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strassen|feger<br />

21/2011<br />

DIE MUSIKJACKE<br />

Diese Lederjacke hat mir Glück gebracht. Im September 2001 nahm ich<br />

zum ersten Mal an einem Karaokewettbewerb im Kastanienwäldchen<br />

teil. Ich sang „Unchain My Heart“ von Joe Cocker und „Vergangen,<br />

Vergessen, Vorüber“ von Freddy Quinn und kam auf Platz 6 von 18<br />

Finalisten. Ich fühlte mich wie der Star des Kastanienwäldchens und<br />

der Karaokeszene. Obwohl ich damals noch regelmäßig arbeitete,<br />

ging ich pro Woche vier, fünf Mal zur Karaoke. Dort lernte ich auch<br />

den Künstler Benyu Bendero kennen, der mich immer mal wieder<br />

als Moderator für Karaokeveranstaltungen engagierte. Das brachte<br />

mir einen guten Nebenverdienst ein, und ich konnte meinem neuen<br />

Hobby ganz nah sein.<br />

DIE FREIHEITSTRAUMJACKE<br />

Im Jahr 2004 hatte ich den Wahn einen Motorradführerschein zu<br />

machen. Mit 200 km/h über die Autobahn sausen und sich den Wind<br />

um die Nase wehen lassen – das müsste einfach ein tolles Gefühl sein.<br />

Der Inbegriff von Freiheit! Mein Kumpel Gerhard hatte eine Honda,<br />

die er für nur 2.000 Euro an mich verkaufen wollte, wenn ich meinen<br />

Motorradführerschein machen und bestehen würde. Die passende<br />

Jacke hatte ich bei EBAY schon bestellt. Zum Führerschein kam es aber<br />

aufgrund meiner Sucht bis heute nicht.<br />

DIE MODERATORENJACKE<br />

Diese Jacke trug ich 2005, während ich im Offenen Kanal Berlin meine<br />

eigene Hörfunksendung „Play Me The Blues“ moderierte. Es war die<br />

Ausgabe mit dem Bluesgitarristen Jan Hirte, worauf ich sehr stolz war.<br />

Die Live-Sendung stand um 15.00 Uhr auf dem Programm. Ich war aber<br />

auf 16.00 Uhr eingestellt und erschien 15.45 Uhr. Nachdem ich merkte<br />

welcher Irrtum mir passiert war, ging ich davon aus, dass die Sendung<br />

geplatzt war. Aber mein Freund Jan verhandelte unnachgiebig mit<br />

dem Medienassistenten. Resultat: Da das Studio um 17.00 Uhr frei war,<br />

durften wir eine Aufzeichnung machen, welche für einen späteren<br />

Sendetermin ausgestrahlt wurde.<br />

DIE ABSTURZJACKE<br />

Damals – etwa 2005 – war ich bereits aktiver Alkoholiker und hatte<br />

in dieser Jacke einen fürchterlichen Absturz. Ich schlenderte in<br />

Kreuzberg umher und musste die ganze Zeit an meine Kindheit denken.<br />

Diese Gedanken quälten mich und irgendwann konnte ich sie nicht<br />

mehr aushalten. Um 18.00 Uhr rum habe ich im Yorkschlösschen<br />

angefangen: Immer ein Bier und ein Schnaps! Ich tingelte die ganze<br />

Nacht durch mehrere Kneipen in Kreuzberg und Tempelhof. Am<br />

nächsten Morgen wachte ich, ohne mich an den Vorabend zu erinnern,<br />

in der Ausnüchterungszelle in einem Polizeirevier in Kreuzberg auf.<br />

Man sagte man habe mich besoffen und auf den Boden schlafend vor<br />

dem S-Bahnhof Tempelhof aufgegriffen.<br />

DIE UNFALLJACKE<br />

Es geschah im Jahr 2002. Ich hatte mich vormittags mit meiner<br />

Freundin Marita getroffen. Die Zeit mit ihr war wie immer wunderschön<br />

und von phänomenaler Empathie geprägt. Wir verstanden uns<br />

auch ohne viele Worte. Gern wäre ich länger geblieben. Doch eine<br />

Produktionsbesprechung im Offenen Kanal zwang mich zu gehen. Im<br />

U-Bahnhof Parascelsus-Bad passierte es dann: Ich rutschte aus und<br />

fiel von der Rolltreppe nach unten. Ich konnte nicht mehr aufstehen<br />

und weinte vor Schmerzen. Aber keiner half mir. Nach einigen Minuten<br />

rappelte ich mich wieder auf. Rund vier Wochen humpelte ich mit einer<br />

schweren Knie- und Fußprellung durch Berlin. Trotz dieses Handicaps<br />

verpasste ich in dieser Zeit keinen einzigen Termin - darauf bin ich im<br />

Nachhinein besonders stolz.<br />

DIE SCHÖNHEITSJACKE<br />

Diese Jacke nenne ich so, weil in ihr mein schönstes Foto entstand.<br />

Am 20. August 2010 zog ich in die Wohngemeinschaft der Bürgerhilfe<br />

und brauchte neue Passfotos, u.a. für meinen Berlinpass. Ich ging zu<br />

einem Fotografen in der Nähe der Marksburgstraße. Der machte ein<br />

herrliches Foto von mir, lobte mich als sehr fotogen und meinte, dass<br />

ich als Modell taugen würde. Ich wirke auf diesem Foto tatsächlich sehr<br />

hübsch. Es ist das schönste, das jemals von mir gemacht wurde.<br />

strassen|feger<br />

21/2011

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