15.05.2015 Aufrufe

Zwei Hexen

„Gloria, es gefiel mir, wie du sprachst, und ich fand dich wunderschön. Das habe ich dir ja schon öfter gesagt, dass du die Schönste von allen bist.“ antwortete Andy. „Und du bist der Liebste, aber mit der Liebe das ist, glaube ich, etwas ganz Komplexes. Es ist wie ein Universum. Die Beziehung der beiden Liebenden bildet das Magma des Sterns, und dann gibt es ganz viele Planeten, die ihn umkreisen, große, kleine, nahe, ferne. Wir beide kennen nichts voneinander. Da ist kein Stern, kein Universum. Wir sind uns zufällig begegnet wie zwei Sternschnuppen auf völlig verschiedenen Bahnen.“ erklärte ich. „Wir müssten uns besser kennenlernen, meinst du, und dann würden wir feststellen, dass aus uns nie ein Stern werden kann.“ vermutete Andy. „Andy, du bist ja schon mein Stern. Willst du morgen auch noch bleiben?“ schlug ich vor. „Nein, du musst morgen zuerst nach Hause und zur Uni, und am Abend zum Abendbrot kommst du wieder, sollen wir's so machen?“ Was machte ich da bloß? Ein bisschen durcheinander musste ich sein. Morgen würde ich mir etwas überlegen, wie wir uns zufriedenstellend für uns beide trennen könnten. Ich wollte nicht, dass Andy ein übles Bild von mir hatte. Coole Frau, was ist das denn überhaupt. Eine, die nüchtern rational denkt? Eine dominante, harte Frau, oder eine, die kühl, gefühllos und kaltherzig ist? Das war ich doch nicht, das wollte ich nicht sein. Ich wollte nur selbstbestimmt leben, schon von Kindheit an, wollte selbst mein eigenes Leben führen. Das war doch mein Leben, es gehörte mir, es gab nur eine Chefin, und die war ich. Mich an jemand anders binden, mich von ihm abhängig machen, auf ihn Rücksicht nehmen müssen, seinen Ansprüchen entsprechen, nie mehr allein sein? Und dann noch ein Mann? Niemals! Aber Andy sollte mich als die sensible, weiche, einfühlsame Frau, die er liebte, sehen. Ich wollte heute Nacht besonders nett zu ihm sein. Aber Andy lachte immer nur. Ich glaube, Andy lachte einfach, weil er sich freute, bei mir zu sein, und ich nett zu ihm war.

„Gloria, es gefiel mir, wie du sprachst, und ich fand dich wunderschön. Das habe ich dir ja schon öfter gesagt, dass du die Schönste von allen bist.“ antwortete Andy. „Und du bist der Liebste, aber mit der Liebe das ist, glaube ich, etwas ganz Komplexes. Es ist wie ein Universum. Die Beziehung der beiden Liebenden bildet das Magma des Sterns, und dann gibt es ganz viele Planeten, die ihn umkreisen, große, kleine, nahe, ferne. Wir beide kennen nichts voneinander. Da ist kein Stern, kein Universum. Wir sind uns zufällig begegnet wie zwei Sternschnuppen auf völlig verschiedenen Bahnen.“ erklärte ich. „Wir müssten uns besser kennenlernen, meinst du, und dann würden wir feststellen, dass aus uns nie ein Stern werden kann.“ vermutete Andy. „Andy, du bist ja schon mein Stern. Willst du morgen auch noch bleiben?“ schlug ich vor. „Nein, du musst morgen zuerst nach Hause und zur Uni, und am Abend zum Abendbrot kommst du wieder, sollen wir's so machen?“ Was machte ich da bloß? Ein bisschen durcheinander musste ich sein. Morgen würde ich mir etwas überlegen, wie wir uns zufriedenstellend für uns beide trennen könnten. Ich wollte nicht, dass Andy ein übles Bild von mir hatte. Coole Frau, was ist das denn überhaupt. Eine, die nüchtern rational denkt? Eine dominante, harte Frau, oder eine, die kühl, gefühllos und kaltherzig ist? Das war ich doch nicht, das wollte ich nicht sein. Ich wollte nur selbstbestimmt leben, schon von Kindheit an, wollte selbst mein eigenes Leben führen. Das war doch mein Leben, es gehörte mir, es gab nur eine Chefin, und die war ich. Mich an jemand anders binden, mich von ihm abhängig machen, auf ihn Rücksicht nehmen müssen, seinen Ansprüchen entsprechen, nie mehr allein sein? Und dann noch ein Mann? Niemals! Aber Andy sollte mich als die sensible, weiche, einfühlsame Frau, die er liebte, sehen. Ich wollte heute Nacht besonders nett zu ihm sein. Aber Andy lachte immer nur. Ich glaube, Andy lachte einfach, weil er sich freute, bei mir zu sein, und ich nett zu ihm war.

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gern als Partnerin akzeptieren.“ stellte Dagny fest. Absoluter Schwachsinn. Ein<br />

wenig konnte sie schon, aber besser konnte sie es im Kochbuch nachlesen. Er<br />

habe in seiner Kindheit und Jugend nur französische Gerichte gegessen, erklärte<br />

Paul. Er war in Paris aufgewachsen, seine Eltern waren im diplomatischen<br />

Dienst. Wir scherzten und lachten schon beim Kochen. Beim Essen erzählte<br />

Dagny Bewunderndes von Montpellier, was Paul mit seinen Erlebnisse aus Paris<br />

beantwortete. „Es ist so schade, Paris ist so nah, und da geschieht immer etwas<br />

Phantastisches.“ erklärte Paul. Er war vor kurzen auf einem Jacques Tati<br />

Festival gewesen und war begeistert. Da kannte ich ja auch einige Filme. Zunächst<br />

redete man weiter über französisches Cinema, dann kamen Dagny und<br />

Paul auf Literatur zu sprechen. Da stand ich absolut außen vor. Ich ärgerte<br />

mich wieder über meine biedere Bildung und mein vermaledeites Jurastudium.<br />

Auch wenn sich nicht wenige Juristen als die einzigen vorkamen, die logisch<br />

denken, und sie die einzigen seien, die die Welt erklären könnten, hatte ich<br />

diese arrogante Überheblichkeit nie geteilt. Ich musste da raus. Es quälte<br />

mich genauso wie Andy. Vielleicht mit Anniese gemeinsam etwas Neues beginnen?<br />

Anniese würde bestimmt auch Philosophie studieren. Da war die Liebe ja<br />

seit Platon durchgängiges Thema. Nein, aber kulturelle Bezüge würde es schon<br />

haben müssen, was ich in Zukunft machen wollte, damit ich aus der technologisierten<br />

Alltagswelt mit seinem pensée unique herauskäme und sich mir neue<br />

Sichtweisen öffneten. Paul machte zwar einen relativ biederen Eindruck, aber<br />

dass er dem pensée unique fern stand, war auch sehr schnell klar. Er war ein<br />

außerordentlich charmanter Mann. Andy war sicher nicht engstirnig und von<br />

deutscher Verklemmtheit, aber ihm fehlte dieser weltbürgerliche Charme. Ob<br />

Paul ein Narziss war? Konnte gut sein, aber Dagny hat an dem ganzen Abend<br />

kein Wort darüber verloren, dass sie in Montpellier einen Freund habe. Paul<br />

wollte uns beide zu einem Essen in einem französischen Restaurant einladen,<br />

aber ich habe verzichtet und gemeint, er und Dagny hätten sicher mehr gemeinsamen<br />

Gesprächsstoff. Andy und ich besuchten gemeinsam Anniese. Offensichtlich<br />

wollte Anniese genau herausfinden, was denn jetzt das Neue an<br />

Andy wäre, aber das konnte ich ja selbst nicht mal benennen. „Er ist so handsome<br />

geworden.“ sagte ich und lachte. „Das war er sonst nicht?“ Anniese erstaunt.<br />

„Schon auch, aber jetzt ist er so sanftmütig.“ erklärte ich. Jetzt lachte<br />

Andy. Stärker war Anniese jedoch an dem Philosophiestudium interessiert.<br />

Andy wollte sie warnen. „Ein Drittel der Leute brechen zwischendurch ab, es ist<br />

eine tierische Paukerei. Ich weiß gar nicht warum sie die Anforderungen so<br />

hoch schrauben. Ob sie Angst haben, sie könnten mittelmäßige Philosophen<br />

produzieren?“ sagte er. „Na, wenn es sich rumspricht, dass es irgendwo leichter<br />

ist, rennen bestimmt alle dahin.“ vermutete Anniese. „Ich will dir keine<br />

Angst machen, Anniese. Du bist so eine taffe, energische Frau du stehst das<br />

bestimmt durch.“ erklärte Andy. „Ich weiß nicht, ob das reicht.“ gab Anniese<br />

zu Bedenken, „deine Harmonien müssen stimmen, das ist entscheidend.“ „Oh,<br />

das ist mehr chinesisch. Ich beschäftige mich gerade mit den Vorsokratikern,<br />

die kennen solche Wörter nicht.“ meinte Andy. „Na, mag sein, das die Griechen<br />

nicht von Harmonien sprechen, aber was ist das denn anderes, was Epikur mit<br />

seiner Eudeimonia meint?“ erwiderte Anniese. Dann waren sie schnell bei Platon<br />

und seinem Gastmal und da natürlich bei der Liebe. Anniese war ja noch<br />

nicht fertig, und obwohl sie es noch offen ließ, stand es für mich fest, dass sie<br />

Philosophie studieren würde. Vielleicht sollte ich mich mal mehr mit den chine-

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