Werkstatt Frieden & Solidarität - Friedenswerkstatt Linz
Werkstatt Frieden & Solidarität - Friedenswerkstatt Linz
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Nr. 5/2004 Herausgegeben von der <strong>Werkstatt</strong> <strong>Frieden</strong> & <strong>Solidarität</strong> EUR 1,60<br />
<strong>Werkstatt</strong><br />
<strong>Frieden</strong> & <strong>Solidarität</strong><br />
Das unterste Viertel der Einkommensbezieher hat seit dem EU-Beitritt Realeinkommensverluste<br />
in Höhe von 11 % erlitten. Das sind jene Menschen, die sich regelmäßig in<br />
Studien als die Ungebildeten abqualifizieren lassen müssen. Entwürdigung und Entmündigung<br />
einer wachsenden Zahl von Menschen sind die regelmäßigen Vorboten gesellschaftlicher<br />
Katastrophen. Diese erscheinen umso unabwendbarer, je stärker die Handlungsfähigkeit<br />
der Entwerteten verneint wird. Während sich das Interesse der Abzocker<br />
unter kräftiger Mithilfe von um ihren Platz an der Sonne rangelnden Gebildeten als<br />
allgemeines gesellschaftliches Interesse inszeniert, wird den oft unartikuliert Skeptischen<br />
uneinsichtiger Eigennutz unterstellt.<br />
Es geht darum, jetzt und hier in<br />
Österreich handlungsfähig zu<br />
werden. Die <strong>Werkstatt</strong> <strong>Frieden</strong> &<br />
<strong>Solidarität</strong> hat mit dem Papier „Für<br />
eine <strong>Frieden</strong>srepublik Österreich“<br />
ein Aktionsprogramm für Hier und<br />
Heute vorgelegt. Das Programm<br />
wurde nicht von Sozialingenieuren<br />
am Reißbrett entworfen. Es knüpft<br />
an die vielfältigen konkreten Erfahrungen<br />
der Menschen, insbesondere<br />
auch mit der Zweiten Republik, an<br />
und versucht diese für die Herausforderungen<br />
im 21. Jahrhundert in<br />
Bewegung zu setzen. Diesen Anspruch<br />
wollen wir auch in unserem<br />
Namen zum Ausdruck bringen. Die<br />
bei der 11. Vollversammlung am<br />
8. Oktober 2004 beschlossene Um-<br />
Der Stahlhelm des Monats<br />
benennung von <strong>Frieden</strong>swerkstatt<br />
<strong>Linz</strong> in <strong>Werkstatt</strong> <strong>Frieden</strong> & <strong>Solidarität</strong><br />
ist mehr als eine Themenerweiterung.<br />
Für immer mehr Menschen<br />
wird erkennbar, dass zwischen Aufrüstung,<br />
Krieg und Sozialabbau auf<br />
der einen Seite, bzw. <strong>Frieden</strong> und<br />
sozialer Sicherheit auf der anderen<br />
Seite ein enger Zusammenhang besteht.<br />
Für uns in Österreich besteht<br />
ein besonderer Zusammenhang.<br />
Durch die Privatisierung wesentlicher<br />
Teile der österreichischen Industrie<br />
und Infrastruktur werden wir<br />
immer stärker in den Aufbau einer<br />
deutsch-europäischen Rüstungsindustrie<br />
einbezogen. Privatisierung<br />
und Militarisierung sind zwei Seiten<br />
einer Medaille. Privatisierung be-<br />
Plassnik: Stahlhelm mit<br />
Tarnnetz<br />
Ausgebildete Soldaten wissen:<br />
ein Tarnnetz auf dem Stahlhelm dient dazu,<br />
zu verhindern, dass ein Stahlhelm als Stahlhelm samt<br />
darunter befindlichem Menschen erkannt wird. Man<br />
stopft sich Moos, Gras, Zweige oder einen Pilz ins<br />
Ursula Plassnik Tarnnetz und hofft damit für Moos, Gras, Zweige oder<br />
(Außenministerin) einen Pilz gehalten zu werden. Plassnik hat auch ein<br />
Tarnnetz auf ihrem EU-Militärstahlhelm. Wie ihre anderen<br />
FreundInnen von der ÖVP ist sie gleich bei<br />
ihrem Antritt mit hineingestopfter Neutralität aufgetreten. Plassnik sagte<br />
in einem Hörfunkinterview, Österreich werde im Sinne der Neutralität<br />
auch weiterhin an keinen Kriegen teilnehmen. Was sie verschweigt ist,<br />
dass Bundeskanzler Schüssel am 29. Oktober 2004 in Rom den EU-Verfassungsvertrag<br />
unterzeichnet haben wird. In diesem Verfassungsvertrag<br />
findet sich nicht nur eine Aufrüstungsverpflichtung, sondern auch die<br />
Selbstermächtigung zu globalen Militärinterventionen. Der österreichische<br />
Ministerrat hat bereits im Juli dieses Jahres beschlossen, sich an der<br />
Europäischen Rüstungsagentur zu beteiligen. Die Bundesregierung plant<br />
ebenso, gemeinsam mit Deutschland und Tschechien eine EU-Schlachtgruppe<br />
aufzubauen. Sie beschädigen damit die Neutralität in einem für<br />
Österreich besonders sensiblen Punkt: der militärischen Kooperation mit<br />
Deutschland. Eu jeh, Plassnik! Tarnung verrutscht? Wiederholen Sie die<br />
Übung gemäß folgendem Auftrag: Tarnung der Beteiligung am EU-Militarismus<br />
mit politischen Begriffen aus ihrer Umgebung.<br />
deutet die vollständige Unterordnung<br />
unter das Kommando der Profitmaximierung.<br />
Und beim Kampf<br />
um Absatz- und Kapitalmärkte, bei<br />
der Disziplinierung von Arbeitskräften<br />
und dem Zugang zu Erdölquellen<br />
hat die Nase vorn, wer „der Diplomatie<br />
den stählernen Faden militärischer<br />
Macht und den Willen sie<br />
zu gebrauchen einweben kann“, wie<br />
das Michael Stürmer, der ehemalige<br />
Berater des deutschen Kanzlers<br />
Kohl, in einem Vortrag vor der Industriellenvereinigung<br />
sehr zum Wohlgefallen<br />
seines Auditoriums vorgetragen<br />
hat. Selten zuvor jedoch war<br />
der Zusammenhang zwischen Privatisierung<br />
und Militarisierung derart<br />
handgreiflich wie derzeit. In der nun<br />
vorliegenden EU-Verfassung soll<br />
sowohl eine Aufrüstungsverpflichtung<br />
als auch eine Wirtschaftspolitik<br />
„die dem Grundsatz einer offenen<br />
Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb“<br />
verpflichtet ist, in Verfassungsrang<br />
erhoben werden. In unserem<br />
Programm zeigen wir, dass<br />
Neutralität auf der einen Seite und<br />
soziale Sicherheit und öffentliches<br />
Eigentum auf der anderen Seite ge-<br />
Fortsetzung auf Seite 2 ...<br />
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www.friwe.at<br />
Impressum: guernica 5/2004 (OÖ <strong>Frieden</strong>sInfo Nr. 133) (November 2004)<br />
Medieninhaberin (Verlegerin) & Herausgeberin & Redaktion: <strong>Werkstatt</strong> <strong>Frieden</strong> & <strong>Solidarität</strong>/<strong>Frieden</strong>swerkstatt<br />
<strong>Linz</strong>, Waltherstr. 15b, A-4020 <strong>Linz</strong>, Tel. (0732) 77 10 94, Fax (0732) 79 73 91, E-Mail friwe@servus.at,<br />
Internet www.friwe.at; Anzeigenverwaltung: Boris Lechthaler; Layout: Manuela Mittermayer; Hersteller: OÖN<br />
Druckzentrum, Pasching; DVR: 0760315; Zulassungsnummer: GZ 02Z030305 M; Erscheinungsort: A-4020<br />
<strong>Linz</strong>; Verlagspostamt: A-4020 <strong>Linz</strong>, P.b.b.<br />
FRIEDENSVOLKSBEGEHREN<br />
Ja zur Neutralität<br />
Keine Beteiligung an der EU-Armee<br />
Keine Anbindung an die NATO<br />
Soziale Sicherheit statt Aufrüstung<br />
Jetzt unterstützen!<br />
Weitere Informationen auf den Seiten 7/8 und im Internet unter<br />
www.friedensvolksbegehren.at<br />
Viele Menschen beteiligten sich an der Abstimmungsaktion der <strong>Werkstatt</strong><br />
<strong>Frieden</strong> & <strong>Solidarität</strong> über die EU-Verfassung am 29. Oktober 2004 in<br />
<strong>Linz</strong>. Mit einer Petition machen wir Druck für eine Volksabstimmung über<br />
diese Verfassung, die - weltweit einzigartig - sogar eine Aufrüstungsverpflichtung<br />
enthält.<br />
................................................................ Seiten 2 und 3<br />
Für Neutralität und öffentliches Eigentum!<br />
Bei der letzten Vollversammlung der <strong>Frieden</strong>swerkstatt <strong>Linz</strong> ist die<br />
Umbenennung in „<strong>Werkstatt</strong> <strong>Frieden</strong> & <strong>Solidarität</strong>“ beschlossen<br />
worden. Wir wollen damit zum Ausdruck bringen, dass für uns „<strong>Frieden</strong><br />
und Neutralität“ sowie „soziale Sicherheit und öffentliches Eigentum“<br />
eine untrennbare Einheit bilden. Die „<strong>Werkstatt</strong> <strong>Frieden</strong> & <strong>Solidarität</strong>“<br />
soll für all jene eine organisierte Plattform sein, die hier und heute für<br />
ein neutrales, weltoffenes und solidarisches Österreich streiten wollen<br />
(siehe auch den Beitrag auf dieser Seite). Und das ist notwendiger denn<br />
je. Am 29. Oktober 2004 haben die 25 Staats- und Regierungschefs der<br />
EU in Rom die sogenannte EU-Verfassung, die mit der österreichischen<br />
Neutralität unvereinbar ist, unterzeichnet. Doch damit sie in Kraft treten<br />
kann, muss sie noch von allen EU-Mitgliedstaaten ratifiziert werden.<br />
Kämpfen wir darum, dass auch in Österreich eine Volksabstimmung<br />
über diese Verfassung der Konzerne und Generäle stattfindet; ein demokratisches<br />
Anliegen, das derzeit von den Führungen aller Parlamentsparteien<br />
- im Gegensatz zu anderen EU-Ländern - der österreichischen<br />
Bevölkerung vorenthalten wird. Unterschreiben Sie die Petition auf der<br />
Seite 3 und vor allem auch: Unterstützen Sie das <strong>Frieden</strong>svolksbegehren<br />
(Seiten 7 und 8)! Weiters sind wir dringend auf Spenden unserer SympathisantInnen<br />
angewiesen (mit beiliegendem Zahlschein oder direkt<br />
auf unser Konto; Kontoverbindung siehe Seite 16). Und wie immer gilt:<br />
guernica abonnieren - für den <strong>Frieden</strong> engagieren!<br />
Günter Reder, f. d. <strong>Werkstatt</strong> <strong>Frieden</strong> & <strong>Solidarität</strong>
2 Euro-Militarismus guernica 5/2004<br />
Der neue Vatikan von Rüstungskapital und Militärkamarilla<br />
Rüstungsagentur locuta, causa finita<br />
Abseits der Berichterstattung ist im Sommer 2004 einer der bedeutendsten Schritte<br />
zur weiteren Militarisierung der EU gesetzt worden. Am 18. Juni 2004 hat der Europäische<br />
Rat für Allgemeine Angelegenheiten und Auswärtige Beziehungen (RAA) die<br />
politische Einigung über eine Gemeinsame Aktion zur Schaffung einer Europäischen<br />
Agentur für die Bereiche Entwicklung der Verteidigungsfähigkeiten, Forschung, Beschaffung<br />
und Rüstung (Europäische Verteidigungsagentur) erzielt. Die formale rechtliche<br />
Annahme dieses Gründungsaktes erfolgte in der Ratssitzung vom 12. Juli 2004.<br />
Rüstungsagentur bekommt<br />
exekutive Befugnisse. Der<br />
strategische Charakter dieser Agentur<br />
lässt sich erahnen, wenn der Militärexperte<br />
Peter Albers in der militärpolitischen<br />
Zeitschrift „Europäische<br />
Sicherheit“ analysiert, dass damit<br />
„jahrzehntelange Bemühungen<br />
um eine europäische Rüstungsagentur<br />
zum Erfolg geführt“ werden<br />
konnten. Tatsächlich soll diese Rüstungsagentur<br />
die EU-Aufrüstung<br />
koordinieren und antreiben. In diese<br />
Richtung haben die EU-Verteidigungsminister<br />
im Sommer Struktur,<br />
Arbeitsweise und Aufgabenprofil<br />
konkretisiert. Der Militärexperte Albers:<br />
„Die Rüstungsagentur ist zur<br />
Durchführung ihrer Aufgaben und<br />
zur Erreichung ihrer Ziele mit eigener<br />
Rechtspersönlichkeit ausgestattet.<br />
Die Mitgliedstaaten stellen sicher,<br />
dass sie die weitestgehende<br />
Rechtsfähigkeit besitzt, die juristischen<br />
Personen nach ihrem Recht<br />
zuerkannt wird. Die Agentur kann<br />
insbesondere bewegliches und unbewegliches<br />
Vermögen erwerben und<br />
nutzen und vor Gericht auftreten.<br />
Sie ist befugt, Verträge mit privaten<br />
oder öffentlichen Einrichtungen<br />
oder Organisationen zu schließen“.<br />
Damit wird im Statut der Agentur<br />
konkretisiert, was in der EU-Verfassung<br />
angelegt ist. In dieser wird der<br />
Rüstungsagentur nicht nur die Aufgabe<br />
zugesprochen, den „operativen<br />
Bedarf“ an Kriegsgerät zu ermitteln,<br />
„Maßnahmen zur Bedarfsdeckung<br />
zu fördern“, „zur Ermittlung von<br />
Maßnahmen zur Stärkung der industriellen<br />
und technologischen<br />
Grundlage des Verteidigungssektors<br />
beizutragen“ sondern auch „diese<br />
Maßnahmen gegebenenfalls selbst<br />
durchzuführen“ (Art. I-41, 3). Dieses<br />
Rüstungsamt soll also auch exekutive<br />
Befugnisse erhalten. Weitgehend<br />
abgehoben von politischer und<br />
parlamentarischer Einflussnahme<br />
kann diese Agentur eigenständig<br />
Rüstungsprojekte durchziehen. Zustände<br />
wie 2002 in Österreich, wo<br />
durch massiven Widerstand der Be-<br />
Ein verrückter Traum<br />
Träum ich oder bin ich<br />
verrückt? Ich unterschreib eine<br />
Aufrüstungsverpflichtung!<br />
völkerung die Beschaffung der Eurofighter<br />
ins Trudeln gekommen ist,<br />
sollen damit der Vergangenheit angehören.<br />
Die Rüstungsagentur soll<br />
als Vatikan von Rüstungskapital und<br />
Militärkamarilla der Einflussnahme<br />
des Pöbels auf die Sicherheitspolitik<br />
einen Riegel vorschieben. Rüstungsagentur<br />
locuta, causa finita.<br />
Durchsetzung militärischer<br />
Gleichschaltung. In ganzseitigen<br />
Inseraten haben die Chefs der größten<br />
EU-Rüstungskonzerne BAE-Systems,<br />
EADS und Thales im Juni<br />
2004 klargelegt, dass nun im Gleichschritt<br />
marschiert werden soll: „Einfache<br />
und rasche Entscheidungsprozesse<br />
sowie eigene Investitionsmittel<br />
sind unverzichtbar, wenn die Agentur<br />
ihre Wirkung voll entfalten soll<br />
[...] Die Agentur wird daher die Mitgliedstaaten<br />
dazu anhalten müssen,<br />
gemeinsame Lösungen auch bei unterschiedlichen<br />
Anforderungen zu<br />
finden [...] Auf nationaler Ebene<br />
müssen die Verteidigungsbudgets<br />
den sicherheitspolitischen Realitäten<br />
und Verpflichtungen angepasst<br />
werden“.(3)<br />
Die effiziente Gleichschaltung<br />
der europäischen Rüstungspolitik<br />
soll gewährleistet werden, indem<br />
das Entscheidungsgremium der<br />
Agentur - der Lenkungsausschuss -<br />
mit qualifizierter Mehrheit entscheidet.<br />
Das sichert den Machteliten der<br />
großen Nationalstaaten, dass einerseits<br />
nichts gegen ihren Willen, aber<br />
fast alles in ihrem Interesse durchgesetzt<br />
werden kann. Der Lenkungsausschuss<br />
setzt sich zusammen aus<br />
den Verteidigungsministern der beteiligten<br />
EU-Staaten bzw. deren Vertretern.<br />
Er kann auch „je nach zu behandelndem<br />
Themenkreis [...] in besonderer<br />
Zusammensetzung (z. B.<br />
nationale Rüstungsdirektoren, nationale<br />
Verantwortliche für Verteidigungsplanung,<br />
nationale Direktoren<br />
für Verteidigungsforschung oder politische<br />
Direktoren)“ zusammentreten.<br />
Innerhalb dieses elitären Machtzirkels<br />
kann sich die militärische<br />
10 Grad nach links<br />
neigen - Schreiber ansetzen -<br />
U - s - u - l - verdammt - verschrieben<br />
- was für ein<br />
verrückter Traum?<br />
„Was unseren Vätern als verrückter Traum erschien,<br />
ist Realität geworden.“<br />
Silvio Berlusconi zur Unterzeichnung der EU-Verfassung, 29.10.2004<br />
Schüssel und<br />
Plassnik bei<br />
der Unterzeichnung<br />
der EU-Verfassung<br />
in<br />
Rom,<br />
29.10.2004<br />
Creme de la Creme dann in Form<br />
„geschlossener Projekte“ noch besonders<br />
zusammenmauscheln.<br />
Solana: „Unvergleichliche Dynamik“<br />
- Rüstungsbosse: „Historisches<br />
Ereignis“. Oberster<br />
Chef der Rüstungsagentur soll der<br />
Generalsekretär/Hohe Vertreter<br />
(GS/HV) für die Gemeinsame<br />
Außen- und Sicherheitspolitik<br />
(GASP), derzeit Javier Solana, sein.<br />
Im Angesicht solcher Karrieresprünge<br />
kennt Solana, dessen militärischer<br />
Stern als NATO-Generalsekretär<br />
beim Angriffskrieg gegen Jugoslawien<br />
aufgegangen war, nur<br />
mehr den Superlativ, wenn er von<br />
der Militarisierung der Union<br />
spricht. Von „sensationellen Fortschritten“<br />
und einer „unvergleichlichen<br />
Dynamik“ bei der EU-Militärpolitik<br />
schwärmt der sonst so nüchterne<br />
Spanier. Und mit Solana jubeln<br />
die Rüstungsbosse: „Die Gründung<br />
der Agentur ist ein historisches<br />
Ereignis [...] Für die Verteidigungsindustrie<br />
ist sie von allergrößter Bedeutung“.(3)<br />
Österreich ist der Rüstungsagentur<br />
per Ministerratsbeschluss im<br />
Juni 2004 beigetreten. Keine Informationen,<br />
keine öffentliche Debatte<br />
hat über diese Einbindung Österreichs<br />
in die EU-Aufrüstungspolitik<br />
stattgefunden. Die Spitzen der rotgrünen<br />
Opposition haben ihre Unterstützung<br />
der Regierungspolitik<br />
durch unüberhörbares Schweigen<br />
kundgetan.<br />
Gerald Oberansmayr<br />
Anmerkungen:<br />
(1) Solana Javier, Europ. Sicherheit<br />
6-2004<br />
(2) Albers Peter, Europ. Sicherheit<br />
9-2004<br />
(3) Eine starke europäische Verteidigungsagentur<br />
nützt allen - nutzen wir<br />
die Chance!, 15.6.2004<br />
(4) Sh. oben, und: www.europa-digital.de/aktuell<br />
... Fortsetzung von Seite 1<br />
gen die Haltung und Politik der eigenen<br />
Eliten durchgesetzt werden<br />
müssen. Dies wollen wir mit unserer<br />
Umbenennung unterstreichen.<br />
<strong>Frieden</strong> & <strong>Solidarität</strong> bezeichnen<br />
jedoch nicht nur Ziele, die gegen die<br />
eigenen Eliten durchgesetzt werden<br />
müssen. Sie beschreiben auch einen<br />
Weg, einen Prozess, in den wir als<br />
<strong>Werkstatt</strong> aktiv eingreifen wollen.<br />
Wir wollen die „<strong>Werkstatt</strong>“ zu einer<br />
Organisation weiterentwickeln, die<br />
entscheidend zur Durchsetzung eines<br />
neutralen, solidarischen und<br />
weltoffenen Österreichs beitragen<br />
kann. Das heißt wir wollen in diesen<br />
Auseinandersetzungen praktisch<br />
nützlich sein. Wir wollen keine Organisation<br />
werden, die sich allein in<br />
Lobbying und Politikberatung übt.<br />
Wir wollen aber auch keine Wahl-<br />
Tagebuch EU-Militarisierung<br />
17.09.2004<br />
Die Verteidigungsminister der Europäischen Union in Noordwijk haben<br />
die Aufstellung von sog. EU-Schlachtgruppen konkretisiert, die<br />
innerhalb von fünf Tagen global einsatzbereit sein sollen. Unter anderem<br />
wird am Aufbau einer deutsch-österreichisch-tschechischen<br />
Schlachtgruppe gearbeitet.<br />
17.09.2004<br />
Erste Sitzung des Lenkungsausschusses der Europäischen Rüstungsagentur.<br />
Dabei wurden das Arbeitsprogramm und Fragen zu Statuten,<br />
Personal und Budget besprochen. „Wir haben heute einen weiteren<br />
Meilenstein für eine effizientere ESVP gesetzt“, so Verteidigungsminister<br />
Platter.<br />
20.09.2004<br />
Die Verteidigungsminister von Frankreich, Spanien, Portugal, Italien<br />
und Niederlanden haben sich geeinigt, eine gemeinsame „Europäische<br />
Gendarmerie Streitmacht“ von 3.000 Mann aufzustellen, die „vor,<br />
während und nach Militärinterventionen“ unterstützend eingreifen<br />
soll.<br />
23.09.2004<br />
Nach Informationen der Financial Times plant die EU-Kommission<br />
die Liberalisierung des EU-Rüstungsmarktes. Dadurch sollen die<br />
Konzentrationsprozesse in der Rüstungsindustrie gefördert werden,<br />
um mit den USA „wettbewerbsfähig“ zu sein.<br />
29.09.2004<br />
Milliardenschwerer Auftrag der NATO an den deutsch-französischen<br />
Rüstungskonzern EADS. In Kooperation mit dem US-Rüstungskonzern<br />
Lockheed Martin soll das Raketenabwehrsystem MEADS errichtet<br />
werden.<br />
07.10.2004<br />
Die Europäische Kommission reicht einen Bericht an Rat und EU-<br />
Parlament weiter, in dem gefordert wird, bis 2007 die gemeinsamen<br />
Forschungsetats der Europäischen Union für militärische Projekte zu<br />
öffnen.<br />
08.10.2004<br />
Der britische Premierminister Tony Blair fordert bei einer Rede in<br />
Addis Ababa den möglichst raschen Einsatz der EU-Schlachtgruppen<br />
in Afrika, vorzüglich im Sudan.<br />
12.10.2004<br />
Großauftrag der britischen Armee über die Lieferung von 5.000 Militär-LKW<br />
ergeht an den deutschen Konzern MAN. Auftragsvolumen:<br />
1,6 Milliarden Euro.<br />
04.11.2004<br />
Der Rüstungskonzern EADS revidiert seine Umsatz- und Gewinnprognosen<br />
für das laufende Jahr weiter nach oben. Gegenüber dem Vorjahr<br />
wird ein Umsatzplus von 16 % und eine Gewinnsteigerung von<br />
91 % prognostiziert.<br />
07.11.2004<br />
Der erweiterte Bundesvorstand der Grünen beschließt, sich von der<br />
österreichischen Neutralität zu verabschieden. Für ein friedenspolitisches<br />
Konzept wie die Neutralität soll - wie der Sicherheitssprecher<br />
Peter Pilz betont - in der EU kein Platz mehr sein. Die Grünen wollen<br />
einen gemeinsamen europäischen Verteidigungsminister, der das<br />
Kommando über ein Europa-Heer führt.<br />
08.11.2004<br />
Der Finanzspekulant Mirko Kovats verkauft die VA-Tech-Anteile an<br />
den deutschen Rüstungs- und Atomkonzern Siemens.<br />
Alle bisherigen Tagebucheintragungen können im Internet unter<br />
www.friwe.at nachgelesen werden.<br />
initiative oder Partei werden. Wir<br />
formulieren keine letzten Ziele.<br />
Wir wollen zur Eigenaktivität ermuntern<br />
und dabei praktisch hilfreich<br />
sein. Das haben wir auch bisher<br />
schon versucht zu leisten. Das<br />
<strong>Frieden</strong>svolksbegehren ist ein Beispiel<br />
dafür. Wir wollen jedoch nicht<br />
nur zur Beteiligung an unseren<br />
Kampagnenvorschlägen einladen,<br />
sondern die Menschen dazu ermuntern,<br />
von sich aus für ihre Interessen<br />
aktiv zu werden und ihre Haltung<br />
zum Ausdruck zu bringen. Dafür<br />
müssen wir wichtige - sonst in der<br />
Öffentlichkeit verschwiegene - Infos<br />
zur Verfügung stellen. Dafür brauchen<br />
wir Medien, in denen diejenigen,<br />
deren Interessen an den Rand<br />
gedrängt werden, unzensiert zu Wort<br />
kommen können. Dafür braucht es<br />
praktische Alternativen.<br />
In unserem Programm „Für eine<br />
<strong>Frieden</strong>srepublik“ formulieren wir<br />
eine Politik entsprechend den Haltungen<br />
und Interessen der Mehrheit<br />
der Menschen. Mit unseren Kampagnen<br />
wollen wir dazu beitragen,<br />
dass sich diese Mehrheit als Mehrheit<br />
erkennt und damit gegenüber<br />
dem Establishment wirkmächtig<br />
werden kann. Wir brauchen solche<br />
Beispiele auch in anderen Bereichen,<br />
vor allem in der Frage österreichischen<br />
Eigentums.<br />
Unsere öffentliche Präsenz kann<br />
und darf nicht vom politisch-medialen<br />
Establishment abhängig sein. Eigenaktivität<br />
in konkreten Interessenskämpfen,<br />
Kampagnenfähigkeit<br />
hängen wesentlich davon ab, inwieweit<br />
wir über eigene Medien verfügen.<br />
Diese zu entwickeln dient unsere<br />
Öffentlichkeitsarbeit.
guernica 5/2004 Euro-Militarismus/EU-Verfassung 3<br />
Für eine Volksabstimmung<br />
über die EU-Verfassung!<br />
Am 29. Oktober unterzeichneten die EU-<br />
Staats- und Regierungschefs die EU-Verfassung.<br />
Doch damit ist die Verfassung<br />
noch lange nicht in Kraft. Denn nun muss<br />
sie in allen 25 EU-Staaten ratifiziert werden.<br />
In 10 EU-Staaten sind bereits Volksabstimmungen<br />
vorgesehen. Nicht jedoch<br />
in Österreich. Warum? Offensichtlich haben<br />
die Mächtigen Angst, dass sie im Zuge<br />
einer Volksabstimmung die Inhalte der<br />
EU-Verfassung nicht mehr länger vor den<br />
Menschen verheimlichen können: Aufrüstungsverpflichtung,<br />
Kriegsermächtigung,<br />
militärische Beistandsverpflichtung,<br />
Atomförderung, neoliberale Wirtschaftspolitik,<br />
...<br />
Diese Verfassung ist gegen ein solidarisches<br />
und friedliches Europa gerichtet,<br />
sie ist die Verfassung für ein Europa der<br />
Militärs und Konzerne. Sie steht in offenem<br />
Widerspruch zur österreichischen<br />
Neutralität. Wir fordern daher eine Volksabstimmung<br />
über diese EU-Verfassung.<br />
Wenn Sie auch dieser Meinung sind, ersuchen<br />
wir Sie, diese Petition an den Nationalrat<br />
zu unterschreiben.<br />
Militärstrategen der Europäischen<br />
Union präzisieren<br />
die von Berlin angestoßeneEU-Sicherheitsstrategie<br />
und ziehen einen atomaren<br />
Erstschlag in Betracht.<br />
Bereits die von Berlin initiierte EU-<br />
Militärdoktrin - die erste in der Geschichte<br />
der EU - sieht die Möglichkeit<br />
zur Führung von Angriffskriegen<br />
(„Präventivkriegen“) ausdrücklich<br />
vor. In einem jetzt vorgelegten<br />
„European Defence Paper“, das unter<br />
Mitwirkung eines ehemaligen<br />
deutschen Staatssekretärs erarbeitet<br />
wurde, werden der EU-Erstschlagstrategie<br />
auch Atomwaffen zugeordnet.<br />
In die Präventivkriegsoption<br />
könnten britische und französische<br />
Nuklearstreitkräfte „explizit oder<br />
implizit“ einbezogen werden, heißt<br />
es.<br />
„Präventives Engagement“<br />
durch rasch einsetzbare Streitkräfte.<br />
Bei dem „European Defence<br />
Paper“(1) handelt es sich um ein<br />
von den EU-Regierungen in Auftrag<br />
gegebenes konzeptionelles Dokument<br />
zur Europäischen Militärpolitik,<br />
das vom Institute for Security<br />
Studies (ISS) erarbeitet wurde. Es<br />
soll die Anwendung der 2003 beschlossenen<br />
„Europäischen Sicherheitsstrategie“<br />
präzisieren. Die Autoren<br />
der Studie - eine Gruppe hochrangiger<br />
Militärberater - fordern<br />
eine energische, unverzügliche und<br />
umfassende Aufrüstung der EU. Ziel<br />
müsse sein, den Status einer zur<br />
Führung von Angriffskriegen fähigen<br />
Weltmacht zu erreichen: „Mehr<br />
globale Verantwortung zu übernehmen<br />
[...] und eine Strategie präventiven<br />
Engagements zu übernehmen,<br />
wird nicht erreicht werden, wenn die<br />
gegenwärtige Kluft zwischen Endziel<br />
und Mittel andauert [...] Diese<br />
Ziele rufen nach rasch einsetzbaren<br />
und auf lange Zeit aufrechtzuerhaltenden<br />
Streitkräften“.(2)<br />
Die Außenminister der EU werden<br />
sich demnächst mit diesem Dokument<br />
befassen und konkrete Entscheidungen<br />
über Stand und Perspektiven<br />
der militärischen Optionen<br />
fällen.<br />
<br />
Petition an den Nationalrat<br />
Ich fordere den Nationalrat auf, eine Volksabstimmung über die Ratifizierung<br />
des EU-Verfassungsvertrags zu beschließen, da diese Verfassung viele Lebensbereiche<br />
Österreichs betrifft.<br />
Name Adresse Geb.Dat. Datum Unterschrift<br />
Bitte rücksenden an:<br />
- <strong>Werkstatt</strong> <strong>Frieden</strong> & <strong>Solidarität</strong>, Waltherstr. 15b, A-4020 <strong>Linz</strong><br />
Weitere Unterschriftenlisten: Tel. (0732) 77 10 94, E-Mail friwe@servus.at, Internet www.friwe.at, oder:<br />
- Österreichischer <strong>Frieden</strong>srat, Rosensteingasse 69/6, A-1170 Wien, Tel./Fax (01) 485 87 56,<br />
E-Mail pax.vienna@chello.at<br />
EU auf dem Weg zur Strategie des „atomaren Präventivkriegs“?<br />
„Nukleare Präemption“. Der<br />
angestrebten Rüstungs-Zentralisierung,<br />
die mit der nun beschlossenen<br />
Rüstungsagentur einen Riesenschritt<br />
vorangekommen ist, sind aber wegen<br />
des Widerstrebens einiger Staaten<br />
immer noch Grenzen gesetzt -<br />
insbesondere wenn es um Massenvernichtungswaffen<br />
geht. Der deutsche<br />
Waffenexperte Schmitt, stellvertretender<br />
Direktor des ISS, hält<br />
daher eine Debatte über diese Beschränkungen<br />
für unvermeidlich.<br />
Auch Berliner Militärs und Regierungsberater<br />
sondieren seit einiger<br />
Zeit atomare Optionen und fordern<br />
von der Bundesregierung eine Konzeption<br />
zur Überwindung der noch<br />
bestehenden Widerstände gegen die<br />
beabsichtigte „Nuklearmacht Europa“.<br />
So forderte die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung<br />
(KAS) Anfang<br />
2004 eine „Neuausrichtung<br />
des teilweise überkommenen Völkerrechtsverständnisses“.<br />
Es müsse<br />
die „Zulässigkeit von Präventivschlägen“<br />
festgestellt und ein Angriffskrieg<br />
mit Atomwaffen legitimiert<br />
werden, heißt es bei der KAS:<br />
„Selbst die nukleare Präemption ist<br />
eine zumindest theoretisch vorstellbare<br />
Option“.(3) In einem deutschfranzösischen<br />
Strategiepapier wurden<br />
zur selben Zeit konkrete Vorschläge<br />
für den gemeinsamen Einsatz<br />
von Atomwaffen unterbreitet.<br />
Das Papier schlägt vor, Widerstände<br />
taktisch zu umgehen, um dennoch<br />
„alle Stufen der Eskalationsleiter<br />
abzurufen [...], bis hin zur Drohung<br />
eines Einsatzes nuklearer militärischer<br />
Mittel“. Urheberin des Papiers<br />
war die „Deutsche Gesellschaft für<br />
Auswärtige Politik“, Mitverfasser<br />
das erneut hervorgetretene „Institut<br />
français des relations internationales“.(4)<br />
Explizit oder implizit. Die Vorstellung<br />
eines nuklearen Angriffskrieges<br />
ist jetzt auch auf europäischer<br />
Ebene verankert worden. Lothar<br />
Rühl, ehemaliger Staatssekretär<br />
im deutschen Verteidigungsministerium<br />
und Mitautor des „European<br />
Defence Paper“, stellt zufrieden fest,<br />
dass das Thema „Präemption/<br />
Prävention“ in dem Dokument zwar<br />
vorwiegend unter dem Aspekt von<br />
Kriegseinsätzen mit konventionel-<br />
len Streitkräften und operativen<br />
Spezialkräften behandelt wird. „Immerhin“<br />
werde aber die Möglichkeit<br />
erwähnt, britische und französische<br />
Nuklearstreitkräfte „explizit oder<br />
implizit“ einzubeziehen.(5) In der<br />
Tat heißt es in dem Strategiepapier<br />
bezüglich der Kriegsszenarien der<br />
künftigen EU-Streitmacht: „Wir haben<br />
es nicht vermieden, Szenarien<br />
zu präsentieren, in denen die nationalen<br />
Atomstreitkräfte von EU-Mitgliedstaaten<br />
(Frankreich und Großbritannien)<br />
in die Gleichung entweder<br />
explizit oder implizit eingehen<br />
können“.(6)<br />
www.german-foreign-policy.com<br />
EU-Verfassung = Europa der Konzerne und Generäle<br />
Wussten Sie, dass ...<br />
... die vorgeschlagene EU-Verfassung eine Aufrüstungsverpflichtung beinhaltet.<br />
Im Artikel I-41 heißt es: „Die Mitgliedstaaten verpflichten sich,<br />
ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern“ (Art. I-41, 3).<br />
Damit stehen Abrüstungsbefürworter außerhalb der Verfassung!<br />
... dass ein eigenes Rüstungsamt („Agentur für die Bereiche Entwicklung<br />
der Verteidigungsfähigkeit, Forschung, Beschaffung und Rüstung“) Verfassungsrang<br />
erhält, das die Aufrüstung der EU-Staaten kontrollieren und ankurbeln<br />
soll (Art. I-43, 3).<br />
... dass durch die EU-Verfassung der EU-Ministerrat sich das Mandat für<br />
weltweite Kriegseinsätze erteilt (Art. I-41, Art. III-307).<br />
... dass die EU-Verfassung eine militärische Beistandsverpflichtung enthält,<br />
die schärfer ist als die der NATO (Art. I-41, 7).<br />
... dass im Anhang der EU-Verfassung der EURATOM-Vertrag bekräftigt<br />
wird, der die Förderung der Atomenergie vorsieht.<br />
... dass die EU-Verfassung die Verpflichtung zu einer neoliberalen Wirtschaftspolitik<br />
in Verfassungsrang erhebt: „Die Tätigkeit der Mitgliedstaaten<br />
und der Union umfasst [...] die Einführung einer Wirtschaftspolitik, die<br />
[...] dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb<br />
verpflichtet ist“ (Art. III-177).<br />
... dass die EU-Verfassung der Liberalisierung und Privatisierung öffentlicher<br />
Dienste im Sozial-, Bildungs- und Gesundheitsbereich Tür und<br />
Tor öffnet. In Zukunft soll über „Grundsätze und Bedingungen“ von öffentlichen<br />
Diensten der EU-Minsterrat per Mehrheitsentscheidung beschließen<br />
können (Art. III-122).<br />
... dass die Stimmgewichte in den EU-Räten zugunsten der großen Staaten<br />
und zulasten der kleineren und mittleren verschoben werden: so<br />
steigen die Stimmgewichte Deutschlands um über 100 %, die Frankreichs<br />
und Großbritanniens um 45 %; z. B. verlieren Österreich, Schweden, Portugal,<br />
Griechenland, Belgien, Tschechien, Ungarn, Dänemark, Slowakei,<br />
Finnland, Irland zwischen 35 % und 65 % an Stimmgewichten.<br />
Nähere Informationen im Internet unter www.friwe.at<br />
Anmerkungen:<br />
(1) Institute for Security Studies, European<br />
Union: European defence. A proposal<br />
for a White Paper; Paris, May<br />
2004 (www.iss-eu.org)<br />
(2) European defence, sh. oben, S. 13<br />
(3) Vorbeugende Militäreinsätze (Preemptive<br />
Strikes). Arbeitspapier/Dokumentation<br />
Nr. 120/2004; www.kas.de<br />
(4) Zukunftsfähig? Deutsch-französische<br />
Beziehungen und ESVP; DGAP-<br />
Analyse Nr. 27. Januar 2004;<br />
www.dgap.org<br />
(5) Lothar Rühl: Lücke zwischen Mittel<br />
und Zweck. Das „European Defence<br />
Paper“; Frankfurter Allgemeine Zeitung<br />
01.10.2004<br />
(6) European defence, sh. oben, S. 68<br />
EURO-MILITARISMUS<br />
Forschen für den Krieg<br />
Die Europäische Kommission öffnet<br />
erstmals die gemeinsamen Forschungsetats<br />
der Europäischen Union<br />
für militärische Projekte. Bisher<br />
fördert die EU offiziell nur zivile<br />
Forschung, Ausgaben für Rüstungsforschung<br />
sind nicht erlaubt. Nun<br />
soll ab 2007 ein sicherheitspolitisches<br />
Forschungsprogramm aufgelegt<br />
werden, das die Trennung zwischen<br />
den zivilen und den militärischen<br />
Bereichen aufhebt. Dabei<br />
werden zusätzliche Milliardensummen<br />
für wissenschaftliche Arbeiten<br />
im Interesse der Rüstungsindustrie<br />
bereitgestellt. Die EU-Kommission<br />
will „bis 2007 ein umfassendes europäisches<br />
Programm für Sicherheitsforschung<br />
mit einem angemessenen<br />
Haushalt auf den Weg bringen“<br />
(EU-Konzept für Sicherheitsforschungsprogramm<br />
(IP/04/1090);<br />
europa.eu.int, 09.09.2004). Besonderes<br />
Augenmerk soll auf „zivilmilitärische“<br />
Weltraumprojekte gelegt<br />
werden.<br />
Deutsch-österreichische<br />
Schlachtgruppe vorbereitet<br />
Die Verteidigungsminister der EU-<br />
Mitgliedstaaten haben bei einem<br />
Treffen im niederländischen Seebad<br />
Noordwijk die künftige Aufstellung<br />
von europäischen Schlachttruppen<br />
(„Battle-Groups“) konkretisiert.<br />
Vorangetrieben wird das „Battle-<br />
Group“-Konzept vor allem von<br />
Deutschland, Frankreich und Großbritannien.<br />
Bis spätestens 2007 sollen<br />
neun bis zehn dieser Schlachtgruppen<br />
einsatzfähig sein. Für alle<br />
geografischen und klimatischen Bedingungen<br />
(Wüste, Dschungel,<br />
Hochgebirge, usw.) sollen spezifische<br />
Schlachtgruppen ausgebildet<br />
werden, die innerhalb von 5 bis 30<br />
Tagen rund um die Welt zum Einsatz<br />
kommen können. Das deutsche Militär<br />
will an drei der bis zu zehn<br />
„Battle-Groups“ beteiligt sein: Eine<br />
Truppe will Deutschland mit Frankreich<br />
und eventuell Spanien und<br />
Belgien zusammenstellen, an einem<br />
deutsch-niederländischen Kampfverband<br />
könnte sich Finnland beteiligen,<br />
und über den Aufbau der dritten<br />
Schlachttruppe berät Berlin derzeit<br />
mit Österreich und Tschechien.<br />
Kolonial-Gendarmerie<br />
Die Verteidigungsminister von<br />
Frankreich, Italien, Spanien, Portugal<br />
und den Niederlanden haben<br />
sich im September geeinigt, eine gemeinsame<br />
paramilitärische Truppe<br />
aufzustellen. Die 3.000 Mann starke<br />
„Europäische Gendarmerie Streitmacht“<br />
(EGF) soll dazu dienen,<br />
nach Kriegen „wie in Bosnien, Kosovo<br />
oder Elfenbeinküste“ die „öffentliche<br />
Ordnung wiederherzustellen“,<br />
wie die französische Verteidigungsministerin<br />
Michelle Alliot-<br />
Marie erklärte. Der italienische Verteidigungsminister<br />
erläutert den kolonialen<br />
Nutzen dieser Truppe:<br />
„Diese Streitkraft kann genutzt werden,<br />
um Konflikte zu verhindern, z.<br />
B. vor einer Militärintervention, sie<br />
kann dazu dienen eine Militärintervention<br />
zu unterstützen, oder sie<br />
kann auch nach einer Militärintervention<br />
zum Einsatz kommen, um<br />
die Nachkonflikt-Situation reibungsfrei<br />
zu gestalten“ (zit. nach EU-Observer,<br />
20.9.2004).
4 Militarisierung Österreichs guernica 5/2004<br />
ÖSTERREICH<br />
Die Aufrüstung geht weiter<br />
Das Verteidigungsministerium kauft<br />
20 Fahrzeuge vom Typ „Dingo 2“<br />
für die Auslandseinsätze des österreichischen<br />
Bundesheeres. Hersteller<br />
ist die Münchner Firma Krauss-<br />
Maffei Wegmann. Das Vorgänger-<br />
Modell des Fahrzeuges habe sich bei<br />
der deutschen Bundeswehr bereits<br />
im Kosovo und in Afghanistan bewährt,<br />
so das Verteidigungsministerium.<br />
Die Lieferung des ersten<br />
„Dingo 2“ ist noch im Dezember<br />
2004 vorgesehen. Die übrigen 19<br />
Fahrzeuge werden 2005 ausgeliefert<br />
und dann den Truppen im Ausland<br />
zugeführt. Platter: „Diese Beschaffung<br />
erfolgte im Zuge des Sicherheitspaketes,<br />
das ich zusätzlich zu<br />
meinem Budget für 2004 erhalten<br />
habe“ (BMLV, 3.10.2004). Zur Erinnerung:<br />
Mit dem Jahreswechsel<br />
2003/2004 erhielt Platter zusätzlich<br />
zum offiziellen Militärbudget 17<br />
Millionen Euro für die „Internationalisierung<br />
des Bundesheeres“. Die<br />
Beschaffung der 20 „Dingo 2“ ist<br />
nur ein „Vorgriff“, nötig seien weitere<br />
derartige Fahrzeuge. Ebenfalls<br />
Bestandteil der Planungsüberlegungen<br />
sei die Beschaffung weiterer<br />
„Pandur“-Radpanzer, so Platter (vgl.<br />
Der Standard Online, 24.10.2004).<br />
Militärbefugnisgesetz vor<br />
Korrektur?<br />
Mit Jahresende muss das Militärbefugnisgesetz<br />
vom Parlament korrigiert<br />
werden, da der Verfassungsgerichtshof<br />
Ende Jänner 2004 Teile davon<br />
für verfassungswidrig erklärt<br />
hat. Derzeit fehlen aber ÖVP und<br />
FPÖ die dafür notwendige Zwei-<br />
Drittel-Mehrheit, da sich die SPÖ<br />
noch sperrt (vgl. Der Standard Online,<br />
22.10.2004). Mit dem Militärbefugnisgesetz<br />
wird den Bundesheer-<br />
Geheimdiensten die Bespitzelung<br />
von BürgerInnen auf bloßen Verdacht<br />
erlaubt. Gemeinden und alle<br />
Körperschaften öffentlichen Rechts<br />
(z. B. Sozialversicherungen, Arbeiterkammern,<br />
Hochschülerschaften)<br />
werden verpflichtet, Auskunft über<br />
BürgerInnen bzw. Mitglieder zu erteilen,<br />
wenn Bundesheer-Geheimdienste<br />
dies verlangen. Die <strong>Werkstatt</strong><br />
<strong>Frieden</strong> & <strong>Solidarität</strong> fordert<br />
weiterhin die Abschaffung des Militärbefugnisgesetzes.<br />
Weitere Infos: www.friwe.at<br />
Die Grünen verabschieden<br />
sich von der Neutralität<br />
Am 29. Oktober 2004, an dem Tag,<br />
an dem Bundeskanzler Schüssel in<br />
Rom die EU-Verfassung, die mit der<br />
österreichischen Neutralität unvereinbar<br />
ist, unterzeichnet hat, fasste<br />
der erweiterte Bundesvorstand der<br />
Grünen einen Beschluss, in dem er<br />
sich von der österreichischen Neutralität<br />
verabschiedet. Ein europäisches<br />
Heer unter einem europäischen<br />
Verteidigungsminister solle<br />
die nationalen Armeen ablösen.<br />
„Vergemeinschaftung heißt, es gibt<br />
keinen nationalen Sonderstatus<br />
mehr. Es gibt weder Neutralität<br />
noch eine Bündnismitgliedschaft“,<br />
so der grüne Sicherheitssprecher Peter<br />
Pilz, der sich schon seit langem<br />
als reaktionärer Vorkämpfer einer<br />
militärischen Supermacht EU hervortut.<br />
Was die grüne Basis wohl<br />
zum Treiben ihrer Führung sagt?<br />
(vgl. Der Standard, 8.11.2004)<br />
Militärbudget<br />
Mehr Geld für Kriegskurs<br />
„In der Zeit des Kalten Krieges war der primäre Zweck des Bundesheeres die Abhaltewirkung, das heißt, es sollte<br />
gar nicht so weit kommen, dass das Bundesheer tatsächlich eingesetzt werden müsste. Heute hingegen<br />
entwickeln wir das Bundesheer immer mehr in Richtung einer Einsatzarmee weiter.“<br />
(Verteidigungsminister Platter)<br />
Höheres Militärbudget für<br />
Auslandseinsätze, ... Das<br />
offizielle Militärbudget wurde erneut<br />
um 70 Millionen Euro erhöht<br />
und beträgt für das Jahr 2005 nun<br />
1,810 Milliarden Euro. Verteidigungsminister<br />
Platter ist begeistert:<br />
„In Zeiten der knappen Staats-Kassen<br />
bedeutet dieses Verhandlungsergebnis<br />
ein klares 'Ja' der Bundesregierung<br />
zur Umsetzung der größten<br />
Heeresreform der Zweiten Republik“.(1)<br />
Und da diese Budgeterhöhung<br />
auch für das Jahr 2006 gilt<br />
und damit insgesamt 140 Millionen<br />
Euro ausmacht, freut sich Platter:<br />
„In Schilling wäre das die Reformmilliarde<br />
für das Bundesheer“.(2)<br />
Damit ist das offizielle Militärbudget<br />
in den letzten 10 Jahren um<br />
knapp 25 % angestiegen (siehe Grafik<br />
1). Zusätzlich kommen dem<br />
Bundesheer die Erlöse aus den Verkäufen<br />
von Liegenschaften und Rüstungsgütern<br />
direkt zugute. Dem<br />
Budgetbericht 2005 ist zu entnehmen,<br />
wofür das zusätzliche Geld<br />
konkret verwendet werden soll:<br />
„Der Mehrbedarf wird für den Aufbau<br />
des - auch an die EU gemeldeten<br />
- Einsatzrahmens für Auslandseinsätze,<br />
für Investitionsausgaben<br />
zum Aufbau der Auslandskapazitäten<br />
[...] benötigt“.(3) Dies korrespondiert<br />
mit den „Empfehlungen“<br />
der Bundesheer-Reformkommission,<br />
die in Richtung „Kriegseinsätze<br />
im Ausland statt Neutralität“ zielen<br />
(siehe guernica 2/2004, S. 5). So<br />
wurde jüngst die Teilnahme an der<br />
Europäischen Verteidigungsagentur<br />
fixiert, die Besatzungstruppen-Präsenz<br />
auf dem Gebiet des ehemaligen<br />
Jugoslawien soll weiter ausgebaut<br />
werden und an der Teilnahme Österreichs<br />
an den „Schlachtgruppen“ der<br />
EU wird fleißig gearbeitet.<br />
... um mit den „Großen“ mitzumarschieren,<br />
... Im Juni 2004<br />
hat die Bundesregierung die volle<br />
Beteiligung an der Europäischen<br />
Verteidigungsagentur beschlossen.<br />
Diese hat u. a. eine zentrale Rolle<br />
bei der militärischen Beschaffung<br />
und der Koordinierung der Streitkräfteentwicklung<br />
sowie der militärischen<br />
Fähigkeiten der EU-Mitgliedstaaten.<br />
Und obwohl sie erst in<br />
der EU-Verfassung verankert wurde<br />
und diese noch nicht in Kraft ist,<br />
wird die Europäische Verteidigungsagentur<br />
bereits mit Jahresbeginn<br />
2005 ihre Arbeit aufnehmen. Beim<br />
informellen Treffen der EU-Verteidigungsminister<br />
am 17. September<br />
2004 fand auch die erste Sitzung des<br />
Lenkungsausschusses der Europäischen<br />
Verteidigungsagentur (EDA)<br />
statt. Dabei wurden das Arbeitsprogramm<br />
und Fragen zu Statuten, Personal<br />
und Budget besprochen. Verteidigungsminister<br />
Platter benutzte<br />
die Gelegenheit um kundzutun, dass<br />
auch österreichische VertreterInnen<br />
an der EDA mitwirken werden und<br />
sprach von einem „Meilenstein“ für<br />
die „Weiterentwicklung der Europäischen<br />
Sicherheits- und Verteidigungspolitik“,<br />
die auch einen<br />
„Impuls für die österreichische Industrie“<br />
bringen wird.(4)<br />
... fremde Länder zu besetzen<br />
... Mit 1. Jänner 2005 übernimmt<br />
die EU die SFOR-Mission der<br />
NATO in Bosnien-Herzegowina.<br />
Das ist nach Mazedonien und Kongo<br />
im Jahr 2003 die dritte eigenständige,<br />
militärische Operation der EU.<br />
Sie wird den euphemistischen Namen<br />
„Althea“ (griechisch: „die Heilende“)<br />
tragen. Vorausblickend hat<br />
Österreich deshalb im Juni 2004 bereits<br />
135 SoldatInnen dort stationiert.<br />
Dieses Kontingent soll mit<br />
Jahreswechsel um weitere 100 aufgestockt<br />
werden.(5) Damit wird die<br />
österreichische Besatzungstruppen-<br />
Präsenz auf dem Gebiet des ehemaligen<br />
Jugoslawien weiter ausgebaut.<br />
Bei diesem Auslandseinsatz des<br />
österreichischen Bundesheeres handelt<br />
es sich nicht um einen klassischen<br />
UNO-Blauhelm-Einsatz. An<br />
solchen beteiligt sich ja Österreich<br />
schon seit dem Jahr 1960, die prominentesten<br />
Beispiele sind der Golan<br />
und bis vor kurzem Zypern.<br />
Merkmale dieser klassischen UNO-<br />
Blauhelm-Einsätze sind, dass sie mit<br />
einem Beschluss des UNO-Sicherheitsrates<br />
unter Führung der UNO<br />
stattfinden und auf Kapitel VI der<br />
UN-Charta basieren, d. h. es handelt<br />
sich bei ihnen um sogenannte Peace-<br />
Keeping-Einsätze. Alle Streitparteien<br />
müssen einen Waffenstillstand<br />
ausverhandelt haben und dem UNO-<br />
Einsatz zustimmen. Die UNO-Blauhelme<br />
dürfen Waffengewalt lediglich<br />
zur Selbstverteidigung anwenden.<br />
Die Auslandseinsätze des österreichischen<br />
Bundesheeres in der<br />
Grafik 2 finden aber unter Führung<br />
der NATO, der EU oder einer sogenannten<br />
Lead-Nation statt; wenn<br />
diese durch einen Beschluss des<br />
UNO-Sicherheitsrates gedeckt sind,<br />
basieren sie auf Artikel VII der UN-<br />
Charta, d. h. es handelt sich um<br />
Kampfeinsätze (Peace-Making, Peace-Enforcement).<br />
Bis Anfang der<br />
1990er Jahre galten solche Einsätze<br />
als mit der österreichischen Neutralität<br />
nicht vereinbar. Aber auch hier<br />
wurde die Neutralität ausgehend von<br />
geänderten politischen Kräfteverhältnissen<br />
einfach uminterpretiert.<br />
... und gegebenenfalls auch zu<br />
überfallen. Dass sich Österreich in<br />
Zukunft nicht nur mit der Besetzung<br />
fremder Länder zufrieden geben<br />
will, zeigen die jüngsten Entwicklungen<br />
rund um die „Battle Groups“<br />
- zu deutsch bezeichnenderweise<br />
„Schlachtgruppen“ - der EU. Bei<br />
den „Schlachtgruppen“ der EU handelt<br />
es sich um bis zu neun, hochspezialisierte<br />
Kampf-Verbände mit<br />
jeweils ca. 1.500 SoldatInnen, die<br />
innerhalb von 5 bis 30 Tagen global<br />
einsatzbereit sein sollen. Sie werden<br />
zusätzlich zur EU-Interventionstruppe<br />
aufgebaut, an der Österreich<br />
mit seinen „Kräften für internationale<br />
Operationen“ (KIOP)<br />
ebenfalls beteiligt ist. Der deutsche<br />
Verteidigungsminister Peter Struck<br />
informierte, dass sich Deutschland<br />
an drei „Battle Groups“ beteiligen<br />
will. Eine „Schlachtgruppe“ solle<br />
zusammen mit Österreich und<br />
Tschechien gestellt werden. Diesbe-<br />
1.900<br />
1.800<br />
1.700<br />
1.600<br />
1.500<br />
1.400<br />
1.300<br />
1.463<br />
Die Auslandseinsätze des österreichischen Bundesheeres<br />
(ohne klassische UNO-Blauhelm-Einsätze)<br />
Land Einsatz Jahr Kont. Führung<br />
Bosnien-<br />
Herzegowina<br />
IFOR/SFOR 1996-<br />
2001<br />
zügliche Gespräche würden bereits<br />
laufen.(6) Bereits im Mai dieses<br />
Jahres verlautbarte das österreichische<br />
Verteidigungsministerium:<br />
„Der Verteidigungsminister strebt<br />
eine Kooperation im Rahmen einer<br />
Europäischen Battle-Group an“.(7)<br />
Kriegskurs. Worum es den österreichischen<br />
Eliten mit dieser Orientierung<br />
geht, hat Verteidigungsminister<br />
Platter bei seiner Rede beim Europäischen<br />
Forum Alpbach auf den<br />
Punkt gebracht: „In der Zeit des<br />
Kalten Krieges war der primäre<br />
Zweck des Bundesheeres die Abhaltewirkung,<br />
das heißt, es sollte gar<br />
nicht so weit kommen, dass das Bundesheer<br />
tatsächlich eingesetzt werden<br />
müsste. Heute hingegen entwickeln<br />
wir das Bundesheer immer<br />
mehr in Richtung einer Einsatzarmee<br />
weiter“. Und weil Österreich<br />
ein Kleinstaat ist, ist es bei diesen<br />
imperialen Ambitionen auf größere<br />
Partner in einem Verbund angewiesen:<br />
„Hierbei denken wir nicht mehr<br />
rein national sondern vor allem europäisch.<br />
Der Leitgedanke ist also<br />
die 'Europäisierung' des Bundesheeres.<br />
Und Europäisierung meint<br />
auch, dass diese Strukturen so geschaffen<br />
und geplant werden müssen,<br />
dass sie tatsächlich zur Verfügung<br />
stehen und eingesetzt werden<br />
können“.(8) Damit wird erneut do-<br />
300 NATO<br />
SFOR 2004 150 NATO<br />
EUFOR-<br />
ALTHEA<br />
ab<br />
2005<br />
250 EU<br />
Kosovo KFOR<br />
seit<br />
1999<br />
600<br />
Mazedonien<br />
EUFOR-<br />
2003<br />
CONCORDIA<br />
15 EU<br />
Kongo<br />
EUFOR-<br />
ARTEMIS<br />
2003 3 EU<br />
Afghanistan<br />
Ausgaben des Bundes<br />
Militärische Angelegenheiten<br />
(in Mio. EUR, Quelle: BMF)<br />
1.487 1.504 1.536 1.552<br />
1.603<br />
1.734<br />
1.666 1.665<br />
1.761 1.740<br />
NATO (-><br />
EU?)<br />
ISAF 2002 70 NATO<br />
ISAF 2004 3 NATO<br />
1.810<br />
1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005<br />
Grafik 1: Das offizielle Militärbudget wurde erneut um 70 Millionen<br />
Euro erhöht und beträgt für das Jahr 2005 nun 1,810 Milliarden Euro.<br />
Damit ist es in den letzten 10 Jahren um knapp 25 % angestiegen.<br />
Zusätzlich kommen dem Bundesheer die Erlöse aus den Verkäufen von<br />
Liegenschaften und Rüstungsgütern direkt zugute.<br />
Anmerkung: bis 2003 = reale Ausgaben, 2004 = Budget, 2005 = Budget-Entwurf;<br />
die realen Ausgaben für 2004 und 2005 werden erfahrungsgemäß höher<br />
ausfallen; so wurden z. B. für 2003 (so wie für 2004) 1,740 Milliarden Euro<br />
budgetiert (real: 1,761 Milliarden Euro)<br />
Grafik 2: Die Auslandseinsätze des österreichischen Bundesheeres, die<br />
keine klassischen UNO-Blauhelm-Einsätze sind, nehmen rasch zu.<br />
kumentiert, wie weit sich die offizielle<br />
Politik bereits vom völker- und<br />
verfassungsrechtlichen Boden der<br />
Neutralität entfernt hat. Kämpfen<br />
wir für die bedingungslose Verteidigung<br />
der österreichischen Neutralität,<br />
deren Kern die Verpflichtung<br />
ist, sich prinzipiell an keinen Kriegen<br />
zu beteiligen. Österreichische<br />
SoldatInnen haben im Ausland<br />
nichts verloren - weder als Besatzungs-<br />
noch als Interventionstruppen.<br />
Günter Reder<br />
Anmerkungen:<br />
(1) Platter: Heer startet 2005 voll<br />
durch! (BMLV, www.bmlv.gv.at,<br />
13.10.2004)<br />
(2) ebd.<br />
(3) Budgetbericht 2005 (BMF, S. 15)<br />
(4) vgl. Verteidigungsagentur bringt<br />
wichtigen Impuls für Österreich<br />
(BMLV, www.bmlv.gv.at, 17.09.2004)<br />
(5) Bundesheer entsendet mehr Soldaten<br />
nach Bosnien (BMLV,<br />
www.bmlv.gv.at, 27.09.2004)<br />
(6) vgl. Die Welt, 17./18.09.2004<br />
(7) Platter: Headline-Goal 2010 bedeutet<br />
neue Qualität militärischer Zielsetzungen<br />
(BMLV, APA OTS, 17.05.2004)<br />
(8) Minister Platter beim Forum Alpbach:<br />
EU-Verteidigungspolitik mitgestalten<br />
(BMLV, www.bmlv.gv.at,<br />
01.09.2004)
guernica 5/2004 EU und Rechtsextremismus 5<br />
„Politischer Großraum Europa“<br />
Konzepte der radikalen Rechten als Grundlage<br />
EUropäischer Großraumpolitik<br />
Wer war Carl Schmitt? „Einer<br />
der wichtigsten intellektuellen<br />
Wegbereiter der Nazis“, schreibt<br />
Wolfgang Gessenharter, Professor<br />
an der Bundeswehrhochschule in<br />
Hamburg. Der Staatsrechtstheoretiker<br />
habe „selbst mit den Menschenund<br />
Grundrechten des Grundgesetzes<br />
[...] nichts Positives anfangen“<br />
können, berichtet Gessenharter. Auf<br />
Schmitt stützten sich in den 1990er<br />
Jahren wichtige Protagonisten der<br />
radikalen Neuen Rechten.<br />
Politischer Großraum Europa<br />
über Schaffung von Kerneuropa.<br />
Wer ist Carl Schmitt? Der<br />
Schöpfer der „Großraumtheorie“,<br />
die inzwischen „neue Aufmerksamkeit“,<br />
gar „Interesse“ weckt,<br />
schreibt die Frankfurter Allgemeine<br />
Sonntagszeitung. An die Stelle des<br />
traditionellen Völkerrechts „treten<br />
Großräume, die von Reichen geordnet<br />
und geführt werden“, referiert<br />
das Blatt die 1939 publizierte<br />
Schmitt´sche NS-Legitimationsideologie.<br />
„Kann diese Theorie von<br />
Nutzen sein für die Gegenwart?“,<br />
fragt der Autor rhetorisch und bejaht:<br />
Es sei „konsequent, dass<br />
Frankreich und Deutschland versuchen,<br />
den politischen Großraum Europa<br />
auf dem Umweg der Schaffung<br />
eines Kerneuropas zu verwirklichen“.<br />
Die Großraumtheorie des NS-<br />
Wegbereiters Schmitt dringt Stück<br />
für Stück aus dem Milieu der radikalen<br />
Rechten ins offizielle Berlin<br />
vor. Erich Vad etwa, ehemaliger Generalstabsoffizier,<br />
heute sicherheitspolitischer<br />
Berater der CDU/CSU-<br />
Bundestagsfraktion, hält das Konzept<br />
für hochaktuell. Zwar sei das<br />
deutsche Projekt eines „europäischen<br />
Großraums“ bislang stets gescheitert,<br />
räumt Vad ein; das spreche<br />
jedoch nicht gegen seine Notwendigkeit:<br />
„Europa bildet wie andere<br />
geopolitische Räume eine Einheit<br />
[...] und es muss deshalb, um auf<br />
Dauer zu bestehen, einen adäquaten<br />
Machtanspruch erheben und weltanschaulich<br />
begründen“.<br />
„Adäquaten Machtanspruch<br />
erheben und weltanschaulich<br />
begründen“. Vads Hommage an<br />
Carl Schmitt erschien im Frühjahr<br />
2003, in der ersten Nummer der<br />
Zeitschrift „Sezession“. Herausgeber<br />
des Blattes ist das „Institut für<br />
Staatspolitik“ (IfS), das der „Neuen<br />
Rechten“ zugeordnet wird und der<br />
als rechtsradikal bezeichneten Wochenzeitung<br />
„Junge Freiheit“ nahe<br />
steht. Die Erstlingsnummer stand<br />
unter dem Motto „Krieg“, einer „anthropologischen<br />
Konstante“, wie es<br />
beim IfS heißt. Weitere Autoren des<br />
Heftes: Oberst a. D. Klaus Hammel,<br />
zuvor Stabschef eines Wehrbereichskommandos,<br />
und Gebhard<br />
Geiger, Mitarbeiter der Forschungsgruppe<br />
Sicherheitspolitik des bedeutendsten<br />
außenpolitischen Think-<br />
Tanks Berlins, der Stiftung Wissenschaft<br />
und Politik (SWP).<br />
Die renommierte sicherheitspolitische<br />
Autorenschaft in der neurechten<br />
Zeitschrift deutet es an, die<br />
Hymne auf Carl Schmitt in der<br />
Sonntags-FAZ weist darauf hin:<br />
Großmachtkonzepte, die in den<br />
1990er Jahren noch als abseitig<br />
rechts galten, berühren heute die<br />
operative Berliner Politik. Die Abkoppelung<br />
des „europäischen<br />
Großraums“ vom amerikanischen<br />
Gegenpart, von Carl Schmitt in den<br />
1930er Jahren vorgedacht, steht auf<br />
der Tagesordnung der rot-grünen<br />
deutschen Regierung. Die stellt<br />
ihren Weltmachtanspruch inzwischen<br />
recht offen zur Schau. Und<br />
verbindet die „europäische“ Großmachtpolitik<br />
mit der Absicht, die<br />
deutsche Führung über den<br />
„Großraum Europa“ zu sichern.<br />
Ethnisierung als Instrument<br />
deutscher Vormacht. Nicht weniger<br />
traditionell als Carl Schmitts<br />
„Großraumtheorie“ sind die Methoden,<br />
die Berlin hierbei anwendet.<br />
Wirtschaftlich dominiert der „Systemkopf“<br />
(Hans-Peter Stihl)<br />
Deutschland die EU-Peripherie, vergleichbar<br />
vielleicht den Plänen für<br />
eine europäische Großraumwirtschaft<br />
aus den 1930er Jahren. Die<br />
politische Beherrschung schreitet<br />
ebenfalls voran, sie wird abgesichert<br />
durch ein nicht weniger altes Konzept:<br />
Durch die Ethnisierung der europäischen<br />
Staaten, durch die Politisierung<br />
vermeintlicher „Völker“<br />
und „Volksgruppen“, durch eine<br />
„Neuordnung“ des Kontinents auf<br />
völkischer Grundlage.<br />
Das Prinzip ist banal, aber nach<br />
wie vor wirkungsvoll: „Völker“ und<br />
„Volksgruppen“, die nach Autonomie<br />
streben, schwächen die Zentralmacht<br />
des Staates, in dem sie leben.<br />
Deutschland betrifft das kaum - dort<br />
gibt es nur vier quantitativ unbedeutende<br />
nicht deutschsprachige<br />
„Volksgruppen“. Frankreich hingegen<br />
müsste nach völkischen Kriterien<br />
die Zentralverwaltung über mehrere<br />
große Gebiete zurücknehmen<br />
(Alsace, Bretagne, „Okzitanien“, u.<br />
a.), Belgien zerfiele komplett in drei<br />
autonome Regionen (Flandern, Wallonie,<br />
das deutschsprachige Gebiet<br />
um Eupen und St. Vith). Jugoslawien<br />
und die Tschechoslowakei sind<br />
bereits in ethnisch definierte Staaten<br />
zerlegt, Mazedonien und Serbien<br />
droht der weitere Zerfall.<br />
Nur auf den ersten Blick erscheint<br />
die Ethnisierung des „europäischen<br />
Großraums“ als Zerstörungswerk<br />
ohne Sinn. Autonome<br />
Regionen in geschwächten Staaten<br />
können sich neu orientieren, können<br />
ihre Bindungen an die Hauptstadt<br />
schwächen, mit dem Nachbarstaat<br />
neue Beziehungen eingehen. Revisionen<br />
werden dadurch möglich,<br />
eine „Neuordnung“ ohne militärische<br />
Grenzkorrektur. Beispielhaft<br />
zeigt das ein Modellfall völkischer<br />
deutscher Regionalisierungspolitik:<br />
Die deutschsprachige Minderheit in<br />
Ostbelgien. Seit Jahrzehnten mit<br />
stets wachsenden Sonderrechten<br />
ausgestattet, löst sie sich Stück um<br />
Stück aus den belgischen Strukturen,<br />
bindet sich vertraglich immer<br />
enger an das deutsche Bundesland<br />
Nordrhein-Westfalen.<br />
Ein Einzelfall? Keineswegs.<br />
Eine gleichgerichtete Politik betreibt<br />
Deutschland entlang seiner<br />
kompletten Außengrenze. Österreich<br />
zeigt ähnliche Ambitionen<br />
(„Südtirol“), Ungarn ebenfalls<br />
(Südslowakei, Vojvodina, Transsilvanien).<br />
Die Revisionsbewegung erinnert<br />
in ihrer Gesamtheit an die<br />
Bündnisse der Zwischenkriegszeit,<br />
die sich gegen die Pariser <strong>Frieden</strong>sverträge<br />
wandten. Der Unterschied:<br />
Heute kommt man womöglich auch<br />
ohne offene Grenzrevisionen aus.<br />
Eine Parallele zur damaligen Situation<br />
hingegen: Ergebnis der Revision<br />
ist die Stärkung der deutschen Hegemonie.<br />
„Auch mit Massenvernichtungswaffen<br />
gegen den<br />
Feind“. „Großraum“-Pläne, völkische<br />
„Neuordnungs“-Konzepte: Die<br />
Anklänge der operativen Berliner<br />
Außenpolitik an traditionelle deut-<br />
sche Strategien sind offenkundig, an<br />
Strategien, die bislang stets zum<br />
Themenarsenal der radikalen Rechten<br />
gehörten. Erstaunlich nur, dass<br />
es Berlin immer noch gelingt, seine<br />
Operationen als fortschrittliches<br />
Handeln zu verkaufen: Beginnende<br />
„Großraum“-Pläne als Eindämmung<br />
der brutalen US-Militärpolitik, die<br />
völkische „Neuordnung“ als „Befreiung<br />
unterdrückter Völker“. Ein<br />
verführerisches Mitmach-Angebot,<br />
gerade auch an Linke. Genau dies ist<br />
der Vorteil desjenigen, der bei der<br />
Aufteilung der Welt zu spät gekommen<br />
ist und die bestehende Ordnung<br />
umstürzen muss, um die Hegemonie<br />
zu erlangen: Er kann sich mit den<br />
(oft zu Recht) Unzufriedenen gegen<br />
die herrschende Konkurrenz verbünden.<br />
Freilich ist eine solche weltumstürzlerische<br />
Politik nicht ohne militärischen<br />
Machtapparat zu haben.<br />
Erich Vad erinnert in „Sezession“<br />
daran, unter Verweis auf Carl<br />
Schmitts „Bestimmung des Politischen<br />
durch die Unterscheidung von<br />
Freund und Feind“. Die entscheidenden<br />
Gewaltmittel müssten bereitgestellt<br />
werden, meint der Ex-<br />
Generalstabsoffizier: „Wer hat jetzt<br />
das Recht, den Feind zu definieren<br />
und gegen ihn mit allen Mitteln - das<br />
heißt unter den gegebenen Umständen<br />
auch mit Massenvernichtungswaffen<br />
- vorzugehen? Wer darf Strafen<br />
gegen den definierten Feind verhängen<br />
und sie - notfalls präventiv -<br />
durchsetzen?“ Hochrüstung ist die<br />
logische Folge Schmitt´scher<br />
„Großraum“-Politik.<br />
NPD-Chef Udo Voigt, schreibt<br />
die Frankfurter Rundschau, „sitzt<br />
[...] an seinem kleinen Schreibtisch<br />
in seinem Berliner Büro, zitiert Carl<br />
Schmitt, den Rechtstheoretiker des<br />
autoritären Staates“. Der Aufschwung<br />
Schmitt´scher Konzepte in<br />
der deutschen Außenpolitik nützt<br />
auch Voigt, der sich auf den NS-<br />
Wegbereiter stützt. Lange mussten<br />
dessen Konzepte in der radikalen<br />
Rechten überwintern, jetzt scheint<br />
die Zeit reif, sie wieder hervorzukramen.<br />
Denn Berlin und Paris, so<br />
schreibt die FAZ, streben die Bildung<br />
eines „europäischen<br />
Großraums“ an - und das sei „konsequent“.<br />
Beitrag der Redaktion<br />
www.german-foreign-policy.com<br />
Erfolgreiche<br />
Antifa-Demo<br />
in <strong>Linz</strong><br />
Trotz strömenden Regens demonstrierten<br />
am 9. Oktober 500 Menschen<br />
gegen Rechtsextremismus<br />
und Rassismus. Damit setzten die<br />
AntifaschistInnen ein deutliches<br />
Zeichen gegen die zunehmenden<br />
Übergriffe von rechtsextremen<br />
Gruppen in Oberösterreich. In<br />
der gemeinsamen Plattform wurde<br />
das Verbot der neofaschistischen<br />
Gruppierungen BFJ und<br />
AFP gefordert.<br />
UND HEUTE GEHÖRT<br />
UNS EUROPA ...<br />
Ein militärisch hochgerüstetes,<br />
deutsch (französisch) geführtes Europa,<br />
das die derzeitige Supermacht<br />
USA an der Spitze der globalen<br />
Hierarchie ablöst, das ist der EU-<br />
Fahrplan, der derzeit hinter den Kulissen<br />
mit Elan vorangetrieben wird:<br />
Aufrüstungsgebot in der EU-Verfassung,<br />
Headline-Goal 2010, Rüstungsagentur,<br />
Schlachtgruppen,<br />
usw. Sich zum aggressiven Sprachrohr<br />
dieser Politik zu machen, eint<br />
zunehmend die verschiedenen<br />
rechtsextremen Strömungen: So<br />
heißt es in „Nation & Europa“, dem<br />
theoretischen und strategischen Leitorgan<br />
des deutschen Rechtsextremismus:<br />
„Der Denkansatz, Europa<br />
zu einen, ist prinzipiell richtig. Sich<br />
als überzeugter Europäer zu bekennen,<br />
bedeutet keinen Verrat am eigenen<br />
Volk. Im Gegenteil. Der Befürworter<br />
Europas will die Isolierung<br />
Deutschlands verhindern. Es muss<br />
den Deutschen erlaubt sein, sich einen<br />
leistungsangemessenen Platz im<br />
europäischen Haus zu sichern - und<br />
zwar im Zentrum, nicht an der Peripherie.<br />
Deshalb auch meine Bejahung<br />
einer führenden Rolle Kerneuropas,<br />
das vor allem auf der engen<br />
Zusammenarbeit zwischen<br />
Frankreich und Deutschland beruht“<br />
(N&E 6-2004). Euro-Chauvinismus<br />
plus Anti-Amerikanismus<br />
sind die ideologischen Zwillinge<br />
rechtsradikaler Propaganda. Der<br />
Bund Freier Jugend (BFJ) ruft auf<br />
seiner Web-Page zum nationalen<br />
Schulterschluss im innerimperialen<br />
Machtkampf auf: „Die nationale<br />
Forderung [...] lautet: Die USA sind<br />
unser Unglück und deshalb: Anti-<br />
Amerikanismus ist das Gebot der<br />
Stunde!“ Das Vorbild der germanischen<br />
Jungrecken sind „die Großväter<br />
und Urgroßväter“, die schon im<br />
2. Weltkrieg „für die Freiheit ihres<br />
Volkes“ gekämpft hätten. Schließlich<br />
hätten - so der rechte FP-Ideologe<br />
Andreas Mölzer - auch die Nazis<br />
bereits versucht „den Kontinent zu<br />
einigen“ (Europa am Scheideweg).<br />
Ein weiterer freiheitlicher Rechtsaußen,<br />
der Wiener FP-Obmann<br />
Heinz-Christian Strache, weiß sich<br />
mit seiner Anspielung auf die „amerikanische<br />
Ostküste“ ganz im herrschenden<br />
Mainstream: „Wir sollten<br />
unsere Energien darauf konzentrieren,<br />
eine gemeinsame Außenpolitik<br />
zu betreiben, welche nur die europäischen<br />
Interessen und nicht die<br />
der Wall Street vertritt“ (zit. n. Kontext<br />
XXI 4-5/2004, S. 20). Und die<br />
„nationalen Info-Telefone“ läuten<br />
am rechten Rand, was Solana,<br />
Schröder und Chirac im Zentrum<br />
der Macht diskret betreiben: „Europa<br />
braucht eine eigene atomare Verteidigung<br />
und muss sich von den<br />
USA lösen, und zwar kulturell, wirtschaftlich<br />
und militärisch“ (NIT,<br />
13.9.2001). Unter dem Dach eines<br />
EU-Chauvinismus wächst offensichtlich<br />
zusammen, was zusammengehört.<br />
Wohlwollend bewirbt<br />
das rechtsextreme Monatsmagazin<br />
„Nation & Europa“ das Buch des<br />
Grün-Abgeordneten Peter Pilz „Mit<br />
Gott gegen alle, Amerikas Kampf<br />
um die Weltherrschaft“. Kein Wunder.<br />
Gipfelt doch Pilz´ Plädoyer für<br />
eine militärisch starke europäische<br />
Weltmacht, die es mit den Amis aufnehmen<br />
kann, in einem Satz, bei<br />
dem alle Nazis feuchte Augen kriegen:<br />
„Der Schlüssel zur neuen europäischen<br />
Rolle liegt in Deutschland“.
6 EU und Rechtsextremismus guernica 5/2004<br />
ASYLPOLITIK<br />
Hinter der Scheibe<br />
Diana ist 7 Jahre alt. Ihren Vater<br />
darf sie nur durch eine Glasscheibe<br />
sehen. Er sitzt im Polizeigefängnis<br />
Hernalser Gürtel in Schubhaft. Diana<br />
wurde in einem Krisenzentrum<br />
der Gemeinde Wien untergebracht.<br />
Diana und ihr Vater sind Tschetschenen.<br />
Dem Völkermord entronnen,<br />
den die russische Besatzungsmacht<br />
in ihrer Heimat verübt. Das<br />
reiche Österreich hat ihren Asylantrag<br />
zurückgewiesen. Weil sie angeblich<br />
in der Slowakei vor Verfolgung<br />
sicher sind. Bis zum 30. April<br />
war die Slowakei nach ständiger<br />
Rechtsprechung des Unabhängigen<br />
Bundesasylsenats (UBAS) ein nicht<br />
sicherer Drittstaat. In der Nacht<br />
zum 1. Mai ist sie plötzlich sicher<br />
geworden. Weil sie seither EU-Mitglied<br />
ist. Diana und ihr Vater sind<br />
schon einmal von Österreich in die<br />
Slowakei abgeschoben worden.<br />
Dort waren sie kurze Zeit in einem<br />
Lager. In ständiger Angst, weitergeschoben<br />
zu werden in die Ukraine<br />
und von dort nach Russland, ins<br />
Verfolgerland - wie es schon so<br />
manchem anderen tschetschenischen<br />
Flüchtling ergangen ist. Daher<br />
haben Diana und ihr Vater noch<br />
einmal versucht, nach Österreich zu<br />
flüchten. Seither können sie einander<br />
nur mehr durch die Scheibe sehen.<br />
Dianas Asylantrag durfte - ob<br />
die Slowakei nun sicher ist oder<br />
nicht - keinesfalls zurückgewiesen<br />
werden. Sie ist traumatisiert. Laut<br />
Mitteilung der Amtsärztin der Erstaufnahmestelle<br />
Traiskirchen leidet<br />
sie an einer Anpassungsstörung, die<br />
sich in Bettnässen, Schlafstörungen<br />
und Angstzuständen äußert. Traumatisierte<br />
sind zum Verfahren zuzulassen.<br />
„Asyl in Not“ hat für Diana und<br />
ihren Vater Berufungen gegen die<br />
Zurückweisung ihrer Asylanträge<br />
und Schubhaftbeschwerden eingebracht.<br />
Wahrscheinlich werden sie<br />
trotzdem wieder abgeschoben. Das<br />
ist Strasserland, im Herbst 2004.<br />
Manchmal spüren wir nur mehr<br />
Ohnmacht. Und Wut.<br />
Michael Genner (Asyl in Not)<br />
„Minder schwerer Fall von<br />
Körperverletzung“<br />
Wer einen Menschen fesselt, knebelt,<br />
an einen Stuhl bindet und den<br />
Hilflosen sodann durch gewaltsames<br />
Ersticken auf grausame Weise<br />
zu Tode bringt, handelt in einem<br />
„minder schweren Fall von Körperverletzung“.<br />
Dies entschied im<br />
Herbst 2004 ein Frankfurter Gericht.<br />
Die amtliche Würdigung hat<br />
zur Voraussetzung, dass es sich bei<br />
dem Getöteten um einen afrikanischen<br />
Flüchtling und bei den Tätern<br />
um deutsche Beamte handelt. Das<br />
Tatmerkmal der Grausamkeit sei<br />
nicht zu erkennen, entschied das<br />
Gericht. Die Grenzschutz-Beamten<br />
wurden auf freien Fuß gesetzt und<br />
können weiterhin als Hoheitsträger<br />
der Bundesrepublik Deutschland<br />
tätig sein. Die drei angeklagten Beamten<br />
des Bundesgrenzschutzes<br />
(BGS) hatten am 28. Mai 1999 den<br />
sudanesischen Flüchtling Aamir<br />
Ageeb während der gewaltsamen<br />
Durchsetzung seiner Abschiebung<br />
nach Khartum erstickt.<br />
www.german-foreign-policy.com<br />
Positionspapier der <strong>Werkstatt</strong> <strong>Frieden</strong> & <strong>Solidarität</strong><br />
Das Verbotsgesetz anwenden - Rechte Politik stoppen!<br />
Am rechten Rand des politischen Spektrums findet eine Neuformierung statt. Mit den EU-Parlamentswahlen vom<br />
13. Juni 2004 schaffte der bekennende Deutschnationale Andreas Mölzer (FPÖ) den Einzug ins Europaparlament.<br />
Gemeinsam mit anderen rechtsextremen Gruppierungen wie der norditalienischen „Lega Nord“ oder dem belgischen<br />
„Vlaams-Block“ will er die von der EU-Kommission bereitgestellten Millionen für „Europäische Parteien“<br />
nutzen, um eine europaweite rechtsextreme Organisation aufzubauen. Rechtsextreme Gruppierungen, wie der BFJ<br />
(Bund Freier Jugend) suchen Andockmöglichkeiten bei der Antikriegsbewegung oder der globalisierungskritschen<br />
Bewegung.<br />
Diese Neuformierung rechter<br />
Kräfte geschieht vor dem Hintergrund<br />
der strategischen Krise der<br />
Haider-FPÖ. Für diese gibt es zwei<br />
wesentliche Ursachen:<br />
Der Versuch der Haider-FPÖ, das<br />
Österreichbewusstsein rechtsextrem<br />
zu wenden, ist gescheitert. Sie<br />
konnten wohl verbreitete ausländerfeindliche<br />
Stimmungen für ihre Politik<br />
nutzen, insgesamt erwies sich<br />
jedoch das mit Neutralität und sozialer<br />
Gleichheit verknüpfte nationale<br />
Selbstverständnis der Mehrheit<br />
der Menschen in Österreich als unvereinbar<br />
mit rechtsextremer Politik.<br />
Die Stammeszugehörigkeit der<br />
Menschen ist eben nicht die politische<br />
Grundlage unserer Republik.<br />
Die Spitzen der FPÖ sind selbst<br />
voll ins politische Establishment integriert.<br />
Die FPÖ war die erste politische<br />
Partei, die den EU- und den<br />
NATO-Beitritt Österreichs forderte.<br />
Die „Kleine Mann“-Rhetorik der<br />
Haider-FPÖ kann auf Dauer nicht<br />
darüber hinwegtäuschen, dass die<br />
von der EU betriebene Politik des<br />
sozialen Kahlschlags, der Militarisierung<br />
und Entdemokratisierung<br />
voll auf ihrer Linie liegt.<br />
Die strategische Krise der Haider-FPÖ<br />
darf nicht dazu verleiten,<br />
die Neuformierung rechter, deutschnationaler<br />
Kräfte zu unterschätzen.<br />
Zwei Momente müssen uns<br />
alarmieren:<br />
1. Die strategischen Ziele dieser<br />
Kräfte liegen voll auf Linie der<br />
herrschenden Eliten.<br />
2. Die herrschende Politik führt zu<br />
massenhafter Entwertung der Menschen.<br />
Gewerkschaften, fortschritt-<br />
4. Treffen des Antifa-Netzwerk<br />
liche politische Organisationen haben<br />
es bis dato nicht geschafft, bündige<br />
Gegenstrategien anzubieten.<br />
Zu 1: Die derzeitige Politik ist eine<br />
Politik der Zertrümmerung der fortschrittlichen<br />
Grundlagen der II. Republik:<br />
a) Mit der EU-Verfassung soll<br />
rechte Politik in den Verfassungsrang<br />
gehoben werden. Die Neutralität<br />
wird ausgehebelt, den Mitgliedstaaten<br />
wird eine Aufrüstungsverpflichtung<br />
aufgezwungen. Die<br />
ärmeren Staaten des Südens und<br />
Ostens werden zu Objekten des<br />
neuen Militärinterventionismus degradiert.<br />
b) Der Neoliberalismus wird zur<br />
Staatszielbestimung. Sozialabbau,<br />
Liberalisierung, Privatisierung öffentlicher<br />
Leistungen führen zu einem<br />
Regime des Sozialdarwinismus.<br />
c) Staatliche Strukturen werden<br />
nicht abgeschafft, sondern entdemokratisiert.<br />
Mit der Losung „Europa<br />
muss mit einer Stimme sprechen!“<br />
wird ein Superautoritarismus<br />
eingeleitet. Der europäische<br />
„Außenminister“ wird, mit Sondervollmachten<br />
ausgestattet, in einen<br />
EU-Feldmarschall verwandelt. Mit<br />
der Europäischen Zentralbank und<br />
der Europäischen Rüstungsagentur<br />
werden wesentliche gesellschaftliche<br />
Bereiche der demokratischen<br />
Kontrolle entzogen. Das Prinzip der<br />
Gewaltenteilung wird ausgehebelt:<br />
Der EU-Rat, die Versammlung der<br />
Staats- und Regierungschefs, bekommt<br />
in zentralen gesellschaftlichen<br />
Fragen unmittelbare Rechts-<br />
Konsequente Anwendung des<br />
NS-Verbotsgesetzes<br />
Am 2. Oktober 2004 fand im Bildungshaus Schloss Puchberg in Wels<br />
das 4. Treffen des Antifa-Netzwerkes statt. Rund 100 VertreterInnen<br />
von 43 politischen, kirchlichen, kulturellen und humanitären Organisationen<br />
waren dabei.<br />
Der Historiker Univ.-Lektor Thomas Hellmuth behandelte den austrofaschistischen<br />
Ständestaat der Jahre 1934 bis 1938. Dessen Begründer Engelbert<br />
Dollfuß (1892-1934) habe Demokratie und Arbeiterbewegung<br />
zerschlagen und dadurch dem Nationalsozialismus, dem er selbst zum<br />
Opfer fiel, den Weg bereitet. Eine Verharmlosung oder gar Verklärung<br />
des Diktators Dollfuß, wie sie in manchen Kommentaren der letzten Zeit<br />
angeklungen ist, sei völlig unangebracht, sagte Hellmuth. Darüberhinaus<br />
gab es eine Reihe eindrucksvoller Berichte und Kurzreferate zu antirassistischer<br />
und antifaschistischer Arbeit. Boris Lechthaler stellte in diesem<br />
Rahmen das Positionspapier der <strong>Werkstatt</strong> <strong>Frieden</strong> & <strong>Solidarität</strong> „Das<br />
Verbotsgesetz anwenden - Rechte Politik stoppen!“ vor.<br />
Die TeilnehmerInnen des Treffens fassten auch inhaltliche Beschlüsse.<br />
So forderten sie eine konsequente Anwendung des NS-Verbotsgesetzes<br />
auf Neonazi-Gruppen wie den „Bund Freier Jugend“ (BFJ). Das Netzwerk<br />
verlangt außerdem die Erfüllung der oö. Asylquote, die derzeit um<br />
rund 1.000 Personen unterschritten wird. Es sei keinesfalls akzeptabel,<br />
wenn das Land seine Asylvereinbarung mit dem Innenministerium zu<br />
Lasten der Flüchtlinge ignoriere.<br />
setzungskompetenz.<br />
d) Unter dem Titel „ethnische<br />
Selbstbestimmung“ wird der Blutund<br />
Bodenideologie breiten Raum<br />
gegeben und die Souveränität der<br />
kleinen und mittleren Nationalstaaten<br />
untergraben.<br />
e) Die Souveränität Österreichs<br />
und damit ihre antifaschistischen<br />
Grundlagen, das Verbotsgesetz,<br />
werden systematisch zerstört.<br />
wirtschaftlich (Industrie, Medien,<br />
Finanzintermediäre)<br />
militärisch und polizeilich<br />
politisch über die Parteien<br />
Mit rechter Politik kann der Gefahr<br />
von Rechts nicht begegnet werden.<br />
Zu 2: Immer mehr Menschen<br />
werden in ihren sozialen und demokratischen<br />
Rechten beschnitten und<br />
entwürdigt. Sie finden kaum Rückhalt<br />
bei den großen politischen und<br />
gewerkschaftlichen Organisationen,<br />
weil diese vielfach in die herrschende<br />
Politik eingebunden sind. Wenn<br />
es nicht gelingt, Handlungsfähigkeit<br />
von unten gegen die zerstörerische<br />
Politik von oben herzustellen, werden<br />
viele empfänglich für chauvinistische<br />
Überheblichkeit und Ausgrenzung<br />
nach unten. Soweit Opposition<br />
entwickelt wird, ist diese oft<br />
Wasser auf den Mühlen der herrschenden<br />
rechten Politik:<br />
a) Für vieles wird eine naturwüchsige<br />
Globalisierung und das anonyme<br />
internationale Finanzkapital<br />
verantwortlich gemacht. Verschwiegen<br />
wird, dass die Verantwortlichen<br />
Namen und Adresse haben: die Eliten<br />
der großen nach Vorherrschaft<br />
strebenden Nationalstaaten und ihre<br />
großen Konzerne.<br />
VA-Tech<br />
b) Systematisch wird in der Antikriegsbewegung<br />
das Augenmerk<br />
ausschließlich auf die Politik des<br />
Konkurrenten USA gelenkt. Aufrüstung<br />
und Kriegspolitik der eigenen<br />
Eliten werden ausgeblendet.<br />
c) Die Realität Europas wird mit<br />
chauvinistischem Sendungsbewusstsein<br />
überhöht. Wieder soll am<br />
„europäischen Wesen die Welt genesen“!<br />
Diese Gemengelage öffnet<br />
rechtsextremen Kräften Tür und Tor.<br />
Ihre derzeitige Schwäche ist vielmehr<br />
ihrer eigenen momentanen<br />
Unfähigkeit geschuldet als der Stärke<br />
der demokratischen Kräfte. Antifaschismus<br />
darf sich nicht in sauberer<br />
Sprache und Haltungsbetulichkeit<br />
erschöpfen. Für Österreich heißt<br />
Antifaschismus die fortschrittlichen<br />
Grundlagen der II. Republik zu<br />
wahren und sie für das 21. Jahrhundert<br />
in Bewegung zu setzen.<br />
In diesem Sinne fordern wir:<br />
Aus dem Verbotsgesetz muss<br />
ein wirksames Instrument gegen<br />
politische Kräfte geschmiedet<br />
werden, die Demokratie und<br />
Rechtsstaatlichkeit zerstören und<br />
Österreich wieder an die Seite<br />
von Militarismus und Krieg<br />
führen wollen.<br />
Die sofortige Umsetzung der<br />
Forderungen des <strong>Frieden</strong>svolksbegehrens.<br />
Die Erhaltung der sozialen<br />
Standards und des öffentlichen<br />
Eigentums.<br />
Finanzspekulant verkauft VA-<br />
Tech-Anteile an Rüstungskonzern<br />
Der Ausverkauf der österreichischen Industrie ist der gerade Weg in<br />
die Fänge der Rüstungsindustrie. Das beweist einmal mehr der Verkauf<br />
der VA-Tech-Anteile an Siemens durch den Spekulanten Mirko Kovats.<br />
Siemens ist ein großer deutscher Rüstungskonzern (siehe den Beitrag<br />
in der guernica 4/2004), der sowohl an der EU-Aufrüstung als auch<br />
an der US-Militarisierung kräftig verdient. Gemeinsam mit dem französischen<br />
Konzern Framatome ist Siemens einer der weltweit größten<br />
AKW-Produzenten. Siemens hat bereits angekündigt, dass sie beim derzeitigen<br />
16 %-Anteil an der VA-Tech nicht stehen bleiben wollen, sondern<br />
die Übernahme anstreben.<br />
Mirko Kovats wird durch diesen Verkauf innerhalb eines Jahres um 100<br />
Millionen Euro reicher. Den Arbeitnehmern verkündet er dagegen, dass<br />
sie in Zukunft durch „ein Tal der Tränen gehen müssen“, weil ihr Lebensstandard<br />
zu hoch ist (OÖN, 6.11.2004). Der Zynismus der Reichen<br />
wird immer unerträglicher.<br />
Privatisierung, Sozialabbau und Aufrüstung sind verschiedene Seiten ein<br />
und derselben Politik. Wer sich mit der Selbstherrlichkeit von Finanzspekulanten,<br />
Rüstungsindustriellen und ihnen ergebenen Politikern nicht<br />
abfinden will, ist eingeladen, bei der <strong>Werkstatt</strong> <strong>Frieden</strong> & <strong>Solidarität</strong> mitzuarbeiten.<br />
Nächstes Plenum: Dienstag, 16. November 2004, 18 Uhr,<br />
Waltherstr. 15b, A-4020 <strong>Linz</strong>; Kontakt: Tel. (0732) 77 10 94, E-Mail<br />
friwe@servus.at, Internet: www.friwe.at
guernica 5/2004 <strong>Frieden</strong>svolksbegehren 7<br />
Interview mit Jupp Stadler über Herausforderungen für <strong>Frieden</strong>sbewegung und<br />
Gewerkschaftsarbeit. Jupp Stadler ist Arbeiterbetriebsrat in der vöestalpine.<br />
„Ich werde das <strong>Frieden</strong>svolksbegehren<br />
sicher unterstützen“<br />
Du warst in den 80er Jahren in<br />
der Sprechergruppe der OÖ.<br />
<strong>Frieden</strong>sbewegung. Jetzt bist du<br />
Vöest-Betriebsrat. Was verbindet<br />
beides?<br />
Als Arbeiterbetriebsrat bin ich<br />
Sprachrohr für die Arbeiter, und<br />
habe entschieden deren Interessen<br />
zu vertreten. Da geht es auch sehr<br />
oft um einen Verteilungskampf. Die<br />
Reichen wollen sich ihren Reichtum<br />
absichern, dazu brauchen sie das<br />
Militär. Es geht auch weltweit um<br />
einen Verteilungskampf. Wer hat<br />
Zugang zu den Rohstoffen? In der<br />
<strong>Frieden</strong>sbewegung war ich auch<br />
Sprecher, Sprecher für diejenigen,<br />
die den <strong>Frieden</strong> wollen. Leider sind<br />
es meistens die Arbeiter, die für die<br />
Reichen in den Krieg ziehen müssen.<br />
Würde man all das ganze Geld,<br />
welches in die Rüstung hineingesteckt<br />
wird, für die Beschäftigung<br />
verwenden, hätten wir auf der<br />
ganzen Welt eine Vollbeschäftigung.<br />
Wie geht´s ein Jahr nach der Menschenkette?<br />
Leider wurde die Vöest verkauft.<br />
Wir haben zwar die Mitarbeiterbeteiligung<br />
mit etwas über 10 % Anteile,<br />
aber die Zukunft der Vöest<br />
hängt von stabilen Eigentümern ab.<br />
Der Staat war ein stabiler Eigentümer.<br />
Da sind die Arbeitnehmer<br />
schon etwas verunsichert, besonders<br />
wenn Aktien in ausländischen Besitz<br />
wandern. Es gibt ja genug Beispiele<br />
von feindlichen Übernahmen, wer<br />
kümmert sich dann um die Arbeitsplätze?<br />
Der Vorstandsvorsitzende der vöestalpine<br />
Stahl, Wolfgang Eder, wird<br />
mit dem Satz „Die Voest ist nicht mit<br />
<strong>Linz</strong> verheiratet“ zitiert. Welche<br />
Wirkung hat diese Äußerung auf die<br />
Belegschaft gehabt?<br />
Im Werk <strong>Linz</strong> wird derzeit viel investiert,<br />
daher haben viele Arbeitnehmer<br />
diesen Satz nicht verstanden.<br />
Im Gegenteil, uns wurde immer erklärt,<br />
wie strategisch wichtig und<br />
geografisch optimal die voestalpine<br />
Stahl in Europa verankert liegt.<br />
Wie gehen die Gewerkschaften in<br />
die heurige Herbstlohnrunde?<br />
Wichtig wird es sein, dass die Angestellten<br />
und Metaller gemeinsame<br />
Sache machen. Ein Punkt kann ein<br />
einheitliches Entlohnungssystem<br />
sein, im Gleichklang zur Angleichung<br />
von Arbeiter und Angestellten,<br />
die neben der üblichen Lohnund<br />
Gehaltserhöhung aus verhandelt<br />
wird.<br />
Was denkst du über die vorliegenden<br />
Pläne zur Pensionsharmonisierung?<br />
Vorerst einmal wurden bei der Pensionsreform<br />
alle Arbeitnehmer geschröpft.<br />
Es ist eine Frage des Wertes:<br />
Was ist dem Staat wertvoll? Das<br />
die Reichen immer reicher werden,<br />
oder dass der Reichtum ungerecht<br />
verteilt ist, ist vielen klar. Wenn ich<br />
will, dass jeder Mensch einen annehmbaren<br />
verdienten Ruhestand<br />
haben kann, dann muss mir das auch<br />
etwas Wert sein. Also legt diese Regierung<br />
keinen Wert auf Arbeitnehmer,<br />
die jahrelang geschuftet haben.<br />
Ich denke, wenn jemand 45 Jahre<br />
gearbeitet hat, hat man sich auch einen<br />
dementsprechenden Ruhestand<br />
verdient.<br />
Unmittelbar nach der Erweiterung<br />
der EU wurde von der Industrie eine<br />
Diskussion über Arbeitszeitverlängerung<br />
angezettelt. Wie stehen die<br />
Gewerkschaften dazu?<br />
Die Gewerkschaften lehnen eine<br />
versteckte Lohnkürzung, was im<br />
Falle einer Arbeitszeitverlängerung<br />
zutreffen würde, entschieden ab.<br />
Dies wäre auch ein völlig falscher<br />
Ansatz, bei steigender Arbeitslosigkeit,<br />
die Arbeitszeit zu verlängern.<br />
Ist EU-Beitritt neutralitätswidrig?<br />
Folgt man der sozialdemokratischen NR-<br />
Abgeordneten Petra Bayr in ihrer Argumentation,<br />
dann hat die SPÖ die Menschen in<br />
Österreich über die Vereinbarkeit von EU-<br />
Mitgliedschaft und Neutralität belogen. In einem<br />
Brief an die <strong>Frieden</strong>svolksbegehrensaktivistin<br />
Hilde Grammel schreibt Bayr, sie werde<br />
das <strong>Frieden</strong>svolksbegehren nicht unterzeichnen,<br />
„da sie der Forderung der Abschaffung<br />
bzw. Änderung des § 23f der BV nichts<br />
abgewinnen kann. Dieser Paragraf ist Grundlage<br />
für den österreichischen Beitritt zur EU<br />
gewesen. Diese Forderung entspricht also ei-<br />
Jupp Stadler<br />
„Eine Verfassung welche Privatisierung, Steuerwettlauf,<br />
Abbau von Sozialsystemen und Aufrüstung zu Staatsziel-<br />
Bestimmungen macht, muss abgelehnt werden.“<br />
In solchen Fällen muss die Arbeitszeit<br />
verkürzt werden, so dass möglichst<br />
viele einen Arbeitsplatz haben.<br />
Also muss die Antwort eine Arbeitszeitverkürzung<br />
sein, die Unternehmen<br />
könnten sich dass leisten.<br />
Die Debatte über eine Volksabstimmung<br />
zur EU-Verfassung wird immer<br />
heftiger. Wie stehst du dazu?<br />
Eine Verfassung, die den Menschen<br />
dienlich ist und nicht dem Kapital,<br />
welche die Würde des Menschen im<br />
Mittelpunkt stellt, die Rechte der<br />
Arbeitnehmer berücksichtigt und<br />
welche ein eng geflochtenes soziales<br />
Netz sicherstellt, ist für Europa zu<br />
begrüßen. Ich halte eine Volksabstimmung<br />
über die EU-Verfassung<br />
deshalb für gut, weil sich die Menschen<br />
mit den Inhalten dieser Verfassung<br />
auseinandersetzen sollen.<br />
Eine Verfassung welche Privatisierung,<br />
Steuerwettlauf, Abbau von Sozialsystemen<br />
und Aufrüstung zu<br />
Staatsziel-Bestimmungen macht,<br />
muss abgelehnt werden.<br />
Kannst du Dir vorstellen, das <strong>Frieden</strong>svolksbegehren<br />
zu unterstützen?<br />
Ich halte es für sehr traurig, dass ein<br />
Volk für den <strong>Frieden</strong> begehren muss.<br />
Weil wir aber ständig mit kriegerischen<br />
Auseinandersetzungen konfrontiert<br />
sind, ist es ein Muss für den<br />
<strong>Frieden</strong> zu begehren. Ich werde es<br />
sicher unterstützen.<br />
Glück auf!<br />
ner unausgesprochenen Forderung, aus der<br />
EU auszutreten“. Nun haben aber sowohl der<br />
ehemalige Präsident des Verfassungsgerichtshofs<br />
Adamovic, als auch der derzeitige, Korinek,<br />
öffentlich festgehalten, dass dieser Artikel<br />
23f in Widerspruch zum Neutralitätsgesetz<br />
steht. Im Zuge dessen Novellierung<br />
gemäß des Vertrages von Amsterdam am 18.<br />
Mai 1998 wurde sogar eine Kriegsermächtigung<br />
an Kanzler und Außenministerin im<br />
Rahmen des EU-Rates erteilt. Seitdem ist der<br />
Artikel 23f das offene Scheunentor für alle<br />
Neutralitätszertrümmerer. Der Artikel 23f B-<br />
Petrovic für Kriegseinsätze<br />
mit UNO-Mandat<br />
Die Grünen NÖ, namentlich<br />
Thomas Huber im Auftrag der<br />
Abgeordneten Petrovic, teilen in einem<br />
Schreiben an den <strong>Frieden</strong>svolksbegehrensaktivisten<br />
Manfred<br />
Meyer am 1. Juli 2004 mit, dass sie<br />
das <strong>Frieden</strong>svolksbegehren nicht<br />
unterstützen können. Die Beendigung<br />
der Beteiligung an der NATO-<br />
Partnerschaft für den <strong>Frieden</strong> sei<br />
„absolut unrealistisch“. Ebenso „absolut<br />
unrealistisch“ sei die Forderung<br />
nach Streichung des Kriegsermächtigungsartikels<br />
23f aus der<br />
Bundesverfassung. Warum eigentlich?<br />
Die in einem Arbeitsübereinkommen<br />
mit der ÖVP verbundenen<br />
Grünen OÖ unterstützen das <strong>Frieden</strong>svolksbegehren,<br />
ebenso die in<br />
rot-grüner guter Hoffnung befindlichen<br />
Wiener Grünen. Ist Rudi Anschober<br />
„absolut unrealistisch“?<br />
Wenn man schon mit den beiden<br />
großen Parlamentsparteien so paktfähig<br />
ist, wäre dann nicht das Ausradieren<br />
dieses Schandflecks aus unserer<br />
Verfassung eine conditio sine<br />
qua non für Regierungsverhandlungen?<br />
Oder will Petrovic eben diese<br />
Möglichkeit an die Futtertröge zu<br />
kommen, nicht durch Bedingungen<br />
gefährden, die den kriminellen Elitenkonsens<br />
in der Frage der öster-<br />
Gelungene<br />
antimilitaristische<br />
Aktion<br />
Während am 26.10. das Bundesheer<br />
am Heldenplatz in Wien<br />
krampfhaft versuchte, sich als<br />
sinnvolle Institution darzustellen,<br />
feierten die AntimilitaristInnen<br />
direkt gegenüber einen Tag für<br />
<strong>Frieden</strong> und soziale Gerechtigkeit.<br />
Kabarett und Debatten um<br />
friedenspolitische Inhalte rund<br />
um das Zelt der Wiener Grünen<br />
und einiger NGOs fanden regen<br />
Zulauf. Besonders lustvoll wurde<br />
das „Radioballett“ gestaltet; bei<br />
dieser Kunstform irritierten<br />
Menschen, die Regieanweisungen<br />
über Radio und Kopfhörer<br />
erhielten, die Uniformierten. Die<br />
martialische Inszenierung des<br />
Bundesheeres zeigt umso mehr<br />
die Notwendigkeit friedenspolitischer<br />
Alternativen, wie wir sie<br />
mit dem <strong>Frieden</strong>svolksbegehren<br />
fordern. Daher: <strong>Frieden</strong>svolksbegehren<br />
unterschreiben!<br />
Rosi Krenn<br />
Internet: www.verweigert.at<br />
VG karikiert jegliche ernsthafte, auf aktive<br />
Neutralität orientierende Außenpolitik. Der<br />
Artikel 23f ist ein Schandfleck im österreichischen<br />
Rechtssystem, der entfernt werden<br />
muss. Je früher, desto besser. Der Artikel<br />
23f und die Neutralität schließen sich genauso<br />
wechselseitig aus, wie sich nach Auffassung<br />
der Abgeordneten Bayr 23f und EU-Mitgliedschaft<br />
wechselseitig bedingen. Dann hätte<br />
man ja 1994 die Leute belogen, als man ihnen<br />
erzählte, EU-Beitritt und Neutraliät seien<br />
problemlos unter einen Hut zu bringen. Warum<br />
haben dann Dänemark im Vertrag von<br />
reichischen Kriegsbeteiligung in<br />
Frage stellen? „Wir schlagen daher<br />
vor, Einsätze im Rahmen der Petersberger<br />
Aufgaben (Kriegseinsätze,<br />
Anm. d. Red.) nur mit einem UNO-<br />
Mandat durchzuführen“. Ganz abgesehen<br />
davon, dass ein Kriegseinsatz<br />
auch mit UNO-Mandat völkerrechts-<br />
und neutralitätswidrig sein<br />
kann. Wem schlägt Petrovic das eigentlich<br />
vor? Dem Papst, Joschka<br />
Fischer oder gar dem zukünftigen<br />
Verteidigungsminister Pilz? Ist das<br />
absolut realistisch?<br />
Die <strong>Frieden</strong>swerkstatt <strong>Linz</strong> kann<br />
nicht gemeint sein. In einem Brief<br />
teilt uns Frau Petrovic am 23.6.1998<br />
(!) mit, sie werde „selbstverständlich<br />
auch unter Ausnutzung aller<br />
parlamentarischen Mittel und Möglichkeiten<br />
gegen die vorgesehene<br />
Verfassungsänderung (23f BVG)<br />
stimmen. Wir ersuchen Euch aber,<br />
uns in der Öffentlichkeitsarbeit entsprechend<br />
zu unterstützen und die<br />
Informationen über den Inhalt der<br />
Verfassungsänderung wie die Vorgangsweise<br />
Euren Mitgliedern auch<br />
mitzuteilen“.<br />
Das machen wir seit nunmehr<br />
6 Jahren. Etwas anderes von uns zu<br />
erwarten, wäre auch absolut unrealistisch.<br />
Amsterdam und Irland im Vertrag von Nizza<br />
Sonderklauseln bezüglich der Gemeinsamen<br />
Verteidigung zugesprochen bekommen? Entscheidet<br />
über die Frage, was vereinbar und<br />
was nicht vereinbar ist, letztlich, ob und wie<br />
lange man den Leuten ein M für ein N vormachen<br />
kann? „Will man den Austritt aus der<br />
Europäischen Union diskutieren, so sollte<br />
man dies nach Meinung von Frau Bayr auch<br />
offen deklariert tun“, schreibt ihre Mitarbeiterin.<br />
Gilt das nicht vielmehr dafür, wenn man<br />
Aufrüstung und Krieg nicht nur diskutiert,<br />
sondern praktisch vorbereitet?
8 <strong>Frieden</strong>svolksbegehren guernica 5/2004<br />
Unterstützen auch Sie das<br />
<strong>Frieden</strong>svolksbegehren!<br />
Wer die Neutralität direkt oder indirekt über EU-„Beistandspflicht“<br />
(EU-Verfassung, Euro-Armee) oder NATO-<br />
Anbindung im Namen der „<strong>Frieden</strong>ssicherung“ abschaffen<br />
will, hintergeht die Bevölkerung und betreibt Landesverrat.<br />
Dr. Wilfried Leisch<br />
(GewerkschafterInnen gegen Atomenergie und Krieg)<br />
Ich engagiere mich für das <strong>Frieden</strong>svolksbegehren, weil<br />
ich finde, dass die österreichischen VertreterInnen in der<br />
EU sich für eine aktive <strong>Frieden</strong>spolitik einsetzen und<br />
Österreich nicht sukzessive in eine Kriegspolitik hineinziehen<br />
sollen.<br />
Hilde Grammel<br />
(Lehrerin, Botschaft der besorgten BürgerInnen)<br />
Ich bin sehr froh und dankbar, dass der Gedanke des Pazifismus<br />
durch Initiativen wie das <strong>Frieden</strong>svolksbegehren<br />
weitergetragen wird. Bush und seine Waffenhändler-<br />
Freunde sind beileibe nicht die einzigen Kriegstreiber;<br />
solche finden sich, nur besser verkleidet, auch in Österreich<br />
und der EU.<br />
Leo Lukas (Kabarettist)<br />
Ich bin froh, dass es das <strong>Frieden</strong>svolksbegehren gibt. Es<br />
gibt die Möglichkeit, etwas gegen Aufrüstung und die Abschaffung<br />
unserer Neutralität zu tun. Außerdem lebe ich<br />
im Aichfeld mit dem Militärflughafen Zeltweg. Ein Nein<br />
zum Ankauf der Eurofighter, soziale Sicherheit statt Aufrüstung,<br />
sind mir deshalb ein besonderes Anliegen.<br />
Renate Pacher (Gemeinderätin in Knittelfeld)<br />
Wie kann man nicht für ein <strong>Frieden</strong>svolksbegehren sein?<br />
Die Menschheit hat noch nie aus der Vergangenheit<br />
gelernt. „Die Waffen nieder!“ - leider nur ein prämierter<br />
Spruch!<br />
Fritz Machac<br />
(SeniorInnenvertreter, Wien)<br />
Gerade jetzt, da die EU militärisch aufrüstet, ist es notwendig,<br />
dass sich neutrale Staaten aktiv für eine <strong>Frieden</strong>spolitik<br />
und für präventive Maßnahmen zur Konfliktvermeidung<br />
einsetzen. Daher unterstütze ich das <strong>Frieden</strong>svolksbegehren.<br />
Reidun Ott<br />
(Gemeinderätin in Hart bei Graz)<br />
Die österreichische Bundesregierung kauft Abfangjäger,<br />
demontiert die Neutralität und gefährdet durch ungerechte<br />
Reformen die soziale Sicherheit. Das <strong>Frieden</strong>svolksbegehren<br />
wendet sich gegen diese Entwicklung. Das unterstütze<br />
ich voll und ganz.<br />
Jürgen Himmelbauer<br />
(Mobilitätsstadtrat in <strong>Linz</strong>)<br />
Durch Krieg kann heute kein Problem der Welt gelöst<br />
werden. Unser Geld muss verwendet werden für soziale<br />
Gerechtigkeit, nicht für Waffen und für Einsatz von<br />
Militär. Alle Kriege, die ich miterlebt habe, waren sinnlos<br />
und brachten unendliches Leid.<br />
Erika Zendron<br />
(Aktivistin des <strong>Frieden</strong>svolksbegehrens, <strong>Linz</strong>)<br />
Seit ich in Österreich lebe, habe ich die Neutralität schätzen<br />
gelernt. Die NATO, eines der aggressivsten Bündnisse<br />
der Welt ist auch nach dem Wegfall des Kalten Krieges<br />
die größte Bedrohung für den Weltfrieden. Deshalb keine<br />
Beteiligung an NATO, EU-Armee, für eine aktive <strong>Frieden</strong>spolitik.<br />
Gerhard Elitzer (Betriebsratsvorsitzender<br />
Roche Diagnostics GmbH Graz)<br />
Das Leben in <strong>Frieden</strong> ist für mich ein wichtiges Ziel!<br />
Dies ist dann möglich, wenn wir bereits jungen Menschen<br />
ein Zusammenleben in <strong>Frieden</strong> vorleben und sie bei einer<br />
friedvollen Konfliktbewältigung begleiten.<br />
Renate Kriegl<br />
(Kindergarten- und Gestaltpädagogin)<br />
Wieviele „Feinde“ müssen auf dieser Erde noch getötet<br />
werden, damit kapiert wird, das Geld für Waffen nur zu<br />
immer dickeren Brettern vor unseren Augen führt. Wir<br />
bezahlen´s mit fehlgeleitetem Steuergeld, dem Leben unserer<br />
Söhne und Töchter und wir sind die Kollateralschäden<br />
- danach, weil vorher nicht verhindert!<br />
Rudi Schober (<strong>Frieden</strong>svolksbegehren, Ottensheim)<br />
FRIEDENSVOLKSBEGEHREN<br />
Volksbegehren für <strong>Frieden</strong>spolitik durch aktive Neutralität<br />
statt NATO-Anbindung und Beteiligung an einer EU-Armee<br />
Wir beantragen gesetzliche Maßnahmen, mit denen die Bundesregierung zu einer <strong>Frieden</strong>spolitik<br />
im Sinne folgender Zielstellungen verpflichtet wird:<br />
Die Republik Österreich bekennt sich im Sinne des Bundesverfassungsgesetzes über die<br />
Neutralität Österreichs BGBl 1955/211 zu einer aktiven Neutralitätspolitik. In diesem Sinne orientiert<br />
sich die Außen- und Sicherheitspolitik an den Prinzipien des Dialogs, der Konfliktvermeidung, der<br />
friedlichen Konfliktregelung und der internationalen <strong>Solidarität</strong>.<br />
Die Republik Österreich darf keine SoldatInnen, keine Waffen, keinen Euro für eine EU-Armee<br />
bereitstellen. Sämtliche Zusagen der Bundesregierung in diesem Zusammenhang werden<br />
widerrufen. Die Republik Österreich wird keine militärische Beistandsverpflichtung in der<br />
Europäischen Union eingehen. Der Nationalrat streicht den neutralitätswidrigen Artikel 23f B-VG<br />
aus der Verfassung.<br />
Die Republik Österreich beendet die Beteiligung an der „NATO-Partnerschaft für den <strong>Frieden</strong>“<br />
und wird auch der NATO nicht beitreten. Sämtliche gesetzliche und verwaltungsrechtliche<br />
Bestimmungen in diesem Zusammenhang werden außer Kraft gesetzt.<br />
Alle Vorhaben, das Bundesheer in Richtung Angriffsfähigkeit umzurüsten, und die dazugehörenden<br />
Aufrüstungspläne (Kampfjets, Großraumtransporter, etc.) werden gestoppt und jegliche Vorbereitungshandlungen<br />
rückgängig gemacht. Wir fordern soziale Sicherheit statt Aufrüstung.<br />
Weitere Informationen im Internet unter www.friedensvolksbegehren.at
guernica 5/2004 Krieg gegen den Irak 9<br />
Ein Herz für 200 $, ein Kopf für 50 $<br />
Horror in Bagdad: Handel mit menschlichen Organen<br />
(Leicht gekürzt aus: La Stampa, 27.9.2004; Autor: Guiseppe Zaccaria)<br />
Seit Monaten wird im Irak der<br />
Rohstoff verkauft, der im Land<br />
reichlich vorhanden ist - menschliche<br />
Körper. Vollständige Leichen,<br />
Organe für Transplantationen, abgetrennte<br />
Köpfe für die Ausbildung<br />
von Zahnärzten werden täglich auf<br />
Kühlwagen Richtung Kuwait und<br />
Irak transportiert und landen<br />
schließlich in australischen, japanischen<br />
und schweizer Kliniken. Bei<br />
diesem Geschäft geht es um Milliarden<br />
Dollar, es werden enorme Bestechungsgelder<br />
gezahlt und moralische<br />
oder religiöse Bedenken existieren<br />
nicht mehr. Die ersten Spuren<br />
fand man vor einigen Wochen,<br />
als ein Transport im Ort Qaime an<br />
der syrischen Grenze gestoppt worden<br />
war. Hinter einer Ladung Rindfleisch<br />
waren menschliche Leichenteile<br />
versteckt. Der Lenker versuchte,<br />
die Beamten zu bestechen, es gab<br />
eine längere Diskussion und schließlich<br />
wurden die menschlichen Überreste<br />
in der Wüste verstreut, da es<br />
keine Gefrieranlagen gab, und man<br />
die Herkunft der Leichen nicht<br />
kannte.<br />
„Wenn besonders blutige Anschläge<br />
stattfinden, fallen die<br />
Preise“. Diese Geschichte klingt<br />
wie ein Horrorfilm, aber ein Besuch<br />
in der Leichenschauhalle und Gespräche<br />
mit Ärzten und Polizisten<br />
bestätigen, dass der Handel straff organisiert<br />
ist. Im Spital Al Adli, Sitz<br />
des gerichtsmedizinischen Institutes,<br />
erzählte der Arzt Selim Abbas,<br />
dass viele der eintreffenden Leichen<br />
merkwürdige Verstümmelungen<br />
aufweisen. „Es ist uns klar geworden,<br />
als im vergangenen Winter unzählige<br />
Autobomben explodiert sind,<br />
und die Leichen von Zivilisten in<br />
Der US-Krieg gegen den Irak<br />
und die seither andauernde Besatzung<br />
haben etwa 100.000 Iraker-<br />
Innen das Leben gekostet. Zu diesem<br />
Ergebnis kommt eine unabhängige<br />
Studie, die Ende Oktober 2004<br />
in der britischen Medizinzeitschrift<br />
„The Lancet“ veröffentlicht wurde.<br />
Die Studie basiert auf einer Umfrage,<br />
die im Auftrag der renommierten<br />
US-Hochschulen Johns Hopkins<br />
(Baltimore) und Columbia (New<br />
York) sowie der Al-Mustansirija-<br />
Universität in Bagdad im September<br />
von amerikanischen und irakischen<br />
Wissenchaftlern, vorwiegend Ärzten,<br />
durchgeführt wurde. Die Wissenschaftler<br />
befragten knapp tausend<br />
Haushalte in 33 zufällig ausgewählten<br />
Gegenden im Irak und umfassten<br />
ingesamt 7.800 IrakerInnen.<br />
Die Familien wurden gebeten, die<br />
Zahl der seit Anfang 2002 gestorbenen<br />
Angehörigen sowie die Toedesumstände<br />
zu nennen. Die Experten<br />
berechneten auf Grund dieser Daten<br />
„Der Organhandel in den<br />
vergangenen Jahren entwickelte<br />
sich auf Grund<br />
der Korruption einiger<br />
Funktionäre und dem verheerenden<br />
Effekt des Embargos.<br />
Es ist logisch, dass<br />
sich der Handel jetzt immer<br />
weiter ausbreitet, da<br />
die Armut immer größer<br />
wird und es immer mehr<br />
Tote gibt.“<br />
Scharen eingeliefert worden sind.<br />
Einige waren durch die Explosionen<br />
verstümmelt, andere durch Schnittverletzungen.<br />
Es war eindeutig und<br />
es geschah in den folgenden Monaten<br />
immer häufiger, dass jemand die<br />
Opfer einsammelte, um sie in<br />
Spitäler oder Privatkliniken zu bringen,<br />
wo in aller Eile Herz, Nieren<br />
und Leber entfernt wurden. Was<br />
übrig blieb, wurde zu uns gebracht.<br />
Auch der Chef der Kriminalpolizei<br />
bestätigt diese Vorkommnisse.<br />
Schon vor einigen Jahren hätte ein<br />
Räuber, der in eine Villa eingedrungen<br />
sei, statt Wertgegenständen eine<br />
Reihe von Kühlschränken gefüllt mit<br />
menschlichen Überresten vorgefunden.<br />
Damals waren die Zeitungen<br />
voll davon. Es gab Verhaftungen<br />
und man entdeckte einen Organhandel<br />
zwischen dem Irak und den Emiraten.<br />
Endziel war der Westen. Der<br />
Organhandel in den vergangenen<br />
Jahren entwickelte sich auf Grund<br />
der Korruption einiger Funktionäre<br />
und dem verheerenden Effekt des<br />
Embargos. Es ist logisch, dass sich<br />
der Handel jetzt immer weiter ausbreitet,<br />
da die Armut immer größer<br />
wird und es immer mehr Tote gibt“.<br />
„An manchen Tagen“, sagt der<br />
Polizeichef, „wenn besonders blutige<br />
Anschläge stattfinden, fallen die<br />
Preise. Ein Herz ist dann gerade<br />
200 Dollar wert [...] Vor ein paar<br />
Monaten haben wir ein paar Händler<br />
verhaftet, aber es waren kleine<br />
Fische, nämlich Krankenträger. Jedoch<br />
hat jede Bande Helfer unter<br />
den Ärzten und Transportorganisationen.<br />
Andere Banden beschäftigen<br />
professionelle Menschenräuber, die<br />
Menschen entführen, vor allem Kinder“.<br />
(Halb-)tote Iraker - Ware für<br />
den Weltmarkt der Organtransplantationen.<br />
Wie der Diebstahl<br />
der Leichen funktioniert, erzählt die<br />
Ärztin Tahrid Mohammned, Gynäkologin<br />
an der Klinik al Beyah:<br />
„Unter den Ärzten von Bagdad<br />
spricht man viel über diese Sache.<br />
Offensichtlich existieren in der Stadt<br />
mindestens vier Banden. Sie haben<br />
entweder Kleinlastwagen und Ambulanzen<br />
oder sie erpressen die<br />
Fahrer der Spitäler. Wo immer ein<br />
Anschlag geschieht, tauchen diese<br />
Verbrecher auf, wählen die Opfer<br />
aus - die jüngsten, die am wenigsten<br />
zerfetzten, solche die eventuell noch<br />
atmen - und schleppen sie davon.<br />
Wenn die Reste in den gerichtsmedizinischen<br />
Instituten auftauchen,<br />
wird den Angehörigen gesagt, der<br />
Körper sie unidentifizierbar gewesen<br />
und sofort begraben worden. So<br />
verwandeln sich Dutzende oder hunderte<br />
Iraker in Ware für den Weltmarkt<br />
der Organtransplantationen“.<br />
Kinderentführungen für Organhandel?<br />
2.000 Dinar (ca. 1.500<br />
Dollar) für eine Niere, 1.000 Dinar<br />
für eine Leber in gutem Zustand, 50<br />
Dollar für einen Kopf, der in den<br />
Zahnkliniken des Westens für den<br />
Unterricht verwendet wird, sind unglaublich<br />
niedrige Preise - ungefähr<br />
ein Zehntel dessen, was man in Europa<br />
zahlen müsste. Es geht das<br />
Gerücht um, dass ein türkischer<br />
Händler im vergangenen Juni<br />
menschliche Organe im Wert von 4<br />
Millionen Dollar exportiert hätte.<br />
Letzten Endes ist das kein Wunder,<br />
denn die strengen Gesetze eines<br />
Landes, das in ein Spielfeld und einen<br />
Tempel des Hyperliberalismus<br />
verwandelt worden ist, verlangen ja,<br />
dass die Rohstoffe exportiert werden,<br />
die im Überfluss vorhanden<br />
sind.<br />
„Leider“, sagt der Polizeichef,<br />
„fürchten wir seit Monaten, dass die<br />
Verbrecher auch entführte Kinder<br />
zum Zwecke des Organhandels exportieren“.<br />
Das allerdings ist zuviel,<br />
auch für jemand, der sich an den alltäglichen<br />
Horror in dieser Todesfabrik<br />
gewöhnt hat.<br />
Medizinerstudie im Auftrag von US-Universitäten kommt zu grauenhaftem Ergebnis<br />
100.000 Iraker durch Krieg und Besatzung getötet<br />
Medizinerstudie im Auftrag von US-Hochschulen offenbart Grauenhaftes: nach vorsichtigen<br />
Schätzungen hat der Krieg und die Besatzung des Iraks 100.000 IrakerInnen<br />
das Leben gekostet. Vor allem Zivilisten sind Opfer von Gewalt und Militäreinsätzen.<br />
die durchschnittliche Sterberate im<br />
Irak in den Moanten vor und nach<br />
dem 20. März 2003 und rechneten<br />
die Ergebnisse auf die Gesamtbevölkerung<br />
hoch.<br />
58 Mal höheres Todesrisiko als<br />
vor dem Krieg. Die meisten Todesfälle<br />
gehen laut Studie auf Gewalteinwirkung<br />
zurück. 84 % der<br />
Toten resultieren aus Gewalteinsätzen<br />
der Besatzungstruppen und davon<br />
wieder 95 % durch Angriffe der<br />
US-Luftwaffe bzw. Artillerie. Les<br />
Roberts von der John Hopkins<br />
Bloomberg School of Public Helath<br />
weist ausdrücklich darauf hin, dass<br />
es sich um „vorsichtige Schätzungen“<br />
handelt. Denn die Zahlen wurden<br />
zweimal kalkuliert, einmal mit<br />
den Angaben aus der Stadt Falludscha,<br />
in der es zu exzessiver Gewaltanwendung<br />
der US-Truppen gekommen<br />
ist, und einmal unter deren<br />
Ausschluss. Die Daten von Falludscha<br />
außer Acht gelassen, kommt<br />
die Studie zu dem Schluss, dass in<br />
den vergangenen eineinhalb Jahren<br />
vermutlich etwa 98.000 IrakerInnen<br />
mehr starben als zu erwarten gewesen<br />
wäre, hätte die Invasion nicht<br />
stattgefunden. Rechnet man Falludscha<br />
- nur für das Umland - hoch,<br />
müsste man von mehr als 200.000<br />
Toten ausgehen. „Die Gefahr, gewaltsam<br />
zu Tode zu kommen, war in<br />
der untersuchten Zeit nach der Invasion<br />
58 Mal höher als in der Vorperiode“,<br />
heißt es in der Studie.<br />
Hälfte der Toten sind Frauen<br />
und Kinder. Die Bombardierung<br />
der Zivilbevölkerung ist Teil eines<br />
brutalen Kalküls, um einen Keil<br />
zwischen die Bevölkerung und den<br />
kämpfenden Banden zu treiben. Die<br />
Hälfte der Toten sind laut der Ärztestudie<br />
Frauen und Kinder. Gilbert<br />
Burnham, der ebenfalls an der Untersuchung<br />
teilnahm, erklärt, dass<br />
die US-Militäraktionen „sehr<br />
schlecht für die irakischen Zivilisten<br />
waren. Wir haben nicht so ein hohes<br />
Maß an Todesfällen durch Gewalt<br />
erwartet, wie wir es in der Studie gefunden<br />
haben“. Die US-Besatzungsmacht<br />
selbst weigert sich nach wie<br />
vor, Angaben über die getöteten Iraker<br />
zu machen.<br />
Studie im Internet:<br />
www.thelancet.com<br />
IRAK<br />
Befehlsverweigerung von<br />
US-Soldaten<br />
Die US-Armee hat nach eigenen Angaben<br />
Ermittlungen gegen 19 US-<br />
Soldaten im Irak wegen Befehlsverweigerung<br />
eingeleitet. Die Angehörigen<br />
eines Versorgungszuges<br />
haben Anfang November den Befehl<br />
verweigert, einen Treibstoffkonvoi<br />
zu bewachen. Die Tageszeitung Clarion-Ledger<br />
im US-Bundesstaat<br />
Mississippi berichtete unter Berufung<br />
auf Angehörige der Befehlsverweigerer,<br />
die Soldaten seien verhaftet<br />
worden, weil sie sich geweigert<br />
hätten, auf eine Selbstmordmission<br />
zu gehen.<br />
Deutsches Arbeitsamt vermittelt<br />
Arbeitslose in den Irak<br />
Die Bundesagentur für Arbeit bietet<br />
Jobsuchenden nun auch Beschäftigungsmöglichkeiten<br />
im Irak an. Gesucht<br />
werden Sicherheitskräfte, die<br />
den Flughafen in Mossul im Norden<br />
des Landes bewachen. Bewerber<br />
müssen den Angaben zufolge Englisch<br />
sprechen können, körperlich<br />
fit sein und sich mit Waffen auskennen.<br />
Zudem bräuchten sie ein Zertifikat<br />
der Industrie- und Handelskammer,<br />
das ihnen bescheinigt, eine<br />
„geprüfte Sicherheitsdienstleistungskraft“<br />
zu sein. Neben einem<br />
überdurchschnittlichen Gehalt und<br />
Unterkunft bietet der Arbeitgeber<br />
auch eine Lebensversicherung an.<br />
Nach Angaben der Sprecherin der<br />
Zentralstelle werden auch nach Afghanistan<br />
„Fachkräfte“ vermittelt.<br />
Mikrowellenwaffen gegen<br />
Demonstranten<br />
Der Irak dient immer mehr als Testgelände<br />
für die Erprobung neuartiger<br />
Waffen. Die US-amerikanische<br />
Militärzeitschrift „Stars and Stripes“<br />
berichtet in ihrer aktuellen Ausgabe,<br />
dass bis zum kommenden Sommer<br />
vier bis sechs neuartige Strahlenkanonen<br />
in den Irak geschafft werden.<br />
Auf Geländewagen montierte Antennen<br />
werden dort bei Bedarf Mikrowellen<br />
mit einer Frequenz von<br />
95 Gigaherz abstrahlen, die knapp<br />
einen Millimeter in die Haut eindringen.<br />
Eingesetzt werden soll die<br />
neue Wunderwaffe gegen Demonstranten<br />
und Aufständische. Von den<br />
Strahlen getroffen, verspürten sie einen<br />
„unerträglichen Schmerz“ und<br />
liefen auseinander.<br />
Kriegskosten laufen davon<br />
Die Washington Post berichtet Ende<br />
Oktober, dass die Regierung plane,<br />
nach den US-Wahlen weitere 70<br />
Milliarden US-Dollar für den Irak-<br />
Krieg freizugeben. Damit würden<br />
die Gesamtkosten seit dem Einmarsch<br />
in den Irak auf 225 Milliarden<br />
steigen. Während der Kriegsvorbereitungen<br />
2002 waren die<br />
Kriegskosten noch auf 40 Milliarden<br />
US-Dollar geschätzt worden.<br />
Kein Trinkwasser<br />
Laut Angaben des irakischen Gesundheitsministers<br />
Ala´din Alwan<br />
haben 20 % der städtischen Bevölkerungen<br />
keinen Zugang zu sicherem<br />
Trinkwasser, am Land müssen<br />
mehr als die Hälfte der Haushalte<br />
ohne frisches Wasser bzw. Sanitäranlagen<br />
leben.
10 Nord-Süd guernica 5/2004<br />
Cotonou - ein Tabu?<br />
Das im Jahr 2000 unterzeichnete Cotonou-Abkommen löst die bisherigen Lomé-Abkommen ab, die den 77 mit der EU assoziierten AKP-Staaten<br />
(Afrika, Karibik, Pazifik) Handelspräferenzen ihrer Exportgüter einräumen. Mit dem im April 2003 ratifizierten Cotonou-Abkommen entfallen die<br />
Handelspräferenzen, darüber hinaus dürfen diese Länder in Zukunft auch keine Zölle mehr auf importierte Waren erheben.<br />
Das Cotonou-Abkommen sieht<br />
die graduelle Liberalisierung<br />
des Handels mit Dienstleistungen<br />
gemäß den Bestimmungen des<br />
WTO-Dienstleistungsabkommens<br />
(GATS) vor. Handelsrelevante Bereiche<br />
im Rahmen des Cotonou-Abkommens<br />
sind die Wettbewerbspolitik,<br />
intellektuelle Eigentumsrechte,<br />
Fragen der Standardisierung und<br />
Zertifizierung, sanitäre und phytosanitäre<br />
Standards, Umweltaspekte,<br />
Arbeitsnormen sowie die Verbraucherpolitik.<br />
Unter den „Standards“<br />
werden die Bananen-produzierenden<br />
Länder verpflichtet, sich an bestimmte<br />
Normen (z. B. Größe der<br />
Bananen) zu halten, ähnlich wie die<br />
„Gurken-Verordnung“ innerhalb der<br />
EU. Darüber hinaus werden im Rahmen<br />
des Abkommens regionale<br />
Handelsabkommen (sog. Regional<br />
Economic Partnership Agreements,<br />
EPA) abgeschlossen, die zwischen<br />
2008 und 2020 implementiert werden<br />
sollen.<br />
Beim letzten Gipfeltreffen der<br />
AKP-Staaten und der EU im Juni in<br />
Mosambik wurde die EU heftig kritisiert,<br />
da sie auf einige AKP-Staaten<br />
großen Druck ausübt, um die Zustimmung<br />
zu solchen Handelsabkommen<br />
durchzusetzen.<br />
Auf einem Parallel-Treffen der<br />
Zivilgesellschaften wurde mit dem<br />
Slogan „Stoppt die EPAs“ Protest<br />
gegen die Handelsabkommen<br />
geäußert: „Die EU-Kommission begründet<br />
die EPAs als ´Entwicklungsinstrumente´,<br />
während alle genaueren<br />
Untersuchungen bisher gezeigt<br />
haben, dass die Lasten der Anpassung<br />
ausschließlich seitens der<br />
AKP-Länder getragen werden. Die<br />
EU hat die Ziele des Cotonou-Vertrags<br />
- die Beseitigung der Armut<br />
und die nachhaltige Entwicklung -<br />
auf einen Fahrplan zur Selbstbedienung<br />
in Handel und zur Deregulierung<br />
eigener Investitionen reduziert.<br />
Die EPA werden den sozial-ökonomischen<br />
Niedergang und die politische<br />
Brüchigkeit vertiefen und verlängern,<br />
die die meisten AKP-Länder<br />
kennzeichnen“.(1)<br />
Durch die erzwungene Marktöffnung<br />
durch IWF und Weltbank sank<br />
die Zahl der Beschäftigten in der<br />
verarbeitenden Industrie in Ghana<br />
von 78.000 (1987) auf 28.000 im<br />
Jahr 1993 durch die billigen Importe<br />
aus Industrieländern. Einen ähnlichen<br />
Effekt könnten die Freihandelsabkommen<br />
der EU haben.<br />
Anlässlich eines Hearings in<br />
Brüssel äußerte sich der Gewerkschaftsführer<br />
der ghanaischen Geflügelfarmer<br />
sehr besorgt über die<br />
wachsenden Importe aus der EU.<br />
„Wie in Kamerun ist eine große Zunahme<br />
von Hühnerfleischimporten<br />
durch den Zollabbau zu erwarten,<br />
die die ärmste Schicht unserer Gesellschaft<br />
aus dem Arbeitsmarkt verdrängt<br />
- das sind die Kleinbauern,<br />
und vor allem Frauen, die völlig abhängig<br />
von dem Geflügelsektor sind.<br />
Es ist schwer vorstellbar, dass im<br />
Namen des Freihandels das Dumping<br />
von Geflügelteilen wie Hühnerbeine,<br />
-flügel und -hälse, die sowieso<br />
keinen Absatzmarkt in der EU<br />
haben, erlaubt wird“.(2)<br />
Der Staatspräsident Benins wies<br />
im September 2003 in seiner Rede<br />
vor dem Europäischen Parlament<br />
darauf hin, dass sein Land bis zu 20<br />
% der Staatseinnahmen verlieren<br />
könnte, wenn es seine Wirtschaft<br />
nicht mehr durch Importzölle schützen<br />
darf. „Das wird Konsequenzen<br />
für die Investitionen im Sozialbereich<br />
haben und steht im krassen<br />
Missverhältnis zur Empfehlung von<br />
UNDP, dass Benin seine Steuerbasis<br />
erhöhen und mehr in den öffentlichen<br />
sozialen Sektor investieren<br />
muss, wenn es eine nachhaltige<br />
Entwicklung erreichen will“.(3)<br />
Aber nicht nur die Liberalisierung<br />
von Waren ist im Visier der<br />
EU, sondern auch der Investitionsbereich.<br />
Obwohl es eine breite Ablehnung<br />
gegen die Aufnahme von<br />
Verhandlungen über die sog. Singapurthemen<br />
(Wettbewerb, öffentliches<br />
Beschaffungswesen, Investitionen<br />
und Handelserleichterungen) innerhalb<br />
der WTO gibt, beabsichtigt<br />
die EU, diese Themen quasi „durch<br />
die Hintertür“ in regionale und bilaterale<br />
Handelsverträge mit Entwicklungsländern<br />
einzubringen. Damit<br />
ignoriert die EU nicht nur die ausdrückliche<br />
Ablehnung eines multilateralen<br />
Investitionsabkommens innerhalb<br />
der WTO, sondern übersieht,<br />
dass ein Investitionsrahmenabkommen<br />
nicht notwendigerweise<br />
zur Schaffung nachhaltiger Entwicklungsimpulse<br />
in den AKP-Staaten<br />
beiträgt. Im Gegenteil: Eine<br />
kürzlich erschienene Studie der<br />
Weltbank kommt zu dem Schluss,<br />
dass Länder, die bilaterale Investitionsabkommen<br />
abgeschlossen haben,<br />
nicht stärker am Fluss ausländischer<br />
Direktinvestitionen teilhaben,<br />
als solche ohne entsprechende Abkommen.<br />
Vielmehr zeigt die Erfahrung,<br />
dass die Investitionsliberalisierung<br />
eine Folge wirtschaftlicher<br />
Entwicklung ist, sobald ein Land<br />
eine gewisse Konkurrenzfähigkeit<br />
erreicht hat. Dazu gehört, durch positive<br />
Diskriminierung einheimische<br />
Unternehmen zu unterstützen und<br />
den Ausbau der nationalen Industrie<br />
durch protektionistische Staatsinterventionen<br />
zu stützen. Prinzipien<br />
übrigens, derer sich die EU sowie<br />
andere heute führende Wirtschaftsblöcke<br />
in ihrer wirtschaftlichen Expansionsphase<br />
ebenfalls bedient haben.<br />
Partizipation der Nicht-Regierungs-Akteure.<br />
Gemäß Artikel 4<br />
des Cotonou-Abkommens sollen<br />
Nicht-Regierungs-Akteure (NRA),<br />
wie die Zivilgesellschaften und der<br />
private Unternehmersektor, nicht<br />
nur über den Cotonou-Prozess informiert,<br />
sondern auch aktiv daran beteiligt<br />
sein.<br />
Um die NRAs über Inhalte und<br />
Schwerpunktsetzungen des Cotonou-Abkommens<br />
zu informieren<br />
und sie einzubeziehen, werden Gelder<br />
von der EU für capacity building<br />
zur Verfügung gestellt. Allerdings<br />
muss dieser Haushaltsposten im sog.<br />
National Indicative Programmes<br />
(NIP), den Cotonou-Länderprogrammen,<br />
enthalten sein, und das<br />
scheint in vielen Staaten nicht der<br />
Fall zu sein.<br />
Eine Analyse von CONCORD,<br />
einem europäischen Dachverband<br />
von NROs über die Einbeziehung<br />
der Nicht-Regierungs-Akteure in<br />
den Cotonou-Prozess kommt zu<br />
dem Schluss, dass deren Partizipation<br />
nur in einigen wenigen Ländern<br />
gelungen ist. In den meisten ACP-<br />
Staaten haben viele NSAs, vor allem<br />
die „Zivilgesellschaften“ noch nicht<br />
die Tragweite von Cotonou erfasst,<br />
viele haben auch davon noch nie<br />
gehört.<br />
Europäische Handelspolitik.<br />
Die Handelspolitik gehört zu den<br />
Politikfeldern, in denen die „exklusive<br />
Kompetenz“ auf EU-Ebene<br />
liegt. Mit Ausnahme von Handelsverträgen,<br />
die den Bereich der Auslandsinvestitionen<br />
und einige sensible<br />
Dienstleistungsbereichen wie<br />
Bildung und Gesundheit betreffen,<br />
brauchen die Verträge keine Zustimmung<br />
durch nationale Parlamente.<br />
Diese Mitbestimmung fällt mit dem<br />
EU-Verfassungsentwurf. In Zukunft<br />
werden alle Handelsverträge allein<br />
auf EU-Ebene ratifiziert werden und<br />
der EU-Handelskommissar hätte<br />
freie Bahn, um eigenmächtig bilaterale<br />
Investitionsabkommen oder<br />
Verträge wie das gescheiterte multilaterale<br />
Investitionsabkommen MAI<br />
zu verhandeln. „Dieser Machtzuwachs<br />
für die Kommission ist angesichts<br />
der intransparenten und undemokratischen<br />
handelspolitischen<br />
Entscheidungsprozesse in Brüssel<br />
skandalös“ kommentiert WEED.<br />
Die europäische Handelspolitik<br />
wird im sog.133er Ausschuss koordiniert;<br />
der Ministerrat, das formal<br />
höchste Entscheidungsgremium der<br />
EU, genehmigt die Vorlagen aus<br />
dem 133er Ausschuss in der Regel<br />
ohne weitere Diskussion. Zugang<br />
zu den Sitzungen haben neben den<br />
Vertretern der Wirtschafts- und Handelsministerien<br />
auch Vertreter von<br />
zwei Interessenverbänden von privaten<br />
Dienstleistungskonzernen, das<br />
European Services Forum (ESF)<br />
und die European Services Leaders<br />
Group (ESLG), aber NICHT die<br />
Mitglieder des Europäischen Parlaments.<br />
Kürzlich hat der WWF eine<br />
Klage gegen den Ministerrat vor<br />
dem Europäischen Gerichtshof eingereicht,<br />
weil der sog. 133er Ausschuss<br />
keine festen Regeln bezüglich<br />
Mitgliedschaft, Geschäftsordnung,<br />
Veröffentlichung von Tagesordnungen,<br />
Protokollen und dgl. wie<br />
andere Ministerrats-Ausschüsse hat<br />
und deshalb der Ausschuss mehr<br />
oder weniger im rechtsfreien Raum<br />
agiert. Selbst das britische Ministerium<br />
für Handel und Industrie<br />
scheint sich über die Rolle des 133er<br />
Ausschusses nicht im Klaren zu<br />
sein. Auf seiner Webseite heißt es,<br />
dass die Gemeinsame Handelspolitik<br />
im 133er Ausschuss entschieden<br />
wird, weiter unter steht, dass dieser<br />
Ausschuss eine Arbeitsgruppe des<br />
Ministerrats ist.<br />
Viel deutet daraufhin, dass innerhalb<br />
der Kommission die Unterordnung<br />
der Entwicklungspolitik unter<br />
die Außen- und Sicherheitspolitik<br />
vorangetrieben wird. Letztes Jahr<br />
hat die EU beschlossen, den Europäischen<br />
Entwicklungsfonds in<br />
den EU-Haushalt zu integrieren. Es<br />
besteht also die Gefahr, dass eine<br />
Vermischung der Gelder für Entwicklungszusammenarbeit<br />
und Armutsbekämpfung<br />
mit den Mitteln<br />
für außen- und sicherheitspolitische<br />
Belange stattfindet. Ein Beleg dafür<br />
ist die Entscheidung der EU im November<br />
2003, 250 Millionen Euro<br />
GRENZEN WELTWEIT<br />
Zonen, Linien, Mauern<br />
im historischen Vergleich<br />
Joachim Becker / Andrea Komlosy (Hrsg.)<br />
PROMEDIA-Verlag, EUR 22,90<br />
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Durch die erzwungene Marktöffnung durch IWF und<br />
Weltbank sank die Zahl der Beschäftigten in der<br />
verarbeitenden Industrie in Ghana von 78.000 (1987)<br />
auf 28.000 im Jahr 1993 durch die billigen Importe aus<br />
Industrieländern. Einen ähnlichen Effekt könnten die<br />
Freihandelsabkommen der EU haben.<br />
aus bisher nicht beanspruchten Mitteln<br />
des Europäischen Entwicklungsfonds<br />
für die Finanzierung einer<br />
schnellen Eingreiftruppe der<br />
Afrikanischen Union zur Verfügung<br />
zu stellen. Und weitere 126,4 Millionen<br />
sollen durch Kürzungen der<br />
bereits bewilligten Länderallokationen<br />
und durch bisher nicht verplante<br />
Mittel aus dem Entwicklungsfonds<br />
für friedensschaffende Maßnahmen<br />
bereit gestellt werden.<br />
Abschließend ist zu bemerken,<br />
dass europäische Handels- und Entwicklungspolitik<br />
kaum öffentlich<br />
debattiert werden. Wichtige EU-Abkommen<br />
wie das Cotonou-Abkommen<br />
und die EU-Verfassung, deren<br />
Inhalte auch nur wenig in der Öffentlichkeit<br />
diskutiert werden, scheinen<br />
Tabu für die Medien zu sein.<br />
Nur Zufall oder absichtliches Tabu?<br />
Annette Groth<br />
(ATTAC Deutschland, Stuttgart)<br />
Anmerkungen:<br />
(1) Zeitschrift Entwicklungspolitik<br />
16/2004, S. 16<br />
(2) New ACP-EU Trade Arrangements:<br />
New Barriers to Eradicating Poverty?,<br />
Brüssel, März 2004, www.eurostep.org<br />
(3) ebd.<br />
(4) WEED: „Mehr Demokratieverlust<br />
wagen? WEED warnt vor weiterer Entdemokratisierung<br />
der Europäischen<br />
Handelspolitik durch EU-Verfassung“,<br />
29.11.2003<br />
Allerorts ist seit dem Fall des Eisernen Vorhanges von der<br />
Aufhebung von Grenzen die Rede, von Integratin und Freizügigkeit<br />
als Ausdruck eines zusammenwachsenden „Global<br />
Village“. Die Vervielfachung und Beschleunigung der<br />
Kapital-, Waren- und Migrationsströme gilt dafür als Indikator.<br />
Es scheint, als gehörten Grenzen der Vergangenheit an.<br />
Bei näherem Hinsehen springen gleichwohl alte und neue<br />
Barrieren ins Auge. Zwar gibt es keinen Eisernen Vorhang mehr. „Schengen“ und die Befestigungslinie<br />
zwischen den USA und Mexiko grenzen indes Zentralräume von Randgebieten ab. Zudem<br />
existieren Mauern zwischen Stadtvierteln unterschiedlicher religiöser und ethnischer Gruppen von<br />
Belfast über Ustinad Labem bis Jerusalem.<br />
Die AutorInnen des vorliegenden Bandes diskutieren die unterschiedlichen Funktionen von<br />
regional sowie sozial zunehmend schärfer gezogenen Grenzen in einer Welt, deren<br />
Selbstverständnis gleichwohl ein grenzenloses ist.<br />
AutorInnen: Joachim Becker, Hannes Hofbauer, Karen Imhof, Andrea Komlosy, Henning Melber,<br />
Hans-Heinrich Notle, Asli E. Odman, Helga Schultz, Paola Visca, Viktoria Waltz
guernica 5/2004 Osteuropa 11<br />
Kolonialverwaltung in der Republika Srpska<br />
Gefeuert für „kulturelles Schweigen“<br />
Interview mit Zoran Zuza.<br />
Zoran Zuza wurde 1967 in der mittelbosnischen Industriestadt Zenica geboren, studierte Sprachwissenschaften in<br />
Sarajevo, wo er auch zum Lehrer ausgebildet wurde. Mit Beginn des bosnischen Bürgerkrieges kam der inzwischen<br />
als Journalist arbeitende Serbe nach Pale, wo er bis 1997 im staatlichen Fernsehen und nebenbei für Radio Free<br />
Europe arbeitete. Im Team von Dragan Kalinic, dem Parlamentspräsidenten der Republika Srpska und Vorsitzenden<br />
der Serbischen Demokratischen Partei (SDS), war Zoran Zuza von Ende 2003 bis Mitte 2004 als Kabinettschef tätig.<br />
Heute lebt er als Privatmann in Pale. Hannes Hofbauer traf ihn dort Mitte September.<br />
HH: Am 30. Juni 2004 hat der<br />
von EU und NATO unterstützte<br />
so genannte „Hohe Repräsentant“<br />
(OHR) von Bosnien-Herzegowina<br />
die gesamte Führungsmannschaft<br />
der „Republika Srpska“ ihrer Ämter<br />
enthoben und ihnen jede politische<br />
Tätigkeit für die Zukunft verboten.<br />
Was sagt man dazu in Pale, der<br />
früheren Hauptstadt der „Republika<br />
Srpska“?<br />
Zuza: Ich bin einer von den 59 serbischen<br />
Politikern und Beamten, die<br />
von Paddy Ashdown, dem „Hohen<br />
Repräsentaten“, per Erlass aus ihren<br />
Ämtern entfernt worden sind. Ein<br />
knappes halbes Jahr war ich als Kabinettschef<br />
von Dragan Kalinic für<br />
Außenkontakte tätig.<br />
HH: Welche Gründe wurden für die<br />
erzwungene Demission genannt?<br />
Zuza: In der einsam und ohne jede<br />
Debatte getroffenen Entscheidung<br />
ist davon die Rede, dass wir<br />
„Kriegsverbrechern geholfen“ und<br />
Erinnerungstafel an die ersten<br />
Toten im Bürgerkrieg um Sarajevo<br />
uns am „kulturellen Schweigen“ beteiligt<br />
hätten. In Wahrheit weiß freilich<br />
niemand von uns, wo sich Radovan<br />
Karadzic aufhält, auf ihn zielen<br />
OHR und SFOR.<br />
HH: Was ist „kulturelles Schweigen“?<br />
Zuza: Damit ist gemeint, dass politische<br />
Funktionäre sich weigern, Karadzic<br />
als Kriegsverbrecher zu titulieren.<br />
HH: Das heißt, wenn man nichts<br />
sagt, ist das bereits ein Grund für<br />
das Einschreiten von Herrn Ashdown<br />
und seiner Kolonialverwaltung.<br />
Zuza: In meinem Fall war es so. Und<br />
dies ist umso widersinniger, weil gerade<br />
ich in der Republika Srpska das<br />
Thema Kriegsverbrechen immer<br />
wieder thematisiert habe. Als Journalist<br />
für Radio Free Europe und die<br />
liberale serbische TV-Station „B 92“<br />
machte ich zahlreiche Reportagen,<br />
die zur Enttabuisierung dieses Themas<br />
beitragen sollten. Von „kulturellem<br />
Schweigen“ kann bei mir sicherlich<br />
keine Rede sein.<br />
HH: Was war also dann der Grund<br />
für das Demissionsdekret?<br />
Zuza: Es war als Rache von SFOR<br />
und OHR gedacht, die von ihrem eigenen<br />
Unvermögen ablenken soll,<br />
Karadzic habhaft zu werden. Bis<br />
1997 lebte Radovan Karadzic unbehelligt<br />
hier in Pale mit seiner Familie.<br />
Alle wussten das, niemand kümmerte<br />
sich. Jetzt sollen plötzlich<br />
Mitglieder der SDS (Serbische-demokratische<br />
Partei, von Karadzic<br />
gegründet, gewinnt bisher regelmäßig<br />
die Wahlen in der Republika<br />
Srpska, HH) Schuld<br />
sein, dass er nicht arretiert<br />
werden kann.<br />
HH: Was hat sich nach<br />
Ihrer Zwangsabsetzung<br />
geändert?<br />
Zuza: Für mich alles, für<br />
die Jagd nach Karadzic<br />
nichts. Er wurde nicht<br />
gefangen, aber 59 Familien<br />
haben mit einem<br />
Schlag große Probleme,<br />
ganz zu schweigen vom<br />
politischen Klima im<br />
Land, das mit solchen<br />
Maßnahmen nicht demokratischer<br />
wird.<br />
HH: Was machen Sie<br />
jetzt?<br />
Zuza: Ich suche Arbeit.<br />
Und das ist nicht einfach.<br />
Was meinen Rausschmiss<br />
durch Ashdown<br />
betrifft, so habe ich<br />
keinerlei Rechte, dagegen<br />
Einspruch zu erheben, weder<br />
hier in der Republika Srpska, noch<br />
auf bosnischer Ebene und auch nicht<br />
beim Internationalen Gerichtshof<br />
für Menschenrechte in Straßburg.<br />
Diese Endgültigkeit der Politik des<br />
„Hohen Repräsentanten“ wurde<br />
1995 im Vertrag von Dayton festgelegt.<br />
Ashdown kann hier walten wie<br />
ein Gott. In den bosnischen Medien<br />
finde ich nach diesem öffentlichen<br />
Rausschmiss schwer Arbeit und als<br />
Lehrer habe ich zugleich mit der<br />
Zwangsdemission Berufsverbot erhalten,<br />
ich darf weder in den Staatsdienst,<br />
noch mich politisch betätigen;<br />
sogar das passive Wahlrecht<br />
habe ich verloren.<br />
Kruder Wiederaufbau nach Granatentreffer<br />
HH: Im Zentrum von Pale patroullieren<br />
ständig zwei, drei Fahrzeuge<br />
der SFOR mit italienischen Carbinieri<br />
in schusssicheren Westen, über<br />
der Stadt kreist ein Hubschrauber.<br />
Von anderen Teilen Bosniens kennt<br />
man eine solche Atmosphäre nicht.<br />
Zuza: Die Lage in der Stadt ist ständig<br />
angespannt. Täglich fliegen sie<br />
hier herum, um das Haus von Karadzic<br />
im Auge zu behalten, in dem<br />
seine Familie wohnt. Anfang April<br />
hat es beispielsweise eine brutale<br />
Aktion der SFOR gegeben. Mit Explosivstoff<br />
hat sich ein Sondereinsatzkommando<br />
in den Pfarrhof der<br />
örtlichen Kirche hineingebombt und<br />
den Priester sowie seinen Sohn<br />
schwer misshandelt und verletzt.<br />
Nach einem Spitalsaufenthalt in<br />
Tuzla ist der Priester wieder nach<br />
Hause gekommen, aber er hat bleibende<br />
gesundheitliche Schäden davongetragen.<br />
Die Messe kann er<br />
nicht mehr lesen.<br />
HH: Was wollte die SFOR vom orthodoxen<br />
Priester?<br />
Zuza: Wahrscheinlich haben sie geglaubt,<br />
er wüsste, wo sich Karadzic<br />
aufhält. Oder es war einfach eine<br />
Einschüchterungsaktion für die<br />
ganze Stadt. Immer wieder kommt<br />
es vor, dass Menschen - meist Politiker<br />
- von der SFOR gefangengenommen<br />
und zum Verhöhr gebracht<br />
werden. Bis zu einem Monat werden<br />
sie festgehalten und niemand weiß,<br />
wo sie sind. Herr Bjelica, der frühere<br />
Bürgermeister des Bezirks Serbisch-Sarajevo,<br />
wozu auch Pale<br />
gehört, ist gerade das zweite Mal auf<br />
diese Weise verschwunden. Paddy<br />
Ashdown hat ihn Ende Juni 2004<br />
seines Amtes enthoben, dann war eines<br />
Tages ein Verhaftungstrupp vorgefahren<br />
und hat ihn zum Verhör<br />
mitgenommen. Bjelica saß in einem<br />
völlig verdunkelten Gefängnis und<br />
wusste nicht, wo er war. Vor wenigen<br />
Tagen haben sie ihn ein zweites<br />
Mal abgeholt.<br />
HH: Sie selbst sind auch bedroht?<br />
Zuza: Das weiß man nicht. Freilich<br />
habe ich Angst, dass eines morgens<br />
auch an meiner Tür geklopft wird.<br />
Der physische und politische Druck<br />
von SFOR und OHR gilt aber nicht<br />
nur den politisch tätigen Personen,<br />
er wird durch einen ökonomischen<br />
Druck auf das ganze Land ergänzt.<br />
IWF und Weltbank haben erst kürzlich<br />
wieder neue Bedingungen gestellt,<br />
damit der Republika Srpska<br />
geholfen werden kann. Die Löhne<br />
für unsere Staatsbediensteten sind<br />
angeblich zu hoch, das Budget wird<br />
nicht restriktiv genug gehandhabt.<br />
Da finden sich immer wieder so genannte<br />
Verfehlungen unsererseits,<br />
die dazu beitragen, dass das Geld<br />
der internationalen Gemeinschaft<br />
zum größten Teil in die kroatischmuslimische<br />
Föderation fließt.<br />
HH: Das klingt alles so, als ob der<br />
Krieg in Bosnien noch nicht wirklich<br />
zu Ende wäre.<br />
Zuza: Krieg gibt es keinen mehr.<br />
Die Serben hier verstehen nur nicht,<br />
warum die internationale Gemeinschaft<br />
in Gestalt von EU oder IWF<br />
in Serbien eine andere Politik als in<br />
Bosnien macht. Serbien-Montenegro<br />
wird zersplittert, indem Kosovo<br />
abgespalten wurde und in Montenegro<br />
ein Referendum über die Unabhängigkeit<br />
zugelassen wird. Letzteres,<br />
ein Referendum über die Unabhängigkeit<br />
der Republika Srpska,<br />
wäre in Bosnien völlig undenkbar.<br />
Dayton und OHR verbieten ein solches<br />
für unser Land.<br />
HH: Wie wird es mit Ihnen persönlich<br />
weitergehen?<br />
Zuza: Zur Zeit kümmere ich mich<br />
um meine Familie. Mein Berufsverbot<br />
im Staatsdienst ist zwar formal<br />
zeitlich begrenzt, aber de facto kann<br />
ich nicht mit seiner baldigen Aufhebung<br />
rechnen. Es heißt dort, dass ich<br />
erst wieder arbeiten darf, wenn zwei<br />
Bedingungen erfüllt sind (lacht laut<br />
auf): Karadzic muss verhaftet sein<br />
und die Republika Srpska mit Den<br />
Haag voll kooperieren.<br />
DIVERSES<br />
Rüstungsausgaben - 10faches<br />
der Entwicklungshilfe<br />
956 Milliarden Dollar wurden im<br />
vergangenen Jahr weltweit für<br />
Kriegsgerät ausgegeben. Das sind<br />
11 Prozent mehr als im Jahr zuvor.<br />
Letztes Jahr lag die Steigerungsrate<br />
noch bei 6,5 Prozent. Das geht aus<br />
dem Jahrbuch 2003 des internationalen<br />
<strong>Frieden</strong>sforschungsinstituts<br />
Sipri hervor, das gestern in Stockholm<br />
veröffentlicht wurde. Hauptexportländer<br />
waren 2003 Russland<br />
und die USA. Dahinter folgen<br />
Frankreich und Deutschland. Auf 16<br />
Prozent der Weltbevölkerung entfallen<br />
75 Prozent der Rüstungsausgaben.<br />
Die Ausgaben der hoch entwickelten<br />
Staaten für militärische<br />
Zwecke zusammen liegen dabei derzeit<br />
zehnmal so hoch wie ihre Leistungen<br />
für die Entwicklungshilfe<br />
und höher als alle Auslandsschulden<br />
der armen Länder zusammen, heißt<br />
es in dem Jahrbuch.<br />
Jede Sekunde ein Hungertoter<br />
In jeder Sekunde stirbt ein Mensch<br />
an den Folgen von Unterernährung.<br />
Bis zu 100.000 Hungertote werden<br />
jeden Tag registriert. Der Hunger<br />
nimmt weltweit zu. 842 Millionen<br />
Menschen leiden an chronischer Unterernährung.<br />
Vor zwei Jahren waren<br />
es noch 826 Millionen. Der Hunger<br />
fordert mehr Opfer als alle Kriege<br />
zusammen, mehr Opfer auch als die<br />
großen Seuchen unserer Zeit, AIDS,<br />
Malaria und Tuberkulose. Diese<br />
Zahlen wurden anlässlich des Welternährungstages<br />
am 16. Oktober<br />
bekannt. Sie stehen im Mittelpunkt<br />
der Bilanz von Jean Ziegler, UNO-<br />
Berichterstatter für das Recht auf<br />
Nahrung. Jean Ziegler: „Die Lage<br />
ist nicht nur verheerend, sondern<br />
absurd“. Denn nach Angaben der<br />
UN-Organisation für Landwirtschaft<br />
und Ernährung (FAO) könnten heute<br />
zwölf Milliarden Menschen, die<br />
doppelte Weltbevölkerung, ernährt<br />
und täglich mit 2.700 Kilokalorien<br />
versorgt werden. Es sei einerseits<br />
eine Frage der Verteilung, andererseits<br />
würden tonnenweise Nahrungsmittel<br />
vernichtet.<br />
Durchbruch für das Recht auf<br />
Nahrung in der FAO<br />
Das Komitee für weltweite<br />
Ernährungssicherung (World Food<br />
Security) der UN-Organisation für<br />
Landwirtschaft und Ernährung<br />
(FAO) hat im September den Text<br />
für Freiwillige Richtlinien für die<br />
Umsetzung des Rechts auf angemessene<br />
Nahrung angenommen. Das<br />
Recht auf Nahrung erlaubt jeder<br />
Person, deren Schicksal von Regierungen<br />
nie zur Kenntnis genommen<br />
wurde oder deren Recht auf Nahrung<br />
durch Regierungsmaßnahmen<br />
negativ betroffen ist, ihre Regierung<br />
zur Verantwortung zu ziehen und<br />
eine angemessene Behandlung zu<br />
verlangen. „Die heutige Annahme<br />
der Richtlinien bedeutet einen wirklichen<br />
Durchbruch geschafft zu haben“,<br />
meint Michael Windfuhr, geschäftsführender<br />
Direktor von<br />
FIAN, der internationalen Menschenrechtsorganisation,<br />
die für das<br />
Recht sich zu ernähren arbeitet und<br />
den zivilgesellschaftlichen Begleitprozess<br />
federführend organisiert hat.<br />
Nähere Infos:<br />
windfuhr@fian.org
12 Erster Weltkrieg guernica 5/2004<br />
Geschichte<br />
Vor 90 Jahren begann der erste Weltkrieg<br />
Der erste Weltkrieg unterschied sich hinsichtlich seiner territorialen Ausdehnung, der Zahl der beteiligten Staaten, der Kriegsziele, der Rolle<br />
des Hinterlandes, des massenhaften Einsatzes der Technik und der Zahl der Opfer qualitativ von allen anderen vorangegangenen Kriegen. Er<br />
war die „Ursache aller Ursachen“, die „Urkatastrophe“, die „Ursünde des 20. Jahrhunderts“, ein Ereignis, dessen Ergebnisse die Entwicklung<br />
der Menschheit bis heute bestimmen.<br />
Von Univ.-Prof. Dr. Hans Hautmann<br />
Militärkamarilla schmiedete<br />
„Präventivkriegspläne“.<br />
Als am 28. Juni 1914 der serbische<br />
Gymnasiast Gavrilo Princip den<br />
österreichisch-ungarischen Thronfolger<br />
Franz Ferdinand und seine<br />
Frau in Sarajevo erschoss, erregte<br />
das Attentat nur für wenige Tage<br />
Aufsehen. Die europäische Öffentlichkeit<br />
ging bald wieder zur Tagesordnung<br />
über und war davon überzeugt,<br />
dass die Schüsse in der bosnischen<br />
Landeshauptstadt keine<br />
schwerwiegenden Folgen nach sich<br />
ziehen würden. Hatten in den Jahren<br />
vorher nicht weit gefährlichere Krisen<br />
die internationalen Beziehungen<br />
erschüttert, ohne dass es zu einem<br />
Krieg zwischen den Großmächten<br />
gekommen war? Selbst in der Habsburgermonarchie<br />
ließ die Ermordung<br />
des allseits unbeliebten Erzherzogs<br />
Franz Ferdinand die Menschen<br />
unberührt.<br />
Während man sich wieder dem<br />
Hauptgesprächsthema, der Klage<br />
über die sommerliche Hitzewelle,<br />
zuwandte, schürzte sich jedoch unter<br />
der Oberfläche, in den Kabinetten<br />
in Wien und Berlin, der Knoten<br />
für die Katastrophe. Die österreichisch-ungarischeMilitärkamarilla<br />
und der sie ermunternde deutsche<br />
Imperialismus sahen im Attentat<br />
die erwünschte Gelegenheit, den<br />
Krieg gegen Serbien vom Zaun zu<br />
brechen. Seit dem Jahr 1903 war die<br />
Vernichtung des serbischen Staates<br />
und die Errichtung der Hegemonie<br />
auf dem Balkan das Hauptziel der<br />
Großbourgeoisie und der adlig-klerikal-militaristischen<br />
Kreise der Donaumonarchie<br />
gewesen. Generalstabschef<br />
Conrad von Hötzendorf,<br />
ein Günstling Franz Ferdinands,<br />
schmiedete von 1907 an unentwegt<br />
Präventivkriegspläne mit der Absicht,<br />
die Auseinandersetzung mit<br />
dem hinter Serbien stehenden Russland<br />
auszutragen, solange das Zarenreich<br />
sich von der Niederlage gegen<br />
Japan und von den Auswirkungen<br />
der Revolution von 1905 noch<br />
nicht erholt hatte. Österreich-Ungarn<br />
war aber ökonomisch und militärisch<br />
zu schwach, um seine Aggressionsziele<br />
auf dem Balkan aus<br />
eigener Kraft erreichen zu können.<br />
Es war auf die Unterstützung durch<br />
den deutschen Imperialismus angewiesen.<br />
Weltkrieg als Fortsetzung des<br />
Kampfes um Kolonien, Rohstoffe,<br />
Absatzmärkte und Kapitalanlagen.<br />
Die landläufige Geschichtsschreibung<br />
über den Ausbruch<br />
des ersten Weltkrieges will<br />
weismachen, dass alle beteiligten<br />
Mächte in ihn mehr oder minder ungewollt<br />
„hineingeschlittert“ seien.<br />
Oft wird auch die „Geheimdiplomatie“<br />
und das „persönliche Versagen“<br />
einzelner „frivol verblendeter“ Politiker<br />
und Militärs verantwortlich gemacht.<br />
In Wahrheit entstand der erste<br />
Weltkrieg aufgrund der tiefen<br />
Widersprüche zwischen den impe-<br />
rialistischen Mächten. Er war die<br />
militärische Fortsetzung ihres jahrzehntelangen<br />
erbitterten Kampfes<br />
um Kolonien, Rohstoffquellen, Absatzmärkte,<br />
Kapitalanlagesphären<br />
und strategische Stützpunkte. Dieser<br />
Konkurrenzkampf hatte sich durch<br />
die ungleichmäßige ökonomische<br />
Entwicklung der einzelnen kapitalistischen<br />
Länder verschärft.<br />
Zwischen den Großmächten war<br />
seit dem Beginn der Ära des Imperialismus,<br />
dem Krieg der USA gegen<br />
Spanien im Jahr 1898, nach und<br />
nach ein neues ökonomisches, politisches<br />
und militärisches Kräfteverhältnis<br />
entstanden, dem der territoriale<br />
und wirtschaftliche status quo<br />
nicht mehr entsprach. Die Neuaufteilung<br />
der Welt, die nur durch einen<br />
Krieg möglich war, wurde von allen<br />
imperialistischen Mächten von langer<br />
Hand vorbereitet. Dabei trat der<br />
junkerlich-bürgerliche deutsche Imperialismus<br />
besonders angriffslustig<br />
auf, weil er bei der Aufteilung der<br />
Welt zu spät gekommen war und der<br />
preußische Militarismus dem gesellschaftlichen<br />
Leben in Deutschland<br />
in besonders krasser Form den<br />
Stempel aufdrückte. Der deutsche<br />
Imperialismus entwickelte sich ökonomisch<br />
schneller und dynamischer<br />
als der seiner Hauptkonkurrenten<br />
Großbritannien und Frankreich und<br />
begann beide auf wichtigen Gebieten<br />
vom Weltmarkt zu verdrängen.<br />
Die Größe seiner Kolonien und Einflusssphären<br />
stand aber in keinem<br />
Verhältnis zu seinem Expansionspotenzial<br />
und seiner Raubgier. Seit<br />
dem Ende des 19. Jahrhunderts forderte<br />
er immer aggressiver einen<br />
„Platz an der Sonne“, mit anderen<br />
Worten: die radikale Neuaufteilung<br />
der Welt mit gewaltsamen Mitteln<br />
zu seinen Gunsten. Dabei stieß er<br />
mit den Interessen des englischen,<br />
französischen und russischen Imperialismus<br />
zusammen.<br />
Die Zuspitzung der Gegensätze<br />
zwischen den Großmächten und den<br />
beiden Bündnisblöcken Entente und<br />
Mittelmächte ging in den Jahren vor<br />
1914 mit einem Aufschwung der internationalen<br />
Arbeiterbewegung und<br />
einem Anwachsen des Befreiungskampfes<br />
der kolonialen und abhängigen<br />
Länder gegen die imperialistische<br />
Fremdherrschaft einher. Russland,<br />
Deutschland und Österreich-<br />
Ungarn befanden sich am Vorabend<br />
großer Klassenauseinandersetzungen.<br />
Deshalb sahen die herrschenden<br />
Kreise dieser Staaten in der Entfesselung<br />
eines Krieges zugleich ein<br />
Mittel, die inneren Schwierigkeiten<br />
zu überwinden und den revolu-<br />
tionären Massenkampf zu lähmen.<br />
Kriegsentscheidung fiel in Berlin.<br />
Den Diplomaten des Ballhausplatzes<br />
und dem k. u. k. Armeeoberkommando<br />
war klar, dass der Krieg<br />
gegen Serbien unweigerlich den<br />
Mechanismus der imperialistischen<br />
Bündnisse in Gang setzen und den<br />
großen Krieg auslösen musste, denn<br />
hinter Serbien stand Russland. Dieses<br />
Risiko konnte man nicht eingehen,<br />
solange man sich nicht der Unterstützung<br />
durch das Deutsche<br />
Reich rückversichert hatte. Die Entscheidung<br />
über Krieg und <strong>Frieden</strong><br />
fiel daher nicht in Wien, sondern in<br />
Berlin. Nach Beratungen am 5. und<br />
6. Juli 1914 in Potsdam stellte die<br />
deutsche Regierung Wien den<br />
berüchtigten „Blankoscheck“ aus,<br />
und der deutsche Generalstab, der<br />
durch die forcierten Rüstungsprogramme<br />
Frankreichs und Russlands<br />
seinen militärischen Vorsprung auf<br />
einigen Gebieten gefährdet sah, stachelte<br />
den österreichisch-ungarischen<br />
Generalstab zum Losschlagen<br />
an.<br />
Am 23. Juli 1914 übergab Österreich-Ungarn<br />
an Serbien ein Ultimatum,<br />
das mit Absicht unannehmbar<br />
formuliert war und mit der Souveränität<br />
Serbiens unvereinbare, die nationale<br />
Würde beleidigende Forderungen<br />
enthielt. Ihre Ablehnung<br />
nahm die Wiener Regierung zum<br />
Vorwand, Serbien am 28. Juli 1914<br />
den Krieg zu erklären. Daraufhin er-<br />
folgte am 30. Juli die Mobilmachung<br />
der russischen Streitkräfte,<br />
die wiederum der deutschen Regierung<br />
als Anlass diente, Russland am<br />
1. August 1914 den Krieg zu erklären.<br />
In der Endphase der Krise, die<br />
den Konflikt Deutschlands mit<br />
Frankreich und, nach dem deutschen<br />
Überfall auf das neutrale Belgien,<br />
den Kriegseintritt Großbritannien<br />
nach sich zog, sahen die herrschenden<br />
Kreise in Deutschland und<br />
Österreich-Ungarn aus innenpolitischen<br />
Motiven ihr Hauptziel darin,<br />
dem zaristischen Russland die Verantwortung<br />
für den Ausbruch des<br />
Krieges zuzuschieben. Die Führer<br />
der deutschen und österreichischen<br />
Sozialdemokratie griffen die Propaganda<br />
von der Notwendigkeit der<br />
„Vaterlandsverteidigung“, der Bewahrung<br />
der „höheren deutschen<br />
Kultur“ vor der „zaristischen Barbarei“<br />
sofort auf, konnten sie doch<br />
damit ihre Burgfriedenspolitik wirkungsvoll<br />
bemänteln. Wie alle anderen<br />
Parteien der II. Internationale<br />
mit Ausnahme der russischen Bol-<br />
schewiki, der serbischen und der<br />
bulgarischen Sozialdemokraten sagten<br />
sie sich von den feierlich beschworenen<br />
Antikriegsbeschlüssen<br />
der Kongresse von Stuttgart (1907)<br />
und Basel (1912) los. Mit dem<br />
Überbordwerfen der Prinzipien des<br />
proletarischen Klassenkampfes und<br />
Die landläufige Geschichtsschreibung über den Ausbruch des ersten Weltkrieges will<br />
weismachen, dass alle beteiligten Mächte in ihn mehr oder minder ungewollt<br />
„hineingeschlittert“ seien. In Wahrheit entstand der erste Weltkrieg aufgrund der<br />
tiefen Widersprüche zwischen den imperialistischen Mächten. Er war die<br />
militärische Fortsetzung ihres jahrzehntelangen erbitterten Kampfes um Kolonien,<br />
Rohstoffquellen, Absatzmärkte, Kapitalanlagesphären und strategische Stützpunkte.<br />
Über 10 Millionen Tote, mehr als 20 Millionen<br />
Verwundete und Verkrüppelte und mehrere Millionen<br />
während des Krieges an Hunger und Seuchen<br />
Gestorbene waren die Bilanz des ersten Weltkriegs.<br />
der internationalen <strong>Solidarität</strong> gaben<br />
die Reformisten den Herrschenden<br />
die Sicherheit im Inneren des Landes,<br />
die sie für einen Eroberungskrieg<br />
nach außen brauchten. Ganze<br />
Tintenmeere wurden in der Julikrise<br />
1914 und danach verspritzt, um den<br />
Krieg als gerechten, „heiligen Verteidigungskrieg“<br />
hinzustellen, seinen<br />
räuberischen Charakter zu verschleiern<br />
und die Volksmassen dazu<br />
zu motivieren, sich freiwillig an<br />
falschen, gegen ihre ureigensten Interessen<br />
gerichteten Fronten gruppieren<br />
zu lassen. Dass das gelang,<br />
war einer der größten Triumphe, den<br />
Herrschende in der Geschichte je<br />
feiern, und eine der bittersten Niederlagen,<br />
die Beherrschte je erleiden<br />
mussten.<br />
Nach wie vor aktuelle Bedeutung.<br />
Der Konflikt zwischen Österreich-Ungarn<br />
und Serbien im Sommer<br />
1914 ging in einen weltweiten<br />
Krieg über, der mehr als vier Jahre<br />
dauerte und zuletzt 33 Staaten der<br />
Erde umfasste. Er vernichtete gewaltige<br />
gesellschaftliche Reichtü-<br />
mer und hatte für die Völker Europas<br />
unermessliche Opfer, Not und<br />
Verelendung zur Folge. Millionen<br />
Soldaten wurden für die Weltherrschaftspläne<br />
und Profitinteressen einer<br />
kleinen Schicht von Monopolund<br />
Bankherren, Großgrundbesitzern,<br />
reaktionären Politikern und<br />
Militärs auf den Schlachtfeldern<br />
hingemordet und verstümmelt. Über<br />
10 Millionen Tote, mehr als 20 Millionen<br />
Verwundete und Verkrüppelte<br />
und mehrere Millionen während des<br />
Krieges an Hunger und Seuchen Gestorbene<br />
waren die Bilanz der Jahre<br />
von 1914 bis 1918.<br />
Der erste Weltkrieg erschütterte<br />
die kapitalistische Ordnung zutiefst.<br />
1917/18 standen die Volksmassen<br />
gegen die Herrschenden auf, stürzten<br />
sie in einem Land, Russland, und<br />
brachten sie in mehreren anderen,<br />
darunter Deutschland, Österreich,<br />
Ungarn und Italien, an den Rand des<br />
Abgrunds.<br />
In einer Zeit, in der die Bush-<br />
Administration in den USA alles<br />
daransetzt, imperialistische Ziele<br />
gewaltsam unter dem Vorwand zu<br />
verfolgen, die zivilisierte Menschheit<br />
vor den Gefahren des „Terrorismus“<br />
zu bewahren, wäre es verfehlt,<br />
die Beschäftigung mit dem ersten<br />
Weltkrieg als eine Sache anzusehen,<br />
die nur die akademische Geschichtswissenschaft<br />
etwas angeht. Das<br />
Wissen um seine Ursachen, seinen<br />
Verlauf und seine Folgen hat für die<br />
<strong>Frieden</strong>sbewegung in aller Welt aktuelle<br />
politische Bedeutung.<br />
Der Autor:<br />
Dr. Hans Hautmann<br />
(ao. Univ.-Prof. am Institut für<br />
Neuere Geschichte und Zeitgeschichte<br />
der Universität <strong>Linz</strong>)
guernica 5/2004 „Krieg gegen den Terror“/Zivildienst 13<br />
Den Teufel nicht mit dem Beelzebub austreiben,<br />
das Teuflische nicht mit dem Teufel besiegen<br />
Von Klaus Heidegger (Pax Christi Tirol)<br />
Teufel und Terror beginnen nicht<br />
nur mit dem gleichen Buchstaben.<br />
Das Teuflische hat in unserer<br />
Zeit Bilder und Namen: Die toten<br />
Kinder von Beslan, die einstürzenden<br />
Türme des World Trade Center,<br />
die täglich neuen Bombardierungen<br />
irakischer Städte durch US-Kampftruppen<br />
und die täglich neuen Gegenanschläge<br />
islamistischer Gruppen,<br />
der Mauerbau zwischen Israel und<br />
dem Westjordanland und die zerfetzten<br />
Körper von Israelis nach einem<br />
Selbstmordattentat palästinensischer<br />
Killerkommandos, die Häuserskelette<br />
von Grosny, die den Bildern<br />
von Dresden nach den Flächenbomardements<br />
der Alliierten gleichen,<br />
die blutverschmierten Körper<br />
auf Bahngeleisen in Madrid. Terror<br />
tritt im Gewand fanatisierter Todespiloten<br />
über unschuldige Flugreisende<br />
und Büroangestellte herein<br />
ebenso wie im Gewand von Bomben<br />
aus Tarnkappenjets auf Kleinhändler<br />
und Marktfrauen in sogenannten<br />
„Schurkenstaaten“. Der gemeinsame<br />
Nenner lautet: unermessliches<br />
Leid, Zerstörung.<br />
Krieg selbst ist Terror. Was<br />
zeichnet Terror aus? Immer geht es<br />
um kaltblütige Abschreckung, Einschüchterung,<br />
Rache oder Vergeltung,<br />
die auf die bewusste Vernichtung<br />
unschuldiger Menschen zielt,<br />
in der Sprache der Kriegsanalytiker:<br />
auf die „weichen Ziele“. Kaltblütiges<br />
Ermorden zählt zur Taktik. Terror<br />
findet außerhalb jedes formalen<br />
Rechtes statt und missachtet bewusst<br />
die Menschenrechte. Auf der einen<br />
Seite steht der Terror fundamentalistischer<br />
Organisationen, die<br />
außerhalb einer staatlichen Autorität<br />
agieren, auf der anderen Seite kann<br />
von „Staatsterror“ gesprochen werden,<br />
der sich ebenfalls im Wider-<br />
spruch zu den Grundsätzen der UN-<br />
Charta befindet.<br />
Die vergangenen drei Jahren haben<br />
das Versagen der US-Administration<br />
und ihrer Verbündeten offenbart.<br />
Krieg ist keine adäquate<br />
Antwort auf den Terror, sondern<br />
treibt die Eskalation des Terrors<br />
weiter. Krieg selbst ist Terror! Die<br />
Kriegsrufe des US-Präsidenten stärken<br />
den Kampfgeist der Terrorgruppen.<br />
Die gigantischen Mittel für das<br />
Militär verdrängen die zivilen Möglichkeiten.<br />
Die „Bush-Doktrin“ mit<br />
Präventivoptionen gegen die Infrastruktur<br />
ganzer Nationen ohne jegliches<br />
völkerrechtliches Mandat hat<br />
versagt. Bush und seine Gesinnungsgenossen<br />
nützen den von ihnen<br />
proklamierten „Krieg gegen den<br />
Terror“, um von den großen Problemen<br />
abzulenken: der zunehmend<br />
größeren Konzentration von Kapital<br />
und Vermögen in den Händen weniger,<br />
der steigenden Gefahren durch<br />
Umweltkatastrophen im Gefolge eines<br />
verschwenderischen Lebensstils<br />
des Nordens.<br />
Der Terror in Russland und den<br />
von Putin-Russland kontrollierten<br />
Republiken beruht auf Gegenseitigkeit.<br />
Es gibt keine Rechtfertigung<br />
für die Brutalität, für die Kaltblütigkeit<br />
und den Horror, der durch Terroranschläge<br />
verübt wird. Deutlich<br />
wie sonst nirgends zeigt das Beispiel<br />
Tschetschenien, dass Präsident Putin<br />
mit seiner Politik der Missachtung<br />
tschetschenischer Interessen und mit<br />
fortlaufenden Menschenrechtsverletzungen<br />
die Saat für den Terror sät.<br />
Terrorbekämpfung wird zum Löschen<br />
von Feuer mit Öl. Im Hintergrund<br />
der Politik von Moskau stehen<br />
letztlich ökonomische Interessen,<br />
die zuvorderst einen Namen tragen:<br />
Öl. Folglich ist die causa prima<br />
gegeben, der Kampf um den Ein-<br />
fluss auf die letzten Erdölressourcen<br />
dieser Welt. So ist die vom Terror<br />
und Wüten des Krieges verschonte<br />
westliche Welt in ihrem unermesslichen<br />
Hunger nach Öl mit Kriegsursache.<br />
EU-Verfassung auf der Linie<br />
der Bush-Doktrin. Ob Israel-Palästina,<br />
Russland-Tschetschenien oder<br />
Irak-USA, der globale Krieg gegen<br />
den Terrorismus hat die Fundamentalismen<br />
verstärkt, je mehr die staatliche<br />
Gewalt unter dem Anspruch<br />
der Terrorbekämpfung zugenommen<br />
hat.<br />
Die EU-Verfassung liegt in ihrer<br />
sicherheitspolitischen Ausrichtung<br />
ganz auf der Linie der Bush-Doktrin<br />
und der herrschenden Terrorbekämpfung<br />
mit den Mitteln des<br />
Krieges. Auch dort wird der Kampf<br />
gegen den Terror als Hauptbedrohungsbild<br />
genannt, dem mit Festlegungen<br />
auf preemptives Engagement<br />
- sprich Präventivschläge ohne<br />
UN-Mandat - zu begegnen ist.<br />
Die Antwort auf den Terror muss<br />
immer <strong>Solidarität</strong> mit den Opfern,<br />
konsequente Verfolgung der Täter<br />
und Herrschaft des Rechts sein. Dies<br />
ist kein Appeasement, sondern Boden<br />
für eine nachhaltige Lösung des<br />
Terrors.<br />
Jeder Staat hat das Recht und die<br />
Pflicht, seine Bevölkerung vor Terror<br />
zu schützen. Terrorbekämpfung<br />
kann nur auf dem Boden der universalen<br />
und allgemein gültigen Menschenrechte<br />
geschehen. Der Schutz<br />
der Menschen vor Terror ist Aufgabe<br />
der Polizei und kann nicht zur<br />
Aufgabe der Militärs werden, wie<br />
dies von Bush über Sharon und Blair<br />
bis Putin praktiziert wird und verfassungsrechtlich<br />
auch in der EU-Verfassung<br />
festgeschrieben werden soll.<br />
Es ist bedenklich, wenn überall die<br />
Funktionen von Militär und Polizei<br />
vermischt werden.<br />
Wurzeln des Terrors bekämpfen.<br />
Es gibt die Alternativen zum<br />
globalisierten Militarismus mit seinen<br />
falschen Versprechungen. Sicherheit<br />
wird versprochen, kommt<br />
aber durch noch so gigantische Aufrüstungen<br />
und Krieg gegen ganze<br />
Nationen nicht zustande. Die Antwort<br />
auf den Terror muss ein verstärktes<br />
Eintreten für Gerechtigkeit<br />
und <strong>Frieden</strong> sein. Eine Welt, die zunehmend<br />
mehr in Reich und Arm<br />
gespalten ist, bietet Nährboden für<br />
terroristische Ideologien. Terror ist<br />
Symptom. Terrorbekämpfung kann<br />
nicht Symptombekämpfung bleiben,<br />
sondern die Ursachen des Terrors<br />
sind anzupacken.<br />
Die Kirchen und Religionsgemeinschaften<br />
haben eine besondere<br />
Aufgabe: Weil im Namen Gottes fanatisierte<br />
Mörderbanden abscheuliche<br />
Gewalttaten begehen und auch<br />
die Staaten des Westens ihren Krieg<br />
mit religiösen Motiven untermauern<br />
- der Kampf des Guten gegen das<br />
Böse - können religiöse Menschen<br />
dagegen halten: Der Glaube an den<br />
Einen Gott verbindet Juden, Christen<br />
und Muslime. Alle großen Religionsgemeinschaften<br />
gehen von der<br />
Heiligkeit des Menschen aus und<br />
begründen daher seinen Schutz.<br />
Auch wenn viele der jüngsten Terrorangriffe<br />
von islamistischen Organisationen<br />
verübt wurden, kann Terrorbekämpfung<br />
nicht ein Kampf gegen<br />
den Islam sein.<br />
Wer <strong>Frieden</strong> schaffen will, muss<br />
Feindbilder zerstören: Nicht der Islam<br />
ist der Feind, sondern eine Religion<br />
mit einer großartigen Zivilisation;<br />
nicht Israel ist der Feind, sondern<br />
das jüdische Volk hat ein Recht<br />
auf einen Staat.<br />
Wehrersatzdienst - anachronistisches Auslaufmodell<br />
oder Sinnbild einer modernen Solidargemeinschaft?<br />
Bis Ende Jänner 2005 beschäftigt sich die Zivildienstreformkommission mit dem Umbau des 1975 eingeführten<br />
Wehrersatzdienstes und wird dann eine Empfehlung zu formulieren haben. Welche gesellschaftspolitische Bewertung<br />
der Zivildienst darin erfährt bleibt weitgehend fragwürdig.<br />
Zukunftsweisende Neuformulierung?<br />
Die Einsetzung einer<br />
Reformkommission für den Zivildienst<br />
ist grundsätzlich überaus<br />
wünschenswert, um die über die<br />
Jahre angehäuften Fragestellungen<br />
und Veränderungen in einem möglichst<br />
breiten gesellschaftlichen<br />
Rahmen kontrovers zu diskutieren.<br />
Doch welche konkreten Ausformungen<br />
die Kommission mit ihren Fachausschüssen<br />
über die letzten Wochen<br />
angenommen hat, wirkt aus<br />
Sicht der Zivildiener immer befremdender.<br />
Denn es scheint, als werden<br />
Grundsatzfragen des Zivildienstes,<br />
derer sich eine Gesellschaft zu stellen<br />
hat, immer mehr auf Kosten betriebswirtschaftlicher<br />
Kalkulationen<br />
verdrängt. Die Kommission lässt dadurch<br />
implizit durchblicken, dass es<br />
ihr an einer Vision für den zukünfti-<br />
gen Zivildienst und dessen Bedeutung<br />
für ein sinnstiftendes Gemeinwesen<br />
schlicht und einfach fehlt.<br />
Denn diese Fragestellungen verblassen<br />
im Lichte statistischer Zahlen,<br />
staatlicher Kameralistik und betriebswirtschaftlicher<br />
Berechnungen<br />
der Trägerorganisationen. Dabei ist<br />
eine solche Schwerpunktverlagerung<br />
mehr als problematisch. Eine<br />
Gesellschaft, die Zivildiener nur<br />
noch als billige Arbeitskräfte betrachtet<br />
und bei jedem Vorstoß zu<br />
deren „Besserstellung“ den Zusammenbruch<br />
des Sozialsystems ins<br />
Feld führt, darf letztlich die Illusions-<br />
und Perspektivenlosigkeit der<br />
jungen Menschen nicht beklagen.<br />
Man klammert sich an ein historisch<br />
gewachsenes Modell, das ganz unbeabsichtigt<br />
plötzlich zum Lösungsansatz<br />
für dringende sozialpolitische<br />
Herausforderungen geworden ist.<br />
Dabei übersieht man sowohl die gesellschaftspolitischen<br />
und demographischen<br />
Entwicklungen als auch<br />
die Anliegen der jungen Menschen.<br />
Denn diese stehen ja einem Dienst<br />
an der Gesellschaft bei entsprechenden<br />
Konditionen durchaus nicht ablehnend<br />
gegenüber, wie eine kürzlich<br />
veröffentlichte Erhebung zu<br />
freiwilligen Sozialdiensten belegt.<br />
Quantität vor Qualität. Dass<br />
man aber gerade in der Frage dieser<br />
Rahmenbedingungen aufgrund des<br />
Kostenfaktors kaum Spielraum<br />
sieht, lässt auch die Politik, bei Max<br />
Weber noch die „Kunst des Möglichen“,<br />
die aber immer auch nach<br />
dem Unmöglichen greifen muss, zu<br />
einer determinierten Subkategorie<br />
ökonomischer Kalküle verkommen.<br />
Und welche Qualität hat letztlich die<br />
Arbeit einer Kommission, die aus<br />
Kostenüberlegungen zwar die Trägereinrichtungen<br />
befragt, für die Befragung<br />
der Zivildienstleistenden jedoch<br />
keine Mittel zur Verfügung<br />
stellen will? (Diese Befragung wird<br />
jetzt auf Initiative und Kosten der<br />
Zivildienervertreter durchgeführt:<br />
www.zivildienst.at/fragebogen). Sie<br />
erscheint dann kaum mehr als ein<br />
Tummelplatz semiprofessioneller<br />
Betriebswirte, die unwissend der<br />
Beschränkungen der statistischen<br />
Analyse, der Bedeutung der zugrundeliegenden<br />
Datenbasis und eines<br />
methodisch einseitigen als auch<br />
wertenden wissenschaftlichen Zugangs,<br />
trotzdem auf dieser Grundlage<br />
über die Zukunft des Zivildienstes<br />
entscheiden.<br />
So bleibt zu befürchten, dass<br />
Militärblöcke spalten -<br />
Neutralität verbindet!<br />
Besondere Möglichkeiten des<br />
Neutralen. Österreich könnte als<br />
neutraler Staat in besonderer Weise<br />
ein Anwalt für die skizzierten nichtmilitärischen<br />
und nicht-kriegerischen<br />
Wege der Terrorbekämpfung<br />
sein: Nicht durch Ankauf von Kriegstechnologien,<br />
z. B. Kampfjets,<br />
nicht durch Erhöhung von Militäretats,<br />
sondern durch Eintreten für internationale<br />
Abrüstung, durch Aufwerten<br />
der Gremien der Vereinten<br />
Nationen, durch eine Umlenkung<br />
der frei gewordenen Mittel für einen<br />
groß angelegten Feldzug gegen Armut<br />
und Not.<br />
Dr. Klaus Heidegger<br />
(Diskussions-Unterlage für<br />
Pax Christi Österreich)<br />
auch die Reformkommission am gegenwärtigen<br />
Konzept festhält: sich<br />
an den Meriten des Zivildienstes als<br />
soziales Leistungsmodell zu sonnen,<br />
während die konkrete Situation Tausender<br />
Zivildienstleistender weiterhin<br />
ausgeblendet bleibt. Doch dies<br />
hat den entscheidenden Vorteil, dass<br />
man sich mit der wirklich drängenden<br />
Frage bezüglich des Beitrags<br />
des Zivildienstes zu unserem Gemeinwesen<br />
und zur <strong>Frieden</strong>ssicherung<br />
nicht auseinandersetzen muss.<br />
Dr. Michael Gerhard Kraft<br />
(Sozialwissenschaftler, gegenwärtig<br />
Zivildienstleistender und<br />
Vertrauensmann im Archiv der<br />
KZ-Gedenkstätte Mauthausen beim<br />
BMI. Sitzt für die „Plattform für<br />
Zivildiener“ in zwei Fachausschüssen<br />
der Reformkommission.)
14 frauen.stimmen.gegen krieg. guernica 5/2004<br />
Frauen in der Schweizer Armee<br />
Ein Beispiel für die Funktionalisierung<br />
der Frauenrechte, die der Legitimation<br />
der Militarisierung dient<br />
Seit einigen Jahren gilt für die<br />
Schweizer Armee die völlige<br />
Gleichstellung der Frauen. Der<br />
Frauenanteil an der Armee ist jedoch<br />
sehr gering. Frauen leisten in der<br />
Schweiz traditionell Hilfsdienste<br />
beim Roten Kreuz, seit dem zweiten<br />
Weltkrieg erfolgte die Aufnahme<br />
von Frauen zu waffenlosen Hilfsdiensten<br />
in der Armee. In den 80er<br />
und 90er Jahren wurde die Gleichstellungspolitik<br />
betrieben, es wurde<br />
damit begonnen, Frauen zu Soldatinnen<br />
auszubilden, seit zwei Jahren<br />
sind Frauen auch zu Kampfeinsätzen<br />
zugelassen. Diese Entwicklung<br />
erfolgt - kaum zufällig - parallel<br />
zum Umbau der Armee. Angesichts<br />
der Rückschrittlichkeit der Frauenpolitik<br />
verweist die Gleichstellungspolitik<br />
im militärischen Bereich auf<br />
die Notwendigkeit, der Sinnhaftigkeit<br />
der Armee und dem Richtungswechsel<br />
der Sicherheits- und Verteidigungspolitik<br />
eine breitere gesellschaftliche<br />
Akzeptanz verschaffen<br />
zu müssen, abgesehen davon, dass<br />
Frauen als Lückenbüßerinnen sowohl<br />
quantitativ als auch qualitativ<br />
der Kompensation der Rekrutierungsschwierigkeiten<br />
einer Armee<br />
mit steigender Berufsheerkomponente<br />
dienen. Denn die Politik reagiert<br />
sehr verlangsamt oder gar nicht<br />
auf Forderungen der Frauenbewegungen<br />
nach Anerkennung grundlegender<br />
Frauenrechte: zwar gibt es<br />
das Frauenwahlrecht, es dauerte jedoch<br />
bis zum Ende der 90er Jahre,<br />
bis die letzte Gemeinde in der<br />
Schweiz dies auch zur Kenntnis genommen<br />
hat; zwar gibt es eine gesetzliche<br />
Grundlage dafür, Mutterschutzgeld<br />
zu bezahlen, diese wird<br />
aber erst seit 2004 vollzogen. Denn:<br />
Frauen wehren sich. Seit Monaten<br />
wird in Bern eine permanente Installation,<br />
die „Frauenwache“ aufrechterhalten,<br />
mit einem Lesebereich,<br />
der Zitate von Feministinnen umfasst,<br />
von diversen kulturellen Rahmenprogrammen<br />
begleitet, die einen<br />
Wohnwagen beinhaltet, in dem täglich<br />
Frauen aus den unterschiedlichsten<br />
Lebenszusammenhängen übernachten:<br />
symbolisch gewacht wird<br />
über die Politik, die Frauenrechte<br />
missachtet: im Herbst 2004 hat das<br />
Parlament darüber entschieden, dass<br />
die öffentliche Hand endlich das<br />
Recht der Frauen auf Mutterschutzgeld<br />
(nicht Karenzgeld!!!) umsetzt.<br />
Und: Frauen wehren sich gegen die<br />
Armee. Es gibt nun die erste zivildienstleistende<br />
Frau in der Schweiz,<br />
ihre Gründe, eine Alternative zu einem<br />
Heer zu benötigen, welches sie<br />
in seiner frauenfeindlichen, sexistischen<br />
Ausprägung erlebt hatte, wurden<br />
von der Gewissenskommission<br />
anerkannt.<br />
Patriarchat und Krieg. Der Begriff<br />
Patriarchat benennt das Geschlechterverhältnis<br />
als ungleiches<br />
Macht- und Herrschaftsverhältnis.<br />
Simone de Beauvoir formulierte:<br />
„Die Menschheit ist männlich, und<br />
der Mann definiert die Frau nicht<br />
als solche, sondern im Vergleich zu<br />
sich selbst: sie wird nicht als autonomes<br />
Wesen angesehen [...] sie ist<br />
das Unwesentliche gegenüber dem<br />
Wesentlichen. Er ist das Subjekt, er<br />
ist das Absolute, sie ist das Andere“.<br />
Das vom <strong>Frieden</strong>sforscher Johan<br />
Galtung entwickelte Gewaltmodell,<br />
welches Gewalt auf einer systemischen,<br />
kulturellen und personalen<br />
Ebene verortet, lässt sich in bezug<br />
auf das Geschlechterverhältnis anwenden:<br />
die Ebene der strukturellen<br />
Gewalt bezieht sich auf das Patriarchat,<br />
kulturelle Gewalt auf Sexismus<br />
und direkte Gewalt zusätzlich<br />
auf sexualisierte Gewalt.<br />
Strukturelle Gewalt gegen<br />
Frauen in Zeiten negativen<br />
<strong>Frieden</strong>s. Mit absoluter Deutlichkeit<br />
verweist der nach wie vor gültige<br />
UNO-Bericht, nach dem Frauen<br />
weltweit zwei Drittel der gesamten<br />
Arbeit leisten, ein Zehntel des Einkommens<br />
beziehen und ein Hundertstel<br />
des Weltvermögens besitzen<br />
auf das globale Ausmaß einer Gesellschaft,<br />
die auf der Ausbeutung<br />
von Frauen, auf ihrer schlecht und<br />
unbezahlten Arbeit beruht. Ohne<br />
Frauen keine neoliberale Globalisierung!!!<br />
Eine Voraussetzung für die<br />
Durchsetzung einer globalen neoliberalen<br />
Wirtschaftspolitik, die verantwortlich<br />
zeichnet für einen dramatischen<br />
Anstieg der Ungleichheit<br />
- 1965 war das persönliche Durchschnittseinkommen<br />
in den G7-Ländern<br />
20 Mal so hoch wie jenes in<br />
Rosi Krenn<br />
Frauen und Militarismus<br />
Frauen Gesellschaft Kritik<br />
Band 38, 1. Auflage 2002,<br />
140 Seiten<br />
ISBN 3-8255-0376-3<br />
Centaurus Verlag<br />
Kriege machen patriarchale<br />
Beziehungen patriarchaler. Es<br />
geht darum, jene Gewaltstrukturen,<br />
die dem Kriege zugrunde<br />
liegen aufzudecken, um den<br />
Krieg als soziales Phänomen<br />
unmöglich zu machen. Und:<br />
es geht um die Thematisieung<br />
des widerständigen Potentials,<br />
um Publizität für Frauenfriedensbewegungen.<br />
den 7 ärmsten Ländern der Welt,<br />
1995 war die Differenz 35 Mal<br />
größer, während gleichzeitig die<br />
Kluft innerhalb der Länder steigt -<br />
liegt in der Aufrechterhaltung der<br />
Ausbeutung und Unterdrückung von<br />
Frauen. Wir sind weltweit mit der<br />
Feminisierung von Armut konfrontiert.<br />
Selbstgefällig wird oft das<br />
frauenfreundliche Klima in den reichen<br />
Industriestaaten betont. Dass<br />
es den Frauen in den Industriestaaten<br />
besser geht, ist primär darauf<br />
zurückzuführen, dass es den Menschen<br />
infolge von Kolonialismus<br />
und Neokolonialismus „besser“<br />
geht. Der Prozess der Hausfrauisierung<br />
impliziert, dass die Hausfrau<br />
zusätzlich zum männlichen Ernährer<br />
das Familieneinkommen lediglich<br />
verbessert. Der Lohn der Frauen<br />
liegt deutlich unter dem der Männer.<br />
Die Frauen sind die optimalen Arbeitskräfte<br />
für das globalisierte Kapital.<br />
In Europa erfahren Frauen zusehends<br />
die negativen Folgen der<br />
neoliberalen Wirtschaftspolitik: Abbau<br />
des Sozialstaates, höhere Frauenarbeitslosigkeit,<br />
zunehmend ungeschützteBeschäftigungsverhältnisse<br />
im informellen Sektor, Rücknahme<br />
der eigenständigen Existenzsicherung.<br />
Diese Entwicklung ist im<br />
Zusammenhang mit der Ausbeutung<br />
der Frauen in den Ländern des Südens<br />
zu sehen. Frauen werden dem<br />
internationalen Kapital überall dort<br />
angeboten, wo die billigsten, gefügigsten<br />
und gehorsamsten Arbeitskräfte<br />
gesucht werden, für die Industrien<br />
mit hoher Arbeitsintensität,<br />
etwa die Spielzeug- oder Textilindustrie.<br />
Für die Freiheit des Kapitals<br />
haben Regierungen vielerorts sog.<br />
„Sonderwirtschaftszonen“ eingerichtet,<br />
etwa die Macquiladoras an<br />
der mexikanischen Grenze: 90 %<br />
der Arbeitskräfte sind junge unverheiratete<br />
Frauen, es gibt keinen<br />
Mindestlohn, Gewerkschaften sind<br />
verboten, die Arbeitszeit kann bis zu<br />
14 Stunden pro Tag, mit Schichtarbeit<br />
bis 2 Uhr nachts dauern, ohne<br />
ausreichende Pausen, manchmal<br />
werden die Arbeiterinnen eingesperrt,<br />
bis sie ein bestimmtes Pensum<br />
an Produkten fertig gestellt haben.<br />
Legitimiert bzw. moralisch unterfüttert<br />
wird die Unterdrückung<br />
von Frauen auf der Ebene der kulturellen<br />
Gewalt.<br />
Der Krieg ist männlich. Der<br />
Krieg ist systemimmanenter Bestandteil<br />
einer ökonomischen Existenzweise,<br />
die auf Ausbeutung, Kapitalakkumulation,<br />
Eroberung und<br />
Unterwerfung basiert. Ohne Krieg<br />
ist ein auf Raub und Reichtumsanhäufung<br />
aufgebautes ökonomisches<br />
System auch in seiner heutigen globalen<br />
neoliberalen Ausprägung<br />
nicht durchsetzbar. Der Krieg ist der<br />
Vater aller Dinge. Dies bezeichnet<br />
das Prinzip des Männlichen bis heute.<br />
Die Entstehungsgeschichte des<br />
Krieges ist im Kontext der kulturellen<br />
Konstruktion des Männlichen als<br />
kriegerischen Helden zu sehen. Die<br />
Konstruktion des Weiblichen stellt<br />
eine Bedrohung für das Prinzip einer<br />
Männlichkeit dar, das sich der Ag-<br />
FRAUEN.<br />
gression und Gewalt bedient, um ein<br />
Machtverhältnis aufzubauen und<br />
aufrechtzuerhalten.<br />
Die Armee: das Mittel des Krieges.<br />
Mit Ausnahme der Kirche ist in<br />
keinem anderen Bereich der Gesellschaft<br />
die Zementierung des ungleichen<br />
Geschlechterverhältnisses so<br />
stabil wie in den Armeen, unabhängig<br />
davon, ob nun Frauen dem Krieg<br />
als Soldatinnen dienen oder nicht.<br />
Die Armee basiert auf dem Prinzip<br />
des männlichen Kriegers. Klaus<br />
Theweleit hat die Entstehung des<br />
soldatischen Körperpanzers anhand<br />
der Freikorpsliteratur der Zwischenkriegszeit<br />
und im Rahmen der<br />
Faschismusgenese beschrieben. Askese,<br />
Schmerz und schließlich<br />
Kampf werden unter enormen<br />
Druck einer psychologisch ausgeklügelten<br />
Dressur als Lusterleben<br />
gesetzt, da Schmerz das einzig zugelassene<br />
Lebens-Lust-Gefühl darstellt,<br />
ein brüchiges und fragmentierendes<br />
Ich schafft, das sich im Krieg<br />
bzw. Kampf als Ganzheit zusammensetzt,<br />
im Zerstören als Existenzweise<br />
nur empfinden kann, wobei<br />
sich der einzelne Soldat als Teil einer<br />
Ganzheitsmaschine, repräsentiert<br />
durch die Truppe wahrnimmt:<br />
Selbstzeugung und Selbstgeburt einer<br />
formierten Männlichkeitsorganisation,<br />
der Körperpanzer dient dem<br />
Schutz vor der Frau, ist gegen den<br />
Körper bzw. gegen die Körperlichkeit<br />
der Frau gerichtet, die als Entgrenzung<br />
gesetzt ist, somit gegen<br />
die Wunschproduktion des eigenen<br />
Unbewussten: „Der 'Neue Mensch',<br />
gezeugt aus dem vom Drill organisierten<br />
Kampf des alten Menschen<br />
gegen sich selbst, ist lediglich der<br />
Maschine verpflichtet, die ihn geboren<br />
hat. Er ist eine wirkliche Zeugung<br />
der Drillmaschine, gezeugt<br />
ohne Zuhilfenahme der Frau, ohne<br />
Eltern. Verbindungen, Beziehungen,<br />
hat er zu anderen Exemplaren des<br />
neuen Menschen, mit denen er sich<br />
zusammenfügen lässt zur Makromaschine<br />
Truppe. Alle anderen passen<br />
nur 'unter', nicht neben, vor oder<br />
hinter ihn“. Chaim Shatan hat eine<br />
'pschodynamische Theorie des<br />
Kampfes entworfen und aufgezeigt,<br />
dass in der Soldatenausbildung die<br />
tyrannischen Beziehungsstrukturen,<br />
die die Fähigkeit zum Töten entwickeln,<br />
auf der Ausgrenzung und<br />
Entwürdigung des Weiblichen basieren.<br />
Einerseits werden junge<br />
Männer als Frau, als weibisch beschimpft,<br />
wenn sie Schwächen zeigen<br />
oder Fehler machen, andererseits<br />
wird Gewalt, als Teil des männlichen<br />
Selbstbildes im Zusammenhang<br />
mit sexuellen Phantasien, erotisiert.<br />
Der Sexualtrieb wird in den<br />
Dienst des Tötens gestellt, die Waffe,<br />
die Braut des Soldaten, wird mit<br />
sexuellen Kräften ausgestattet. Der<br />
Ausbildung zum Krieger geht nicht<br />
nur körperlicher Drill und Brutalisierung<br />
des Geistes voraus, er wird<br />
erst möglich auf der Grundlage einer<br />
systematischen Verächtlichmachung<br />
alles Weiblichen. Zur systematischen<br />
Anwendung direkter Gewalt<br />
gegen Frauen bedarf es nur noch ei-<br />
STIMMEN.<br />
GEGEN KRIEG.<br />
nes kleinen Schrittes in der Dynamik<br />
der Konflikteskalation.<br />
Frauen: Opfer, Nutznießerinnen<br />
und Mittäterinnen des<br />
kriegerischen Patriarchats.<br />
Frauen werden in einem gesellschaftlichen<br />
System, welches im<br />
Rahmen seiner militaristischen<br />
Komponente in Zeiten negativen<br />
<strong>Frieden</strong>s Kriege vorbereitet sowie in<br />
Kriegszeiten, die patriarchale Gewalt<br />
auf allen Ebenen verstärken,<br />
Opfer, Nutznießerinnen und Mittäterinnen.<br />
In Zeiten negativen <strong>Frieden</strong>s<br />
akkumuliert eine Gesellschaft genügend<br />
Mehrwert, um einen Krieg und<br />
die Abwesenheit der Krieger von der<br />
Heimatfront verkraften zu können,<br />
in Kriegszeiten sind Frauen mit unterschiedlichen<br />
Rollenangeboten<br />
konfrontiert. Nach Astrid Albrecht-<br />
Heide können Frauen Söldnerinnen<br />
und Kollaborateurinnen, Assistentinnen,<br />
Claqueurinnen und hegende<br />
und pflegende Florence-Nightingales<br />
und Widerständige sein, die auf<br />
verschiedenen Beziehungsebenen<br />
betrachtet werden können: als Mütter,<br />
Ehefrauen und Partnerinnen sind<br />
sie Produzentinnen und Reproduzentinnen<br />
militärischer Arbeitskraft,<br />
als den vom Krieg heimkehrenden<br />
Soldaten Zujubelnde sind sie Gewalt-Claqueurinnen,<br />
als zivile Mitarbeiterinnen<br />
des Militärs Gewaltassistentinnen,<br />
infolge der Mitarbeit in<br />
der Rüstungsindustrie wird, eingeholt<br />
über Verteidigungsauftrag und<br />
Sicherheitskonzept aus Gewaltassistenz<br />
Gewalttäterinnenschaft. Frauen<br />
und Kinder dienen als ideologisches<br />
Verteidigungsmotiv, Frauen<br />
leisten geistig-ideologische Kollaboration,<br />
solange sie dem Verteidigungsauftrag<br />
nicht widersprechen.<br />
Frauen, die Soldatinnen werden,<br />
können letztlich als Söldnerinnen<br />
des Patriarchats betrachtet werden.<br />
Frauenbefreiung braucht <strong>Solidarität</strong>.<br />
Kriege werden nicht für<br />
Frauen geplant. Kriege werden nicht<br />
für die Ziele der Frauenbefreiung<br />
geführt. Kriege forcieren Gewalt gegen<br />
Frauen. Wir sind weltweit mit<br />
einem System der Unterdrückung<br />
und Verarmung der Mehrheit der<br />
Menschen konfrontiert. Als Frauen<br />
sind wir in mehrfacher Hinsicht von<br />
Großmachtpolitik und Profitmaximierung<br />
betroffen. Frauen wehren<br />
sich: zahlreiche Frauen und Frauenorganisationen<br />
schließen sich zu internationalen<br />
solidarischen Netzwerken<br />
zusammen. Beim Weltsozialforum<br />
2004 in Mumbai war Krieg<br />
und <strong>Frieden</strong> das bestimmende Thema,<br />
sowie eine geschlechtsspezifische<br />
Sicht auf neoliberale Globalisierung<br />
und ihre Folgen. Wir sind<br />
viele. Und: wir arbeiten daran, das<br />
Patriarchat zu überwinden. Auch<br />
und vor allem in seinem kriegerischen<br />
Gesicht. Weil wir leben wollen.<br />
Rosi Krenn<br />
ARGE Wehrdienstverweigerung &<br />
Gewaltfreiheit<br />
A-1010 Wien<br />
Schottengasse 3a/1/4/59<br />
Tel. (01) 535 91 09
guernica 5/2004 Sage niemand .../LeserInnenbriefe/Wir über uns 15<br />
SAGE NIEMAND, ER/SIE HABE<br />
ES NICHT WISSEN KÖNNEN<br />
Euro-Schlachtgruppen marsch!<br />
„Die Konzeption ist also folgende: Wenn ein Konflikt in Europa oder außerhalb von Europa auftritt, dann<br />
wollen wir schnell eine solche Battlegroup einsetzen.“<br />
(BRD-„Verteidigungsminister“ Peter Struck zum Einsatz der geplanten EU-Schlachtgruppen („Battle-Groups“),<br />
in: Deutscher Bundestag, Stenografischer Bericht 126. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 23. September 2004;<br />
Plenarprotokoll 15/126. Siehe auch Europäischer Krieg article/1070672678)<br />
Bundesverteidigungsminister Peter Struck (SPD) hält weitere <strong>Frieden</strong>seinsätze der Bundeswehr in Afrika für<br />
möglich. Deutschland habe zusammen mit Großbritannien, Frankreich und Belgien eine besondere Verantwortung<br />
für den afrikanischen Kontinent, sagte Struck am Donnerstag im Inforadio Berlin-Brandenburg. Die Bundeswehr<br />
besitze zudem die notwendigen Kapazitäten. „Ich würde bei einer Größe der Bundeswehr von 270.000 Soldatinnen<br />
und Soldaten und etwa 8.000 in einem Auslandseinsatz nicht sagen, ich kann keinen weiteren Auslandseinsatz<br />
mehr verkraften“, betonte er.<br />
(in: Yahoo-Nachrichten-Deutschland, 26.8.2004)<br />
„Ich möchte, dass Afrika die höchste Priorität für die neuen schnell einsetzbaren Schlachtgruppen der EU wird;<br />
wir müssen sie so rasch wie möglich im Jahr 2005 einsatzfähig machen.“<br />
(Tony Blair, britischer Premierminister, Rede in Addis Abbaba, 8.10.2004, zit. nach Sudan Tribune, 8.10.2004)<br />
Präventivkriege<br />
„Mehr globale Verantwortung zu übernehmen [...] und eine Strategie präventiven Engagements zu übernehmen,<br />
wird nicht erreicht werden, wenn die gegenwärtige Kluft zwischen Endziel und Mittel andauert [...] Diese Ziele<br />
rufen nach rasch einsetzbaren und auf lange Zeit aufrechtzuerhaltenden Streitkräften.“<br />
(Institut für Sicherheitsstudien, Europäische Verteidigung. Vorschlag für ein Weißbuch; Paris, Mai 2004,<br />
vom EU-Rat in Auftrag gegeben)<br />
Warum wir den Eurofighter kaufen ...<br />
„Alle großen europäischen Armeen mit Ausnahme Frankreichs fliegen den Eurofighter, der damit ein erster<br />
Schritt in Richtung gemeinsame europäische Rüstung und Sicherheitspolitik ist [...] Mit dem Eurofigher passt das<br />
Bundesheer nahtlos in EU-Militäreinsätze. Die zwei Milliarden Euro für die Eurofighter sind also unser Eintrittspreis<br />
in das euroäische Sicherheitssystem.“<br />
(Salzburger Nachrichten, 22.10.2004; in: Warum wir den Eurofighter kaufen, Alexander Purger)<br />
... und wofür<br />
„Der Eurofighter ist sowohl bei BVR-Aktivitäten (Beyond Visual Range) als auch im Nahkampf überlegen;<br />
gleichzeitig können bei jeder Witterung und unter Einsatz diverser Waffensysteme hohe Angriffsquoten gegen Luft-,<br />
See- und Bodenziele erzielt werden.“<br />
(Presseaussendung Eurofighter GmbH, OTS, 6.10.2004)<br />
bezahlte Anzeige<br />
Neuer Vorstand und neuer Vorsitz<br />
LeserInnenbriefe<br />
<strong>Frieden</strong>svolksbegehren statt Dienst an der Waffe<br />
Ich unterstütze das <strong>Frieden</strong>svolksbegehren mit großer Begeisterung! Vor<br />
ca. 6 Wochen begann ich, beim Bundesheer meinen Wehrdienst abzuleisten.<br />
Doch nach 2½ Wochen verweigerte ich den Dienst an der Waffe. Ich<br />
hatte, um es klar zu sagen, Angst vor diesem Gerät. Daher lehne ich jede<br />
Form solcher Gewalt ab und hoffe, dass Ihr Volksbegehren zustande<br />
kommt.<br />
Manuel Raingruber, Pucking<br />
Seliger Kaiser Karl von Habsburg,<br />
sei Fürsprecher für Deinen treuen Diener und unseren österreichischen<br />
Bruder Engelbert [Dollfuß, Anm. d. Red.], damit auch er eines Tages zum<br />
Märtyrer, erhoben zur Ehre der Altäre, werde, und uns arme, sündige, aber<br />
fiedliebende und pazifistische Österreicher Nachsicht zuteil komme, wegen<br />
unserer aufmüpfigen Haltung gegen die Obrigkeit.<br />
Matthias Hertz, <strong>Linz</strong><br />
„Heimatschutz“<br />
Ich möchte einen Ausschnitt eines Leserbriefes in der Furche Nr. 40<br />
(30.9.2004, S. 12) zitieren. Er stammt vom Generaltruppeninspektor a. D.,<br />
Karl Majecen: „An Begriffen - wie Heimatschutz [...] darf die Mitwirkung<br />
des Bundesheeres an dieser eindeutig gegebenen Aufgabenstellung im Interesse<br />
Österreichs und seiner Bürger nicht scheitern. Es ist ja unbestritten,<br />
dass dabei in erster Linie die Assistenzleistung gemeint ist - Daher sind negative<br />
Bemerkungen dazu, von wem auch immer, fehl am Platz und<br />
zurückzuweisen“. Wahrscheinlich kauft jetzt das Bundesheer aus diesem<br />
Geiste heraus und ganz in der Tradition der Hahnenschwanzler 20 Dingos<br />
für den Fall einer Ausweitung eines potenziellen Assistenzeinsatzes auf das<br />
Inland! Seliger Karl bitt für uns!<br />
Kurt-Georg Strohmaier, Graz<br />
Finger weg!<br />
Wir leben derzeit wieder in einer kriegsträchtigen Zeit. Die Kriege werden<br />
von Terroristen geführt, gegen diese ist die stärkste Armee zu schwach. Dagegen<br />
kann man sich nur schützen durch eine aktive <strong>Frieden</strong>spolitik, denn<br />
die Terroristen wehren sich gegen jene fremden Mächte, die ihr Land ausbeuten<br />
wollen und jene, die anderen dabei helfen. Also Finger weg von<br />
derlei Hilfeleistung.<br />
Ing. Josef Garscha, Paudorf<br />
Über Briefe freut sich die Redaktion immer, behält sich aber Kürzungen vor.<br />
Briefe per e-mail an friwe@servus.at<br />
Briefe per Post an <strong>Werkstatt</strong> <strong>Frieden</strong> & <strong>Solidarität</strong>,<br />
Waltherstr. 15b, A-4020 <strong>Linz</strong><br />
WIR ÜBER UNS<br />
Bei der letzten Vollversammlung der <strong>Werkstatt</strong> wurde Elke Renner,<br />
Wien, in den Vorstand gewählt. Elke Renner arbeitet aktiv bei den<br />
LehrerInnen für den <strong>Frieden</strong> und ist Vorsitzende des Österreichischen<br />
<strong>Frieden</strong>srates. Dadurch soll die Kommunikation mit beiden Organisationen<br />
noch intensiviert werden. Weiters wurden Stefan Daxner, Ulrike<br />
Koushan, Boris Lechthaler, Gerald Oberansmayr, Günter Reder und<br />
Siegfried Schmidtberger wieder in den Vorstand gewählt. Bei der Konstituierung<br />
des Vorstandes wurde Günter Reder zum Vorsitzenden gewählt.<br />
Günter Reder ist seit Gründung 1993 Mitglied der <strong>Frieden</strong>swerkstatt<br />
und war über Jahre verantwortlich für die Herausgabe der guernica.<br />
Er arbeitet zur Zeit als Software-Ingenieur bei einem privaten EDV- Günter Reder<br />
Dienstleister. Wir schätzen besonders seine Konzentration aufs Wesentliche<br />
in komplexen Zusammenhängen. Gerald Oberansmayr hat nach drei Jahren die Vorsitzfunktion<br />
zurückgelegt. Nicht nur seine Recherchen, seine Analysen und Dokumente sind für unsere<br />
Arbeit völlig unverzichtbar und werden uns glücklicherweise auch weiterhin erhalten bleiben.<br />
Auf bessere Zusammenarbeit!<br />
Seit langem leistet die <strong>Frieden</strong>swerkstatt <strong>Linz</strong> eine überregionale <strong>Frieden</strong>sarbeit,<br />
die sich jetzt auch im neuen Namen „<strong>Werkstatt</strong> <strong>Frieden</strong> &<br />
<strong>Solidarität</strong>“ ausdrückt. Initiativen wie das <strong>Frieden</strong>svolksbegehren oder<br />
die Initiierung einer Volksabstimmung über die Ratifizierung der EU-<br />
Verfassung brauchen eine österreichweite Unterstützung. Die <strong>Frieden</strong>sarbeit<br />
der <strong>Werkstatt</strong> setzt konkret dort an, wo demokratiepolitisch noch<br />
Chancen zur Veränderung bestehen. Als Obfrau der „LehrerInnen für<br />
den <strong>Frieden</strong>“ bin ich gerne in den Vorstand der <strong>Werkstatt</strong> gegangen, weil<br />
ich hoffe, mit vereinten Kräften mehr Menschen zu erreichen und weil<br />
uns die <strong>Frieden</strong>swerkstatt ohnehin schon lange durch ihre Publikationen<br />
und Aktionen eine Orientierungshilfe und Informationsquelle geboten Elke Renner<br />
hat. Vielleicht können wir in Wien zukünftig mehr MitarbeiterInnen und<br />
Interessierte finden. Die Schwerpunkte der <strong>Frieden</strong>sarbeit: für Neutralität, gegen Militarisierung<br />
und die neoliberale Wirtschaftsdominanz der EU, gegen atomare Bedrohung, gegen Sozial- und<br />
Bildungsabbau, Arbeitslosigkeit und Pauperisierung und gegen die ständige Entdemokratisierung<br />
gehen uns ja alle an. (Elke Renner)<br />
Projektgruppe „Öffentliches Eigentum“<br />
Auch bisher gab es schon die Möglichkeit, Projektgruppen einzurichten. Eine solche Projektgruppe<br />
wollen wir z. B. zum Thema „Öffentliches Eigentum“ aufbauen. Mit unserem neuen Statut<br />
wird auch die Bildung von Ortsgruppen ermöglicht. Wer in diese Richtung Überlegungen hat<br />
oder in anderer Form in der <strong>Werkstatt</strong> mitarbeiten will, den/die ersuchen wir, mit dem Büro Kontakt<br />
aufzunehmen.<br />
<strong>Werkstatt</strong> <strong>Frieden</strong> & <strong>Solidarität</strong>
16 Termine & Kontakt & Antwortkupon guernica 5/2004<br />
Termine<br />
Mo, 15. November 2004, 19-20 Uhr<br />
Sendung guernica auf Radio FRO (105,0 MHz)<br />
(Wiederholung: Di, 16. November 2004, 14-15 Uhr)<br />
Di, 16. November 2004, 18 Uhr<br />
Waltherstr. 15b, A-4020 <strong>Linz</strong><br />
Plenum der <strong>Werkstatt</strong> <strong>Frieden</strong> & <strong>Solidarität</strong><br />
Schwerpunkt: EU-Beitritt der Türkei<br />
Fr, 19. November 2004<br />
Kunstuniversität <strong>Linz</strong> (Hörsaal AB), Hauptplatz 8, A-4020 <strong>Linz</strong><br />
Symposion „EU-Verfassung - <strong>Frieden</strong>?“<br />
Die EU im Spannungsfeld zwischen <strong>Frieden</strong>sauftrag und<br />
Kriegsbeteiligung<br />
15.15 Uhr<br />
Wozu noch eine Bürgerdabatte über die EU-Verfassung?<br />
Prof. Dr. Ekkehart Krippendorff (Berlin)<br />
17 Uhr Streitgespräch<br />
Der neue EU-Verfassungsvertrag:<br />
Förderung oder Bedrohung des <strong>Frieden</strong>s?<br />
Dr. Eva Lichtenberg (Mitglied EU-Konvent, Abg. des EUP)<br />
Mag. Gerald Oberansmayr (<strong>Werkstatt</strong> <strong>Frieden</strong> & <strong>Solidarität</strong>)<br />
18.30 Uhr<br />
Die gemeinsaem Außen- und Sicherheitspolitik der EU:<br />
Verfassungsvorschriften und absehbare Verfassungsrealität<br />
Dr. Carola Bielefeldt (Universität Innsbruck)<br />
19.45 Uhr<br />
Der Beitrag der österreichischen Neutralität zur europäischen<br />
<strong>Frieden</strong>spolitik und <strong>Frieden</strong>skultur<br />
BM a. D. Prof. Dr. Heinrich Neisser (Universität Innsbruck)<br />
Dr. Gerald Mader (ÖSFK)<br />
21 Uhr<br />
Selbstbindungen neu denken<br />
Europa muss sich hinterfragen lassen<br />
Prof. Dr. Hanne M. Birckenbach (Gießen)<br />
Veranstaltungstournee<br />
In welcher Verfassung ist Europa?<br />
EU: Militarisierung und Flüchtlingsabwehr<br />
Mit Buchautor Rudi Friedrich von der Connection e.V.<br />
Salzburg: Dienstag, 23. November 2004, 19.30 Uhr<br />
Geswi (Kultur- und Gesellschaftswissenschaftliche Fakultät)<br />
Uni Salzburg, Rudolfskai 42<br />
Wien: Montag, 29. November 2004, 20.00 Uhr<br />
Neues Institutsgebäude, Universität Wien,<br />
Universitätsstr. 7, A-1010 Wien<br />
Di, 7. Dezember 2004, 19 Uhr<br />
Waltherstr. 15b, A-4020 <strong>Linz</strong><br />
Plenum der <strong>Werkstatt</strong> <strong>Frieden</strong> & <strong>Solidarität</strong><br />
Schwerpunkt: Sozialversicherung<br />
Sa, 18. und So, 19. Dezember 2004 am Alten Markt<br />
Happening am Salzburger Christkindlmarkt<br />
besinnungslos besinnlich: die antimilitaristische alternative zum<br />
traditionellen advent:<br />
glühweintrinken für das friedensvolksbegehren<br />
Aktuelle Termine laufend im Internet unter www.friwe.at<br />
Kontakt<br />
<strong>Werkstatt</strong> <strong>Frieden</strong> & <strong>Solidarität</strong><br />
Waltherstr. 15b<br />
A-4020 <strong>Linz</strong><br />
Tel. (0732) 77 10 94<br />
Fax (0732) 79 73 91<br />
E-Mail friwe@servus.at<br />
Internet www.friwe.at<br />
Kontoverbindung<br />
Konto 6274146, BLZ 34777<br />
Raiffeisenbank Perg<br />
Bürozeiten<br />
Mo 9-15 Uhr, Di 9-15 Uhr, Mi 9-18 Uhr,<br />
Do 9-18 Uhr, Fr 9-18 Uhr<br />
Vortrag und Diskussion mit Annette Groth (ATTAC Deutschland)<br />
Steyr: Mo, 22.11.2004, 19.30 Uhr: Arbeiterkammer (Kleiner Saal)<br />
<strong>Linz</strong>: Di, 23.11.2004, 19.30 Uhr: Universität (Hörsaal 6, Kepler-Gebäude)<br />
Graz: Mi, 24.11.2004, 19.30 Uhr: Universität (Hörsaal 0602/HS B)<br />
Freistadt: Do, 25.11.2004, 19.30 Uhr: Pfarramt (Pfarrsaal, Dechanthofplatz 1)<br />
Seit Anfang der 90er Jahre schwappt eine mächtige Privatisierungswelle über die Welt. Betroffen sind viele<br />
mit Steuergeldern finanzierte öffentliche Einrichtungen in den Sektoren Gesundheit, Telekommunikation,<br />
Energie- und Wasserversorgung sowie der öffentliche Nahverkehr, um nur einige zu nennen. Kommunales<br />
Eigentum wird in private Hände transferiert, wobei dieser Privatisierungsprozess von Weltbank,<br />
Internationalem Währungsfonds und Europäischer Union angeschoben wird.<br />
Da mit der Unterzeichnung der EU-Verfassung die neoliberale Wirtschaftspolitik Verfassungsrang erhält,<br />
steht zu befürchten, dass die Privatisierung öffentlicher Güter und Dienstleistungen institutionalisiert und<br />
weiter forciert werden soll. Aus dem „Weißbuch über die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse“ geht<br />
hervor, dass eine „Rahmenrichtlinie für die Dienstleistungen“ - bekannt unter der Bezeichnung Bolkestein<br />
Richtlinie - bis nach Inkrafttreten der neuen europäischen Verfassung zurückgestellt werden soll.<br />
Die Bolkestein Richtlinie ist der bisher radikalste und umfassendste Angriff auf die Sozialsysteme der EU-<br />
Staaten überhaupt. Ihren Deregulierungszweck verfolgt die Richtlinie mit einem Mix aus schrittweiser Beseitigung<br />
staatlicher Auflagen sowie dem systematischen Unterlaufen nationalen Rechts durch das sog.<br />
„Herkunftslandprinzip“. Danach unterliegen Dienstleistungsunternehmen in der EU nur noch den Anforderungen<br />
ihres Herkunftslandes. Höhere Umwelt- und Sozialstandards anderer EU-Mitgliedstaaten sollen<br />
negiert werden. Wenn dieser Entwurf Gesetz werden sollte, würde auf einen Schlag Dreiviertel der gesamten<br />
EU-Wirtschaft liberalisiert und beträfe sämtliche freien Berufe wie Wirtschaftsprüfer, Architekten oder<br />
Rechtsanwälte, öffentlicher Dienst, Gesundheitswesen und die freien Träger der Wohlfahrtspflege.<br />
<br />
Ja, ich will<br />
Antwortkupon<br />
o ein Schnupperabo (3 Nummern) der guernica (mind. EUR 4,80)<br />
o ein Jahresabo (6 Nummern) der guernica (mind. EUR 9,-)<br />
o ein <strong>Solidarität</strong>s-Jahresabo der guernica (mind. EUR 40,-)<br />
o ein Auslands-Jahresabo der guernica (mind. EUR 18,-)<br />
o Material zum <strong>Frieden</strong>svolksbegehren (kostenlos)<br />
__ Stk. Falter __ Stk. Plakate __ Stk. Pickerl __ Stk. Zahlscheine<br />
o Broschüre „EU-Verfassung ...“ __ Stk. (EUR 3,50/Stk. exkl. Porto)<br />
o __ M __ L __ XL __ XXL Stk. FriWe-T-Shirt(s) (EUR 10,-/Stk. exkl. Porto)<br />
o bei der <strong>Werkstatt</strong> mitarbeiten. Ruft mich an oder mailt mir!<br />
o <strong>Frieden</strong>ssteuer leisten. Schickt mir bitte ein Formular.<br />
o Mitglied der <strong>Werkstatt</strong> <strong>Frieden</strong> & <strong>Solidarität</strong> werden<br />
(mind. EUR 25,-/Jahr inkl. guernica-Abo)<br />
Name: ........................................................<br />
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Telefon: .....................................................<br />
E-Mail: .......................................................<br />
Schickt ein kostenloses Probeexemplar der guernica an:<br />
................................................................<br />
An die<br />
Bitte<br />
ausreichend<br />
frankieren!<br />
<strong>Werkstatt</strong><br />
<strong>Frieden</strong> & <strong>Solidarität</strong><br />
Waltherstr. 15b<br />
A-4020 <strong>Linz</strong>