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Klaus Oehler: Zahnmedizinischer Standard in der Rechtsprechung

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L<strong>in</strong>k zum Titel: <strong>Klaus</strong> <strong>Oehler</strong>, <strong>Zahnmediz<strong>in</strong>ischer</strong> <strong>Standard</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Rechtsprechung</strong>, Deutscher Zahnärzte-Verlag 2003<br />

5 Zahnextraktion<br />

5.1 Indikation<br />

5.2 Weisheitszähne<br />

5.3 Komplikationen<br />

5.3.1 Infektion (Kontrolle auf Infektion)<br />

5.3.2 MAV/Nerven- und Weichteilverletzungen<br />

5.3.3 Knochenfraktur<br />

5.3.4 Zahnkronenfraktur<br />

5.4 Chronologische Zusammenfassung <strong>der</strong> Urteile


92<br />

5<br />

Zahnextraktion<br />

Erhaltungswürdigkeit,<br />

Erhaltungsfähigkeit<br />

Alternativen<br />

Versuch <strong>der</strong><br />

Zahnerhaltung<br />

5.1 Indikation<br />

Der Vertragszahnarzt bestimmt im Rahmen <strong>der</strong> vertragszahnärztlichen<br />

Versorgung Art und Umfang <strong>der</strong> Maßnahmen.<br />

101<br />

Die Indikation zur Extraktion wird durch den Zahnarzt<br />

gestellt, <strong>der</strong> zwischen Erhaltungsfähigkeit und Erhaltungswürdigkeit<br />

e<strong>in</strong>es Zahnes zu differenzieren hat.<br />

OLG Hamm 24. 1. 01 – 3 U 107/00<br />

Bei <strong>der</strong> Indikation von Zahnextraktionen ist zwischen<br />

Erhaltungsfähigkeit und Erhaltungswürdigkeit zu differenzieren.<br />

E<strong>in</strong>e Zahnextraktion ist nur dann <strong>in</strong>diziert, wenn <strong>der</strong><br />

Zahn nicht erhaltungsfähig ist.<br />

Die Motivierbarkeit e<strong>in</strong>es Patienten zur Mund- und<br />

Zahnhygiene für die erhaltungsfähigen Zähne kann <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Regel erst nach mehreren Sitzungen beurteilt werden.<br />

Häufig ist die Extraktion e<strong>in</strong>e unter mehreren<br />

Behandlungsmöglichkeiten, über die <strong>der</strong> Patient dann aufzuklären<br />

ist.<br />

OLG Düsseldorf 23. 2. 90 – 8 U 169/88<br />

Die Extraktion e<strong>in</strong>es teilret<strong>in</strong>ierten Weisheitszahnes ist <strong>in</strong>diziert,<br />

wenn er nicht korrekt im Kiefer steht und nicht damit<br />

gerechnet werden kann, dass er noch <strong>in</strong> <strong>der</strong> richtigen<br />

Stellung aus dem Kiefer herauswächst.<br />

LG Osnabrück 5. 11. 96 – 10 O 40/94<br />

Vor e<strong>in</strong>er Extraktion muss dem Patienten die Möglichkeit<br />

e<strong>in</strong>er Wurzelfüllung angeboten werden, sofern sie ernsthaft<br />

<strong>in</strong> Erwägung zu ziehen ist.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs ist dem Versuch zur Zahnerhaltung <strong>der</strong> Vorzug<br />

e<strong>in</strong>zuräumen. Dabei kommt <strong>der</strong> Befürchtung <strong>der</strong> Ausschwemmung<br />

von Bakterien e<strong>in</strong>e nachrangige Bedeutung<br />

zu, da dies auch bei <strong>der</strong> möglichen Alternative e<strong>in</strong>er<br />

Extraktion des betreffenden Zahnes geschehen kann.<br />

1 Richtl<strong>in</strong>ien des Bundesausschusses <strong>der</strong> Zahnärzte und<br />

Krankenkassen, Allgeme<strong>in</strong>es Nr. 4


LG Dortmund 11. 5. 87 – 17 O 39/86<br />

E<strong>in</strong>e Zahnextraktion ist erst als letzte Behandlungsmöglichkeit<br />

<strong>in</strong>diziert, wenn konservative Behandlungsalternativen<br />

zu ke<strong>in</strong>er Besserung geführt haben.<br />

OLG Düsseldorf 10. 3. 88 – 8 U 45/87<br />

Grundsätzlich ist dem Versuch <strong>der</strong> Zahnerhaltung gegenüber<br />

e<strong>in</strong>er sofortigen Entfernung des Zahnes <strong>der</strong> Vorzug e<strong>in</strong>zuräumen.<br />

OLG Düsseldorf 30. 6. 88 – 8 U 213/86<br />

Zahnerhaltung hat e<strong>in</strong>er Extraktion regelmäßig vorzugehen.<br />

OLG Düsseldorf 19. 1. 89 – 8 U 158/87<br />

E<strong>in</strong>e Wurzelbehandlung kommt als ultima ratio vor e<strong>in</strong>er<br />

Extraktion <strong>in</strong> Betracht.<br />

OLG Stuttgart 12. 9. 96 – 14 U 1/96<br />

Danach kommt <strong>der</strong> konservativ endodontischen Behandlung<br />

grundsätzlich <strong>der</strong> Vorrang vor <strong>der</strong> Extraktion des<br />

Zahnes zu.<br />

Daran än<strong>der</strong>t auch die Gefahr e<strong>in</strong>er Ausschwemmung von<br />

Bakterien <strong>in</strong> den Blutkreislauf (sog. Bakteriämie) nichts, da<br />

hiervon die Entscheidung zwischen Extraktion und Wurzelkanalbehandlung<br />

nicht abhängt; denn die Gefahr e<strong>in</strong>er Ausschwemmung<br />

besteht <strong>in</strong> beiden Fällen <strong>in</strong> gleichem Maße.<br />

Danach kann <strong>der</strong> Extraktion allenfalls dann Vorrang zukommen,<br />

wenn es um die Sanierung e<strong>in</strong>er vermuteten<br />

Streuquelle geht.<br />

OLG Jena 14. 5. 97 – 4 U 1271/96<br />

Nach heute allgeme<strong>in</strong>er Ansicht besteht für den Zahnarzt<br />

e<strong>in</strong>e unbed<strong>in</strong>gte Pflicht zur Erhaltung des Zahnes. E<strong>in</strong>e<br />

Extraktion kann erst als letzte Möglichkeit <strong>in</strong> Betracht gezogen<br />

werden, wenn konservierende Maßnahmen (wie z.B.<br />

Wurzelbehandlung) aussichtslos ersche<strong>in</strong>en o<strong>der</strong> bereits<br />

gescheitert s<strong>in</strong>d.<br />

Zum an<strong>der</strong>en ist allgeme<strong>in</strong> bekannt, dass die Extraktion von<br />

Zähnen mit starken Schmerzen verbunden ist.<br />

5.1 Indikation<br />

OLG Oldenburg 2. 3. 99 – 5 U 176/98<br />

E<strong>in</strong>e re<strong>in</strong> palliative Zahnsanierung durch Reihenextraktion<br />

gilt nicht e<strong>in</strong>mal mehr bei schwerstbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>ten, völlig<br />

unkooperativen Patienten als adäquates Behandlungskonzept.<br />

Auch bei e<strong>in</strong>er kooperationsunfähigen o<strong>der</strong> -willigen<br />

Patient<strong>in</strong> stellt die Extraktion <strong>der</strong> Zähne ohne vorherige 93<br />

5


94<br />

5<br />

Zahnextraktion<br />

Wunschbehandlung<br />

Zahnerhaltungsbemühungen e<strong>in</strong>en schuldhaften Verstoß<br />

gegen die zahnärztliche Sorgfaltspflicht dar.<br />

Nicht erhaltungswürdige Zähne sollten nicht konservierend<br />

behandelt werden, möglicherweise sogar um den Preis, den<br />

Patienten nicht zu behandeln. Das gilt erst recht für den vertragszahnärztlichen<br />

Bereich, da <strong>der</strong> Vertragszahnarzt auf die<br />

wirtschaftliche Verwendung <strong>der</strong> Mittel <strong>der</strong> Versichertengeme<strong>in</strong>schaft<br />

achten muss.2<br />

OLG Frankfurt 6. 12. 77 – 8 U 127/77<br />

Allerd<strong>in</strong>gs ist es nicht mit <strong>der</strong> lex artis zu vere<strong>in</strong>baren, nicht<br />

erhaltungswürdige Zähne zu konservieren statt sie zu extrahieren.<br />

Gegebenenfalls besteht die Pflicht, die Behandlung<br />

e<strong>in</strong>es Patienten, <strong>der</strong> die Extraktion nicht zulässt, zurück zu<br />

weisen.<br />

Alle<strong>in</strong> <strong>der</strong> Zahnarzt ist „Herr <strong>der</strong> Behandlung“, allerd<strong>in</strong>gs<br />

nach vorheriger Absprache mit dem Patienten über<br />

Alternativen und Umstände <strong>der</strong> Maßnahmen. Er muss dem<br />

Patienten alle aus se<strong>in</strong>er Sicht s<strong>in</strong>nvollen Behandlungsmöglichkeiten<br />

anbieten und ihn je nach Dr<strong>in</strong>glichkeit des<br />

E<strong>in</strong>griffs über die Unterschiede und Risiken aufklären.<br />

Wünscht <strong>der</strong> Patient e<strong>in</strong>e Behandlungsmaßnahme, die <strong>der</strong><br />

Zahnarzt nicht vertreten kann o<strong>der</strong> will, ist die Übernahme<br />

und Durchführung e<strong>in</strong>er solchen Behandlung fehlerhaft.<br />

Dabei muss sich <strong>der</strong> Zahnarzt vom augenblicklichen Stand<br />

<strong>der</strong> zahnmediz<strong>in</strong>ischen Kenntnisse leiten lassen, die ihm<br />

geläufig se<strong>in</strong> sollten, wozu er durch Weiterbildung verpflichtet<br />

ist.3 Der Zahnarzt darf e<strong>in</strong>e uns<strong>in</strong>nige „Wunschbehandlung“<br />

nicht durchführen, auch nicht als Privatleistung,<br />

und muss möglicherweise – neben zivilrechtlichen -<br />

sogar mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen.<br />

BGH 22. 2. 78 – 2 StR 372/77<br />

E<strong>in</strong> Patient, <strong>der</strong> <strong>in</strong> laienhaftem Unverstand aufgrund e<strong>in</strong>er<br />

uns<strong>in</strong>nigen selbstgestellten Diagnose von e<strong>in</strong>em Zahnarzt<br />

e<strong>in</strong>e umfassende Extraktion se<strong>in</strong>er Zähne wünscht, erteilt<br />

damit ke<strong>in</strong>e wirksame E<strong>in</strong>willigung zu dieser Maßnahme.<br />

2 § 12 SGB V; Richtl<strong>in</strong>ien des Bundesausschusses <strong>der</strong> Zahnärzte und<br />

Krankenkassen, Allgeme<strong>in</strong>es Nr. 4<br />

3 s. Kap. 2 Sorgfaltspflicht


LG Hannover 16. 4. 85 – 19 O 109/85<br />

Die Extraktion von Zähnen ohne mediz<strong>in</strong>ische Indikation<br />

ist unzulässig und stellt e<strong>in</strong>en Behandlungsfehler dar.<br />

Bei <strong>der</strong> Stellung <strong>der</strong> Indikation und spätestens bei <strong>der</strong><br />

E<strong>in</strong>willigung des Patienten muss <strong>der</strong> Zahnarzt aus den ihm<br />

zur Verfügung stehenden diagnostischen Möglichkeiten<br />

abschätzen können, ob er den Zahn extrahieren kann o<strong>der</strong><br />

ob dieser chirurgische E<strong>in</strong>griff se<strong>in</strong>e Fähigkeiten überschreiten<br />

wird. Der (Zahn)Arzt darf ke<strong>in</strong>e Behandlungsmaßnahmen<br />

vornehmen, für die er nicht ausreichend ausgebildet<br />

ist.<br />

BGH 7. 6. 66 – VI ZR 250/64<br />

Gelangt e<strong>in</strong> Arzt bei <strong>der</strong> Behandlung e<strong>in</strong>es Patienten an die<br />

Grenzen se<strong>in</strong>er therapeutischen Möglichkeiten, so hat er<br />

sich <strong>der</strong> Weiterbehandlung zu enthalten und dafür zu sorgen,<br />

dass die Behandlung von e<strong>in</strong>em fachlich dazu geeigneten<br />

an<strong>der</strong>en Arzt o<strong>der</strong> Krankenhaus übernommen wird.<br />

OLG Düsseldorf 23. 2. 90 – 8 U 169/88<br />

Die Entfernung e<strong>in</strong>es teilret<strong>in</strong>ierten Weisheitszahnes fällt <strong>in</strong><br />

das Fachgebiet e<strong>in</strong>es Zahnarztes. Der Patient muss nicht an<br />

e<strong>in</strong>en Kieferchirurgen o<strong>der</strong> an e<strong>in</strong>e kieferchirurgische Kl<strong>in</strong>ik<br />

überwiesen werden.<br />

OLG Karlsruhe 23. 5. 90 – 7 U 179/88<br />

Die gleichzeitige Entfernung aller vier Weisheitszähne unter<br />

Vollnarkose entspricht dem <strong>der</strong>zeitigen Stand von<br />

Wissenschaft und operativer Praxis <strong>der</strong> Mund-, Kiefer-,<br />

Gesichtschirurgie.<br />

Abschätzung<br />

5.1 Indikation<br />

OLG München 16. 11. 95 – 1 U 4895/93<br />

Es ist durchaus üblich und vertretbar, operative Weisheitszahnentfernungen<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis ambulant durchzuführen.<br />

Voraussetzung ist e<strong>in</strong>e aus allgeme<strong>in</strong>ärztlicher Sicht unauffällige<br />

Anamnese.<br />

Die operative Entfernung e<strong>in</strong>es Weisheitszahnes, <strong>der</strong> nicht<br />

abnorm verlagert o<strong>der</strong> ret<strong>in</strong>iert ist, ist e<strong>in</strong> <strong>Standard</strong>verfahren,<br />

das unabhängig vom Alter des Patienten <strong>in</strong> <strong>der</strong> zahnärztlichen<br />

Praxis ambulant durchgeführt wird. E<strong>in</strong> stationärer<br />

Aufenthalt kommt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel nur dann <strong>in</strong> Frage, wenn<br />

<strong>der</strong> Patient die Entfernung aller vier Weisheitszähne auf e<strong>in</strong>mal<br />

<strong>in</strong> Vollnarkose wünscht o<strong>der</strong> ke<strong>in</strong>e Kooperationsbereitschaft<br />

von Seiten des Patienten (geistige Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung, übermäßige<br />

Angst) besteht. 95<br />

5


96<br />

5<br />

Zahnextraktion<br />

Durchbruchsstörung<br />

Vollständige<br />

Zahnentfernung<br />

5.2 Weisheitszähne 4<br />

So genannte Weisheitszähne s<strong>in</strong>d eigentlich vollwertige<br />

Zähne. Im Laufe <strong>der</strong> Evolution sche<strong>in</strong>en <strong>in</strong> <strong>der</strong> sog. zivilisierten<br />

Gesellschaft viele Kiefer nicht mehr für 8 Zähne je<br />

Quadrant ausreichend Platz zu bieten, weshalb manche<br />

Behandler zur prophylaktischen Entfernung raten.<br />

Ist e<strong>in</strong> normaler Durchbruch nicht zu vermuten, kann die<br />

Entfernung von Weisheitszähnen s<strong>in</strong>nvoll se<strong>in</strong>.<br />

OLG München 16. 11. 95 – 1 U 4895/93<br />

Auch ist es durchaus s<strong>in</strong>nvoll, ret<strong>in</strong>ierte Weisheitszähne zu<br />

entfernen, wenn feststeht, dass e<strong>in</strong> normaler Durchbruch<br />

nicht erwartet werden kann, allerd<strong>in</strong>gs wird mit zunehmendem<br />

Wurzelwachstum die operative Entfernung schwieriger.<br />

Zahnkeime von Weisheitszähnen sollen entfernt werden,<br />

wenn e<strong>in</strong>e Verlagerung aufgrund <strong>der</strong> Keimlage zu erwarten<br />

ist, sowie bei e<strong>in</strong>em Missverhältnis zwischen Zahngröße und<br />

Zahnzahl und verfügbarem Raum zur Erleichterung für die<br />

kieferorthopädische Behandlung und um mögliche<br />

Störfaktoren für die Gebissentwicklung und die Gebissfunktion<br />

auszuschließen.<br />

OLG Hamm 19. 10. 87 – 3 U 35/87<br />

Bei ret<strong>in</strong>ierten Weisheitszähnen ist e<strong>in</strong> normaler Durchbruch<br />

nicht zu erwarten. Aus prophylaktischen Gründen ist<br />

deshalb die Entfernung auch dann angezeigt, wenn <strong>der</strong><br />

Patient noch ke<strong>in</strong>e Beschwerden verspürt<br />

Je<strong>der</strong> Zahn, auch e<strong>in</strong> Weisheitszahn, ist vollständig zu entfernen.<br />

Schon aus Abrechnungsgründen, da e<strong>in</strong>e Leistung<br />

nur abgerechnet werden darf, wenn die Leistungslegende<br />

vollständig erfüllt ist. Nur <strong>in</strong> Ausnahmefällen dürfen<br />

Teilleistungen abgerechnet werden, so beispielsweise bei<br />

e<strong>in</strong>er Hemisektion mit Teilextraktion e<strong>in</strong>es mehrwurzeligen<br />

Zahnes.5<br />

Bleibt e<strong>in</strong> Schmelzsplitter zurück, lässt das noch ke<strong>in</strong>en<br />

Schluss auf e<strong>in</strong>en Behandlungsfehler zu.<br />

4 s.a. Kap. 2 Sorgfaltspflicht<br />

5 Bema-Z Pos. 47 b


LG Hamburg 28. 1. 76 – 14 O 4/73<br />

Der Zahnarzt ist verpflichtet e<strong>in</strong>en Zahn, auch e<strong>in</strong>en<br />

Weisheitszahn vollständig, ohne e<strong>in</strong>en Wurzelrest zu belassen,<br />

zu ziehen.<br />

Kommt es zu e<strong>in</strong>er Wurzelfraktur, muss <strong>der</strong> Zahnarzt alle<br />

erfor<strong>der</strong>lichen Maßnahmen zur Entfernung des zurückgebliebenen<br />

Wurzelrestes treffen.<br />

LG Offenburg 2. 7. 85 – 2 O 255/84<br />

Es wird als fehlerhaft angesehen, wenn zurückgelassene<br />

Wurzelreste nur teilweise entfernt und die verbliebenen<br />

Reste nicht erkannt werden. Der extrahierte Zahn muss<br />

immer auf Vollständigkeit untersucht und gegebenenfalls<br />

e<strong>in</strong>e ausreichende Röntgenuntersuchung <strong>der</strong> Alveole und<br />

ihrer Umgebung durchgeführt werden.<br />

OLG Karlsruhe 26. 8. 86 – 14 U 180/85<br />

E<strong>in</strong> übersehener Wurzelrest nach Extraktion ohne<br />

Röntgenkontrolle ist e<strong>in</strong> Behandlungsfehler.<br />

OLG Düsseldorf 10. 3. 88 – 8 U 45/87<br />

Das Belassen von Wurzelresten im Kiefer entspricht <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Regel nicht den anerkannten Regeln <strong>der</strong> Zahnmediz<strong>in</strong>.<br />

OLG Düsseldorf 4. 2. 93 – 8 U 289/91<br />

Verbleibt bei <strong>der</strong> Extraktion e<strong>in</strong>es Zahnes e<strong>in</strong> Wurzelrest im<br />

Kiefer und verursacht er dort ke<strong>in</strong>e Beschwerden, so ist es<br />

nicht fehlerhaft, ihn zunächst dort zu belassen.<br />

5.2 Weisheitszähne<br />

OLG Hamm 19. 9. 94 – 3 U 285/93<br />

Während das Zurücklassen e<strong>in</strong>es Wurzelrestes den Schluss auf<br />

e<strong>in</strong>en Behandlungsfehler zulassen mag, trifft das auf e<strong>in</strong>en<br />

Schmelzsplitter nicht zu. Dass e<strong>in</strong> solcher Splitter, <strong>der</strong> bei <strong>der</strong><br />

notwendigen Zerteilung des Zahnes leicht entstehen kann,<br />

nach dem Absaugen ausnahmsweise <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wunde verblieben<br />

ist, kann auch e<strong>in</strong>em sorgfältig arbeitenden Operateur entgehen.<br />

Denn bei e<strong>in</strong>em Zusammensetzen <strong>der</strong> extrahierten<br />

Zahnteile wird das Fehlen e<strong>in</strong>er Schmelzscherbe – an<strong>der</strong>s als<br />

bei e<strong>in</strong>em Wurzelrest – oftmals nicht zu erkennen se<strong>in</strong>. Auch<br />

muss e<strong>in</strong>e solche Scherbe auch bei e<strong>in</strong>er sorgfältigen<br />

Inspektion <strong>der</strong> Wunde nach <strong>der</strong> Säuberung nicht bemerkt werden.<br />

Auch muss nach den Ausführungen des Sachverständigen<br />

wegen <strong>der</strong> mit je<strong>der</strong> radiologischen Untersuchung verbundenen<br />

Strahlenbelastung e<strong>in</strong>e postoperative Röntgenkontrolle<br />

nur erfolgen, wenn <strong>der</strong> Operateur konkrete Anhaltspunkte für<br />

e<strong>in</strong> Zurückbleiben von Zahnresten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wunde hat. 97<br />

5


98<br />

5<br />

Zahnextraktion<br />

Separieren<br />

Heilungstendenz<br />

OLG Hamm 16. 12. 96 – 3 U 108/96<br />

Es liegt e<strong>in</strong> grober Behandlungsfehler vor, wenn <strong>der</strong> Zahnarzt<br />

aufgrund e<strong>in</strong>er völlig unzureichenden Röntgendiagnostik<br />

die Lage e<strong>in</strong>es zu extrahierenden Eckzahnes nicht<br />

richtig e<strong>in</strong>schätzt und ihm deshalb nur e<strong>in</strong>e partielle<br />

Entfernung des Zahnes gel<strong>in</strong>gt und wenn von ihm zudem<br />

e<strong>in</strong>e arterielle Blutung des Patienten nicht gestillt wurde.<br />

Wenn es erfor<strong>der</strong>lich ist, muss <strong>der</strong> Zahn vor <strong>der</strong> Extraktion<br />

getrennt werden.<br />

OLG Düsseldorf 25. 7. 91 – 8 U 254/89<br />

Muss bei <strong>der</strong> Extraktion e<strong>in</strong>es ret<strong>in</strong>ierten Weisheitszahnes<br />

auf Grund des Röntgenbefundes von e<strong>in</strong>em außergewöhnlichen<br />

zahnnahen Verlauf des N. alveolaris <strong>in</strong>ferior ausgegangen<br />

werden, so muss <strong>der</strong> Zahn vor <strong>der</strong> Extraktion <strong>in</strong><br />

E<strong>in</strong>zelteile zerlegt werden.<br />

5.3 Komplikationen<br />

5.3.1 Infektion (Kontrolle auf Infektion)<br />

Die Mundhöhle beherbergt ca. 700 unterschiedliche Mikroorganismen,<br />

so dass e<strong>in</strong>e Wunde <strong>in</strong> diesem Bereich immer<br />

als <strong>in</strong>fiziert gilt. Beson<strong>der</strong>s für E<strong>in</strong>griffe im Mund ist es kaum<br />

möglich, die Asepsis, die <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en chirurgischen Diszipl<strong>in</strong>en<br />

gefor<strong>der</strong>t wird, zum<strong>in</strong>dest für die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er durchschnittlichen<br />

Zahnarztpraxis durchgeführten E<strong>in</strong>griffe e<strong>in</strong>zuhalten.<br />

Ohneh<strong>in</strong> ist die Heilungstendenz von Wunden <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Mundhöhle gut.<br />

Ebenfalls an <strong>der</strong> äußeren Haut besteht trotz E<strong>in</strong>haltung chirurgischer<br />

Des<strong>in</strong>fektionsvorschriften immer das Risiko e<strong>in</strong>er<br />

Infektion nach e<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>griff.<br />

OLG Düsseldorf 21. 12. 95 – 8 U 126/94<br />

Für jeden kle<strong>in</strong>en o<strong>der</strong> großen chirurgischen E<strong>in</strong>griff gilt:<br />

Trotz aller ärztlichen Vorsichtsmaßnahmen können bei<br />

jedem ärztlichen E<strong>in</strong>griff stets aus <strong>der</strong> Luft o<strong>der</strong> von <strong>der</strong> Haut<br />

des Patienten Keime <strong>in</strong> die Operationswunde gelangen und<br />

nachfolgend unter bestimmten, im e<strong>in</strong>zelnen noch nicht<br />

ganz geklärten Bed<strong>in</strong>gungen Wund<strong>in</strong>fektionen auslösen. Das<br />

Auftreten e<strong>in</strong>er Infektion nach e<strong>in</strong>er Operation rechtfertigt<br />

daher alle<strong>in</strong> nicht den Schluss auf ärztliche Versäumnisse mit<br />

Blick auf die Hygiene und die Wahrung strenger Asepsis.


Sicherlich ist nicht jede Extraktionswunde am nächsten Tag<br />

zu kontrollieren. Bei e<strong>in</strong>fachen Extraktionen, bei denen<br />

auch die Alveole h<strong>in</strong>reichend e<strong>in</strong>geblutet ist, kann es ausreichen,<br />

wenn sich <strong>der</strong> Patient nach Aufklärung beispielsweise<br />

über außergewöhnliche Schmerzen (er kann nicht<br />

schlafen und/o<strong>der</strong> benötigt dauernd Schmerztabletten),<br />

Foetor ex ore o<strong>der</strong> Kieferklemme am Folgetag nur telefonisch<br />

meldet und die Wunde dann <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> nächsten<br />

5 bis 7 Tage kontrolliert wird.6 Treten beim Patienten außergewöhnliche<br />

Beschwerden auf, sollte er sich umgehend <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Praxis, evtl. beim Notdienst, vorstellen.<br />

Bei Entfernung mehrerer Zähne <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Kiefer kann es zur<br />

Ablösung e<strong>in</strong>zelner Knochenteile kommen, was zu e<strong>in</strong>er<br />

sequestrierenden Osteomyelitis führen kann, wenn nicht<br />

früh genug e<strong>in</strong>gegriffen wird, weshalb bei solchen<br />

Serienextraktionen e<strong>in</strong>e Wundkontrolle auf jeden Fall erfor<strong>der</strong>lich<br />

ist.<br />

OLG Karlsruhe 21. 2. 68 – 1 U 128/66<br />

E<strong>in</strong>e sequestrierende Osteomyelitis nach Extraktion verschiedener<br />

Zähne im Bereich des Oberkiefers führte zu e<strong>in</strong>er<br />

Ablösung e<strong>in</strong>zelner Knochensplitter. Diese sequestrierende<br />

Osteomyelitis hätte durch genaue und zeitgerechte Kontrolle<br />

<strong>der</strong> durch die Zahnziehung entstandenen Wunden<br />

verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t werden können. Die Zahnärzt<strong>in</strong> handelte grob<br />

fahrlässig, als sie die Nachschau nicht selbst vornahm.<br />

5.3.2 MAV/Nerven- und Weichteilverletzungen<br />

Da e<strong>in</strong>e chirurgische Maßnahme immer als <strong>in</strong>vasiv anzusehen<br />

ist, kann es <strong>in</strong>folge anatomischer Gegebenheiten selbst<br />

bei Beachtung aller Sorgfaltsanfor<strong>der</strong>ungen immer zu<br />

Verletzungen benachbarter Strukturen, beispielsweise e<strong>in</strong>es<br />

Nervs o<strong>der</strong> zur Eröffnung an<strong>der</strong>er Körperhöhlen, kommen.<br />

Die durchschnittliche Distanz zwischen Wurzelspitze und<br />

Kieferhöhlenboden wird <strong>in</strong> <strong>der</strong> Literatur mit Werten zwischen<br />

0,8 und 2,8 mm angegeben. Nicht selten reicht<br />

jedoch <strong>der</strong> sog. Recessus alveolaris bis <strong>in</strong> den<br />

Furkationsbereich <strong>der</strong> Zahnwurzeln o<strong>der</strong> sogar bis zur Cresta<br />

alvelaris 7 . E<strong>in</strong>e MAV sollte nicht übersehen und möglichst<br />

sofort, spätestens nach 24 Stunden geschlossen werden. Bei<br />

6 Gabka, J., Komplikationen und Fehler bei <strong>der</strong> zahnärztlichen<br />

Behandlung, S. 153, Thieme Verlag, Stuttgart 1986<br />

7 Folwaczny, M., Wurzelspitzenresektion von Molaren, NZÄBl. 9/01, S. 13<br />

5.3 Komplikationen<br />

Kontrolle<br />

Diagnose<br />

5<br />

99


100<br />

5<br />

Zahnextraktion<br />

kle<strong>in</strong>er Perforation und langer Alveole wird wegen <strong>der</strong><br />

Möglichkeit <strong>der</strong> Selbstheilung auch empfohlen, auf den plastischen<br />

Verschluss zu verzichten und die Spontanheilung<br />

abzuwarten. 8<br />

Die Diagnose e<strong>in</strong>er sekundären Mund-Antrum-Verb<strong>in</strong>dung<br />

(MAV) ist im Gegensatz zu e<strong>in</strong>er primären MAV, die im<br />

Rahmen <strong>der</strong> Manipulationen bei e<strong>in</strong>er Extraktion auftritt,<br />

nicht sofort nach e<strong>in</strong>er Extraktion möglich, da sie ihre<br />

Ursache <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Infektion des Zahnfaches mit Zerfall des<br />

Blutkoagulums hat.<br />

LG Frankfurt 17. 11. 80 – 2/21 O 57/79<br />

Die Öffnung <strong>der</strong> Kieferhöhle läßt nicht den Schluß zu, dass<br />

die Extraktion nicht fachgerecht durchgeführt worden sei.<br />

E<strong>in</strong>e Extraktion ist immer mit dem Risiko von Verletzungen<br />

verbunden. Intra- und postoperative Komplikationen s<strong>in</strong>d<br />

nicht ungewöhnlich und nicht sicher vermeidbar.<br />

LG Darmstadt 3. 2. 81 – 13 O 156/77<br />

Auf jeden Fall hat <strong>der</strong> Zahnarzt nach dem Erkennen e<strong>in</strong>er<br />

Kieferhöhleneröffnung die Pflicht, sofort o<strong>der</strong> jedenfalls <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em möglichst nahen Zeitpunkt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Folgezeit die<br />

Mund-Antrum-Verb<strong>in</strong>dung zu schließen.<br />

OLG Karlsruhe 26. 8. 88 – 14 U 180/85<br />

Die Öffnung e<strong>in</strong>er Kieferhöhle bei e<strong>in</strong>er Zahnextraktion<br />

begründet für sich alle<strong>in</strong> noch nicht den Vorwurf e<strong>in</strong>er fehlerhaften<br />

Behandlung. E<strong>in</strong> Behandlungsfehler liegt jedoch<br />

vor, wenn e<strong>in</strong>e Verb<strong>in</strong>dung zwischen Mund- und<br />

Kieferhöhle übersehen wird. Deshalb ist nach <strong>der</strong><br />

Zahnextraktion bei Verdacht darauf, e<strong>in</strong> Nasenblasversuch<br />

und e<strong>in</strong>e Röntgennachkontrolle zw<strong>in</strong>gend durchzuführen.<br />

OLG Hamm 3. 11. 93 – 3 U 217/92<br />

Kommt es nach <strong>der</strong> Extraktion e<strong>in</strong>es Backenzahnes zu e<strong>in</strong>er<br />

Mund-Antrum-Perforation, dann muss, wenn Zweifel bestehen,<br />

vor dem Verschluss geklärt werden, ob e<strong>in</strong>e Infektion<br />

vorliegt. Das Unterlassen dieser sich aufdrängenden e<strong>in</strong>fachen<br />

diagnostischen Maßnahmen ist e<strong>in</strong> schwerwiegendes<br />

Versäumnis.<br />

Vor dem plastischen Verschluss muss e<strong>in</strong>e akute Entzündung<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e chronische überführt werden, an<strong>der</strong>nfalls ist<br />

mit e<strong>in</strong>em Erfolg <strong>der</strong> plastischen Deckung nicht zu rechnen.<br />

8 Krüger, E., Die Eröffnung <strong>der</strong> Kieferhöhle bei <strong>der</strong> Zahnextraktion, <strong>in</strong>:<br />

Ketterl, W., Deutscher Zahnärztekalen<strong>der</strong> 1985, S. 28, Hanser Verlag,<br />

München 1985


E<strong>in</strong> Verschluss darf erst vorgenommen werden, wenn die<br />

Sicherheit besteht, dass die akute Entzündung nicht mehr<br />

vorhanden ist. Die Sicherheit ist durch e<strong>in</strong>e »banale<br />

Maßnahme«, die Spülung <strong>der</strong> Kieferhöhle zu gew<strong>in</strong>nen.<br />

Kommt trübes Sekret, darf nicht operiert werden.<br />

Schlägt <strong>der</strong> operative Verschluss e<strong>in</strong>er nach Extraktion e<strong>in</strong>es<br />

Backenzahnes entstandenen Mund-Antrum-Verb<strong>in</strong>dung<br />

wegen e<strong>in</strong>er Infektion fehl, dann genügt es, wenn Spülungen<br />

<strong>der</strong> Kieferhöhle vorgenommen werden.<br />

E<strong>in</strong> späterer erneuter plastischer Verschluss und <strong>der</strong> anschließende<br />

E<strong>in</strong>satz von Antibiotika s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>diziert.<br />

OLG Düsseldorf 7. 12. 95 – 8 U 104/93<br />

Das Entstehen e<strong>in</strong>er Mund-Antrum-Verb<strong>in</strong>dung bei <strong>der</strong><br />

Extraktion e<strong>in</strong>es Backenzahnes (E.A.: oberer Molar) gehört<br />

zu den Komplikationen, <strong>der</strong>en Verwirklichung auch bei<br />

äußerster Sorgfalt nicht sicher zu vermeiden ist.<br />

Das unbeabsichtigte Herbeiführen e<strong>in</strong>er Mund-Antrum-<br />

Verb<strong>in</strong>dung ist nicht als Behandlungsfehler zu werten.<br />

Es gehört zu den elementaren und allgeme<strong>in</strong> bekannten<br />

Regeln <strong>der</strong> Zahnheilkunde, dass e<strong>in</strong>e Mund-Antrum-<br />

Verb<strong>in</strong>dung wegen <strong>der</strong> großen Infektionsgefahr sofort zu<br />

verschließen ist.<br />

Die Häufigkeit von Komplikationen nach operativer<br />

Weisheitszahnentfernung wird als ger<strong>in</strong>g angesehen.<br />

• Sensibilitätsstörungen:<br />

N. alv. <strong>in</strong>ferior 0,4 bis 4,4%<br />

N. l<strong>in</strong>gualis 0,06 bis 1,1%<br />

bleibende Schäden bei etwa 1%<br />

• Wundheilungsstörungen:<br />

Alveolitis 0,5 bis 30%<br />

Wund<strong>in</strong>fektionen 1,5 bis 5,8%<br />

• Eröffnungen <strong>der</strong> Kieferhöhle: ca. 11%<br />

• Risiko <strong>der</strong> Verletzung des 2. Molaren: 0,3% 9<br />

Bei chirurgischer Entfernung des unteren Weisheitszahnes<br />

sollen bei 1,3% aller Fälle vorübergehende o<strong>der</strong> dauerhafte<br />

neurologische Ausfälle im Versorgungsgebiet des N. alv.<br />

<strong>in</strong>ferior auftreten. 10<br />

9 Stellungnahme <strong>der</strong> DGZMK; Indikationen zur operativen<br />

Weisheitszahnentfernung; NZÄBl. 9/01, S. 22<br />

10 Folwaczny, M., Wurzelspitzenresektion von Molaren, NZÄBl. 9/01, S. 14<br />

5.3 Komplikationen<br />

Häufigkeit<br />

5<br />

101


102<br />

5<br />

Zahnextraktion<br />

LG Bonn 11. 10. 88 – 13 O 419/87<br />

E<strong>in</strong>e Nervläsion kann auch bei ordnungsgemäßer<br />

Zahnextraktion nicht ausgeschlossen werden.<br />

OLG Köln 19. 12. 88 – 7 U 158/87<br />

Ebenso können im Zuge e<strong>in</strong>er Osteotomie gelegentlich<br />

Quetschungen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>sartige Läsionen und darüber h<strong>in</strong>aus<br />

anatomisch bed<strong>in</strong>gte Beschädigungen von Nerven auftreten.<br />

Bei <strong>der</strong> Extraktion e<strong>in</strong>es Weisheitszahnes ist we<strong>der</strong> das<br />

Anstechen des Nervenstammes noch e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>traneurale<br />

Injektion mit letzter Sicherheit zu vermeiden.<br />

OLG Düsseldorf 23. 2. 90 – 8 U 169/88<br />

Tritt bei Extraktion e<strong>in</strong>es teilret<strong>in</strong>ierten Weisheitszahnes<br />

e<strong>in</strong>e Schädigung des N. l<strong>in</strong>gualis e<strong>in</strong>, so rechtfertigt diese<br />

Tatsache alle<strong>in</strong> noch nicht den Schluss auf e<strong>in</strong> sorgfaltswidriges<br />

Vorgehen des Zahnarztes.<br />

E<strong>in</strong>e Schädigung durch Fräsen sollte zwar, kann aber nicht<br />

mit letzter Sicherheit vermieden werden. Auch kann durch<br />

Druck des Raspatoriums e<strong>in</strong>e Schädigung, beispielsweise<br />

e<strong>in</strong>es Nervs nicht immer vermieden werden.<br />

OLG Karlsruhe 23. 5. 90 – 7 U 179/88<br />

Die gleichzeitige Entfernung aller vier Weisheitszähne unter<br />

Vollnarkose entspricht dem <strong>der</strong>zeitigen Stand von Wissenschaft<br />

und operativer Praxis <strong>der</strong> Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie.<br />

Bei e<strong>in</strong>er solchen Operation kann es auch bei<br />

regelrechtem E<strong>in</strong>satz <strong>der</strong> Langenbeck-Haken zu Traumatisierungen<br />

<strong>der</strong> Haut kommen. Diese Gefahr ist bei Extraktion<br />

unter Narkose <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Sitzung erheblich größer als bei<br />

Extraktion jeweils nur e<strong>in</strong>es Zahnes <strong>in</strong> getrennten Sitzungen<br />

unter örtlicher Betäubung.<br />

OLG Hamburg 27. 2. 98 – 1 U 131/97<br />

Vor e<strong>in</strong>er Weisheitszahnextraktion im Unterkiefer ist <strong>der</strong><br />

Patient im Rahmen <strong>der</strong> Grundaufklärung darauf h<strong>in</strong>zuweisen,<br />

das es <strong>in</strong> seltenen Fällen durch die Extraktion o<strong>der</strong><br />

durch das Injizieren des Betäubungsmittels zu Nervschädigungen,<br />

und zwar <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e zu Verletzungen des Nervus<br />

l<strong>in</strong>gualis, kommen kann.<br />

OLG Stuttgart 10. 11. 98 - 14 U 34/98<br />

Alle<strong>in</strong> die Tatsache <strong>der</strong> Schädigung des Nervs lässt nicht den<br />

Schluss auf e<strong>in</strong> kunstfehlerhaftes Verhalten des Arztes rechtfertigen.<br />

Bei <strong>der</strong> Entfernung e<strong>in</strong>es unteren Weisheitszahnes


gibt es e<strong>in</strong>e ganze Reihe von <strong>in</strong>direkten Schädigungsmechanismen,<br />

die auch bei Beachtung größtmöglicher Sorgfalt<br />

nicht sicher vermieden werden können.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs ist das Verlassen des eigentlichen Operationsgebietes<br />

im Knochen und e<strong>in</strong> Abrutschen mit e<strong>in</strong>em rotierenden<br />

Instrument <strong>in</strong> das umliegende Weichgewebe durchaus<br />

vermeidbar.<br />

5.3.3 Knochenfraktur<br />

Die Kraftanwendung bei Extraktion sollte immer vorsichtig<br />

und dosiert vorgenommen werden, um e<strong>in</strong>e Fraktur zu vermeiden.<br />

Es gilt dabei: Verr<strong>in</strong>gerung des Wi<strong>der</strong>standes anstelle<br />

Erhöhung <strong>der</strong> Kraft.<br />

Unterschieden werden aufgrund des Zeit<strong>in</strong>tervalls zur<br />

Zahnentfernung Sofort- von Spätfrakturen. Sog. Spätfrakturen<br />

(bis ca. 6 Wochen nach Extraktion) s<strong>in</strong>d anlässlich <strong>der</strong> Strukturschwächung<br />

des Knochens <strong>in</strong>folge des fehlenden Zahnes<br />

und <strong>der</strong> noch nicht aufgefüllten Alveole möglich, was vornehmlich<br />

für den Unterkiefer gilt. Zur präoperativen<br />

E<strong>in</strong>schätzung wird e<strong>in</strong> Röntgenbild benötigt, das den gesamten<br />

Knochen zeigt, weshalb das Vorliegen e<strong>in</strong>es OPG vorteilhaft ist.<br />

LG Düsseldorf 15. 12. 88 – 17 O 86/87<br />

Betreibt e<strong>in</strong> Zahnarzt die Extraktion e<strong>in</strong>es verlagerten, aber<br />

beschwerdefreien Weisheitszahnes ohne vorherige Aufklärung<br />

des Patienten und kommt es zu e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>seitigen<br />

Bruch des Unterkiefers, <strong>der</strong> darauf zurückzuführen ist, dass<br />

<strong>der</strong> auszuhebelnde Zahn vorher nicht genügend gelockert<br />

worden ist, so ist Schmerzensgeld gerechtfertigt.<br />

Die Extraktion e<strong>in</strong>es Weisheitszahnes mittels Hebels ohne<br />

vorherige Lockerung ist fehlerhaft, was beson<strong>der</strong>s fatal ist,<br />

wenn es zu e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>seitigen Bruch des Unterkiefers kommt.<br />

OLG Frankfurt 5. 10. 89 – 1 U 211/88<br />

Wird bei e<strong>in</strong>er Zahnextraktion e<strong>in</strong> Kiefer gebrochen, dann<br />

ist das e<strong>in</strong> grober Behandlungsfehler.<br />

LG Heidelberg 15. 8. 90 – 3 O 323/88<br />

Besteht nach <strong>der</strong> Entfernung e<strong>in</strong>es ret<strong>in</strong>ierten Weisheitszahnes<br />

<strong>der</strong> Verdacht auf e<strong>in</strong>e Kieferfraktur, dann ist die<br />

Anfertigung e<strong>in</strong>er postoperativen Röntgenaufnahme geboten.<br />

5.3 Komplikationen<br />

Dosierung<br />

<strong>der</strong> Kraftanwendung<br />

OLG Köln 9. 3. 92 – 27 U 144/91<br />

Wird bei wie<strong>der</strong>holtem Versuch <strong>der</strong> Extraktion mittels e<strong>in</strong>es<br />

Hebel<strong>in</strong>strumentes, bei <strong>der</strong> e<strong>in</strong> erheblicher knöcherner 103<br />

5


104<br />

5<br />

Zahnextraktion<br />

Wi<strong>der</strong>stand zu erwarten war, <strong>der</strong> Nachbarzahn zerstört, so<br />

spricht dies prima facie für e<strong>in</strong>e zu große und damit fehlerhafte<br />

Kraftentfaltung des Zahnarztes.<br />

Unter Berücksichtigung <strong>der</strong> anatomischen Verhältnisse am<br />

unteren Weisheitszahn ist bei <strong>der</strong> Anwendung des Hebel<strong>in</strong>strumentes<br />

nur e<strong>in</strong> vorsichtiger Versuch zu unternehmen.<br />

Führt <strong>der</strong> Extraktionsversuch gegen Erwartung <strong>in</strong> kurzer Zeit<br />

nicht zum Ziel, sollten weitere Bemühungen zur Vermeidung<br />

schädlicher Folgewirkungen unterlassen und <strong>der</strong> Weg<br />

<strong>der</strong> operativen Zahnentfernung e<strong>in</strong>geschlagen werden.<br />

OLG München 30. 3. 95 – 1 U 3458/94<br />

Es besteht bei operativer Entfernung von Zähnen, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

von tief verlagerten Weisheitszähnen, grundsätzlich<br />

e<strong>in</strong>e Erhöhung <strong>der</strong> Kieferbruchgefahr.<br />

OLG Düsseldorf 13. 7. 95 – 8 U 136/94<br />

Allerd<strong>in</strong>gs kann es als Folge e<strong>in</strong>er schwierigen Extraktion des<br />

Weisheitszahnes bei entsprechen<strong>der</strong> operationsbed<strong>in</strong>gter<br />

Belastung des Kieferknochens auch bei völlig regelrechtem<br />

Vorgehen zu e<strong>in</strong>em Kieferbruch kommen.<br />

OLG Braunschweig 24. 4. 97 – 1 U 56/96<br />

Bei e<strong>in</strong>er Weisheitszahnextraktion kann sich das Risiko<br />

e<strong>in</strong>es Kieferbruchs sowohl schon bei <strong>der</strong> Extraktion des<br />

Zahnes als auch erst danach verwirklichen, ohne dass daraus<br />

auf e<strong>in</strong>en Behandlungsfehler geschlossen werden kann.<br />

Bei persistierenden Schmerzen nach <strong>der</strong> Extraktion e<strong>in</strong>es<br />

Weisheitszahnes darf von Kontrollröntgenaufnahmen<br />

zunächst abgesehen werden. Halten die Schmerzen jedoch<br />

über mehr als drei Wochen an, so ist das Unterlassen e<strong>in</strong>er<br />

Röntgenaufnahme e<strong>in</strong> grober Behandlungsfehler.<br />

5.3.4 Zahnkronenfraktur<br />

Der Bruch <strong>der</strong> Zahnkrone des zu extrahierenden Zahnes<br />

o<strong>der</strong> die Lösung e<strong>in</strong>er technischen Krone e<strong>in</strong>es Nachbarzahnes,<br />

ja sogar die Kronenfraktur e<strong>in</strong>es beispielsweise mit<br />

e<strong>in</strong>er großen Füllung versehenen Nachbarzahnes s<strong>in</strong>d ebenfalls<br />

Komplikationen bei e<strong>in</strong>er Zahnextraktion, die sich<br />

nicht immer vermeiden lassen.<br />

OLG Düsseldorf 13. 7. 95 – 8 U 136/94<br />

E<strong>in</strong> Bruch <strong>der</strong> Zahnkrone bei <strong>der</strong> Extraktion e<strong>in</strong>es vorgeschädigten<br />

Weisheitszahnes ist auch bei e<strong>in</strong>em sehr sorgfältigen<br />

Vorgehen des Zahnarztes nicht immer zu vermeiden.


5.4 Chronologische<br />

Zusammenfassung <strong>der</strong> Urteile<br />

BGH 7.6.66 – VI ZR 250/64<br />

OLG Karlsruhe 21.2.68 – 1 U 128/66<br />

LG Hamburg 28.1.76 – 14 O 4/73<br />

OLG Frankfurt 6.12.77 – 8 U 127/77<br />

BGH 22.2.78 – 2 StR 372/77<br />

LG Frankfurt 17.11.80 – 2/21 O 57/79<br />

LG Darmstadt 3.2.81 – 13 O 156/77<br />

LG Hannover 16.4.85 – 19 O 109/85<br />

LG Offenburg 2.7.85 – 2 O 255/84<br />

OLG Karlsruhe 26.8.86 – 14 U 180/85<br />

LG Dortmund 11.5.87 – 17 O 39/86<br />

OLG Hamm 19.10.87 – 3 U 35/87<br />

OLG Düsseldorf 10.3.88 – 8 U 45/87 2x<br />

OLG Düsseldorf 30.6.88 – 8 U 213/86<br />

OLG Karlsruhe 26.8.88 – 14 U 180/85<br />

LG Bonn 11.10.88 – 13 O 419/87<br />

LG Düsseldorf 15.12.88 – 17 O 86/87<br />

OLG Köln 19.12.88 – 7 U 158/87<br />

OLG Düsseldorf 19.1.89 – 8 U 158/87<br />

OLG Frankfurt 5.10.89 – 1 U 211/88<br />

OLG Düsseldorf 23.2.90 – 8 U 169/88 3x<br />

OLG Karlsruhe 23.5.90 – 7 U 179/88 2x<br />

LG Heidelberg 15.8.90 – 3 O 323/88<br />

OLG Düsseldorf 25.7.91 – 8 U 254/89<br />

OLG Köln 9.3.92 – 27 U 144/91<br />

OLG Düsseldorf 4.2.93 – 8 U 289/91<br />

OLG Hamm 3.11.93 – 3 U 217/92<br />

OLG Hamm 19.9.94 – 3 U 285/93<br />

OLG München 30.3.95 – 1 U 3458/94<br />

OLG Düsseldorf 13.7.95 – 8 U 136/94 2x<br />

OLG München 16.11.95 – 1 U 4895/93 2x<br />

OLG Düsseldorf 7.12.95 – 8 U 104/93<br />

OLG Stuttgart 12.9.96 – 14 U 1/96<br />

OLG Hamm 16.12.96 – 3 U 108/96<br />

OLG Braunschweig 24.4.97 – 1 U 56/96<br />

OLG Jena 14.5.97 – 4 U 1271/96<br />

OLG Hamburg 27.2.98 – 1 U 131/97<br />

OLG Stuttgart 10.11.98 – 14 U 34/98<br />

OLG Oldenburg 2.3.99 – 5 U 176/98<br />

OLG Brandenburg 8.11.00 – 1 U 6/99<br />

OLG Hamm 24.1.01 – 3 U 107/00<br />

5.4 Chronologische Zusammenfassung <strong>der</strong> Urteile<br />

5<br />

105

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