliches und systematisches Begleitprogramm<br />

vor, während und nach dem Auslandsaufenthalt; c) es<br />

nutzt ein innovatives, Lerner-zentriertes didaktisches Design,<br />

das individuelles und kooperatives Lernen verbindet und –<br />

unter anderem – experimentelles und reflexives Lernen sowie<br />

die critical incidents technique nutzt.<br />

Stichworte: Interkulturelle Kompetenz, Hochschulbildung,<br />

universitäre Auslandsstudienprogramme, pädagogisches Design,<br />

good practice Beispiel<br />

1. Introduction<br />

In recent years, the opportunities for higher education students<br />

to go abroad during their studies have risen enormously.<br />

One of the reasons for this development is that higher education<br />

study abroad programs have increasingly been fostered<br />

at national and super-national level. In 2008-2009<br />

alone, ERASMUS (European Region Action Scheme for the<br />

Mobility of University Students), the European Union student<br />

exchange program, has for example helped almost 200.000<br />

students – more than ever before – to go abroad for studies<br />

and company placements (European Commission 2010:5).<br />

The importance of student movements for the internationalisation<br />

of higher education is frequently pointed out, for instance<br />

by Stone (2006:313) and the European Commission<br />

(2010:5). A main aim of this internationalisation in general<br />

and study abroad programs in particular is to prepare students<br />

for their life in a globalised world.<br />

The variety of student mobility programs ranges from academic<br />

stays to language courses, internships and study trips<br />

to foreign higher education institutions (excursions, summer<br />

courses, research stays, etc.) (Hopkins 1999:38, Gray / Murdock<br />

/ Stebbins 2002:46, Isserstedt / Schnitzer 2005:61). Beyond<br />

transferring study credits [1] from foreign higher education<br />

institutions back to home institutions and acquiring language<br />

skills, study abroad programs provide the participants<br />

with opportunities to immerse in in-depth international expo-<br />

© Interculture Journal 2011 | 15 12


Dehmel / Li / Sloane: Intercultural competence development in higher education study abroad<br />

programs: A good practice example<br />

sure. Such an intensive educational experience in another culture<br />

is considered to have greatest impact (Cushner<br />

1994:103). Generally, short-term [2] study abroad programs<br />

claim to generate an increased international awareness and<br />

sensibility to other cultures, to enhance enthusiasm for international<br />

issues and willingness to participate in international<br />

activities (Gray et al. 2002:47). Through compare and contrast<br />

with another culture, even fundamental perceptions and<br />

opinions of oneself and one’s own culture are challenged.<br />

This increases self-awareness and cultural sensibility and contributes<br />

to personal growth. As shown in the following chapter,<br />

such potential outcomes are often a key object of interest<br />

in research on study abroad programs.<br />

2. <strong>Current</strong> research on study abroad programs:<br />

An overview<br />

A great number and wide variety of research focusing on the<br />

experience of people who spend time in cultures other than<br />

their own has been carried out over the past years. Researchers<br />

and trainers have contributed to investigations on topics<br />

such as adjustment, adaptation and acculturation, effective<br />

intercultural interactions, and design and impact of training<br />

models, including pre-departure and re-entry training programs<br />

(Bradford / Allen / Beisser 1998:2, Cushner / Karim<br />

2004:289). Examples of different foci of recent research on<br />

study abroad programs are summarised in table I.<br />

Research foci Scholars and studies<br />

Positive impact of SAP on…<br />

...personal development/growth, selfefficacy.<br />

...social-emotional stability, sociopsychological<br />

adaptation.<br />

...increased intercultural awareness,<br />

self-awareness.<br />

...overall development of intercultural<br />

sensitivity – IDI (Intercultural Development<br />

Inventory).<br />

...higher level of intercultural competence<br />

(openness/ethnorelativism, international<br />

concern, interpersonal communication<br />

skills, self-efficacy) / intercultural<br />

proficiency (global mindedness,<br />

intercultural communication, openness<br />

to diversity, intercultural sensitivity).<br />

...student motivation in participating in<br />

more international activities (global<br />

mindedness).<br />

Gmelch 1997, Hadis 2005,<br />

Milstein 2005.<br />

Tuleja 2008, Leong 2007.<br />

Williams 2005.<br />

Anderson, Lawton, Rexeisen,<br />

Hubbard 2006, Jackson 2008,<br />

Pedersen, 2010.<br />

Yashima 2010, Clarke III, Flaherty,<br />

Wright, McMillen 2009.<br />

Gray et al. 2002, Kitsantas<br />

2004, Hadis 2005.<br />

13 © Interculture Journal 2011 | 15


Dehmel / Li / Sloane: Intercultural competence development in higher education study abroad<br />

programs: A good practice example<br />

...attitudes (perceptions) towards international<br />

understanding, cross-cultural<br />

interest (interest in cultural differences).<br />

...advantage of student mobility for<br />

international jobs/assignments.<br />

Baty, Dold 1977, Carlson, Widaman<br />

1988, Hadis, 2005.<br />

Wiers-Jenssen 2008.<br />

...cross-cultural skills. Kitsantas 2004.<br />

Other foci<br />

Assessment of effectiveness of SAPs. Lewis, Niesenbaum 2005,<br />

Pedersen 2010.<br />

Predictors on participation in SAPs. Goldstein, Kim 2006, Marcotte,<br />

Desroches, Poupart 2007.<br />

The role that students’ motivation and<br />

goals for studying abroad play in intercultural<br />

adaptation.<br />

Chirkov, Vansteenkiste, Tao,<br />

Lynch 2007, Chirkov, Safdar,<br />

Guzman, Playford 2008, Yang,<br />

Webster, Prosser 2011.<br />

Exh. 1: Overview recent studies on study abroad programs (SAPs). Source:<br />

Compiled by the authors.<br />

As illustrated in the table, a majority of the recent studies focuses<br />

on the cognitive and / or affective changes the participants<br />

go through during their time abroad, often by using<br />

measurement before and after the stay abroad. One of the<br />

main findings is for example that short-term study abroad has<br />

positive impact on students’ intercultural sensitivity (e.g.<br />

Cushner / Karim 2004, Anderson et al. 2006, Jackson 2008,<br />

Perdersen 2010) [3].<br />

Looking at study abroad programs, generally speaking „every<br />

program, no matter at what level, format, or focus, continues<br />

to claim that educational cross-cultural contact contributes to<br />

intercultural competence and thus to global citizenship”<br />

(Bennett 2009:2). Although the development of intercultural<br />

competence (as well as intercultural sensitivity / awareness,<br />

etc.) [4] is continuously emphasised and claimed, it is, however,<br />

questionable how these study abroad programs actually<br />

contribute to students’ intercultural competence development,<br />

and how the development of intercultural competence<br />

can be fostered. One of the most recent longitudinal research<br />

studies, conducted by Vande Berg / Connor-Linton / Paige<br />

(2009) has provided significant evidence on the positive effects<br />

of teachers’ / trainers’ pro-active interventions on intercultural<br />

learning. Taking these findings into account, it is consequently<br />

desirable to identify and apply specifically designed<br />

intervention techniques and strategies which facilitate the<br />

development of intercultural competence (Anderson et al.<br />

2006:467).<br />

This paper contributes to this aim by presenting the so-called<br />

„Asian Studies in Business and Economics (ASBE) program”<br />

of the University of Paderborn (Germany) as a best practice<br />

example of a comprehensive program that promotes the de-<br />

© Interculture Journal 2011 | 15 14


Dehmel / Li / Sloane: Intercultural competence development in higher education study abroad<br />

programs: A good practice example<br />

velopment of intercultural competence in higher education.<br />

The following parts provide background information and describe<br />

the program’s systematic and integrated design that<br />

builds on the re-conceptualisation and integration of selected<br />

pedagogical approaches.<br />

3. Defining the educational objective – intercultural<br />

competence<br />

The central objective of the ASBE program is to promote the<br />

development of intercultural competence of students, based<br />

on their short-term study abroad experience and on a comprehensive<br />

accompanying program before, during and after<br />

their stay abroad. The question what intercultural competence<br />

is, i.e. how it can be defined, is difficult, but needs to<br />

be addressed as the main starting point. Finding an accurate<br />

definition of intercultural competence as well as approaches<br />

to foster and assess it have always been essential concerns in<br />

the field of research on intercultural education and learning<br />

(Weidemann 2001, Bennett 2009, Bertelsmann Stiftung /<br />

Fondazione Cariplo 2009). For decades, similar worries on the<br />

lack of conceptual consensus have been echoed by researchers<br />

and trainers (for example by Koester / Wiseman / Sanders<br />

1994:3-7, Bradford et al. 1998:2, Lustig / Koester 2006:64).<br />

Due to this complexity, the present chapter only provides a<br />

very brief overview and outlines the definition that is used in<br />

the ASBE program. For a detailed discussion on intercultural<br />

competence and its conceptualisation as a teaching and<br />

learning objective see Li (2009).<br />

Although it is not possible to present a worldwide acknowledged<br />

and commonly agreed definition of intercultural competence<br />

[5], a distinguishing overlap among the various definitions<br />

can be found. From a first literature study on the concept<br />

of intercultural competence, it is derived that:<br />

Intercultural competence<br />

• comprises of affective, cognitive and behavioural aspects<br />

[6] (among others: Gudykunst / Ting-Toomey / Wiseman<br />

1991:276, Lustig / Koester 2006:69-71), which are interconnected<br />

and cannot be fully differentiated from each<br />

other for the purpose of learning and training,<br />

• is multi-dimensional and domain-general; (inter)cultural<br />

knowledge can be both culture-general and culturespecific<br />

(Hesse 2008:48, Lustig / Koester 2006:69),<br />

• consists – from an analytical perspective – of declarative,<br />

procedural and strategic knowledge as well as interactive<br />

and communicative components (Hesse 2008:48), and<br />

15 © Interculture Journal 2011 | 15


Dehmel / Li / Sloane: Intercultural competence development in higher education study abroad<br />

programs: A good practice example<br />

• its development is not linear, but complex and dynamic<br />

(ibid.) because culture is an interactive, ever-changing and<br />

dynamic entity of shared values, norms and ways of life.<br />

In the German discourse, the conceptualisation of intercultural<br />

competence is often placed under the comprehensive concept<br />

of „action competence” (Handlungskompetenz) (Rathje<br />

2007:258, see also Thomas 2003b:142, Bolten 2003:157).<br />

This concept can be tracked back to Heinrich Roth and has<br />

been developed further by Reetz (1984, 1999) and others<br />

(e.g. Sloane / Twardy / Buschfeld 2004). Action competence<br />

unfolds in three dimensions: the subject resp. domain (Fachkompetenz;<br />

this refers to competence related to the particular<br />

subject matter resp. domain), the individual (Personalkompetenz;<br />

this refers to competence related to the individual,<br />

e.g. self-reflection) and the group (Sozialkompetenz; this refers<br />

to competence related to the group, e.g. communicating<br />

with others). Referring to this concept of action competence,<br />

intercultural competence can be considered as not being a<br />

dimension of its own, but as being incorporated into the<br />

three dimensions. In situations that require intercultural competence,<br />

specific competences might be needed that relate to<br />

the subject resp. domain (e.g. to know about ways of making<br />

business in Asia), to the individual (e.g. to reflect upon one’s<br />

own cultural background and its effects on behaviour in certain<br />

situations) and the group (e.g. to work in intercultural<br />

groups).<br />

Taking a further look at other widely-used approaches to<br />

competence, a generic and in Germany commonly accepted<br />

definition by Weinert (2001:27) is: Competences are „cognitive<br />

abilities which are available for or can be learned by individuals<br />

to solve problems as well as the associated motivational,<br />

volitional and social willingness and abilities for taking<br />

successful and conscious advantage of problem solutions in<br />

varying situations.” [7] Weinert approaches the concept of<br />

competence from a cognitive perspective. In line with this<br />

definition, Brislin (1993:65-70) emphasises the importance of<br />

taking both personal and situational variables (factors) into<br />

consideration, because „behavior is a function of the person<br />

and the situation” (Brislin 1993:65). He argues further that,<br />

„to understand behavior, we must have extensive knowledge<br />

about the people, (e.g., their personalities, their attitudes,<br />

their values) and the situations in which they find themselves”<br />

(ibid.).<br />

Building on a critical engagement with these definitions (cf. Li<br />

2009), for the purpose of the ASBE program, intercultural<br />

competence is referred to as a mixture of abilities respectively<br />

the generic dispositions of an individual, who is able to interact<br />

with culturally different others and to behave in an ap-<br />

© Interculture Journal 2011 | 15 16


Dehmel / Li / Sloane: Intercultural competence development in higher education study abroad<br />

programs: A good practice example<br />

propriate, sensitive, reflective and effective manner in intercultural<br />

situations. This holistic understanding of intercultural<br />

competence is visualised in figure 2.<br />

Exh. 2: A holistic understanding of intercultural competence. Source:<br />

Adopted from Dilger (2009). [8]<br />

Based on this holistic understanding of intercultural competence,<br />

a specific pedagogical design comprising of a combination<br />

of various pedagogical approaches has been developed<br />

and implemented in the ASBE program in order to cope<br />

with the complexity of this educational objective. The following<br />

parts present the design of the ASBE program and explain<br />

how the specific learner-centered, experience- and reflectionbased<br />

pedagogical approaches have been selected, modified<br />

and implemented.<br />

4. The Asian Studies in Business and Economics (ASBE)<br />

program<br />

4.1 The ASBE program: A brief introduction [9]<br />

Internationalisation is one of the key strategies of the Faculty<br />

of Business Administration and Economics at the University of<br />

Paderborn (Faculty of Business Administration and Economics,<br />

University of Paderborn 2010:29ff.). The Faculty has developed<br />

a clear international profile. It has for example international<br />

partnerships and projects with more than 50 foreign<br />

partner universities and colleges worldwide and equips its<br />

students for the globalised world, e.g. by providing them<br />

with language skills, specialist knowledge on the international<br />

flow of goods and insights into the cultural sensitivities of<br />

foreign countries.<br />

17 © Interculture Journal 2011 | 15


Dehmel / Li / Sloane: Intercultural competence development in higher education study abroad<br />

programs: A good practice example<br />

The Asian Studies in Business and Economics program (ASBE)<br />

has been initiated in the context of the overall internationalisation<br />

strategy and was founded in 2005. It has been established<br />

within the German Academic Exchange Service (DAAD)<br />

program „International Study and Training Partnerships (IS-<br />

AP)” and still runs within this framework [10]. Since its im<br />

plementation, the ASBE program has been continuously de<br />

veloped and further i mproved [11]. The ASBE program is a<br />

selective study program at Master level with particular focus<br />

on Asia – a globally very relevant<br />

business region which still<br />

remains relatively unexplored from a European point of view.<br />

It is not only a study program for students, but does also provide<br />

a framework for research cooperation. The ASBE program<br />

builds on strong partnerships with three Asian Universities:<br />

The Beijing Institute of Technology in China, the EWHA<br />

Womans University in South-Korea (Seoul) and the Oita University<br />

in Japan.<br />

The ASBE study program is fully integrated into the Master of<br />

Science and Master of Arts programs of the Faculty of Business<br />

Administration and Economics, University of Paderborn<br />

[12]. Per academic year, the program offers places for 15<br />

German students and for an equal number of Asian students<br />

from the three partner universities [13]. The participants are<br />

selected in a competitive selection procedure and receive a<br />

generous scholarship from the DAAD. A main objective of the<br />

ASBE program is the promotion and development of intercultural<br />

competence. The participants spend a half-year study<br />

abroad stay at one of the three Asian partner universities and<br />

are – as outlined below – supervised and trained before, during<br />

and after their time in Asia, aiming at a systematic and<br />

progressive development of their intercultural competence.<br />

4.2 The structure and design of the ASBE program<br />

As cited by Graf (2004:209f.), although it is highlighted by<br />

some researchers (e.g. Hammer / Martin 1992, Pruegger /<br />

Rogers 1994) that short-term intercultural trainings are effective<br />

in building up cultural awareness and in changing individual<br />

attitudes towards other cultures, intercultural education<br />

and intercultural competence development has to be<br />

conceived as a long-lasting and continuous learning process<br />

that should ideally be designed over „a prolonged period”<br />

(Graf 2004:210). Therefore, the ASBE program has been designed<br />

as a comparatively long, comprehensive program. It<br />

consists of an intensive preparatory phase, a study abroad<br />

term and a follow-up phase. These three phases span over a<br />

total period of three university terms, expanding the possibility<br />

of fostering the development of intercultural competence<br />

© Interculture Journal 2011 | 15 18


Dehmel / Li / Sloane: Intercultural competence development in higher education study abroad<br />

programs: A good practice example<br />

to a greatest extent. The ASBE program structure is visualized<br />

in the figure 3 and is explained in some detail below.<br />

Exh. 3: Structure of the ASBE program. Source: Compiled by the authors.<br />

The program starts with a comprehensive one-term preparation<br />

phase at the University of Paderborn. This phase has several<br />

objectives: The students acquire basic knowledge of the<br />

language, of the culture, and of other characteristics (e.g. as<br />

regards history, politics or economics) of their Asian target<br />

country in particular and of the region Asia as a whole in<br />

general. Their international awareness and sensibility to other<br />

cultures, but also to their own culture, is raised. In order to<br />

reach these objectives, the students participate<br />

• in an exclusive three-week intensive language course at a<br />

special language institute, the renowned Landesspracheninstitut<br />

Bochum (LSI). The language skills can be further<br />

improved in weekly language courses offered by the<br />

Zentrum für Sprachlehre (ZfS, center for language learning)<br />

at the University of Paderborn. Furthermore, the students<br />

are encouraged to form language-tandems with<br />

Asian students.<br />

• in a weekly media und literature forum that builds on innovative<br />

ICT-technology such as weblogs and podcasting.<br />

The students read, review and discuss critically nonscientific<br />

literature on or of Asia (e.g. Japanese Mangas).<br />

The engagement with non-scientific literature allows approaching<br />

the foreign culture(s) from different angles and<br />

19 © Interculture Journal 2011 | 15


Dehmel / Li / Sloane: Intercultural competence development in higher education study abroad<br />

programs: A good practice example<br />

opens new perspectives. In addition to the work with literature,<br />

they produce innovative podcasts on current issues<br />

relevant to Asia. The literature-blog and the podcasts<br />

are accessible online [14].<br />

• in a workshop on intercultural communication and competence.<br />

In this workshop, the participants gain, amongst<br />

others, general awareness and understanding of cultural<br />

diversity in typical intercultural interactions.<br />

• in lectures and seminars which are held by experts on<br />

Asia, for example, by visiting guest lecturers from the<br />

Asian partner universities or by industry representatives.<br />

• in the presentation and discussion of the project work<br />

carried out by the students who participated in the ASBE<br />

program in the previous year.<br />

• in one-day country-specific workshops organised by the<br />

students who participated in the ASBE program in the<br />

previous year.<br />

During the second phase of the ASBE program, the students<br />

stay abroad at one of the three Asian partner universities and<br />

experience real-life in their host countries. During this phase,<br />

the students<br />

• take courses at their host university. They can choose<br />

from a broad range of English-speaking graduate courses<br />

in the fields of business, economics, management, business<br />

computing, human resource education, and other<br />

related areas. They improve their Japanese, Chinese or<br />

Korean language proficiency in language courses and can<br />

also participate in courses on the culture, history, etc. of<br />

the respective country. They have the chance to fully engage<br />

in the life at their host university, and to join for example<br />

sports or arts activities. In order to ease access and<br />

integration into the university life and the Asian society,<br />

each German student gets his / her own „buddy”, i.e. an<br />

Asian student who takes care of him / her.<br />

• carry out individual project work and write a project paper<br />

on a theme related to Asia. The students are free to<br />

select a topic according to their own interests and the<br />

fields of study they specialise in [15]. The work is super<br />

vised by respective professors of the University of Pader-<br />

born, very often in close co-operation<br />

with their colleagues<br />

from the Asian partner universities. Some of these<br />

projects have turned out to be solid foundations of the<br />

master degree paper, and let the participants continue<br />

their research work on Asia for an extended time.<br />

© Interculture Journal 2011 | 15 20


Dehmel / Li / Sloane: Intercultural competence development in higher education study abroad<br />

programs: A good practice example<br />

• carry out the tasks of the workshop on intercultural competence<br />

and communication (e.g. „cultural photography”,<br />

see below).<br />

• write personal reflective diaries which help them to reflect<br />

and document their own learning and development processes<br />

during their stays abroad. Guidance on writing<br />

these diaries is provided in phase 1.<br />

• can use the opportunity and prolong their stay in Asia for<br />

a certain amount of time to do internships. Internships<br />

have to be organised by the students themselves, but<br />

they do usually get help from the Asian host universities<br />

and their networks, as well as from networks with other<br />

institutions (e.g. the German Chambers of Industry and<br />

Commerce).<br />

During the third phase of the program, the students<br />

• present and discuss the research results of their individual<br />

project work. The presentations are open to staff and<br />

students of the Faculty who have an interest in Asian<br />

economics, business and management.<br />

• reflect on their experience and on their development processes,<br />

amongst others based on their reflective diaries.<br />

• organise one-day country-specific workshops with the<br />

aim of passing on their knowledge and experience to the<br />

next generation of ASBE students. They might join the<br />

ASBE alumni network and serve as tutors for the next<br />

generations.<br />

This brief overview of the three phases shows that the ASBE<br />

program is designed as a comprehensive program, which<br />

aims at fostering the development processes of its participants<br />

systematically and holistically. Parts of the pedagogical<br />

design that is used to foster the particular ASBE objective intercultural<br />

competence development are explained in some<br />

more detail below (part 4.4).<br />

4.3 The modularisation and accreditation system of<br />

the ASBE program<br />

The credit transfer of study outcomes acquired in study<br />

abroad programs has constantly been problematic (e.g. Engle<br />

/ Engle 2003:13, Asaoka / Yano 2009:183). Usually, it causes<br />

lots of work and efforts both for students and higher education<br />

staff, as the process normally requires the comparison of<br />

the contents and workloads of the courses studied by the individual<br />

student at the host university with those courses offered<br />

at the home university, trying to fit both together<br />

somehow. The credit points obtained from host universities<br />

21 © Interculture Journal 2011 | 15


Dehmel / Li / Sloane: Intercultural competence development in higher education study abroad<br />

programs: A good practice example<br />

are often not fully accredited at the home university or are<br />

sometimes even not accredited at all. Especially in certain degree<br />

programs such as business and economics or business<br />

information systems, courses with a linguistic, cultural or societal<br />

orientation can often not be properly acknowledged<br />

and accredited. If the major aim for most study abroad programs<br />

is to enhance awareness, sensibility and understanding<br />

of cultural differences and to promote the development of<br />

intercultural competence, it can, however, be argued that it is<br />

important to recognize and accredit not only pure subject<br />

courses, but also others which might foster this overall aim<br />

(for a similar line of argumentation see Cushner / Karim<br />

2004:297). The same applies to courses that prepare for the<br />

stay abroad and to those in the follow-up phase. They<br />

should, at least to a certain extent, be integrated into the<br />

regular study programs.<br />

A unique feature of the ASBE program is that all elements of<br />

the program are credit-bearing and are fully integrated into<br />

the Master of Science and Master of Arts programs of the<br />

Faculty of Business Administration and Economics, University<br />

of Paderborn. Not only the pure subject-related courses, but<br />

also the other learning activities carried out during the three<br />

phases of the ASBE program are acknowledged and accredited<br />

through four ASBE-modules (ASBE 1-4). Each ASBEmodule<br />

has a workload of 10 ECTS which equals 300 hours.<br />

The modules are shown in figure 3. The ASBE-module 1 includes<br />

all the activities outlined under phase 1 and the country-specific<br />

workshop. Particularly through this module, the<br />

teaching and learning of intercultural competence is supported<br />

directly in the curriculum. The ASBE-module 2 comprises<br />

of the individual project work. The ASBE-modules 3 and 4 are<br />

used to recognise and accredit the subject-related courses<br />

and the other courses (e.g. on culture) that participants have<br />

completed at the Asian partner universities. As the accreditation<br />

is based on a comprehensive learning agreement between<br />

the universities, no individual negotiations are needed.<br />

This design encourages and guarantees the comprehensive<br />

implementation of the ASBE program. It strengthens the<br />

recognition of the program within and outside the university,<br />

reflects the importance and value the Faculty gives to the<br />

program and does also serve as a crucial incentive and motivation<br />

for the participants.<br />

4.4 Developing intercultural competence in the ASBE<br />

program: An innovative pedagogical approach<br />

The promotion of intercultural competence is a challenging<br />

aim that calls for innovative approaches of teaching and<br />

learning. Therefore, an innovative, learner-centered pedagog-<br />

© Interculture Journal 2011 | 15 22


Dehmel / Li / Sloane: Intercultural competence development in higher education study abroad<br />

programs: A good practice example<br />

ical design that combines individual and co-operative learning<br />

and applies experiential and reflective learning methods as<br />

well as the critical incidents technique has been developed<br />

and implemented in the ASBE program. These methods have<br />

been chosen based on an intensive engagement with relevant<br />

literature, among them for example Graf (2004), whose research<br />

findings suggest that an experiential orientation supports<br />

the development of intercultural competence. The critical<br />

incidents technique has been widely used to analyse and<br />

explain intercultural interactions and frequently serves as an<br />

important foundation of compiling intercultural training material<br />

(e.g. Hiller 2009).<br />

The pedagogical design of the particular parts of the ASBE<br />

program that are described in the following is based on three<br />

main concepts: the experiential learning circle (Kolb 1984),<br />

reflective and experiential learning (Moon 1999, 2004) and<br />

the critical incident technique (Flanagan 1954). The following<br />

parts provide first a short, general description of these concepts<br />

and then explain how they have been adapted and<br />

combined for the purpose of the ASBE program. The main<br />

features of this design are illustrated in figure 4, which shows<br />

how experiential and reflective learning and the critical incidents<br />

technique are integrated in the ASBE program and how<br />

they are combined. This design spans over all three phases of<br />

the ASBE program and is an important part of the entire program,<br />

which does also consist of other elements that foster<br />

the development of intercultural competence (e.g. the media<br />

and literature forum, see above).<br />

Exh. 4: Sequencing of educational techniques in the ASBE program.<br />

Source: Compiled by the authors.<br />

23 © Interculture Journal 2011 | 15


Dehmel / Li / Sloane: Intercultural competence development in higher education study abroad<br />

programs: A good practice example<br />

4.4.1. Experiential and reflective learning<br />

In comparison with formal learning, the basic characteristics<br />

of experiential learning are: 1) it is considered mostly unstructured;<br />

2) the learning process starts directly with encounters,<br />

interactions and communications (not principles and concepts);<br />

3) it is more personal and individualised; 4) it may be<br />

acquired unconsciously and is usually more permanent (Moon<br />

2004:109). Studying abroad itself can be conceived as a valuable<br />

form of experiential learning (Hopkins 1999). However,<br />

experiential and reflective learning outcomes do not occur<br />

automatically, because having an experience does not equally<br />

mean learning from experience (Moon 2004:105) [16]. Alt-<br />

hough most of the study abroad programs are somehow<br />

based on the concept of experiential learning, students are<br />

often merely thrown into their target country and culture,<br />

without being provided with any adequate accompanying<br />

pedagogical measures that could help them to turn their experience<br />

more systematically into competence.<br />

Following the circle of experiential learning (Kolb 1984, Kolb /<br />

Lewis 1986) and a later version based on the interpretation<br />

and modification by Moon (1999, 2004), a number of phases<br />

that characterise an effective experiential and reflective learning<br />

process can be identified:<br />

• the having of the experience;<br />

• recognition of a need to resolve something;<br />

• clarification of the issue;<br />

• reviewing and recollecting (reflecting);<br />

• reviewing (reflecting) feelings / the emotional state;<br />

• processing of knowledge and ideas;<br />

• eventual resolution, possible transformation and action;<br />

• possible action (Moon 2004:115).<br />

The pedagogical design of the ASBE program builds on these<br />

phases and incorporates them. As described later in some<br />

more detail, the students’ individual experience, gathered in<br />

the form of reflective diaries, as well as concept papers and<br />

reflection reports, are systematically used for the development<br />

of intercultural competence. Students are guided to<br />

document their personal experience in individual reflective<br />

diaries during their stays abroad. After return, they share their<br />

experience and discuss their intercultural interactions, mostly<br />

in the form of critical incidents. Further explanations on the<br />

use of the reflective diaries and the critical incidents are given<br />

below (in 4.4.2 and 4.4.3).<br />

© Interculture Journal 2011 | 15 24


Dehmel / Li / Sloane: Intercultural competence development in higher education study abroad<br />

programs: A good practice example<br />

4.4.2. Critical incidents technique<br />

The concept of „critical incidents” was introduced and firstly<br />

applied in the field of cross-cultural psychology by the three<br />

American scholars Fred Fiedler, Terence Mitchell and Harry<br />

Triandis (1971, in Layes 2007:384). They conceived critical<br />

incidents as critical situations which are „conflictful, puzzling”<br />

(for Americans), and which are likely to be „misinterpreted”<br />

but „can be interpreted in a fairly unequivocal manner,<br />

given sufficient knowledge about the culture” (Fiedler et<br />

al. 1971:97 in Layes 2007:384). Later, their concept of critical<br />

incidents has been used as the basis for the so-called „culture<br />

assimilator” approach in intercultural training programs. It<br />

employs the critical incident approach and provides participants<br />

with various cross-cultural interactions and potential<br />

misunderstandings between individuals from different cultures.<br />

The participants are asked to choose from a range of<br />

alternative explanations for each incident. Each explanation<br />

represents a different attribution concerning the causes of<br />

behaviour. The participants are usually asked to explain the<br />

perceived problem from the perspectives of the counter partners’<br />

cultural view (Cushner / Brislin 1996:22ff.). The most<br />

well-known work in this field is „Intercultural interactions: a<br />

practical guide” by Cushner and Brislin (1994, 2000). In their<br />

work, critical incidents are collected, analysed, re-designed<br />

and explained by experts, and compiled in 18 thematic categories.<br />

In Germany, well-received work was done by Alexander<br />

Thomas, who was the first to introduce the concept of<br />

„kritische Interaktionssituationen” (critical situations of interactions,<br />

critical incidents) into the German context (1993, cf.<br />

Layes 2007:384) [17].<br />

In the framework of the ASBE program, the critical incident<br />

technique has been modified and adapted in order to meet<br />

the specific characteristics and aims of this particular program.<br />

As described below, the concept of critical incidents is<br />

used to investigate where and when misunderstandings, irritations,<br />

avoidance, conflicts or other difficulties occurred in<br />

the students’ daily encounters, and to systematically analyse<br />

and reflect upon them.<br />

4.4.3. The combined approach of the ASBE program<br />

In order to promote the development of intercultural competence<br />

in the ASBE program, the critical incidents technique<br />

and the ideas of experiential and reflective learning have<br />

been adapted and combined (see also fig. 4). They are integrated<br />

in the overall ASBE framework.<br />

As an important element of the workshop intercultural communication<br />

and competence in the first phase of the ASBE<br />

25 © Interculture Journal 2011 | 15


Dehmel / Li / Sloane: Intercultural competence development in higher education study abroad<br />

programs: A good practice example<br />

program, the students review selected extracts of reflective<br />

diaries from previous ASBE participants and distract „typical<br />

or problematic intercultural interactions” [18]. They discuss<br />

these realistic examples in groups, analyse the interactions<br />

with basic and extended theories on culture and communica-<br />

tion, and then re-design as well as re-write<br />

the encounters in<br />

the form of critical incidents. The students are guided and<br />

supported to critically analyse, understand and articulate the<br />

processes and problems in intercultural encounters, and to<br />

apply and reflect on previously acquired information regarding<br />

the target culture. In this process, they learn to discover<br />

social, cultural and personal differences and to explore patterns<br />

of culturally different behaviour [19].<br />

Later on, the students perform the critical incidents in the<br />

form of simulation exercises or role-plays in the plenary. The<br />

situations, i.e. the (re-)actions, emotions etc., are analysed<br />

and discussed together in depth. Personal attributes, social<br />

and cultural factors, as well as situational and procedural factors,<br />

are taken into consideration. Finally, the students are<br />

encouraged and supported to take the initiative and to develop<br />

strategies for finding their own solutions to the challenges<br />

posed by the intercultural encounters (Berry<br />

1999:312).<br />

Based on a reflection of the previous activities in the workshop,<br />

the students work again together in their initial, small<br />

groups on their critical incidents. In an encompassing concept<br />

paper, they refine the typical situations and problems, document<br />

and explain them based on culture and communication<br />

theories and develop suitable strategies to deal with the respective<br />

situations and problems. The objective of this cooperative<br />

work is to support students to learn how to understand<br />

and analyse typical intercultural situations critically<br />

based on culture and communication theories, to develop<br />

solutions and to generalise from critical incidents.<br />

Based on the experience in the ASBE program over the recent<br />

years, it could be observed that students are confronted with<br />

similar intercultural encounters or problems when they live<br />

and study in their respective host Asian country. Group work<br />

with Asian students is for example perceived as a very typical,<br />

often critical, situation. The concept papers might therefore<br />

also be used to provide future ASBE students with specific<br />

authentic examples of what to expect in their study abroad<br />

term and show possible solution strategies.<br />

In the second phase of the ASBE program, i.e. during their<br />

stay abroad in Asia, the students write their own personal<br />

reflective diaries. These diaries serve as an important instrument<br />

to help them to reflect upon and to document their<br />

© Interculture Journal 2011 | 15 26


Dehmel / Li / Sloane: Intercultural competence development in higher education study abroad<br />

programs: A good practice example<br />

learning and development processes. During their stay<br />

abroad, the students do also produce a group podcast „culture<br />

photography”. With the help of „culture photography”,<br />

students explore their intercultural experience in their study<br />

abroad period in depth and summarise, document and share<br />

their intercultural learning – in addition to their reflective diary<br />

– in an organised and systematic manner. Students are<br />

guided to take careful observations in their cross-cultural immersions<br />

and document their findings in photos and video<br />

pieces. Afterwards, they ought to turn their individual personal<br />

impressions into a collaborative group contribution, i.e.<br />

they produce an e-portfolio of their cultural experience.<br />

Based on the instructions of the Pop Culturosity Photography<br />

Guide [20], students do not only take records of a variety of<br />

objects in the target culture, ranging from buildings, food<br />

and clothing to citizens’ appearance in special events, but<br />

they also track their discovering journey of the target culture<br />

by gathering a full range of audio and visual data.<br />

In the third phase of the ASBE program, the individual reflective<br />

diaries as well as the group podcasts „culture photography”<br />

serve as a basis for further guided reflection.<br />

To sum up, with these assignments (the workshop concept<br />

and reflection papers, the group podcast „culture photography”<br />

and the personal reflective diaries), and with the respective<br />

accompanying measures, the students process and<br />

reflect their study abroad experiences – especially their intercultural<br />

encounters and their own intercultural competence<br />

development – in a continuous and systematic manner.<br />

Through this approach, the participants’ development of intercultural<br />

competence is fostered [21].<br />

4.5 The integrated framework of developing intercultural<br />

competence in the ASBE program<br />

By adopting and implementing the above-mentioned theoretical<br />

concepts and training techniques in the context of an entire<br />

teaching and learning process before, during and after<br />

the study abroad period, and by complementing them with<br />

other elements such as the literature and media forum or the<br />

guest seminars, the ASBE program provides an integrated<br />

framework for the students’ development of intercultural<br />

competence. With the learner-centred, experience-, situation-<br />

and reflection-oriented courses and assignments, the participants<br />

are offered a learning environment that helps them to<br />

process not only theories, but also their own experience. In<br />

the meantime, by bringing this pedagogical design into practice<br />

in the ASBE program, the conceptualisations and training<br />

techniques can be tested, expanded and further improved.<br />

27 © Interculture Journal 2011 | 15


Dehmel / Li / Sloane: Intercultural competence development in higher education study abroad<br />

programs: A good practice example<br />

5. Summary and prospects<br />

Study abroad programs at higher education level have increasingly<br />

been fostered over the last couple of years. A main<br />

reason for their rise is the growing awareness that higher education<br />

needs to prepare students for their live in a globalised<br />

world. Within this context, the development of students’ intercultural<br />

competence plays an important role and is often<br />

taken for granted with the mere implementation of study<br />

abroad programs. Research on intercultural competence development<br />

shows, however, that it is not as simple as that.<br />

Intercultural competence is considered to be best developed<br />

through organised training and counselling approaches on a<br />

holistic basis (Thomas 2003a:49f.). Most study abroad programs<br />

merely send students for a term abroad to partner universities,<br />

but do not provide comprehensive accompanying<br />

measures before, during and after the stay, and do not foster<br />

the development of intercultural competence systematically.<br />

Higher education institutions miss the opportunity to use the<br />

study abroad programs for the development of their students’<br />

intercultural competence. One of the reasons for this is<br />

the lack of adequate systematic and holistic pedagogical designs<br />

at higher education level.<br />

In this article, a best practice example of such a design – the<br />

ASBE program at the University of Paderborn – has been introduced<br />

and discussed. The ASBE program fosters the development<br />

of intercultural competence through a comprehensive,<br />

innovative pedagogical design, comprising of a preparation<br />

phase, the study abroad period and a follow-up phase.<br />

Based on a re-conceptualisation of the learning objective intercultural<br />

competence, the unique features of the ASBE program<br />

have been illustrated. A particular focus has been set on<br />

a specific part of the program that builds on an adoption and<br />

integration of experiential and reflective learning and the critical<br />

incidents technique.<br />

Due to its innovative design, the ASBE program has proven to<br />

be a sought-after and highly esteemed program. In order to<br />

maintain its high standards in the future, the program is subject<br />

to continuous evaluation and further improvement. <strong>Current</strong>ly,<br />

a multi-methodological evaluation design is being implemented<br />

with the objective of gathering more empirical<br />

evidence. Based on this work, we aim to further contribute to<br />

the development of approaches that foster the acquisition of<br />

intercultural competence at higher education level.<br />

© Interculture Journal 2011 | 15 28


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31 © Interculture Journal 2011 | 15


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33 © Interculture Journal 2011 | 15


Dehmel / Li / Sloane: Intercultural competence development in higher education study abroad<br />

programs: A good practice example<br />

[1] The Sorbonne Declaration of 1998 and the Bologna Declaration<br />

of 1999 have initiated the introduction of Bachelor’s /<br />

Master’s degrees and the introduction of a joint European<br />

credit transfer system (European Credit Transfer System, for<br />

short ECTS) in the higher education systems of EU Member<br />

States. This has to a large extent advocated the recognition of<br />

academic achievements gained while studying abroad and<br />

has thus promoted individual interest and freedom in participating<br />

in mobility programs (Altbach / Teichler 2001:13).<br />

[2] There is no clear definition of the expressions short-term<br />

and long-term stay abroad. According to the German Academic<br />

Exchange Service (DAAD), short-term usually refers to<br />

a duration of one week up to 3-4 months or one university<br />

term; long-term refers to a period of more than 6 months.<br />

[3] Intercultural sensitivity is usually measured by using the IDI<br />

(Intercultural Development Inventory) development score<br />

(Bennet / Bennet 2004). Intercultural adaptability is measured<br />

by the Cross-cultural Adaptability Inventory (Williams 2005).<br />

[4] The term intercultural competence is often used interchangeably<br />

with other terms such as intercultural communication<br />

competence or cross-cultural competence. Discussions<br />

of these concepts, as well as an extended array of labels, e.g.<br />

intercultural effectiveness, intercultural success, cross-cultural<br />

adjustment, cross-cultural adaptation, and so on can be<br />

found in Koester / Wiseman / Sanders (1994:5).<br />

[5] There are, however, developments to reach certain agreements.<br />

Deardorff presents for example a definition upon<br />

which leading US intercultural experts have reached consensus<br />

(Deardorff 2006, cit. in Bertelsmann Stiftung / Fondazione<br />

Cariplo 2008:3).<br />

[6] Many authors refer these aspects to three areas: motivation<br />

(affective aspect), knowledge (cognitive aspect) and skills (behavioural<br />

aspect) (Spitzberg / Cupach 1984:109ff., Gudykunst<br />

et al. 1991:276, Lustig / Koester 2006:69). Motivation relates<br />

to the affective or psychological status when encountering<br />

with someone from a different cultural background.<br />

Knowledge refers to the knowledge about cultural differences,<br />

for instance in the form of culture dimensions (Hofstede<br />

1980, Hall 1981, Trompenaars 1993) or culture standards<br />

(Thomas 1991). It determines for example whether you<br />

can accurately understand and interpret the meanings of<br />

messages in different cultural contexts or not. Skills are the<br />

abilities to actually perform the appropriate and effective behaviours<br />

in certain situations (Spitzberg / Cupach 1989:7).<br />

The knowledge, skills and attitudes that are necessary for<br />

© Interculture Journal 2011 | 15 34


Dehmel / Li / Sloane: Intercultural competence development in higher education study abroad<br />

programs: A good practice example<br />

successful intercultural encounters should be observed, discussed<br />

and practised (Lázár 2003).<br />

[7] English translation is adopted from the translated version in<br />

Weber 2005:49f. For a brief discussion and comparison of<br />

action competence and Weinert’s definition of competence<br />

see Sloane / Twardy / Buschfeld (2004:91ff.).<br />

[8] The figure is adopted from: Dilger (2009). Möglichkeiten<br />

der Diagnose im Unterricht – Alternative Verfahren zur<br />

Erfassung v. Kompetenzen. Arbeitstreffen der Graduiertenkollegs<br />

individuelle Förderung. Paderborn, 13.11.2009.<br />

[9] Detailed information about the ASBE program is available<br />

on: http://pbfb5www.uni-paderborn.de/www/fb5/WiWi-<br />

Web.nsf/id/ASBE_main.<br />

[10] For further information on the ISAP program see<br />

http://www.daad.de/hochschulen/kooperation/partnerschaft/i<br />

sap/05469.de.html. The continuous financial support from<br />

the DAAD – who is well-known for its high standards – is a<br />

proof for the very high quality of the ASBE program.<br />

[11] Key actors in this process were not only the present authors,<br />

but also Dr. Frederik G. Pferdt (previously University of<br />

Paderborn). The ASBE program has also been presented to<br />

and discussed with experts in this field, for example at the<br />

Asia-Europe Conference on Cultural Change and Economic<br />

Development, Beijing Institute of Technology, China (Dehmel<br />

/ Pferdt 2006). Such occasions provided not only valuable<br />

feedback, but did also confirm the high relevance of such a<br />

program.<br />

[12] The Faculty offers a Master of Arts in International Business<br />

Studies and Master of Sciences in Business Administration,<br />

in Business Information Systems, in Vocational Education<br />

and Business Studies and in International Economics.<br />

[13] In the ASBE program, the courses and accompanying<br />

measures that are provided for the German students differ to<br />

certain extents from the ones that are provided for the Asian<br />

exchange students. Due to the scope of this article, it will only<br />

deal with the provisions for the German students.<br />

[14] See: http://groups.uni-paderborn.de/wipaed/ASBE/. An<br />

example of a podcast is Sofilkanitsch, Koormann & Schulz<br />

(2010): The Korean conflict. Online: http://groups.unipaderborn.de/wipaed/ASBE/2010/07/07/podcast-the-koreanconflict/<br />

.<br />

[15] Project work has, for example, be conducted on: „The<br />

Banking System of China in Times of Economic Crisis”<br />

(Brauner 2010) or „Observations about the Yen carry trade<br />

35 © Interculture Journal 2011 | 15


Dehmel / Li / Sloane: Intercultural competence development in higher education study abroad<br />

programs: A good practice example<br />

phenomenon and its effects on the stability of global financial<br />

markets” (Bracke 2008).<br />

[16] A detailed comparison and discussion of „experiential<br />

learning” and „learning from experience” can be found in<br />

Moon (1999:104ff.).<br />

[17] Thomas and his colleagues use problematic experience<br />

and intercultural interactions of business persons, visiting<br />

scholars and students in foreign cultures; they analyse and<br />

document them systematically and use them as a basis for<br />

training (Thomas 1993, 1996; Thomas / Schenk 1996).<br />

[18] Typical and problematic situations have a double meaning<br />

in the didactic context and in the application of the critical<br />

incidents technique. Sloane / Twardy / Buschfeld argue similarly<br />

regarding typical (professional) situations; for further information<br />

see Sloane / Twardy / Buschfeld (2004:116).<br />

[19] In this context, it can be referred to Lucas, who emphasises:<br />

„The model (of experiential learning) is especially useful in<br />

the study abroad context because experience in the host culture<br />

becomes a heuristic for discovering differences and exploring<br />

patterns of culturally different behaviour” (Lucas<br />

2003:305).<br />

[20]<br />

Online available from: http://www.culturosity.com/pdfs/<br />

Photography%20Guide.pdf.<br />

[21] In this context, it can again be referred to Moon who emphasises:<br />

„[…] experience must be processed in order that<br />

knowledge can result from it.” (2004:113).<br />

© Interculture Journal 2011 | 15 36


Gibt<br />

Please es<br />

insert Lernstile,<br />

the the die<br />

title title of of<br />

kulturspezifisch<br />

your article here sind?<br />

Eine interkulturelle Annährung<br />

an das Lernstilkonzept<br />

anhand einer<br />

vergleichenden Untersu-<br />

First First name Surname<br />

chung am Beispiel deut-<br />

Please scher Please insert insert und information information chinesischer about about<br />

the the author author here here (e.g. (e.g. title, title, posiposi- Studenten<br />

tion,tion, institution) institution)<br />

[Are there culture-specific<br />

learning styles? An intercultural<br />

approach to the learning<br />

style concept based on<br />

a comparative study of<br />

German and Chinese students]<br />

Xun Luo, M.A.<br />

Wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />

Universität Jena, FG Interkulturelle<br />

Wirtschaftskommunikation<br />

Sebastian Kück<br />

Universität Jena, FG Interkulturelle<br />

Wirtschaftskommunikation<br />

Luo / Kück: Gibt es Lernstile, die kulturspezifisch sind? Eine interkulturelle Annährung an das<br />

Lernstilkonzept anhand einer vergleichenden Untersuchung am Beispiel deutscher und chinesischer<br />

Studenten<br />

Abstract [English]<br />

Due to the focus on the individual differences of the learning<br />

behavior, the concept of learning styles has not only been<br />

used within conventional educational fields. It has also been<br />

applied in the intercultural learning settings. However, most<br />

of the established approaches, which are shaped by their psychological<br />

views, are developed in a culture-free paradigm.<br />

That is the reason why cultural specificity is insufficiently considered<br />

as an influencing factor concerning the learning behavior.<br />

Therefore, the implementation of classical approaches<br />

of learning styles within the intercultural context is stretched<br />

to its limits. Thus, this study aims to address the question to<br />

what extent learning styles could be conceptualized based on<br />

the cultural specificity. By examining a German and Chinese<br />

study group, it is discussed in what way their learning behavior<br />

differs from each other and if it can be conceptualized in a<br />

culture-specific way.<br />

Keywords: learning styles, cultural specificity, German and<br />

Chinese students<br />

Abstract [Deutsch]<br />

Wegen seiner Beschäftigung mit den individuellen Unterschieden<br />

des Lernverhaltens findet das Lernstilkonzept in der<br />

vergangenen Zeit nicht nur in den herkömmlichen pädagogischen<br />

Bereichen, sondern zunehmend auch im interkulturellen<br />

Lehr-Lern-Kontext Anwendungen. Allerdings sind die<br />

meisten etablierten Ansätze, wohl geprägt durch ihre psychologische<br />

Herkunft, in einem kulturfreien Paradigma entwickelt<br />

worden, in dem Kulturspezifik als Einflussfaktor des Lernverhaltens<br />

selten in Frage kommt. Damit ist die Anwendung<br />

klassischer Lernstilansätze im interkulturellen Kontext an ihre<br />

Grenze gestoßen. In Anknüpfung an diese Diskussion geht<br />

die vorliegende Arbeit der Frage nach, inwiefern Lernstile<br />

aufgrund der Kulturspezifik zu beschreiben sind. Am Beispiel<br />

einer deutschen und einer chinesischen Studentengruppe<br />

wird in dieser Arbeit diskutiert, inwiefern sich ihr Lernverhalten<br />

voneinander unterscheidet und inwiefern ihr Lernverhalten<br />

jeweils kulturspezifisch zu charakterisieren ist.<br />

Stichworte: Lernstile, Kulturspezifik, deutsch-chinesische Studenten<br />

1. Einleitung<br />

Als eines der wichtigsten Konstrukte, die Unterschiede individuellen<br />

Lernverhaltens beschreiben, ist Lernstil, sowohl in der<br />

37 © Interculture Journal 2011 | 15


Luo / Kück: Gibt es Lernstile, die kulturspezifisch sind? Eine interkulturelle Annährung an das<br />

Lernstilkonzept anhand einer vergleichenden Untersuchung am Beispiel deutscher und chinesischer<br />

Studenten<br />

theoretischen Diskussion als auch in der praktischen Anwendung,<br />

in den letzten vier Jahrzehnten vielfältigen Entwicklungen<br />

ausgesetzt gewesen, so dass ein breites Spektrum an Ansätzen,<br />

Modellen und Instrumenten vorliegt, die keineswegs<br />

ein einheitliches Bild vermitteln können (Sternberg / Grigorenko<br />

2001, Coffield et al. 2004). Trotzdem beschränken sich<br />

die Diskussionen, wohl geprägt von den angelsächsischen<br />

Forschungstraditionen – unter anderem in der kognitiven Psychologie<br />

– häufig auf die Suche nach universalen und kulturunabhängigen<br />

Aspekten der Kognition (Bender / Beller<br />

2011:1).<br />

Durch diese Prägung werden Lernstile häufig anhand der<br />

kognitiven Fähigkeiten (Messick 1984, Riding 2001), Persönlichkeitsmerkmale<br />

(Myers / McCaully 1998) der Individuen<br />

bzw. ihrer Zuneigung zu bestimmten Lernstrategien (Marton /<br />

Säljö 1976, Pask 1976, Entwistle / McCune 2004) erfasst. Ziel<br />

dabei ist, die individuellen Unterschiede des Lernverhaltens<br />

nicht als die der persönlichen Kompetenzen, sondern als die<br />

der Art und Weise, welche Individuen bei Lernprozessen aufweisen,<br />

anzuerkennen und durch didaktische Anpassung an<br />

die Lernstile den individuellen Lernerfolg zu fördern (Coffield<br />

et al. 2004).<br />

Mit der zunehmenden Internationalisierung des Lernkontextes,<br />

insbesondere der Bildungsinstitutionen, in denen zunehmend<br />

interkulturelle Begegnungen stattfinden, sind Diskussionen<br />

über die kulturelle Prägung von Lernstilen in den vergangenen<br />

Jahren ins Blickfeld gerückt (Watkins / Biggs 1996,<br />

Barmeyer 2000, Naraghi Zadeh 2004, Joy / Kolb 2009). Das<br />

zentrale Interesse besteht darin, zu ermitteln, inwiefern Kultur<br />

bzw. kulturelle Hintergründe Einfluss auf die Lernstile einzelner<br />

Lerner nehmen. Dies regt weitergehend zum Nachdenken<br />

an, ob es Lernstile gibt, die – statt individueller Lernunterschiede<br />

– kulturspezifische Unterschiede des Lernverhaltens<br />

von Gruppen mit demselben kulturellen Hintergrund beschreiben.<br />

Trotz der Grundüberlegung bei einigen Lernstilkonzepten,<br />

dass die vorangehenden Lernerfahrungen (Biggs 1985, 2001,<br />

Kolb 1984), der Lernkontext (Dunn 1990, 2003) bzw. die didaktische<br />

Sozialisation (Haller 1997) den Lernstilen von Individuen<br />

zugrunde liegen, liegt bisher noch wenige Literatur vor,<br />

die Lernstile eher aufgrund ihrer Kulturspezifik – wie es hier<br />

angestrebt wird – beschreibt und unterscheidet, auch wenn<br />

man sich gern davon überzeugen ließe. In diesem Zusammenhang<br />

versteht sich die vorliegende Arbeit als einen solchen<br />

Versuch, der durch einen Vergleich des Lernverhaltens<br />

bzw. -verständnisses zwischen einer deutschen und einer chinesischen<br />

Studentengruppe ihre Lernstile empirisch erschließen<br />

möchte. Dies ist verbunden mit folgenden zentralen Fra-<br />

© Interculture Journal 2011 | 15 38


Luo / Kück: Gibt es Lernstile, die kulturspezifisch sind? Eine interkulturelle Annährung an das<br />

Lernstilkonzept anhand einer vergleichenden Untersuchung am Beispiel deutscher und chinesischer<br />

Studenten<br />

gen wie auch mit gewissem explorativen und experimentellen<br />

Charakter:<br />

1. Wie fassen deutsche und chinesische Studenten das<br />

Lernen auf?<br />

2. Wie sieht das Lernverhalten deutscher und chinesischer<br />

Studenten jeweils aus?<br />

3. Inwiefern unterscheidet sich ihr Lernverhalten?<br />

4. Inwiefern ist ihr Lernverhalten jeweils kulturspezifisch<br />

zu charakterisieren?<br />

Diesem Erkenntnisinteresse zufolge wurde im Rahmen des<br />

Seminars zum Thema „Lernstile im interkulturellen Lernen am<br />

Beispiel Deutschland und China“ am Fachgebiet Interkulturelle<br />

Wirtschaftskommunikation der Universität Jena ein Projekt<br />

ins Leben gerufen. Um dieser interkulturellen Fragestellung<br />

gerecht zu werden, setzt sich die Projektgruppe 1 entsprechend<br />

aus deutschen und chinesischen Studenten zusammen,<br />

in denen sowohl Perspektive des Forschers als auch der Erforschten<br />

integriert sind.<br />

2. Methodisches Vorgehen<br />

Da einerseits Lernen als Metakompetenz verstanden werden<br />

kann, deren Erkenntnis ein höheres Maß an Reflexivität der<br />

Handlungssubjekte voraussetzt, andererseits diese explorative<br />

Studie auf die Erschließung möglichst breitgestreuter und relevanter<br />

Information über das Lernverhalten deutscher und<br />

chinesischer Studenten ausgerichtet ist, wendet sich diese<br />

Arbeit den qualitativen Forschungsmethoden zu, die sich<br />

prinzipiell durch ihre Offenheit, Reflexivität und kommunikativen<br />

Charakter auszeichnen (Lamnek 2010:10).<br />

Über die Beschreibung des Lernverhaltens hinaus spielt die<br />

gegenseitige Wahrnehmung des Lernverhaltens beider Gruppen<br />

für unseren Forschungszweck auch eine wichtige Rolle,<br />

vor allem hinsichtlich dessen, wie sie in unterschiedlichen<br />

Kontexten miteinander kommunizieren oder interkulturelle<br />

Zusammenarbeit gestalten, da ihre Lernstile häufig nicht von<br />

sich selbst, sondern von dem Gegenüber konstruiert werden.<br />

Um das kollektive Bild zu erfassen, stützt sich die Erhebungsmethode<br />

dieser Studie demnach auf das episodische Interview<br />

(Flick 1995, Lamnek 2010:331), dem ein Leitfaden zugrunde<br />

liegen soll. Nach Flick verbindet das episodische Interview<br />

die Vorteile des narrativen mit denen der leitfadenorientierten<br />

Interviews, indem nicht nur das narrativ-episodische<br />

Wissen vermittelt, sondern auch reflexives Wissen erfasst wird<br />

(Lamnek 2010:331). Erreicht wird damit die Chance des Vergleichs,<br />

denn bei den Fragestellungen, in denen diese Inter-<br />

39 © Interculture Journal 2011 | 15


Luo / Kück: Gibt es Lernstile, die kulturspezifisch sind? Eine interkulturelle Annährung an das<br />

Lernstilkonzept anhand einer vergleichenden Untersuchung am Beispiel deutscher und chinesischer<br />

Studenten<br />

viewform vornehmlich verwendet wird, geht es um gruppenspezifische<br />

Unterschiedlichkeiten in Bezug auf Erfahrungswissen<br />

(Flick 1995, Lamnek 2010:332). Um die Darstellung des<br />

Erfahrungswissens zu erleichtern, werden die Interviews je<br />

nach der Zielgruppe nur in der Muttersprache durchgeführt.<br />

Auf dieser Basis erfolgt weitergehend die Auswertung des<br />

Materials aufgrund einer Kombination von der qualitativen<br />

Inhaltsanalyse (Mayring 2010) und dem thematischen Kodieren<br />

(Flick 2010). Dieses Verfahren wird von einer Peergruppe<br />

von Muttersprachlern jeweils in Deutsch und Chinesisch<br />

durchgeführt und zugunsten des Gruppenvergleichs schließlich<br />

in Deutsch präsentiert.<br />

2.1 Zielgruppenbestimmung<br />

Nach einer Voruntersuchung, die zur Verbesserung des Interviewleitfadens<br />

durchgeführt wurde, wurden jeweils 15 deutsche<br />

und chinesische Studenten an der Universität Jena in der<br />

Hauptuntersuchung interviewt. Die Auswahl der Probanden<br />

erfolgte unter Berücksichtigung von Aspekten wie Geschlecht,<br />

Alter, Studienfach und Abschluss, die – wie es in<br />

vielen Studien der Lernstilforschung der Fall war – als demographische<br />

Variablen häufig Lernverhalten wie auch Lernverständnis<br />

beeinflussen. Darüber hinaus wurden Auswahlkriterien<br />

wie Herkunft und Auslandserfahrung (über 3 Monate)<br />

einbezogen, um einerseits die maximale Variation als Repräsentativitätsprinzip<br />

zu ermöglichen und andererseits eventuell<br />

Befunde für eine mögliche Änderung des Lernverhaltens über<br />

Kulturen – insbesondere in der chinesischen Gruppe – zu erkunden.<br />

Allen diesen Kriterien zufolge setzt sich die Zielgruppe<br />

wie folgt zusammen:<br />

Abb. 1: Übersicht deutscher Probanden. Quelle: Eigene Darstellung.<br />

© Interculture Journal 2011 | 15 40


Luo / Kück: Gibt es Lernstile, die kulturspezifisch sind? Eine interkulturelle Annährung an das<br />

Lernstilkonzept anhand einer vergleichenden Untersuchung am Beispiel deutscher und chinesischer<br />

Studenten<br />

Abb. 2: Übersicht chinesischer Probanden. Quelle: Eigene Darstellung.<br />

Anzumerken ist, dass der Anteil der weiblichen Probanden (7<br />

von 15) in der deutschen Gruppe bei ca. 46,7% liegt, ein<br />

wenig höher als der in der chinesischen Gruppe (40%). Hinsichtlich<br />

des Alters sind die chinesischen Befragten im Durchschnitt<br />

1,5 Jahre älter (24,3 zu 22,8). Dies ist darauf zurückzuführen,<br />

dass sie mindestens 1-2 Jahre in Deutschland,<br />

wenn nicht schon vorher im Heimatland Deutsch gelernt und<br />

studiert haben, noch Sprachkurse besuchen müssen, um<br />

überhaupt in Deutschland studieren zu dürfen. Nicht zuletzt<br />

spiegelt das Studienfach beider Gruppen ein breites Spektrum<br />

wider, auch wenn naturwissenschaftliche Fächer in der deutschen<br />

Gruppe weniger vertreten sind. Beide Gruppen zeichnen<br />

sich durch eine Vielfalt an Abschlüssen und Herkunft aus.<br />

Trotz der unterschiedlichen Auslandserfahrung bei den deutschen<br />

Probanden, die ihr Lernverhalten nicht unbedingt spürbar<br />

geprägt hat, sollten die längeren Aufenthalte chinesischer<br />

Studenten in Deutschland doch schon diese Ausprägung<br />

nachweisen können (vgl. Abb. 12, Abb. 15).<br />

2.2 Datenerhebung<br />

In Anlehnung an das episodische Interview wird ein Interviewleitfaden<br />

für die Datenerhebung entwickelt, der sich auf folgende<br />

sechs Themenbereiche konzentriert: Lernverständnis,<br />

Lernmotivation, Lernumfeld, Lerngewohnheiten, Lerninhalt<br />

sowie gegenseitige Wahrnehmung von Lernverhalten zwischen<br />

deutschen und chinesischen Studenten. Diese Themenbereiche<br />

stellen den Bezugsrahmen für den untersuchten<br />

Gegenstand dar, anhand dessen das Lernverhalten beider<br />

Gruppen verglichen wird. Zwar steht das Lernverhalten im<br />

Mittelpunkt des Erkenntnisinteresses, soll die Ermittlung des<br />

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Luo / Kück: Gibt es Lernstile, die kulturspezifisch sind? Eine interkulturelle Annährung an das<br />

Lernstilkonzept anhand einer vergleichenden Untersuchung am Beispiel deutscher und chinesischer<br />

Studenten<br />

Lernverständnisses dazu beitragen, das Lernverhalten der<br />

Studenten besser zu verstehen bzw. adäquater zu interpretieren.<br />

Die Befragung der gegenseitigen Wahrnehmung von<br />

Lernverhalten geht von einer interkulturellen Perspektive aus,<br />

mit dem Ziel, das Lernverhalten nicht nur aus Eigenperspektive<br />

sondern auch aus Fremdperspektive – also hier im deutschchinesischen<br />

Kontext – zu manifestieren. Dafür soll die interkulturelle<br />

Annäherung an das Lernstilkonzept für interkulturelle<br />

<strong>Kommunikation</strong> von besonderer Bedeutung sein. Um die<br />

Kulturspezifik des Lernverhaltens besser zu erfassen, wurde<br />

die Befragung von beiden Gruppen in ihrer Muttersprache –<br />

also jeweils in Deutsch oder Chinesisch – durchgeführt. Allerdings<br />

wurde der Leitfaden nicht von einer Sprache in die andere<br />

Sprache eins zu eins übersetzt, sondern in Gruppendiskussionen<br />

von deutschen und chinesischen Mitgliedern der<br />

Forschungsgruppe ausgearbeitet, damit das Forschungsziel in<br />

beiden Versionen miteinander übereinstimmt.<br />

Abb. 3: Interviewleitfaden (Deutsch). Quelle: Eigene Darstellung.<br />

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Lernstilkonzept anhand einer vergleichenden Untersuchung am Beispiel deutscher und chinesischer<br />

Studenten<br />

Abb. 4: Interviewleitfaden (Chinesisch). Quelle: Eigene Darstellung.<br />

Diese sechs Themenbereiche umfassen sechs damit zusammenhängende<br />

Fragenkomplexe, die durch Zwischenfragen<br />

und situationsgemäß auch Nachfragen ergänzt werden. Es<br />

wurden nicht nur zielgerichtete Fragen nach dem Lernverhalten<br />

gestellt, sondern auch Erzählungsspielräume – hinsichtlich<br />

des Beschreibens und Begründens – eingeräumt, um triangulative<br />

Erkenntnisse aus Narration und Befragung zu gewinnen<br />

(Lamnek 2010:332). Die Reihenfolge der Fragen und ihre<br />

Formulierungen sind auch einem Pre-Test unterzogen, um<br />

diese einerseits möglichst offen zu halten und andererseits<br />

unvoreingenommene und wahrheitsgemäße Antworten zu<br />

ermöglichen. Anzumerken ist, dass sich die Dimension der<br />

Lerngewohnheiten wegen ihres breiten Inhaltsspektrums<br />

noch in weiteren Nachfragen unterteilt hat, die sich auf<br />

Lernmethoden, Dozenten-Studenten-Beziehungen, Problemlösen<br />

beim Lernen, selbstständiges Lernen, Lernen in Gruppen<br />

bzw. Änderung des Lernverhaltens beziehen. Alle 30 Interviews,<br />

die von 10 bis 40 Minuten dauerten, wurden mit<br />

Diktiergeräten aufgezeichnet und in Interviewprotokolle<br />

transkribiert.<br />

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Luo / Kück: Gibt es Lernstile, die kulturspezifisch sind? Eine interkulturelle Annährung an das<br />

Lernstilkonzept anhand einer vergleichenden Untersuchung am Beispiel deutscher und chinesischer<br />

Studenten<br />

2.3 Datenauswertung<br />

Die Auswertung orientiert sich nach der Beschreibung des<br />

routinierten Lernverhaltens, der Erfassung vom Lernverständnis<br />

bzw. von der gegenseitigen Wahrnehmung des Lernverhaltens.<br />

Die ausgewählte Auswertungsstrategie stützt sich<br />

auf einer Kombination von der (qualitativ) zusammenfassenden<br />

Inhaltsanalyse (Mayring 2010:67) und dem thematischen<br />

Kodieren (Flick 2010) zugunsten der realitätsnahen Gegenstandsrekonstruktion<br />

wie auch deren Gruppenvergleichs.<br />

In der ersten Phase wurden in einer 2er-Gruppe durch Paraphrasierung<br />

der inhaltstragenden Textstellen – jeweils in<br />

Deutsch und Chinesisch – in einzelnen Interviewprotokollen<br />

Kategorien gebildet, die eher auf einem niedrigen Abstraktionsniveau<br />

stehen mit besonderer Berücksichtigung auf die<br />

Aussagenvielfalt. Anschließend erfolgte eine Reduktion der<br />

Information durch Selektion, Bündelung, Konstruktion und<br />

Integration von Paraphrasen, wo Kategorien aufsteigend abstrahiert<br />

bzw. in Rückkopplungsschleifen überarbeitet und flexibel<br />

an das Material angepasst wurden (Mayring 2010:69).<br />

Als letztes wurden alle Kategorien je nach Ausgangssprache<br />

in einer Übersichtstabelle zusammengestellt und am Ausgangsmaterial<br />

rücküberprüft. Aus der Tatsache, dass die in<br />

beiden Sprachen erstellten Kategoriensysteme – abgesehen<br />

von den Übersetzungsschwierigkeiten – nicht zwangsläufig<br />

vergleichbar sind, resultiert das thematische Kodieren als<br />

zweite Auswertungstechnik, die Flick aufgrund des Verfahrens<br />

von Strauß für vergleichende Studien entwickelt hat, mit<br />

der Begründung: „[...] to develop a theory of such group´s<br />

specific ways of seeing and experiencing, it is necessary to<br />

modify some details of Strauss´s procedure in order to increase<br />

the comparability of the empirical material“ (Flick<br />

2010:318).<br />

Das erhobene Material wurde aufgrund der einzelnen Interviewfragen<br />

bzw. damit zusammenhängenden Themenbereiche<br />

ausgewertet. Trotz ihrer Vorbestimmtheit soll das Verfahren<br />

dem Prinzip der induktiven Kategorienbildung bzw. der<br />

Offenheit nicht widersprechen, da diese Themenbereiche wie<br />

auch die Interviewfragen hinreichenden Spielraum eingeräumt<br />

haben, um die Einstellungen und Handlungen der Befragten<br />

zu rekonstruieren. Gemäß dem thematischen Codieren<br />

wurde innerhalb jedes Themenbereichs quer durch zwei<br />

sprachbedingte Kategoriensysteme die thematische Struktur –<br />

also die Struktur der Kategorien – in einer Peergruppe mit<br />

beiden kulturellen Hintergründen herausgefiltert, indem eine<br />

konsensuelle Lösung für die Konstruktion, Zuordnung und<br />

Übersetzung der Kategorien auf einer vergleichbaren Basis in<br />

ausführlicher Diskussion ausgehandelt wird (Flick et al. 2010,<br />

Mayring 2010). Ziel dabei ist, die Vergleichbarkeit zu schaffen<br />

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Luo / Kück: Gibt es Lernstile, die kulturspezifisch sind? Eine interkulturelle Annährung an das<br />

Lernstilkonzept anhand einer vergleichenden Untersuchung am Beispiel deutscher und chinesischer<br />

Studenten<br />

ohne die Kulturspezifik auszublenden. Als Folge, wie es nachstehendend<br />

präsentiert wird, kann die thematische Struktur<br />

der Vergleichsgruppen in einem oder anderen Themenfeld<br />

gegebenenfalls voneinander abweichen.<br />

Im Folgenden werden die Auswertungsergebnisse tabellarisch<br />

und vergleichend dargestellt, die insgesamt sechs Dimensionen<br />

(Lernverständnis, Lernmotivation, Lernumfeld, Lerngewohnheiten,<br />

Lerninhalt, gegenseitige Wahrnehmung von<br />

Lernverhalten) und zehn Interviewfragen umfassen. Dem Verstehen<br />

und Interpretieren zuliebe werden sowohl Kategorien<br />

als auch Indikatoren angegeben, die vor allem auf Kulturspezifik<br />

hinweisen.<br />

In der ersten Dimension handelt es sich um die Ermittlung des<br />

Lernverständnisses durch die Fragen nach der Bedeutung<br />

bzw. den wichtigen Komponenten des Lernens für die einzelnen<br />

Befragten. Auch wenn beide Gruppen dem Lernen große<br />

Bedeutung beigemessen haben, ist allerdings auffällig, dass<br />

deutsche Studenten eher von dem Lernen an sich ausgegangen<br />

sind und es sachlich aufgefasst haben, während sich chinesische<br />

Probanden mehr von den sozialen Funktionen des<br />

Lernens bewusst sind. Für sie bedeutet das Lernen weniger<br />

Wissen, Interesse oder Sozialkompetenz als Gegenstände<br />

desselben, als vielmehr persönliche Entwicklung, berufliche<br />

Qualifikation, Selbstverwirklichung, die als Zweck durch das<br />

Lernen erreicht werden können.<br />

Abb. 5: Dimension 1: Lernverständnis I. Quelle: Eigene Darstellung.<br />

Trotz der Offenheit der Fragen sind hinsichtlich der wichtigen<br />

Komponenten für das Lernen statt Unterschiede eher Gemeinsamkeiten<br />

festzuhalten, die sich unter anderem auf die<br />

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Luo / Kück: Gibt es Lernstile, die kulturspezifisch sind? Eine interkulturelle Annährung an das<br />

Lernstilkonzept anhand einer vergleichenden Untersuchung am Beispiel deutscher und chinesischer<br />

Studenten<br />

Kategorien wie Lernatmosphäre und -organisation, Motivation,<br />

Art und Weise des Lernens, Lernziel – für die chinesische<br />

Gruppe noch Lerninhalt – beziehen, was in einem sehr ähnlichen<br />

Verhältnis zu den vorbestimmten Themenbereichen<br />

steht. Dies soll darauf hinweisen, dass die theoretische Vorüberlegung<br />

zur Erfassung des Lernverhaltens der Zielgruppe<br />

mit der rekonstruierten Wirklichkeit gut übereinstimmt und<br />

sich dadurch rechtfertigen konnte.<br />

Abb. 6: Dimension 1: Lernverständnis II. Quelle: Eigene Darstellung.<br />

Mit dieser Tabelle soll man einen ersten Überblick gewinnen<br />

können, was themenmäßig zu dem Gegenstand ins Blickfeld<br />

fallen könnte. Bei der chinesischen Gruppe wurde der Daoshi<br />

(Meister/Betreuer/Dozent) – oft zuständig für die Lernorganisation<br />

im chinesischen Lernkontext – besonders hervorgehoben.<br />

Nicht zuletzt sind Lerninhalte wie fachbezogene Theorien<br />

und Methoden sowie ihre Anwendung explizit zur Sprache<br />

gekommen, was für die deutsche Gruppe nicht der Fall<br />

war. Darüber hinaus hat ein chinesischer Student auffallend<br />

den Beitrag zur menschlichen Gesellschaft zu seinem Lernziel<br />

gemacht, was eventuell ideologisch zu interpretieren scheint.<br />

Während Lernmethoden und -techniken bei den deutschen<br />

Befragten als wichtig empfunden wurden, spielte die Lernmoral<br />

wie Fleiß und Engagement bei der chinesischen Gruppe<br />

offenbar eine wichtigere Rolle. Als Antwort auf die erste<br />

Zentralfrage in Bezug auf das Lernverständnis lässt sich festhalten,<br />

dass die chinesischen Studenten wegen der stärkeren<br />

sozialen Orientierung zielbewusster mit dem Lernen umge-<br />

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Luo / Kück: Gibt es Lernstile, die kulturspezifisch sind? Eine interkulturelle Annährung an das<br />

Lernstilkonzept anhand einer vergleichenden Untersuchung am Beispiel deutscher und chinesischer<br />

Studenten<br />

hen, auch wenn das mehr Pflicht als Interesse, mehr moralisch<br />

als fachlich bedeuten könnte, während deutsche Studenten<br />

mehr sachlich und individuell das Lernen auffassen.<br />

Abb. 7: Dimension 2: Lernmotivation. Quelle: Eigene Darstellung.<br />

In der zweiten Dimension hinsichtlich der Lernmotivation sind<br />

Gemeinsamkeiten zwischen deutschen und chinesischen Befragten<br />

genauso evident. Beide Gruppen sehen ihre Lernmotivation<br />

insbesondere in den Bereichen Studienabschluss, berufliche<br />

Qualifikation, persönliche Entwicklung und Selbstverwirklichung.<br />

Trotzdem scheint die chinesische Gruppe vielfältiger<br />

motiviert zu sein, indem „Interesse“ und „Selbstbefriedigung“<br />

weitergehend ergänzt werden. Fraglich ist allerdings<br />

– vor allem gängigen Stereotypen zufolge – ob und inwiefern<br />

chinesische Studenten tatsächlich aus Interesse lernen,<br />

ob das nur den Soll-Stand aber nicht den Ist-Stand zum<br />

Ausdruck gebracht hat. Es besteht jedoch durchaus die Möglichkeit,<br />

dass sie deshalb in Deutschland mehr aus Interesse<br />

lernen – oder zumindest so wahrgenommen – weil deutsche<br />

Hochschulen im Vergleich zu den chinesischen mehr Freiheit<br />

und damit mehr Wahlmöglichkeiten eingeräumt haben. Sollte<br />

dies der Fall sein, wäre es über die Lernmotivation hinaus ein<br />

Befund für die Veränderung des Lernverhaltens über Kulturen<br />

gewesen. Die Kategorie Selbstbefriedigung hingegen demonstriert<br />

eher eine starke soziale und zwischenmenschliche<br />

Orientierung der Lernmotivation chinesischer Probanden – ein<br />

Student lernt zum Beispiel, um das Ansehen der Kommilitonen<br />

und Freunde zu genießen.<br />

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Lernstilkonzept anhand einer vergleichenden Untersuchung am Beispiel deutscher und chinesischer<br />

Studenten<br />

Abb. 8: Dimension 3: Lernumfeld. Quelle: Eigene Darstellung.<br />

Die dritte Dimension hat sich mit dem Lernumfeld der erforschten<br />

Studenten befasst, die anhand ihrer Beschreibung<br />

mit der Lernumgebung hauptsächlich die Lernorte assoziiert<br />

haben. Vertretend dafür sind Bibliothek und Zuhause, während<br />

das Rechenzentrum, die Cafeteria und der Park als Lernort<br />

auch angesprochen werden. Darüber hinaus ist die Auswertung<br />

auch auf die Faktoren der Ortswahl beider Gruppen<br />

eingegangen, wobei es keine wesentlichen Unterschiede zu<br />

verzeichnen sind. Im Vergleich zu den chinesischen Probanden<br />

kam es den deutschen Studenten bei der Ortswahl wichtig<br />

vor, gute Luft zu haben und während der Pausenzeit auch<br />

Freunde treffen zu können. Das letztere mag ein Hinweis für<br />

ein balanciertes Lernen sein, wenn es auf eine Entspannung<br />

abzielt. Anzumerken ist, dass die Lernumgebung für chinesische<br />

Probanden – über den Lernort hinweg – noch Kulturvielfalt,<br />

freie Atmosphäre bzw. positiven Einfluss der Mitstudierenden<br />

bedeutet. Dies ist gut damit zu erklären, dass der Begriff<br />

„Lernumgebung“ in chinesischer Sprache weiter gefasst<br />

ist. Andererseits könnte diese Wahrnehmung durchaus von<br />

der Änderung des Lernumfeldes ausgelöst werden (vgl. Abb.<br />

13).<br />

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Lernstilkonzept anhand einer vergleichenden Untersuchung am Beispiel deutscher und chinesischer<br />

Studenten<br />

Abb. 9: Dimension 4: Lerngewohnheiten I. Quelle: Eigene Darstellung.<br />

Wie angedeutet fokussiert die Analyse der vierten Dimension<br />

Lerngewohnten im Zusammenhang mit den einzelnen Fragen<br />

auf Lernmethoden, Dozenten-Studenten-Beziehungen, Problemlösen<br />

beim Lernen, Änderung des Lernverhaltens. Die einzeln<br />

befragte Lerngewohnheit in Bezug auf selbständiges<br />

Lernen oder Lernen in Gruppen wurde wegen ihrer Verwandtschaft<br />

zu den Lernmethoden in deren Auswertung –<br />

wie oben dargestellt – einbezogen. Die Lernmethoden beider<br />

Gruppen, auch wenn sie in beiden Kulturen unterschiedlich<br />

definiert werden können, sind durch ein hohes Maß an Überlappungen<br />

gekennzeichnet (vgl. Abb. 9). Dabei scheint das<br />

Auswendiglernen sowie Schwerpunktsetzen – trotz gewissen<br />

pragmatischen Charakters – für deutsche Studenten genauso<br />

notwendig zu sein wie für ihre chinesischen Kommilitonen,<br />

wenn es um die Klausuren geht, in denen eine Menge Inhalte<br />

– auch wenn sinngemäß – wiederzugeben sind. Während das<br />

Exzerpieren sehr verbreitet als Lerntechnik von den deutschen<br />

Studenten verwendet wird, machen chinesische Studenten<br />

konventionell gern Übungen zur Vertiefung des Lernstoffs.<br />

Nicht zuletzt wurde das Fragenstellen (an Dozenten) als<br />

Lernmethode vor allem im chinesischen Lernkontext besonders<br />

wertgeschätzt, aus dem Grund, dass die Dozenten einerseits<br />

als Autorität angesehen werden, die über die endgültige<br />

Lösung verfügen sollen, andererseits es als Pflicht empfinden,<br />

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Lernstilkonzept anhand einer vergleichenden Untersuchung am Beispiel deutscher und chinesischer<br />

Studenten<br />

auf die Studenten einzugehen und ihre Fragen zu beantworten,<br />

auch wenn es regelmäßig – wie es von den Studenten<br />

erwünscht wird – stattfinden soll. Ein balanciertes Lernen –<br />

gekennzeichnet durch den Ausgleich zwischen Lernen und<br />

Freizeit – wird nach wie vor von den deutschen Studenten<br />

großgeschrieben, während das „Blockweise lernen“ – auch<br />

wenn es nicht ausschließlich für sie gilt – kommt den chinesischen<br />

Studenten zur Vorbereitung der Prüfung doch unerlässlich<br />

vor. Im Hinblick auf das selbstständige Lernen oder Lernen<br />

in Gruppen erwies sich die Einstellung, dass die chinesischen<br />

Studenten lieber allein lernen, während deutsche Studenten<br />

das Gruppenlernen favorisieren, als eher weniger<br />

plausibel. Beide Gruppen tendieren einheitlich dazu, zugunsten<br />

der Intensität und Effizienz allein zu lernen. Ausgeschlossen<br />

ist aber nicht, auch zu zweit Verständnis zu vertiefen und<br />

Fragen zu klären. Solange die Diskussion nicht dazu beiträgt,<br />

neue Ideen anzuregen sowie Perspektiven zu erweitern, wird<br />

das Gruppenlernen vermieden. Abgesehen von den Sprachproblemen<br />

auf der chinesischen Seite können die ablenkende<br />

Diskussion, die umständliche Organisation, das unterschiedliche<br />

Lernniveau – auch für deutsche Studenten – generell den<br />

Lernerfolg der Gruppenarbeiten beeinträchtigen.<br />

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Lernstilkonzept anhand einer vergleichenden Untersuchung am Beispiel deutscher und chinesischer<br />

Studenten<br />

Abb. 10: Dimension 4: Lerngewohnheiten II. Quelle: Eigene Darstellung.<br />

Die Auswertung der Dozenten-Studenten-Beziehung erfolgte<br />

anhand zweier Oberkategorien: Erwartungen von den Dozenten<br />

und seine Rolle im Lernprozess der Studenten. Diese Erwartungen<br />

spiegeln sich wiederum in der fachlichen und didaktischen<br />

Kompetenz, dem Engagement sowie der Persönlichkeit<br />

der Dozenten wider. Nach der Vorstellung chinesischer<br />

Befragten soll der Dozent nicht nur ein Fachexperte<br />

sein, sondern auch über ein breites Wissen verfügen, um<br />

möglichst alle Fragen beantworten zu können. Nicht zuletzt<br />

soll seine Fachkompetenz daran gemessen werden, ob er in<br />

der Lage ist, fachbezogene Methoden zu vermitteln, um das<br />

selbständige Vertiefen und Anwenden von Theorien seitens<br />

der Studenten zu ermöglichen. Während deutsche Probanden<br />

hinsichtlich der didaktischen Kompetenz viel Wert auf den<br />

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Lernstilkonzept anhand einer vergleichenden Untersuchung am Beispiel deutscher und chinesischer<br />

Studenten<br />

<strong>Kommunikation</strong>sstil der Dozenten sowie die Methodenvielfalt<br />

gelegt haben, achten chinesische Studenten eher darauf, ob<br />

der Dozent den Stoff detailliert und verständlich vermittelt<br />

und sie in die Lage gesetzt hat, selbständig zu vertiefen. Ersichtlich<br />

dabei sind noch ihre Prüfungsorientiertheit sowie<br />

eine gewisse Angst vor Klausuren. Über die Erreichbarkeit<br />

und motivierende Haltung hinaus erwarten chinesische Interviewte<br />

noch ein Engagement der Dozenten in ihrem Wohlfühlen<br />

bzw. ihren persönlichen Angelegenheiten, zumindest<br />

solange sie darum gebeten haben, was den deutschen Professoren<br />

sehr befremdlich vorkommen könnte. Bis auf einen<br />

ausdrücklichen Appell an Geduld und Rücksicht auf ausländische<br />

Studenten sind sich beide Gruppen grundsätzlich in der<br />

Persönlichkeitserwartung der Dozenten einig. Weitere Abweichung<br />

betrifft noch die Rolle der Dozenten im Lernprozess.<br />

Im Vergleich zu den deutschen Studenten, die ihre Dozenten<br />

hauptsächlich als Wissensvermittler, Hilfestellung und motivierende<br />

Rolle ansehen, betrachten sie chinesische Studenten<br />

eher als Daoshi, der den Weg führt, als moralisches Vorbild<br />

und Chef, der die Aufgaben delegiert.<br />

Abb. 11: Dimension 4: Lerngewohnheiten III. Quelle: Eigene Darstellung.<br />

Hinsichtlich des Problemlösens beim Lernen stützen sich beide<br />

Gruppen grundsätzlich auf drei Lösungswege: „lesen und<br />

weitere Literatur nachschlagen“, „Kommilitonen fragen“<br />

bzw. „Dozenten nachfragen“. Während deutsche Studenten<br />

auch eine Lösungsmöglichkeit in einer Gruppendiskussion<br />

sehen, vernachlässigen chinesische Studenten öfter Probleme,<br />

falls keine weitere Alternative zur Verfügung steht. So pragmatisch<br />

können deutsche Studenten durchaus auch vorgehen,<br />

vor allem zur Vorbereitung der Klausur. Die Diskussionsscheu<br />

chinesischer Studenten kann in erster Linie an den<br />

Sprachproblemen liegen, die es ihnen erschweren, sich an die<br />

Kommilitonen oder Dozenten zu wenden. Andererseits um<br />

eventuell unnötigen Gesichtsverlust zu vermeiden, sind sie bei<br />

Lernproblemen hauptsächlich auf sich selbst angewiesen.<br />

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Lernstilkonzept anhand einer vergleichenden Untersuchung am Beispiel deutscher und chinesischer<br />

Studenten<br />

Abb. 12: Dimension 4: Lerngewohnheiten IV. Quelle: Eigene Darstellung.<br />

Wie man an dieser Frage sieht, handelt es sich hier um eine<br />

Selbstreflexion der Probanden über die Änderung ihres Lernverhaltens.<br />

Als Folge kam es in der Auswertung vor, dass man<br />

zwar eine Änderung als solche negiert, aber trotzdem auf sie<br />

aufmerksam geworden ist. Dies liegt wohl daran, dass der<br />

mehr oder weniger – durch die Änderung des Lernkontexts –<br />

angepasste Vorgang des Lernens mit der Zeit als selbstverständlich<br />

wahrgenommen wurde und somit den Betroffenen<br />

nicht besonders aufgefallen ist. Die Änderungen beziehen<br />

sich, sowohl für deutsche als auch für chinesische Probanden,<br />

vorwiegend auf die erhöhte Selbständigkeit und Strukturiertheit<br />

sowie den Erwerb neuer Lernmethoden. Dabei ist die Integration<br />

chinesischer Studenten in die deutsche Hochschullandschaft<br />

deutlich zu erkennen. In Vergleich zu ihrer Lernerfahrung<br />

in China, die unter anderem von Prüfungsorientiertheit,<br />

Lehrbuchzentriertheit bzw. Selbstlernen geprägt ist, lernen<br />

sie in Deutschland schon praxisorientierter, lese- und diskussionsfreudiger.<br />

Für deutsche Interviewees soll der höhere<br />

Anspruch des Studiums im Vergleich zu den Gymnasien ein<br />

guter Grund für ihre Änderung sein. Als Nachweis für ihre<br />

erhöhte Ehrlichkeit zu sich selbst haben sich die deutschen<br />

Befragten ebenso kritisch mit den negativen Änderungen in<br />

Bezug auf ihr Lernverhalten auseinandergesetzt, mit dem<br />

Hinweis darauf, dass sie angesichts mehr Freiheit während<br />

des Studiums gegebenenfalls auch mehr aufschieben, statt<br />

kontinuierlich mehr blockweise lernen und wegen vermehrter<br />

Selbstverantwortung im Alltagsleben weniger konzentriert<br />

lernen können.<br />

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Lernstilkonzept anhand einer vergleichenden Untersuchung am Beispiel deutscher und chinesischer<br />

Studenten<br />

Abb. 13: Dimension 5: Lerninhalt. Quelle: Eigene Darstellung.<br />

In der fünften Dimension wurde der als wichtig empfundene<br />

Lerninhalt von den deutschen und chinesischen Probanden<br />

verglichen. Als Folge kam es beiden Gruppen wichtig vor,<br />

Fachwissen und -kompetenz, Sozialkompetenz, Alltagswissen<br />

und Hobby zu lernen. Unterschiedlich dabei ist, dass die deutschen<br />

Probanden mit dem Fachwissen und -kompetenz in<br />

erster Linie das Studium assoziieren und es notwendig sehen,<br />

zusätzlich berufliche Qualifikation zu erwerben, wobei chinesische<br />

Studenten es bereits als berufliche Qualifikation gelten<br />

lassen haben. Nicht zuletzt werden Lernmethoden als Inhalt<br />

besonders von der chinesischen Gruppe hervorgehoben –<br />

verbunden mit der Annahme, dass man alles selbständig und<br />

effektiv lernen sowie das Gelernte anwenden kann, solange<br />

die Methoden beherrscht wurden. Als Nachweis ist es auch in<br />

der Erwartung an Dozenten zu finden (vgl. Abb. 10). Darüber<br />

hinaus werden die Lerngewohnheiten bzw. die damit verbundene<br />

Lernmoral wie Fleiß und Ausdauer häufig nach dem<br />

chinesischen Verständnis als Lernmethoden angesehen. Ausgehend<br />

von einer Lernauffassung im Sinne von „Mittel zum<br />

Zweck“ kann das zielrelevante Wissen – weder Fachwissen<br />

noch Hobby – für chinesische Studenten von besonderer Bedeutung<br />

sein.<br />

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Lernstilkonzept anhand einer vergleichenden Untersuchung am Beispiel deutscher und chinesischer<br />

Studenten<br />

Abb. 14: Dimension 6: Gegenseitige Wahrnehmung von Lernverhalten.<br />

Quelle: Eigene Darstellung.<br />

Als letztes wurde die gegenseitige Wahrnehmung des Lernverhaltens<br />

von beiden Gruppen untersucht, die sowohl auf<br />

der Selbstreflexion als auch auf der Fremdwahrnehmung basiert.<br />

Da diese Fremdwahrnehmung häufig aufgrund eines<br />

Selbstbildes zustande kommt, erschien das erhobene Material<br />

– wie oben dargestellt – oft als Gegensatzpaare, die die Unterschiede<br />

leicht erkennbar machten. Zu dem auffälligsten<br />

Merkmal der Lernatmosphäre in China zählen nach vielen<br />

deutschen Befragten die harte Konkurrenz und selbstverständlich<br />

der davon ausgelöste Leistungsdruck. Als Folge lernen<br />

deutsche Studenten – aus chinesischer Perspektive – in<br />

einer freien und drucklosen Lernatmosphäre eher aktiver und<br />

selbständiger, ohne unreflektiert nach den Vorgaben der Dozenten<br />

arbeiten zu müssen. Da die schriftlich angelegte Prüfung<br />

im chinesischen Bildungssystem fast das einzige Bewertungskriterium<br />

darstellt, welches die Zukunft jedes Prüflings<br />

entscheidet, zeichnet sich das Lernverhalten chinesischer Studenten<br />

dementsprechend durch Prüfungsorientiertheit aus.<br />

Daraus resultieren die häufig als effektiv angesehenen Lernmethoden<br />

wie Auswendiglernen, Schwerpunkte setzen,<br />

blockweise lernen, Übungen machen usw. Die deutschen<br />

Kommilitonen hingegen legen – nach der chinesischen Auf-<br />

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Lernstilkonzept anhand einer vergleichenden Untersuchung am Beispiel deutscher und chinesischer<br />

Studenten<br />

fassung – angesichts einer Vielfalt von Prüfungsformen und<br />

Leistungskriterien bzw. von Lernzielen mehr Wert auf das<br />

Verstehen bzw. die Anwendung des Wissens in der Praxis,<br />

wobei sich die Fachkompetenz entwickeln lässt. Darüber hinaus<br />

sehen deutsche Probanden gern ihre Besonderheit im<br />

Vergleich zu ihren chinesischen Kollegen im kritischen Denken,<br />

was aus chinesischer Perspektive als innovativ interpretiert<br />

wurde. Trotzdem soll das Hindernis des kritischen Denkens<br />

– wie viele glauben – nicht im Auswendiglernen liegen<br />

(Gow et al. 1996), welches den deutschen Studenten auch<br />

nicht fremd ist. Während deutsche Probanden sich mehr an<br />

Diskussionen und Gruppenarbeiten gewöhnen, tendieren<br />

chinesische Studenten dazu, allein zu lernen, was weniger<br />

den Teamgeist in Anspruch nimmt. Auch wenn viele aus beiden<br />

Gruppen der Meinung sind, dass chinesische Studenten<br />

fleißiger sind, soll es allerdings nicht bedingungslos verallgemeinert<br />

werden, denn der Fleiß hängt mehr mit dem persönlichen<br />

Lernziel bzw. dem Leistungsdruck als mit Kulturspezifik<br />

zusammen. Ähnliches gilt auch für die angesprochene Stringenz,<br />

über die Aussagen eher auf individueller als auf Gruppenebene<br />

zu treffen sind. Im Vergleich zu der chinesischen<br />

Gruppe sehen die Lernmethoden deutscher Studenten vielfältiger<br />

aus, mit denen ein strukturiertes Lernen gut möglich ist.<br />

Trotzdem scheint – auch aus deutscher Perspektive – der<br />

Frontalunterreicht nicht das chinesische Patent zu sein. Zudem<br />

kam einem deutschen Probanden (Proband 10) die Unterstützung<br />

chinesischer Eltern für ihre Kinder im Lauf des<br />

Lernprozesses sehr positiv vor, aber solange sie – wie viele<br />

chinesische Studenten so wahrnehmen – nicht in eine psychische<br />

Belastung umgewandelt ist.<br />

3. Ergebnisse<br />

Nach einem Überblick über das routinierte Lernverhalten beider<br />

Gruppen aufgrund der Auswertung einzelner Dimensionen,<br />

worauf die zweite Zentralfrage der Untersuchung abzielt,<br />

lässt sich bei der Beantwortung der dritten Zentralfrage<br />

feststellen, dass sich das Lernverhalten deutscher und chinesischer<br />

Studenten nicht radikal voneinander unterscheidet. Im<br />

Gegensatz dazu spielen die Gemeinsamkeiten in den meisten<br />

ausgewerteten Fragen eine dominierende Rolle. Dies lässt sich<br />

einerseits darauf zurückführen, dass das Lernverhalten der<br />

befragten Studenten von demselben Lernkontext als Handlungsrahmen<br />

– also der akademischen Kultur, den Studienordnungen,<br />

den Lernbedingungen usw. – geprägt wurde.<br />

Andererseits kann es durchaus als Resultat der Anpassung<br />

sowie der Integration chinesischer Studenten in die deutsche<br />

Hochschullandschaft gelten. Um die Unterschiede auch nicht<br />

außer Acht zu lassen, eventuell auf dieser Basis die Lernstile<br />

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Lernstilkonzept anhand einer vergleichenden Untersuchung am Beispiel deutscher und chinesischer<br />

Studenten<br />

zu profilieren, wird im Folgenden das Kulturspezifische des<br />

Lernverhaltens beider Gruppen vergleichend zusammengefasst<br />

als Antwort auf die vierte Zentralfrage, wobei versucht<br />

wird, wertungsfreie Formulierungen zu verwenden:<br />

Abb. 15: Lernstile deutscher und chinesischer Studenten. Quelle: Eigene<br />

Darstellung.<br />

Wie es sich herausstellt, zielt diese vergleichende Untersuchung<br />

in erster Linie – statt auf die Suche nach Unterschieden<br />

– eher darauf ab, aufgrund der Anerkennung der Gemeinsamkeiten<br />

die Unterschiede darzulegen. Dies ist umso notwendiger,<br />

da es nicht um einen Vergleich zwei isolierter<br />

Gruppen geht, der anhand der ausgearbeiteten Unterschiede<br />

Anpassungsorientierungen liefert, sondern der Vergleich –<br />

mit der Berücksichtigung auf die Gemeinsamkeiten – soll da-<br />

57 © Interculture Journal 2011 | 15


Luo / Kück: Gibt es Lernstile, die kulturspezifisch sind? Eine interkulturelle Annährung an das<br />

Lernstilkonzept anhand einer vergleichenden Untersuchung am Beispiel deutscher und chinesischer<br />

Studenten<br />

zu beitragen, Synergiepotenzial zu entdecken und die Unterschiede<br />

als Ergänzung und Erweiterung zu nutzen. Insofern<br />

sollen die Lernstile, die hier in den interkulturellen Begegnungen<br />

von deutschen und chinesischen Studenten abgebildet<br />

wurden, auch kontextabhängig aufgefasst werden. Trotzdem<br />

beschränken sich diese interkulturell konstruierten Lernstile<br />

keinesfalls nur auf der Ebene der Nationalkultur. Als Beispiel<br />

wurde eine Einzelanalyse durchgeführt, indem ein Vergleich<br />

des Lernverständnisses bzw. -verhaltens von zwei männlichen,<br />

chinesischen, Naturwissenschaften studierenden Probanden<br />

angestellt wurde, die jeweils 8 Monate (Chinesisch:<br />

Proband 1) und 8 Jahre (Chinesisch: Proband 8) in Deutschland<br />

gewesen sind. Wie die Auswertung illustriert, liegt das<br />

Lernverhalten von Proband 8 dem obengenannten Lernstil<br />

deutscher Studenten erstaunlicherweise nahe, indem es auf<br />

Kompetenz- und Innovationsorientiertheit, Strukturiertheit<br />

beim Lernen, selbstbezogene Lernmotivation, sachliche Erwartungen<br />

an Dozenten verweist, während beim Proband 1<br />

eine starke soziale Orientierung in der Lernmotivation, konventionelle<br />

Lernmethoden wie Selbstlernen, Frage stellen,<br />

blockweise lernen sowie passive Einstellung gegenüber Lernen<br />

festzustellen sind. Nicht zuletzt wird von ihm erwartet,<br />

dass die Dozenten als fachliches und moralisches Vorbild erscheinen.<br />

Damit ist eindeutig, dass die Nationalkultur an dieser<br />

Stelle kein Unterscheidungskriterium für Lernstile darzustellen<br />

vermag.<br />

4. Diskussion und Ausblick<br />

Aufgrund der Repräsentativität der ausgesuchten Zielgruppe<br />

sollen die ausgearbeiteten Lernstile als Erklärungsansatz zur<br />

Optimierung der interkulturellen <strong>Kommunikation</strong> bzw. der<br />

Lehrpraxis über generelle Aussagekraft verfügen, auch wenn<br />

sie an bestimmte Zielgruppe, also deutsche und chinesische<br />

Studenten, unter anderem im Kontext deutscher Hochschulen<br />

gebunden ist. Die induktive Vorgehensweise hilft dabei, die<br />

Vielfalt des Gegenstandes abzubilden und eventuell für weitere<br />

Ergänzungen beispielsweise im Einklang mit dem Wertewandel<br />

oder für quantitative Überprüfung offen zu halten.<br />

Da diese rekonstruierten Lernstile – anstatt kognitive – mehr<br />

oder weniger kulturelle Eigenschaften getragen haben, wäre<br />

interessant zu diskutieren, inwiefern das Konstrukt Lernstil in<br />

diesem Zusammenhang – vor allem für interkulturelle Fragestellungen<br />

– noch tragfähig ist.<br />

Ferner wurden methodologisch die Datenerhebung und -<br />

auswertung der Untersuchung experimentell bilingual – also<br />

jeweils in Deutsch und Chinesisch – durchgeführt, was in der<br />

deutschen Literatur bisher noch selten der Fall ist. Trotz aller<br />

© Interculture Journal 2011 | 15 58


Luo / Kück: Gibt es Lernstile, die kulturspezifisch sind? Eine interkulturelle Annährung an das<br />

Lernstilkonzept anhand einer vergleichenden Untersuchung am Beispiel deutscher und chinesischer<br />

Studenten<br />

Vorteile, die vor allem eine Insider-Perspektive ermöglichen,<br />

hat es auch genügende Schwierigkeiten – vor allem bedingt<br />

durch die immense Verschiedenheit beider Sprachen – in Bezug<br />

auf die Übersetzung wie auch auf die Zuordnung der Kategorien<br />

bereitet. Wegen der häufigen Mehrdeutigkeit chinesischer<br />

Begriffe, Indirektheit der Äußerungen bzw. Kontextabhängigkeit<br />

deren Interpretationen lassen sich Kategorien<br />

oft nicht eindeutig zuordnen, wie qualitative Methoden<br />

es als eines der Grundprinzipien vorgeben. Eine methodologische<br />

Diskussion über die Möglichkeit einer „interkulturellen“<br />

Methodentriangulation in diesem Zusammenhang soll als ein<br />

anderer Schwerpunkt bzw. eine Forschungsrichtung stattfinden.<br />

Des Weiteren lässt sich über die Anwendungsmöglichkeiten<br />

dieser Lernstilkonzepte in der interkulturellen Didaktik<br />

nachdenken.<br />

Literatur<br />

Barmeyer, C. I. (2000): Interkulturelles Management und Lernstile. Studierende<br />

und Führungskräfte in Frankreich, Deutschland und Quebec. Frankfurt<br />

am Main: Campus Verlag.<br />

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the anthropological perspective. Frontiers in Psychology 2(67), S. 1-6.<br />

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of Educational Psychology 55(3), S. 185-212.<br />

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cognitive styles. Mahwah: Lawrence Erlbaum Associates, Inc., Publishers, S.<br />

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University Press.<br />

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and pedagogy in post-16 learning – A systematic and critical review. London:<br />

Learning and skills research centre.<br />

Dunn, R. (1990): Understanding the Dunn and Dunn learning styles model<br />

and the need for individual diagnosis and prescription. Reading and Writing<br />

Quarterly 6(3), S. 223-247.<br />

Dunn, R. (2003): The Dunn and Dunn learning style model and its theoretical<br />

cornerstone. In: Dunn, R. / Griggs, S. (Hrsg.): Synthesis of the Dunn and<br />

Dunn learning styles model research: who, what, when, where and so what<br />

– the Dunn and Dunn learning styles model and its theoretical cornerstone.<br />

New York: St John’s University, S. 1-6.<br />

Entwistle, N. / McCune, V. (2004): The conceptual basis of study strategy<br />

inventories. Educational Psychology Review 16(4), S. 325-345.<br />

59 © Interculture Journal 2011 | 15


Luo / Kück: Gibt es Lernstile, die kulturspezifisch sind? Eine interkulturelle Annährung an das<br />

Lernstilkonzept anhand einer vergleichenden Untersuchung am Beispiel deutscher und chinesischer<br />

Studenten<br />

Flick, U. (1995): Handbuch qualitative Sozialforschung: Grundlagen, Konzepte,<br />

Methoden und Anwendungen. Weinheim: Beltz.<br />

Flick, U. (2010): An introduction to qualitative research. Los Angeles: SAGE.<br />

Flick, U. / Kardorff, E. v. / Steinke, I. (2010): Qualitative Forschung – Ein<br />

Handbuch. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt-Taschenbuch-Verlag.<br />

Gow, L. / Balla, J. / Hau, K. T. (1996): The learning approaches of Chinese<br />

people: A function of socialization processes and the context of learning?<br />

In: Bond, M. H. (Hrsg.): The handbook of Chinese Psychology. New York:<br />

Oxford University Press, S. 109-123.<br />

Haller, H-D. (1997): Zur Frage der kulturellen Dimension von Identität in der<br />

Lernstilforschung – Untersuchung über Kultureinstellungen unter didaktischer<br />

Perspektive. In: Hoffmann, D. / Bleiber, H. (Hrsg.): Auf der Suche nach<br />

Identität – pädagogische und politische Erörterungen eines gegenwärtigen<br />

Problems. Weinheim: Deutsche Studien Verlag, S. 153-166.<br />

Joy, S. / Kolb, D. A. (2009): Are there cultural differences in learning style?<br />

International Journal of intercultural relations 33(1), S. 69-85.<br />

Kolb, D. A. (1984): Experiential Learning – Experience as the source of<br />

learning and development. New Jersey: Prentice-Hall.<br />

Lamnek, S. (2010): Qualitative Sozialforschung. Weinheim: Beltz.<br />

Marton, F. / Säljö, R. (1976): On qualitative differences in learning: 1 – outcome<br />

and process. British Journal of Educational Psychology 46(1), S. 4-11.<br />

Mayring, P. (2010): Qualitative Inhaltsanalyse – Grundlagen und Techniken.<br />

Weinheim: Beltz.<br />

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educational practice. Educational Psychologist 19(2), S. 59-74.<br />

Myers, I. B. / McCaulley, M. H. (1998): Manual: A guide to the development<br />

and use of the Myers-Briggs Type Indicator. California: Consulting<br />

psychologists press.<br />

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anhand des Lernstilmodells „Experiential learning“ und am Beispiel<br />

iranischer Lehramtsstudierender. Göttingen: Cuvillier.<br />

Pask, G. (1976): Styles and Strategies for learning. British Journal of Educational<br />

Psychology 46(2), S. 128-148.<br />

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R. / Zhang, L. F. (Hrsg.): Perspectives on thinking, learning and cognitive<br />

styles. Mahwah: Lawrence Erlbaum Associates, Inc., Publishers, S. 47-72.<br />

Sternberg, J. R. / Grigorenko, E. L. (2001): A capsule history of theory and<br />

research on styles. In: Sternberg, J. R. / Zhang, L. F. (Hrsg.): Perspectives on<br />

thinking, Learning and cognitive styles. Mahwah: Lawrence Erlbaum Associates,<br />

Inc., Publishers, S. 1-21.<br />

Watkins, D. A. / Biggs, J. B. (1996): The Chinese learner – cultural, psychological<br />

and contextual influences. Hong Kong: CERC.<br />

© Interculture Journal 2011 | 15 60


Luo / Kück: Gibt es Lernstile, die kulturspezifisch sind? Eine interkulturelle Annährung an das<br />

Lernstilkonzept anhand einer vergleichenden Untersuchung am Beispiel deutscher und chinesischer<br />

Studenten<br />

1 Ein besonderer Dank geht an Frau Mengxi Zhao, welche bei<br />

der Auswertung der Interviews mit chinesischen Probanden<br />

mitgewirkt hat.<br />

61 © Interculture Journal 2011 | 15


© Interculture Journal 2011 | 15 62


Chancengleichheit<br />

Please insert the the title title<br />

– ein<br />

of of<br />

(ir)realistischer An-<br />

your article here<br />

spruch?<br />

[Equal opportunity – A/an<br />

(ir)realistic claim?]<br />

First First name Surname<br />

Please Nurcan insert Akbulut information about<br />

Please insert information about<br />

the the author author here here (e.g. (e.g. title, title, posiposition, Studentin tion, institution) institution) der Erziehungswissenschaft<br />

im Master an der Universität<br />

Bielefeld. Schwerpunkte: Migrationspädagogik<br />

und empirische<br />

Sozialforschung. Mitarbeiterin im<br />

Sonderforschungsbereich (SFB)<br />

882 "Von Heterogenitäten zu<br />

Ungleichheiten" an der Universität<br />

Bielefeld.<br />

Akbulut: Chancengleichheit – ein (ir)realistischer Anspruch?<br />

Abstract [English]<br />

In the context of equal opportunity, this article deals critically<br />

with the procedure of determining special educational needs<br />

and analyses based on theoretical considerations, reasons and<br />

legitimacy criteria for the over-representativeness of children<br />

with non-German native language in special schools<br />

(Förderschulen). The aggregated findings indicate migrationspecific<br />

disparities in the German school system, which are<br />

evoked by institutional selection mechanisms, such as by a<br />

process to determine the special education needs. Against<br />

this backdrop, the ubiquity of equal opportunity is seriously<br />

being questioned. Moreover, it raises issues in this regard,<br />

which provide an outlook for further research possibilities in<br />

this field.<br />

Keywords: equal opportunity, educational inequality, special<br />

school, procedure of determining special educational needs,<br />

migration-specific disparities<br />

Abstract [Deutsch]<br />

Im Kontext der Chancengleichheit setzt sich dieser Beitrag<br />

kritisch mit dem sonderpädagogischen Feststellungsverfahren<br />

auseinander und analysiert auf theoretischen Überlegungen<br />

basierend die Gründe und Legitimationskriterien für die Überrepräsentativität<br />

von Kindern mit nicht-deutscher Erstsprache<br />

an Förderschulen. Die aggregierten Erkenntnisse weisen auf<br />

migrationsspezifische Disparitäten im deutschen Schulsystem<br />

hin, die durch institutionelle Selektionsmechanismen, wie beispielsweise<br />

durch einen Antrag zur Feststellung des sonderpädagogischen<br />

Förderbedarfs, evoziert werden. In Anlehnung<br />

daran wird die Ubiquität der Chancengleichheit in Frage gestellt.<br />

Darüber hinaus werden in diesem Zusammenhang Fragen<br />

aufgeworfen, die Ausblick auf weitere Forschungsmöglichkeiten<br />

auf diesem Gebiet geben.<br />

Stichworte: Chancengleichheit, Bildungsungleichheit, Förderschule,<br />

Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs,<br />

migrationsspezifische Disparitäten<br />

1. Einleitung<br />

Die Transition von der Grundschule in eine weiterführende<br />

Schule stellt einen wichtigen Schritt in der Schullaufbahn eines<br />

jeden Kindes dar. Denn mit der Entscheidung über die<br />

künftig zu besuchende Schulform werden die ersten Weichen<br />

für die berufliche Zukunft des Kindes gestellt. Somit nimmt<br />

das früh einsetzende Selektionsverfahren einen maßgeblichen<br />

Einfluss auf den zu erreichenden Abschluss und dieser wiede-<br />

63 © Interculture Journal 2011 | 15


Akbulut: Chancengleichheit – ein (ir)realistischer Anspruch?<br />

rum auf die berufliche Zukunftsgestaltung bzw. die späteren<br />

Chancen auf dem Arbeitsmarkt (Fereidooni 2011:24ff.). Konkretisiert<br />

bedeutet dies, dass die Selektion in eine niedrige(re)<br />

Schulform Ungleichheiten hinsichtlich der Bildungsmöglichkeiten<br />

evoziert (ebd.). Deutlich prekärer sieht es für Kinder<br />

aus, die aufgrund von beispielsweise Sprachschwierigkeiten<br />

als lernbehindert etikettiert werden und darauf basierend eine<br />

Empfehlung für eine sonderpädagogische Förderung erhalten<br />

(Gomolla / Radtke 2007:204ff.). Denn die Einschulung<br />

bzw. Relegation von Schülern 1 ohne geistige und körperliche<br />

Behinderung in eine Förderschule für z. B. Lernbehinderte<br />

erlaubt nur eingeschränkte Bildungsmöglichkeiten und führt<br />

letztendlich zu einer selektionsbedingten Bildungsbenachteiligung<br />

(ebd.). Mit einem Blick auf die Schülerzusammensetzung<br />

lässt sich schnell eine ungleichmäßige Verteilung der<br />

Schüler auf die verschiedenen Schulformen feststellen. Förderschulen<br />

besitzen die fragwürdige Eigenart, überwiegend<br />

von Schülern mit nicht-deutscher Erstsprache besucht zu<br />

werden (Fereidooni 2011:25). Vor diesem Hintergrund erhält<br />

die Frage nach den Ursachen für eine überproportionale Repräsentanz<br />

von Kindern mit nicht-deutscher Erstsprache an<br />

Förderschulen eine besondere und wachsende Brisanz. Davon<br />

ausgehend stellen die Frage nach der Übertragung von<br />

Sprachschwierigkeiten in der deutschen Sprache auf generelle<br />

Schwierigkeiten sowie die Eruierung der Gründe und Legitimationskriterien<br />

für die Überrepräsentativität von Schülern<br />

mit Deutsch als Zweitsprache (DAZ) an Förderschulen die<br />

Leitgedanken des vorliegenden Beitrags dar.<br />

2. Die Förderschule<br />

Die Förderschule ist eine Schule für Kinder und Jugendliche,<br />

die aufgrund einer Körper-, Lern- oder geistigen Behinderung<br />

nicht an einer allgemeinen Schule ausreichend gefördert<br />

werden können und daher einer sonderpädagogischen Förderung<br />

bedürfen.<br />

2.1 Allgemeine Aufgaben und Ziele der Förderschule<br />

Aufgrund der Überrepräsentativität von DAZ-Kindern an Förderschulen<br />

mit dem Schwerpunkt Lernen möchte ich mich im<br />

Folgenden auf die allgemeinen Aufgaben und Ziele dieser<br />

Förderschulform beschränken. Die sonderpädagogische Förderung,<br />

die sich weitestgehend an den „Bildungs- und Erziehungszielen<br />

der allgemeinen Schule“ orientiert (KMK<br />

1999:3), richtet sich nach den festgelegten Lernzielen aus<br />

den individuellen Förderplänen und intendiert primär die sukzessive<br />

Hinführung der Schüler mit Beeinträchtigungen im<br />

Lern- und Leistungsverhalten zu einer selbstständigen, auto-<br />

© Interculture Journal 2011 | 15 64


Akbulut: Chancengleichheit – ein (ir)realistischer Anspruch?<br />

nomen Lebensgestaltung und -führung (KMK 1999:2ff.,<br />

MSW NRW 2006:26). Unter Beachtung der individuellen<br />

Lernbeeinträchtigungen der Schüler sollen strukturierte Lernarrangements<br />

geschaffen werden, die Wechselwirkungsprozesse<br />

zwischen Lerner und Umwelt fördern und somit zur<br />

Vermittlung und Entwicklung von Wissen und Kompetenzen<br />

beitragen. Auf diese Weise sollen persönliche Lernerfahrungen<br />

und -erfolge ermöglicht werden, die zur graduellen Minderung<br />

der Beeinträchtigung bzw. zu einem adäquaten Umgang<br />

mit ihr führen (KMK 1999:2ff.). Die Entwicklung von<br />

Selbsteinschätzungsvermögen in Bezug auf das Erkennen von<br />

eigenen Schwächen und Stärken gepaart mit (Selbst-) Reflexion<br />

des erworbenen Wissens, die im Rahmen der gegebenen<br />

Möglichkeiten zur Entfaltung von individuellen Potenzialen<br />

beitragen sollen, werden als weitere wichtige Erziehungsziele<br />

der Förderschule deklariert. Davon ausgehend gilt es, die Jugendlichen<br />

ebenso zur Partizipation auch im Hinblick auf ihre<br />

berufliche Orientierung in der Gesellschaft zu befähigen<br />

(KMK 1999:4, MSW NRW 2006:26). Weiterhin wird in dem<br />

Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 01.10.1999 folgende<br />

besondere Empfehlung zum Förderschwerpunkt Lernen<br />

spezifiziert:<br />

„Sonderpädagogische Förderung unterstützt und begleitet die Schülerinnen<br />

und Schüler durch möglichst früh einsetzende Hilfen. Dabei gilt es,<br />

soziokulturell bedingte Benachteiligungen und soziale Randständigkeit zu<br />

berücksichtigen sowie psychosoziale Verletzungen zu beachten.“ (KMK<br />

1999:3)<br />

Darüber hinaus soll die Förderschule sowohl den Schülern als<br />

auch ihren Eltern beraterische Unterstützung in Bezug auf<br />

Alltagsbewältigung und Berufsfindung leisten (ebd.). Ebenso<br />

werden die Schüler dazu befähigt, einen Kooperationsrahmen<br />

zu schaffen, in dem sie durch ständigen sozialen Austausch<br />

eine Bereitschaft zur Verantwortungsübernahme entwickeln<br />

und unter Rücksichtnahme und Hilfsbereitschaft konfliktbewältigend<br />

miteinander agieren können (ebd.:5ff.).<br />

Die Förderschule mit dem Schwerpunkt Lernen bietet im Vergleich<br />

zu den anderen Förderschulformen sehr eingeschränkte<br />

Abschlussmöglichkeiten. Die Klasse zehn führt in der Regel<br />

zum Abschluss des Bildungsgangs im Förderschwerpunkt Lernen,<br />

jedoch wird auch den Schülern durch die Teilnahme an<br />

einem besonderen Bildungsgang die Möglichkeit eingeräumt,<br />

einen dem Hauptschulabschluss nach Klasse neun gleichwertigen<br />

Abschluss zu erwerben (MSW NRW 2006:43ff.). Im Anschluss<br />

an die o.g. Abschlüsse können Förderschulabsolventen<br />

an einigen Berufskollegs mit sonderpädagogischer Förderung<br />

auch Abschlüsse im berufsbildenden Bereich erwerben<br />

(ebd.:27).<br />

65 © Interculture Journal 2011 | 15


Akbulut: Chancengleichheit – ein (ir)realistischer Anspruch?<br />

2.2 Schwerpunkte und Orte der sonderpädagogischen<br />

Förderung<br />

Nach § 1 Abs. 1 der AO-SF 2 (2010) lässt sich sonderpädagogische<br />

Förderung grundsätzlich in folgende Schwerpunktbereiche<br />

kategorisieren:<br />

• Lernen,<br />

• Sprache,<br />

• Emotionale und soziale Entwicklung,<br />

• Hören und <strong>Kommunikation</strong>,<br />

• Sehen,<br />

• Geistige Entwicklung,<br />

• Körperliche und motorische Entwicklung.<br />

Die Realisierung sonderpädagogischer Förderung kann sowohl<br />

als Frühförderung vor Beginn der Schulpflicht als auch<br />

in Schulen der Primarstufe, der Sekundarstufe I und II in verschiedenen<br />

Organisationsformen erfolgen, und zwar durch:<br />

• den Besuch einer allgemeinen Schule im gemeinsamen<br />

Unterricht bzw. in integrativen Lerngruppen oder<br />

• durch den Besuch sonderpädagogischer Förderklassen an<br />

allgemeinen Berufskollegs oder<br />

• den Besuch einer Förderschule oder<br />

• den Besuch von Schulen für Kranke (AO-SF 2010 § 1 Abs.<br />

2).<br />

Die Schulaufsichtsbehörde entscheidet auf der Grundlage der<br />

pädagogischen Gutachtenempfehlung über den sonderpädagogischen<br />

Förderbedarf, den Förderschwerpunkt bzw. die<br />

Förderschwerpunkte und über den Förderort. Die Eltern werden<br />

in einem persönlichen Gespräch über die intendierte Entscheidung<br />

und die Gründe hierfür in nachprüfbarer Weise<br />

informiert (AO-SF 2010 § 12 Abs. 5, 6, § 13 Abs. 1).<br />

3. Verfahren zur Feststellung des sonderpädagogischen<br />

Förderbedarfs<br />

Zum besseren Nachvollzug der angedeuteten Problematik<br />

bedarf es einiger Hintergrundinformationen über den Ablauf<br />

des sonderpädagogischen Überprüfungsverfahrens, das im<br />

Folgenden näher konkretisiert werden soll.<br />

Ein Antrag auf Eröffnung des Verfahrens zur Feststellung des<br />

sonderpädagogischen Förderbedarfs kann zum einen erfolgen<br />

durch die Eltern und zum anderen durch die allgemeine<br />

© Interculture Journal 2011 | 15 66


Akbulut: Chancengleichheit – ein (ir)realistischer Anspruch?<br />

Schule nach Rücksprache mit den Eltern und unter Darlegung<br />

der Antragsgründe (AO-SF 2010 § 11 Abs. 1). Im Anschluss<br />

daran beauftragt die Schulaufsichtsbehörde zur Erstellung<br />

eines pädagogischen Gutachtens eine qualifizierte Sonderschullehrkraft<br />

und eine Lehrkraft der allgemeinen Schule (in<br />

der Regel der jeweilige Klassenlehrer) (AO-SF 2010 § 12 Abs.<br />

1). In die Gesamtbewertung fließen zusätzlich auch die Ergebnisse<br />

aus der von der Schulaufsichtsbehörde verordneten<br />

schulärztlichen Untersuchung, die eine „Feststellung des körperlichen<br />

Entwicklungsstandes und die Beurteilung der allgemeinen<br />

gesundheitlich bedingten Leistungsfähigkeit einschließlich<br />

der Sinnesorgane […]“ impliziert, ein (AO-SF 2010<br />

§ 12 Abs. 3:2). Des Weiteren soll in dem Gutachten der gegenwärtige<br />

Leistungsstand des Kindes im Hinblick auf die<br />

Leistungsanforderungen und Fördermöglichkeiten der künftig<br />

zu besuchenden Schulform expliziert und miteinander kontrastiert<br />

werden. Hierbei werden die verfügbaren Ressourcen<br />

wie auch die Einschränkungen, die sich aus der aktuellen<br />

schulischen Problemsituation des Kindes ergeben, unter Angabe<br />

von möglichen Ursachen für die spezifischen Lernschwierigkeiten<br />

beschrieben (MSWF NRW 2002:10). Die<br />

Chancen und Schwierigkeiten der vom Kind bisher in Anspruch<br />

genommenen Fördermaßnahmen sollen ebenfalls in<br />

die gutachterliche Beurteilung eingehen. Anschließend werden<br />

Schlussfolgerungen für den weiteren Schulverlauf getätigt<br />

und Empfehlungen über den geeigneten Förderort begründend<br />

dargelegt. Über den schulischen Kontext hinausgehend<br />

soll in einer Person-Umfeld-Analyse auch das weitere<br />

soziale Umfeld des Kindes in das sonderpädagogische Überprüfungsverfahren<br />

einbezogen werden, d. h. es werden konkrete<br />

Aussagen über „die Interessen, Einstellungen, Fähigkeiten<br />

des Kindes, die Bedingungen seines direkten Umfeldes<br />

und seine Erwartungen an Schule […]“ getroffen (MSWF<br />

NRW 2002:10). Im weiteren Verlauf wird die bisherige Lernentwicklung<br />

sowie der aktuelle Leistungs-, Lern- und Entwicklungsstand<br />

des Kindes unter Einschluss medizinischer und gegebenenfalls<br />

auch psychologischer Diagnostik in den folgenden<br />

Bereichen festgehalten:<br />

• „Erkenntnisse vorschulischer oder außerschulischer Institutionen;<br />

• Schulischer Bildungsweg und aktuelle Lernbedingungen;<br />

• Selbstkonzept;<br />

• Lernentwicklung und Leistungsstand;<br />

• Arbeits- und Sozialverhalten;<br />

• Wahrnehmung;<br />

• Körperliche und motorische Entwicklung;<br />

67 © Interculture Journal 2011 | 15


Akbulut: Chancengleichheit – ein (ir)realistischer Anspruch?<br />

• Geistige Entwicklung;<br />

• <strong>Kommunikation</strong>sfähigkeit;<br />

• Außerschulische Lebensbedingungen“ (MSWF NRW<br />

2002:11).<br />

Infolgedessen legitimieren Störungen bzw. Beeinträchtigungen<br />

in einem oder mehreren der oben aufgeführten Bereiche<br />

einen sonderpädagogischen Förderbedarf und lassen zugleich<br />

den Förderschwerpunkt sowie das Ausmaß der Förderung<br />

erkennen. Daran anknüpfend wird in einem Problem-<br />

Resümee hinsichtlich folgender Punkte Klärung erzielt:<br />

• die bisherigen Fördermaßnahmen,<br />

• das Ausmaß des sonderpädagogischen Förderbedarfs,<br />

• die Kriterien, die einen Förderbedarf erfordern und<br />

• die Rahmenbedingungen zur Realisierung der sonderpädagogischen<br />

Förderung (MSWF NRW 2002:11ff.).<br />

Anschließend werden die erhobenen Daten und die gewonnenen<br />

Erkenntnisse einer Endbetrachtung unterzogen und es<br />

erfolgt eine Bewertung von Seiten der sonderpädagogischen<br />

Lehrkraft unter Berücksichtigung der Stellungnahmen aller<br />

am Überprüfungsverfahren Mitwirkenden (ebd.:13). Auch das<br />

Ergebnis des Gesprächs, das während der Erstellung des Gutachtens<br />

mit den Erziehungsberechtigten geführt wird, soll<br />

Eingang in die Dokumentation finden (AO-SF 2010 § 12 Abs.<br />

2). Abschließend werden dann resümierend Art, Umfang und<br />

Dauer der notwendigen beeinträchtigungsbedingten Förderung<br />

in einem Gutachten festgehalten und zur endgültigen<br />

Entscheidung über den sonderpädagogischen Förderbedarf<br />

der Schulaufsichtsbehörde vorgelegt. Die Gutachtenergebnisse<br />

fungieren als Grundlage für die darauffolgende Erstellung<br />

des individuellen Förderplans (MSWF NRW 2002, AO-SF 2010<br />

§ 12 Abs. 4).<br />

4. Überblick über die schulische Situation von Kindern<br />

mit nicht-deutscher Erstsprache in NRW<br />

Im Folgenden geht es vorrangig darum, eine Übersicht über<br />

die Verteilung von Schülern mit nicht-deutscher Erstsprache<br />

im Vergleich zu Schülern mit Deutsch als Erstsprache auf diverse<br />

Schulformen bezogen auf Nordrhein-Westfalen zu geben.<br />

Die in diesem Zusammenhang verwendeten Daten<br />

stammen aus den Datenbanken und Datensammlungen des<br />

Statistischen Bundesamtes und der jährlichen Schulstatistik,<br />

die im Auftrag des Ministeriums für Schule und Weiterbildung<br />

des Landes Nordrhein-Westfalen herausgegeben wird.<br />

© Interculture Journal 2011 | 15 68


Akbulut: Chancengleichheit – ein (ir)realistischer Anspruch?<br />

Hierbei wurden die Werte, die in absoluten Zahlen angegeben<br />

waren, in Prozentangaben umgerechnet.<br />

Gegenwärtig beläuft sich der Gesamtanteil von nichtdeutschstämmigen<br />

Schülern im Schuljahr 2009/2010 in Nordrhein-Westfalen<br />

auf 11,3 Prozent, was den fünfthöchsten<br />

Anteil im allgemeinbildenden Schulsystem darstellt (StaBa<br />

2011:201). Abbildung 1 exemplifiziert die prozentuale Verteilung<br />

der Schüler auf die verschiedenen Schulformen, differenziert<br />

nach Staatsangehörigkeit.<br />

Abb. 1: Prozentuale Verteilung auf die Schulformen nach Staatsangehörigkeit<br />

im Schuljahr 2010/2011 in NRW. Quelle: MSW NRW<br />

2011:125. *F G/H und F R/GY stehen für: „Förderschulen in den<br />

Bildungsbereichen Grundschule, Hauptschule, Realschule und<br />

Gymnasium“ und bezeichnen die Förderschulen mit den verschiedenen<br />

Hauptförderschwerpunkten.<br />

Die obige Abbildung lässt nach einem kollektiven Start in der<br />

Grundschule einige markante Punkte im weiteren Schulverlauf<br />

der Schüler erkennen. Die Hauptschulen in NRW verzeichnen<br />

für das Schuljahr 2010/2011 mit 18,06 Prozent einen<br />

2,3 Mal höheren Anteil von nicht-deutschen Schülern<br />

gegenüber deutschen Schülern, deren Anteil an dieser Schulform<br />

bei 7,87 Prozent liegt. Dagegen werden die Gymnasien<br />

2,5 Mal häufiger von deutschen Schülern besucht (30,52 Prozent)<br />

als von Schülern mit nicht-deutscher Herkunft (11,94<br />

Prozent). Auffällig ist auch die Förderschulbesuchsquote<br />

nicht-deutscher Schüler, die mit 7,53 Prozent nahezu dem<br />

doppelten Anteil deutscher Förderschulbesucher (4,31 Prozent)<br />

entspricht. Als mögliche Erklärung hierfür wäre eine<br />

häufigere Empfehlung für eine sonderpädagogische Förderung<br />

an einer allgemeinen Schule im gemeinsamen Unterricht<br />

für deutsche Kinder denkbar im Vergleich zu Schülern mit<br />

nicht-deutscher Herkunft, die den statistischen Angaben zufolge<br />

tendenziell häufiger an Förderschulen sonderpädagogisch<br />

gefördert werden. Da bei den integrativ geförderten<br />

Schülern hinsichtlich ihrer Staatsangehörigkeit keine Differen-<br />

69 © Interculture Journal 2011 | 15


Akbulut: Chancengleichheit – ein (ir)realistischer Anspruch?<br />

zierung vorgenommen wurde, lässt sich diese Vermutung anhand<br />

der vorliegenden schulstatistischen Daten nicht genauer<br />

überprüfen.<br />

Bezugnehmend auf den Förderschwerpunkt verdeutlicht Abb.<br />

2, dass 54,59 Prozent der nicht-deutschstämmigen Schüler<br />

eine sonderpädagogische Förderung im Schwerpunkt Lernen<br />

erhalten. Wohingegen lediglich 6,3 Prozent im Bereich Sprache<br />

als förderbedürftig eingestuft werden. Dies liegt insbesondere<br />

darin begründet, dass in der Ausbildungsordnung<br />

sonderpädagogischer Förderung für Schüler aus Zuwandererfamilien<br />

gemäß § 18 Abs. 1 (2010:3) Folgendes verordnet<br />

wird:<br />

„Fehlende Kenntnisse der deutschen Sprache begründen keinen sonderpädagogischen<br />

Förderbedarf. Bei Schülerinnen und Schülern ohne hinreichende<br />

Kenntnisse der deutschen Sprache ist der Antrag einer allgemeinen<br />

Schule auf Eröffnung des Verfahrens (§ 11 Abs. 1) wegen einer Lern- oder<br />

Entwicklungsstörung (§ 5) frühestens nach 20 Schulbesuchswochen möglich."<br />

Abb. 2: Ausländische Schüler nach Förderschwerpunkten im Schuljahr<br />

2009/2010 in NRW (Angabe in Prozent). Quelle: StaBa 2011:189.<br />

5. Fazit<br />

Rekapitulierend weisen die herausgearbeiteten statistischen<br />

Angaben auf eine scheinbar erhöhte Förderbedürftigkeit bei<br />

nicht-deutschen Kindern im Vergleich zu deutschen Kindern<br />

hin. Doch die asymmetrische Verteilung auf die verschiedenen<br />

Schulformen und die damit verbundene Überrepräsentativität<br />

von Kindern mit nicht-deutscher Herkunft an Förderschulen<br />

(siehe Abb. 1) verleihen diesem Faktum einen suspekten<br />

Eindruck und werfen die berechtigte Frage auf, welche<br />

benachteiligenden Faktoren dazu führen, dass überwiegend<br />

DAZ-Kinder eine schulische Förderung in Anspruch nehmen<br />

© Interculture Journal 2011 | 15 70


Akbulut: Chancengleichheit – ein (ir)realistischer Anspruch?<br />

müssen, um den Anforderungen des deutschen Schulsystems<br />

gerecht zu werden. Hierfür bieten die vorgestellten Aspekte,<br />

die zur Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs<br />

untersucht werden, möglicherweise einige Erklärungsansätze.<br />

Es wurde aufgeführt, dass in einer Person-Umfeld-Analyse<br />

mitunter auch die außerschulischen Lebensbedingungen der<br />

Kinder in den Untersuchungsfokus geraten. Dies bedeutet,<br />

dass neben der individuellen Entwicklung auch familiäre Voraussetzungen<br />

des Kindes hinsichtlich ihres Einflusses auf das<br />

Lernverhalten analysiert und in der Folge als förderliche bzw.<br />

hinderliche Bedingungen bewertet werden. Dabei schwingt<br />

im Hintergrund die Frage mit, welche Bedeutung dem Migrationsaspekt<br />

sowie dem Bildungs- und Berufsstatus der Eltern<br />

bei der Bewertung der Kriterien für einen sonderpädagogischen<br />

Förderbedarf zugesprochen wird. Ein weiteres Kriterium<br />

zur Feststellung der Förderbedürftigkeit stellt die <strong>Kommunikation</strong>sfähigkeit<br />

des Kindes dar. Hieran schließen sich<br />

sogleich die Fragen an, inwiefern die kommunikativen erstsprachlichen<br />

Kompetenzen bei bilingualen Kindern berücksichtigt<br />

werden und ob bei der Ermittlung des Sprachstandes<br />

das Bewusstsein dafür herrscht, dass beim sukzessiven Bilingualismus<br />

der bilinguale Erwerb mit dem monolingualen Erwerb<br />

vergleichbar ist, dass jedoch der zeitliche Ablauf der<br />

Zweitsprachentwicklung verzögert eintritt (Tracy 2008:<br />

126ff.). In diesem Zusammenhang ist es erwähnenswert, dass<br />

alle 4-jährigen Kinder in NRW einem obligatorischen Sprachstandfeststellungsverfahren<br />

DELFIN 4 unterzogen werden, das<br />

darauf abzielt, Sprachdefizite durch entsprechende Fördermaßnahmen<br />

zu kompensieren. Hierbei bleibt es fraglich, ob<br />

ein Kind, das bereits in der Vorschule als sprachauffällig und<br />

förderbedürftig klassifiziert wurde, ein erhöhtes Risiko für eine<br />

Förderschulempfehlung trägt. Vor dem Hintergrund des<br />

monolingualen Habitus (Gogolin 1994) des deutschen Bildungssystems<br />

verdichten sich die Anzeichen, dass die migrationsbedingte<br />

Bilingualität des Kindes zunehmend als Problemfaktor<br />

fokussiert wird, da als Maßstab der monolinguale<br />

Spracherwerb fungiert. Diese Annahme lässt konkludieren,<br />

dass förderbedürftige Sprachschwierigkeiten in generelle<br />

Schwierigkeiten umdefiniert werden, wodurch wiederum eine<br />

erhöhte Förderbedürftigkeit nicht nur legitimiert, sondern<br />

auch perpetuiert wird (Gomolla / Radtke 2007:204). Die in<br />

Bezug auf den Förderschwerpunkt herausgearbeiteten Aspekte<br />

(siehe Abb. 2) exemplifizieren diese Vermutung und lassen<br />

zugleich die Frage aufkommen, warum DAZ-Kinder aufgrund<br />

ihrer unzureichenden Sprachkenntnisse überwiegend an eine<br />

Förderschule überwiesen werden (siehe Abb. 1), wo doch explizit<br />

darauf hingewiesen wird, dass Schüler ohne hinreichende<br />

Kenntnisse in der deutschen Sprache integrativ im gemeinsamen<br />

Unterricht an einer allgemeinen Schule sonder-<br />

71 © Interculture Journal 2011 | 15


Akbulut: Chancengleichheit – ein (ir)realistischer Anspruch?<br />

pädagogisch gefördert werden sollen (AO-SF 2010 § 18 Abs.<br />

1). Bezugnehmend auf die obigen Ausführungen lässt sich<br />

schlussfolgern, dass Kinder mit nicht-deutscher Herkunft<br />

günstige Voraussetzungen für eine sonderpädagogische Diagnose<br />

mitbringen, wie in etwa ihre migrationsbedingte Bilingualität,<br />

ihr soziales Umfeld oder der Migrationsaspekt<br />

selbst. Diese Faktoren korrespondieren damit, dass aufgrund<br />

von ethnisierenden und kulturalisierenden Zuschreibungen<br />

seitens der Lehrkräfte die Bewältigung von künftigen schulischen<br />

Anforderungen bei Schülern mit nicht-deutscher Erstsprache<br />

per se angezweifelt wird (Gomolla / Radtke<br />

2007:211). Folglich führt dies dazu, dass ihnen weniger ein<br />

Gymnasiums- bzw. Realschulbesuch zugetraut wird. Somit<br />

scheinen Schulformen wie Förder- bzw. Hauptschulen als geeignetere<br />

Lernorte für diese Schüler zu fungieren. Ausgehend<br />

davon führt die Deklassierung in eine niedrige Schulform zu<br />

niedrig qualifizierenden Schulabschlüssen und in der weiteren<br />

Folge zur Minderung der Bildungschancen. Dieses Vorgehen<br />

wird durch die Selektionsmechanismen der (Grund-) Schule,<br />

wie beispielsweise durch einen Antrag zur Feststellung des<br />

sonderpädagogischen Förderbedarfs oder durch die Empfehlungsschreiben<br />

für die weiterführenden Schulen, plausibilisiert<br />

und legitimiert (Gomolla / Radtke 2007:213). Insofern gilt es,<br />

die Ursachen für das Scheitern von nicht-deutschstämmigen<br />

Kindern primär in institutionellen Gegebenheiten zu suchen,<br />

zu identifizieren und kritisch zu hinterfragen. Demzufolge<br />

erfordert dieser Tatbestand einen dringenden Handlungsbedarf,<br />

resolute Maßnahmen zur Aufdeckung und evaluativen<br />

Überprüfung der schulischen Selektions- und Ungleichheitsmechanismen.<br />

Dies wäre ein wichtiger Schritt auf dem Weg<br />

zur Beseitigung von institutioneller Diskriminierung und ethnischer<br />

Marginalisierung. Angesichts der ausgebreiteten Gedanken<br />

lässt sich an dieser Stelle abschließend in berechtigter<br />

und prononcierter Weise die Frage aufwerfen:<br />

Sind es die Schüler mit nicht-deutscher Herkunft, die den Anforderungen<br />

des deutschen Bildungssystems nicht gerecht<br />

werden oder ist es das deutsche Bildungssystem, das den Anforderungen<br />

einer Einwanderungsgesellschaft nicht gerecht<br />

wird?<br />

Literatur<br />

Fereidooni, K. (2011): Schule – Migration – Diskriminierung. Ursachen der<br />

Benachteiligung von Kindern mit Migrationshintergrund im deutschen<br />

Schulwesen. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.<br />

Gogolin, I. (1994): Der monolinguale Habitus der multilingualen Schule.<br />

Münster, New York: Waxmann Verlag.<br />

© Interculture Journal 2011 | 15 72


Akbulut: Chancengleichheit – ein (ir)realistischer Anspruch?<br />

Gomolla, M. / Radtke, F. (2007): Institutionelle Diskriminierung. Die Herstellung<br />

ethnischer Differenz in der Schule. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.<br />

Kultusministerkonferenz – KMK (1999): Empfehlungen zum Förderschwerpunkt<br />

Lernen. Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 01.10.1999.<br />

URL: http://www.kmk.org/fileadmin/pdf/PresseUnd<strong>Aktuelle</strong>s/2000/sopale.<br />

pdf [Zugriff am 02.12.2011].<br />

Ministerium für Schule und Weiterbildung (MSW) des Landes Nordrhein-<br />

Westfalen (2006): Sonderpädagogische Förderung in Nordrhein-Westfalen.<br />

Informationen für Eltern von Kindern mit Behinderungen. Bochum: Druckzentrum<br />

Hußmann GmbH.<br />

Ministerium für Schule und Weiterbildung (MSW) des Landes Nordrhein-<br />

Westfalen (2011): Das Schulwesen in Nordrhein-Westfalen aus quantitativer<br />

Sicht 2010/11. URL: http://www.schulministerium.nrw.de/BP/Schulsys<br />

tem/Statistik/2010_11/StatUebers373.pdf [Zugriff am 02.12.2011].<br />

Ministerium für Schule, Wissenschaft und Forschung (MSWF) des Landes<br />

Nordrhein-Westfalen (2002): Das pädagogische Gutachten. Sonderpädagogischer<br />

Förderbedarf und schulischer Förderort. Materialien Handreichung.<br />

Frechen: Ritterbach Verlag GmbH.<br />

Schulgesetz NRW – Ausbildungsordnung sonderpädagogische Förderung –<br />

AO-SF. Schulministerium NRW (Hrsg.): AO – SF (Stand: 1.7.2010). URL:<br />

http://www.schulministerium.nrw.de/BP/Schulrecht/APOen/AO_SF.pdf [Zugriff<br />

am 02.12.2011].<br />

Statistisches Bundesamt – StaBa (2011): Bildung und Kultur. Allgemeinbildende<br />

Schulen. Schuljahr 2009/2010. Wiesbaden: Statistisches Bundesamt,<br />

Fachserie 11, Reihe 1, 2009/10.<br />

Tracy, R. (2008): Wie Kinder Sprachen lernen und wie wir sie dabei unterstützen<br />

können. Tübingen: Francke-Verlag.<br />

1 Im Folgenden wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit nur<br />

die maskuline Form Schüler verwendet.<br />

2 AO-SF steht für Ausbildungsordnung sonderpädagogischer<br />

Förderung.<br />

73 © Interculture Journal 2011 | 15


75<br />

79<br />

Rezensionen<br />

Rommerskirchen, Jan (2011): Prekäre <strong>Kommunikation</strong>:<br />

Die Vernehmung in der multikulturellen Gesellschaft<br />

Rezensiert von: Sara Dirnagl<br />

Hansen, Klaus P. (2011): Kultur und Kulturwissenschaft<br />

(4. Auflage)<br />

Rezensiert von: Alexandra Stang


„Prekäre<br />

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Kommunikati-<br />

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on: Die Vernehmung in<br />

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der multikulturellen Gesellschaft“<br />

von Jan<br />

Rommerskirchen<br />

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Sara Dirnagl<br />

Please Please insert insert information information about about<br />

the the author author here here (e.g. (e.g. title, title, posiposi- Wissenschaftliche Mitarbeiterin<br />

tion,tion, institution) institution)<br />

am Lehrstuhl für Interkulturelle<br />

<strong>Kommunikation</strong> und Konfliktforschung<br />

an der Universität der<br />

Bundeswehr München<br />

Dirnagl: „Prekäre <strong>Kommunikation</strong>: Die Vernehmung in der multikulturellen Gesellschaft“ von Jan<br />

Rommerskirchen<br />

Rezension<br />

Interkulturelle <strong>Kommunikation</strong> ist, wie jede <strong>Kommunikation</strong>,<br />

auch abhängig von ihrem Kontext und den Intentionen der<br />

Beteiligten. Gehen die Intentionen der Beteiligten nun sehr<br />

weit auseinander und ist die <strong>Kommunikation</strong> von starken<br />

Machtdifferenzen geprägt, kann von einer prekären <strong>Kommunikation</strong><br />

gesprochen werden. Jan Rommerskirchen untersucht<br />

diese Art der <strong>Kommunikation</strong> am Beispiel interkultureller Vernehmungen<br />

in der Polizeiarbeit in Deutschland. Er verbindet<br />

die sprachpragmatische Philosophie mit den <strong>Kommunikation</strong>s-<br />

und Kulturwissenschaften, indem er das Verhältnis zwischen<br />

<strong>Kommunikation</strong>, Kultur und Vernehmungen in der Polizeiarbeit<br />

untersucht. Das Ergebnis ist eine Reihe an <strong>Kommunikation</strong>sstrategien,<br />

die er speziell bei interkulturellen Vernehmungen<br />

ausmacht und auf theoretischer Ebene differenziert.<br />

Interkulturelle Vernehmungen kommen auf Grund der<br />

multikulturell zusammengesetzten Gesellschaft in Deutschland<br />

nicht nur immer häufiger vor, sondern gehen auch oft<br />

ohne ein konkretes Ergebnis aus. Wobei eine erfolgreiche<br />

Vernehmung bewusst aus Sicht der Vernehmenden, also aus<br />

kriminalistischer Perspektive, beobachtet wird. Das heißt, sie<br />

gilt dann als erfolgreich, wenn der Vernommene zu einem<br />

Geständnis oder einer Informationspreisgabe motiviert werden<br />

kann. Um dieses Ziel zu erreichen, muss die <strong>Kommunikation</strong><br />

nach Ansicht Rommerskirchens entsprechend vom Vernehmenden<br />

geleitet und dirigiert werden, was besonders bei<br />

Gesprächen mit einer kleinen gemeinsamen kulturellen Basis<br />

spezifische Vorgehensweisen erfordert.<br />

Jan Rommerskirchen hat seine Dissertation in der Philosophie<br />

in einer leicht überarbeiteten Version 2011 beim VS Verlag<br />

für Sozialwissenschaften veröffentlicht. Unterteilt in Kapitel<br />

zur <strong>Kommunikation</strong>, zur Kultur, zur Vernehmung und zu<br />

Vernehmungen in der multikulturellen Gesellschaft werden<br />

auf sehr theoretischer Ebene Begriffe und Theorien erklärt<br />

sowie Strategien zur erfolgreichen interkulturellen Vernehmung<br />

entwickelt. Die kommunikationswissenschaftliche Definition<br />

von Vernehmungen von Reichertz und Schröer dient<br />

Rommerskirchen dabei als Grundlage für seine weitere Untersuchung.<br />

Vernehmungen als Beziehungsarbeit und als ein<br />

Aushandeln von Kooperation und Macht können hier nur<br />

durch gezielte <strong>Kommunikation</strong>sstrategien seitens des Vernehmers<br />

in die gewünschte Richtung geführt werden. Besonders<br />

bei interkulturellen Vernehmungen ist es nach Ansicht<br />

Rommerskirchens von großer Bedeutung, dass der Vernehmende<br />

über ein ausgeprägtes Wissen über Kultur und <strong>Kommunikation</strong>sgewohnheiten<br />

des Beschuldigten verfügt, da er<br />

nur so Rückschlüsse auf den möglichen deontischen Status<br />

und die eigene sowie fremde Rollenzuschreibung innerhalb<br />

75 © Interculture Journal 2011 | 15


Dirnagl: „Prekäre <strong>Kommunikation</strong>: Die Vernehmung in der multikulturellen Gesellschaft“ von Jan<br />

Rommerskirchen<br />

des Gesprächs ziehen kann. Der deontische Status entsteht<br />

nur dann, wenn die <strong>Kommunikation</strong>spartner sich jeweils zu<br />

einem normativen Status verpflichten und diese sich in Bezug<br />

auf die gemeinsame Situation in großen Teilen überschneiden.<br />

Die so entstehende Rollenzuschreibung ist essentiell in<br />

der Anerkennung von Macht. In Vernehmungen ist die Macht<br />

des Vernehmenden in erster Linie in seiner institutionellen<br />

Einbettung begründet, die Macht des Vernommenen liegt<br />

wiederum im Wissen über die Tat beziehungsweise über die<br />

eigene Rolle im Tathergang. Hier liegt auch das deutliche<br />

Dominanzgefälle in der Vernehmung begründet, da der Vernommene<br />

jederzeit das Gespräch verweigern und jeden Fortschritt<br />

verhindern kann. Auch die, oft kulturell geprägte<br />

Wahrnehmung des Beschuldigten von der Institution Polizei<br />

an sich beeinflusst die <strong>Kommunikation</strong> grundsätzlich, da sie<br />

in engem Zusammenhang mit der Autorität des Vernehmenden<br />

steht. Nur mit der Macht der Worte hat der Vernehmende<br />

hier dennoch die Möglichkeit eine Kooperation in der Vernehmung<br />

zu bewirken.<br />

Weiter kritisiert der Autor die von Habermas weiterentwickelte<br />

Theorie des Inferentialismus von Brandom. Dieser geht davon<br />

aus, dass in der diskursiven Praxis jeder Begriff immer<br />

auch in Relation zu anderen Begriffen steht. Er erhält nur<br />

durch den Sprecher Bedeutung, indem dieser ihm Bedeutung<br />

zuspricht und in Relation zu anderen Begriffen setzt. Der entsprechende<br />

Wahrheitsgehalt kann dann in der <strong>Kommunikation</strong><br />

verifiziert werden. Habermas hinterfragt die Möglichkeit<br />

dieser Verifikation und unterscheidet stattdessen zwischen<br />

wahren, wahrhaftigen und richtigen Sprechakten. Er weist<br />

zwar auf die Möglichkeit kultureller Differenzen in der Bedeutungszuschreibung<br />

hin, ist, so Rommerskirchen, in seiner<br />

Schlussfolgerung allerdings nicht konsequent. Da alle Sprechakte<br />

im Grunde einen normativen Charakter aufweisen und<br />

nur hinsichtlich der Möglichkeit der Verifikation in der <strong>Kommunikation</strong><br />

zu unterscheiden sind, nimmt Rommerskirchen<br />

lediglich eine Trennung zwischen normativen und deskriptiven<br />

Sprechakten vor.<br />

Weitere theoretische Grundlage ist Bocheńskis Definition von<br />

epistemischer, also auf Wissen beruhender, Autorität und deontischer<br />

Sanktions- sowie Solidaritätsautorität. Besonders die<br />

deontischen Autoritäten, die auf einer voluntativen Anerkennung<br />

beruhen, sieht Rommerskirchen als wichtigen Aspekt<br />

der Polizeiarbeit. Entscheidend für die Anerkennung der Autorität<br />

des Vernehmenden und das Einnehmen einer kooperativen<br />

Haltung, ist die freiwillige Einrichtung eines deontischen<br />

Status im Gespräch.<br />

Für die prekäre Gesprächssituation der Vernehmung stellt<br />

Rommerskirchen schließlich vier Beziehungsformen fest: Die<br />

© Interculture Journal 2011 | 15 76


Dirnagl: „Prekäre <strong>Kommunikation</strong>: Die Vernehmung in der multikulturellen Gesellschaft“ von Jan<br />

Rommerskirchen<br />

Annahme, die Akzeptanz, die Verweigerung und die Ablehnung.<br />

Zu Beginn einer Vernehmung muss der Vernehmende<br />

den Grad der Beziehungsform feststellen, um entsprechend<br />

mit einer von Rommerskirchen formulierten <strong>Kommunikation</strong>sstrategie<br />

zu reagieren und eine Kooperation zu fördern.<br />

Einvernehmen, Beratung, Verhandlung und Vermittlung stellen<br />

die grundsätzlichen Strategien dar, die ein Verhör mit kultureller<br />

Differenz der Gesprächspartner zum kriminalistischen<br />

Erfolg verhelfen sollen. Sie sind jeweils als direkte Reaktion<br />

auf die zuvor festgestellten Beziehungsformen sowie Veränderungen<br />

im Gespräch zu verstehen und beinhalten insbesondere<br />

Ratschläge zur Nutzung von primär normativen oder<br />

deskriptiven Sprechakten. Da deontische Einstellungen die<br />

Person mit entsprechenden sozialen Gruppen verbindet, können<br />

sie ebenso eine prekäre Situation bezüglich normativer<br />

Rollenzuschreibungen bewirken. Hier kann der Vernehmende<br />

ansetzen und beispielsweise durch in-group Versprechen innerhalb<br />

der Vernehmung möglicherweise ein Geständnis bewirken.<br />

Der Leser erhält mit dem vorliegenden Buch einen umfangreichen<br />

Einblick in verschiedene Forschungsfelder, die Rommerskirchen<br />

als Grundlage für seine Theoriebildung nutzt. In<br />

anschaulicher Schreibweise, mit einigen Beispielen, werden<br />

neben den zentralen Begriffen auch Themen ergründet, die<br />

zunächst keinen direkten Zusammenhang mit der Fragestellung<br />

aufzeigen, dann aber von Rommerskirchen in einen Zusammenhang<br />

gebracht werden. So beispielsweise die Kapitel<br />

über „Wahrheit und Wahrhaftigkeit“, „Ordnung und Identität“,<br />

sowie „Einheit und Vielfalt“, die ein interessantes<br />

Grundlagenwissen vermitteln. Indem er sich mit den Theorien<br />

von Reichertz, Schröer und Brandom intensiv auseinandersetzt<br />

und diese weiterentwickelt, gelingt ihm eine schlüssige<br />

Theoriebildung für interkulturelle Vernehmungen. Ob diese<br />

Theorie bestätigt werden kann, müsste allerdings noch empirisch<br />

nachgewiesen werden. Ebenso ist es fraglich, ob das<br />

Grundkonzept der deontischen Kontenführung ausreicht, um<br />

ein so komplexes Vorgehen wie die menschliche <strong>Kommunikation</strong><br />

zu erfassen. Schließlich wird das Funktionieren der<br />

<strong>Kommunikation</strong> hier lediglich vom Gleichstand deontischer<br />

Konten und Bedeutungszuschreibungen abhängig gemacht.<br />

Im Sinne Kants folgert Rommerskirchen aus der Definition des<br />

Menschen als freies und vernünftiges Wesen, dass sich ein<br />

Mensch freiwillig bestimmten Regeln und Grundsätzen einer<br />

Kultur unterwirft und sich für einen normativen Status entscheidet.<br />

Genau hier ist auch die Notwendigkeit der Selbstreflexion<br />

im interkulturellen Kontakt erkennbar, die vom Autor<br />

noch besser hätte herausgearbeitet werden können. Besonders<br />

interessant ist die Auseinandersetzung mit Brandoms<br />

Inferentialismus, da hier der reziproke Zusammenhang zwi-<br />

77 © Interculture Journal 2011 | 15


Dirnagl: „Prekäre <strong>Kommunikation</strong>: Die Vernehmung in der multikulturellen Gesellschaft“ von Jan<br />

Rommerskirchen<br />

schen Wahrheit und <strong>Kommunikation</strong> deutlich wird. Im Anschluss<br />

hätte der Autor vielleicht noch genauer auf die<br />

dadurch sichtbare Dynamik sowie den Konstruktionscharakter<br />

der normativen Status und der Wirklichkeitswahrnehmung<br />

eingehen können.<br />

In seiner Diskussion zur Rolle des Vernehmenden entschließt<br />

sich der Autor überraschend zu einem Plädoyer, das an dieser<br />

Stelle aus dem Rahmen zu fallen scheint, da es nicht plausibel<br />

in den Argumentationsstrang passt. Ein Aufruf zur Öffnung<br />

der Vernehmungen für die Öffentlichkeit wäre vielleicht im<br />

Schlussteil der Arbeit eher angebracht. In Kapitel 4.4 statuiert<br />

der Autor außerdem, dass es in den gängigsten Vernehmungssituationen<br />

lediglich zwei Beziehungsformen gäbe: kulturelle<br />

Differenz und kulturelle Kongruenz. Hier ist zunächst<br />

der Begriff der kulturellen Kongruenz äußerst schwierig. Die<br />

kulturelle Prägung verschiedener Personen als deckungsgleich<br />

zu bezeichnen ist ein gewagtes Unterfangen, da es der Individualität<br />

und vielfältigen Prägung eines jeden Menschen widerspricht.<br />

Auch die Beschreibung dieser Zustände als zwei<br />

gegensätzliche Pole ist schwierig, weshalb er etwas später die<br />

Aussage reduziert und von einer Achse spricht, auf der sich<br />

die Beziehung einordnen lässt. Eine präzisere Definition der<br />

Begriffe wäre hier hilfreich. Obwohl Rommerskirchen Nationalität<br />

zunächst nicht als Ursache von Kultur bezeichnet, so<br />

erkennt er doch eine größere kulturelle Differenz bei Vernehmungen<br />

zwischen Deutschen und Menschen anderer Nationalität,<br />

als in einem mononationalen Gespräch. So sei beispielsweise<br />

das deontische Konto für einen Polizisten bei<br />

Deutschen gut gefüllt, was eine stark verallgemeinernde Aussage<br />

ist und an dieser Stelle erklärt werden müsste.<br />

Insgesamt handelt es sich um ein sehr lesenswertes Buch mit<br />

interessanten Ansätzen und neuen Ideen, das an einigen Stellen<br />

ausführlicher und genauer, an anderen wiederum kürzer<br />

und mit mehr empirischen Beispielen hätte ausfallen können.<br />

Die interdisziplinäre Verbindung von den <strong>Kommunikation</strong>swissenschaften<br />

mit den Kulturwissenschaften und einer<br />

grundlegenden philosophischen Herangehensweise lässt einen<br />

neuen Ansatz entstehen, der es vermag, selbst prekäre<br />

interkulturelle <strong>Kommunikation</strong> zu erforschen.<br />

Rommerskirchen, Jan (2011): Prekäre <strong>Kommunikation</strong>: Die<br />

Vernehmung in der multikulturellen Gesellschaft. Wiesbaden:<br />

VS Verlag für Sozialwissenschaften. 288 Seiten. Preis 39,95<br />

EUR. ISBN 978-3-531-17929-2.<br />

© Interculture Journal 2011 | 15 78


„Kultur und Kulturwissenschaft“<br />

von Klaus P.<br />

Hansen<br />

Alexandra Stang<br />

Projektmitarbeiterin Publikationen<br />

und Interkulturelle Bildung an der<br />

TU Kaiserslautern<br />

Stang: „Kultur und Kulturwissenschaft“ von Klaus P. Hansen<br />

Rezension<br />

Es scheint außer Frage, dass Kultur und damit auch die Kulturwissenschaften<br />

in all ihren Facetten im 21. Jahrhundert<br />

sowohl in privaten als auch beruflichen Kontexten eine neue<br />

Phase der Hochkonjunktur nach sich ziehen. „Nach 16 Jahren<br />

eine 4. Auflage zu erleben, ist höchstens Einführungen und<br />

Lehrbüchern vergönnt“ (2011:7), dies schreibt der renommierte<br />

und bekannte Passauer Professor und Kulturwissenschaftler<br />

Klaus P. Hansen hierzu in seinem Vorwort zu diesem<br />

Band. Sehr gute Gründe für die vorliegende, in weiten Teilen<br />

vollständig überarbeitete Publikation gibt es viele. Hervorzuheben<br />

sind dabei insbesondere die Komplexität von Globalisierungsprozessen<br />

und damit die Entstehung von transnationalen<br />

Räumen im Rahmen der gesellschaftlichen Veränderungen.<br />

Diese wurden durch Migrationsentwicklungen, Demografie,<br />

Mergers in der Wirtschaft oder auch durch die Entstehung<br />

von Social Networks im Internet während der letzten<br />

Jahre maßgeblich begünstigt.<br />

Die skizzierten Kontexte bleiben somit nicht ohne Folgen für<br />

unser Kulturverständnis, denn damit verbunden ist gleichsam<br />

ein Wandel weg von statischen, homogenisierenden und in<br />

sich abgeschlossenen Kulturmodellen hin zu offenen, dynamischen<br />

netzwerkorientierten Kulturkonzepten (Bolten 2007:<br />

45ff.) Diesen Ausgangsbedingungen trägt Klaus P. Hansen in<br />

seiner Auseinandersetzung mit dem neuen Kulturbegriff und<br />

der zugrundeliegenden Kulturwissenschaft in vollem Umfang<br />

Rechnung und veranschaulicht diese in angemessener Weise.<br />

Dabei bricht er das nationalstaatliche Denken ganz bewusst<br />

auf, ohne jedoch nationalkulturelle Aspekte komplett in Frage<br />

zu stellen. Basierend auf der Kohärenzproblematik (Rathje<br />

2009:83ff.) und der bis heute gängigen Ethnisierung des Kulturbegriffs<br />

setzt sich der Autor kritisch mit den klassischen<br />

Kulturdimensionen-Modellen, Kulturstandardsierungen und<br />

den daraus resultierenden Wertephilosophien auseinander.<br />

Da in komplexen Kollektiven als multikulturelle Konstrukte<br />

keine Einheit im klassischen Sinne des Kohärenzdenkens<br />

möglich ist, stellt Klaus P. Hansen bewusst die Frage nach<br />

dem Kulturträger und der Zusammengehörigkeit von Kulturen<br />

in den Mittelpunkt seiner Argumentation des komplett<br />

überarbeiteten Kollektivteils der vorliegenden Einführung.<br />

Nicht der kulturelle Einheitsgedanke, sondern die ausführlich<br />

beschriebene „Multikollektivität“ und „Polykollektivät“ und<br />

damit verbundene Vielfalt führen letztlich zu einem kohäsiven<br />

Zusammenhalt in einer Kultur (Hansen 2011:139ff.).<br />

„Kultur schwebt nicht über den Wassern, sondern wird konkret<br />

an Gegenständen angetroffen, die man Kulturträger nen-<br />

79 © Interculture Journal 2011 | 15


Stang: „Kultur und Kulturwissenschaft“ von Klaus P. Hansen<br />

nen könnte.“ (Hansen 2009a:7). Das theoretische Gerüst der<br />

vierten Auflage basiert daher auf der skizzierten Annahme,<br />

dass Kollektive als Kulturträger eine Kultur haben. Das kulturtheoretisch<br />

fundierte und nachvollziehbare Konzept der<br />

menschlichen Kollektivität speist sich andererseits aus zahlreichen<br />

Unterkollektiven, wie zum Beispiel den Team- oder Organisationskulturen.<br />

Die aktuelle Publikation lässt sich inhaltlich in sechs große Abschnitte<br />

unterteilen:<br />

Der erste Abschnitt umreißt Kultur als ein Phänomen, das uns<br />

alle betrifft. Es geht hierbei in erster Linie um ein Begriffsverständnis<br />

der Kultur und Kulturwissenschaft. Im zweiten Kapitel<br />

wird das Verhältnis von Kultur und Natur anhand von Beispielen<br />

kritisch diskutiert.<br />

Den dritten Schwerpunkt bilden „Standardisierungen, die in<br />

Kollektiven gelten“ (Hansen 2011:31ff.) Diese umfassen die<br />

Sprache, Aspekte des Denkens, Fühlens und Handelns, die<br />

auf den Grundlagen der Institutionentheorie basieren.<br />

Im Verlauf des vierten Abschnittes stellt der Autor seine neuen<br />

Erkenntnisse der Kollektivforschung vor, die auf der Veröffentlichung<br />

seines vorab erschienenen Buches „Kultur, Kollektiv,<br />

Nation“ (Hansen 2009b) basieren. Damit stellt Klaus P.<br />

Hansen den bis heute gebräuchlichen und teils unreflektierten<br />

Kategorisierungs- und Reduktionsschemata des 20. Jahrhunderts<br />

eine neue zeitgemäße Perspektive gegenüber. Diese<br />

belegt er im Rahmen seiner Argumentation ausführlich und<br />

nachvollziehbar mit anschaulichen Beispielen aus der alltäglichen,<br />

lebensweltlichen Praxis.<br />

Bis auf das bewährte Beispiel aus der Tennisclubszene wurde<br />

der vierte Schwerpunkt zu Individuum und Kollektiv komplett<br />

neu gefasst. Der Leser erhält somit eine fundierte Einführung<br />

in relevante Aspekte der Kollektivitätsforschung. Dazu gehören<br />

inhaltlich Begriffe wie Dachkollektiv, Multikollektivität,<br />

Polykollektivität, Präkollektiviät oder die pankollektive Klammer.<br />

All diese Aspekte sind untereinander vernetzt und machen<br />

Kultur und ihre vielfältigen Facetten in ihrer Komplexität<br />

erst begreifbar.<br />

Der fünfte Bereich diskutiert die Konsequenzen im Rahmen<br />

von Verallgemeinerungen und Pauschalurteilen, die mit der<br />

kollektiven Wahrnehmung verbunden sind.<br />

Den Abschluss der Einführung bilden philosophie- und<br />

sprachgeschichtliche Aspekte zu den Herausforderungen im<br />

Umgang und der Realisierung eines angemessenen Kulturverständnisses<br />

vor dem Hintergrund der Multi-, Inter- und Transkulturalität.<br />

Diese Aspekte leisten darüber hinaus einen Beitrag<br />

für ein entsprechendes Sinn- und Selbstverständnis.<br />

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Stang: „Kultur und Kulturwissenschaft“ von Klaus P. Hansen<br />

Insgesamt lässt sich festhalten, dass Kollektivität bisher ein zu<br />

wenig beachtetes Forschungs- und Praxisfeld im Rahmen der<br />

interkulturellen Kompetenzforschung ist. Mit seinem vorgelegten<br />

Band wendet sich der Autor an alle Leserinnen und<br />

Leser aus Wissenschaft und Praxis, die sich mit Kultur und<br />

Fragen der Kollektivität beschäftigen.<br />

Die Publikation bietet im Zeitalter der Transnationalsierung<br />

und Hybridisierung eine hervorragend fundierte theoretische<br />

und anwendungsbezogene Grundlage zur praktischen Kultur<br />

bzw. Kollektivbeschreibung. Des Weiteren bietet sie die Möglichkeit,<br />

die Komplexität der beschriebenen Phänomene und<br />

damit verbundene Aspekte wie Zugehörigkeit oder Ausgeschlossenheit<br />

in Gesellschaft und Wirtschaft angemessen analysieren<br />

und abbilden zu können.<br />

Darüber hinaus offeriert das Buch eine solide Basis, um für<br />

die spezifischen Besonderheiten interkulturellen Handelns<br />

und des interkulturellen Kompetenzerwerbs vor dem Hintergrund<br />

eines offenen Kulturbegriffs zu sensibilisieren. Der Autor<br />

versteht diesen Sachverhalt zu thematisieren, ohne die<br />

Komplexität, mit der Kulturverstehen traditionell verbunden<br />

ist, unrechtmäßig zu reduzieren. Die besondere Leserfreundlichkeit<br />

des Bandes und pointierte Darstellungsweise mit Praxisbezug<br />

bleibt in der überarbeiteten Auflage vollständig erhalten.<br />

Hansen, Klaus P. (2011): Kultur und Kulturwissenschaft. Tübingen:<br />

A. Francke Verlag UTB. 304 Seiten. Preis 18,90 EUR.<br />

ISBN 978-3-8252-3549-9.<br />

Literatur<br />

Bolten, J. (2007): Einführung in die interkulturelle Wirtschaftskommunikation.<br />

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.<br />

Hansen, K. P. (2009a): Zulässige und unzulässige Komplexitätsreduktion<br />

beim Kulturträger Nation. Intercultural Journal 8(8), S. 7-18.<br />

Hansen, K. P. (2009b): Kultur, Kollektiv, Nation. Schriften der Forschungsstelle<br />

Grundlagen Kulturwissenschaft. Passau: Karl Stutz Verlag.<br />

Hansen, K. P. (2011): Kultur und Kulturwissenschaft. Tübingen: A. Francke<br />

Verlag UTB.<br />

Rathje, S. (2009): Der Kulturbegriff. Ein anwendungsorientierter Vorschlag<br />

zur Generalüberholung. In: Moosmüller, A. (Hrsg.): Kulturelle Differenz.<br />

Münchner Beiträge zur Interkulturellen <strong>Kommunikation</strong>. Münster: Waxmann<br />

Verlag, S. 83-106.<br />

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