15 Überwachung der Narkosetiefe: Warum?
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<strong>15</strong> <strong>Überwachung</strong> <strong>der</strong> <strong>Narkosetiefe</strong>: <strong>Warum</strong>?<br />
W. Wilhelm, S. Kreuer<br />
Kapitel <strong>15</strong><br />
Seit Beginn <strong>der</strong> Durchführung von Allgemeinanästhesien hat man versucht, die Anästhesietiefe<br />
zu überwachen. Dabei ist eine zu „oberflächliche“ Anästhesie mit unzureichen<strong>der</strong><br />
Schmerzausschaltung, Stressabschirmung o<strong>der</strong> intraoperativer Wachheit<br />
(„Awareness“) genauso unerwünscht wie eine zu „tiefe“ Narkose mit entsprechen<strong>der</strong><br />
hämodynamischer Beeinträchtigung, verzögertem postoperativem Erwachen, verlängerten<br />
<strong>Überwachung</strong>szeiten und unnötig hohem Anästhetikaverbrauch. Ziel ist letztlich<br />
immer eine individuell „maßgeschnei<strong>der</strong>te“ Anästhesieführung. Dies ist auch unter<br />
ökonomischen Gesichtspunkten sinnvoll, um Substanzkosten zu vermin<strong>der</strong>n, insbeson<strong>der</strong>e<br />
aber, um Personalbindung und OP-Belegung durch unnötig lange Ausleitungszeiten<br />
zu reduzieren. Die individuelle Steuerung <strong>der</strong> Anästhesietiefe erfolgt heutzutage<br />
v.a. klinisch anhand von Hämodynamik und vegetativen Verän<strong>der</strong>ungen: Die wichtigsten<br />
Anhaltspunkte sind das Blutdruck- und Herzfrequenzverhalten, weiterhin Spontanbewegungen<br />
des Patienten, Tränenfluss, Schwitzen o<strong>der</strong> das Pupillenspiel.<br />
Werden, wie bei mo<strong>der</strong>nen Anästhesietechniken üblich, Opioide angewandt, so<br />
wird die klinische Beurteilung <strong>der</strong> Anästhesietiefe weiter erschwert [1]: Hämodynamische<br />
Entgleisungen und vegetative Zeichen können völlig fehlen, und trotzdem ist<br />
nicht auszuschließen, dass <strong>der</strong> Patient über intraoperative Wachheit berichtet. Die<br />
Wahrscheinlichkeit von Awareness mit Schmerzempfinden wird in <strong>der</strong> Literatur mit<br />
unter 0,03% angegeben [5, 6], ohne Schmerzwahrnehmung mit 0,2–0,4% [2, 4, 7]. Die<br />
Anwendung von Muskelrelaxanzien scheint die Inzidenz von intraoperativer Wachheit<br />
zu verdoppeln [8], da Abwehrbewegungen als Zeichen unzureichen<strong>der</strong> Anästhesie nicht<br />
möglich sind. Eine ausführliche Darstellung des Problems „intraoperative Wachheit“<br />
findet sich in Kapitel 19.<br />
Für eine „klinische“ Anästhesiesteuerung stehen auch heute lediglich Hämodynamik,<br />
vegetative Zeichen und die Erfahrung des Anästhesisten zu Verfügung. Allerdings<br />
sind die klinischen Zeichen nicht 100% verlässlich, außerdem variiert <strong>der</strong><br />
individuelle Anästhetikabedarf erheblich. Die Folgen können Über- o<strong>der</strong> Unterdosierung<br />
<strong>der</strong> Anästhetika sein, in sehr seltenen Fällen auch intraoperative Wachheit.<br />
Die Erklärung für das Problem „zu flache o<strong>der</strong> zu tiefe Narkose trotz gewissenhafter Narkoseführung“<br />
beruht auf <strong>der</strong> klinisch nur schwer zu beurteilenden interindividuellen<br />
183
184 <strong>15</strong> <strong>Überwachung</strong> <strong>der</strong> <strong>Narkosetiefe</strong>: <strong>Warum</strong>?<br />
Abb. <strong>15</strong>.1: Variabilität des Propofolbedarfs bei gleicher <strong>Narkosetiefe</strong>: Bei 200 Patienten wurde<br />
eine Narcotrend-EEG-Analyse durchgeführt und die Propofolinfusion so für jeden Patienten<br />
individuell angepasst. Dabei zeigt sich eine erhebliche interindividuelle Variabilität. Über die<br />
Gesamtpopulation sinkt <strong>der</strong> mittlere Propofolbedarf mit zunehmendem Alter; trotzdem ist eine<br />
individuelle Vorhersage im Einzelfall unmöglich. Dargestellt ist die lineare Korrelation zwischen<br />
Propofolbedarf und Alter sowie zusätzlich das 95%-Konfidenzintervall (modifiziert nach [3]).<br />
Variabilität des Anästhetikabedarfs. Ein typisches Beispiel hierfür zeigt eine Untersuchung<br />
<strong>der</strong> eigenen Arbeitsgruppe an 200 Patienten mit Propofol-Remifentanil-Anästhesie<br />
[3]. Hierbei wurde Remifentanil intraoperativ konstant mit 0,2 µg/kg/min infundiert;<br />
gleichzeitig wurde eine Narcotrend-EEG-Analyse durchgeführt und die Propofolinfusion<br />
so für jeden Patienten individuell angepasst. Wie aus den klinischen<br />
Erfahrungen mit <strong>der</strong> Anwendung von Propofol zu erwarten, zeigte sich auch in dieser<br />
Untersuchung eine erhebliche Streuung des Propofolbedarfs, wobei auch das Patientenalter<br />
im konkreten Einzelfall als Anhaltswert für eine individuelle Dosierung wenig Hilfestellung<br />
bot.<br />
Dies wird in Abbildung <strong>15</strong>.1 dargestellt. Hierbei kann man über die Gesamtpopulation<br />
<strong>der</strong> 200 Patienten durchaus eine generelle Abnahme <strong>der</strong> zugeführten Propofolmenge<br />
mit zunehmendem Alter beobachten, ein individueller Rückschluss auf die notwendige<br />
Propofoldosierung im Einzelfall ist jedoch nicht möglich. Dies wird beson<strong>der</strong>s<br />
deutlich, wenn man sich einzelne Patienten im Alter um 20 Jahre und im Alter um 80
<strong>15</strong> <strong>Überwachung</strong> <strong>der</strong> <strong>Narkosetiefe</strong>: <strong>Warum</strong>? Kapitel <strong>15</strong><br />
Jahre anschaut: Natürlich gibt es 20-Jährige mit einem hohen und 80-Jährige mit einem<br />
niedrigen Propofolbedarf, aber man findet eben auch Patienten, die trotz desselben<br />
Alters viel mehr o<strong>der</strong> viel weniger Propofol benötigen.<br />
Zusammenfassend zeigt sich also hier ein möglicher großer Vorteil <strong>der</strong> verschiedenen<br />
Verfahren zur Messung <strong>der</strong> <strong>Narkosetiefe</strong>, wenn es gelingt, die Anästhetikadosierung<br />
exakt an den individuellen Bedarf anzupassen. Im Idealfall wäre dadurch für jeden<br />
Patienten eine individuell „maßgeschnei<strong>der</strong>te“ Anästhesieführung möglich, die Unterdosierungen<br />
inkl. Awareness verhin<strong>der</strong>t, aber auch Überdosierungen vermeidet und so<br />
Ausleitungs-, Wechsel- und <strong>Überwachung</strong>szeiten optimiert.<br />
Das ideale Monitoring <strong>der</strong> Anästhesietiefe hätte folgende klinische Konsequenzen:<br />
D „individuell titrierte“ Anästhetikadosierung,<br />
D vermin<strong>der</strong>ter Anästhetikaverbrauch,<br />
D hämodynamische Stabilität,<br />
D kurze Aufwach-, Wechsel- und <strong>Überwachung</strong>szeiten,<br />
D Vermeidung intraoperativer Wachheit („Awareness“),<br />
D Kostenersparnis.<br />
Vor dem Hintergrund dieser möglichen Vorteile einer <strong>Überwachung</strong> <strong>der</strong> <strong>Narkosetiefe</strong><br />
wird in den Kapiteln 16–18 dargestellt, welche <strong>der</strong> vermuteten Effekte bisher in wissenschaftlichen<br />
Untersuchungen nachgewiesen werden konnten.<br />
Literatur<br />
[1] Domino K, Posner K, Caplan R, Cheney F. Awareness during anesthesia: closed<br />
claims analysis. Anesthesiology 1999; 90: 1053–1061<br />
[2] Jones J. Hearing and memory in anaesthetised patients. BMJ 1986; 292: 1291–1293<br />
[3] Kreuer S, Schreiber J, Bruhn J, Wilhelm W. Impact of patient age on propofol consumption<br />
during propofol-remifentanil anaesthesia. Eur J Anaesthesiol 2005; 22:<br />
123–128<br />
[4] Liu W, Thorp T, Graham S, Aitkenhead A. Incidence of awareness with recall<br />
during general anaesthesia. Anaesthesia 1991; 46: 435–437<br />
[5] Lyons G, Macdonald R. Awareness during caesarean section. Anaesthesia 1991; 42:<br />
195–198<br />
[6] Pe<strong>der</strong>sen T, Johansen H. Serious morbidity attributable to anaesthesia: consi<strong>der</strong>ation<br />
for prevention. Anaesthesia 1989; 44: 504–508<br />
[7] Ranta S, Laurila R, Saario J, Ali-Melkkila T, Hynynen M. Awareness with recall<br />
during general anesthesia: Incidence and risk factors. Anesth Analg 1998; 86:<br />
1084–1089<br />
[8] Sandin R, Enlund G, Samuelsson P, Lennmarken C. Awareness during anaesthesia:<br />
a prospective case study. Lancet 2000; 355: 707–711<br />
185
186<br />
16 Optimierung <strong>der</strong> Aufwachzeiten<br />
S. Kreuer, W. Wilhelm<br />
16.1 Einleitung<br />
Unter dem Aspekt „Fast-Track-Anästhesie“ interessieren in <strong>der</strong> klinischen Praxis beson<strong>der</strong>s<br />
diejenigen Studien, die den Einfluss einer Messung <strong>der</strong> <strong>Narkosetiefe</strong> auf die Verkürzung<br />
von Aufwachzeiten untersuchten. Dabei ist eine Vermeidung unnötig langer Ausleitungszeiten<br />
unter ökonomischen Gesichtspunkten immer sinnvoll, um OP-Ressourcen<br />
optimal zu nutzen und eine unnötige Personalbindung zu vermeiden. Inzwischen<br />
sind zu diesem Themenkomplex eine Reihe klinischer Untersuchungen durchgeführt<br />
und publiziert worden, wobei im Studiendesign dieser Arbeiten meist folgende Patientengruppen<br />
verglichen wurden: In <strong>der</strong> Standardgruppe wurde die Narkose ausschließlich<br />
nach klinischen Kriterien gesteuert, in <strong>der</strong> „Neuromonitoring-Gruppe“ hingegen<br />
mit Hilfe eines entsprechenden Monitorsystems, wobei ein bestimmter Wertekorridor<br />
vorgegeben war. Anschließend wurden die üblichen Aufwachzeiten, also z.B. die Zeitspanne<br />
vom Stopp <strong>der</strong> Anästhetikazufuhr bis zum Öffnen <strong>der</strong> Augen, bestimmt.<br />
Bei <strong>der</strong> Interpretation <strong>der</strong> inzwischen verfügbaren Studien muss berücksichtigt werden,<br />
dass ganz unterschiedliche Monitorsysteme, z.T. auch mit verschiedenen Softwareversionen,<br />
untersucht wurden, weiterhin unterschiedliche Zielwerte und auch verschiedene<br />
Anästhesiekonzepte.<br />
16.2 BIS-Monitor<br />
Für die neueren Softwareversionen (ab BIS-Version 3.0) wurde eine Zuordnung <strong>der</strong> BIS-<br />
Werte empfohlen (s. Tab. 16.1).<br />
Tab. 16.1: Zuordnung <strong>der</strong> BIS-Werte für neuere Softwareversionen (ab BIS-Version 3.0) [26].<br />
BIS-Werte<br />
Wachheit/Erinnerung intakt 100–85<br />
Sedierung 85–65<br />
Allgemeinanästhesie 60–40<br />
Zunehmend Burst-Suppression-EEG 30–0
16.2 BIS-Monitor Kapitel 16<br />
Für die Dosierung von Anästhetika anhand des BIS-Wertes wird vonseiten des Herstellers<br />
ein intraoperativer BIS-Zielwert zwischen 40 und 60 empfohlen. In einigen Untersuchungen<br />
wurde zusätzlich gegen OP-Ende eine „flachere Narkose“ angesteuert, z.B. in<br />
einen BIS-Bereich von 60–70.<br />
16.2.1 Studiendaten<br />
In den vorliegenden Untersuchungen zeigte sich – abhängig von den o.g. Einflussfaktoren<br />
– eine Verkürzung <strong>der</strong> Aufwachzeiten, z.B. bis zum Augenöffnen, von 10–67% und<br />
eine Reduktion <strong>der</strong> Extubationszeit von 11–61%. Die wichtigsten Untersuchungen sind<br />
in Tabelle 16.2 zusammengefasst.<br />
Tab. 16.2: Klinische Untersuchungen, bei denen eine Standardgruppe mit Steuerung <strong>der</strong><br />
Narkose nach klinischen Kriterien mit einer Neuromonitoring-Gruppe mit Steuerung<br />
anhand bestimmter BIS-Zielwerte verglichen wurde.<br />
BIS Zielwert Reduktion in % bis<br />
Literatur Anästhesiekonzept intraoperativ<br />
während<br />
<strong>der</strong> letzten<br />
<strong>15</strong> min<br />
Augen<br />
öffnen<br />
Extubation<br />
Orientierung<br />
Gan [7] Propofol-Alfentanil-N2O 45–60 60–75 –34,3 –35,2 –13,4<br />
Anez [1] Propofol-Alfentanil 40–60 60 –46,7 –32,6<br />
Yli-Hankala [27] Propofol-Fentanyl-N2O 50–60 –67,1 –60,7 –29<br />
Kreuer [12] Propofol–Remfentanil 50 60 –62,4 –57,7 –29,4<br />
Song [17] Sevoflurane-Fentanyl-N2O 60 –34,2 –28,6 –38,4<br />
Yli-Hankala [27] Sevofluran-Fentanyl-N2O 50–60 –48,4 –25 –40<br />
Bannister [3] Sevofluran-N2O-Kaudalanästhesie<br />
45–60 60–70 –40 –37,2 –25<br />
Basar [4] Sevofluran 40–60 –3,4 –4,7<br />
Paventi [<strong>15</strong>] Sevofluran-Remifentanil –40<br />
Wrobel [25] Sevofluran-Remifentanil 50 60 –9,8 –17,1<br />
Bruhn [5] Desfluran-Remifentanil 50 <strong>15</strong> +5,3 +4,8 +4,1<br />
Song [19] Desfluran-Fentanyl-N2O 60 –63,3 –44,6 –30,8<br />
Kreuer [11] Desfluran-Remifentanil 50 60 –10,6 –12,0 –12,4<br />
White [22] Desfluran-Fentanyl-N2O 50–60 –22,2 –33,3 –30<br />
Wong [26] Isofluran-Fentanyl-N2O 50–60 60–70 –18,4 –27,3<br />
Guignard [8] Isofluran-Sufentanil-N2O 40–60 60–70 –9,6 –10,7 –25<br />
187
188 16 Optimierung <strong>der</strong> Aufwachzeiten<br />
Propofol<br />
Gan und Mitarbeiter [7] untersuchten im Rahmen einer prospektiven randomisierten<br />
Multicenterstudie insgesamt 302 Patienten, die eine Propofol-Alfentanil-N2O-Anästhesie<br />
erhielten. Dabei konnten die Patienten in <strong>der</strong> BIS-Gruppe signifikant schneller extubiert<br />
werden, im Mittel nach 7,3 min statt nach 11,2 min, und waren auch rascher in<br />
den Aufwachraum verlegungsfähig (s. Abb. 16.1).<br />
Abb. 16.1: Wahrscheinlichkeit (in %) für das Öffnen <strong>der</strong> Augen nach Beendigung <strong>der</strong><br />
Anästhetikazufuhr bei einer Propofol-Alfentanil-N2O-Anästhesie (modifiziert nach [7]).<br />
Anez und Mitarbeiter [1] untersuchten 40 Patienten während Propofol-Alfentanil-Anästhesie,<br />
allerdings ohne Lachgas. Hierbei zeigte sich eine noch deutlichere Reduktion <strong>der</strong><br />
Aufwachzeiten im Vergleich zur o.g. Untersuchung von Gan et al [7]. Yli-Hankala und<br />
Mitarbeiter [27] wie<strong>der</strong>um untersuchten 20 Patienten, die eine Propofol-N2O-Anästhesie<br />
mit zusätzlichen Fentanyl-Boli erhielten. Die Patienten mit BIS-<strong>Überwachung</strong> öffneten<br />
im Mittel nach 3 min die Augen und konnten auch sofort extubiert werden, die<br />
Patienten <strong>der</strong> Standardgruppe konnten im Durchschnitt erst nach 7 min extubiert werden<br />
und öffneten nach 9 min die Augen.<br />
Die kürzesten Aufwachzeiten nach Propofol-TIVA wurden in einer prospektiven,<br />
randomisierten und doppelblinden Untersuchung bei Kombination mit Remifentanil<br />
gefunden [12]. Die Patienten <strong>der</strong> BIS-Gruppe öffneten im Mittel nach 3–4 min spontan<br />
die Augen; dies stellt eine mehr als 60%ige Reduktion <strong>der</strong> Aufwachzeiten im Vergleich<br />
zu den Patienten mit rein klinischer Anästhesiesteuerung (rund 9–10 min) dar. Darüber<br />
hinaus konnte gezeigt werden, dass auch die Planbarkeit des OP-Ablaufs verbessert wer-
16.2 BIS-Monitor Kapitel 16<br />
Abb. 16.2: Wahrscheinlichkeit (in %) für das Öffnen <strong>der</strong> Augen nach Beendigung <strong>der</strong> Anästhetikazufuhr<br />
bei einer Propofol-Remifentanil-Anästhesie (modifiziert nach [12]).<br />
den konnte: So waren in <strong>der</strong> BIS-Gruppe 90% <strong>der</strong> Patienten nach ca. 7 min extubiert, in<br />
<strong>der</strong> Standardgruppe hingegen erst nach ca. 17 min (s. Abb. 16.2).<br />
Für Propofol gilt: Durch den Einsatz von BIS-Monitoring können die Aufwachzeiten<br />
in Abhängigkeit vom verwendeten Opioid um bis zu 67% reduziert werden.<br />
Sevofluran<br />
Die Aufwachzeiten nach Sevofluran-Fentanyl-N2O-Anästhesie wurden von 2 Arbeitsgruppen<br />
untersucht. Song und Mitarbeiter [19] fanden eine Extubationszeit von 6 min<br />
in <strong>der</strong> BIS-Gruppe und von 8 min in <strong>der</strong> Kontrollgruppe. Bei Yli-Hanakala et al. [27]<br />
wurden generell kürzere Extubationszeiten beobachtet: 3 min mit BIS und 4 min in <strong>der</strong><br />
Kontrollgruppe.<br />
Bannister et al. [2] untersuchten den Einfluss von BIS-Monitoring auf die Aufwachzeiten<br />
nach Sevofluran-N2O-Anästhesie bei Kin<strong>der</strong>n in verschiedenen Altersgruppen.<br />
Hierbei zeigte sich eine signifikante Reduktion <strong>der</strong> Aufwachzeiten in <strong>der</strong> Altersgruppe<br />
zwischen 3 und 18 Jahren, diese Kin<strong>der</strong> konnten in <strong>der</strong> BIS-Gruppe nach 7 min extubiert<br />
werden, in <strong>der</strong> Kontrollgruppe erst nach 11 min. In <strong>der</strong> Altersgruppe zwischen 0<br />
189
190 16 Optimierung <strong>der</strong> Aufwachzeiten<br />
und 6 Monaten war eine Verkürzung <strong>der</strong> Extubationszeit um 4 min möglich. Basar et al.<br />
[4] untersuchten Sevofluran-Monoanästhesien und fanden nur eine geringe Verkürzung<br />
<strong>der</strong> Aufwachzeiten. Wrobel et al. [25] untersuchten Sevofluran in <strong>der</strong> Kombination mit<br />
Remifentanil und fanden eine Extubationszeit von 6 min in <strong>der</strong> BIS-Gruppe und von 7<br />
min in <strong>der</strong> Kontrollgruppe. Paventi und Mitarbeiter [<strong>15</strong>] untersuchten ebenfalls Sevofluran-Remifentanil-Anästhesien,<br />
allerdings bei Patienten mit einem Body mass index<br />
über 30 kg/m 2; hierbei zeigte sich in <strong>der</strong> BIS-Gruppe eine Vermin<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Zeit bis zur<br />
vollständigen Orientiertheit <strong>der</strong> Patienten um 40%. Fasst man die bei Sevofluran-Anästhesie<br />
erhobenen Ergebnisse zusammen, so ist die durch BIS-Monitoring zu erzielende<br />
Reduktion <strong>der</strong> Aufwachzeiten offensichtlich etwas geringer als bei Anwendung von Propofol.<br />
In bestimmten Subgruppen, z.B. bei erheblicher Adipositas, ist <strong>der</strong> Nutzen <strong>der</strong><br />
BIS-<strong>Überwachung</strong> ausgeprägter, vermutlich aufgrund einer insgesamt geringeren Sevofluranzufuhr,<br />
die bei längeren Operationen dann auch zu einer geringeren Einwaschung<br />
in die tiefen Kompartimente, insbeson<strong>der</strong>e in das Fettgewebe, führt.<br />
Bei Sevofluran-basierter Anästhesie ist eine Verkürzung <strong>der</strong> Aufwachzeiten nicht in<br />
allen Fällen möglich, in bestimmten Patientengruppen, z.B. bei erheblicher Adipositas,<br />
jedoch bis zu 50%.<br />
Desfluran<br />
Im Gegensatz zu Propofol ist die Datenlage bei Desfluran-Anästhesien noch uneinheitlicher.<br />
In ihrer Untersuchung an Patientinnen, die sich einer laparoskopischen Tubenligatur<br />
unterzogen, konnten Song und Mitarbeiter [19] zeigen, dass die Aufwachzeiten<br />
nach Desfluran-Fentanyl-N2O-Anästhesie durch den Einsatz <strong>der</strong> BIS-Analyse reduziert<br />
werden konnten; z.B. betrug die Extubationszeit im Mittel 4 statt 7 min. Trotzdem ergab<br />
sich kein Unterschied bezüglich <strong>der</strong> Verweildauer im Aufwachraum bzw. des Zeitpunkts<br />
<strong>der</strong> Entlassungsfähigkeit. Im Gegensatz dazu konnten White und Mitarbeiter [22] bei<br />
Desfluran-Fentanyl-N2O-Anästhesie sowohl eine Verkürzung <strong>der</strong> Aufwachzeiten als<br />
auch einen kürzeren Aufenthalt in Aufwachraum in <strong>der</strong> BIS-kontrollierten Gruppe zeigen.<br />
In einer an<strong>der</strong>en Studie bei Desfluran-Remifentanil-Anästhesie konnte kein Unterschied<br />
<strong>der</strong> Aufwachzeiten festgestellt werden [11] (s. Abb. 16.3). Dieses Ergebnis wurde<br />
in einer multizentrischen Studie an 200 Patienten bestätigt [5]. Diese unterschiedlichen<br />
Ergebnisse lassen sich folgen<strong>der</strong>maßen erklären: Die Kombination des kurz wirksamen<br />
Anästhetikums Desfluran mit dem kurz wirksamen Opioid Remifentanil führt auch in<br />
<strong>der</strong> Standardgruppe zu so kurzen Aufwachzeiten, dass eine weitere Verkürzung durch<br />
die <strong>Überwachung</strong> <strong>der</strong> Anästhesietiefe kaum mehr möglich ist.<br />
Für Desfluran gilt: Der Nutzen des BIS-Monitorings hängt offensichtlich stark vom<br />
verwendeten Anästhesiekonzept ab – bei Remifentanil-basierter Anästhesie ist eine<br />
weitere Reduktion <strong>der</strong> Aufwachzeiten nicht mehr möglich.
16.2 BIS-Monitor Kapitel 16<br />
Abb. 16.3: Wahrscheinlichkeit (in %) für das Öffnen <strong>der</strong> Augen nach Beendigung <strong>der</strong> Anästhetikazufuhr<br />
bei einer Desfluran-Remifentanil-Anästhesie (modifiziert nach [11]).<br />
Isofluran<br />
Die Möglichkeiten zur Optimierung <strong>der</strong> Anästhesiesteuerung bei Narkosen mit Isofluran<br />
wurden von 2 Arbeitsgruppen untersucht. Wong et al. [26] untersuchten die Kombination<br />
mit Fentanyl und N2O, Guignard et al. [8] verwendeten die Kombination mit<br />
Sufentanil und N2O. Bei gleichen BIS-Zielwerten zeigte sich eine Verkürzung <strong>der</strong> Aufwachzeiten,<br />
die zwischen 10% und 27% betrug.<br />
BIS-Monitoring führt bei Isofluran-Anästhesie zu einer Verkürzung <strong>der</strong> Aufwachzeiten<br />
zwischen 10% und 27%.<br />
Pavlin und Mitarbeiter [16] untersuchten die Verweildauer im Aufwachraum bei 1.580<br />
Patienten bei Sevofluran- und Isofluran-Anästhesien mit und ohne N2O und konnten<br />
hierbei keinen Einfluss des BIS-Monitorings im Vergleich zu einer nach klinischen Kriterien<br />
gesteuerten Anästhesie zeigen. In einer Meta-Analyse von 11 Studien mit verschiedenen<br />
Anästhesiekonzepten bei insgesamt 1.380 Patienten stellt Liu [13] hingegen<br />
fest, dass durch den Einsatz des BIS-Monitors die Aufwachzeiten und die Verweildauer<br />
im Aufwachraum reduziert werden können, <strong>der</strong> Anästhetikaverbrauch geringer ist und<br />
das Risiko für Übelkeit und Erbrechen sinkt.<br />
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