Brief an Bischof Tebartz von Elst - Kinderhilfe-kazan.de
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1<br />
„Run<strong>de</strong>r Tisch“ zur Gründau‐Rothenbergen, <strong>de</strong>n 25.3.2008<br />
Unterstützung <strong>von</strong><br />
Saliha Kaz<strong>an</strong> und ihren Kin<strong>de</strong>rn<br />
c.o. H<strong>an</strong>na und Herm<strong>an</strong>n Tilp<br />
Friedrichstraße 3<br />
63584 Gründau ‐Rothenbergen<br />
An <strong>de</strong>n <strong>Bischof</strong> <strong>von</strong> Limburg<br />
Herrn Fr<strong>an</strong>z‐Peter <strong>Tebartz</strong>‐v<strong>an</strong> <strong>Elst</strong><br />
Roßmarkt 4<br />
65549 Limburg<br />
Sehr geehrter Herr <strong>Bischof</strong>,<br />
wir möchten Ihre Aufmerksamkeit auf einen Fall <strong>von</strong> menschlichem Leid richten, <strong>de</strong>n wir<br />
seit über einem Jahr begleiten und <strong>von</strong> <strong>de</strong>m wir hoffen, dass er bald ein glückliches En<strong>de</strong><br />
fin<strong>de</strong>t. Ihre Unterstützung könnte nicht wenig dazu beitragen, dass dieses Ziel erreicht wird.<br />
Am 13. Februar 2007 wur<strong>de</strong> aus Rothenbergen die kurdische Familie Kaz<strong>an</strong> in die Türkei<br />
abgeschoben. Dies kam für uns sehr überraschend, da sie noch am Vortage die Verlängerung<br />
ihrer Duldung erhalten hatte. Die Abschiebung erfolgte „nach Aktenlage“, weil <strong>de</strong>r Vater<br />
1999 Bedienstete <strong>de</strong>r Sozialbehör<strong>de</strong> in einer Meinungsverschie<strong>de</strong>nheit tätlich <strong>an</strong>gegriffen<br />
und beleidigt hatte. Hinzu kamen Verstöße gegen die Resi<strong>de</strong>nzpflicht und kleinere<br />
Eigentums<strong>de</strong>likte. Zusammen addierte sich dies zu einer Summe <strong>von</strong> Tagessätzen, die<br />
ausreichte um ihn abzuschieben. Leidtragen<strong>de</strong> waren aber auch seine Frau und seine Kin<strong>de</strong>r,<br />
<strong>de</strong>nn nach <strong>de</strong>n damals gültigen Prinzipien wur<strong>de</strong>n Familien als Einheit betrachtet.<br />
Die Familie Kaz<strong>an</strong> hatte 14 Jahre in Deutschl<strong>an</strong>d gelebt. Fünf ihrer sechs Kin<strong>de</strong>r sind hier<br />
geboren. Sie sind aufgewachsen wie <strong>de</strong>utsche Kin<strong>de</strong>r. Sie sprechen perfekt <strong>de</strong>utsch. Zu<br />
Hause sprachen sie kurdisch. Türkisch verstehen sie nicht.<br />
Der „Run<strong>de</strong> Tisch“ bil<strong>de</strong>te sich spont<strong>an</strong> unmittelbar nach Bek<strong>an</strong>ntwer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r<br />
Abschiebung. Die Lehrer <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r, dazu viele Eltern <strong>de</strong>r Rothenberger Schule, <strong>de</strong>ren Kin<strong>de</strong>r<br />
mit <strong>de</strong>n Kaz<strong>an</strong>‐Kin<strong>de</strong>rn befreun<strong>de</strong>t waren, schlossen sich zusammen um gemeinsam die<br />
getroffene Maßnahme rückgängig zu machen und <strong>de</strong>n Abgeschobenen zu helfen.<br />
Unterstützung f<strong>an</strong><strong>de</strong>n sie bei <strong>de</strong>r zuständigen ev<strong>an</strong>gelischen Ortspfarrerin und bei vielen<br />
Bürgerinnen und Bürgern, die die Abschiebung für verfehlt und inhum<strong>an</strong> hielten.<br />
Das Engagement dieser Personen, das bis heute unvermin<strong>de</strong>rt <strong>an</strong>hält, liegt in <strong>de</strong>m Ansehen<br />
begrün<strong>de</strong>t, das sich Frau Kaz<strong>an</strong> und ihre Kin<strong>de</strong>r erworben haben. Im Gegensatz zu <strong>de</strong>m<br />
Vater, bei <strong>de</strong>m die Eigenschaften eines orientalischen „Machos“ immer wie<strong>de</strong>r sichtbar<br />
wur<strong>de</strong>n, was sich auch in <strong>de</strong>r Beh<strong>an</strong>dlung <strong>de</strong>r eigenen Ehefrau zeigte, entwickelte Frau<br />
Kaz<strong>an</strong> einen erstaunlichen Lernprozess. Verst<strong>an</strong>d sie sich <strong>an</strong>fänglich in <strong>de</strong>r Öffentlichkeit<br />
eher als Anhängsel ihres M<strong>an</strong>nes, so übernahm sie beson<strong>de</strong>rs in <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>rerziehung mehr<br />
und mehr die Grundprinzipien unserer europäischen Gesellschaft. Sie nahm die Hilfen und
Kontaktmöglichkeiten <strong>an</strong>, die sich ihr beson<strong>de</strong>rs über die Schule boten. Dabei traf sie auf die<br />
Akzept<strong>an</strong>z vieler <strong>de</strong>utscher Eltern. Beson<strong>de</strong>rs einige Mütter <strong>de</strong>r Mitschüler ihrer Kin<strong>de</strong>r<br />
hielten auch außerhalb <strong>de</strong>s Schullebens Kontakt zu ihr und integrierten sie in gemeinsame<br />
Aktivitäten. Frau Kaz<strong>an</strong> legte beson<strong>de</strong>rs auf das schulische Fortkommen ihrer vier Töchter<br />
großen Wert und vermittelte ihnen, dass schulische Erfolge eine wichtige Ausg<strong>an</strong>gsbasis für<br />
ein selbstbestimmtes Erwachsenenleben sind. Bei <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn führte das dazu, dass sie die<br />
Schule ernst nahmen und zielstrebig arbeiteten. Die bei <strong>de</strong>utschen Gleichaltrigen weit<br />
verbreitete „Null Bock“ Einstellung war ihnen fremd. Hinzu kam bei ihnen allen ein<br />
ausgezeichnetes Sozialverhalten, was sich sowohl im Umg<strong>an</strong>g mit <strong>de</strong>n Lehrern als auch mit<br />
<strong>de</strong>n Mitschülern und –schülerinnen äußerte. Sie hatten einen großen Freun<strong>de</strong>skreis, <strong>de</strong>r bis<br />
heute mit ihnen korrespondiert. Gera<strong>de</strong> diese <strong>de</strong>utschen Kin<strong>de</strong>r konnten nicht verstehen,<br />
dass eines Morgens um vier die Polizei vorfuhr, ihre Freun<strong>de</strong> und <strong>de</strong>ren Eltern nach<br />
Düsseldorf tr<strong>an</strong>sportierte, wo sie sogleich in ein Flugzeug in die Türkei gesetzt wur<strong>de</strong>n.<br />
Nachmittags um drei saßen sie d<strong>an</strong>n in einem Ist<strong>an</strong>buler Gefängnis.<br />
Da die Familie völlig mittellos war, reiste sie zum Cl<strong>an</strong> <strong>de</strong>s Ehem<strong>an</strong>ns in die Provinz Sirnak<br />
im äußersten Südosten <strong>de</strong>r Türkei. Sie kamen in ein Gebiet, in <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r militärische<br />
Ausnahmezust<strong>an</strong>d herrscht. Die türkische Armee operiert dort gegen kurdische Kämpfer, die<br />
sich im Grenzgebiet zum Irak aufhalten. Dies war eine Gefährdung, die zu <strong>de</strong>n dort<br />
herrschen<strong>de</strong>n allgemeinen Lebensbedingungen erschwerend hinzukam. In dieser Gegend<br />
m<strong>an</strong>gelt es <strong>an</strong> <strong>de</strong>n einfachsten zivilisatorischen Einrichtungen, es gibt keine Wasserleitung,<br />
keine Straßen, keine Schulen, keine medizinische Versorgung und keine s<strong>an</strong>itären<br />
Einrichtungen. Beson<strong>de</strong>rs bedrückend wur<strong>de</strong>n aber die Sippentraditionen empfun<strong>de</strong>n, die<br />
dort herrschen. Die bei<strong>de</strong>n älteren Mädchen, Gülist<strong>an</strong> 14 und Beriv<strong>an</strong> 13, wur<strong>de</strong>n sogleich<br />
als Heiratsk<strong>an</strong>didatinnen <strong>an</strong>gesehen. Die Großmutter, die das Regiment über die Frauen <strong>de</strong>r<br />
Großfamilie hat, unterb<strong>an</strong>d rigi<strong>de</strong> alle Ansätze <strong>de</strong>r Mädchen, Bücher zu lesen o<strong>de</strong>r sich mit<br />
Lernmaterial zu beschäftigen, das ihnen <strong>de</strong>r Helferkreis hatte zukommen lassen. Außerhalb<br />
<strong>de</strong>s Hauses mussten sie sich verhüllen. Eine solche Beh<strong>an</strong>dlung ist auch für Mädchen, die<br />
dort aufwachsen, entwürdigend, aber sie kennen kein <strong>an</strong><strong>de</strong>res Leben. Auf „<strong>de</strong>utsche“<br />
Mädchen wirkt ein solcher Bruch <strong>de</strong>s gesamten Alltags schwer traumatisierend.<br />
Dass die Abschiebung eine Fehlentscheidung war, zeigt sich auch <strong>an</strong> <strong>de</strong>r Situation <strong>de</strong>s<br />
jüngsten Kin<strong>de</strong>s, <strong>de</strong>s fünfjährigen Ömer. Er wur<strong>de</strong> mit einem mehrfachen Herzfehler<br />
geboren. Im Kin<strong>de</strong>rherzzentrum Gießen wur<strong>de</strong> er <strong>de</strong>swegen schon zweimal operiert. Im<br />
März o<strong>de</strong>r April sollte eine dritte Operation erfolgen. In Sirnak gab es keine Möglichkeiten<br />
einer fachgerechten Beh<strong>an</strong>dlung. Da er <strong>an</strong> einer Infektion erkr<strong>an</strong>kte, schwebte er in akuter<br />
Lebensgefahr. Nach Beratung durch das Herzzentrum in Gießen besorgte <strong>de</strong>r Helferkreis<br />
Medikamente, die dort <strong>von</strong> einem Tierarzt verabreicht wur<strong>de</strong>n, da es keinen<br />
Hum<strong>an</strong>mediziner in erreichbarer Entfernung gab.<br />
Alle diese Dinge konnten wir am 23.3. 2007<strong>de</strong>m Hessischen Innenminister vortragen. Er<br />
zeigte Verständnis für die Härte <strong>de</strong>s Falles und lobte uns für unseren Einsatz, lehnte aber aus<br />
prinzipiellen Grün<strong>de</strong>n die Wie<strong>de</strong>reinreise ab, da die Abschiebung nach Recht und Gesetz<br />
erfolgt sei.<br />
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Als wir uns mit dieser Auskunft nicht zufrie<strong>de</strong>n zeigten und fragten, ob es keinen Weg gäbe,<br />
dass wenigstens Mutter und Kin<strong>de</strong>r einreisen könnten, die ohne eigene Schuld ausgewiesen<br />
wor<strong>de</strong>n seien, n<strong>an</strong>nte er uns in allgemeiner Form vier Bedingungen, die erfüllt wer<strong>de</strong>n<br />
müssten:<br />
1. Die Abschiebekosten <strong>von</strong> etwa 19000 Euro müssten erstattet wer<strong>de</strong>n.<br />
2. Es müsse rechtlich verbindlich sichergestellt sein, dass die Rückkehrer in keiner Weise<br />
<strong>de</strong>r öffentlichen H<strong>an</strong>d zur Last fallen wür<strong>de</strong>n.<br />
3. Frau Kaz<strong>an</strong> müsste sich <strong>von</strong> ihrem M<strong>an</strong>n trennen.<br />
4. Der L<strong>an</strong>drat müsste aus hum<strong>an</strong>itären Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Rückkehr zustimmen.<br />
Inzwischen wur<strong>de</strong>n die bei<strong>de</strong>n ersten For<strong>de</strong>rungen vom Helferkreis erfüllt. Frau Kaz<strong>an</strong> hat<br />
sich <strong>von</strong> ihrem M<strong>an</strong>n getrennt. Den L<strong>an</strong>drat <strong>de</strong>s Main‐Kinzig‐Kreises konnten wir da<strong>von</strong><br />
überzeugen, dass hier ein ungeheurer Härtefall vorliegt, <strong>de</strong>r seine Zustimmung zu einer<br />
Wie<strong>de</strong>reinreise zwingend notwendig macht. Er zeigte menschliche Größe und unterstützt<br />
uns seither. Er fühlte sich auch <strong>de</strong>swegen in seinem hum<strong>an</strong>itären Kurs bestärkt, als er vom<br />
Regierungspräsi<strong>de</strong>nten ein Schreiben bekam, das m<strong>an</strong> nicht <strong>an</strong><strong>de</strong>rs interpretieren konnte,<br />
als dass es in seinem, <strong>de</strong>s L<strong>an</strong>drats, Ermessen stün<strong>de</strong>, bei Erfüllung <strong>de</strong>r gen<strong>an</strong>nten<br />
Bedingungen die Wie<strong>de</strong>reinreise herbeizuführen. Als aber dieser Schritt Anf<strong>an</strong>g Juli get<strong>an</strong><br />
wer<strong>de</strong>n sollte, legte <strong>de</strong>r Hessische Innenminister sein Veto ein. Alle Bemühungen, ihn <strong>von</strong><br />
dieser rigi<strong>de</strong>n Haltung abzubringen, waren bisher vergebens<br />
In <strong>de</strong>r Türkei ist für Frau Kaz<strong>an</strong> und ihre Kin<strong>de</strong>r inzwischen ein <strong>de</strong>solater Zust<strong>an</strong>d<br />
entst<strong>an</strong><strong>de</strong>n. Auf eine Initiative unseres L<strong>an</strong>drats wur<strong>de</strong> für <strong>de</strong>n kleinen Ömer eine<br />
Untersuchung in einer Fachklinik in Ist<strong>an</strong>bul <strong>an</strong>beraumt. Frau Kaz<strong>an</strong> nutzte diesen Anlass, um<br />
mit ihren Kin<strong>de</strong>rn ihren M<strong>an</strong>n zu verlassen. Wahrscheinlich fiel ihr dies emotional nicht<br />
beson<strong>de</strong>rs schwer, <strong>de</strong>nn er hatte sie auch in Deutschl<strong>an</strong>d schon nicht gut beh<strong>an</strong><strong>de</strong>lt. Zwei<br />
Mitglie<strong>de</strong>r unseres Helferkreises und ein Vertreter <strong>de</strong>s L<strong>an</strong>dkreises flogen nach Ist<strong>an</strong>bul, um<br />
diese Untersuchungen zu begleiten und sich ein unmittelbares Bild <strong>von</strong> <strong>de</strong>r Situation zu<br />
machen. Sie brachten Frau Kaz<strong>an</strong> und die Kin<strong>de</strong>r in einer Ferienwohnung mit zwei kleinen<br />
Räumen unter. Dort leben sie seither völlig isoliert. Die Vereinsamung wird dadurch<br />
verstärkt, dass Frau Kaz<strong>an</strong> und die Kin<strong>de</strong>r kein Türkisch können. Die Miete und ihren<br />
Lebensunterhalt bezahlen wir, <strong>de</strong>r Helferkreis. Was ursprünglich als eine Überg<strong>an</strong>gslösung<br />
gedacht war, weil sowohl wir als auch <strong>de</strong>r Herr L<strong>an</strong>drat damals meinten, die Wie<strong>de</strong>reinreise<br />
stün<strong>de</strong> unmittelbar bevor, entwickelte sich zu einem Dauerzust<strong>an</strong>d, <strong>de</strong>r allmählich <strong>de</strong>n<br />
Helferkreis fin<strong>an</strong>ziell überlastet. Wir bemühen uns seit Juli über Kontaktpersonen vor Ort für<br />
die Kaz<strong>an</strong>s eine etwas größere und preiswertere Wohnung zu fin<strong>de</strong>n. Bisher war das trotz<br />
intensiver Anstrengungen nicht möglich. Sie sitzen in <strong>de</strong>n zwei kleinen aber teuren Räumen<br />
fest. Welcher türkische Hausbesitzer vermietet einer alleinstehen<strong>de</strong>n kurdischen Frau mit<br />
sechs Kin<strong>de</strong>rn eine Wohnung?<br />
Inzwischen hat sich die Lage für Frau Kaz<strong>an</strong> noch verschärft und es ist eine neue<br />
Gefährdung entst<strong>an</strong><strong>de</strong>n. Der verlassene Ehem<strong>an</strong>n hat sich nach L<strong>an</strong><strong>de</strong>sbrauch eine neue<br />
Frau genommen, ein junges Mädchen aus seinem Heimatdorf. Wie uns zuverlässige<br />
Personen mitteilten, die schon l<strong>an</strong>ge in <strong>de</strong>r Türkei leben, ist es in <strong>de</strong>r Heimatregion <strong>de</strong>r<br />
Kaz<strong>an</strong>s Sitte, dass m<strong>an</strong> für eine Braut, <strong>de</strong>ren Arbeitskraft m<strong>an</strong> ja <strong>de</strong>r Familie entzieht, eine<br />
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Kompensation geben muss. Das ist entwe<strong>de</strong>r ein Brautgeld, das Herr Kaz<strong>an</strong> nicht hat, o<strong>de</strong>r<br />
eine Frau aus <strong>de</strong>r eigenen Familie, in <strong>de</strong>r Regel eine unverheiratete Schwester. Um sich <strong>de</strong>m<br />
Druck zu entziehen, <strong>de</strong>n die Sippe seiner neuen Frau auf ihn ausübt, hat Herr Kaz<strong>an</strong> eine<br />
seiner Töchter <strong>an</strong>geboten, die 13‐jährige Beriv<strong>an</strong>, die nach L<strong>an</strong><strong>de</strong>sgepflogenheit als<br />
heiratsfähig gilt. Die Brü<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r neuen Frau Kaz<strong>an</strong> haben auch schon Telefonkontakt zu Frau<br />
Kaz<strong>an</strong> hergestellt, um mit ihr die Übergabe <strong>de</strong>s Mädchens zu vereinbaren. Zum Glück kennen<br />
sie ihre Adresse noch nicht. Aber Frau Kaz<strong>an</strong> lebt seither in großen Ängsten ent<strong>de</strong>ckt zu<br />
wer<strong>de</strong>n, was ihre Isolation noch steigert.<br />
Die Kin<strong>de</strong>r sind seit Februar 2007 nicht mehr zur Schule geg<strong>an</strong>gen. Es waren gute,<br />
lerneifrige Kin<strong>de</strong>r. In eine türkische Schule können sie nicht gehen, da sie die Sprache nicht<br />
können, und die <strong>de</strong>utschen Schulen <strong>de</strong>r Stadt sind ihnen verwehrt, weil sie türkische<br />
Staatsbürger sind.<br />
Sieben liebenswürdige und tüchtige Menschen sind völlig gestr<strong>an</strong><strong>de</strong>t. Wir wollen und<br />
müssen ihnen helfen. Der Hessische Innenminister könnte ihnen wie<strong>de</strong>r ein Leben in<br />
Sicherheit und Wür<strong>de</strong> ermöglichen.<br />
Inzwischen sind vor <strong>de</strong>m Verwaltungsgericht Fr<strong>an</strong>kfurt zwei Entscheidungen zugunsten <strong>von</strong><br />
Frau Kaz<strong>an</strong> und ihren Kin<strong>de</strong>rn gefallen.<br />
1. Am 7.2.08 wur<strong>de</strong> in einem Vergleich mit <strong>de</strong>m Main‐Kinzig‐Kreis (Auslän<strong>de</strong>rbehör<strong>de</strong>) die<br />
Abschiebungsdauer auf <strong>de</strong>n 13.2.08 befristet; d.h. das absolute Einreiseverbot, das mit einer<br />
Abschiebung verbun<strong>de</strong>n ist, wur<strong>de</strong> aufgehoben. Frau Kaz<strong>an</strong> und ihre Kin<strong>de</strong>r könnten als<br />
Besucher für 90 Tage einreisen. Allerdings ist die Erteilung eines entsprechen<strong>de</strong>n Visums <strong>an</strong><br />
Bedingungen geknüpft, die zur Zeit nicht zu erfüllen sind, z.B. müsste Frau Kaz<strong>an</strong> <strong>de</strong>n<br />
Nachweis <strong>von</strong> Besitz in <strong>de</strong>r Türkei führen.<br />
2. Am 10.3.08 hat das Verwaltungsgericht Fr<strong>an</strong>kfurt <strong>de</strong>n Main‐Kinzig‐Kreis zur Erteilung<br />
einer Aufenthaltsgenehmigung für Frau Kaz<strong>an</strong> und die Kin<strong>de</strong>r verpflichtet. Der Urteilsspruch<br />
basiert auf Artikel 8 <strong>de</strong>r Europäischen Menschenrechtskonvention. Sobald dieses Urteil<br />
Rechtskraft erl<strong>an</strong>gt , ist für Frau Kaz<strong>an</strong> und die Kin<strong>de</strong>r die Verb<strong>an</strong>nung in die Türkei<br />
aufgehoben. Diesem glücklichen En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Lei<strong>de</strong>ns droht aber Gefahr. Das VG Fr<strong>an</strong>kfurt hat<br />
„wegen <strong>de</strong>r grundsätzlichen Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Rechtssache Berufung zugelassen“, und <strong>de</strong>r<br />
Hessische Innenminister hat bereits <strong>an</strong>gekündigt, dass er wahrscheinlich die Revision<br />
<strong>an</strong>streben wird, sobald die schriftliche Urteilsbegründung vorliegt.<br />
Ob <strong>de</strong>r hessische Verwaltungsgerichtshof d<strong>an</strong>n das Urteil bestätigen o<strong>de</strong>r aufheben wird, ist<br />
offen. Entschei<strong>de</strong>t er sich gegen die Wie<strong>de</strong>reinreise <strong>von</strong> Frau Kaz<strong>an</strong> und <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn, wäre<br />
das eine Katastrophe . Der Stein <strong>de</strong>s Sisyphos wür<strong>de</strong> wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Abh<strong>an</strong>g hinunterrollen.<br />
Aber selbst wenn das Urteil positiv wäre, wür<strong>de</strong> bis dahin wie<strong>de</strong>r kostbare Zeit verstreichen.<br />
Die Verb<strong>an</strong>nung <strong>von</strong> Frau Kaz<strong>an</strong> und <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn wür<strong>de</strong> sich mit unabsehbarem En<strong>de</strong> in die<br />
Länge ziehen. Wir meinen, das muss nicht sein. So weit darf die Staatsraison nicht gehen.<br />
Welchen Stellenwert hat <strong>an</strong>gesichts <strong>de</strong>r <strong>von</strong> ihm gezeigten Einstellung eigentlich das C im<br />
Namen <strong>de</strong>r Partei, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Herr Innenminister <strong>an</strong>gehört?<br />
Wir sind d<strong>an</strong>kbar, in einem Teil <strong>de</strong>r Welt zu leben, wo sich materielle Not und<br />
Entwürdigung in Grenzen halten und wo Schutz vor willkürlicher Bedrohung <strong>von</strong> Leben und<br />
Gesundheit geboten wird.<br />
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5<br />
Wir wissen, dass auf <strong>de</strong>r Welt massenweise Menschen in größerer Not und Gefahr leben als<br />
Frau Kaz<strong>an</strong> und ihre Kin<strong>de</strong>r. Aber diese sieben Personen waren unsere Nächsten und sie<br />
bleiben es. Es k<strong>an</strong>n nicht sein, dass sie ins Ver<strong>de</strong>rben geraten, nur weil ein Mensch, <strong>de</strong>r <strong>an</strong><br />
einer Schaltstelle <strong>de</strong>r Macht sitzt, aus prinzipiellen Grün<strong>de</strong>n und weil er keinen Präze<strong>de</strong>nzfall<br />
zulassen will , sich einer elementaren hum<strong>an</strong>itären Lösung verschließt. Er wür<strong>de</strong> damit nicht<br />
einen Steuergroschen gefähr<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r Helferkreis hat sich notariell verpflichtet, für alle<br />
Kosten aufzukommen, die <strong>von</strong> Frau Kaz<strong>an</strong> und ihren Kin<strong>de</strong>rn verursacht wer<strong>de</strong>n, bis zu<br />
<strong>de</strong>ren Volljährigkeit.<br />
Ein <strong>Bischof</strong> ist eine hohe moralische Inst<strong>an</strong>z. Wir glauben, dass seine Worte auch bei <strong>de</strong>m<br />
<strong>de</strong>rzeitigen Hessischen Innenminister Gewicht haben wer<strong>de</strong>n.<br />
Ihr Kollege, Herr <strong>Bischof</strong> Algermissen <strong>von</strong> Fulda, zu <strong>de</strong>ssen Bistum Gründau gehört, hat sich<br />
schon im verg<strong>an</strong>genen Herbst auf unsere Bitten hin bei Herrn Innenminister Bouffier für<br />
Frau Kaz<strong>an</strong> und ihre Kin<strong>de</strong>r verw<strong>an</strong>dt. Er konnte ihn nicht zum Einlenken bewegen. Der<br />
Minister begrün<strong>de</strong>te damals seine Haltung damit, dass ihm zwar sehr dar<strong>an</strong> gelegen sei,<br />
hum<strong>an</strong>itäre Gesichtspunkte bei auslän<strong>de</strong>rrechtlichen Entscheidungen <strong>an</strong>gemessen zu<br />
berücksichtigen, dass im Fall Kaz<strong>an</strong> die Gesetzeslage das aber nicht zulasse. Inzwischen hat<br />
ein Gericht einen Weg gezeigt, wie hum<strong>an</strong>itäre Gesichtspunkte zum Tragen kommen können<br />
ohne dass formales Recht missachtet wird.<br />
Sehr geehrter Herr <strong>Bischof</strong>,<br />
appellieren Sie <strong>an</strong> <strong>de</strong>n Hessischen Innenminister im Sinne Walters <strong>von</strong> <strong>de</strong>r Vogelwei<strong>de</strong>:<br />
„Wer sich einen Christen heißt<br />
und das nicht durch die Tat beweist,<br />
<strong>de</strong>r gleicht noch halb <strong>de</strong>n Hei<strong>de</strong>n.<br />
Das ist unsre größte Not:<br />
Der Glaub´ist ohne Werke tot.<br />
Drum helf uns Gott zu bei<strong>de</strong>n.“<br />
Wir setzen große Hoffnung auf Ihre Unterstützung und d<strong>an</strong>ken Ihnen dafür. Wir schicken ein<br />
gleichlauten<strong>de</strong>s Schreiben <strong>an</strong> Herrn Kardinal Lehm<strong>an</strong>n. Auch Herrn <strong>Bischof</strong> Algermissen<br />
wer<strong>de</strong>n wir aufgrund <strong>de</strong>s neuen Rechtsst<strong>an</strong>ds um eine erneute Intervention bitten. Ein<br />
gemeinsamer Appell <strong>de</strong>r drei für das L<strong>an</strong>d Hessen zuständigen Bischöfe hätte sicher ein<br />
großes Gewicht.<br />
für <strong>de</strong>n „Run<strong>de</strong>n Tisch“