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KulturLegi * - Caritas beider Basel

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NR. 2/2010<br />

Nachbarn<br />

<strong>KulturLegi</strong> *<br />

Dabei sein, auch mit wenig Geld<br />

Wir helfen Menschen.


Inhalt<br />

Editorial 3<br />

Christoph Bossart<br />

Persönlich 10<br />

Antoinette Hunziker-Ebneter,<br />

Unternehmerin aus Zürich.<br />

<strong>KulturLegi</strong><br />

Dabei sein, auch mit wenig Geld 4<br />

<strong>Caritas</strong>-Netz<br />

Einmaleins für Eltern 11<br />

Das Projekt «schulstart+» bringt jungen<br />

Müttern und Vätern mit Migrationshintergrund<br />

das Schweizer Schulsystem näher<br />

und unterstützt sie mit alltagsnahen<br />

Infos bei der Erziehung.<br />

Dank der <strong>KulturLegi</strong> kann Familie<br />

Hamza-Meier eine Ausstellung im Kunsthaus,<br />

die Badi und die Kunsteisbahn<br />

besuchen. Wir begleiteten sie dabei.<br />

Wirksames Instrument zur 8<br />

sozialen Integration<br />

Bildung, Beziehungen und Prestige<br />

sind genauso wichtig wie finanzielle<br />

Ressourcen. Soziale Integration findet<br />

auf all diesen unterschiedlichen Ebenen<br />

statt.<br />

News aus dem <strong>Caritas</strong>-Netz 12<br />

Collage 13<br />

Dabei sein mit der <strong>KulturLegi</strong>.<br />

Kiosk 14<br />

<strong>KulturLegi</strong> <strong>beider</strong> <strong>Basel</strong><br />

Gedankenstrich 15<br />

Von Bundespräsidentin Doris Leuthard.<br />

2 <strong>Caritas</strong> Nachbarn 2/10 Titelbild: Urs Siegenthaler


Editorial<br />

Gemeinsam gegen Armut<br />

Liebe Leserin, lieber Leser<br />

Unter diesem Motto stand die diesjährige<br />

Basler Armutskonferenz. Diese Devise<br />

kann auch für die Arbeit der regionalen<br />

<strong>Caritas</strong>-Stellen in der Schweiz gelten. Ein<br />

solches <strong>Caritas</strong>-Projekt gegen die Armut<br />

ist die <strong>KulturLegi</strong>, die wir Ihnen in dieser<br />

Nummer etwas genauer vorstellen.<br />

Möchten Sie wissen, wie ich den Bogen<br />

von der Armutskonferenz zur Kultur-<br />

Legi spanne? Wenn nicht, dann springen<br />

Sie doch zum letzten Abschnitt dieses Editorials<br />

oder direkt auf die Seite 14 des Magazins.<br />

in den Medien und auf dem Basler Claraplatz<br />

vorgestellt. Da kam diese Tagung wie<br />

gerufen.<br />

Warum ich das erwähne? Nun – seit je<br />

beschäftigt sich <strong>Caritas</strong> mit den Themen<br />

Armut und Ausgrenzung. Zu deren Verminderung<br />

haben die regionalen <strong>Caritas</strong>-<br />

Stellen und <strong>Caritas</strong> Schweiz unterschiedlichste<br />

Projekte entwickelt. Viele davon<br />

liessen oder lassen sich in <strong>Basel</strong> aber nicht<br />

umsetzen, da es keinen Sinn macht, Angebote,<br />

die in unserer Region bereits bestehen,<br />

zu konkurrenzieren. Im Gegenteil –<br />

die Armutskonferenz hat festgestellt, dass<br />

Christoph Bossart<br />

Stellenleiter <strong>Caritas</strong> <strong>beider</strong> <strong>Basel</strong><br />

«Im ‹Sozialkompass› – dem Lotsen durch die sozialen<br />

<strong>Caritas</strong> Luzern ist seit<br />

2004 ZEWO-zertifiziert.<br />

L’organisation XY est certifi<br />

par ZEWO depuis 19XX.<br />

Angebote in <strong>Basel</strong> – sind 685 Institutionen aufgeführt.»<br />

Wenn ja, dann los:<br />

«Gemeinsam gegen Armut» – unter diesem<br />

Motto haben sich am 27. April 2010 im<br />

Foyer des Theaters <strong>Basel</strong> über 130 Personen<br />

getroffen, um sich als Betroffene und/oder<br />

als Vertreterinnen und Vertreter von Fachstellen<br />

oder der Wirtschaft mit dem Thema<br />

«Armut in <strong>Basel</strong>» auseinanderzusetzen.<br />

Kurz zuvor – am 24. April 2010 – hatte<br />

<strong>Caritas</strong> ihre Kampagne «Armut halbieren»<br />

es viele Dienste gibt, die sich zum Teil verzetteln.<br />

Und daher fordert sie, dass im sozialen<br />

<strong>Basel</strong> die Kräfte zusammengeführt<br />

werden sollen.<br />

Mit der <strong>KulturLegi</strong> bietet sich nun allenfalls<br />

die Möglichkeit, dass wir – wie<br />

schon beim <strong>Caritas</strong>-Markt und beim Patenschaftsprojekt<br />

«mit mir» – doch gemeinsam<br />

mit den anderen regionalen <strong>Caritas</strong>-<br />

Stellen gegen die Armut vorgehen können.<br />

Zwar gibt es mit «colour key» und «Familienpass»<br />

bereits zwei starke Angebote in<br />

der Region <strong>Basel</strong>. Diese erreichen aber nicht<br />

alle Personen, die andernorts Anspruch auf<br />

die <strong>KulturLegi</strong> haben.<br />

Mehr zur konkreten Ausgangslage in<br />

der Region <strong>Basel</strong> und zu den offenen Fragen<br />

sowie zum geplanten weiteren Vorgehen<br />

finden Sie auf Seite 14.<br />

Impressum<br />

«Nachbarn», das Magazin der regionalen <strong>Caritas</strong>-Stellen, erscheint zweimal jährlich.<br />

Gesamtauflage: 50000 Ex. Auflage BS: 1 600 Ex.<br />

Redaktion: Christoph Bossart (<strong>Caritas</strong> <strong>beider</strong> <strong>Basel</strong>); Ariel Leuenberger (national)<br />

Gestaltung und Produktion: Daniela Mathis, Urs Odermatt<br />

Druck: Stämpfli Publikationen AG, Bern<br />

<strong>Caritas</strong> <strong>beider</strong> <strong>Basel</strong> ist seit 1992<br />

ZEWO-zertifiziert.<br />

<strong>Caritas</strong> <strong>beider</strong> <strong>Basel</strong> | Lindenberg 20 | 4058 <strong>Basel</strong><br />

Tel. 061 691 55 55 | www.caritas-<strong>beider</strong>-basel.ch<br />

PC 40-4930-9<br />

2/10 Nachbarn <strong>Caritas</strong><br />

L’organisation XY est certifiée<br />

3


<strong>KulturLegi</strong><br />

Dabei sein,<br />

Begeistert steht Gabor vor einem Werk von Tony Cragg im<br />

Kunsthaus. «Mit so vielen Würfeln spielen, wie toll», strahlt<br />

er und möchte gleich beginnen. Doch hier gilt «berühren verboten»<br />

– umso mehr kann er mit seinen Eltern beim Besuch<br />

der Badi oder der Kunsteisbahn loslegen. Überall vergünstigt<br />

die <strong>KulturLegi</strong> von <strong>Caritas</strong> den Eintritt und ermöglicht so<br />

auch Leuten mit knappem Budget die Teilnahme am gesellschaftlichen<br />

Leben.<br />

«Der gemeinsame Besuch von Veranstaltungen<br />

und Ausstellungen ist uns wichtig,<br />

sei es als Familie oder zu zweit», betonen Simone<br />

und Ferenc Hamza Meier. Dank der<br />

<strong>KulturLegi</strong> werde vieles möglich, trotz bescheidenem<br />

Familieneinkommen. Erzählen<br />

die gelernte Textildesignerin, der frühere<br />

Fotograf und ihr sechsjähriger Gabor, wird<br />

bald klar, dass der Ausweis eine grosse Auswahl<br />

an Freizeitvergnügen weit über «klassische»<br />

Kultur hinaus ermöglicht. «Wir waren<br />

im Zoo – bei allen Tieren», erinnert sich<br />

Gabor. Im Sommer lockte ihn die Badi. Da<br />

bleibt zwar in Zürich das Bad in See und<br />

Limmat gratis. «Mit der <strong>KulturLegi</strong> können<br />

wir aber auch ab und zu die von Max<br />

Frisch entworfene gleichnamige Badi geniessen.<br />

Es ist die schönste der Stadt», freut<br />

sich Simone Meier. Im Winter locke dann<br />

wieder die Kunsteisbahn.<br />

4 <strong>Caritas</strong> Nachbarn 2/10


auch mit wenig Geld<br />

«Dank der <strong>KulturLegi</strong> können wir weiterhin am<br />

kulturellen Leben teilnehmen.»<br />

Fussball, Fitness, Filmvergnügen<br />

Ein Männervergnügen wird der Besuch<br />

eines Heimspiels von GC. Schliesslich<br />

tschuttet Gabor selber und hat jeden Mittwoch<br />

sein Training. Auf die Panini-Bildli<br />

für sein Fussball-WM-Buch gab es keinen<br />

Rabatt. Doch dafür hatte er manchmal<br />

Glück und konnte tauschen. Oder er<br />

fand im Schliessfach des Kunsthauses Zürich<br />

einen vergessenen Zweifränkler und<br />

konnte sich damit weitere Bilder besorgen.<br />

Übrigens, nicht nur die Fankurve für Fussballbegeisterte<br />

öffnet sich zu einem reduzierten<br />

Preis, auch wer zum Beispiel lieber<br />

eine Fussreflexzonenmassage möchte, findet<br />

solche mit Rabatt – oder stellt sein Velo<br />

zum halben Preis in den bewachten Unterstand<br />

beim Bahnhof, wenn statt Fitness<br />

der Weg zur Arbeit angesagt ist. Ebenso<br />

freuen sich Filmfreaks, wenn sie wieder<br />

einmal Filmklassiker wie «Fahrenheit 451»<br />

von François Truffaut vergünstigt zu sehen<br />

bekommen. Die Liste ist lang, und die Ermässigungen<br />

reichen von 30 bis zu 70 Prozent<br />

– und manchmal ist es dank der <strong>KulturLegi</strong><br />

auch gratis.<br />

Dem Jüngsten der Familie, dem Ende<br />

2009 geborenen Kornél, ist derweilen<br />

noch wichtiger, dass er zufrieden an seinem<br />

Schoppen nuckeln kann – Kultur inbegriffen.<br />

«Wir haben Musik und den Besuch<br />

von Ausstellungen bereits im Elternhaus<br />

2/10 Nachbarn <strong>Caritas</strong><br />

5


<strong>KulturLegi</strong><br />

Ob auf die Kunsteisbahn, in die Badi oder ins Kunsthaus, die <strong>KulturLegi</strong> ermöglicht den<br />

verbilligten Eintritt bei rund 800 Institutionen und Veranstaltungen in der ganzen Schweiz.<br />

kennen gelernt. Manchmal mussten wir<br />

einfach mitgehen», erinnert sich Simone<br />

Meier. Doch so schlimm scheint das nicht<br />

gewesen zu sein, und auch Gabor lässt sich<br />

gerne ins Kunsthaus «entführen» – sogar<br />

als noch Sommer war und draussen dreissig<br />

Grad im Schatten. «Meine Mutter hat lieber<br />

beim Essen gespart, als auf ihr Saisonabonnement<br />

fürs Theater verzichtet. Als Bibliothekarin<br />

in einer Unternehmung brachte<br />

sie zudem unzählige Bücher mit heim», erinnert<br />

sich Ferenc Hamza.<br />

Alle Einnahmen und Ausgaben<br />

offenlegen<br />

Die <strong>KulturLegi</strong> hat Simone Meier dank ihrer<br />

Schwester kennen gelernt. «Die liest immer<br />

alles, wo etwas vergünstigt erhältlich<br />

ist. Selber wäre ich gar nicht auf das Angebot<br />

von <strong>Caritas</strong> gestossen. Doch jetzt können<br />

wir viel machen, das sonst nicht möglich<br />

wäre.» Als die Familie das erste Mal<br />

die Unterlagen einreichte, lag ihr frei verfügbares<br />

Einkommen noch leicht über der<br />

Grenze, die zum Bezug der <strong>KulturLegi</strong> berechtigt.<br />

Dieser wurde erst möglich, als<br />

Sohn Kornél auf die Welt kam und Simone<br />

Meier nach dem Mutterschaftsurlaub keine<br />

«Der gemeinsame Besuch von Veranstaltungen und Ausstellungen<br />

ist uns wichtig, sei es als Familie oder zu zweit.»<br />

neue Stelle fand. «Wir mussten detailliert<br />

unsere ganzen Einnahmen und Ausgaben<br />

offenlegen», erinnert sie sich. «Aber das ist<br />

auch richtig – und die Leute von <strong>Caritas</strong><br />

machen es einem einfach.»<br />

Gerne möchte das Paar die <strong>KulturLegi</strong><br />

weiterempfehlen. Doch das sei gar nicht so<br />

einfach, denn: «Erst kürzlich erfuhren wir<br />

von Nachbarn, dass sie ebenfalls in einer<br />

von der Stadt subventionierten Wohnung<br />

leben. In der Schweiz redet halt niemand<br />

gerne über seine Einkommensverhältnisse»,<br />

sagt Ferenc Hamza.<br />

Freie Wahl mit der <strong>KulturLegi</strong><br />

Schade, wenn jemand deshalb nichts von<br />

einer für die Teilnahme am sozialen Leben<br />

wichtigen Einrichtung hört. «Viele unserer<br />

Freunde verdienen mehr», vermutet Simone<br />

Meier. Dank der <strong>KulturLegi</strong> könne sie dennoch<br />

auch einmal mit ihnen ins Kino. «Zu<br />

zweit mit meinem Mann ist es aber noch<br />

schöner.» Da setzen dann jedoch die Kosten<br />

für das Hüten von Kornél Grenzen.<br />

Umso wichtiger ist darum der Vorteil,<br />

dank der <strong>KulturLegi</strong> frei den Tag für den<br />

Besuch eines Matchs, einer Ausstellung<br />

oder einer anderen Veranstaltung wählen<br />

zu können. «Jeden Mittwoch ist der<br />

Besuch der Sammlung des Kunsthauses<br />

gratis», erinnert Björn Quellenberg, Sprecher<br />

des Kunsthauses. Doch da hat Gabor<br />

6 <strong>Caritas</strong> Nachbarn 2/10


sein Training und die Familie müsste verzichten.<br />

Dabei war es Vater Hamza ein besonderes<br />

Anliegen, seinem Sohn die teils<br />

riesigen Fotos von Thomas Struth zu zeigen<br />

und so etwas von seiner Begeisterung<br />

fürs Fotografieren weiterzugeben. «‹Gratis›<br />

umfasst auch den Teil der Spezialausstellungen,<br />

der in den Sammlungsräumen<br />

stattfindet», unterstreicht Quellenberg.<br />

«So geben wir der Bevölkerung etwas zurück,<br />

die mit ihren Steuergeldern knapp die<br />

Hälfte der Kosten des Kunsthauses deckt.»<br />

Gratiseintritt an bestimmten Wochentagen<br />

oder am Sonntag kennen auch andere Kulturinstitutionen.<br />

Doppelter Nutzen<br />

174 Besucherinnen und Besucher von<br />

Wechselausstellungen und 49 der allgemeinen<br />

Sammlung zückten 2009 im Kunsthaus<br />

Zürich die <strong>KulturLegi</strong>. Dieses Jahr wurden<br />

diese Zahlen schon im ersten Halbjahr<br />

übertroffen. «Wie bei der gesamten Bevölkerung<br />

fand die temporär als Gast im<br />

Kunsthaus gezeigte Sammlung Bührle auch<br />

bei dieser Zielgruppe grossen Anklang»,<br />

begründet Quellenberg. Zurzeit sind in<br />

der ganzen Schweiz über 11 000 <strong>KulturLegi</strong>s<br />

in Umlauf. Die kleine Karte hilft Menschen<br />

mit schmalem Budget, in wichtigen<br />

Bereichen ihres Lebens bei den Leuten bleiben<br />

zu können. Die Anbieter gewinnen damit<br />

begeisterte Kundinnen und Kunden,<br />

ohne dass gleich ihre Kapazitäten überlastet<br />

würden.<br />

«Ein Besuch im Schauspielhaus bleibt<br />

auch mit der <strong>KulturLegi</strong> ein kostspieliges<br />

Vergnügen», sagt Hamza. «Zum Glück<br />

habe ich mit meiner Mutter in Budapest<br />

schon alle gängigen Opern und Schauspiele<br />

gesehen.» So kann er für diese Besuche getrost<br />

auf bessere Zeiten warten. Einig ist<br />

sich das Paar auch, dass es beim Programm<br />

für die Kinder keine Abstriche geben sollte.<br />

«Es gäbe so vieles, das wir gerne noch machen<br />

würden» – doch diese nicht zu erfüllenden<br />

Wünsche kennen wir alle. Auf den<br />

vergünstigt erhältlichen «Tages-Anzeiger»<br />

verzichten die beiden: «Wir lesen zu wenig<br />

regelmässig Zeitung und kaufen nur einzelne<br />

Ausgaben.» Dankbar erinnert sich Simone<br />

Meier an Orte, wo sie die <strong>KulturLegi</strong><br />

zückte, ohne sicher zu sein, ob sie akzeptiert<br />

würde. «Doch wie für AHV-Berechtigte,<br />

Studierende oder Soldaten gab es die<br />

Ermässigung – im sonst teuren Pflaster Zürich<br />

eine grosse Freude und Entlastung.»<br />

www.kulturlegi.ch<br />

Gabor geniesst es, gemeinsam mit seiner Familie spannende Ausflüge zu unternehmen.<br />

Ohne <strong>KulturLegi</strong> wären diese nicht möglich.<br />

Kommentar<br />

Heinz Altorfer,<br />

Leiter Soziales,<br />

Direktion Kultur<br />

und Soziales,<br />

Migros-Genossenschafts-Bund<br />

<strong>KulturLegi</strong> – kein Rabattkärtli<br />

Niemand wird bestreiten, dass Kultur,<br />

Weiterbildung und ein aktiver Lebensstil<br />

für alle Menschen wichtig sind<br />

– auch für armutsbetroffene. Die liberale<br />

Gesellschaft überlässt die Initiative<br />

dazu allerdings weitgehend dem Individuum.<br />

Selbstverantwortliches Handeln<br />

setzt jedoch persönliche Kompetenzen<br />

und die Integration in sozialen<br />

Netzwerken voraus. Armutsbetroffene<br />

sind dabei besonders gefordert. Die <strong>KulturLegi</strong><br />

setzt daher am richtigen Punkt<br />

an: Sie bietet über eine rein materielle<br />

Vergünstigung hinaus Anreize zur Stärkung<br />

von Selbstkompetenz und zur Teilhabe<br />

am gesellschaftlichen Leben. Sie<br />

ist kein Rabattkärtli, sondern ein Ausweis<br />

für praktizierte Selbstverantwortung<br />

unter materiell erschwerten Bedingungen.<br />

Das macht sie so überzeugend,<br />

auch als Partner für das Migros-Kulturprozent.<br />

Dieses ist seit Gottlieb Duttweiler<br />

geprägt von der Leitidee, interessierten<br />

Menschen Zugang zu kulturellen<br />

Leistungen, zur Weiterbildung und zum<br />

gesellschaftlichen Leben zu verschaffen.<br />

Ein reiches Angebot von wirksamer<br />

Qualität und Innovation ist der stärks te<br />

Anreiz dazu. Die aktive Einladung zur<br />

Partizipation an diesen Angeboten ein<br />

weiterer. Das Migros-Kulturprozent freut<br />

sich auf die Menschen mit <strong>KulturLegi</strong>,<br />

die sich den Zugang zu den Bildungsangeboten<br />

der Klubschulen Migros und zu<br />

den kulturellen Aktivitäten verschaffen<br />

wollen.<br />

www.migros-kulturprozent.ch<br />

www.klubschule.ch<br />

Text: Urs Walter; Fotos: Urs Siegenthaler<br />

2/10 Nachbarn <strong>Caritas</strong><br />

7


Hintergrund: <strong>KulturLegi</strong><br />

Ein wirksames Instrument zur<br />

sozialen Integration<br />

Arm sein ist mehr als nur wenig Geld haben. Für Armutsbetroffene sind Bildung, Beziehungen<br />

und Prestige genauso wichtig wie die finanziellen Ressourcen. Soziale Integration findet<br />

auf all diesen unterschiedlichen Ebenen statt – dank der <strong>KulturLegi</strong>.<br />

Betrachten wir alltägliche Ereignisse und<br />

zwischenmenschliche Begegnungen für<br />

einmal als Spiel. Gemäss dem Soziologen<br />

Pierre Bourdieu verfügen wir Menschen<br />

über unterschiedliche Fähigkeiten und<br />

Möglichkeiten. Diese setzen wir je nach<br />

Situation ein und passen sie gegebenenfalls<br />

an. Neben dem ökonomischen Kapital<br />

(Einkommen und Vermögen) stehen<br />

uns soziales Kapital (Beziehungen), symbolisches<br />

Kapital (Prestige) und kulturelles<br />

Kapital zur Verfügung. Letzteres meint vor<br />

allem die Bildung, die vorwiegend im Rah-<br />

men der Familie weitergegeben oder ermöglicht<br />

wird. Soziale Ungleichheit und<br />

der Auf- und Abstieg entstehen gemäss<br />

Bourdieu aus einem Zusammenspiel dieser<br />

verschiedenen Ressourcen. So kann zum<br />

Beispiel eine Investition in die Bildung zu<br />

einem Vorrücken auf dem Feld des ökonomischen<br />

Kapitals verhelfen. Oder der Verlust<br />

von wichtigen Beziehungen hat zur<br />

Folge, dass man beim symbolischen und<br />

ökonomischen Kapital ein paar Felder zurückgeworfen<br />

wird.<br />

Wer nicht mithalten kann, fällt raus<br />

Das Leben ist aber kein Spiel: Armutsbetroffene<br />

Personen in der Schweiz verfügen<br />

nicht nur über weniger finanzielle Mittel,<br />

sondern auch über eingeschränkte Handlungs-<br />

und Teilnahmemöglichkeiten. Sie<br />

sind oft von Teilbereichen unserer Gesellschaft<br />

ausgeschlossen. Die soziale Integration<br />

oder eben der Erhalt und Aufbau von<br />

sozialem, symbolischem und kulturellem<br />

Kapital sind somit zentrale Funktionen in<br />

der Armutsprävention und -bekämpfung.<br />

8<br />

<strong>Caritas</strong> Nachbarn 2/10


Solidarische<br />

Angebotspartner<br />

Im Zentrum steht dabei die Bildung.<br />

Wer da nicht mithalten kann, fällt rasch<br />

aus dem System heraus. Fast genauso wichtig<br />

sind soziale Beziehungen, die man aufbaut<br />

und pflegt, indem man zum Beispiel<br />

bei kulturellen oder sportlichen Aktivitäten<br />

mitmacht. Nur wer sich auf den unterschiedlichen<br />

Ebenen aktiv beteiligen kann,<br />

ist und bleibt integriert.<br />

Armut vermeiden<br />

Von der <strong>KulturLegi</strong> profitieren die von<br />

Armut am meisten betroffenen Gruppen:<br />

Kinder und Jugendliche, Einelternfamilien,<br />

Personen ohne Ausbildung oder mit<br />

Migrationshintergrund. Die vergünstigten<br />

Bildungsangebote erleichtern die Weiterbildung.<br />

Die ermässigten Eintritte in Kulturinstitutionen<br />

ermöglichen der ganzen<br />

Familie den Erwerb von Bildung im weitesten<br />

Sinne. Vergünstigte Sportmöglichkeiten<br />

tragen zur Gesundheitsförderung<br />

bei – was gerade bei Armutsbetroffenen<br />

wegen des höheren Krankheitsrisikos von<br />

zentraler Bedeutung ist. Kurz: Die Kultur-<br />

Legi hilft, soziale Isolation und Vereinsamung<br />

zu vermeiden.<br />

In der Schweiz ist etwa jede zehnte Person<br />

arm. Ohne Betagte und Kleinkinder,<br />

die nur bedingt eingerechnet werden können,<br />

könnten also rund 600 000 Personen<br />

die <strong>KulturLegi</strong> beziehen und nutzen. Denn<br />

sie kann für all diese Menschen eine Unterstützung<br />

leisten. Die <strong>KulturLegi</strong> hat damit<br />

ein hohes Potenzial, Armut zu vermeiden<br />

und Wege aus der Armut zu erleichtern.<br />

Chancengleichheit auf allen Ebenen<br />

Die Armutsstrategie des Bundesrates, die<br />

im März 2010 veröffentlicht wurde, zeigt,<br />

dass Armutsprävention breit angegangen<br />

werden muss, damit etwas erreicht werden<br />

kann. Diesen Ansatz verfolgt <strong>Caritas</strong> schon<br />

seit langem. Wollen wir keine Zweiklassengesellschaft,<br />

ist es wichtig, Chancengleichheit<br />

auf den verschiedensten Ebenen herzustellen.<br />

Nicht nur die Integration in den<br />

Arbeitsmarkt, sondern eben auch die sozialen<br />

Aspekte müssen gewichtet werden. Die<br />

<strong>KulturLegi</strong> leistet dazu einen wichtigen Beitrag.<br />

Die <strong>KulturLegi</strong> ermöglicht es über 11 000 Nutzerinnen und<br />

Nutzern, am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können.<br />

<strong>KulturLegi</strong> vorhanden<br />

Einführung im nächsten Jahr<br />

Bereits 1996 lancierte die IG Sozialhilfe in<br />

Zürich die Idee, mit einer <strong>KulturLegi</strong> Personen<br />

mit begrenzten finanziellen Mitteln<br />

den Zugang zu Kultur-, Bildungs- und<br />

Sportanlässen zu ermöglichen. Diese Idee<br />

wurde von <strong>Caritas</strong> in verschiedenen Kantonen<br />

weiterentwickelt: Heute hat die <strong>KulturLegi</strong><br />

über 11 000 Nutzerinnen und Nutzer<br />

in der ganzen Schweiz. Erhältlich ist<br />

sie bisher in Freiburg und Region, in Chur,<br />

im Kanton Bern und im Kanton Zürich sowie<br />

in den Zentralschweizer Kantonen Luzern,<br />

Nidwalden, Obwalden, Uri, Schwyz<br />

und Zug. Mehr als 800 Angebotspartner<br />

aus den Bereichen Sport, Bildung und Kultur<br />

zeigen sich solidarisch und gewähren<br />

Links und Publikationen<br />

Einführung in PLanung<br />

keine <strong>KulturLegi</strong><br />

für Inhaberinnen und Inhaber der Kultur-<br />

Legi grosszügige Rabatte.<br />

Die <strong>KulturLegi</strong> ist ein persönlicher,<br />

nicht übertragbarer Ausweis. Berechtigt<br />

sind alle Personen, die am oder unter dem<br />

Existenzminimum leben und zum Beispiel<br />

Sozialhilfe, Zusatzleistungen oder individuelle<br />

Krankenkassenprämienverbilligung<br />

beziehen. Gegen Vorweisen der <strong>KulturLegi</strong><br />

erhalten sie Vergünstigungen bis zu 70 Prozent.<br />

Die <strong>KulturLegi</strong> ist ab Ausstellungsdatum<br />

ein Jahr gültig. Eine Verlängerung für<br />

das erste Familienmitglied kostet 20 Franken,<br />

für das zweite 10 Franken, ab dem dritten<br />

ist sie gratis.<br />

Informationen<br />

über Standorte, Berechtigungskriterien, Bezugsmöglichkeiten und Angebote der <strong>KulturLegi</strong> finden<br />

Sie unter www.kulturlegi.ch.<br />

Zum Begriff der sozialen Integration:<br />

Rahel Strohmeier, Carlo Knöpfel: Was heisst soziale Integration? Öffentliche Sozialhilfe<br />

zwischen Anspruch und Realität, <strong>Caritas</strong> Schweiz, Luzern 2005.<br />

Pierre Bourdieu: Ökonomisches Kapital – Kulturelles Kapital – Soziales Kapital. In: Reinhard<br />

Kreckel: Soziale Ungleichheiten, Göttingen 1983, S. 183–198.<br />

Texte: Bettina Zeugin, Irène Barmettler; Grafik: Martin Blaser<br />

2/10 Nachbarn <strong>Caritas</strong><br />

9


Persönlich<br />

Antoinette<br />

Hunziker-Ebneter<br />

ist Geschäftsführerin und Gründungspartnerin<br />

der Forma Futura Invest AG,<br />

einer unabhängigen Vermögensverwaltungsgesellschaft<br />

mit Fokus auf<br />

Anlagen, die eine nachhaltige Lebensqualität<br />

fördern. Zuvor war sie in verschiedenen<br />

Finanzinstituten tätig,<br />

unter anderem als Vorsitzende der<br />

Schweizer Börse.<br />

«Mit unseren Ressourcen<br />

verantwortungsbewusst umgehen»<br />

Was würden Ihre Nachbarn über Sie<br />

sagen? Ich habe meine Nachbarin direkt<br />

gefragt und sie meinte, ich sei offen, liebenswürdig<br />

und habe keinen Gesellschaftsdünkel,<br />

da ich den Kontakt mit Menschen<br />

unterschiedlicher Herkunft suche und<br />

schätze. Das stimmt wohl.<br />

Wann sind Sie glücklich? Wenn ich<br />

zum Glück meines Sohnes, meines Lebenspartners,<br />

meiner Mitarbeitenden und Geschäftspartner<br />

beitragen kann. Und wenn<br />

ich mir gesetzte Ziele erreichen kann, die<br />

einen Beitrag für eine bessere Lebensqualität<br />

leisten.<br />

Wie haben Sie das letzte Mal jemandem<br />

geholfen? Neulich mit einer Einzahlung<br />

für die notleidenden Menschen in<br />

Pakistan. Es tut mir weh, diese Bilder zu<br />

sehen, und ich danke dem Herrgott, dass<br />

wir es hier so gut haben. Das sollten wir zu<br />

schätzen wissen.<br />

Warum braucht es <strong>Caritas</strong>? <strong>Caritas</strong> hilft<br />

unbürokratisch und effizient im Ausland,<br />

aber auch im Inland. Das finde ich wichtig,<br />

denn wir haben auch in der Schweiz<br />

immer mehr Familien, die in der aktuellen<br />

wirtschaftlichen Lage in eine Notsituation<br />

rutschen, und hier kann <strong>Caritas</strong> Unterstützung<br />

leisten.<br />

Wofür lohnt es sich, zu streiten? Für<br />

ein funktionierendes, friedliches Zusammenleben<br />

aller Menschen im Einklang mit<br />

der Natur.<br />

Was stimmt Sie zuversichtlich? Dass<br />

immer mehr Menschen mit unseren Ressourcen,<br />

auch den finanziellen, verantwortungsbewusst<br />

umgehen wollen. Hier einen<br />

kleinen Beitrag leisten zu können, ist für<br />

mich eine Lebensaufgabe.<br />

Eine für Sie bedeutende Person in<br />

Ihrem Umfeld? Die Zürcher Unternehmerin<br />

Rosmarie Michel, die «Mikrofinanz»<br />

erfunden hat, noch vor dem Nobelpreisträger<br />

Muhammad Yunus, und sich seit<br />

vielen Jahren für die Gleichberechtigung<br />

einsetzt. Sie hat als Erste im Rahmen von<br />

«Women’s World Banking» Mikrokredite<br />

an Frauen vergeben, die ein Geschäft aufbauen<br />

wollten. Somit werden die Frauen unabhängiger<br />

und bezahlen mit dem selbstverdienten<br />

Geld den Unterhalt der Familie<br />

und die Ausbildung der Kinder. Rosmarie<br />

Michel hat ihre Lebensaufgabe gefunden<br />

und setzt sie konsequent um, basierend auf<br />

ihren Werten. Das versuche ich auch.<br />

Woher stammen Ihre Werte? Von<br />

meinem Elternhaus. Ich habe mich mit 45<br />

entschieden, diese Werte noch viel konsequenter<br />

zu leben, beruflich und privat,<br />

und habe darum «Forma Futura Invest»<br />

gegründet zusammen mit Partnern, welche<br />

die gleiche Wertebasis haben.<br />

Welche Sünde begehen Sie mit<br />

Freude? Zu viele Süssigkeiten essen.<br />

10<br />

<strong>Caritas</strong> Nachbarn 2/10<br />

Bild: zvg


<strong>Caritas</strong>-Netz<br />

«schulstart+»: Einmaleins für Eltern<br />

Das <strong>Caritas</strong>-Projekt «schulstart+» bringt jungen Müttern und Vätern mit Migrationshintergrund<br />

das Schweizer Schulsystem näher und unterstützt sie mit alltagsnahen Infos bei der<br />

Erziehung und Förderung ihrer Kleinkinder. Ein Integrationsprojekt mit Langzeitwirkung.<br />

tur – so, wie es die Eltern aus ihrer eigenen<br />

Kindheit oft gut kennen – viel mehr profitieren<br />

können. Nicht alle Schweizer Gepflogenheiten<br />

sind nachahmenswert.<br />

Auch in der Schweiz erfolgreich in die Schulzeit zu starten ist für Migrantenfamilien besonders wichtig.<br />

Ein Znüni? Nein, das kennt man in Eritrea<br />

nicht. Das Zvieri hingegen gibt’s auch<br />

im ostafrikanischen Vielvölkerstaat: meistens<br />

ein Stück Brot und eine Tasse Tee. Die<br />

Frauenrunde – eritreische Mütter, die eritreische<br />

Übersetzerin, die schweizerische<br />

Kursleiterin – lacht belustigt. Immer wieder<br />

finden sich Berührungspunkte zwischen<br />

dem Alltag in der Schweiz und dem<br />

Leben in Eritrea, und immer wieder finden<br />

sich Unterschiede. Wie Himmel und Erde<br />

sei das manchmal, sagt eine der Mütter auf<br />

Tigrinya, eine der Sprachen Eritreas. Wie<br />

Tag und Nacht, übersetzt die Dolmetscherin.<br />

Allseitiges Kopfnicken.<br />

Ein Elternbildungsprojekt<br />

Unterschiede benennen, Gemeinsamkeiten<br />

erkennen, Ressourcen stärken, Wissenslücken<br />

füllen, Wege aufzeigen, Fragen<br />

beantworten – um all das geht es in den<br />

zwischen vier und acht Nachmittage dauernden<br />

Kursen des <strong>Caritas</strong>-Projekts «schulstart+»,<br />

das sich an Migrationsfamilien mit<br />

Kleinkindern wendet. «schulstart+» ist ein<br />

Elternbildungs- und Frühförderungsprojekt;<br />

die drei im Zentrum stehenden Themenbereiche<br />

Familie, Freizeit/Gesellschaft<br />

und Schule decken ein breites Spektrum<br />

von Fragen ab, die sich jungen, mit der<br />

Schweiz noch nicht vertrauten Eltern stellen<br />

können. Ziel ist eine gute Vorbereitung<br />

auf den Kindergarten und die Schule – Kinder<br />

aus Migrationsfamilien sollen dieselben<br />

Chancen haben wie ihre einheimischen Kameraden.<br />

Alltagsnahe Wissensvermittlung<br />

In den Kursen von «schulstart+» geht es<br />

zum Teil um grosse Dinge wie die Struktur<br />

des Schulwesens, aber oft stehen ganz<br />

praktische Fragen im Zentrum. Zu wissen,<br />

dass das Kind ein Znüni in den Kindergarten<br />

mitnehmen soll und welche Nahrungsmittel<br />

in die Znünitasche gehören und welche<br />

nicht, ist wichtig. Genauso wichtig wie<br />

etwa das Wissen, dass der hierzulande verbreitete,<br />

ausgedehnte Fernsehkonsum nicht<br />

erstrebenswert ist für Kinder, sondern dass<br />

diese vom Herumtollen in der freien Na-<br />

Das Beispiel Aargau<br />

Das <strong>Caritas</strong>-Projekt «schulstart+» gibt es<br />

bis jetzt in vier Kantonen: Freiburg, Graubünden,<br />

Zürich und Aargau. Im Aargau<br />

läuft es seit Anfang 2009; finanziell unterstützt<br />

wird es durch Swisslos Kanton Aargau,<br />

das Migrationsamt, die Fachstelle<br />

Integration und Beratung Kanton Aargau,<br />

das Bundesamt für Migration (BFM)<br />

und Schulen oder Integrationsorganisationen<br />

vor Ort. Bis jetzt sind Kurse mit albanischen,<br />

türkischen, tamilischen und eritreischen<br />

Eltern realisiert worden. Für die<br />

mit der Durchführung von «schulstart+»<br />

betrauten Mitarbeiterinnen Karin Knobel<br />

und Rebekka Wieland ist klar, dass das Verteilen<br />

von Flyern allein nicht ausreicht, um<br />

Mütter und Väter zu einer Kursteilnahme<br />

zu motivieren. Es braucht den persönlichen<br />

Kontakt – Telefonate, Mundpropaganda –,<br />

damit sich Eltern auf das Projekt einlassen.<br />

Karin Knobel und Rebekka Wieland<br />

ziehen eine positive Bilanz der ersten anderthalb<br />

Jahre. Eine der schönsten Rückmeldungen<br />

gab es von einer Schulleitung:<br />

Eine eritreische Familie habe sich noch vor<br />

Schuleintritt des Kindes im Schulhaus gemeldet<br />

und den Kontakt zum Team gesucht.<br />

Karin Knobel: «Mit ‹schulstart+› wollen wir<br />

Eltern unter anderem ermutigen, sich aktiv<br />

mit Kindergarten und Schule auseinanderzusetzen.<br />

Feedbacks dieser Art zeigen uns,<br />

dass wir auf dem richtigen Weg sind.»<br />

Text: Ursula Binggeli; Bild: Jiri Vurma 2/10 Nachbarn <strong>Caritas</strong> 11


<strong>Caritas</strong>-Netz<br />

«Meine Einstellung zum Tod hat<br />

sich geändert»<br />

<strong>Caritas</strong> bildet Menschen aus, die Schwerkranke und Sterbende<br />

in der letzten Lebensphase begleiten. Wir sprachen<br />

mit Diana Cadruvi, die einen Kurs in Illanz besucht hat.<br />

«<strong>Caritas</strong>-Markt –<br />

gesund!»<br />

In der reichen Schweiz<br />

haben nicht alle Menschen<br />

gleiche Chancen auf ein<br />

gesundes und langes Leben.<br />

Gerade im Bereich «Ernährung<br />

und Bewegung» zeigt<br />

sich: Armut macht krank.<br />

«Nachbarn»: Sie begleiten Menschen<br />

in sehr intimen Momenten. Was beschäftigt<br />

Sie dabei?<br />

Diana Cadruvi: Bis jetzt habe ich nur<br />

schöne Erlebnisse gehabt. Das tönt vielleicht<br />

etwas komisch. Aber die Menschen,<br />

die ich begleite, sind oft schwer krank und<br />

wünschen sich nichts anderes, als zuhause<br />

im Kreise ihrer Liebsten sterben zu können.<br />

Sie gehen gerne und strahlen eine tiefe<br />

Ruhe aus. Zum Beispiel der alte Mann, der<br />

schon tagelang nichts mehr zu sich genommen<br />

hatte und mich noch um einen letzten<br />

Kafi-Schnaps bat. Er genoss ein paar Löffel<br />

davon. Am nächsten Tag ist er gestorben.<br />

Das nimmt einen natürlich mit, man<br />

muss sich abgrenzen können. Aber meine<br />

Einstellung zum Tod hat sich geändert: Die<br />

Angst ist weg.<br />

Warum haben Sie den Grundkurs<br />

«Begleitung in der letzten Lebensphase»<br />

besucht?<br />

Ich arbeite für die Spitex und komme<br />

dabei oft mit Menschen in Kontakt, die im<br />

Der Grundkurs «Sterben und Trauern» lehrt den Umgang mit dem Tod.<br />

Sterben liegen. Ihre Angehörigen kommen<br />

jeweils mit vielen Fragen auf mich zu. Ich<br />

wollte lernen, diesen Fragen professionell zu<br />

begegnen. Die Beispiele der anderen Kursteilnehmenden<br />

und die Erfahrung der Leiterin<br />

haben mir dabei geholfen.<br />

Welche Fragen beschäftigen die Angehörigen,<br />

wenn jemand im Sterben<br />

liegt?<br />

Oft habe ich das Gefühl, dass die Sterbenden<br />

spüren, wann es so weit ist. Sie essen<br />

und trinken nicht mehr. Die Angehörigen<br />

wollen dann wissen, wie lange es noch geht.<br />

Oder wie sie nun die Medikamente weiterhin<br />

verabreichen können. Manche Fragen<br />

können beantwortet werden, andere nicht.<br />

Ich versuche, für die Angehörigen ein offenes<br />

Ohr zu haben und sie da zu unterstützen,<br />

wo es mir möglich ist.<br />

Über ein Drittel der Erwachsenen und ein<br />

Viertel der Kinder und Jugendlichen in der<br />

Schweiz sind übergewichtig – Personen mit<br />

tiefer Schulbildung rund dreimal so häufig<br />

wie Personen mit einem Hochschulabschluss.<br />

Denn bei knappem Budget fehlt oft<br />

das Geld für gesundes Essen: Nahrungsmittel<br />

mit hohem Fett- und Zuckergehalt<br />

sind billiger als Obst und Gemüse.<br />

Mit dem Projekt «<strong>Caritas</strong>-Markt – gesund!»<br />

leistet <strong>Caritas</strong> in Zusammenarbeit<br />

mit Gesundheitsförderung Schweiz einen<br />

innovativen Beitrag zur gesundheitlichen<br />

Chancengleichheit. In den <strong>Caritas</strong>-Märkten<br />

können Armutsbetroffene frisches Obst<br />

und Gemüse besonders günstig kaufen. Zusätzlich<br />

bietet der <strong>Caritas</strong>-Markt Informationen<br />

und preisgünstige Produkte an, um<br />

gesunde Ernährung und Bewegung im Alltag<br />

zu verankern. Das mehrjährige Projekt<br />

wird wissenschaftlich begleitet durch die<br />

Universität Bern.<br />

www.caritas-markt.ch<br />

www.gesundheitsfoerderung.ch<br />

12 <strong>Caritas</strong> Nachbarn 2/10 Texte: Ariel Leuenberger, Adrian Wismann; Bilder: Urs Siegenthaler, Andreas Schwaiger; Collage rechts: Martin Blaser


Schmales Budget, volles Programm<br />

dank der <strong>KulturLegi</strong><br />

Collage: Martin Blaser<br />

1/10 Nachbarn <strong>Caritas</strong><br />

19


Kiosk<br />

<strong>KulturLegi</strong> <strong>beider</strong> <strong>Basel</strong><br />

Was sind «colour key» und «Familienpass»<br />

Seit Ende der 1990er-Jahre beschäftigt<br />

sich <strong>Caritas</strong> <strong>beider</strong> <strong>Basel</strong> einmal<br />

mehr, einmal weniger intensiv mit der<br />

Frage einer Kulturlegi für die Region.<br />

Massgebend für diese «Wellenbewegungen»<br />

sind Aktivitäten auf dem<br />

politischen Parkett wie auch verschiedene<br />

Initiativen im Umfeld.<br />

So ist erstmals 2001 die Kulturlegi<br />

Thema im Grossen Rat des Kantons<br />

<strong>Basel</strong>-Stadt. 2005 und 2009 folgen<br />

weitere Ausführungen des Regierungsrates.<br />

Der nächste Bericht ist<br />

für 2011 geplant.<br />

2003 wird im Landrat des Kantons<br />

<strong>Basel</strong>-Landschaft die Überweisung<br />

des Postulats «Einführung einer ‹Kulturlegi›»<br />

abgelehnt.<br />

Für Jugendliche zwischen 15 und 25<br />

Jahren besteht seit 1990 der «colour<br />

key». 2004 wird der «Familienpass»<br />

aus der Taufe gehoben.<br />

Zwei Jahre später beschliessen die<br />

regionalen <strong>Caritas</strong>-Stellen und <strong>Caritas</strong><br />

Schweiz, die Kulturlegi möglichst<br />

in allen Kantonen der Schweiz<br />

zu lancieren. Dazu wird eine gemeinsame<br />

Geschäftsstelle eingerichtet,<br />

die sich unter anderem um nationale<br />

Angebote bemüht. Daraus entsteht<br />

2010 die Zusammenarbeit mit dem<br />

Migros-Kulturprozent.<br />

Ebenfalls 2010 gibt die Christoph-<br />

Merian-Stiftung den Armutsbericht<br />

<strong>Basel</strong>-Stadt heraus. Darin lautet die<br />

26. von 43 Handlungsempfehlungen:<br />

«‹Kulturlegi› für alle Armutsbetroffenen<br />

prüfen». So sollen Kultur- und<br />

Freizeitangebote nicht nur für einkommensschwache<br />

Familien und Jugendliche,<br />

sondern auch für andere<br />

Armutsbetroffene zu reduzierten<br />

Preisen zugänglich sein.<br />

«Der ‹colour key› ist die Vergünstigungsund<br />

Freizeitkarte für Jugendliche und<br />

junge Erwachsene im Dreiland. Wenn<br />

du zwischen 15 und 25 Jahre alt bist und<br />

30 Franken bzw. 20 Euro investierst, kannst auch du als User von den rund 200 Vergünstigungen<br />

und über 50 Gratis-Angeboten vom ‹colour key› profitieren.<br />

Den Ausweis für zwei Jahre gibts sogar für 50 Franken oder für 35 Euro.» Aktuell<br />

sind rund 10 000 Karten im Umlauf. (Zitat Webseite www.colour-key.ch)<br />

«Mit dem ‹Familienpass› Region <strong>Basel</strong> haben<br />

Sie rund 100 Vergünstigungen oder kostenlose<br />

Angebote für die ganze Familie im Sack.<br />

Und es werden laufend mehr.<br />

Für nur 30 Franken profitieren Sie von tollen<br />

Vorteilen in den Bereichen Sport, Kultur<br />

und Unterhaltung, Ausflüge, Ferien, Kurse und<br />

Weiterbildung, Messen und Ausstellungen,<br />

Shopping und Soziales.<br />

Darüber hinaus liefert Ihnen der ‹Familienpass› die neusten Informationen und<br />

wertvolle Tipps rund ums Thema Familie.<br />

Für Familien mit kleinem Portemonnaie gibt es den ‹FamilienpassPlus›. Er enthält<br />

zusätzliche attraktive Angebote.» Aktuell sind rund 9000 Karten im Umlauf, davon<br />

rund 1500 «FamilienpassPlus». (Zitat Webseite www.familienpass.ch)<br />

Und nun die «<strong>KulturLegi</strong> <strong>beider</strong> <strong>Basel</strong>»?<br />

Mit «colour key» und «Familienpass» können Kinder und junge Erwachsene bis<br />

zum Alter von 25 Jahren von günstigen Angeboten profitieren – unabhängig davon,<br />

ob sie armutsbetroffen sind. Solange das jüngste Kind noch nicht 15 Jahre alt ist,<br />

sind auch die Eltern eingeschlossen. Danach und für alleinstehende Personen über<br />

25 fehlt ein Angebot. Hier ist der Bedarf für eine <strong>KulturLegi</strong> gegeben.<br />

Dabei stellen sich aber verschiedene Fragen:<br />

• Die <strong>KulturLegi</strong> erwartet, dass ihre Partnerinnen und Partner in der Regel einen Rabatt<br />

von mindestens 30 Prozent auf das Regelangebot gewähren, ohne dass sie dafür<br />

eine Abgeltung erhalten. «Colour key» und «Familienpass» beginnen bei 5 Prozent<br />

und ihre Partnerinnen und Partner werden teilweise entschädigt. Lassen sich mit<br />

diesen Vorgaben genügend und wichtige Partnerinnen und Partner finden?<br />

• «Colour key» und «Familienpass» werden von namhaften Organisationen getragen.<br />

Sind diese und/oder andere bereit, bei der <strong>KulturLegi</strong> mitzumachen?<br />

• Wie arbeiten «colour key» und «Familienpass» zusammen? Wie würde eine <strong>KulturLegi</strong><br />

aufgenommen?<br />

Am 30. August 2010 hat der Vorstand von <strong>Caritas</strong> <strong>beider</strong> <strong>Basel</strong> beschlossen, in<br />

einem Vorprojekt diese und weitere Fragen klären zu lassen. Danach soll entschieden<br />

werden, ob und wie eine <strong>KulturLegi</strong> <strong>beider</strong> <strong>Basel</strong> umgesetzt werden kann. Minimalziel<br />

wäre dabei, dass auch armutsbetroffene Personen aus der Region <strong>Basel</strong><br />

die heute schon bestehenden nationalen Angebote wie jene der Migros-Clubschulen<br />

und Zeitungsabonnemente nutzen könnten.<br />

14<br />

<strong>Caritas</strong> Nachbarn 2/10


Gedankenstrich<br />

Doris Leuthard<br />

Menschen brauchen Perspektiven<br />

Armut stigmatisiert und grenzt aus; Armut kann<br />

Individuen, Familien und damit letztlich die Gesellschaft<br />

schwer beeinträchtigen: Deshalb sind<br />

wir verpflichtet, alles daran zu setzen, damit auch<br />

in einem reichen Land wie der Schweiz alle Menschen<br />

ein ihren Fähigkeiten, ihren Möglichkeiten<br />

und ihrem Einsatz entsprechendes Auskommen<br />

finden. Wir alle müssen uns – und zwar nicht nur<br />

im «Europäischen Jahr zur Bekämpfung von Armut<br />

und sozialer Ausgrenzung» – darum bemühen,<br />

dass durch eine gute Grund- und Ausbildung<br />

der Weg für ein würdiges Leben eröffnet wird.<br />

Menschen brauchen Perspektiven und Orientierung.<br />

Die spontane Spende und der freiwillige Dienst<br />

sind zwar ganz wichtig, aber sie reichen nicht aus.<br />

Wir müssen den Menschen vor allem die Fähigkeit<br />

und die Mittel geben, aus eigener Kraft Armut<br />

zu vermeiden oder sie selber zu überwinden.<br />

Die Grundlage dafür sind Bildung und Arbeit. Mit<br />

seiner Strategie zur Armutsbekämpfung will der<br />

Bundesrat darum die Chancengleichheit im Bildungsbereich<br />

fördern, die Massnahmen zur Reintegration<br />

in den Arbeitsmarkt verbessern und<br />

die Familienarmut bekämpfen.<br />

«Die Stärke des Volkes misst sich am Wohle<br />

der Schwachen», so steht es in unserer Verfassung.<br />

Das soll unsere Leitschnur im Kampf gegen die<br />

Armut sein.<br />

Doris Leuthard, Bundespräsidentin<br />

Ende März 2010 hat der Bundesrat<br />

einen Armutsbericht präsentiert.<br />

Damit bekennt er sich zu seiner Aufgabe,<br />

Armut und soziale Ausgrenzung<br />

zu bekämpfen.<br />

Zu finden ist der Bericht unter<br />

www.news.admin.ch/message/index.<br />

html?lang=de&msg-id=32457<br />

Anlässlich des «Europäischen Jahrs<br />

zur Bekämpfung von Armut und<br />

sozialer Ausgrenzung 2010» hat<br />

<strong>Caritas</strong> die Kampagne «Armut<br />

halbieren» gestartet:<br />

www.armut-halbieren.ch<br />

Bild: zvg 2/10 Nachbarn <strong>Caritas</strong> 15


Besuchen Sie am<br />

18. Dezember 2010<br />

«Eine Million Sterne»<br />

in <strong>Basel</strong> und Region.<br />

Alle Veranstaltungsorte unter<br />

www.caritas-<strong>beider</strong>-basel.ch<br />

Jetzt bestellen!<br />

Bis am 31. Oktober 2010 erhalten Sie 10% Rabatt.<br />

Diese Sterne bringen Licht in die Herzen.<br />

Mit dem Kauf der <strong>Caritas</strong>-Glassterne unterstützen<br />

Sie Menschen in Not und werden Teil der<br />

Solidaritätsaktion «Eine Million Sterne».<br />

Erhältlich unter www.caritas.ch/shop<br />

oder<br />

bei Ihrer Regionalen <strong>Caritas</strong>stelle.

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