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Moderne Sklavenarbeit

Trabajo esclavo - Sklavenarbeit, so werden in Mittelamerika, der Karibik und in Lateinamerika oft ganz allgemein menschenunwürdige Arbeitsformen benannt. Die Anwendung dieses Begriffs durch die Bevölkerung stimmt jedoch nicht unbedingt mit der offiziellen Definition von Sklavenarbeit überein. Der Schwerpunkt dieser presente liegt genau auf diesen juristisch eindeutigen Formen der Sklaverei, die in Mittelamerika und der Karibik leider keineswegs nur ein marginales Problem darstellen. Dass eben auch ökonomische Zwänge und ein Mangel an Alternativen Menschen in unwürdige Arbeitsverhältnisse drängen können, haben die kürzlich zurückgekehrten TeilnehmerInnen unserer Delegationsreise in die Textilindustrie des Landes El Salvador erlebt. Daher sind wir es den Menschen, denen wir in El Salvador begegnet sind, schuldig, auf ihre Situation aufmerksam zu machen Als Einführung ins Thema gibt Marcelo Henriques einen Überblick über die verschiedenen Formen von moderner Sklavenarbeit in Mittelamerika und Haiti. Wie eine Kindheit als Hausdiener in Haiti aussieht, erfährt Joana Eink in einem Interview mit Emmanuel Oxèus. Über den Alptraum Zwangsprostitution und Menschenhandel in Mittelamerika berichtet Ingrid Spiller. Dass die Arbeit von Heimstickerinnen in El Salvador Zwangsarbeit gleich kommt, beschreibt Marcelo Henriquez.

Trabajo esclavo - Sklavenarbeit, so werden in Mittelamerika, der Karibik und in Lateinamerika oft ganz allgemein menschenunwürdige Arbeitsformen benannt. Die Anwendung dieses Begriffs durch die Bevölkerung stimmt jedoch nicht unbedingt mit der offiziellen Definition von Sklavenarbeit überein. Der Schwerpunkt dieser presente liegt genau auf diesen juristisch eindeutigen Formen der Sklaverei, die in Mittelamerika und der Karibik leider keineswegs nur ein marginales Problem darstellen. Dass eben auch ökonomische Zwänge und ein Mangel an Alternativen Menschen in unwürdige Arbeitsverhältnisse drängen können, haben die kürzlich zurückgekehrten TeilnehmerInnen unserer Delegationsreise in die Textilindustrie des Landes El Salvador erlebt. Daher sind wir es den Menschen, denen wir in El Salvador begegnet sind, schuldig, auf ihre Situation aufmerksam zu machen Als Einführung ins Thema gibt Marcelo Henriques einen Überblick über die verschiedenen Formen von moderner Sklavenarbeit in Mittelamerika und Haiti. Wie eine Kindheit als Hausdiener in Haiti aussieht, erfährt Joana Eink in einem Interview mit Emmanuel Oxèus. Über den Alptraum Zwangsprostitution und Menschenhandel in Mittelamerika berichtet Ingrid Spiller. Dass die Arbeit von Heimstickerinnen in El Salvador Zwangsarbeit gleich kommt, beschreibt Marcelo Henriquez.

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Heimstickerin Cecilia (oben)<br />

und ihre Kolleginnen<br />

Hauptstadt und Umgebung auf Kleidchen genäht<br />

werden.<br />

System der Ausbeutung<br />

Die sogenannten Maquilas sind nicht einfach<br />

Textilfabriken. In den 90er Jahren schufen die<br />

zentralamerikanischen Staaten unterstützt<br />

von den USA Freihandelszonen, in denen die<br />

ausländischen InvestorInnen absolute Steuerfreiheit<br />

genießen. In der Folge wuchsen tausende<br />

Weltmarktfabriken in der mittelamerikanischen<br />

Region aus dem Boden.<br />

In El Salvador repräsentieren die Maquilas<br />

den wichtigsten Wirtschaftszweig des kleinen<br />

Landes. Sie zahlen den Mindestlohn von 210<br />

US-Dollar brutto im Monat an ArbeiterInnen,<br />

die im Durchschnitt 60 Stunden inkl. Überstunden<br />

in der Woche schuften. Wobei die<br />

Überstunden oftmals nicht entlohnt werden.<br />

Nur die Schnellsten schaffen es, in der Regelzeit<br />

die vorgegebene Mindestzahl an genähten<br />

Kleidungsstücken herzustellen. Der salvadorianische<br />

Mindestlohn entspricht ungefähr<br />

dem Preis einer der günstigeren Outdoor-<br />

jacken von The North Face, der US Bekleidungsmarke,<br />

die auch in El Salvador teure<br />

Funktionsklamotten herstellen lässt – zu billigsten<br />

Konditionen.<br />

Aber kreativen Unternehmern, deren wirtschaftliche<br />

Macht sich auch in ihren politischen<br />

Einflussmöglichkeiten niederschlägt,<br />

sind selbst diese Kosten noch zu hoch. Deshalb<br />

haben sie einige Produktionsschritte, wie eben<br />

das Anfertigen der auf teuren Kinderkleidchen<br />

in unseren Modeboutiquen so beliebten Stickereien,<br />

ausgelagert, die seitdem die bordadoras<br />

oder Heim-Stickerinnen übernehmen.<br />

Sticken gegen die Zeit<br />

Und so bearbeitet alleine Cecilia mindestens<br />

70 Stunden pro Woche Motive, die Arbeitszeit<br />

der Kinder nicht eingerechnet, für die sie<br />

am Ende der Woche höchstens 35 US-Dollar<br />

erhält – wenn sie die vereinbarten 20 Stickereien<br />

erreicht und wenn die Vorarbeiterin<br />

nichts an der Fertigung auszusetzen hat. Um<br />

auf diese Arbeitszeit zu kommen, stickt sich<br />

Cecilia die Hand- und Schulter-Gelenke krank.<br />

Denn nach einem schnellen Frühstück um<br />

sechs, täglich Bohnen und Tortillas, müssen<br />

die Kinder zur Schule. Dann räumt sie auf und<br />

macht sauber, sie hat jetzt noch fünf bis sechs<br />

Stunden Zeit zum Sticken, ehe die Kinder mittags<br />

von der Schule kommen und sie gemeinsam<br />

Reis und Kartoffeln essen. Reichhaltiger<br />

wird der gedeckte Tisch nicht werden, dafür<br />

reicht der Lohn nicht, der nur knapp Dreiviertel<br />

des Grundbedarfs an Nahrungsmitteln einer<br />

vierköpfigen Familie in El Salvador entspricht.<br />

Nach dem Mittagessen verbleiben Cecilia<br />

nun noch 10 Stunden, die sie, abgesehen<br />

vom Vorbereiten des Abendessens und einer<br />

Pause, in welcher die Kinder über die Ereignisse<br />

des Schultages berichten, gänzlich den<br />

Disney-Figuren widmet. So erklären sich auch<br />

ihre gesundheitlichen Einschränkungen, die<br />

sie langsamer werden lassen. Sie quält sich<br />

mit den Schmerzen in den Handgelenken und<br />

16 presente 1/2015

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