Storytelling_Belohnungsversprechen - Prof. Dr. Dieter Georg Herbst
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Das <strong>Belohnungsversprechen</strong> im <strong>Storytelling</strong><br />
(Aus: <strong>Herbst</strong>, D. (2008): <strong>Storytelling</strong>. Konstanz)<br />
1 Ableitung von Geschichten<br />
Das Erzählen von Geschichten setzt voraus, dass Sie Ihre<br />
Beweggründe kennen, Ihre Träume und Visionen, die Motive Ihrer<br />
Mitarbeiter und Kunden, Ihre Zweifel und Gewissheiten. Vielen<br />
Unternehmen ist der Sinn Ihrer Tätigkeit nicht mehr klar, sie<br />
können die Frage nicht beantworten, was fehlen würde, wenn es<br />
dieses Unternehmen nicht gäbe. Einige dieser Unternehmen wie<br />
IBM und Henkel besinnen sich auf ihre Gründer: Wie ist die Idee<br />
zur Firma entstanden? Wofür hat der Firmengründer gekämpft?<br />
Welche Hindernisse und Barrieren musste er überwinden? Wie<br />
wollte er das Leben der Menschen bereichern? Hermann Becker,<br />
Leiter Unternehmenskommunikation von Porsche Austria, erzählt<br />
in einem Vortrag (2006):<br />
»Ich bin fest davon überzeugt, dass die Geschichte eines<br />
Unternehmens so etwas wie eine Seele ist und diese Seele prägt<br />
die Menschen, die in diesem Unternehmen arbeiten, wenn man<br />
nicht darauf vergisst diese Seele auch immer wieder zu zitieren<br />
… Gerade ein Unternehmen wie Porsche, wo Familien- und<br />
Unternehmensgeschichte so stark verwoben ist und über alle<br />
Eigentümer-Generationen hinweg auch Automobilgeschichte<br />
geschrieben wird, ist dieses Bewusstsein ein unglaublich<br />
bewegendes und motivierendes Element. Und dann werden sie<br />
verstehen, dass so Ereignisse, die diese Geschichte<br />
fortschreiben, wie die jüngste Beteiligung der Porsche AG am<br />
Volkswagenkonzern – beinahe wie ein erotischer Moment<br />
empfunden wird.«<br />
Dies fehlt in vielen Unternehmen. Sie warten darauf, dass der Markt<br />
ihnen sagt, was sie brauchen, wollen, wünschen und erwarten.<br />
Daher fehlt immer mehr Unternehmen ein einzigartiges <strong>Prof</strong>il und<br />
sie erscheinen uns immer austauschbarer, weil viele Unternehmen<br />
diesem Vorgehen folgen.<br />
Das <strong>Storytelling</strong> versucht, einzigartige Geschichten von<br />
Unternehmen zu erzählen, die bedeutend und belohnend sind.<br />
Hierzu formuliert das Unternehmen als übergeordnete Grundlagen<br />
das <strong>Belohnungsversprechen</strong> des Unternehmens, die<br />
Das Copyright für diesen Text liegt bei <strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> <strong>Georg</strong> <strong>Herbst</strong>, 10726 Berlin. Der Text darf zitiert werden, wenn der Autor angegeben ist.
Erfolgsfaktoren, die erklären, warum das Unternehmen dieses<br />
<strong>Belohnungsversprechen</strong> erfüllen kann, sowie die Beziehungsebene<br />
zu seinen Bezugsgruppen, allen voran den Kunden. Hieraus<br />
entwickelt es Geschichten, die diese drei Bestandteile<br />
transportieren.<br />
1.1 Das <strong>Belohnungsversprechen</strong><br />
Das <strong>Belohnungsversprechen</strong> ist jenes einzigartige belohnende<br />
Gefühl, das die internen und externen Bezugsgruppen erleben,<br />
wenn sie das Anliegen des Unternehmens unterstützen. Dieses<br />
Versprechen ist für diese Bezugsgruppen wie Kunden, Geldgeber<br />
und Journalisten bedeutend und belohnend. Das<br />
<strong>Belohnungsversprechen</strong> ist Kern des Unternehmensleitbildes. Das<br />
Unternehmensleitbild zeigt, was das Denken und Handeln Ihres<br />
Unternehmens leitet und wie es sich langfristig entwickeln wird<br />
(<strong>Herbst</strong>, 2004).<br />
Die Kernfragen des <strong>Belohnungsversprechen</strong>s lauten:<br />
- Was kann ich vom Unternehmen und seinen Leistungen<br />
erwarten?<br />
- Was kann ich nicht erwarten?<br />
- Wie werde ich mich fühlen, wenn ich die Leistungen des<br />
Unternehmens in Anspruch nehme?<br />
- Wie werde ich auf andere wirken?<br />
Die Kaffeekette Starbucks kommuniziert: »Wir bereisen die ganze<br />
Welt, um Ihnen den besten Kaffee zu bringen«. Hierüber kann es<br />
Geschichten erzählen. Andere Unternehmen sind international<br />
tätig, um ihre Kunden noch erfolgreicher zu machen (Deutsche<br />
Bank) oder ihnen neue Anregungen zu bieten (Pro Idee). Das<br />
<strong>Belohnungsversprechen</strong> lässt sich sogar in einem Begriff<br />
zusammenfassen: Im Fall von Starbucks wäre dies Kurzurlaub, im<br />
Fall von Apple wäre es Individualität.<br />
Aus PR-Sicht zwingt die Formulierung eines<br />
<strong>Belohnungsversprechen</strong>s den PR-Verantwortlichen, in den Motiven<br />
seiner Bezugsgruppen zu denken und die einzigartige Befriedigung<br />
dieses Bedürfnisses zu versprechen. Für die interne Koordination<br />
aller Beteiligter ist das <strong>Belohnungsversprechen</strong> sinnvoll, weil es die<br />
Klammer über alle Aktivitäten bildet – alle haben die Aufgabe, den<br />
Bezugsgruppen ihr <strong>Belohnungsversprechen</strong> zu erfüllen.<br />
1.2 Die Erfolgsfaktoren<br />
Die Erfolgsfaktoren begründen, warum das Unternehmen sein<br />
<strong>Belohnungsversprechen</strong> einzigartig erfüllen kann. Es reicht mit<br />
Blick auf das Gehirn nicht aus, wenn ein Unternehmen behauptet,<br />
es sei kompetent, weil dies ungenau ist und weil es jeder behauptet.<br />
Stattdessen sollte das Unternehmen lebendig und deutlich<br />
wahrnehmbar vermitteln, was es unter diesem Begriff versteht, wie<br />
sich dessen Kompetenz zeigt und wie es diese weiterentwickelt,<br />
damit sich die Bezugsgruppen ein klares Vorstellungsbild davon<br />
machen können: Hat es lange Erfahrung im Markt? Beherrscht es<br />
bestimmte Arbeitstechniken? Fühlen sich die Menschen wohl?<br />
Worin zeigt sich, dass das Unternehmen besonders gut auf seine<br />
Mitarbeiter eingehen kann: Spricht die Firmenleitung regelmäßig<br />
mit ihnen? Hat sie stets eine offene Tür für sie? Holt sie sich deren<br />
kritisches Feedback ein?<br />
Geschichten über die Erfolgsfaktoren erzählen also, wie das<br />
Unternehmen sein <strong>Belohnungsversprechen</strong> erfüllt und warum es<br />
dies so einzigartig kann. Meist sind diese Erfolgsfaktoren<br />
- die Mitarbeiter: Sie setzen sich mit allen Kräften dafür ein, das<br />
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<strong>Belohnungsversprechen</strong> zu erfüllen, zum Beispiel indem sie<br />
noch bessere Produkte schaffen, neue Ideen suchen, nah am<br />
Kunden sind und hohe Leistung bringen.<br />
- das Wissen des Unternehmens: Wo entsteht Wissen? Wie<br />
verbreiten die Mitarbeiter Ihr Wissen, damit es alle nutzen<br />
können? Wo suchen Sie die Unterstützung von Experten? Wo<br />
trennen Sie sich von Wissen, das nicht mehr zeitgemäß ist?<br />
- die Herstellverfahren oder Zutaten: Spielt der Ort der<br />
Herstellung eine Rolle für das <strong>Belohnungsversprechen</strong>? Baut das<br />
Unternehmen Rohstoffe unter besonderen lokalen Bedingungen<br />
an, zum Beispiel unter besonderen klimatischen Verhältnissen?<br />
- dessen Netzwerke: Wo kooperiert das Unternehmen mit<br />
anderen? Wie arbeitet das Unternehmen mit diesen Experten?<br />
Wie setzen sie gemeinsam das <strong>Belohnungsversprechen</strong> um?<br />
Neben dem <strong>Belohnungsversprechen</strong> und den Erfolgsfaktoren ist die<br />
Haltung, aus der heraus das Unternehmen mit seinen<br />
Bezugsgruppen spricht, wichtig für das <strong>Storytelling</strong>.<br />
1.3 Beziehungen des Unternehmens<br />
<strong>Storytelling</strong> in den PR handelt von Beziehungen zwischen<br />
Menschen. Wie ist deren Bedeutung einzuschätzen? Egoismus,<br />
Ellenbogendenken, Eigenbrötelei – die Massenmedien sind voller<br />
Berichte, die den Eindruck erzeugen, als ob das Wirtschaftsleben<br />
vor allem aus Einzelkämpfern besteht, die nur an sich denken, nur<br />
auf die Optimierung ihres eigenen Vorteils aus sind. Allen<br />
Unkenrufen zum Trotz: Tatsächlich ist der Mensch ein soziales<br />
Wesen – unser Gehirn auf Beziehungen ausgelegt. Dies ist schon<br />
deshalb plausibel, weil der Mensch fast 20 Jahre braucht, bis er auf<br />
eigenen Beinen steht und sein eigenes Leben führen kann. Wir<br />
verfügen sogar über Nervenbotenstoffe und Hormone, die für<br />
unsere Bindungen zuständig sind (vgl. Häusel, 2004): So belohnt<br />
das Gehirn gelingende Beziehungen zwischen Menschen mit<br />
Dopamin, das uns gute Gefühle verursacht und aus diesem Grund<br />
vom Volksmund »Glückshormon« genannt wird. Unser soziales<br />
Wesen erkennen wir daran, dass wir es mögen, wenn sich andere<br />
Menschen für uns interessieren. Interesse gehört zu den wichtigsten<br />
Düngemitteln von Beziehungen und ist das beste Aphrodisiakum<br />
(Kast, 2006). Die Gemeinschaft bietet uns Sicherheit: Wir können<br />
uns sehr gut an den anderen Mitgliedern der Gemeinschaft<br />
orientieren, machen nichts falsch und ecken nicht an. Eine Gruppe<br />
ähnelt sich möglichst stark in ihren Mitgliedern und grenzt sich<br />
nach außen möglichst stark ab.<br />
Unternehmen haben soziale Aufgaben für Menschen, zum Beispiel<br />
als Mitarbeiter oder Kunde, da sie deren Umfeld zeigen, wie sich<br />
diese Menschen selbst sehen und zu welcher Gruppe sie gehören,<br />
wie im Fall von Swarovski, Red Bull und Apple, die auch als<br />
Arbeitgeber soziale Bedeutung haben können. Wie enorm wichtig<br />
dies ist, zeigen jene Marken, für die Konsumenten das Vielfache<br />
ausgeben als für gleichartige Produkte mit einem anderen Namen.<br />
Die Frage ist, welche Beziehungen ein Unternehmen<br />
beziehungsweise dessen Vertreter zu Menschen eingehen kann, die<br />
auch für das <strong>Storytelling</strong> wichtig sind zu verstehen?<br />
Ein Modell, das Bindungsmuster erklären kann, ist die<br />
Transaktionsanalyse, kurz TA, des kanadische Psychiaters Eric<br />
Berne. Sie ist in den PR weithin unbekannt und wird in der Praxis<br />
noch wenig eingesetzt. Die Transaktionsanalyse beantwortet die<br />
Frage, aus welcher Haltung heraus sich Unternehmen und<br />
Bezugsgruppen zueinander verhalten. Dies können Sie<br />
grundsätzlich klären und dann zum wichtigen Bestandteil Ihres<br />
<strong>Storytelling</strong> machen.<br />
Zur Beschreibung von Beziehungen unterteilt die<br />
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Transaktionsanalyse die Persönlichkeit in drei Ich-Zustände: das<br />
Eltern-Ich, das Kind-Ich und das Erwachsenen-Ich (z.B. Gerhold,<br />
2005; Hagehülsmann/Hagehülsmann, 2001):<br />
– Das Eltern-Ich umfasst alle Haltungen, Handlungen, Gedanken<br />
und Gefühle, die wir von unseren Eltern und anderen<br />
Autoritäten erlernt haben, zum Beispiel von Kindergärtnern und<br />
Lehrern. Ge- und Verbote haben wir im Eltern-Ich genauso<br />
abgelegt wie Fürsorge und Trost, daher unterscheidet die TA das<br />
kritische Eltern-Ich und das fürsorgliche Eltern-Ich. Das Eltern-<br />
Ich von Unternehmen wird durch die Gründer bestimmt, deren<br />
Unternehmensziele und Mission.<br />
– Das Kind-Ich enthält alle unsere Erfahrungen, Gefühle,<br />
Empfindungen und Bedürfnisse aus der Kinderzeit, ebenso<br />
unsere »kindlichen« Bedürfnisse, die wir noch als Erwachsene<br />
haben, zum Beispiel jene nach einem großen, schnellen und<br />
schicken Auto oder einem Computer mit viel Schnickschnack.<br />
– Das Erwachsenen-Ich ist der Moderator, der mit unserem<br />
Sachverstand und unserer Lebenserfahrung der gereiften<br />
Persönlichkeit zwischen unserem Eltern-Ich und unserem Kind-<br />
Ich vermittelt. Unser Erwachsenen-Ich handelt im »Hier und<br />
Jetzt«, seine Handlungen und Entscheidungen ziehen frühere<br />
Erfahrungen heran.<br />
Die Transaktionsanalyse fügt eine Perspektive zur Betrachtung von<br />
Persönlichkeit hinzu, die auch für die Analyse von Beziehungen im<br />
<strong>Storytelling</strong> wichtig sind:<br />
– Das Eltern-Ich von Unternehmen und den Menschen darin<br />
umfasst zum einen die Ge- und Verbote des Miteinander, zum<br />
anderen die Art und Weise, wie eine Führungskraft ihre<br />
Mitarbeiter fördert, damit diese sich weiterentwickeln können.<br />
Sie sorgt sich um ihre Mitarbeitenden, sie schützt sie vor<br />
Schaden.<br />
– Das Kind-Ich besteht aus deren kindlichen Anteile, die leben,<br />
spielen, lernen spontan sein wollen – Anteile, die für Intuition,<br />
Kreativität und Innovation stehen. Dem Kind-Ich entspricht<br />
auch die Suche nach der eigenen Identität: Kind-Ich gesteuerte<br />
Menschen, zum Beispiel Führungskräfte, suchen ständig neue<br />
Identitäten, »kreative Ansätze«, sie sind nicht stabil, sondern<br />
stark an ihren Bezugsgruppen, an ihrem sozialen Umfeld<br />
ausgerichtet. Solche Führungskräfte und Unternehmen führen<br />
nicht aus sich heraus, aus dem eigenen Auftrag, den eigenen<br />
Grundsätzen heraus, sondern einzig mit Blick auf andere, zum<br />
Beispiel deren Kunden – Marktforschung spielt hierbei die<br />
essenzielle Rolle. Sie wollen alles für den Kunden tun, aber<br />
wissen oft selbst nicht, wer sie eigentlich sind.<br />
– Das ausgeprägte Erwachsenen-Ich ist wichtig für eine gesunde<br />
Persönlichkeit: Es moderiert die beiden anderen Ich-Zustände<br />
und sorgt dafür, dass deren Transaktionen im Dienste klar<br />
prüfbarer Eigenschaften stehen. Agiert das Unternehmen aus<br />
dem Erwachsenen-Ich heraus, dann informiert es sachlich, klar,<br />
aber nicht appellierend. Um so zu agieren, braucht es das<br />
Eltern-Ich oder Kind-Ich. Das starke, vom Erwachsenen-Ich<br />
gesteuerte Unternehmen weiß, was es kann und was gut ist für<br />
die Menschen, mit denen es in Beziehung steht. Das<br />
Unternehmen weiß, wie es unser Leben bereichern kann.<br />
Hierfür hat es mitunter einen Auftrag, eine Vision für ein<br />
<strong>Belohnungsversprechen</strong>, die es beharrlich verfolgt. Das starke<br />
Unternehmen führt. Es braucht ein gut entwickeltes<br />
Erwachsenen-Ich, das die beiden anderen Ich-Zustände im<br />
Sinne sachlicher, überprüfbarer Vorgaben steuert.<br />
Um diese Einsichten für Geschichten gewinnbringend einzusetzen,<br />
ist es hilfreich, die Ich-Zustände weiter zu unterscheiden: Das<br />
Eltern-Ich des Unternehmens unterscheidet sich in das kritischstrukturierende<br />
und das fürsorgliche Eltern-Ich:<br />
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– Im kritischen Eltern-Ich des Unternehmens finden sich<br />
sämtliche Ausdrucksformen von Kontrolle, wie Ver- und Gebote,<br />
Vorurteile, Zurechtweisungen, Normen, Verhaltensregeln.<br />
Dieser Zustand kennzeichnet die Haltung des strengen<br />
Firmenchefs, der vorgibt, was im Unternehmen erlaubt und was<br />
verboten ist.<br />
– Das fürsorgliche Eltern-Ich des Unternehmens steht für<br />
Unterstützung, Bestärkung, Schutz, Lob und Hilfe. Ein Beispiel<br />
hierfür wäre Claus Hipp, Hersteller von Babynahrung, der beste<br />
Qualität zum Wohl des Kindes bietet.<br />
Das Kind-Ich unterscheidet sich in das freie und das angepasst<br />
Kind:<br />
– Das freie Kind enthält den ursprünglichsten, natürlichsten Teil<br />
einer Persönlichkeit. Kreativität und Intuition sind zwei<br />
wesentliche Merkmale des Kind-Ich-Zustands.<br />
– Das angepasste Kind orientiert sich vornehmlich an<br />
Erwartungen anderer, stellt die Einhaltung von Regeln, Ge- und<br />
Verboten in den Vordergrund. Eine Abwandlung des<br />
angepassten Kindes ist das rebellische Kind, das sich ausdrückt<br />
über Ärger, Trotz, die Ablehnung gegen alles Vorgegebene. Da es<br />
sich dabei ausnahmslos an anderen orientiert, wie es das<br />
angepasste Kind auch tut, unterscheidet es sich zwar in seinem<br />
Auftreten, nicht jedoch in den Grundzügen seines Verhaltens.<br />
Wichtig ist, dass es keinen per se »schlechten« Ich-Zustand gibt –<br />
alle haben ihre positiven und negativen Ausprägungen: Ohne das<br />
Verbot des kritischen Eltern-Ich: »Gehe nicht bei rot über die<br />
Straße«, wäre manches Kind nicht über das vierte oder fünfte<br />
Lebensjahr hinaus gekommen.<br />
Nach dem Blick auf die Ich-Zustände fällt die Antwort auf die Frage<br />
leichter: Aus welchem Ich-Zustand kommuniziert ein Unternehmen<br />
mit uns? Und welchen spricht es in uns an?<br />
– Unser Eltern-Ich: Das Unternehmen kann unser Eltern-Ich<br />
ansprechen, indem es an unser Gewissen appelliert, uns für das<br />
Wohl des Unternehmens einzusetzen.<br />
– Unser Kind-Ich: Das Unternehmen kann unser wildes,<br />
experimentierendes Kind ansprechen, wenn wir Forscher sind<br />
und nach Innovationen suchen.<br />
– Unser Erwachsenen-Ich: Das Unternehmen informiert uns über<br />
sachlich-funktionale Leistungen.<br />
Folgende Beispiele, in denen die beschriebenen Haltungen des<br />
Unternehmens zum Ausdruck kommen, kennen wir aus der<br />
Werbung:<br />
– Media Markt: »Lass Dich nicht verarschen« (Kritische Eltern-<br />
Angepasstes Kind).<br />
– Opel: »Frisches Denken für bessere Autos« (Fürsorgliche<br />
Eltern-Angepasstes Kind).<br />
– Sparkasse: »Wenn’s um Geld geht – Sparkasse« (Erwachsenen-<br />
Ich, Erwachsenen-Ich).<br />
– BMW: »Freude am Fahren« (Freies Kind-Freies Kind).<br />
– Ebay: »3,2,1 meins« (Freies Kind-Freies Kind).<br />
– Allianz: »Hoffentlich Allianz versichert« (Angepasstes Kind-<br />
Kritische Eltern).<br />
– Saturn: »Geiz ist geil!« (Rebellisches Kind-Kritische Eltern).<br />
Tatsächlich provozieren bestimmte Ich-Zustände des<br />
Unternehmens die Reaktionen der Ich-Zustände der Mitarbeiter:<br />
Das kritische Eltern-Ich des Unternehmens provoziert<br />
beispielsweise Reaktionen des angepassten oder rebellischen Kindes<br />
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der Mitarbeiter. Die Firmenleitung sagt: »Arbeite härter!«, und<br />
Mitarbeiter reagieren mit: »Ja, es ist besser für das Unternehmen<br />
und mich, wenn ich mehr leiste«, oder: »Jetzt mache ich erst recht<br />
Dienst nach Vorschrift«. Ob die Appelle wirken, hängt davon ab, ob<br />
das Unternehmen aus dem richtigen Ich-Zustand heraus die<br />
passende Haltung der Mitarbeiter anspricht. Hinzu kommt die Art,<br />
in welcher Haltung und in welchem Ton das Unternehmen seine<br />
Appelle vermittelt. Dieses Wechselspiel macht die<br />
Transaktionsanalyse so hilfreich für die Analyse der Wirkung von<br />
Unternehmen auf deren Bezugsgruppen.<br />
Die Transaktionsanalyse zeigt auch, wie wichtig Glaubwürdigkeit<br />
ist: Wie glaubwürdig wirkt ein Vorgesetzter, der einerseits ständig<br />
vorgibt, mit anderen aus dem freien Kind zu kommunizieren, also<br />
betont locker, fröhlich und frei auftritt, aber andererseits ständig<br />
aus dem kritischen Eltern-Ich redet? Wie lange kann jemand in der<br />
Rolle des Freien, Frechen bleiben, wenn er sein anderes,<br />
eigentliches Wesen immer unterdrücken muss? Eine<br />
Finanzbehörde, die mit dem Slogan »Geiz ist geil« in die<br />
Öffentlichkeit träte, hätte es sehr schwer, als glaubwürdig zu gelten.<br />
Ein typischer Fehler, den Unternehmen in ihren PR machen, ist die<br />
Wahl des falschen Ich-Zustandes, aus dem heraus sie reden:<br />
Sprechen sie aus dem Eltern-Ich heraus das Kind-Ich an, könnten<br />
die Bezugsgruppen dies ablehnen, weil sie sich bevormundet fühlen.<br />
Ein Beispiel wäre, wenn ein Firmenchef zum Journalisten sagt:<br />
»Diese Frage dürfen Sie aber nicht stellen.« Eine weitere Erklärung<br />
liefert die Transaktionsanalyse für das Verhältnis von<br />
Unternehmensleitung und Mitarbeitern: Einerseits will das<br />
Unternehmen angeblich Mitarbeiter, die sich an der internen<br />
Kommunikation beteiligen (zum Beispiel durch Beiträge im<br />
Intranet), kritisch und kreativ sind; andererseits erleben die<br />
Mitarbeiter die Firmenleitung im kritischen Eltern-Ich, das nicht<br />
kritisiert werden will und am liebsten ein »angepasstes Kind« in<br />
den Mitarbeitern hätte.<br />
Zum besseren Verständnis der Transaktionsanalyse schauen wir uns<br />
das Muster von Politsendungen aus Opfer, Täter und Retter noch<br />
einmal an: Das Opfer, zum Beispiel ein Anwohner, der sich durch<br />
die geplante Fabrikationshalle bedroht fühlt, erwartet das<br />
fürsorgliche Eltern-Ich des Unternehmens, das ihn beruhigt und<br />
beschützt. Stattdessen erlebt er nur das kritische Eltern-Ich, das<br />
erklärt, die Produktionshalle müsse und werde auch in jedem Fall<br />
gebaut werden. Der Journalist schaltet sich nun mit seinem Eltern-<br />
Ich ein (kritisch zum »Täter«, also dem Unternehmen, und<br />
fürsorglich zum »Opfer«) und will dem Opfer den Platz im<br />
angepassten Kind zuweisen. Deutlich wird hier, dass Beziehungen<br />
höchst komplex sind, dass sich die Handelnden aufeinander<br />
beziehen und dass es viele Wechselwirkungen in den Handlungen<br />
gibt: Menschen nehmen das Unternehmen wahr, sie bewerten es<br />
und reagieren darauf – bewusst und unbewusst. Das Unternehmen<br />
deutet deren Reaktion, es bewertet diese und reagiert. Somit<br />
entstehen dynamische Beziehungen, die durch die gegenseitigen<br />
Programme geprägt sind. Dieses Geschehen läuft überwiegend<br />
unbewusst ab.<br />
Zusammenfassend lässt sich für das <strong>Storytelling</strong> in den PR<br />
festhalten, dass die Transaktionsanalyse ermöglicht, jene<br />
grundsätzliche Haltung zu bestimmen, aus der es seine Geschichten<br />
erzählt: Ist es zum Beispiel ein kritischer Experte oder ein<br />
fürsorglicher? Diese Grundhaltung können alle Geschichten des<br />
Unternehmens verdeutlichen. Überdies ermöglicht die<br />
Transaktionsanalyse, die Grundhaltungen der Bezugsgruppen zu<br />
beschreiben und mit einem angemessenen Konzept hierauf zu<br />
reagieren.<br />
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1.4 Positionierung<br />
Das <strong>Belohnungsversprechen</strong>, die Erfolgsfaktoren sowie die Haltung<br />
des Unternehmens sind die wichtigen Grundlagen, die Sie für das<br />
Entwickeln von Geschichten benötigen. Mehr noch: Diese Elemente<br />
bieten grundsätzliche Optionen, sich im Wettbewerb zu<br />
positionieren.<br />
Positionierung bedeutet, dass das Unternehmen bei seinen<br />
Bezugsgruppen ein klares Vorstellungsbild entwickelt, das sich<br />
deutlich von anderen Unternehmen abgrenzt. Als Faustregel kann<br />
gelten: Je mehr Kontrast ein Unternehmen zu seinen<br />
Wettbewerbern hat, desto klarer wird das Vorstellungsbild. Denken<br />
Sie an Unternehmen wie die Deutsche Bank, Porsche und die<br />
Lufthansa – haben Sie von diesen Unternehmen eine klare,<br />
einzigartige Vorstellung? Sie können diese Unternehmen leicht<br />
erkennen und deutlich von anderen unterscheiden? Sie wissen,<br />
wofür diese Unternehmen stehen und können sich daher leicht und<br />
gezielt entscheiden?<br />
Verspricht ein Unternehmen das gleiche wie seine Konkurrenten,<br />
wäre es aus Sicht der Bezugsgruppen egal, welches Unternehmen sie<br />
unterstützen. Interessanterweise geschieht genau dies in vielen<br />
Branchen, zum Beispiel im Maschinenbau, indem alle Unternehmen<br />
mit den Begriffen innovativ, kompetent und Partnerschaft arbeiten.<br />
Die Begriffe <strong>Belohnungsversprechen</strong>, Erfolgsfaktoren und die<br />
Kommunikation bieten 3 Ansätze, wie sich ein Unternehmen<br />
positionieren, also im Wettbewerb eine einzigartige Position<br />
einnehmen kann. Aus Sicht der Bezugsgruppen würde dies<br />
bedeuten, welche einzigartige Belohnung es bietet:<br />
– Einzigartiges <strong>Belohnungsversprechen</strong>: Das Unternehmen hat<br />
ein anderes und für die relevanten Bezugsgruppen attraktiveres<br />
<strong>Belohnungsversprechen</strong> als seine Konkurrenten.<br />
– Einzigartige Erfolgsfaktoren: Die Erfolgsfaktoren könnte das<br />
Unternehmen daraufhin prüfen, ob sich diese vom Wettbewerb<br />
unterscheiden. Sind die Menschen bedeutend für die<br />
Bezugsgruppen? Ist es das Wissen des Unternehmens? Dessen<br />
Netzwerke?<br />
– Einzigartige Vermittlung in den PR: In allen Branchen ist es<br />
sehr schwer geworden, ein einzigartiges <strong>Belohnungsversprechen</strong><br />
zu formulieren, das für die Bezugsgruppen bedeutend ist.<br />
Letztlich bleibt die Kommunikation, um sich im Wettbewerb zu<br />
unterscheiden, zum Beispiel durch dessen <strong>Storytelling</strong>.<br />
Die übergeordneten Grundlagen liefern wichtige Vorgaben für das<br />
<strong>Storytelling</strong>. Aus diesen Vorgaben und den Kernelementen<br />
entstehen die Geschichten.<br />
Das Copyright für diesen Text liegt bei <strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Dieter</strong> <strong>Georg</strong> <strong>Herbst</strong>, 10726 Berlin. Der Text darf zitiert werden, wenn der Autor angegeben ist.