04.06.2015 Aufrufe

Eine Galerie finden

ISBN 978-3-86859-131-6

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›› 5<br />

Vernetzung und Kommunikation 7<br />

Ein lei tung 11<br />

Ein abendlicher Anruf … 17<br />

Der Kunstmarkt 23<br />

Poleposition: Wo stehe ich als Künstler? 37<br />

Professionelle Suche: Welche <strong>Galerie</strong> passt zu mir? 49<br />

Fehler vermeiden –<br />

was man unbedingt unterlassen sollte 63<br />

Strategien der Kontakt aufnahme 69<br />

Portfolio-Viewings,<br />

Seminare und andere Foren nutzen 83<br />

Das erste Treffen 93<br />

Möglichkeiten der Selbstvermarktung 103<br />

Der abendliche Anruf – Fortsetzung 119<br />

Ein anderer Blick auf den Kunstmarkt –<br />

Kunst ist nicht demokratisch 125



Vernetzung<br />

und<br />

Kommunikation<br />

›› 7


Vernetzung und Kommunikation ›› 9<br />

Die Partizipation der Künstler am Geschehen des Kunstmarktes<br />

ist von ungleicher Intensität, ihr Zugang zu relevanten Informationen<br />

limitiert und ihre Position im professionellen Kommunikationsnetzwerk<br />

peripher. Galeristen und Künstler treffen häufig<br />

sehr spät zusammen, die Ausbildung an den Kunsthochschulen<br />

kommt im Wesentlichen ohne Vertreter des Kunsthandels aus.<br />

Interaktionsformen zwischen Künstler und Galerist entstehen<br />

nur langsam und eine genuine Partnerschaft zwischen beiden<br />

Akteuren entwickelt sich zumeist mit Verzögerung.<br />

Um diesen Prozess der Annäherung zu befördern, hat Cai<br />

Wagner einen Kommunikationsleitfaden verfasst, der Hinweise<br />

für Künstler zusammenfasst, Handlungsoptionen aufzeigt und<br />

als klassischer Ratgeber funktionieren kann. Beide Seiten profitieren<br />

von den Hinweisen, die Missverständnisse vermeiden<br />

können und eine produktive Kooperationsgrundlage schaffen.<br />

Durch ihre Annäherung werden Künstler und Galerist überdies<br />

zu Partnern der Ausstellungsinstitutionen, deren Arbeit aufgrund<br />

budgetärer Einschränkungen oftmals nur mit Unterstützung<br />

der <strong>Galerie</strong>n und dem Engagement der Künstler möglich<br />

ist. Die Entwicklung einer dynamischen Kommunikationsstruktur<br />

ist in der Folge die Voraussetzung für eine zeitgemäße, für<br />

beide Seiten stimulierende Zusammenarbeit.<br />

Thomas Köhler



einleitung<br />

›› 11


Auf dem Höhepunkt der Dotcom-Blase, im Herbst 2000, eröffnete<br />

ich meine erste <strong>Galerie</strong> für zeitgenössische Kunst. Seither<br />

verging kaum ein Tag, an dem sich nicht Künstler in der einen<br />

oder anderen Form um Ausstellungsmöglichkeiten beworben<br />

hätten. Umfang: eher zunehmend. Ausmaß: durch Internet<br />

global. Wie soll ein Galerist im Alltag mit der Flut solcher Bewerbungen<br />

angemessen umgehen? Wie soll er inmitten seiner<br />

vielfältigen Aufgaben professionell reagieren, ohne das<br />

Klischee des arroganten Galeristen zu bestätigen? Wie kann<br />

er vermeiden, eine Entdeckung zu verpassen? Fragen, die wesentlich<br />

zum Entstehen dieses Buches beitrugen.<br />

Kunst ist längst keine Angelegenheit einer kleinen und verschworenen<br />

Elite mehr. Neue Gesellschaftsschichten haben<br />

sich für die Kunst geöffnet, vor allem in aufstrebenden Ländern<br />

wie China, Russland, Brasilien oder den Vereinigten Arabischen<br />

Emiraten. Neben der größeren Verbreitung von Kunst durch das<br />

Internet kommt auch eine Globalisierungstendenz bei <strong>Galerie</strong>n<br />

und Messen zum Tragen:„Im Auslandsmarkt liegt der Erfolg“,<br />

schreibt etwa Bernd Fesel 2006 und sieht Deutschland als<br />

„Kunstexporteur“ 1 .<br />

Nun ist in den letzten Jahren viel über den boomenden Kunstmarkt<br />

geschrieben worden (Dossi; Liebs), über die immer<br />

wichtiger werdenden Sammler (Herold) oder auch über die<br />

Kriterien, mit deren Hilfe man gute von schlechter Kunst zu<br />

unterscheiden lernen soll (Hauskeller; Rauterberg). Selbst die<br />

dramatische Finanzmarktkrise der Jahre 2008 bis 2010 konnte<br />

diese Expansionsbewegung im Kern bisher nicht stoppen 2 .<br />

Und natürlich wird allerorten über die erfolgreichen Jetset-<br />

Künstler, die glamourösen Superstars der Szene geschrieben.<br />

Gerade über sie liest man eher in Lifestyle-Magazinen beim


EINLEITUNG ›› 13<br />

Friseur, als in ausgesuchten Kunstmagazinen. Wie aber steht es<br />

um den „normalen“ Künstler, der weder einen schlossartigen<br />

Landsitz, noch feste <strong>Galerie</strong>vertretungen in New York, London<br />

und Shanghai sein Eigen nennt? Der nicht alljährlich auf der<br />

Art Basel Miami Beach ausgestellt wird und zur Pool-Party<br />

und Bespaßung der Sammler einfliegen muss? Der ohne<br />

Champagner-Kater morgens aufwacht …<br />

Wie steht es also um diesen Künstler? Schwierig. Schlichtweg<br />

schwierig! Wer nicht oder noch nicht untergekommen ist am<br />

Markt, der ist auf der Suche nach einer <strong>Galerie</strong>. So simpel ist<br />

das, außer man verweigert sich aus konzeptionellen oder ideologischen<br />

Gründen dem kommerziellen Markt. Dabei ist die Zusammenarbeit<br />

mit einer <strong>Galerie</strong> spätestens seit Ende des 19.<br />

Jahrhunderts eine fast unabdingbare Voraussetzung zur Durchsetzung<br />

am Kunstmarkt (Grosenick/Stange). Mit einer <strong>Galerie</strong><br />

erzielt der Künstler ein mehr oder minder gutes Einkommen 3 ,<br />

mit ihr öffnen sich Türen in Museen und Sammlungen, mit ihr<br />

entsteht Öffentlichkeit in einem umfassenden Sinn. Die <strong>Galerie</strong><br />

ist Agent, Partner und Förderer des Künstlers zugleich. Durch<br />

ihre kommunikative Leistung, ein entsprechendes ökonomisches<br />

Engagement sowie ein Netzwerk von veritablen Kontakten<br />

bahnt sie dem Künstler und seiner Kunst den Weg. Daher<br />

benötigt ein Künstler heute unbedingt eine <strong>Galerie</strong>. Wenn ein<br />

Künstler aber keine <strong>Galerie</strong>vertretung hat?<br />

Hier beginnt das Problem, von dem dieses Buch handelt: Wie<br />

<strong>finden</strong> Künstler und <strong>Galerie</strong> zusammen? Ich erwähnte, dass <strong>Galerie</strong>n<br />

sehr viele Bewerbungen erhalten. In der Regel bekommen<br />

Künstler auf diese Bewerbungen keine Antwort oder eine<br />

Ablehnung. <strong>Eine</strong>n Standardspruch hört man oft: „Wir suchen<br />

keine neuen Künstler.“ Woher soll man das aber als Künstler



›› 17<br />

ein<br />

abendlicher<br />

Anruf


Dieses Buch wird Künstlern Orientierung bieten, die auf der<br />

Suche nach einer galeristischen Vertretung sind oder ihre <strong>Galerie</strong><br />

wechseln wollen. Ein Beispiel aus dem Alltag soll zunächst<br />

als Einführung in das Thema dienen. Ich werde das nachfolgende<br />

Beispiel am Ende des Buches wieder aufgreifen, um zu<br />

zeigen, worin für Künstler die besonderen, von außen kaum<br />

nach vollziehbaren Schwierigkeiten bestehen, eine passende<br />

<strong>Galerie</strong> zu <strong>finden</strong>.<br />

<strong>Eine</strong>s Abends, ich war gerade zu Hause beim Kochen, klingelte<br />

das Telefon. Aus verschiedenen Gründen werden nach Geschäftsschluss<br />

die Anrufe an die <strong>Galerie</strong> auf mein Handy weitergeleitet,<br />

was für mich bei Annahme des Anrufs allerdings<br />

nicht sichtbar ist. Ich meldete mich also relativ unbefangen,<br />

aber formal mit meinem Namen. Am anderen Ende stellte<br />

sich ein Künstler vor und erinnerte mich in den ersten Sätzen<br />

des Gesprächs gezielt daran, dass ich ihn von einem Portfolio-<br />

Viewing her kennen müsste. Tatsächlich erinnerte ich mich an<br />

die Begegnung vor einigen Jahren. Wäre dieser Anruf tagsüber<br />

erfolgt, so hätte vielleicht ein Mitarbeiter in der <strong>Galerie</strong> das Gespräch<br />

geführt oder ich hätte in der Vielzahl der Aufgaben keine<br />

Zeit dafür gefunden. Spekulation.<br />

So passte es also gut. Und in der Tat hatte ich noch einen recht<br />

guten Eindruck der Werke im Kopf. Der Künstler bat mich um<br />

einen Termin. Da ich meinen Outlook-Kalender in diesem Moment<br />

nicht vor Augen hatte – ich war ja zu Hause beim Kochen<br />

–, bat ich ihn darum, eine E-Mail an die <strong>Galerie</strong> zu schicken. Ich<br />

würde dann am nächsten Tag antworten. Wie vereinbart, fand<br />

ich am Morgen darauf eine E-Mail mit kurzem Anschreiben,<br />

Kontaktdaten und der Website des Künstlers vor. Ich antwortete<br />

also und vereinbarte einen Termin. Zuvor warf ich einen Blick


EIN ABENDLICHER ANRUF ›› 19<br />

auf seine Homepage. Sie war okay, nicht sonderlich gut gestaltet,<br />

aber informativ. Außerdem fehlten die neuesten Werke; darauf<br />

hatte der Künstler im Gespräch aber bereits hingewiesen,<br />

er könne diese jedoch bei einem Treffen als Portfolio-Abzüge<br />

mitbringen.<br />

Der Anruf am Abend hatte für mich eine gewisse Verbindlichkeit<br />

hergestellt, wir würden uns also in der <strong>Galerie</strong> treffen. Wenige<br />

Tage später kam besagter Künstler dann in die <strong>Galerie</strong>, glücklicherweise<br />

pünktlich, denn mein Tag war vollgestopft mit Terminen<br />

und anderen Verpflichtungen. Nach Begrüßung und ein wenig<br />

Smalltalk setzten wir uns, um über die Arbeiten und die Gründe<br />

für dieses Treffen zu reden. Bei Durchsicht der Website war mir<br />

aufgefallen, dass der Künstler von einer anderen <strong>Galerie</strong> in der<br />

Stadt vertreten wurde und dort auch bereits zwei Einzelausstellungen<br />

hatte. In der Regel ist es so, dass ein Künstler in derselben<br />

Stadt nicht von zwei oder mehreren <strong>Galerie</strong>n vertreten wird.<br />

Gewöhnlich teilt man die galeristische Vertretung von Künstlern<br />

mit Kollegen nach Regionen oder Ländern ein. Hierauf sprach ich<br />

meinen Gast also etwas provokant mit der Frage an, warum er<br />

denn zu uns komme, wenn er in Berlin bereits vertreten sei.<br />

Die Antwort meines Gegenübers war klar und für mich nachvollziehbar:<br />

Nach einem enthusiastischen Start hatte der Kollege<br />

aus Sicht des Künstlers den Anschluss an seine neueren Arbeiten<br />

und künstlerische Entwicklung verloren; er wollte immer<br />

wieder Variationen der zu Beginn erfolgreich gezeigten Fotografien.<br />

Der Künstler jedoch hatte sich sukzessive in eine andere<br />

Richtung entwickelt und fand sich in seiner <strong>Galerie</strong> nicht mehr<br />

aufgehoben. Dies war der Anlass, sich an mich zu wenden. An<br />

dieser Stelle bestand also die Chance für einen <strong>Galerie</strong>wechsel,<br />

was mein Interesse durchaus weckte.



Der<br />

Kunstmarkt<br />

›› 23


Künstler und Galeristen<br />

leben in zwei Welten<br />

Man redet über Kunst, trifft sich auf Vernissagen oder besucht<br />

Ausstellungen, bereitet sich auf die documenta vor und<br />

verfolgt, wer den Turner-Preis dieses Jahr bekommt. Ist ein<br />

Leben ohne Kunst für Galeristen und Künstler überhaupt vorstellbar?<br />

Wohl kaum. Und doch sind die Perspektiven beider<br />

Seiten sehr unterschiedlich. Ein Künstler hat mir gegenüber<br />

einmal behauptet, für ihn lebten seinesgleichen und Galeristen<br />

auf verschiedenen Planeten, man müsse sich auf eine lange<br />

Reise machen, um einander zu verstehen. Ganz soweit auseinander<br />

leben wir sicher nicht, aber ich will darlegen, worin die<br />

Trennlinie zwischen beiden Welten besteht. Tatsächlich muss<br />

man von einer „strukturellen Trennung“ sprechen, die kaum<br />

aufzuheben ist.<br />

Zentraler Unterschied ist, dass Künstler Kunst machen und Galeristen<br />

Kunst verkaufen. So banal es klingt, so folgenreich ist<br />

es 4 . Für beide Seiten ergeben sich hieraus sehr unterschiedliche<br />

Verhaltens- und Vorgehensweisen, ob im geschäftlichen<br />

oder privaten Bereich. Von außen mag sich das Verhalten sogar<br />

ähneln und die Differenzen fallen einem Kunstszenelaien gar<br />

nicht so rasch auf. Denn die Kunst- und Kreativwirtschaft trägt<br />

durch ihre besondere Kommunikation stark zur Verwischung<br />

der Grenzen zwischen Privat- und Berufsleben bei. An drei Beispielen<br />

kann man dies veranschaulichen.<br />

Jeder Künstler ist zuerst einmal eine One-Man-Show, auch<br />

dann noch, wenn er über Assistenten und entsprechende <strong>Galerie</strong>n<br />

verfügt. Sein Ziel muss sein – neben der Produktion guter<br />

Kunst –, zu Lebzeiten ein Maximum an Präsenz und Einfluss


DER KUNSTMARKT ›› 25<br />

zu erlangen. Mehr als sich selbst und seine Kunst hat er nicht.<br />

Konkret bedeutet dies, auf jeder Karrierestufe mehr fordern zu<br />

müssen 5 . Hat er als Absolvent noch keine <strong>Galerie</strong>, muss er eine<br />

<strong>finden</strong>. Hat er eine <strong>Galerie</strong>, muss er eine bessere <strong>finden</strong>. Wird<br />

er ausgestellt, sollte es besser eine Einzel-, statt einer Gruppenausstellung<br />

sein. Hat eine örtliche Sparkassensammlung<br />

ein Werk angekauft, so muss es nächstes Mal ein Museum<br />

sein und am Ende das MoMA. Die Aufgabe des Künstlers besteht<br />

neben dem Produzieren von Kunstwerken in einer möglichst<br />

erfolgreichen Selbstvermarktung, denn es geht immer<br />

auch um Personenkult, um die Teilhabe des Kunstpublikums<br />

an etwas Einzigartigem. Man könnte dies auch als „säkularisierte<br />

Heiligenverehrung“ (Superstars. Das Prinzip Prominenz)<br />

bezeichnen. In unseren Tagen sind sicherlich Künstler wie Jonathan<br />

Meese oder Christoph Schlingensief kongeniale Personifizierungen<br />

dieses Prinzips. Solchen Personenkult kann und<br />

muss eine <strong>Galerie</strong> unterstützen. Doch letztendlich bleibt die<br />

Verpflichtung auf der Seite des Künstlers: Er muss sein ganzes<br />

Leben – privates wie künstlerisches – in die Waagschale werfen!<br />

Halbherzigkeit ist hier ein strategischer Nachteil. Wie beim<br />

Pokerspiel muss er alles auf eine Karte setzen – der Gewinner<br />

räumt ab, der Verlierer wird vergessen. (Am Rande sei bemerkt,<br />

dass spätestens mit dem Erfolg der Neuen Leipziger Schule die<br />

Motivation junger Menschen gestiegen ist, mit Kunst reich und<br />

bekannt werden zu wollen und sich an einer Kunsthochschule<br />

einzuschreiben).<br />

Anders der Galerist. Sofern es sich nicht um eine idealistische<br />

Hobbygalerie oder ein Steuersparmodell handelt, führt er ein<br />

Geschäft. Bei aller Liebe und Verbundenheit zur Kunst ist er<br />

ein Unternehmer. Auch ein Restaurantbesitzer muss kein Koch


›<br />

Künstler<br />

Biennalen<br />

Auktionshaus<br />

Institutionen<br />

(Kunstvereine,<br />

Museen usw.)


DER KUNSTMARKT ›› 33<br />

Sammler<br />

Kurator<br />

Kunstmarktteilnehmer<br />

bestimmen gemeinsam<br />

den Kunstwert<br />

Messen<br />

Kritiker<br />

Galerist



Poleposition:<br />

Wo stehe ich<br />

als Künstler?<br />

›› 37


Selbsteinschätzung<br />

Dieses Buch ist für all diejenigen geschrieben, die im weitesten<br />

Sinne ein „Vermarktungsproblem“ haben, einen <strong>Galerie</strong>wechsel<br />

anstreben oder die sich am Ende des Studiums be<strong>finden</strong><br />

und nun eine <strong>Galerie</strong> suchen. Es richtet sich nicht an jene, die<br />

im Kunstmarkt etabliert sind, sondern an alle, die nicht hofiert<br />

werden und sich und ihre Kunst einer <strong>Galerie</strong> andienen<br />

müssen. Grundsätzlich besteht in dieser Situation immer die<br />

Gefahr, dass man im wortwörtlichen Sinne mit einer Mappe<br />

losrennt und sich vorstellt, ohne vorher genau zu schauen, was<br />

man zu bieten hat, wo man steht und an welchen potenziellen<br />

Geschäftspartner – sprich <strong>Galerie</strong> – man sich wendet.<br />

<strong>Eine</strong> kritische und professionelle Betrachtung der eigenen Position<br />

bzw. Person wird unterlassen, vielleicht auch, weil sie<br />

vordergründig nichts mit Kunst zu tun hat. Fakt ist auch, dass<br />

Wirtschaftsstandards wie Coaching, Entwicklungsgespräche<br />

und andere Instrumente aus der Arbeits- und Organisationspsychologie<br />

aus vielerlei Gründen sehr wenig Eingang in die<br />

Kunstwelt gefunden haben. Zentral bleiben noch immer die<br />

persönliche Begegnung und die Persönlichkeit des Künstlers.<br />

Wie also beginnt man mit einer kritischen Selbsteinschätzung<br />

und bringt deren Ergebnisse in eine gewisse Systematik?<br />

In der modernen Kunst ist historisch gesehen fast alles möglich.<br />

Es gibt den malenden Bahnwärter Henri Rousseau, einen Autodidakten,<br />

der die Naive Kunst wesentlich geprägt hat. Dann ist<br />

da der Meisterschüler eines Erich Heckel. Oder ein ehemaliger<br />

Wallstreet-Banker, der weiß, wie man Geld macht und heute als<br />

Jeff Koons bekannt ist. Alle haben ihren Platz trotz sehr unterschiedlicher<br />

Ausbildung gefunden. Am Ende zählt allein das Ta-


POLEPOSITION: WO STEHE ICH ALS KÜNSTLER ›› 39<br />

lent. Dennoch schauen <strong>Galerie</strong>n sehr genau auf die Ausbildung<br />

ihrer Künstler. <strong>Eine</strong> fundierte Ausbildung sichert nicht nur die<br />

Bekanntheit der Künstler mit künstlerischen Inhalten und Techniken<br />

ab, sie ist selbstredend auch ein Qualitätsmerkmal für sich.<br />

Wie soll man etwa einen Autodidakten vermarkten? In welchen<br />

Kontext soll man ihn stellen – Art Brut, wenn es hoch kommt?<br />

Wird nicht bei einem 40-jährigen Künstler, der nach 20 Berufsjahren<br />

in die Kunst gewechselt ist, immer die Frage aufkommen,<br />

ob er noch ausreichende Karrierechancen hat? Oder der<br />

gelernte Grafiker, der jetzt als Maler reüssiert? Viel einfacher ist<br />

es, den jungen Studenten einer angesehenen Kunsthochschule<br />

zu fördern! Und das geht noch besser, wenn er Meisterschüler<br />

eines möglichst bekannten und einflussreichen Künstlers ist!<br />

Abgesehen von wenigen Ausnahmen gilt, dass auch im Kunstmarkt<br />

eine künstlerische Ausbildung an einer Hochschule die<br />

beste Voraussetzung für Erfolg ist, am besten noch mit erfolgreich<br />

abgeschlossenem Meisterschülerstudium. Erst danach<br />

sollte man gezielt eine feste Zusammenarbeit mit einer <strong>Galerie</strong><br />

anstreben. Die Zeit davor kann man für die Teilnahme an diversen<br />

Gruppenausstellungen nutzen, man sollte seine Kraft aber<br />

in erster Linie für eine gute Qualifikation aufbringen. Stehen Sie<br />

diesbezüglich also vor grundsätzlichen Entscheidungen, kann<br />

ich nur dazu raten, die beste Ausbildung und Förderung anzustreben.<br />

Hat man aus bestimmten Gründen andere (Lebens-)<br />

Wege gewählt, muss man sich dies sehr nüchtern vor Augen<br />

halten und die eigenen Stärken unbedingt noch weiter herausheben<br />

oder gewisse Nischenbereiche ansteuern. In einigen Fällen<br />

kann es sogar sinnvoller sein, von Anfang an den Weg der<br />

Selbstvermarktung zu gehen und ganz auf eine <strong>Galerie</strong>vertretung<br />

zu verzichten.



Professionelle<br />

Suche:<br />

Welche <strong>Galerie</strong><br />

passt zu mir?<br />

›› 49


Nachdem Sie sich Klarheit über Ihre Ausgangsposition und<br />

Etappenziele verschafft haben, sollten Sie eine engere Auswahl<br />

derjenigen <strong>Galerie</strong>n treffen, die für Sie am ehesten infrage<br />

kommen. Die Anzahl potenzieller <strong>Galerie</strong>n reduziert sich stark<br />

bei guter Vorarbeit und Recherche. Diese Recherche sollten Sie<br />

mindestens so gewissenhaft und strukturiert angehen wie die<br />

oben beschriebene Reflexion der eigenen Position.<br />

Die Recherche beginnt<br />

Unabhängig von der Wohn- und Standortfrage hat man im<br />

Internet die Möglichkeit, die ganze Bandbreite an <strong>Galerie</strong>n<br />

zu recherchieren. <strong>Eine</strong> Bemerkung vorab, da sich im Internet<br />

nahezu alle <strong>Galerie</strong>n der Welt präsentieren: Für eine Erstgalerie<br />

oder einen Markteintritt mittels <strong>Galerie</strong> sollte unbedingt eine<br />

<strong>Galerie</strong> im eigenen Heimatland gewählt werden. Steuerliche,<br />

kulturelle und kommunikative Unterschiede sind nicht zu unterschätzen,<br />

ebenso wenig wie die Kosten für Transporte und Reisen,<br />

worauf bei der Wohnortwahl bereits eingegangen wurde.<br />

Im deutschsprachigen Netz kann man sich bei einschlägigen<br />

Portalen umfassend informieren 9 .<br />

Da man über die Internet-Präsenz nur schwer auf den Zustand<br />

einer <strong>Galerie</strong> schließen kann, rate ich dazu, systematisch vorzugehen<br />

und sich eine Tabelle mit Kriterien zur Bewertung anzulegen.<br />

Diese kann man bei der Internetrecherche entsprechend<br />

nutzen. Einige Beispiele mögen dies verdeutlichen. Harte<br />

Kriterien können sein: Anzahl der vertretenen Künstler, Messeauftritte<br />

oder Mitarbeiter, Dauer der Geschäftstätigkeit und<br />

Öffnungszeiten, Berufsstandszugehörigkeit 10 oder Mehrsprachigkeit<br />

der Homepage. Weiche Kriterien wären etwa das Er-


PROFESSIONELLE SUCHE: WELCHE GALERIE PASST ZU MIR? ›› 51<br />

scheinungsbild der Homepage, die Lage der <strong>Galerie</strong> (Ort oder<br />

Szenequartier), in Teilen auch das Ausstellungsprogramm.<br />

In jedem Fall aber hat man durch die ausgiebige und systematische<br />

Auswertung der Internetauftritte von <strong>Galerie</strong>n die Möglichkeit,<br />

sich einen ersten, groben Eindruck zu verschaffen.<br />

Man sollte bei dieser Recherche allerdings im Hinterkopf behalten,<br />

dass die Netzpräsenz einer <strong>Galerie</strong> immer auch Marketing-<br />

Werkzeug und Teil ihrer Selbstdarstellung ist. Dennoch kann<br />

man sich so ohne Kosten einen sehr guten Überblick verschaffen.<br />

Grenzen Sie weiter ein, welche <strong>Galerie</strong> sich als möglicher<br />

Geschäftspartner eignen könnte.<br />

Was lässt sich darüber hinaus aus der Internetpräsenz ableiten?<br />

Lässt man einmal beiseite, dass jede Website auch eine<br />

Form von Selbstdarstellung ist, erfährt man doch viel über das<br />

Auftreten der <strong>Galerie</strong> am Markt. Werden zum Beispiel auf der<br />

Seite Preise für Kunstwerke angegeben, so ist zur Vorsicht geraten.<br />

Es ist ein ungeschriebenes Gesetz, dass Preise so nicht<br />

veröffentlicht werden. Angaben der Handynummer lassen auf<br />

eine Startergalerie oder einen Ein-Mann-Betrieb schließen. Bei<br />

großen <strong>Galerie</strong>n wird man nur die entsprechenden Festnetznummern<br />

<strong>finden</strong>. Selbst die E-Mail-Adresse wird dort eher restriktiv<br />

verwendet.<br />

Macht man sich die Mühe und schaut sich die diversen Ausstellungen<br />

in der Vergangenheit an (sofern diese archiviert sind), so<br />

erhält man einen Eindruck von der „Programmlinie“ der <strong>Galerie</strong>.<br />

Erscheint das Ausstellungsprogramm kongruent und werden<br />

die Künstler regelmäßig ausgestellt? Oder ist die Ausstellungstätigkeit<br />

sehr heterogen, „riecht“ vielleicht alles nach Verkaufsausstellung?<br />

Ein nicht zu unterschätzendes Kriterium ist auch,<br />

wie die <strong>Galerie</strong> sich selbst inmitten der Kunstmarktakteure ein-



Fehler<br />

vermeiden:<br />

was man<br />

unbedingt<br />

unterlassen<br />

sollte<br />

›› 63


Bevor im nachfolgenden Kapitel die einzelnen Schritte zur Kontaktaufnahme<br />

erläutert werden, möchte ich einige gravierende<br />

Fehler im Umgang mit <strong>Galerie</strong>n aufzeigen. Am Beispiel der offenen<br />

Bürosituation sollte bereits deutlich geworden sein, dass<br />

vor und hinter dem <strong>Galerie</strong>tresen zwei verschiedene Welten<br />

existieren. Der Mangel an Kenntnis über den Bereich hinter<br />

dem Tresen mag erklären, warum die folgenden Fehler trotzdem<br />

immer wieder begangen werden.<br />

<strong>Galerie</strong>n mit E-mails „zumüllen“<br />

Durch copy & paste und Internet ist es zeitlich und finanziell<br />

für Künstler machbar, ausgesprochen viele <strong>Galerie</strong>n per E-Mail<br />

anzuschreiben. Ob diese E-Mails ankommen, sei dahin gestellt.<br />

<strong>Galerie</strong>n bekommen täglich zwischen Dutzenden und Hunderten<br />

E-Mails. Anonyme Massen-E-Mails werden ebenso wie<br />

personalisierte (aber eben doch anonyme) E-Mails häufig gelöscht,<br />

und sei es von ahnungslosen Praktikanten. Nicht selten<br />

werden nur die wirklich relevanten E-Mails galerieintern weitergeleitet.<br />

Mails, deren Dateianhänge mehrere Megabytes groß<br />

sind, verstopfen in der Summe das elektronische Postfach der<br />

<strong>Galerie</strong> und sind hinderlich für die Kommunikation. So wird man<br />

auf gar keinen Fall wahrgenommen. Die Gefahr ist eher, dass<br />

ein wiederholter, unsachgemäßer Gebrauch den Namen des<br />

Künstlers negativ belegt. Das gilt ganz besonders für E-Mail-<br />

Verteiler, die trotz „unsubscribe“-Aufforderungen die <strong>Galerie</strong><br />

weiterhin mit Mails traktieren!


FEHLER VERMEIDEN – WAS MAN UNBEDINGT UNTERLASSEN SOLLTE ›› 65<br />

Unangemeldet in die <strong>Galerie</strong> kommen<br />

Ein Klassiker, der sich wiederholt und nicht auszurotten ist:<br />

Ohne Anmeldung betritt ein Künstler die <strong>Galerie</strong>räume, ausgestattet<br />

mit klassischer Mappe oder modernerem Laptop, und<br />

möchte sich und seine Werke vorstellen. Dieser Versuch kann<br />

nur zum Scheitern verurteilt sein: <strong>Eine</strong>rseits für den Galeristen<br />

oder <strong>Galerie</strong>assistenten, da er zu arbeiten hat und ganz sicher in<br />

diesem Moment keinen neuen Künstler sucht. Andererseits für<br />

den Künstler, der sich missverstanden und arrogant behandelt<br />

fühlt. Im Grunde muss eine solche Situation von einer professionell<br />

arbeitenden <strong>Galerie</strong> von Anfang an abgeblockt werden.<br />

Im eigenen Interesse darf sich eine <strong>Galerie</strong> auf ein so erzwungenes<br />

Gespräch nicht einlassen.<br />

Bewerbung am Messestand<br />

Ein weiterer Klassiker, der ebenfalls nicht tot zu kriegen ist. Es<br />

sollte deutlich geworden sein, wie wichtig und teuer die Teilnahme<br />

an Kunstmessen für <strong>Galerie</strong>n ist. Ziel ist der Gewinn neuer<br />

Sammler und Kontakte, die Pflege der bestehenden Kontakte<br />

und die Präsenz am Markt, vor allem aber der Verkauf. Ein unangemeldetes<br />

Bewerbungsgespräch ist hier vollkommen fehl<br />

am Platz. Oft wird aus der trügerischen Nähe in einer Messekoje<br />

geschlussfolgert, dass hier Gelegenheit für ein Gespräch<br />

besteht. Das ist aber nicht der Fall.



Strategien<br />

der Kontaktaufnahme<br />

›› 69


Wie also macht man es richtig? Wie „knackt“ man die Black<br />

Box White Cube? Leider gibt es keinen Königsweg und auch<br />

keine Garantie, mit den Vorschlägen dieses Buches eine Vertretung<br />

durch eine <strong>Galerie</strong> zu <strong>finden</strong>. Leser, die das erwarten,<br />

brauchen ab hier nicht mehr weiterzulesen. Dennoch können<br />

die nachfolgenden Schritte und Vorgehensweisen helfen, mit<br />

<strong>Galerie</strong>n in Kontakt zu treten und die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen,<br />

später eine feste Zusammenarbeit zu beginnen. Leider<br />

hängt in der Kunstwelt vieles auch von banalen Zufällen ab.<br />

<strong>Galerie</strong>n anrufen<br />

Nicht jeder Künstler eignet sich, eine sogenannte Kaltakquise<br />

zu betreiben. Schnell wird man abgewimmelt oder in seinen Erwartungen<br />

grob enttäuscht. Wer bei einer <strong>Galerie</strong> anruft, muss<br />

mit Ablehnungen umgehen können und sich vorher einen Plan<br />

zurechtgelegt haben. Im Gegensatz zu den oben beschriebenen<br />

Situationen (ohne Termin in einer <strong>Galerie</strong> vorstellig werden<br />

oder auf der Messe einen Bewerbungstermin erfragen) bietet<br />

das Telefon für beide Seiten die Möglichkeit, in einem klaren<br />

Setting und in überschaubarer Zeit auf den Punkt zu kommen.<br />

Schließlich sollte eine <strong>Galerie</strong> so professionell sein, einen unerwarteten<br />

Anruf entsprechend zu handhaben.<br />

Wie geht man also konkret vor? Zunächst sollte man sich klarmachen,<br />

was man genau will: <strong>Eine</strong>n Bewerbungstermin? Sein<br />

Material einsenden? An ein vielleicht zuvor geführtes Gespräch<br />

anknüpfen? Und mit wem will man sprechen? Ist man sich darüber<br />

im Klaren, so muss man sein Anliegen präzisieren und auf<br />

den Punkt bringen. Immer wieder ist zu erleben, dass Künstler<br />

anrufen und deutlich machen wollen, wie wichtig sie sind,


Strategien der Kontaktaufnahme ›› 71<br />

indem sie lange Geschichten erzählen, wo sie gerade welche<br />

wichtige Ausstellung haben. Das ist überhaupt nicht nötig; viel<br />

wichtiger ist eine zielführende und nüchterne Ansage, warum<br />

man anruft und was man wünscht. Falls man diesen Weg wählt,<br />

sollte man mit einem Freund vorher üben. Es existieren zahlreiche<br />

Kurse und Workshops, die einem beibringen, wie man den<br />

Gesprächsfaden in der Hand hält, wie man Pausen überbrückt<br />

und wie man den Gesprächspartner öffnet. Volkshochschulen<br />

oder Bildungswerke bieten oft gute Rhetorikseminare an.<br />

Wichtiger erscheint das Grundsätzliche. Warum ruft man an<br />

und worauf bezieht man sich? Was hat man zu bieten und<br />

weshalb bietet man es gerade dieser <strong>Galerie</strong> an? Es dürfte klar<br />

sein, dass man eine Menge Vorarbeit leisten muss, bevor man<br />

zum Hörer greift; dass man sich intensiv mit der <strong>Galerie</strong>, ihrem<br />

Programm und ihrer Position beschäftigt hat und am Ende die<br />

eigene Kunst für passend hält. Sehr wahrscheinlich werden Sie<br />

keinen Bewerbungstermin bekommen. Aber Sie haben sich ein<br />

erstes Mal gezeigt. Gelingt Ihnen eine gute Gesprächsführung,<br />

so haben Sie die Chance, aus diesem Anruf wenigstens eine<br />

Möglichkeit zur schriftlichen Bewerbung abzuleiten. Notiert<br />

man sich dann den Namen des Ansprechpartners, kann man<br />

sich explizit darauf beziehen und per Post oder E-Mail Unterlagen<br />

einreichen. Sie haben dann die Möglichkeit, im Abstand einiger<br />

Tage nochmals nachzufragen – schriftlich oder telefonisch<br />

–, was aus der Bewerbung geworden ist. Natürlich muss man<br />

die richtige Mischung, sogar das rechte Timing <strong>finden</strong>. Denn<br />

hakt man zu rasch nach, wird die andere Seite genervt sein,<br />

wartet man zu lange, wird in der Hektik des Alltags die Bewerbung<br />

wieder vergessen.



Portfolio-<br />

Viewings,<br />

Seminare und<br />

andere Foren<br />

nutzen<br />

›› 83


Jenseits bereits beschriebener Veranstaltungen wie Vernissagen<br />

oder Kunstmessen lassen sich eine Reihe weiterer Plattformen<br />

<strong>finden</strong>, um in Kontakt mit Galeristen zu treten. Ein paar<br />

Beispiele sollen dies illustrieren. Es ist in der zeitgenössischen<br />

Fotoszene üblich, sogenannte Portfolio-Viewings zu veranstalten.<br />

Hierbei werden verschiedene Profis aus dem Fotobereich<br />

eingeladen, um Vorträge zu bestimmten Themen zu halten,<br />

an Podiumsdiskussionen teilzunehmen oder auch Mappen<br />

von Fotokünstlern zu bewerten. Neben Kritikern oder Verlegern<br />

sind darunter immer wieder Galeristen. Die Sichtungen<br />

der Mappen dauern in der Regel 20–30 Minuten, sind kostenpflichtig<br />

und geben dem Teilnehmer ein gutes Feedback für<br />

die eigene Arbeit. Wenn Sie an einer solchen Veranstaltung<br />

teilnehmen, bekommen Sie über die fachliche Einschätzung<br />

Ihrer Kunstwerke hinaus die Gelegenheit, mehrere Galeristen<br />

persönlich kennenzulernen. Aus dem Gespräch heraus können<br />

Sie einen guten Eindruck Ihres Gegenübers gewinnen und sich<br />

bei einer späteren Kontaktaufnahme darauf beziehen. Dieser<br />

Weg ist legitim und zeugt von Professionalität.<br />

In den letzten Jahren haben sich Politik und Wirtschaft vermehrt<br />

mit der Kunst und der sogenannten „Kreativwirtschaft“<br />

befasst 20 . Ins Blickfeld sind dabei die bislang so wenig untersuchten<br />

Beziehungen der Kunstmarktakteure untereinander<br />

geraten, die Wertschöpfungsketten im Kunstmarkt, die Produktion<br />

von „ideellem Kapital“ oder das Standortmarketing<br />

durch Image-Transfer 21 . Es ist nachvollziehbar, dass sich in diesem<br />

Kontext auch die Rolle des Galeristen ändert und seine<br />

Expertise plötzlich gefragt ist. Immer mehr Kunsthochschulen<br />

integrieren beispielsweise nichtkünstlerische Seminare zur<br />

Vorbereitung auf die Berufstätigkeit. Galeristen sind hier eben-


Portfolio-Viewings, Seminare und andere Foren nutzen ›› 85<br />

so als Dozenten anzutreffen wie bei öffentlichen Diskussionsveranstaltungen<br />

zu Gentrifizierung und Stadtteilentwicklung.<br />

Besuchen Sie diese und andere Veranstaltungen, um Galeristen<br />

zu erleben und kennenzulernen. Über eine Diskussion zum<br />

Thema können Sie den Kontakt aufbauen. Meist kann man<br />

nach einer Veranstaltung noch informell weitersprechen. Ich<br />

rate Ihnen aber dazu, dass Sie sich tatsächlich für das Thema<br />

interessieren sollten, andernfalls kann Ihr Networking einen<br />

üblen Beigeschmack erzeugen.<br />

Auch Jury-Teilnahmen oder Wettbewerbe können Ihnen einen<br />

Anknüpfungspunkt bieten, mit Galeristen ins Gespräch zu<br />

kommen. Steht beispielsweise die Jury für einen Kunstpreis<br />

fest und wird diese vorab vom Auslober mitgeteilt, so können<br />

Sie den Galeristen ansprechen und Fragen zu Ihren Unterlagen<br />

stellen. Das ist legitim. Sofern der Galerist dazu bereit<br />

ist, werden Sie bereits hier eine Reaktion auf Ihre Arbeiten<br />

bekommen. An dieses Gespräch können Sie anknüpfen, um<br />

später einen Termin in der <strong>Galerie</strong> zu erbitten. Allerdings zeigt<br />

die Erfahrung: Je größer das Renommee des Preises, desto<br />

schwieriger die Kontaktaufnahme.<br />

<strong>Galerie</strong>n nutzen<br />

Immer wieder laden <strong>Galerie</strong>n auch fremde Künstler für Gruppen-<br />

oder Überblicksausstellungen ein. Gerade etablierte Formate<br />

wie „Absolventen der Hochschule“ oder „Die Schüler<br />

von soundso“ eignen sich für <strong>Galerie</strong>n, Neues auszuprobieren<br />

oder jüngere Künstler an die <strong>Galerie</strong> heranzuführen. Aber auch<br />

von externen Kuratoren veranstaltete themenorientierte Ausstellungen<br />

sind Formate, mit deren Hilfe sich <strong>Galerie</strong>n profi-



Das erste<br />

Treffen<br />

›› 93


Ist es Ihnen schließlich gelungen, einen Termin mit einem Galeristen<br />

zu vereinbaren, dann haben Sie viel erreicht. Nun sollten<br />

Sie sich überlegen, wo Sie die Verabredung wahrnehmen.<br />

Grundsätzlich kommen nur zwei Orte infrage: <strong>Galerie</strong> oder Atelier.<br />

Besteht die Möglichkeit zur Wahl, sollte man stets versuchen,<br />

ein Treffen im eigenen Atelier zu arrangieren. Fällt die Wahl<br />

auf die <strong>Galerie</strong>räume, ist es ratsam, einen Termin außerhalb der<br />

Öffnungszeiten zu <strong>finden</strong>, um störenden Publikumsverkehr zu<br />

vermeiden. In beiden Fällen jedoch benötigt ein solcher Termin<br />

gute Vorbereitung.<br />

Treffen in der <strong>Galerie</strong><br />

Wurde das Treffen in der <strong>Galerie</strong> vereinbart, dann sollten Sie<br />

nicht nur pünktlich erscheinen und Ihr Handy während des Gesprächs<br />

ausgeschaltet lassen, sondern auch auf einige andere<br />

Punkte achten. Kalkulieren Sie ungefähr 30 Minuten für das<br />

Gespräch. Mehr Zeit benötigt es normalerweise nicht, eigene<br />

Arbeiten vorzustellen; trotzdem sollte man keine weiteren Termine<br />

im Anschluss haben, um im Bedarf flexibel zu sein. Falls<br />

die Vereinbarung des Termins einige Tage oder gar Wochen zurückliegt,<br />

ist es sinnvoll, einen Tag vorher nochmals per E-Mail<br />

eine Bestätigung zu schicken. Wenn es sich nicht vermeiden<br />

lässt oder aus künstlerischer Sicht notwendig ist, dann bringen<br />

Sie Originale mit in die <strong>Galerie</strong>. Ich halte es allerdings für besser,<br />

alle Informationen auf einem Laptop mitzubringen. Für Originalkunstwerke<br />

ist das Studio weit geeigneter.<br />

Gehen Sie die Präsentation Ihrer Kunstwerke vorher mit einem<br />

Freund durch und lassen Sie sich von diesem kritisch befragen,<br />

sodass Sie in der <strong>Galerie</strong> entspannt und präzise über Ihre Arbeit


Das erste Treffen ›› 95<br />

sprechen können. Versetzen Sie sich vor allem in die Lage Ihres<br />

Gesprächspartners. Vielleicht sieht er die Sachen zum ersten<br />

Mal und benötigt zunächst eine kurze Einführung in Ihr Konzept.<br />

Sie müssen in der Lage sein, Ihren künstlerischen Ansatz knapp<br />

und bündig zu formulieren. Die Bilder oder Videos selbst sollten<br />

Sie auf Ihrem Laptop gut organisiert haben, damit Sie sich bei<br />

der Vorstellung nicht lange durch Dateiordner klicken müssen.<br />

<strong>Eine</strong> Slideshow oder ein PDF sind hierfür besser geeignet. Kein<br />

Text ist so brillant wie Sie selbst, dennoch ist es gut, ein sogenanntes<br />

artist statement dabei zu haben. Dieses Statement,<br />

zusammen mit einer sorgfältig beschrifteten CD mit Ihrem Präsentationsmaterial,<br />

sollten Sie ebenfalls mitbringen, um es am<br />

Ende des Gespräches zu überreichen. Falls Sie einen Katalog<br />

mit Ihren Arbeiten besitzen oder eine Einladungskarte für eine<br />

aktuelle Ausstellung, übergeben Sie Ihrem Gesprächspartner<br />

diese Materialien spätestens zur Verabschiedung.<br />

Im Hinblick auf den Termin mit einem Galeristen ist zweierlei zu<br />

bedenken: Zum einen wollen und müssen Sie Ihr künstlerisches<br />

Tun darstellen. Zum anderen aber muss der Galerist Ihre Motivation<br />

nachvollziehen können. Warum haben Sie sich gerade bei<br />

dieser <strong>Galerie</strong> beworben? Im Kapitel zur Recherche von <strong>Galerie</strong>n<br />

habe ich bereits einige der Aufgaben umrissen, die Sie leisten<br />

müssen. Mit Hilfe des sorgfältig recherchierten Wissens über<br />

die <strong>Galerie</strong> können Sie eine Brücke zu Ihrem Gegenüber bauen.<br />

Formulieren Sie Ihren Anknüpfungspunkt; vielleicht ist es<br />

die Vermittlungsarbeit der <strong>Galerie</strong>, die Sie bewundern. Vielleicht<br />

ist es das Programm oder ein bestimmter Künstler. Vielleicht<br />

meinen Sie, dass Ihre Arbeiten im Gesamtkontext gut aufgehoben<br />

wären oder diesen gezielt ergänzen würden. Hier gibt<br />

es mehrere Ebenen, sich in Beziehung zur <strong>Galerie</strong> zu bringen.



Möglichkeiten<br />

der Selbst<br />

vermarktunG<br />

›› 103


Im vorangegangenen Kapitel wurden Hinweise gegeben, wie<br />

man das Treffen mit einem Galeristen vorbereitet, wie man es<br />

strukturiert und worauf man zu achten hat. Ist man auf seiner<br />

Suche nach einer <strong>Galerie</strong>vertretung soweit gekommen, kann<br />

der letzte Schritt in Angriff genommen werden, um eine feste<br />

Zusammenarbeit in die Wege zu leiten. Was passiert aber, wenn<br />

die Bemühungen nicht fruchten? Was, wenn man immer nur abgewiesen<br />

wird?<br />

Um es vorwegzunehmen: Ohne <strong>Galerie</strong> hat man als Künstler<br />

kaum Chancen auf dem Kunstmarkt. <strong>Eine</strong> Zusammenarbeit<br />

mit einer <strong>Galerie</strong> muss das Ziel Ihrer Bemühungen bleiben.<br />

Dennoch kann man andere, ergänzende Formen der Selbstvermarktung<br />

nutzen, um im Kunstbetrieb Präsenz zu zeigen und<br />

die Zeit bis zu einer <strong>Galerie</strong>repräsentanz zu überbrücken. Einige<br />

Beispiele sollen hier Anregungen geben.<br />

Internetpräsenz und Online-Bewerbung<br />

Es wurde schon darauf hingewiesen, dass eine eigene Website<br />

heute unabdingbar ist. Zum einen dient sie dazu, Sie im<br />

Internet über die Eingabe Ihres Namens in Suchmaschinen<br />

zu <strong>finden</strong>. Haben Sie sich mit jemandem unterhalten, dann<br />

ist Ihre Homepage wie der Eintrag im globalen Telefonbuch<br />

– man kann Sie später kontaktieren. Zum anderen ist die persönliche<br />

Internetseite eine Plattform zur Selbstdarstellung.<br />

Niemand macht Ihnen dort Vorschriften, es gibt keine Restriktionen<br />

oder Jurys. Sie allein haben es in der Hand, sich<br />

und Ihre Kunst darzustellen. Daher ist es umso wichtiger,<br />

einige Dinge beim Einrichten und Pflegen der Homepage zu<br />

bedenken.


möglichkeiten der Selbtvermarktung ›› 105<br />

Sollte es Ihnen finanziell möglich sein, dann lassen Sie Ihren<br />

Internetauftritt nicht von einem Freund einrichten, sondern von<br />

einem Profi, den Sie bezahlen. Die Praxis zeigt, dass eine geschäftliche<br />

Beziehung hier sinnvoller ist. Denn was bei der ersten<br />

Einrichtung günstig erscheint, wird nachher zum Problem<br />

– eine Website ist eine virtuelle Plattform, sie muss regelmäßig<br />

gepflegt und verändert werden. Welcher Freund will das auf<br />

Dauer kostenlos machen? Der Konflikt ist also vorprogrammiert.<br />

Die Internetadresse sollte am besten personalisiert sein und nur<br />

im Ausnahmefall einen Kunstnamen haben (zum Beispiel für<br />

eine Künstlergruppe oder spezielle Projekte). Die personalisierte<br />

Netzadresse in Form des Vor- und Zunamens gewährt die größtmögliche<br />

Auffindbarkeit, Galeristen und Kuratoren müssen sich<br />

nur Ihren Namen merken. Das ist unter den Marktbedingungen<br />

von Konkurrenz und Schnelllebigkeit sehr praktisch. Da man Ihre<br />

Homepage über Suchmaschinen 23 schnell <strong>finden</strong> wird, stellt sich<br />

eher die ästhetische Frage nach der Domain-Endung. Verwendet<br />

man ein .de, ein .com oder lieber ein .net? Jede Endung der<br />

Domain signalisiert zugleich eine gewisse „Haltung“, die man als<br />

Künstler einnimmt. Man sollte hierüber durchaus nachdenken,<br />

auch wenn es nebensächlich wirkt.<br />

So, wie die Adressendung eine subtile Wirkung hat, so hat es<br />

die grafische Gestaltung der Homepage im Besonderen. Sie ist<br />

der erste Eindruck, manchmal auch der erste Kontakt mit Ihnen.<br />

Als Künstler werden Sie über ausreichend gestalterische Kompetenz<br />

verfügen, um Ihren Netzauftritt in Übereinstimmung mit<br />

Ihren Kunstwerken zu bringen. Falls Ihnen an dieser Stelle die<br />

Befähigung fehlt, rate ich ebenfalls zu einer Gestaltung durch<br />

Profis. In jedem Falle ist eine überschaubare, einfach zu bedienende<br />

und grafisch reduzierte Website empfehlenswert. Hat



Der<br />

abendliche<br />

Anruf –<br />

Fortsetzung<br />

›› 119



Ein anderer<br />

Blick<br />

auf den<br />

Kunstmarkt:<br />

Kunst ist nicht<br />

Demokratisch<br />

›› 125


Im letzten Kapitel möchte ich Ihnen beispielhaft einige Fakten<br />

und Studien zum Kunstmarkt vorstellen 32 . Während Sie in den<br />

vorangegangenen Kapiteln Handlungsweisen für Ihre Recherche<br />

und Selbstpositionierung bekommen haben, wird Ihnen<br />

nun der Hintergrund vermittelt, vor dem Ihr Bemühen stattfindet.<br />

Vieles, was nach außen glamourös wirkt, ist bei näherer Betrachtung<br />

der Zahlen ernüchternd, bisweilen sogar alarmierend.<br />

Die Lage der Künstler<br />

In der Bundesrepublik Deutschland hat der Gesetzgeber mit<br />

dem Künstlersozialversicherungsgesetz 1981 für bildende<br />

Künstler, Musiker, Schriftsteller und darstellende Künstler die<br />

Grundlage geschaffen, sich in der gesetzlichen Kranken- und<br />

Rentenversicherung zu versichern. Die Idee dahinter war, dass<br />

kreative Freiberufler den gleichen Versicherungsschutz wie Angestellte<br />

nutzen können. 1983 nahm dann die Künstlersozialkasse<br />

(KSK) ihre Arbeit auf 33 . Bis heute ist es so, dass die versicherten<br />

Künstler 50 Prozent ihrer Beiträge selbst entrichten, die andere<br />

Hälfte wird getragen durch die Abgaben der sogenannten<br />

Verwerter (30 Prozent), also beispielsweise <strong>Galerie</strong>n, und einen<br />

Zuschuss des Bundes (20 Prozent).<br />

Wertet man die Zahlen der KSK aus, so erhält man äußerst<br />

aufschlussreiche Informationen über das Leben von Künstlern<br />

jenseits des „Superstar-Prinzips“. Zunächst einmal ist zu beobachten,<br />

dass in den letzten 20 Jahren die Anzahl der KSK-Versicherten<br />

in allen Sparten steigt 34 . Das hat natürlich auch mit<br />

einem Wandel der Lebensgewohnheiten und des Arbeitsmarktes<br />

zu tun, beispielsweise können sich Web-Designer, die vor<br />

wenigen Jahren als Berufsgruppe noch gar nicht existierten, bei


Ein anderer Blick auf den Kunstmarkt: Kunst ist nicht demokratisch ›› 127<br />

der Künstlersozialkasse versichern. Greift man die Entwicklung<br />

für bildende Künstler heraus, so ist ein Anstieg von gut 250 Prozent<br />

zu verzeichnen!<br />

›<br />

KSK Versicherte 1992–2010<br />

60.000<br />

50.000<br />

40.000<br />

30.000<br />

20.000<br />

10.000<br />

0<br />

1992<br />

2010<br />

Das bedeutet für jeden Künstler in Deutschland heute, dass er<br />

in Konkurrenz steht mit fast 60.000 offiziell versicherten sowie<br />

weiteren, nicht gemeldeten Künstlern; hinzu kommen ausländische<br />

Künstler, die vor allem in attraktiven Zentren wie Köln oder<br />

Berlin zusätzlich auf den Markt drängen. Im deutschen Sprachraum<br />

bilden ungefähr 30 Hochschulen jedes Jahr mehrere Hundert<br />

Künstler aus. 35

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