guernica 1/2005 - Friedenswerkstatt Linz
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<strong>guernica</strong> 1/<strong>2005</strong> Friedensvolksbegehren 7<br />
NACHGEFRAGT<br />
„Solange es Menschen gibt, die am<br />
friedliebenden und modernen Konzept<br />
der österreichischen Neutralität festhalten,<br />
bleibt die Neutralität lebendig“<br />
Aktionen für Frieden und Neutralität -<br />
Gegen die EU-Verfassung!<br />
Interview der <strong>guernica</strong> mit Boris Lechthaler, Koordinator des Friedensvolksbegehrens.<br />
Guernica: Am 22. Jänner <strong>2005</strong><br />
fand die letzte Aktionskonferenz<br />
der Plattform „Neutralität statt<br />
Euro-Armee!“, der Trägerin des<br />
Friedensvolksbegehrens statt. Was<br />
wurde dort diskutiert und beschlossen?<br />
Boris: Voraussichtlich am 8. Mai<br />
dieses Jahres wird in einer Art Zeremonie<br />
im Parlament die EU-Verfassung<br />
abgenickt. Wir müssen uns das<br />
sinnlich vorstellen, 60 Jahre nach<br />
Ende des 2. Weltkrieges, an jenem<br />
Tag, an dem Millionen schworen:<br />
„Nie wieder Faschismus! Nie wieder<br />
Krieg!“, wird eine Aufrüstungsverpflichtung<br />
beschlossen, wird ein<br />
Rüstungsamt legalisiert, das direkt<br />
Zugriff auf unsere Steuergelder bekommt.<br />
8 Tage vor dem 50. Jahrestag<br />
der Unterzeichnung des Staatsvertrages<br />
wird die Selbstbestimmung<br />
Österreichs substanziell zugunsten<br />
der großen europäischen<br />
Mächte, insbesondere Deutschlands,<br />
ausgehebelt. Bei der Konferenz waren<br />
sich alle einig, dass es gilt, in<br />
den verbleibenden Wochen mit dem<br />
Friedensvolksbegehren den Widerstand<br />
gegen diesen kalten Staatsstreich,<br />
noch maximal zu entwickeln.<br />
Welche konkreten Aktivitäten wurden<br />
ins Auge gefasst?<br />
Am 19. März wird es eine Demonstration<br />
in Wien geben. Zur Vorbereitung<br />
sollen vom 5. bis zum 19.<br />
März Aktionswochen zum Friedensvolksbegehren<br />
durchgeführt werden.<br />
Bereits vom 14. bis 28. Februar<br />
wollen wir täglich vor Wiener Bezirksämtern<br />
Unterstützungserklärungen<br />
sammeln und auf die<br />
Demo aufmerksam machen. Das<br />
soll in der Aktionswoche fortgesetzt<br />
werden. Zum Auftakt der Aktionswoche<br />
wollen wir am Samstag, 5.<br />
März um 12 Uhr in möglichst vielen<br />
Städten und Orten mit Transparenten:<br />
„Nein zur EU-Verfassung!<br />
Volksabstimmung!“ oder anderen<br />
Losungen in diesem Zusammenhang,<br />
die Öffentlichkeit wachrütteln.<br />
Und nach dem 19. März?<br />
Klar ist, es muss am Wochenende<br />
des 7. oder 8. Mai zu einer großen<br />
öffentlichen Manifestation, einer<br />
Menschenkette oder einem Menschenteppich<br />
kommen. Bei der Aktionskonferenz<br />
haben wir beschlossen,<br />
in der Woche vom 1. bis 8. Mai<br />
<strong>2005</strong> eine Aktionswoche durchzuführen.<br />
Beim nächsten Koordinationstreffen<br />
am Samstag, 26. Februar<br />
<strong>2005</strong> werden wir konkret beschließen,<br />
welche Aktion wir an diesem<br />
Wochenende durchführen werden.<br />
Wenn das Establishment diesen<br />
EU-Verfassungsdeal ohne Volksabstimmung<br />
durchdrücken will, müssen<br />
wir so deutlich wie möglich<br />
sichtbar machen: Das geschieht<br />
nicht in unserem Namen!<br />
Boris<br />
Lechthaler<br />
Wieviele Unterstützungserklärungen<br />
gibt es bereits?<br />
Im Büro haben wir zur Zeit knapp<br />
5.000 Unterstützungserklärungen.<br />
Wenn wir uns heuer nochmals anstrengen,<br />
ist die Zahl von 9.000 Untersützungserklärungen<br />
durchaus erreichbar.<br />
Ein paar Details sind interessant:<br />
55 % kommen von Frauen.<br />
Es gibt keine signifikante altersmäßige<br />
Häufung. Das heißt, Neutralität<br />
ist durchaus nicht ein Thema,<br />
das nur ältere Menschen interessiert.<br />
Erfreulich ist auch, hätten wir überall<br />
soviele Unterschriften wie in<br />
Oberösterreich, könnten wir das<br />
Friedensvolksbegehren bereits einreichen.<br />
Der Grund dafür ist nicht<br />
etwa, dass es woanders keine Friedensvolksbegehrens-AktivistInnen<br />
gibt, oder Neutralität kein Thema<br />
wäre. In Oberösterreich haben wir<br />
einfach mit dem Koordinationsbüro<br />
in der Werkstatt die besten Voraussetzungen.<br />
Wir müssen in den nächsten<br />
Wochen schauen, dass auch in<br />
anderen Städten, Büros, etc. entstehen,<br />
die das Friedensvolksbegehren<br />
vorantreiben.<br />
Hans Sallmutter sagt: „Tritt die<br />
EU-Verfassung so wie geplant in<br />
Kraft, ist es vorbei mit der österreichischen<br />
Neutralität“. Welchen<br />
Sinn ergibt eine Eintragungswoche<br />
für das Friedensvolksbegehren,<br />
nach Ratifikation der EU-Militärverfassung?<br />
Unsere Überzeugung ist, solange es<br />
Menschen gibt, die am friedliebenden<br />
und modernen Konzept der<br />
österreichischen Neutralität festhalten<br />
und dies auch öffentlich zum<br />
Ausdruck bringen, bleibt die Neutralität<br />
lebendig. Dann wird sie bei<br />
jedem konkreten Aufrüstungsprogramm,<br />
jeder Kolonialmission, an<br />
der sich Österreich beteiligt, jeder<br />
Krise sofort wieder relevant werden.<br />
Wir müssen uns eines vor Augen<br />
halten: Das österreichische politische<br />
Establishment will am 8. Mai<br />
per kaltem Staatsstreich Aufrüstung<br />
und globales, militärisches Abenteurertum<br />
in Verfassungsrang hieven.<br />
Gleichzeitig lassen sie aber das Neutralitätsgesetz<br />
aus 1955 unangetastet.<br />
Wir haben also eine veritable<br />
Rechtsverdoppelung. Der Grund ist:<br />
diese PolitikerInnen sind einerseits<br />
zu feige, um den neuen europäischen<br />
Militaristen entgegenzutreten,<br />
sie haben aber auch die Hosen zu<br />
voll, um den Menschen, die sie vertreten<br />
sollten, die Wahrheit zu sagen.<br />
Wie werden die Abgeordneten, so<br />
sie am 8. Mai zu Aufrüstung, Sozialabbau<br />
und Krieg ja sagen, nachher<br />
mit der Neutralität umgehen?<br />
Sie versuchen es jetzt schon und<br />
werden es nachher noch viel massiver<br />
betreiben: ein bleierner Mantel<br />
des Schweigens soll dieses lebenswichtige<br />
Thema zudecken. Dort wo<br />
dies nicht mehr geht, werden sie die<br />
Verfassung zurechtbiegen und zurechtlügen.<br />
Auf alle, die sich dem<br />
nicht beugen wollen, wird der Druck<br />
noch zunehmen. Bereits jetzt werden<br />
Grüne, die das Friedensvolksbegehren<br />
unterstützen, von ihrer<br />
Parteiführung als Antieuropäer stigmatisiert.<br />
Deshalb ist das Friedensvolksbegehren<br />
so wichtig. Alle<br />
Menschen, die sich diesem Militarisierungskurs<br />
widersetzen wollen,<br />
brauchen ein deutliches Signal, dass<br />
es viele sind, die ihre Haltung teilen.<br />
Nur so können wir möglichst viele<br />
Menschen dazu ermutigen, an der<br />
Neutralität festzuhalten, sie konsequent<br />
als Alternative zur Abenteurerpolitik<br />
des Establishments ins<br />
Treffen zu führen.<br />
Wann wäre die ideale Zeit für die<br />
Eintragungswoche?<br />
Im ersten Halbjahr 2006 hat Österreich<br />
die EU-Ratspräsidentschaft.<br />
Unsere PolitikerInnen tun ja so,<br />
wenn sie in Berlin oder Paris ihren<br />
Kratzfuß machen, als ob mit der<br />
Neutralität alles paletti sei, als ob sie<br />
ihre Leute im Griff hätten. Wenn wir<br />
im Frühjahr 2006 die Eintragungswoche<br />
hätten, könnten wir den<br />
Stabsstellen in Berlin oder Paris direkt<br />
vermitteln, dass sie die Rechnung<br />
nicht mit dem Wirt, den Menschen<br />
in Österreich gemacht haben.<br />
Zudem könnten wir mit einem derartigen<br />
Termin für die Eintragungswoche<br />
die Neutralität zu einem Thema<br />
der nächsten Nationalratswahl<br />
machen. Die Neutralität muss lebendig<br />
bleiben. Das ist ein wichtiges<br />
Ziel. Ein praktisches Ziel, das motiviert<br />
und Freude macht.<br />
Wichtige Termine<br />
14. - 28. Februar <strong>2005</strong>: Infotische<br />
vor Wiener Bezirksämtern<br />
Sa, 26. Februar <strong>2005</strong>, 11 Uhr:<br />
Koordinations-Treffen Beschluss<br />
über eine Aktion am 7. oder 8.5.<strong>2005</strong><br />
Sa, 5. März <strong>2005</strong>, 12 Uhr:<br />
Bundesweite Transparentaktion<br />
„Nein zur EU-Verfassung! -<br />
Volksabstimmung!“<br />
5. bis 19. März <strong>2005</strong>: Aktionswochen<br />
Friedensvolksbegehren<br />
19. März <strong>2005</strong>, 14 Uhr, Westbahnhof,<br />
Wien: Demonstration<br />
Gegen Sozialabbau, Aufrüstung und<br />
Krieg! Für ein soziales und friedliches<br />
Europa! Ja zur Neutralität! Nein zur<br />
EU-Verfassung!<br />
Weitere Informationen im Internet:<br />
www.friedensvolksbegehren.at<br />
Widerstandskundgebung am Ballhausplatz in Wien gegen die<br />
Teilnahme an den EU-Schlachtgruppen, 14.12.2004<br />
Protestzug durch die <strong>Linz</strong>er Innenstadt gegen EU-Schlachtgruppen<br />
und Aufrüstungsverpflichtung durch EU-Verfassung, 17.12.2004<br />
Jugendliche protestieren spontan vor dem Parlament in Wien gegen<br />
die Demontage der Neutralität, 12.1.<strong>2005</strong><br />
Enthüllung eines Transparents auf einem <strong>Linz</strong>er StudentInnenheim<br />
gegen EU-Verfassung und für Volksabstimmung, 28.1.<strong>2005</strong><br />
Transparent-Aktion für die Durchführung einer Volksabstimmung<br />
über die EU-Verfassung in Steyr, 6.2.<strong>2005</strong>