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„Was sind das denn für neue Moden?“ pflegten die Eingangsworte und der Wechsel der Farben wiederholen sich immer wieder. Eine wahre<br />

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Mittendrin<br />

strassen|feger<br />

21/2011<br />

Prüstel auf Seite 30<br />

K<br />

meiner Großmutter zu sein, wenn sie mich mal wieder bei einer Übeltat<br />

ertappt hatte und mich zur Rechenschaft zog. Man sieht schon, auch<br />

wenn man sie nicht kennt: Von Moden hielt sie nicht viel. Sie war in<br />

solchen Dingen sehr konservativ und hat deshalb auch immer SPD<br />

gewählt. Meine Mutter war da schon anders. Sie wollte immer wissen,<br />

„was man so trägt“, und hatte deshalb immer neue Modezeitschriften<br />

herumliegen. An diesen Magazinen faszinierten mich besonders die<br />

Schnittmusterbogen, dieses für ein Kind unüberschaubare Gewirr von<br />

Linien, und ebenso wenig nachvollziehbar ist mir zeitlebens dieser<br />

Vorgang geblieben, den man Mode<br />

nennt.<br />

In Berlin wird zwar viel über Mode<br />

geredet, aber in der Stadt sieht man sie<br />

nicht. Was in Berlin Mode heißen könnte,<br />

ist meist einfach nur schlecht angezogen,<br />

eben passend zur Stadt. Dabei war<br />

das Herstellen von Kleidungsstücken<br />

neben dem Elektrischen und den<br />

Maschinen mal eine Haupteinnahmequelle<br />

der Berliner. Aber DOB (Damenoberbekleidung)<br />

und HAKA (Herren- und<br />

Knabenkleidung) sind Geschichte. Weil<br />

Mode eine Industrie ist, muss sie darauf<br />

achten, dass immer viel umgesetzt<br />

wird. Dummerweise hält Kleidung bei<br />

guter Pflege ziemlich lange, was den<br />

Umsatz behindert. Deshalb gibt es die<br />

Mode, sozusagen das vom Hersteller definierte Haltbarkeitsdatum.<br />

Damit jeder weiß, was nicht mehr Mode ist, gibt es den Ausverkauf,<br />

der heute bei Chic & Ärmlich und ihren Freunden Sale heißt. Da wird<br />

das Unmoderne ausgestellt.<br />

Welche große Bedeutung die Mode für das Bekleidungsgeschäft hat,<br />

erhellt diese kleine Anekdote: Ein verschuldeter armer Schneider<br />

erklärte seinem Gläubiger, dass er sofort gerettet wäre, wenn morgen<br />

das Jüngste Gericht stattfände, weil dann alle Toten nackt auferstehen<br />

und eingekleidet werden müssten. „Das sehe ich nicht so optimistisch“,<br />

meinte der Gläubiger, „denn alle Schneider der Weltgeschichte werden<br />

doch auch auferstehen.“ – „Vor denen fürchte ich mich nicht“, erwiderte<br />

der Schneider, „die kennen doch die neueste Mode nicht!“<br />

Neue Moden sind selten wirklich neu. Das Auf und Ab der Rocksäume<br />

Moderevolution fand unsichtbar statt. Na ja, meistens unsichtbar.<br />

Vor gut 200 Jahren wurde für Männer und bald auch für Frauen die<br />

Unterhose erfunden, natürlich mit Schlitz, da wo er anatomisch richtig<br />

hingehörte. Und erst vor gut 100 Jahren wurde in der Damenunterhose<br />

die Öffnung im Schritt gestrichen. Das nannte man aber nicht Mode<br />

sondern Reform.<br />

Mode wird erst Mode, wenn Stars sie dazu machen. Was die Stars<br />

anhaben, wollen auch die Sternchen in ihrem Kleiderschrank haben.<br />

Angela Merkel ist kein Star. Andernfalls<br />

würden alle Frauen in Hosenanzügen im<br />

uckermärkischen Stil herumlaufen. Tun<br />

sie aber nicht.<br />

Ein richtiger Trendsetter könnte in<br />

diesem Herbst der Papst werden. Er und<br />

die anderen Würdenträger legen immer<br />

wert auf eine aparte und farbenfrohe<br />

Kleidung, dabei wollen sie doch hoffentlich<br />

niemanden verführen, wenn sie<br />

in edlen Stoffen, Spitzen, Stickereien<br />

und bunten Applikationen auftreten.<br />

Im Olympiastadion hat der Papst Grün<br />

getragen. Da das vier Tage nach der<br />

Wahl war, konnte man ihm darin keine<br />

parteipolitische Unterstützung unterstellen.<br />

Es ging also nur um den guten<br />

Geschmack. Wenn nun der Papst wirklich<br />

ein Star ist, sollte im kommenden Winter leuchtendes Grün die Farbe<br />

der Saison sein, dazu rote Schuhe.<br />

Als Mann ist man ja nicht so anfällig für die Einflüsterungen der<br />

Modeindustrie. Eigentlich hat es in den vergangenen 100 Jahren nur<br />

zwei große Veränderungen gegeben. Einmal war das der Siegeszug<br />

der Jeans aus den Goldgräberquartieren Kaliforniens in nahezu alle<br />

Bekleidungsvarianten und dann die Einführung der Bügelfalte anfangs<br />

des 20. Jahrhunderts. Letzteres war eher einem Zufall zu verdanken.<br />

Der Prince of Wales erschien auf einer Reise zum Dinner in einer Hose,<br />

die im Koffer eine Druckfalte in den Beinen bekommen hatte, und<br />

am nächsten Abend ahmten das alle Herren nach. Ich selbst bin seit<br />

mehr als 50 Jahren meiner 501 treu. Eine modische Entscheidung im<br />

Leben muss reichen …<br />

KptnGraubär<br />

Liebe Redaktion!<br />

Der <strong>strassenfeger</strong> freut sich über Leserbriefe. Wir behalten uns den Abdruck und die Kürzung von Briefen vor.<br />

Die abgedruckten Leserbriefe geben nicht notwendigerweise die Meinung der <strong>strassenfeger</strong>-Redaktion wieder.<br />

K<br />

Foto: Andreas Düllick<br />

OL auf Seite 31<br />

Ausgabe 22: „WOHNEN“<br />

ab 17. Oktober 2011<br />

Mietspiegel, Mietwucher, Mieterberatung<br />

Interview: „Berliner Mieter Gemeinschaft“<br />

Grips-Theater: „Schöner Wohnen in Berlin“<br />

Kältehilfe: Start der mit Hindernissen<br />

strassen|feger<br />

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ISSN 1437-1928<br />

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Vorsitzende: Dr. Dan-Christian Ghattas,<br />

Lothar Markwardt, Andreas Düllick (V.i.S.d.P.)<br />

Chefredakteur Andreas Düllick<br />

Idee • Produktion • CvD Anett Steinbrecher<br />

Redaktionelle Mitarbeit Ralph Anderl, Andreas<br />

Düllick, Guido Fahrendholz, Detlef Flister,<br />

r.Werner Franke, Laura F., Kleiderstube Pankow,<br />

OL, Manuela P., Andreas Prüstel, Manfred Wolff,<br />

Urszula Wolff<br />

Titelbild<br />

Foto: Jonas Lindstöm<br />

Karikaturen<br />

Andreas Prüstel, OL<br />

Satz und Layout<br />

Ins Kromminga<br />

Belichtung & Druck<br />

Union Druckerei Berlin<br />

Redaktionsschluss der Ausgabe<br />

26. September 2011<br />

Namentlich genannte Beiträge geben nicht<br />

unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.<br />

Es war nicht möglich, bei allen Bildern die Urheberrechte<br />

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bitte bei uns. Für unverlangt eingesandte Fotos,<br />

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Leserbriefe & Impressum<br />

strassen|feger<br />

21/2011

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