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Werkstatt Frieden & Solidarität - Friedenswerkstatt Linz

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Nr. 5/2004 Herausgegeben von der <strong>Werkstatt</strong> <strong>Frieden</strong> & <strong>Solidarität</strong> EUR 1,60<br />

<strong>Werkstatt</strong><br />

<strong>Frieden</strong> & <strong>Solidarität</strong><br />

Das unterste Viertel der Einkommensbezieher hat seit dem EU-Beitritt Realeinkommensverluste<br />

in Höhe von 11 % erlitten. Das sind jene Menschen, die sich regelmäßig in<br />

Studien als die Ungebildeten abqualifizieren lassen müssen. Entwürdigung und Entmündigung<br />

einer wachsenden Zahl von Menschen sind die regelmäßigen Vorboten gesellschaftlicher<br />

Katastrophen. Diese erscheinen umso unabwendbarer, je stärker die Handlungsfähigkeit<br />

der Entwerteten verneint wird. Während sich das Interesse der Abzocker<br />

unter kräftiger Mithilfe von um ihren Platz an der Sonne rangelnden Gebildeten als<br />

allgemeines gesellschaftliches Interesse inszeniert, wird den oft unartikuliert Skeptischen<br />

uneinsichtiger Eigennutz unterstellt.<br />

Es geht darum, jetzt und hier in<br />

Österreich handlungsfähig zu<br />

werden. Die <strong>Werkstatt</strong> <strong>Frieden</strong> &<br />

<strong>Solidarität</strong> hat mit dem Papier „Für<br />

eine <strong>Frieden</strong>srepublik Österreich“<br />

ein Aktionsprogramm für Hier und<br />

Heute vorgelegt. Das Programm<br />

wurde nicht von Sozialingenieuren<br />

am Reißbrett entworfen. Es knüpft<br />

an die vielfältigen konkreten Erfahrungen<br />

der Menschen, insbesondere<br />

auch mit der Zweiten Republik, an<br />

und versucht diese für die Herausforderungen<br />

im 21. Jahrhundert in<br />

Bewegung zu setzen. Diesen Anspruch<br />

wollen wir auch in unserem<br />

Namen zum Ausdruck bringen. Die<br />

bei der 11. Vollversammlung am<br />

8. Oktober 2004 beschlossene Um-<br />

Der Stahlhelm des Monats<br />

benennung von <strong>Frieden</strong>swerkstatt<br />

<strong>Linz</strong> in <strong>Werkstatt</strong> <strong>Frieden</strong> & <strong>Solidarität</strong><br />

ist mehr als eine Themenerweiterung.<br />

Für immer mehr Menschen<br />

wird erkennbar, dass zwischen Aufrüstung,<br />

Krieg und Sozialabbau auf<br />

der einen Seite, bzw. <strong>Frieden</strong> und<br />

sozialer Sicherheit auf der anderen<br />

Seite ein enger Zusammenhang besteht.<br />

Für uns in Österreich besteht<br />

ein besonderer Zusammenhang.<br />

Durch die Privatisierung wesentlicher<br />

Teile der österreichischen Industrie<br />

und Infrastruktur werden wir<br />

immer stärker in den Aufbau einer<br />

deutsch-europäischen Rüstungsindustrie<br />

einbezogen. Privatisierung<br />

und Militarisierung sind zwei Seiten<br />

einer Medaille. Privatisierung be-<br />

Plassnik: Stahlhelm mit<br />

Tarnnetz<br />

Ausgebildete Soldaten wissen:<br />

ein Tarnnetz auf dem Stahlhelm dient dazu,<br />

zu verhindern, dass ein Stahlhelm als Stahlhelm samt<br />

darunter befindlichem Menschen erkannt wird. Man<br />

stopft sich Moos, Gras, Zweige oder einen Pilz ins<br />

Ursula Plassnik Tarnnetz und hofft damit für Moos, Gras, Zweige oder<br />

(Außenministerin) einen Pilz gehalten zu werden. Plassnik hat auch ein<br />

Tarnnetz auf ihrem EU-Militärstahlhelm. Wie ihre anderen<br />

FreundInnen von der ÖVP ist sie gleich bei<br />

ihrem Antritt mit hineingestopfter Neutralität aufgetreten. Plassnik sagte<br />

in einem Hörfunkinterview, Österreich werde im Sinne der Neutralität<br />

auch weiterhin an keinen Kriegen teilnehmen. Was sie verschweigt ist,<br />

dass Bundeskanzler Schüssel am 29. Oktober 2004 in Rom den EU-Verfassungsvertrag<br />

unterzeichnet haben wird. In diesem Verfassungsvertrag<br />

findet sich nicht nur eine Aufrüstungsverpflichtung, sondern auch die<br />

Selbstermächtigung zu globalen Militärinterventionen. Der österreichische<br />

Ministerrat hat bereits im Juli dieses Jahres beschlossen, sich an der<br />

Europäischen Rüstungsagentur zu beteiligen. Die Bundesregierung plant<br />

ebenso, gemeinsam mit Deutschland und Tschechien eine EU-Schlachtgruppe<br />

aufzubauen. Sie beschädigen damit die Neutralität in einem für<br />

Österreich besonders sensiblen Punkt: der militärischen Kooperation mit<br />

Deutschland. Eu jeh, Plassnik! Tarnung verrutscht? Wiederholen Sie die<br />

Übung gemäß folgendem Auftrag: Tarnung der Beteiligung am EU-Militarismus<br />

mit politischen Begriffen aus ihrer Umgebung.<br />

deutet die vollständige Unterordnung<br />

unter das Kommando der Profitmaximierung.<br />

Und beim Kampf<br />

um Absatz- und Kapitalmärkte, bei<br />

der Disziplinierung von Arbeitskräften<br />

und dem Zugang zu Erdölquellen<br />

hat die Nase vorn, wer „der Diplomatie<br />

den stählernen Faden militärischer<br />

Macht und den Willen sie<br />

zu gebrauchen einweben kann“, wie<br />

das Michael Stürmer, der ehemalige<br />

Berater des deutschen Kanzlers<br />

Kohl, in einem Vortrag vor der Industriellenvereinigung<br />

sehr zum Wohlgefallen<br />

seines Auditoriums vorgetragen<br />

hat. Selten zuvor jedoch war<br />

der Zusammenhang zwischen Privatisierung<br />

und Militarisierung derart<br />

handgreiflich wie derzeit. In der nun<br />

vorliegenden EU-Verfassung soll<br />

sowohl eine Aufrüstungsverpflichtung<br />

als auch eine Wirtschaftspolitik<br />

„die dem Grundsatz einer offenen<br />

Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb“<br />

verpflichtet ist, in Verfassungsrang<br />

erhoben werden. In unserem<br />

Programm zeigen wir, dass<br />

Neutralität auf der einen Seite und<br />

soziale Sicherheit und öffentliches<br />

Eigentum auf der anderen Seite ge-<br />

Fortsetzung auf Seite 2 ...<br />

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www.friwe.at<br />

Impressum: guernica 5/2004 (OÖ <strong>Frieden</strong>sInfo Nr. 133) (November 2004)<br />

Medieninhaberin (Verlegerin) & Herausgeberin & Redaktion: <strong>Werkstatt</strong> <strong>Frieden</strong> & <strong>Solidarität</strong>/<strong>Frieden</strong>swerkstatt<br />

<strong>Linz</strong>, Waltherstr. 15b, A-4020 <strong>Linz</strong>, Tel. (0732) 77 10 94, Fax (0732) 79 73 91, E-Mail friwe@servus.at,<br />

Internet www.friwe.at; Anzeigenverwaltung: Boris Lechthaler; Layout: Manuela Mittermayer; Hersteller: OÖN<br />

Druckzentrum, Pasching; DVR: 0760315; Zulassungsnummer: GZ 02Z030305 M; Erscheinungsort: A-4020<br />

<strong>Linz</strong>; Verlagspostamt: A-4020 <strong>Linz</strong>, P.b.b.<br />

FRIEDENSVOLKSBEGEHREN<br />

Ja zur Neutralität<br />

Keine Beteiligung an der EU-Armee<br />

Keine Anbindung an die NATO<br />

Soziale Sicherheit statt Aufrüstung<br />

Jetzt unterstützen!<br />

Weitere Informationen auf den Seiten 7/8 und im Internet unter<br />

www.friedensvolksbegehren.at<br />

Viele Menschen beteiligten sich an der Abstimmungsaktion der <strong>Werkstatt</strong><br />

<strong>Frieden</strong> & <strong>Solidarität</strong> über die EU-Verfassung am 29. Oktober 2004 in<br />

<strong>Linz</strong>. Mit einer Petition machen wir Druck für eine Volksabstimmung über<br />

diese Verfassung, die - weltweit einzigartig - sogar eine Aufrüstungsverpflichtung<br />

enthält.<br />

................................................................ Seiten 2 und 3<br />

Für Neutralität und öffentliches Eigentum!<br />

Bei der letzten Vollversammlung der <strong>Frieden</strong>swerkstatt <strong>Linz</strong> ist die<br />

Umbenennung in „<strong>Werkstatt</strong> <strong>Frieden</strong> & <strong>Solidarität</strong>“ beschlossen<br />

worden. Wir wollen damit zum Ausdruck bringen, dass für uns „<strong>Frieden</strong><br />

und Neutralität“ sowie „soziale Sicherheit und öffentliches Eigentum“<br />

eine untrennbare Einheit bilden. Die „<strong>Werkstatt</strong> <strong>Frieden</strong> & <strong>Solidarität</strong>“<br />

soll für all jene eine organisierte Plattform sein, die hier und heute für<br />

ein neutrales, weltoffenes und solidarisches Österreich streiten wollen<br />

(siehe auch den Beitrag auf dieser Seite). Und das ist notwendiger denn<br />

je. Am 29. Oktober 2004 haben die 25 Staats- und Regierungschefs der<br />

EU in Rom die sogenannte EU-Verfassung, die mit der österreichischen<br />

Neutralität unvereinbar ist, unterzeichnet. Doch damit sie in Kraft treten<br />

kann, muss sie noch von allen EU-Mitgliedstaaten ratifiziert werden.<br />

Kämpfen wir darum, dass auch in Österreich eine Volksabstimmung<br />

über diese Verfassung der Konzerne und Generäle stattfindet; ein demokratisches<br />

Anliegen, das derzeit von den Führungen aller Parlamentsparteien<br />

- im Gegensatz zu anderen EU-Ländern - der österreichischen<br />

Bevölkerung vorenthalten wird. Unterschreiben Sie die Petition auf der<br />

Seite 3 und vor allem auch: Unterstützen Sie das <strong>Frieden</strong>svolksbegehren<br />

(Seiten 7 und 8)! Weiters sind wir dringend auf Spenden unserer SympathisantInnen<br />

angewiesen (mit beiliegendem Zahlschein oder direkt<br />

auf unser Konto; Kontoverbindung siehe Seite 16). Und wie immer gilt:<br />

guernica abonnieren - für den <strong>Frieden</strong> engagieren!<br />

Günter Reder, f. d. <strong>Werkstatt</strong> <strong>Frieden</strong> & <strong>Solidarität</strong>


2 Euro-Militarismus guernica 5/2004<br />

Der neue Vatikan von Rüstungskapital und Militärkamarilla<br />

Rüstungsagentur locuta, causa finita<br />

Abseits der Berichterstattung ist im Sommer 2004 einer der bedeutendsten Schritte<br />

zur weiteren Militarisierung der EU gesetzt worden. Am 18. Juni 2004 hat der Europäische<br />

Rat für Allgemeine Angelegenheiten und Auswärtige Beziehungen (RAA) die<br />

politische Einigung über eine Gemeinsame Aktion zur Schaffung einer Europäischen<br />

Agentur für die Bereiche Entwicklung der Verteidigungsfähigkeiten, Forschung, Beschaffung<br />

und Rüstung (Europäische Verteidigungsagentur) erzielt. Die formale rechtliche<br />

Annahme dieses Gründungsaktes erfolgte in der Ratssitzung vom 12. Juli 2004.<br />

Rüstungsagentur bekommt<br />

exekutive Befugnisse. Der<br />

strategische Charakter dieser Agentur<br />

lässt sich erahnen, wenn der Militärexperte<br />

Peter Albers in der militärpolitischen<br />

Zeitschrift „Europäische<br />

Sicherheit“ analysiert, dass damit<br />

„jahrzehntelange Bemühungen<br />

um eine europäische Rüstungsagentur<br />

zum Erfolg geführt“ werden<br />

konnten. Tatsächlich soll diese Rüstungsagentur<br />

die EU-Aufrüstung<br />

koordinieren und antreiben. In diese<br />

Richtung haben die EU-Verteidigungsminister<br />

im Sommer Struktur,<br />

Arbeitsweise und Aufgabenprofil<br />

konkretisiert. Der Militärexperte Albers:<br />

„Die Rüstungsagentur ist zur<br />

Durchführung ihrer Aufgaben und<br />

zur Erreichung ihrer Ziele mit eigener<br />

Rechtspersönlichkeit ausgestattet.<br />

Die Mitgliedstaaten stellen sicher,<br />

dass sie die weitestgehende<br />

Rechtsfähigkeit besitzt, die juristischen<br />

Personen nach ihrem Recht<br />

zuerkannt wird. Die Agentur kann<br />

insbesondere bewegliches und unbewegliches<br />

Vermögen erwerben und<br />

nutzen und vor Gericht auftreten.<br />

Sie ist befugt, Verträge mit privaten<br />

oder öffentlichen Einrichtungen<br />

oder Organisationen zu schließen“.<br />

Damit wird im Statut der Agentur<br />

konkretisiert, was in der EU-Verfassung<br />

angelegt ist. In dieser wird der<br />

Rüstungsagentur nicht nur die Aufgabe<br />

zugesprochen, den „operativen<br />

Bedarf“ an Kriegsgerät zu ermitteln,<br />

„Maßnahmen zur Bedarfsdeckung<br />

zu fördern“, „zur Ermittlung von<br />

Maßnahmen zur Stärkung der industriellen<br />

und technologischen<br />

Grundlage des Verteidigungssektors<br />

beizutragen“ sondern auch „diese<br />

Maßnahmen gegebenenfalls selbst<br />

durchzuführen“ (Art. I-41, 3). Dieses<br />

Rüstungsamt soll also auch exekutive<br />

Befugnisse erhalten. Weitgehend<br />

abgehoben von politischer und<br />

parlamentarischer Einflussnahme<br />

kann diese Agentur eigenständig<br />

Rüstungsprojekte durchziehen. Zustände<br />

wie 2002 in Österreich, wo<br />

durch massiven Widerstand der Be-<br />

Ein verrückter Traum<br />

Träum ich oder bin ich<br />

verrückt? Ich unterschreib eine<br />

Aufrüstungsverpflichtung!<br />

völkerung die Beschaffung der Eurofighter<br />

ins Trudeln gekommen ist,<br />

sollen damit der Vergangenheit angehören.<br />

Die Rüstungsagentur soll<br />

als Vatikan von Rüstungskapital und<br />

Militärkamarilla der Einflussnahme<br />

des Pöbels auf die Sicherheitspolitik<br />

einen Riegel vorschieben. Rüstungsagentur<br />

locuta, causa finita.<br />

Durchsetzung militärischer<br />

Gleichschaltung. In ganzseitigen<br />

Inseraten haben die Chefs der größten<br />

EU-Rüstungskonzerne BAE-Systems,<br />

EADS und Thales im Juni<br />

2004 klargelegt, dass nun im Gleichschritt<br />

marschiert werden soll: „Einfache<br />

und rasche Entscheidungsprozesse<br />

sowie eigene Investitionsmittel<br />

sind unverzichtbar, wenn die Agentur<br />

ihre Wirkung voll entfalten soll<br />

[...] Die Agentur wird daher die Mitgliedstaaten<br />

dazu anhalten müssen,<br />

gemeinsame Lösungen auch bei unterschiedlichen<br />

Anforderungen zu<br />

finden [...] Auf nationaler Ebene<br />

müssen die Verteidigungsbudgets<br />

den sicherheitspolitischen Realitäten<br />

und Verpflichtungen angepasst<br />

werden“.(3)<br />

Die effiziente Gleichschaltung<br />

der europäischen Rüstungspolitik<br />

soll gewährleistet werden, indem<br />

das Entscheidungsgremium der<br />

Agentur - der Lenkungsausschuss -<br />

mit qualifizierter Mehrheit entscheidet.<br />

Das sichert den Machteliten der<br />

großen Nationalstaaten, dass einerseits<br />

nichts gegen ihren Willen, aber<br />

fast alles in ihrem Interesse durchgesetzt<br />

werden kann. Der Lenkungsausschuss<br />

setzt sich zusammen aus<br />

den Verteidigungsministern der beteiligten<br />

EU-Staaten bzw. deren Vertretern.<br />

Er kann auch „je nach zu behandelndem<br />

Themenkreis [...] in besonderer<br />

Zusammensetzung (z. B.<br />

nationale Rüstungsdirektoren, nationale<br />

Verantwortliche für Verteidigungsplanung,<br />

nationale Direktoren<br />

für Verteidigungsforschung oder politische<br />

Direktoren)“ zusammentreten.<br />

Innerhalb dieses elitären Machtzirkels<br />

kann sich die militärische<br />

10 Grad nach links<br />

neigen - Schreiber ansetzen -<br />

U - s - u - l - verdammt - verschrieben<br />

- was für ein<br />

verrückter Traum?<br />

„Was unseren Vätern als verrückter Traum erschien,<br />

ist Realität geworden.“<br />

Silvio Berlusconi zur Unterzeichnung der EU-Verfassung, 29.10.2004<br />

Schüssel und<br />

Plassnik bei<br />

der Unterzeichnung<br />

der EU-Verfassung<br />

in<br />

Rom,<br />

29.10.2004<br />

Creme de la Creme dann in Form<br />

„geschlossener Projekte“ noch besonders<br />

zusammenmauscheln.<br />

Solana: „Unvergleichliche Dynamik“<br />

- Rüstungsbosse: „Historisches<br />

Ereignis“. Oberster<br />

Chef der Rüstungsagentur soll der<br />

Generalsekretär/Hohe Vertreter<br />

(GS/HV) für die Gemeinsame<br />

Außen- und Sicherheitspolitik<br />

(GASP), derzeit Javier Solana, sein.<br />

Im Angesicht solcher Karrieresprünge<br />

kennt Solana, dessen militärischer<br />

Stern als NATO-Generalsekretär<br />

beim Angriffskrieg gegen Jugoslawien<br />

aufgegangen war, nur<br />

mehr den Superlativ, wenn er von<br />

der Militarisierung der Union<br />

spricht. Von „sensationellen Fortschritten“<br />

und einer „unvergleichlichen<br />

Dynamik“ bei der EU-Militärpolitik<br />

schwärmt der sonst so nüchterne<br />

Spanier. Und mit Solana jubeln<br />

die Rüstungsbosse: „Die Gründung<br />

der Agentur ist ein historisches<br />

Ereignis [...] Für die Verteidigungsindustrie<br />

ist sie von allergrößter Bedeutung“.(3)<br />

Österreich ist der Rüstungsagentur<br />

per Ministerratsbeschluss im<br />

Juni 2004 beigetreten. Keine Informationen,<br />

keine öffentliche Debatte<br />

hat über diese Einbindung Österreichs<br />

in die EU-Aufrüstungspolitik<br />

stattgefunden. Die Spitzen der rotgrünen<br />

Opposition haben ihre Unterstützung<br />

der Regierungspolitik<br />

durch unüberhörbares Schweigen<br />

kundgetan.<br />

Gerald Oberansmayr<br />

Anmerkungen:<br />

(1) Solana Javier, Europ. Sicherheit<br />

6-2004<br />

(2) Albers Peter, Europ. Sicherheit<br />

9-2004<br />

(3) Eine starke europäische Verteidigungsagentur<br />

nützt allen - nutzen wir<br />

die Chance!, 15.6.2004<br />

(4) Sh. oben, und: www.europa-digital.de/aktuell<br />

... Fortsetzung von Seite 1<br />

gen die Haltung und Politik der eigenen<br />

Eliten durchgesetzt werden<br />

müssen. Dies wollen wir mit unserer<br />

Umbenennung unterstreichen.<br />

<strong>Frieden</strong> & <strong>Solidarität</strong> bezeichnen<br />

jedoch nicht nur Ziele, die gegen die<br />

eigenen Eliten durchgesetzt werden<br />

müssen. Sie beschreiben auch einen<br />

Weg, einen Prozess, in den wir als<br />

<strong>Werkstatt</strong> aktiv eingreifen wollen.<br />

Wir wollen die „<strong>Werkstatt</strong>“ zu einer<br />

Organisation weiterentwickeln, die<br />

entscheidend zur Durchsetzung eines<br />

neutralen, solidarischen und<br />

weltoffenen Österreichs beitragen<br />

kann. Das heißt wir wollen in diesen<br />

Auseinandersetzungen praktisch<br />

nützlich sein. Wir wollen keine Organisation<br />

werden, die sich allein in<br />

Lobbying und Politikberatung übt.<br />

Wir wollen aber auch keine Wahl-<br />

Tagebuch EU-Militarisierung<br />

17.09.2004<br />

Die Verteidigungsminister der Europäischen Union in Noordwijk haben<br />

die Aufstellung von sog. EU-Schlachtgruppen konkretisiert, die<br />

innerhalb von fünf Tagen global einsatzbereit sein sollen. Unter anderem<br />

wird am Aufbau einer deutsch-österreichisch-tschechischen<br />

Schlachtgruppe gearbeitet.<br />

17.09.2004<br />

Erste Sitzung des Lenkungsausschusses der Europäischen Rüstungsagentur.<br />

Dabei wurden das Arbeitsprogramm und Fragen zu Statuten,<br />

Personal und Budget besprochen. „Wir haben heute einen weiteren<br />

Meilenstein für eine effizientere ESVP gesetzt“, so Verteidigungsminister<br />

Platter.<br />

20.09.2004<br />

Die Verteidigungsminister von Frankreich, Spanien, Portugal, Italien<br />

und Niederlanden haben sich geeinigt, eine gemeinsame „Europäische<br />

Gendarmerie Streitmacht“ von 3.000 Mann aufzustellen, die „vor,<br />

während und nach Militärinterventionen“ unterstützend eingreifen<br />

soll.<br />

23.09.2004<br />

Nach Informationen der Financial Times plant die EU-Kommission<br />

die Liberalisierung des EU-Rüstungsmarktes. Dadurch sollen die<br />

Konzentrationsprozesse in der Rüstungsindustrie gefördert werden,<br />

um mit den USA „wettbewerbsfähig“ zu sein.<br />

29.09.2004<br />

Milliardenschwerer Auftrag der NATO an den deutsch-französischen<br />

Rüstungskonzern EADS. In Kooperation mit dem US-Rüstungskonzern<br />

Lockheed Martin soll das Raketenabwehrsystem MEADS errichtet<br />

werden.<br />

07.10.2004<br />

Die Europäische Kommission reicht einen Bericht an Rat und EU-<br />

Parlament weiter, in dem gefordert wird, bis 2007 die gemeinsamen<br />

Forschungsetats der Europäischen Union für militärische Projekte zu<br />

öffnen.<br />

08.10.2004<br />

Der britische Premierminister Tony Blair fordert bei einer Rede in<br />

Addis Ababa den möglichst raschen Einsatz der EU-Schlachtgruppen<br />

in Afrika, vorzüglich im Sudan.<br />

12.10.2004<br />

Großauftrag der britischen Armee über die Lieferung von 5.000 Militär-LKW<br />

ergeht an den deutschen Konzern MAN. Auftragsvolumen:<br />

1,6 Milliarden Euro.<br />

04.11.2004<br />

Der Rüstungskonzern EADS revidiert seine Umsatz- und Gewinnprognosen<br />

für das laufende Jahr weiter nach oben. Gegenüber dem Vorjahr<br />

wird ein Umsatzplus von 16 % und eine Gewinnsteigerung von<br />

91 % prognostiziert.<br />

07.11.2004<br />

Der erweiterte Bundesvorstand der Grünen beschließt, sich von der<br />

österreichischen Neutralität zu verabschieden. Für ein friedenspolitisches<br />

Konzept wie die Neutralität soll - wie der Sicherheitssprecher<br />

Peter Pilz betont - in der EU kein Platz mehr sein. Die Grünen wollen<br />

einen gemeinsamen europäischen Verteidigungsminister, der das<br />

Kommando über ein Europa-Heer führt.<br />

08.11.2004<br />

Der Finanzspekulant Mirko Kovats verkauft die VA-Tech-Anteile an<br />

den deutschen Rüstungs- und Atomkonzern Siemens.<br />

Alle bisherigen Tagebucheintragungen können im Internet unter<br />

www.friwe.at nachgelesen werden.<br />

initiative oder Partei werden. Wir<br />

formulieren keine letzten Ziele.<br />

Wir wollen zur Eigenaktivität ermuntern<br />

und dabei praktisch hilfreich<br />

sein. Das haben wir auch bisher<br />

schon versucht zu leisten. Das<br />

<strong>Frieden</strong>svolksbegehren ist ein Beispiel<br />

dafür. Wir wollen jedoch nicht<br />

nur zur Beteiligung an unseren<br />

Kampagnenvorschlägen einladen,<br />

sondern die Menschen dazu ermuntern,<br />

von sich aus für ihre Interessen<br />

aktiv zu werden und ihre Haltung<br />

zum Ausdruck zu bringen. Dafür<br />

müssen wir wichtige - sonst in der<br />

Öffentlichkeit verschwiegene - Infos<br />

zur Verfügung stellen. Dafür brauchen<br />

wir Medien, in denen diejenigen,<br />

deren Interessen an den Rand<br />

gedrängt werden, unzensiert zu Wort<br />

kommen können. Dafür braucht es<br />

praktische Alternativen.<br />

In unserem Programm „Für eine<br />

<strong>Frieden</strong>srepublik“ formulieren wir<br />

eine Politik entsprechend den Haltungen<br />

und Interessen der Mehrheit<br />

der Menschen. Mit unseren Kampagnen<br />

wollen wir dazu beitragen,<br />

dass sich diese Mehrheit als Mehrheit<br />

erkennt und damit gegenüber<br />

dem Establishment wirkmächtig<br />

werden kann. Wir brauchen solche<br />

Beispiele auch in anderen Bereichen,<br />

vor allem in der Frage österreichischen<br />

Eigentums.<br />

Unsere öffentliche Präsenz kann<br />

und darf nicht vom politisch-medialen<br />

Establishment abhängig sein. Eigenaktivität<br />

in konkreten Interessenskämpfen,<br />

Kampagnenfähigkeit<br />

hängen wesentlich davon ab, inwieweit<br />

wir über eigene Medien verfügen.<br />

Diese zu entwickeln dient unsere<br />

Öffentlichkeitsarbeit.


guernica 5/2004 Euro-Militarismus/EU-Verfassung 3<br />

Für eine Volksabstimmung<br />

über die EU-Verfassung!<br />

Am 29. Oktober unterzeichneten die EU-<br />

Staats- und Regierungschefs die EU-Verfassung.<br />

Doch damit ist die Verfassung<br />

noch lange nicht in Kraft. Denn nun muss<br />

sie in allen 25 EU-Staaten ratifiziert werden.<br />

In 10 EU-Staaten sind bereits Volksabstimmungen<br />

vorgesehen. Nicht jedoch<br />

in Österreich. Warum? Offensichtlich haben<br />

die Mächtigen Angst, dass sie im Zuge<br />

einer Volksabstimmung die Inhalte der<br />

EU-Verfassung nicht mehr länger vor den<br />

Menschen verheimlichen können: Aufrüstungsverpflichtung,<br />

Kriegsermächtigung,<br />

militärische Beistandsverpflichtung,<br />

Atomförderung, neoliberale Wirtschaftspolitik,<br />

...<br />

Diese Verfassung ist gegen ein solidarisches<br />

und friedliches Europa gerichtet,<br />

sie ist die Verfassung für ein Europa der<br />

Militärs und Konzerne. Sie steht in offenem<br />

Widerspruch zur österreichischen<br />

Neutralität. Wir fordern daher eine Volksabstimmung<br />

über diese EU-Verfassung.<br />

Wenn Sie auch dieser Meinung sind, ersuchen<br />

wir Sie, diese Petition an den Nationalrat<br />

zu unterschreiben.<br />

Militärstrategen der Europäischen<br />

Union präzisieren<br />

die von Berlin angestoßeneEU-Sicherheitsstrategie<br />

und ziehen einen atomaren<br />

Erstschlag in Betracht.<br />

Bereits die von Berlin initiierte EU-<br />

Militärdoktrin - die erste in der Geschichte<br />

der EU - sieht die Möglichkeit<br />

zur Führung von Angriffskriegen<br />

(„Präventivkriegen“) ausdrücklich<br />

vor. In einem jetzt vorgelegten<br />

„European Defence Paper“, das unter<br />

Mitwirkung eines ehemaligen<br />

deutschen Staatssekretärs erarbeitet<br />

wurde, werden der EU-Erstschlagstrategie<br />

auch Atomwaffen zugeordnet.<br />

In die Präventivkriegsoption<br />

könnten britische und französische<br />

Nuklearstreitkräfte „explizit oder<br />

implizit“ einbezogen werden, heißt<br />

es.<br />

„Präventives Engagement“<br />

durch rasch einsetzbare Streitkräfte.<br />

Bei dem „European Defence<br />

Paper“(1) handelt es sich um ein<br />

von den EU-Regierungen in Auftrag<br />

gegebenes konzeptionelles Dokument<br />

zur Europäischen Militärpolitik,<br />

das vom Institute for Security<br />

Studies (ISS) erarbeitet wurde. Es<br />

soll die Anwendung der 2003 beschlossenen<br />

„Europäischen Sicherheitsstrategie“<br />

präzisieren. Die Autoren<br />

der Studie - eine Gruppe hochrangiger<br />

Militärberater - fordern<br />

eine energische, unverzügliche und<br />

umfassende Aufrüstung der EU. Ziel<br />

müsse sein, den Status einer zur<br />

Führung von Angriffskriegen fähigen<br />

Weltmacht zu erreichen: „Mehr<br />

globale Verantwortung zu übernehmen<br />

[...] und eine Strategie präventiven<br />

Engagements zu übernehmen,<br />

wird nicht erreicht werden, wenn die<br />

gegenwärtige Kluft zwischen Endziel<br />

und Mittel andauert [...] Diese<br />

Ziele rufen nach rasch einsetzbaren<br />

und auf lange Zeit aufrechtzuerhaltenden<br />

Streitkräften“.(2)<br />

Die Außenminister der EU werden<br />

sich demnächst mit diesem Dokument<br />

befassen und konkrete Entscheidungen<br />

über Stand und Perspektiven<br />

der militärischen Optionen<br />

fällen.<br />

<br />

Petition an den Nationalrat<br />

Ich fordere den Nationalrat auf, eine Volksabstimmung über die Ratifizierung<br />

des EU-Verfassungsvertrags zu beschließen, da diese Verfassung viele Lebensbereiche<br />

Österreichs betrifft.<br />

Name Adresse Geb.Dat. Datum Unterschrift<br />

Bitte rücksenden an:<br />

- <strong>Werkstatt</strong> <strong>Frieden</strong> & <strong>Solidarität</strong>, Waltherstr. 15b, A-4020 <strong>Linz</strong><br />

Weitere Unterschriftenlisten: Tel. (0732) 77 10 94, E-Mail friwe@servus.at, Internet www.friwe.at, oder:<br />

- Österreichischer <strong>Frieden</strong>srat, Rosensteingasse 69/6, A-1170 Wien, Tel./Fax (01) 485 87 56,<br />

E-Mail pax.vienna@chello.at<br />

EU auf dem Weg zur Strategie des „atomaren Präventivkriegs“?<br />

„Nukleare Präemption“. Der<br />

angestrebten Rüstungs-Zentralisierung,<br />

die mit der nun beschlossenen<br />

Rüstungsagentur einen Riesenschritt<br />

vorangekommen ist, sind aber wegen<br />

des Widerstrebens einiger Staaten<br />

immer noch Grenzen gesetzt -<br />

insbesondere wenn es um Massenvernichtungswaffen<br />

geht. Der deutsche<br />

Waffenexperte Schmitt, stellvertretender<br />

Direktor des ISS, hält<br />

daher eine Debatte über diese Beschränkungen<br />

für unvermeidlich.<br />

Auch Berliner Militärs und Regierungsberater<br />

sondieren seit einiger<br />

Zeit atomare Optionen und fordern<br />

von der Bundesregierung eine Konzeption<br />

zur Überwindung der noch<br />

bestehenden Widerstände gegen die<br />

beabsichtigte „Nuklearmacht Europa“.<br />

So forderte die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung<br />

(KAS) Anfang<br />

2004 eine „Neuausrichtung<br />

des teilweise überkommenen Völkerrechtsverständnisses“.<br />

Es müsse<br />

die „Zulässigkeit von Präventivschlägen“<br />

festgestellt und ein Angriffskrieg<br />

mit Atomwaffen legitimiert<br />

werden, heißt es bei der KAS:<br />

„Selbst die nukleare Präemption ist<br />

eine zumindest theoretisch vorstellbare<br />

Option“.(3) In einem deutschfranzösischen<br />

Strategiepapier wurden<br />

zur selben Zeit konkrete Vorschläge<br />

für den gemeinsamen Einsatz<br />

von Atomwaffen unterbreitet.<br />

Das Papier schlägt vor, Widerstände<br />

taktisch zu umgehen, um dennoch<br />

„alle Stufen der Eskalationsleiter<br />

abzurufen [...], bis hin zur Drohung<br />

eines Einsatzes nuklearer militärischer<br />

Mittel“. Urheberin des Papiers<br />

war die „Deutsche Gesellschaft für<br />

Auswärtige Politik“, Mitverfasser<br />

das erneut hervorgetretene „Institut<br />

français des relations internationales“.(4)<br />

Explizit oder implizit. Die Vorstellung<br />

eines nuklearen Angriffskrieges<br />

ist jetzt auch auf europäischer<br />

Ebene verankert worden. Lothar<br />

Rühl, ehemaliger Staatssekretär<br />

im deutschen Verteidigungsministerium<br />

und Mitautor des „European<br />

Defence Paper“, stellt zufrieden fest,<br />

dass das Thema „Präemption/<br />

Prävention“ in dem Dokument zwar<br />

vorwiegend unter dem Aspekt von<br />

Kriegseinsätzen mit konventionel-<br />

len Streitkräften und operativen<br />

Spezialkräften behandelt wird. „Immerhin“<br />

werde aber die Möglichkeit<br />

erwähnt, britische und französische<br />

Nuklearstreitkräfte „explizit oder<br />

implizit“ einzubeziehen.(5) In der<br />

Tat heißt es in dem Strategiepapier<br />

bezüglich der Kriegsszenarien der<br />

künftigen EU-Streitmacht: „Wir haben<br />

es nicht vermieden, Szenarien<br />

zu präsentieren, in denen die nationalen<br />

Atomstreitkräfte von EU-Mitgliedstaaten<br />

(Frankreich und Großbritannien)<br />

in die Gleichung entweder<br />

explizit oder implizit eingehen<br />

können“.(6)<br />

www.german-foreign-policy.com<br />

EU-Verfassung = Europa der Konzerne und Generäle<br />

Wussten Sie, dass ...<br />

... die vorgeschlagene EU-Verfassung eine Aufrüstungsverpflichtung beinhaltet.<br />

Im Artikel I-41 heißt es: „Die Mitgliedstaaten verpflichten sich,<br />

ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern“ (Art. I-41, 3).<br />

Damit stehen Abrüstungsbefürworter außerhalb der Verfassung!<br />

... dass ein eigenes Rüstungsamt („Agentur für die Bereiche Entwicklung<br />

der Verteidigungsfähigkeit, Forschung, Beschaffung und Rüstung“) Verfassungsrang<br />

erhält, das die Aufrüstung der EU-Staaten kontrollieren und ankurbeln<br />

soll (Art. I-43, 3).<br />

... dass durch die EU-Verfassung der EU-Ministerrat sich das Mandat für<br />

weltweite Kriegseinsätze erteilt (Art. I-41, Art. III-307).<br />

... dass die EU-Verfassung eine militärische Beistandsverpflichtung enthält,<br />

die schärfer ist als die der NATO (Art. I-41, 7).<br />

... dass im Anhang der EU-Verfassung der EURATOM-Vertrag bekräftigt<br />

wird, der die Förderung der Atomenergie vorsieht.<br />

... dass die EU-Verfassung die Verpflichtung zu einer neoliberalen Wirtschaftspolitik<br />

in Verfassungsrang erhebt: „Die Tätigkeit der Mitgliedstaaten<br />

und der Union umfasst [...] die Einführung einer Wirtschaftspolitik, die<br />

[...] dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb<br />

verpflichtet ist“ (Art. III-177).<br />

... dass die EU-Verfassung der Liberalisierung und Privatisierung öffentlicher<br />

Dienste im Sozial-, Bildungs- und Gesundheitsbereich Tür und<br />

Tor öffnet. In Zukunft soll über „Grundsätze und Bedingungen“ von öffentlichen<br />

Diensten der EU-Minsterrat per Mehrheitsentscheidung beschließen<br />

können (Art. III-122).<br />

... dass die Stimmgewichte in den EU-Räten zugunsten der großen Staaten<br />

und zulasten der kleineren und mittleren verschoben werden: so<br />

steigen die Stimmgewichte Deutschlands um über 100 %, die Frankreichs<br />

und Großbritanniens um 45 %; z. B. verlieren Österreich, Schweden, Portugal,<br />

Griechenland, Belgien, Tschechien, Ungarn, Dänemark, Slowakei,<br />

Finnland, Irland zwischen 35 % und 65 % an Stimmgewichten.<br />

Nähere Informationen im Internet unter www.friwe.at<br />

Anmerkungen:<br />

(1) Institute for Security Studies, European<br />

Union: European defence. A proposal<br />

for a White Paper; Paris, May<br />

2004 (www.iss-eu.org)<br />

(2) European defence, sh. oben, S. 13<br />

(3) Vorbeugende Militäreinsätze (Preemptive<br />

Strikes). Arbeitspapier/Dokumentation<br />

Nr. 120/2004; www.kas.de<br />

(4) Zukunftsfähig? Deutsch-französische<br />

Beziehungen und ESVP; DGAP-<br />

Analyse Nr. 27. Januar 2004;<br />

www.dgap.org<br />

(5) Lothar Rühl: Lücke zwischen Mittel<br />

und Zweck. Das „European Defence<br />

Paper“; Frankfurter Allgemeine Zeitung<br />

01.10.2004<br />

(6) European defence, sh. oben, S. 68<br />

EURO-MILITARISMUS<br />

Forschen für den Krieg<br />

Die Europäische Kommission öffnet<br />

erstmals die gemeinsamen Forschungsetats<br />

der Europäischen Union<br />

für militärische Projekte. Bisher<br />

fördert die EU offiziell nur zivile<br />

Forschung, Ausgaben für Rüstungsforschung<br />

sind nicht erlaubt. Nun<br />

soll ab 2007 ein sicherheitspolitisches<br />

Forschungsprogramm aufgelegt<br />

werden, das die Trennung zwischen<br />

den zivilen und den militärischen<br />

Bereichen aufhebt. Dabei<br />

werden zusätzliche Milliardensummen<br />

für wissenschaftliche Arbeiten<br />

im Interesse der Rüstungsindustrie<br />

bereitgestellt. Die EU-Kommission<br />

will „bis 2007 ein umfassendes europäisches<br />

Programm für Sicherheitsforschung<br />

mit einem angemessenen<br />

Haushalt auf den Weg bringen“<br />

(EU-Konzept für Sicherheitsforschungsprogramm<br />

(IP/04/1090);<br />

europa.eu.int, 09.09.2004). Besonderes<br />

Augenmerk soll auf „zivilmilitärische“<br />

Weltraumprojekte gelegt<br />

werden.<br />

Deutsch-österreichische<br />

Schlachtgruppe vorbereitet<br />

Die Verteidigungsminister der EU-<br />

Mitgliedstaaten haben bei einem<br />

Treffen im niederländischen Seebad<br />

Noordwijk die künftige Aufstellung<br />

von europäischen Schlachttruppen<br />

(„Battle-Groups“) konkretisiert.<br />

Vorangetrieben wird das „Battle-<br />

Group“-Konzept vor allem von<br />

Deutschland, Frankreich und Großbritannien.<br />

Bis spätestens 2007 sollen<br />

neun bis zehn dieser Schlachtgruppen<br />

einsatzfähig sein. Für alle<br />

geografischen und klimatischen Bedingungen<br />

(Wüste, Dschungel,<br />

Hochgebirge, usw.) sollen spezifische<br />

Schlachtgruppen ausgebildet<br />

werden, die innerhalb von 5 bis 30<br />

Tagen rund um die Welt zum Einsatz<br />

kommen können. Das deutsche Militär<br />

will an drei der bis zu zehn<br />

„Battle-Groups“ beteiligt sein: Eine<br />

Truppe will Deutschland mit Frankreich<br />

und eventuell Spanien und<br />

Belgien zusammenstellen, an einem<br />

deutsch-niederländischen Kampfverband<br />

könnte sich Finnland beteiligen,<br />

und über den Aufbau der dritten<br />

Schlachttruppe berät Berlin derzeit<br />

mit Österreich und Tschechien.<br />

Kolonial-Gendarmerie<br />

Die Verteidigungsminister von<br />

Frankreich, Italien, Spanien, Portugal<br />

und den Niederlanden haben<br />

sich im September geeinigt, eine gemeinsame<br />

paramilitärische Truppe<br />

aufzustellen. Die 3.000 Mann starke<br />

„Europäische Gendarmerie Streitmacht“<br />

(EGF) soll dazu dienen,<br />

nach Kriegen „wie in Bosnien, Kosovo<br />

oder Elfenbeinküste“ die „öffentliche<br />

Ordnung wiederherzustellen“,<br />

wie die französische Verteidigungsministerin<br />

Michelle Alliot-<br />

Marie erklärte. Der italienische Verteidigungsminister<br />

erläutert den kolonialen<br />

Nutzen dieser Truppe:<br />

„Diese Streitkraft kann genutzt werden,<br />

um Konflikte zu verhindern, z.<br />

B. vor einer Militärintervention, sie<br />

kann dazu dienen eine Militärintervention<br />

zu unterstützen, oder sie<br />

kann auch nach einer Militärintervention<br />

zum Einsatz kommen, um<br />

die Nachkonflikt-Situation reibungsfrei<br />

zu gestalten“ (zit. nach EU-Observer,<br />

20.9.2004).


4 Militarisierung Österreichs guernica 5/2004<br />

ÖSTERREICH<br />

Die Aufrüstung geht weiter<br />

Das Verteidigungsministerium kauft<br />

20 Fahrzeuge vom Typ „Dingo 2“<br />

für die Auslandseinsätze des österreichischen<br />

Bundesheeres. Hersteller<br />

ist die Münchner Firma Krauss-<br />

Maffei Wegmann. Das Vorgänger-<br />

Modell des Fahrzeuges habe sich bei<br />

der deutschen Bundeswehr bereits<br />

im Kosovo und in Afghanistan bewährt,<br />

so das Verteidigungsministerium.<br />

Die Lieferung des ersten<br />

„Dingo 2“ ist noch im Dezember<br />

2004 vorgesehen. Die übrigen 19<br />

Fahrzeuge werden 2005 ausgeliefert<br />

und dann den Truppen im Ausland<br />

zugeführt. Platter: „Diese Beschaffung<br />

erfolgte im Zuge des Sicherheitspaketes,<br />

das ich zusätzlich zu<br />

meinem Budget für 2004 erhalten<br />

habe“ (BMLV, 3.10.2004). Zur Erinnerung:<br />

Mit dem Jahreswechsel<br />

2003/2004 erhielt Platter zusätzlich<br />

zum offiziellen Militärbudget 17<br />

Millionen Euro für die „Internationalisierung<br />

des Bundesheeres“. Die<br />

Beschaffung der 20 „Dingo 2“ ist<br />

nur ein „Vorgriff“, nötig seien weitere<br />

derartige Fahrzeuge. Ebenfalls<br />

Bestandteil der Planungsüberlegungen<br />

sei die Beschaffung weiterer<br />

„Pandur“-Radpanzer, so Platter (vgl.<br />

Der Standard Online, 24.10.2004).<br />

Militärbefugnisgesetz vor<br />

Korrektur?<br />

Mit Jahresende muss das Militärbefugnisgesetz<br />

vom Parlament korrigiert<br />

werden, da der Verfassungsgerichtshof<br />

Ende Jänner 2004 Teile davon<br />

für verfassungswidrig erklärt<br />

hat. Derzeit fehlen aber ÖVP und<br />

FPÖ die dafür notwendige Zwei-<br />

Drittel-Mehrheit, da sich die SPÖ<br />

noch sperrt (vgl. Der Standard Online,<br />

22.10.2004). Mit dem Militärbefugnisgesetz<br />

wird den Bundesheer-<br />

Geheimdiensten die Bespitzelung<br />

von BürgerInnen auf bloßen Verdacht<br />

erlaubt. Gemeinden und alle<br />

Körperschaften öffentlichen Rechts<br />

(z. B. Sozialversicherungen, Arbeiterkammern,<br />

Hochschülerschaften)<br />

werden verpflichtet, Auskunft über<br />

BürgerInnen bzw. Mitglieder zu erteilen,<br />

wenn Bundesheer-Geheimdienste<br />

dies verlangen. Die <strong>Werkstatt</strong><br />

<strong>Frieden</strong> & <strong>Solidarität</strong> fordert<br />

weiterhin die Abschaffung des Militärbefugnisgesetzes.<br />

Weitere Infos: www.friwe.at<br />

Die Grünen verabschieden<br />

sich von der Neutralität<br />

Am 29. Oktober 2004, an dem Tag,<br />

an dem Bundeskanzler Schüssel in<br />

Rom die EU-Verfassung, die mit der<br />

österreichischen Neutralität unvereinbar<br />

ist, unterzeichnet hat, fasste<br />

der erweiterte Bundesvorstand der<br />

Grünen einen Beschluss, in dem er<br />

sich von der österreichischen Neutralität<br />

verabschiedet. Ein europäisches<br />

Heer unter einem europäischen<br />

Verteidigungsminister solle<br />

die nationalen Armeen ablösen.<br />

„Vergemeinschaftung heißt, es gibt<br />

keinen nationalen Sonderstatus<br />

mehr. Es gibt weder Neutralität<br />

noch eine Bündnismitgliedschaft“,<br />

so der grüne Sicherheitssprecher Peter<br />

Pilz, der sich schon seit langem<br />

als reaktionärer Vorkämpfer einer<br />

militärischen Supermacht EU hervortut.<br />

Was die grüne Basis wohl<br />

zum Treiben ihrer Führung sagt?<br />

(vgl. Der Standard, 8.11.2004)<br />

Militärbudget<br />

Mehr Geld für Kriegskurs<br />

„In der Zeit des Kalten Krieges war der primäre Zweck des Bundesheeres die Abhaltewirkung, das heißt, es sollte<br />

gar nicht so weit kommen, dass das Bundesheer tatsächlich eingesetzt werden müsste. Heute hingegen<br />

entwickeln wir das Bundesheer immer mehr in Richtung einer Einsatzarmee weiter.“<br />

(Verteidigungsminister Platter)<br />

Höheres Militärbudget für<br />

Auslandseinsätze, ... Das<br />

offizielle Militärbudget wurde erneut<br />

um 70 Millionen Euro erhöht<br />

und beträgt für das Jahr 2005 nun<br />

1,810 Milliarden Euro. Verteidigungsminister<br />

Platter ist begeistert:<br />

„In Zeiten der knappen Staats-Kassen<br />

bedeutet dieses Verhandlungsergebnis<br />

ein klares 'Ja' der Bundesregierung<br />

zur Umsetzung der größten<br />

Heeresreform der Zweiten Republik“.(1)<br />

Und da diese Budgeterhöhung<br />

auch für das Jahr 2006 gilt<br />

und damit insgesamt 140 Millionen<br />

Euro ausmacht, freut sich Platter:<br />

„In Schilling wäre das die Reformmilliarde<br />

für das Bundesheer“.(2)<br />

Damit ist das offizielle Militärbudget<br />

in den letzten 10 Jahren um<br />

knapp 25 % angestiegen (siehe Grafik<br />

1). Zusätzlich kommen dem<br />

Bundesheer die Erlöse aus den Verkäufen<br />

von Liegenschaften und Rüstungsgütern<br />

direkt zugute. Dem<br />

Budgetbericht 2005 ist zu entnehmen,<br />

wofür das zusätzliche Geld<br />

konkret verwendet werden soll:<br />

„Der Mehrbedarf wird für den Aufbau<br />

des - auch an die EU gemeldeten<br />

- Einsatzrahmens für Auslandseinsätze,<br />

für Investitionsausgaben<br />

zum Aufbau der Auslandskapazitäten<br />

[...] benötigt“.(3) Dies korrespondiert<br />

mit den „Empfehlungen“<br />

der Bundesheer-Reformkommission,<br />

die in Richtung „Kriegseinsätze<br />

im Ausland statt Neutralität“ zielen<br />

(siehe guernica 2/2004, S. 5). So<br />

wurde jüngst die Teilnahme an der<br />

Europäischen Verteidigungsagentur<br />

fixiert, die Besatzungstruppen-Präsenz<br />

auf dem Gebiet des ehemaligen<br />

Jugoslawien soll weiter ausgebaut<br />

werden und an der Teilnahme Österreichs<br />

an den „Schlachtgruppen“ der<br />

EU wird fleißig gearbeitet.<br />

... um mit den „Großen“ mitzumarschieren,<br />

... Im Juni 2004<br />

hat die Bundesregierung die volle<br />

Beteiligung an der Europäischen<br />

Verteidigungsagentur beschlossen.<br />

Diese hat u. a. eine zentrale Rolle<br />

bei der militärischen Beschaffung<br />

und der Koordinierung der Streitkräfteentwicklung<br />

sowie der militärischen<br />

Fähigkeiten der EU-Mitgliedstaaten.<br />

Und obwohl sie erst in<br />

der EU-Verfassung verankert wurde<br />

und diese noch nicht in Kraft ist,<br />

wird die Europäische Verteidigungsagentur<br />

bereits mit Jahresbeginn<br />

2005 ihre Arbeit aufnehmen. Beim<br />

informellen Treffen der EU-Verteidigungsminister<br />

am 17. September<br />

2004 fand auch die erste Sitzung des<br />

Lenkungsausschusses der Europäischen<br />

Verteidigungsagentur (EDA)<br />

statt. Dabei wurden das Arbeitsprogramm<br />

und Fragen zu Statuten, Personal<br />

und Budget besprochen. Verteidigungsminister<br />

Platter benutzte<br />

die Gelegenheit um kundzutun, dass<br />

auch österreichische VertreterInnen<br />

an der EDA mitwirken werden und<br />

sprach von einem „Meilenstein“ für<br />

die „Weiterentwicklung der Europäischen<br />

Sicherheits- und Verteidigungspolitik“,<br />

die auch einen<br />

„Impuls für die österreichische Industrie“<br />

bringen wird.(4)<br />

... fremde Länder zu besetzen<br />

... Mit 1. Jänner 2005 übernimmt<br />

die EU die SFOR-Mission der<br />

NATO in Bosnien-Herzegowina.<br />

Das ist nach Mazedonien und Kongo<br />

im Jahr 2003 die dritte eigenständige,<br />

militärische Operation der EU.<br />

Sie wird den euphemistischen Namen<br />

„Althea“ (griechisch: „die Heilende“)<br />

tragen. Vorausblickend hat<br />

Österreich deshalb im Juni 2004 bereits<br />

135 SoldatInnen dort stationiert.<br />

Dieses Kontingent soll mit<br />

Jahreswechsel um weitere 100 aufgestockt<br />

werden.(5) Damit wird die<br />

österreichische Besatzungstruppen-<br />

Präsenz auf dem Gebiet des ehemaligen<br />

Jugoslawien weiter ausgebaut.<br />

Bei diesem Auslandseinsatz des<br />

österreichischen Bundesheeres handelt<br />

es sich nicht um einen klassischen<br />

UNO-Blauhelm-Einsatz. An<br />

solchen beteiligt sich ja Österreich<br />

schon seit dem Jahr 1960, die prominentesten<br />

Beispiele sind der Golan<br />

und bis vor kurzem Zypern.<br />

Merkmale dieser klassischen UNO-<br />

Blauhelm-Einsätze sind, dass sie mit<br />

einem Beschluss des UNO-Sicherheitsrates<br />

unter Führung der UNO<br />

stattfinden und auf Kapitel VI der<br />

UN-Charta basieren, d. h. es handelt<br />

sich bei ihnen um sogenannte Peace-<br />

Keeping-Einsätze. Alle Streitparteien<br />

müssen einen Waffenstillstand<br />

ausverhandelt haben und dem UNO-<br />

Einsatz zustimmen. Die UNO-Blauhelme<br />

dürfen Waffengewalt lediglich<br />

zur Selbstverteidigung anwenden.<br />

Die Auslandseinsätze des österreichischen<br />

Bundesheeres in der<br />

Grafik 2 finden aber unter Führung<br />

der NATO, der EU oder einer sogenannten<br />

Lead-Nation statt; wenn<br />

diese durch einen Beschluss des<br />

UNO-Sicherheitsrates gedeckt sind,<br />

basieren sie auf Artikel VII der UN-<br />

Charta, d. h. es handelt sich um<br />

Kampfeinsätze (Peace-Making, Peace-Enforcement).<br />

Bis Anfang der<br />

1990er Jahre galten solche Einsätze<br />

als mit der österreichischen Neutralität<br />

nicht vereinbar. Aber auch hier<br />

wurde die Neutralität ausgehend von<br />

geänderten politischen Kräfteverhältnissen<br />

einfach uminterpretiert.<br />

... und gegebenenfalls auch zu<br />

überfallen. Dass sich Österreich in<br />

Zukunft nicht nur mit der Besetzung<br />

fremder Länder zufrieden geben<br />

will, zeigen die jüngsten Entwicklungen<br />

rund um die „Battle Groups“<br />

- zu deutsch bezeichnenderweise<br />

„Schlachtgruppen“ - der EU. Bei<br />

den „Schlachtgruppen“ der EU handelt<br />

es sich um bis zu neun, hochspezialisierte<br />

Kampf-Verbände mit<br />

jeweils ca. 1.500 SoldatInnen, die<br />

innerhalb von 5 bis 30 Tagen global<br />

einsatzbereit sein sollen. Sie werden<br />

zusätzlich zur EU-Interventionstruppe<br />

aufgebaut, an der Österreich<br />

mit seinen „Kräften für internationale<br />

Operationen“ (KIOP)<br />

ebenfalls beteiligt ist. Der deutsche<br />

Verteidigungsminister Peter Struck<br />

informierte, dass sich Deutschland<br />

an drei „Battle Groups“ beteiligen<br />

will. Eine „Schlachtgruppe“ solle<br />

zusammen mit Österreich und<br />

Tschechien gestellt werden. Diesbe-<br />

1.900<br />

1.800<br />

1.700<br />

1.600<br />

1.500<br />

1.400<br />

1.300<br />

1.463<br />

Die Auslandseinsätze des österreichischen Bundesheeres<br />

(ohne klassische UNO-Blauhelm-Einsätze)<br />

Land Einsatz Jahr Kont. Führung<br />

Bosnien-<br />

Herzegowina<br />

IFOR/SFOR 1996-<br />

2001<br />

zügliche Gespräche würden bereits<br />

laufen.(6) Bereits im Mai dieses<br />

Jahres verlautbarte das österreichische<br />

Verteidigungsministerium:<br />

„Der Verteidigungsminister strebt<br />

eine Kooperation im Rahmen einer<br />

Europäischen Battle-Group an“.(7)<br />

Kriegskurs. Worum es den österreichischen<br />

Eliten mit dieser Orientierung<br />

geht, hat Verteidigungsminister<br />

Platter bei seiner Rede beim Europäischen<br />

Forum Alpbach auf den<br />

Punkt gebracht: „In der Zeit des<br />

Kalten Krieges war der primäre<br />

Zweck des Bundesheeres die Abhaltewirkung,<br />

das heißt, es sollte gar<br />

nicht so weit kommen, dass das Bundesheer<br />

tatsächlich eingesetzt werden<br />

müsste. Heute hingegen entwickeln<br />

wir das Bundesheer immer<br />

mehr in Richtung einer Einsatzarmee<br />

weiter“. Und weil Österreich<br />

ein Kleinstaat ist, ist es bei diesen<br />

imperialen Ambitionen auf größere<br />

Partner in einem Verbund angewiesen:<br />

„Hierbei denken wir nicht mehr<br />

rein national sondern vor allem europäisch.<br />

Der Leitgedanke ist also<br />

die 'Europäisierung' des Bundesheeres.<br />

Und Europäisierung meint<br />

auch, dass diese Strukturen so geschaffen<br />

und geplant werden müssen,<br />

dass sie tatsächlich zur Verfügung<br />

stehen und eingesetzt werden<br />

können“.(8) Damit wird erneut do-<br />

300 NATO<br />

SFOR 2004 150 NATO<br />

EUFOR-<br />

ALTHEA<br />

ab<br />

2005<br />

250 EU<br />

Kosovo KFOR<br />

seit<br />

1999<br />

600<br />

Mazedonien<br />

EUFOR-<br />

2003<br />

CONCORDIA<br />

15 EU<br />

Kongo<br />

EUFOR-<br />

ARTEMIS<br />

2003 3 EU<br />

Afghanistan<br />

Ausgaben des Bundes<br />

Militärische Angelegenheiten<br />

(in Mio. EUR, Quelle: BMF)<br />

1.487 1.504 1.536 1.552<br />

1.603<br />

1.734<br />

1.666 1.665<br />

1.761 1.740<br />

NATO (-><br />

EU?)<br />

ISAF 2002 70 NATO<br />

ISAF 2004 3 NATO<br />

1.810<br />

1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005<br />

Grafik 1: Das offizielle Militärbudget wurde erneut um 70 Millionen<br />

Euro erhöht und beträgt für das Jahr 2005 nun 1,810 Milliarden Euro.<br />

Damit ist es in den letzten 10 Jahren um knapp 25 % angestiegen.<br />

Zusätzlich kommen dem Bundesheer die Erlöse aus den Verkäufen von<br />

Liegenschaften und Rüstungsgütern direkt zugute.<br />

Anmerkung: bis 2003 = reale Ausgaben, 2004 = Budget, 2005 = Budget-Entwurf;<br />

die realen Ausgaben für 2004 und 2005 werden erfahrungsgemäß höher<br />

ausfallen; so wurden z. B. für 2003 (so wie für 2004) 1,740 Milliarden Euro<br />

budgetiert (real: 1,761 Milliarden Euro)<br />

Grafik 2: Die Auslandseinsätze des österreichischen Bundesheeres, die<br />

keine klassischen UNO-Blauhelm-Einsätze sind, nehmen rasch zu.<br />

kumentiert, wie weit sich die offizielle<br />

Politik bereits vom völker- und<br />

verfassungsrechtlichen Boden der<br />

Neutralität entfernt hat. Kämpfen<br />

wir für die bedingungslose Verteidigung<br />

der österreichischen Neutralität,<br />

deren Kern die Verpflichtung<br />

ist, sich prinzipiell an keinen Kriegen<br />

zu beteiligen. Österreichische<br />

SoldatInnen haben im Ausland<br />

nichts verloren - weder als Besatzungs-<br />

noch als Interventionstruppen.<br />

Günter Reder<br />

Anmerkungen:<br />

(1) Platter: Heer startet 2005 voll<br />

durch! (BMLV, www.bmlv.gv.at,<br />

13.10.2004)<br />

(2) ebd.<br />

(3) Budgetbericht 2005 (BMF, S. 15)<br />

(4) vgl. Verteidigungsagentur bringt<br />

wichtigen Impuls für Österreich<br />

(BMLV, www.bmlv.gv.at, 17.09.2004)<br />

(5) Bundesheer entsendet mehr Soldaten<br />

nach Bosnien (BMLV,<br />

www.bmlv.gv.at, 27.09.2004)<br />

(6) vgl. Die Welt, 17./18.09.2004<br />

(7) Platter: Headline-Goal 2010 bedeutet<br />

neue Qualität militärischer Zielsetzungen<br />

(BMLV, APA OTS, 17.05.2004)<br />

(8) Minister Platter beim Forum Alpbach:<br />

EU-Verteidigungspolitik mitgestalten<br />

(BMLV, www.bmlv.gv.at,<br />

01.09.2004)


guernica 5/2004 EU und Rechtsextremismus 5<br />

„Politischer Großraum Europa“<br />

Konzepte der radikalen Rechten als Grundlage<br />

EUropäischer Großraumpolitik<br />

Wer war Carl Schmitt? „Einer<br />

der wichtigsten intellektuellen<br />

Wegbereiter der Nazis“, schreibt<br />

Wolfgang Gessenharter, Professor<br />

an der Bundeswehrhochschule in<br />

Hamburg. Der Staatsrechtstheoretiker<br />

habe „selbst mit den Menschenund<br />

Grundrechten des Grundgesetzes<br />

[...] nichts Positives anfangen“<br />

können, berichtet Gessenharter. Auf<br />

Schmitt stützten sich in den 1990er<br />

Jahren wichtige Protagonisten der<br />

radikalen Neuen Rechten.<br />

Politischer Großraum Europa<br />

über Schaffung von Kerneuropa.<br />

Wer ist Carl Schmitt? Der<br />

Schöpfer der „Großraumtheorie“,<br />

die inzwischen „neue Aufmerksamkeit“,<br />

gar „Interesse“ weckt,<br />

schreibt die Frankfurter Allgemeine<br />

Sonntagszeitung. An die Stelle des<br />

traditionellen Völkerrechts „treten<br />

Großräume, die von Reichen geordnet<br />

und geführt werden“, referiert<br />

das Blatt die 1939 publizierte<br />

Schmitt´sche NS-Legitimationsideologie.<br />

„Kann diese Theorie von<br />

Nutzen sein für die Gegenwart?“,<br />

fragt der Autor rhetorisch und bejaht:<br />

Es sei „konsequent, dass<br />

Frankreich und Deutschland versuchen,<br />

den politischen Großraum Europa<br />

auf dem Umweg der Schaffung<br />

eines Kerneuropas zu verwirklichen“.<br />

Die Großraumtheorie des NS-<br />

Wegbereiters Schmitt dringt Stück<br />

für Stück aus dem Milieu der radikalen<br />

Rechten ins offizielle Berlin<br />

vor. Erich Vad etwa, ehemaliger Generalstabsoffizier,<br />

heute sicherheitspolitischer<br />

Berater der CDU/CSU-<br />

Bundestagsfraktion, hält das Konzept<br />

für hochaktuell. Zwar sei das<br />

deutsche Projekt eines „europäischen<br />

Großraums“ bislang stets gescheitert,<br />

räumt Vad ein; das spreche<br />

jedoch nicht gegen seine Notwendigkeit:<br />

„Europa bildet wie andere<br />

geopolitische Räume eine Einheit<br />

[...] und es muss deshalb, um auf<br />

Dauer zu bestehen, einen adäquaten<br />

Machtanspruch erheben und weltanschaulich<br />

begründen“.<br />

„Adäquaten Machtanspruch<br />

erheben und weltanschaulich<br />

begründen“. Vads Hommage an<br />

Carl Schmitt erschien im Frühjahr<br />

2003, in der ersten Nummer der<br />

Zeitschrift „Sezession“. Herausgeber<br />

des Blattes ist das „Institut für<br />

Staatspolitik“ (IfS), das der „Neuen<br />

Rechten“ zugeordnet wird und der<br />

als rechtsradikal bezeichneten Wochenzeitung<br />

„Junge Freiheit“ nahe<br />

steht. Die Erstlingsnummer stand<br />

unter dem Motto „Krieg“, einer „anthropologischen<br />

Konstante“, wie es<br />

beim IfS heißt. Weitere Autoren des<br />

Heftes: Oberst a. D. Klaus Hammel,<br />

zuvor Stabschef eines Wehrbereichskommandos,<br />

und Gebhard<br />

Geiger, Mitarbeiter der Forschungsgruppe<br />

Sicherheitspolitik des bedeutendsten<br />

außenpolitischen Think-<br />

Tanks Berlins, der Stiftung Wissenschaft<br />

und Politik (SWP).<br />

Die renommierte sicherheitspolitische<br />

Autorenschaft in der neurechten<br />

Zeitschrift deutet es an, die<br />

Hymne auf Carl Schmitt in der<br />

Sonntags-FAZ weist darauf hin:<br />

Großmachtkonzepte, die in den<br />

1990er Jahren noch als abseitig<br />

rechts galten, berühren heute die<br />

operative Berliner Politik. Die Abkoppelung<br />

des „europäischen<br />

Großraums“ vom amerikanischen<br />

Gegenpart, von Carl Schmitt in den<br />

1930er Jahren vorgedacht, steht auf<br />

der Tagesordnung der rot-grünen<br />

deutschen Regierung. Die stellt<br />

ihren Weltmachtanspruch inzwischen<br />

recht offen zur Schau. Und<br />

verbindet die „europäische“ Großmachtpolitik<br />

mit der Absicht, die<br />

deutsche Führung über den<br />

„Großraum Europa“ zu sichern.<br />

Ethnisierung als Instrument<br />

deutscher Vormacht. Nicht weniger<br />

traditionell als Carl Schmitts<br />

„Großraumtheorie“ sind die Methoden,<br />

die Berlin hierbei anwendet.<br />

Wirtschaftlich dominiert der „Systemkopf“<br />

(Hans-Peter Stihl)<br />

Deutschland die EU-Peripherie, vergleichbar<br />

vielleicht den Plänen für<br />

eine europäische Großraumwirtschaft<br />

aus den 1930er Jahren. Die<br />

politische Beherrschung schreitet<br />

ebenfalls voran, sie wird abgesichert<br />

durch ein nicht weniger altes Konzept:<br />

Durch die Ethnisierung der europäischen<br />

Staaten, durch die Politisierung<br />

vermeintlicher „Völker“<br />

und „Volksgruppen“, durch eine<br />

„Neuordnung“ des Kontinents auf<br />

völkischer Grundlage.<br />

Das Prinzip ist banal, aber nach<br />

wie vor wirkungsvoll: „Völker“ und<br />

„Volksgruppen“, die nach Autonomie<br />

streben, schwächen die Zentralmacht<br />

des Staates, in dem sie leben.<br />

Deutschland betrifft das kaum - dort<br />

gibt es nur vier quantitativ unbedeutende<br />

nicht deutschsprachige<br />

„Volksgruppen“. Frankreich hingegen<br />

müsste nach völkischen Kriterien<br />

die Zentralverwaltung über mehrere<br />

große Gebiete zurücknehmen<br />

(Alsace, Bretagne, „Okzitanien“, u.<br />

a.), Belgien zerfiele komplett in drei<br />

autonome Regionen (Flandern, Wallonie,<br />

das deutschsprachige Gebiet<br />

um Eupen und St. Vith). Jugoslawien<br />

und die Tschechoslowakei sind<br />

bereits in ethnisch definierte Staaten<br />

zerlegt, Mazedonien und Serbien<br />

droht der weitere Zerfall.<br />

Nur auf den ersten Blick erscheint<br />

die Ethnisierung des „europäischen<br />

Großraums“ als Zerstörungswerk<br />

ohne Sinn. Autonome<br />

Regionen in geschwächten Staaten<br />

können sich neu orientieren, können<br />

ihre Bindungen an die Hauptstadt<br />

schwächen, mit dem Nachbarstaat<br />

neue Beziehungen eingehen. Revisionen<br />

werden dadurch möglich,<br />

eine „Neuordnung“ ohne militärische<br />

Grenzkorrektur. Beispielhaft<br />

zeigt das ein Modellfall völkischer<br />

deutscher Regionalisierungspolitik:<br />

Die deutschsprachige Minderheit in<br />

Ostbelgien. Seit Jahrzehnten mit<br />

stets wachsenden Sonderrechten<br />

ausgestattet, löst sie sich Stück um<br />

Stück aus den belgischen Strukturen,<br />

bindet sich vertraglich immer<br />

enger an das deutsche Bundesland<br />

Nordrhein-Westfalen.<br />

Ein Einzelfall? Keineswegs.<br />

Eine gleichgerichtete Politik betreibt<br />

Deutschland entlang seiner<br />

kompletten Außengrenze. Österreich<br />

zeigt ähnliche Ambitionen<br />

(„Südtirol“), Ungarn ebenfalls<br />

(Südslowakei, Vojvodina, Transsilvanien).<br />

Die Revisionsbewegung erinnert<br />

in ihrer Gesamtheit an die<br />

Bündnisse der Zwischenkriegszeit,<br />

die sich gegen die Pariser <strong>Frieden</strong>sverträge<br />

wandten. Der Unterschied:<br />

Heute kommt man womöglich auch<br />

ohne offene Grenzrevisionen aus.<br />

Eine Parallele zur damaligen Situation<br />

hingegen: Ergebnis der Revision<br />

ist die Stärkung der deutschen Hegemonie.<br />

„Auch mit Massenvernichtungswaffen<br />

gegen den<br />

Feind“. „Großraum“-Pläne, völkische<br />

„Neuordnungs“-Konzepte: Die<br />

Anklänge der operativen Berliner<br />

Außenpolitik an traditionelle deut-<br />

sche Strategien sind offenkundig, an<br />

Strategien, die bislang stets zum<br />

Themenarsenal der radikalen Rechten<br />

gehörten. Erstaunlich nur, dass<br />

es Berlin immer noch gelingt, seine<br />

Operationen als fortschrittliches<br />

Handeln zu verkaufen: Beginnende<br />

„Großraum“-Pläne als Eindämmung<br />

der brutalen US-Militärpolitik, die<br />

völkische „Neuordnung“ als „Befreiung<br />

unterdrückter Völker“. Ein<br />

verführerisches Mitmach-Angebot,<br />

gerade auch an Linke. Genau dies ist<br />

der Vorteil desjenigen, der bei der<br />

Aufteilung der Welt zu spät gekommen<br />

ist und die bestehende Ordnung<br />

umstürzen muss, um die Hegemonie<br />

zu erlangen: Er kann sich mit den<br />

(oft zu Recht) Unzufriedenen gegen<br />

die herrschende Konkurrenz verbünden.<br />

Freilich ist eine solche weltumstürzlerische<br />

Politik nicht ohne militärischen<br />

Machtapparat zu haben.<br />

Erich Vad erinnert in „Sezession“<br />

daran, unter Verweis auf Carl<br />

Schmitts „Bestimmung des Politischen<br />

durch die Unterscheidung von<br />

Freund und Feind“. Die entscheidenden<br />

Gewaltmittel müssten bereitgestellt<br />

werden, meint der Ex-<br />

Generalstabsoffizier: „Wer hat jetzt<br />

das Recht, den Feind zu definieren<br />

und gegen ihn mit allen Mitteln - das<br />

heißt unter den gegebenen Umständen<br />

auch mit Massenvernichtungswaffen<br />

- vorzugehen? Wer darf Strafen<br />

gegen den definierten Feind verhängen<br />

und sie - notfalls präventiv -<br />

durchsetzen?“ Hochrüstung ist die<br />

logische Folge Schmitt´scher<br />

„Großraum“-Politik.<br />

NPD-Chef Udo Voigt, schreibt<br />

die Frankfurter Rundschau, „sitzt<br />

[...] an seinem kleinen Schreibtisch<br />

in seinem Berliner Büro, zitiert Carl<br />

Schmitt, den Rechtstheoretiker des<br />

autoritären Staates“. Der Aufschwung<br />

Schmitt´scher Konzepte in<br />

der deutschen Außenpolitik nützt<br />

auch Voigt, der sich auf den NS-<br />

Wegbereiter stützt. Lange mussten<br />

dessen Konzepte in der radikalen<br />

Rechten überwintern, jetzt scheint<br />

die Zeit reif, sie wieder hervorzukramen.<br />

Denn Berlin und Paris, so<br />

schreibt die FAZ, streben die Bildung<br />

eines „europäischen<br />

Großraums“ an - und das sei „konsequent“.<br />

Beitrag der Redaktion<br />

www.german-foreign-policy.com<br />

Erfolgreiche<br />

Antifa-Demo<br />

in <strong>Linz</strong><br />

Trotz strömenden Regens demonstrierten<br />

am 9. Oktober 500 Menschen<br />

gegen Rechtsextremismus<br />

und Rassismus. Damit setzten die<br />

AntifaschistInnen ein deutliches<br />

Zeichen gegen die zunehmenden<br />

Übergriffe von rechtsextremen<br />

Gruppen in Oberösterreich. In<br />

der gemeinsamen Plattform wurde<br />

das Verbot der neofaschistischen<br />

Gruppierungen BFJ und<br />

AFP gefordert.<br />

UND HEUTE GEHÖRT<br />

UNS EUROPA ...<br />

Ein militärisch hochgerüstetes,<br />

deutsch (französisch) geführtes Europa,<br />

das die derzeitige Supermacht<br />

USA an der Spitze der globalen<br />

Hierarchie ablöst, das ist der EU-<br />

Fahrplan, der derzeit hinter den Kulissen<br />

mit Elan vorangetrieben wird:<br />

Aufrüstungsgebot in der EU-Verfassung,<br />

Headline-Goal 2010, Rüstungsagentur,<br />

Schlachtgruppen,<br />

usw. Sich zum aggressiven Sprachrohr<br />

dieser Politik zu machen, eint<br />

zunehmend die verschiedenen<br />

rechtsextremen Strömungen: So<br />

heißt es in „Nation & Europa“, dem<br />

theoretischen und strategischen Leitorgan<br />

des deutschen Rechtsextremismus:<br />

„Der Denkansatz, Europa<br />

zu einen, ist prinzipiell richtig. Sich<br />

als überzeugter Europäer zu bekennen,<br />

bedeutet keinen Verrat am eigenen<br />

Volk. Im Gegenteil. Der Befürworter<br />

Europas will die Isolierung<br />

Deutschlands verhindern. Es muss<br />

den Deutschen erlaubt sein, sich einen<br />

leistungsangemessenen Platz im<br />

europäischen Haus zu sichern - und<br />

zwar im Zentrum, nicht an der Peripherie.<br />

Deshalb auch meine Bejahung<br />

einer führenden Rolle Kerneuropas,<br />

das vor allem auf der engen<br />

Zusammenarbeit zwischen<br />

Frankreich und Deutschland beruht“<br />

(N&E 6-2004). Euro-Chauvinismus<br />

plus Anti-Amerikanismus<br />

sind die ideologischen Zwillinge<br />

rechtsradikaler Propaganda. Der<br />

Bund Freier Jugend (BFJ) ruft auf<br />

seiner Web-Page zum nationalen<br />

Schulterschluss im innerimperialen<br />

Machtkampf auf: „Die nationale<br />

Forderung [...] lautet: Die USA sind<br />

unser Unglück und deshalb: Anti-<br />

Amerikanismus ist das Gebot der<br />

Stunde!“ Das Vorbild der germanischen<br />

Jungrecken sind „die Großväter<br />

und Urgroßväter“, die schon im<br />

2. Weltkrieg „für die Freiheit ihres<br />

Volkes“ gekämpft hätten. Schließlich<br />

hätten - so der rechte FP-Ideologe<br />

Andreas Mölzer - auch die Nazis<br />

bereits versucht „den Kontinent zu<br />

einigen“ (Europa am Scheideweg).<br />

Ein weiterer freiheitlicher Rechtsaußen,<br />

der Wiener FP-Obmann<br />

Heinz-Christian Strache, weiß sich<br />

mit seiner Anspielung auf die „amerikanische<br />

Ostküste“ ganz im herrschenden<br />

Mainstream: „Wir sollten<br />

unsere Energien darauf konzentrieren,<br />

eine gemeinsame Außenpolitik<br />

zu betreiben, welche nur die europäischen<br />

Interessen und nicht die<br />

der Wall Street vertritt“ (zit. n. Kontext<br />

XXI 4-5/2004, S. 20). Und die<br />

„nationalen Info-Telefone“ läuten<br />

am rechten Rand, was Solana,<br />

Schröder und Chirac im Zentrum<br />

der Macht diskret betreiben: „Europa<br />

braucht eine eigene atomare Verteidigung<br />

und muss sich von den<br />

USA lösen, und zwar kulturell, wirtschaftlich<br />

und militärisch“ (NIT,<br />

13.9.2001). Unter dem Dach eines<br />

EU-Chauvinismus wächst offensichtlich<br />

zusammen, was zusammengehört.<br />

Wohlwollend bewirbt<br />

das rechtsextreme Monatsmagazin<br />

„Nation & Europa“ das Buch des<br />

Grün-Abgeordneten Peter Pilz „Mit<br />

Gott gegen alle, Amerikas Kampf<br />

um die Weltherrschaft“. Kein Wunder.<br />

Gipfelt doch Pilz´ Plädoyer für<br />

eine militärisch starke europäische<br />

Weltmacht, die es mit den Amis aufnehmen<br />

kann, in einem Satz, bei<br />

dem alle Nazis feuchte Augen kriegen:<br />

„Der Schlüssel zur neuen europäischen<br />

Rolle liegt in Deutschland“.


6 EU und Rechtsextremismus guernica 5/2004<br />

ASYLPOLITIK<br />

Hinter der Scheibe<br />

Diana ist 7 Jahre alt. Ihren Vater<br />

darf sie nur durch eine Glasscheibe<br />

sehen. Er sitzt im Polizeigefängnis<br />

Hernalser Gürtel in Schubhaft. Diana<br />

wurde in einem Krisenzentrum<br />

der Gemeinde Wien untergebracht.<br />

Diana und ihr Vater sind Tschetschenen.<br />

Dem Völkermord entronnen,<br />

den die russische Besatzungsmacht<br />

in ihrer Heimat verübt. Das<br />

reiche Österreich hat ihren Asylantrag<br />

zurückgewiesen. Weil sie angeblich<br />

in der Slowakei vor Verfolgung<br />

sicher sind. Bis zum 30. April<br />

war die Slowakei nach ständiger<br />

Rechtsprechung des Unabhängigen<br />

Bundesasylsenats (UBAS) ein nicht<br />

sicherer Drittstaat. In der Nacht<br />

zum 1. Mai ist sie plötzlich sicher<br />

geworden. Weil sie seither EU-Mitglied<br />

ist. Diana und ihr Vater sind<br />

schon einmal von Österreich in die<br />

Slowakei abgeschoben worden.<br />

Dort waren sie kurze Zeit in einem<br />

Lager. In ständiger Angst, weitergeschoben<br />

zu werden in die Ukraine<br />

und von dort nach Russland, ins<br />

Verfolgerland - wie es schon so<br />

manchem anderen tschetschenischen<br />

Flüchtling ergangen ist. Daher<br />

haben Diana und ihr Vater noch<br />

einmal versucht, nach Österreich zu<br />

flüchten. Seither können sie einander<br />

nur mehr durch die Scheibe sehen.<br />

Dianas Asylantrag durfte - ob<br />

die Slowakei nun sicher ist oder<br />

nicht - keinesfalls zurückgewiesen<br />

werden. Sie ist traumatisiert. Laut<br />

Mitteilung der Amtsärztin der Erstaufnahmestelle<br />

Traiskirchen leidet<br />

sie an einer Anpassungsstörung, die<br />

sich in Bettnässen, Schlafstörungen<br />

und Angstzuständen äußert. Traumatisierte<br />

sind zum Verfahren zuzulassen.<br />

„Asyl in Not“ hat für Diana und<br />

ihren Vater Berufungen gegen die<br />

Zurückweisung ihrer Asylanträge<br />

und Schubhaftbeschwerden eingebracht.<br />

Wahrscheinlich werden sie<br />

trotzdem wieder abgeschoben. Das<br />

ist Strasserland, im Herbst 2004.<br />

Manchmal spüren wir nur mehr<br />

Ohnmacht. Und Wut.<br />

Michael Genner (Asyl in Not)<br />

„Minder schwerer Fall von<br />

Körperverletzung“<br />

Wer einen Menschen fesselt, knebelt,<br />

an einen Stuhl bindet und den<br />

Hilflosen sodann durch gewaltsames<br />

Ersticken auf grausame Weise<br />

zu Tode bringt, handelt in einem<br />

„minder schweren Fall von Körperverletzung“.<br />

Dies entschied im<br />

Herbst 2004 ein Frankfurter Gericht.<br />

Die amtliche Würdigung hat<br />

zur Voraussetzung, dass es sich bei<br />

dem Getöteten um einen afrikanischen<br />

Flüchtling und bei den Tätern<br />

um deutsche Beamte handelt. Das<br />

Tatmerkmal der Grausamkeit sei<br />

nicht zu erkennen, entschied das<br />

Gericht. Die Grenzschutz-Beamten<br />

wurden auf freien Fuß gesetzt und<br />

können weiterhin als Hoheitsträger<br />

der Bundesrepublik Deutschland<br />

tätig sein. Die drei angeklagten Beamten<br />

des Bundesgrenzschutzes<br />

(BGS) hatten am 28. Mai 1999 den<br />

sudanesischen Flüchtling Aamir<br />

Ageeb während der gewaltsamen<br />

Durchsetzung seiner Abschiebung<br />

nach Khartum erstickt.<br />

www.german-foreign-policy.com<br />

Positionspapier der <strong>Werkstatt</strong> <strong>Frieden</strong> & <strong>Solidarität</strong><br />

Das Verbotsgesetz anwenden - Rechte Politik stoppen!<br />

Am rechten Rand des politischen Spektrums findet eine Neuformierung statt. Mit den EU-Parlamentswahlen vom<br />

13. Juni 2004 schaffte der bekennende Deutschnationale Andreas Mölzer (FPÖ) den Einzug ins Europaparlament.<br />

Gemeinsam mit anderen rechtsextremen Gruppierungen wie der norditalienischen „Lega Nord“ oder dem belgischen<br />

„Vlaams-Block“ will er die von der EU-Kommission bereitgestellten Millionen für „Europäische Parteien“<br />

nutzen, um eine europaweite rechtsextreme Organisation aufzubauen. Rechtsextreme Gruppierungen, wie der BFJ<br />

(Bund Freier Jugend) suchen Andockmöglichkeiten bei der Antikriegsbewegung oder der globalisierungskritschen<br />

Bewegung.<br />

Diese Neuformierung rechter<br />

Kräfte geschieht vor dem Hintergrund<br />

der strategischen Krise der<br />

Haider-FPÖ. Für diese gibt es zwei<br />

wesentliche Ursachen:<br />

Der Versuch der Haider-FPÖ, das<br />

Österreichbewusstsein rechtsextrem<br />

zu wenden, ist gescheitert. Sie<br />

konnten wohl verbreitete ausländerfeindliche<br />

Stimmungen für ihre Politik<br />

nutzen, insgesamt erwies sich<br />

jedoch das mit Neutralität und sozialer<br />

Gleichheit verknüpfte nationale<br />

Selbstverständnis der Mehrheit<br />

der Menschen in Österreich als unvereinbar<br />

mit rechtsextremer Politik.<br />

Die Stammeszugehörigkeit der<br />

Menschen ist eben nicht die politische<br />

Grundlage unserer Republik.<br />

Die Spitzen der FPÖ sind selbst<br />

voll ins politische Establishment integriert.<br />

Die FPÖ war die erste politische<br />

Partei, die den EU- und den<br />

NATO-Beitritt Österreichs forderte.<br />

Die „Kleine Mann“-Rhetorik der<br />

Haider-FPÖ kann auf Dauer nicht<br />

darüber hinwegtäuschen, dass die<br />

von der EU betriebene Politik des<br />

sozialen Kahlschlags, der Militarisierung<br />

und Entdemokratisierung<br />

voll auf ihrer Linie liegt.<br />

Die strategische Krise der Haider-FPÖ<br />

darf nicht dazu verleiten,<br />

die Neuformierung rechter, deutschnationaler<br />

Kräfte zu unterschätzen.<br />

Zwei Momente müssen uns<br />

alarmieren:<br />

1. Die strategischen Ziele dieser<br />

Kräfte liegen voll auf Linie der<br />

herrschenden Eliten.<br />

2. Die herrschende Politik führt zu<br />

massenhafter Entwertung der Menschen.<br />

Gewerkschaften, fortschritt-<br />

4. Treffen des Antifa-Netzwerk<br />

liche politische Organisationen haben<br />

es bis dato nicht geschafft, bündige<br />

Gegenstrategien anzubieten.<br />

Zu 1: Die derzeitige Politik ist eine<br />

Politik der Zertrümmerung der fortschrittlichen<br />

Grundlagen der II. Republik:<br />

a) Mit der EU-Verfassung soll<br />

rechte Politik in den Verfassungsrang<br />

gehoben werden. Die Neutralität<br />

wird ausgehebelt, den Mitgliedstaaten<br />

wird eine Aufrüstungsverpflichtung<br />

aufgezwungen. Die<br />

ärmeren Staaten des Südens und<br />

Ostens werden zu Objekten des<br />

neuen Militärinterventionismus degradiert.<br />

b) Der Neoliberalismus wird zur<br />

Staatszielbestimung. Sozialabbau,<br />

Liberalisierung, Privatisierung öffentlicher<br />

Leistungen führen zu einem<br />

Regime des Sozialdarwinismus.<br />

c) Staatliche Strukturen werden<br />

nicht abgeschafft, sondern entdemokratisiert.<br />

Mit der Losung „Europa<br />

muss mit einer Stimme sprechen!“<br />

wird ein Superautoritarismus<br />

eingeleitet. Der europäische<br />

„Außenminister“ wird, mit Sondervollmachten<br />

ausgestattet, in einen<br />

EU-Feldmarschall verwandelt. Mit<br />

der Europäischen Zentralbank und<br />

der Europäischen Rüstungsagentur<br />

werden wesentliche gesellschaftliche<br />

Bereiche der demokratischen<br />

Kontrolle entzogen. Das Prinzip der<br />

Gewaltenteilung wird ausgehebelt:<br />

Der EU-Rat, die Versammlung der<br />

Staats- und Regierungschefs, bekommt<br />

in zentralen gesellschaftlichen<br />

Fragen unmittelbare Rechts-<br />

Konsequente Anwendung des<br />

NS-Verbotsgesetzes<br />

Am 2. Oktober 2004 fand im Bildungshaus Schloss Puchberg in Wels<br />

das 4. Treffen des Antifa-Netzwerkes statt. Rund 100 VertreterInnen<br />

von 43 politischen, kirchlichen, kulturellen und humanitären Organisationen<br />

waren dabei.<br />

Der Historiker Univ.-Lektor Thomas Hellmuth behandelte den austrofaschistischen<br />

Ständestaat der Jahre 1934 bis 1938. Dessen Begründer Engelbert<br />

Dollfuß (1892-1934) habe Demokratie und Arbeiterbewegung<br />

zerschlagen und dadurch dem Nationalsozialismus, dem er selbst zum<br />

Opfer fiel, den Weg bereitet. Eine Verharmlosung oder gar Verklärung<br />

des Diktators Dollfuß, wie sie in manchen Kommentaren der letzten Zeit<br />

angeklungen ist, sei völlig unangebracht, sagte Hellmuth. Darüberhinaus<br />

gab es eine Reihe eindrucksvoller Berichte und Kurzreferate zu antirassistischer<br />

und antifaschistischer Arbeit. Boris Lechthaler stellte in diesem<br />

Rahmen das Positionspapier der <strong>Werkstatt</strong> <strong>Frieden</strong> & <strong>Solidarität</strong> „Das<br />

Verbotsgesetz anwenden - Rechte Politik stoppen!“ vor.<br />

Die TeilnehmerInnen des Treffens fassten auch inhaltliche Beschlüsse.<br />

So forderten sie eine konsequente Anwendung des NS-Verbotsgesetzes<br />

auf Neonazi-Gruppen wie den „Bund Freier Jugend“ (BFJ). Das Netzwerk<br />

verlangt außerdem die Erfüllung der oö. Asylquote, die derzeit um<br />

rund 1.000 Personen unterschritten wird. Es sei keinesfalls akzeptabel,<br />

wenn das Land seine Asylvereinbarung mit dem Innenministerium zu<br />

Lasten der Flüchtlinge ignoriere.<br />

setzungskompetenz.<br />

d) Unter dem Titel „ethnische<br />

Selbstbestimmung“ wird der Blutund<br />

Bodenideologie breiten Raum<br />

gegeben und die Souveränität der<br />

kleinen und mittleren Nationalstaaten<br />

untergraben.<br />

e) Die Souveränität Österreichs<br />

und damit ihre antifaschistischen<br />

Grundlagen, das Verbotsgesetz,<br />

werden systematisch zerstört.<br />

wirtschaftlich (Industrie, Medien,<br />

Finanzintermediäre)<br />

militärisch und polizeilich<br />

politisch über die Parteien<br />

Mit rechter Politik kann der Gefahr<br />

von Rechts nicht begegnet werden.<br />

Zu 2: Immer mehr Menschen<br />

werden in ihren sozialen und demokratischen<br />

Rechten beschnitten und<br />

entwürdigt. Sie finden kaum Rückhalt<br />

bei den großen politischen und<br />

gewerkschaftlichen Organisationen,<br />

weil diese vielfach in die herrschende<br />

Politik eingebunden sind. Wenn<br />

es nicht gelingt, Handlungsfähigkeit<br />

von unten gegen die zerstörerische<br />

Politik von oben herzustellen, werden<br />

viele empfänglich für chauvinistische<br />

Überheblichkeit und Ausgrenzung<br />

nach unten. Soweit Opposition<br />

entwickelt wird, ist diese oft<br />

Wasser auf den Mühlen der herrschenden<br />

rechten Politik:<br />

a) Für vieles wird eine naturwüchsige<br />

Globalisierung und das anonyme<br />

internationale Finanzkapital<br />

verantwortlich gemacht. Verschwiegen<br />

wird, dass die Verantwortlichen<br />

Namen und Adresse haben: die Eliten<br />

der großen nach Vorherrschaft<br />

strebenden Nationalstaaten und ihre<br />

großen Konzerne.<br />

VA-Tech<br />

b) Systematisch wird in der Antikriegsbewegung<br />

das Augenmerk<br />

ausschließlich auf die Politik des<br />

Konkurrenten USA gelenkt. Aufrüstung<br />

und Kriegspolitik der eigenen<br />

Eliten werden ausgeblendet.<br />

c) Die Realität Europas wird mit<br />

chauvinistischem Sendungsbewusstsein<br />

überhöht. Wieder soll am<br />

„europäischen Wesen die Welt genesen“!<br />

Diese Gemengelage öffnet<br />

rechtsextremen Kräften Tür und Tor.<br />

Ihre derzeitige Schwäche ist vielmehr<br />

ihrer eigenen momentanen<br />

Unfähigkeit geschuldet als der Stärke<br />

der demokratischen Kräfte. Antifaschismus<br />

darf sich nicht in sauberer<br />

Sprache und Haltungsbetulichkeit<br />

erschöpfen. Für Österreich heißt<br />

Antifaschismus die fortschrittlichen<br />

Grundlagen der II. Republik zu<br />

wahren und sie für das 21. Jahrhundert<br />

in Bewegung zu setzen.<br />

In diesem Sinne fordern wir:<br />

Aus dem Verbotsgesetz muss<br />

ein wirksames Instrument gegen<br />

politische Kräfte geschmiedet<br />

werden, die Demokratie und<br />

Rechtsstaatlichkeit zerstören und<br />

Österreich wieder an die Seite<br />

von Militarismus und Krieg<br />

führen wollen.<br />

Die sofortige Umsetzung der<br />

Forderungen des <strong>Frieden</strong>svolksbegehrens.<br />

Die Erhaltung der sozialen<br />

Standards und des öffentlichen<br />

Eigentums.<br />

Finanzspekulant verkauft VA-<br />

Tech-Anteile an Rüstungskonzern<br />

Der Ausverkauf der österreichischen Industrie ist der gerade Weg in<br />

die Fänge der Rüstungsindustrie. Das beweist einmal mehr der Verkauf<br />

der VA-Tech-Anteile an Siemens durch den Spekulanten Mirko Kovats.<br />

Siemens ist ein großer deutscher Rüstungskonzern (siehe den Beitrag<br />

in der guernica 4/2004), der sowohl an der EU-Aufrüstung als auch<br />

an der US-Militarisierung kräftig verdient. Gemeinsam mit dem französischen<br />

Konzern Framatome ist Siemens einer der weltweit größten<br />

AKW-Produzenten. Siemens hat bereits angekündigt, dass sie beim derzeitigen<br />

16 %-Anteil an der VA-Tech nicht stehen bleiben wollen, sondern<br />

die Übernahme anstreben.<br />

Mirko Kovats wird durch diesen Verkauf innerhalb eines Jahres um 100<br />

Millionen Euro reicher. Den Arbeitnehmern verkündet er dagegen, dass<br />

sie in Zukunft durch „ein Tal der Tränen gehen müssen“, weil ihr Lebensstandard<br />

zu hoch ist (OÖN, 6.11.2004). Der Zynismus der Reichen<br />

wird immer unerträglicher.<br />

Privatisierung, Sozialabbau und Aufrüstung sind verschiedene Seiten ein<br />

und derselben Politik. Wer sich mit der Selbstherrlichkeit von Finanzspekulanten,<br />

Rüstungsindustriellen und ihnen ergebenen Politikern nicht<br />

abfinden will, ist eingeladen, bei der <strong>Werkstatt</strong> <strong>Frieden</strong> & <strong>Solidarität</strong> mitzuarbeiten.<br />

Nächstes Plenum: Dienstag, 16. November 2004, 18 Uhr,<br />

Waltherstr. 15b, A-4020 <strong>Linz</strong>; Kontakt: Tel. (0732) 77 10 94, E-Mail<br />

friwe@servus.at, Internet: www.friwe.at


guernica 5/2004 <strong>Frieden</strong>svolksbegehren 7<br />

Interview mit Jupp Stadler über Herausforderungen für <strong>Frieden</strong>sbewegung und<br />

Gewerkschaftsarbeit. Jupp Stadler ist Arbeiterbetriebsrat in der vöestalpine.<br />

„Ich werde das <strong>Frieden</strong>svolksbegehren<br />

sicher unterstützen“<br />

Du warst in den 80er Jahren in<br />

der Sprechergruppe der OÖ.<br />

<strong>Frieden</strong>sbewegung. Jetzt bist du<br />

Vöest-Betriebsrat. Was verbindet<br />

beides?<br />

Als Arbeiterbetriebsrat bin ich<br />

Sprachrohr für die Arbeiter, und<br />

habe entschieden deren Interessen<br />

zu vertreten. Da geht es auch sehr<br />

oft um einen Verteilungskampf. Die<br />

Reichen wollen sich ihren Reichtum<br />

absichern, dazu brauchen sie das<br />

Militär. Es geht auch weltweit um<br />

einen Verteilungskampf. Wer hat<br />

Zugang zu den Rohstoffen? In der<br />

<strong>Frieden</strong>sbewegung war ich auch<br />

Sprecher, Sprecher für diejenigen,<br />

die den <strong>Frieden</strong> wollen. Leider sind<br />

es meistens die Arbeiter, die für die<br />

Reichen in den Krieg ziehen müssen.<br />

Würde man all das ganze Geld,<br />

welches in die Rüstung hineingesteckt<br />

wird, für die Beschäftigung<br />

verwenden, hätten wir auf der<br />

ganzen Welt eine Vollbeschäftigung.<br />

Wie geht´s ein Jahr nach der Menschenkette?<br />

Leider wurde die Vöest verkauft.<br />

Wir haben zwar die Mitarbeiterbeteiligung<br />

mit etwas über 10 % Anteile,<br />

aber die Zukunft der Vöest<br />

hängt von stabilen Eigentümern ab.<br />

Der Staat war ein stabiler Eigentümer.<br />

Da sind die Arbeitnehmer<br />

schon etwas verunsichert, besonders<br />

wenn Aktien in ausländischen Besitz<br />

wandern. Es gibt ja genug Beispiele<br />

von feindlichen Übernahmen, wer<br />

kümmert sich dann um die Arbeitsplätze?<br />

Der Vorstandsvorsitzende der vöestalpine<br />

Stahl, Wolfgang Eder, wird<br />

mit dem Satz „Die Voest ist nicht mit<br />

<strong>Linz</strong> verheiratet“ zitiert. Welche<br />

Wirkung hat diese Äußerung auf die<br />

Belegschaft gehabt?<br />

Im Werk <strong>Linz</strong> wird derzeit viel investiert,<br />

daher haben viele Arbeitnehmer<br />

diesen Satz nicht verstanden.<br />

Im Gegenteil, uns wurde immer erklärt,<br />

wie strategisch wichtig und<br />

geografisch optimal die voestalpine<br />

Stahl in Europa verankert liegt.<br />

Wie gehen die Gewerkschaften in<br />

die heurige Herbstlohnrunde?<br />

Wichtig wird es sein, dass die Angestellten<br />

und Metaller gemeinsame<br />

Sache machen. Ein Punkt kann ein<br />

einheitliches Entlohnungssystem<br />

sein, im Gleichklang zur Angleichung<br />

von Arbeiter und Angestellten,<br />

die neben der üblichen Lohnund<br />

Gehaltserhöhung aus verhandelt<br />

wird.<br />

Was denkst du über die vorliegenden<br />

Pläne zur Pensionsharmonisierung?<br />

Vorerst einmal wurden bei der Pensionsreform<br />

alle Arbeitnehmer geschröpft.<br />

Es ist eine Frage des Wertes:<br />

Was ist dem Staat wertvoll? Das<br />

die Reichen immer reicher werden,<br />

oder dass der Reichtum ungerecht<br />

verteilt ist, ist vielen klar. Wenn ich<br />

will, dass jeder Mensch einen annehmbaren<br />

verdienten Ruhestand<br />

haben kann, dann muss mir das auch<br />

etwas Wert sein. Also legt diese Regierung<br />

keinen Wert auf Arbeitnehmer,<br />

die jahrelang geschuftet haben.<br />

Ich denke, wenn jemand 45 Jahre<br />

gearbeitet hat, hat man sich auch einen<br />

dementsprechenden Ruhestand<br />

verdient.<br />

Unmittelbar nach der Erweiterung<br />

der EU wurde von der Industrie eine<br />

Diskussion über Arbeitszeitverlängerung<br />

angezettelt. Wie stehen die<br />

Gewerkschaften dazu?<br />

Die Gewerkschaften lehnen eine<br />

versteckte Lohnkürzung, was im<br />

Falle einer Arbeitszeitverlängerung<br />

zutreffen würde, entschieden ab.<br />

Dies wäre auch ein völlig falscher<br />

Ansatz, bei steigender Arbeitslosigkeit,<br />

die Arbeitszeit zu verlängern.<br />

Ist EU-Beitritt neutralitätswidrig?<br />

Folgt man der sozialdemokratischen NR-<br />

Abgeordneten Petra Bayr in ihrer Argumentation,<br />

dann hat die SPÖ die Menschen in<br />

Österreich über die Vereinbarkeit von EU-<br />

Mitgliedschaft und Neutralität belogen. In einem<br />

Brief an die <strong>Frieden</strong>svolksbegehrensaktivistin<br />

Hilde Grammel schreibt Bayr, sie werde<br />

das <strong>Frieden</strong>svolksbegehren nicht unterzeichnen,<br />

„da sie der Forderung der Abschaffung<br />

bzw. Änderung des § 23f der BV nichts<br />

abgewinnen kann. Dieser Paragraf ist Grundlage<br />

für den österreichischen Beitritt zur EU<br />

gewesen. Diese Forderung entspricht also ei-<br />

Jupp Stadler<br />

„Eine Verfassung welche Privatisierung, Steuerwettlauf,<br />

Abbau von Sozialsystemen und Aufrüstung zu Staatsziel-<br />

Bestimmungen macht, muss abgelehnt werden.“<br />

In solchen Fällen muss die Arbeitszeit<br />

verkürzt werden, so dass möglichst<br />

viele einen Arbeitsplatz haben.<br />

Also muss die Antwort eine Arbeitszeitverkürzung<br />

sein, die Unternehmen<br />

könnten sich dass leisten.<br />

Die Debatte über eine Volksabstimmung<br />

zur EU-Verfassung wird immer<br />

heftiger. Wie stehst du dazu?<br />

Eine Verfassung, die den Menschen<br />

dienlich ist und nicht dem Kapital,<br />

welche die Würde des Menschen im<br />

Mittelpunkt stellt, die Rechte der<br />

Arbeitnehmer berücksichtigt und<br />

welche ein eng geflochtenes soziales<br />

Netz sicherstellt, ist für Europa zu<br />

begrüßen. Ich halte eine Volksabstimmung<br />

über die EU-Verfassung<br />

deshalb für gut, weil sich die Menschen<br />

mit den Inhalten dieser Verfassung<br />

auseinandersetzen sollen.<br />

Eine Verfassung welche Privatisierung,<br />

Steuerwettlauf, Abbau von Sozialsystemen<br />

und Aufrüstung zu<br />

Staatsziel-Bestimmungen macht,<br />

muss abgelehnt werden.<br />

Kannst du Dir vorstellen, das <strong>Frieden</strong>svolksbegehren<br />

zu unterstützen?<br />

Ich halte es für sehr traurig, dass ein<br />

Volk für den <strong>Frieden</strong> begehren muss.<br />

Weil wir aber ständig mit kriegerischen<br />

Auseinandersetzungen konfrontiert<br />

sind, ist es ein Muss für den<br />

<strong>Frieden</strong> zu begehren. Ich werde es<br />

sicher unterstützen.<br />

Glück auf!<br />

ner unausgesprochenen Forderung, aus der<br />

EU auszutreten“. Nun haben aber sowohl der<br />

ehemalige Präsident des Verfassungsgerichtshofs<br />

Adamovic, als auch der derzeitige, Korinek,<br />

öffentlich festgehalten, dass dieser Artikel<br />

23f in Widerspruch zum Neutralitätsgesetz<br />

steht. Im Zuge dessen Novellierung<br />

gemäß des Vertrages von Amsterdam am 18.<br />

Mai 1998 wurde sogar eine Kriegsermächtigung<br />

an Kanzler und Außenministerin im<br />

Rahmen des EU-Rates erteilt. Seitdem ist der<br />

Artikel 23f das offene Scheunentor für alle<br />

Neutralitätszertrümmerer. Der Artikel 23f B-<br />

Petrovic für Kriegseinsätze<br />

mit UNO-Mandat<br />

Die Grünen NÖ, namentlich<br />

Thomas Huber im Auftrag der<br />

Abgeordneten Petrovic, teilen in einem<br />

Schreiben an den <strong>Frieden</strong>svolksbegehrensaktivisten<br />

Manfred<br />

Meyer am 1. Juli 2004 mit, dass sie<br />

das <strong>Frieden</strong>svolksbegehren nicht<br />

unterstützen können. Die Beendigung<br />

der Beteiligung an der NATO-<br />

Partnerschaft für den <strong>Frieden</strong> sei<br />

„absolut unrealistisch“. Ebenso „absolut<br />

unrealistisch“ sei die Forderung<br />

nach Streichung des Kriegsermächtigungsartikels<br />

23f aus der<br />

Bundesverfassung. Warum eigentlich?<br />

Die in einem Arbeitsübereinkommen<br />

mit der ÖVP verbundenen<br />

Grünen OÖ unterstützen das <strong>Frieden</strong>svolksbegehren,<br />

ebenso die in<br />

rot-grüner guter Hoffnung befindlichen<br />

Wiener Grünen. Ist Rudi Anschober<br />

„absolut unrealistisch“?<br />

Wenn man schon mit den beiden<br />

großen Parlamentsparteien so paktfähig<br />

ist, wäre dann nicht das Ausradieren<br />

dieses Schandflecks aus unserer<br />

Verfassung eine conditio sine<br />

qua non für Regierungsverhandlungen?<br />

Oder will Petrovic eben diese<br />

Möglichkeit an die Futtertröge zu<br />

kommen, nicht durch Bedingungen<br />

gefährden, die den kriminellen Elitenkonsens<br />

in der Frage der öster-<br />

Gelungene<br />

antimilitaristische<br />

Aktion<br />

Während am 26.10. das Bundesheer<br />

am Heldenplatz in Wien<br />

krampfhaft versuchte, sich als<br />

sinnvolle Institution darzustellen,<br />

feierten die AntimilitaristInnen<br />

direkt gegenüber einen Tag für<br />

<strong>Frieden</strong> und soziale Gerechtigkeit.<br />

Kabarett und Debatten um<br />

friedenspolitische Inhalte rund<br />

um das Zelt der Wiener Grünen<br />

und einiger NGOs fanden regen<br />

Zulauf. Besonders lustvoll wurde<br />

das „Radioballett“ gestaltet; bei<br />

dieser Kunstform irritierten<br />

Menschen, die Regieanweisungen<br />

über Radio und Kopfhörer<br />

erhielten, die Uniformierten. Die<br />

martialische Inszenierung des<br />

Bundesheeres zeigt umso mehr<br />

die Notwendigkeit friedenspolitischer<br />

Alternativen, wie wir sie<br />

mit dem <strong>Frieden</strong>svolksbegehren<br />

fordern. Daher: <strong>Frieden</strong>svolksbegehren<br />

unterschreiben!<br />

Rosi Krenn<br />

Internet: www.verweigert.at<br />

VG karikiert jegliche ernsthafte, auf aktive<br />

Neutralität orientierende Außenpolitik. Der<br />

Artikel 23f ist ein Schandfleck im österreichischen<br />

Rechtssystem, der entfernt werden<br />

muss. Je früher, desto besser. Der Artikel<br />

23f und die Neutralität schließen sich genauso<br />

wechselseitig aus, wie sich nach Auffassung<br />

der Abgeordneten Bayr 23f und EU-Mitgliedschaft<br />

wechselseitig bedingen. Dann hätte<br />

man ja 1994 die Leute belogen, als man ihnen<br />

erzählte, EU-Beitritt und Neutraliät seien<br />

problemlos unter einen Hut zu bringen. Warum<br />

haben dann Dänemark im Vertrag von<br />

reichischen Kriegsbeteiligung in<br />

Frage stellen? „Wir schlagen daher<br />

vor, Einsätze im Rahmen der Petersberger<br />

Aufgaben (Kriegseinsätze,<br />

Anm. d. Red.) nur mit einem UNO-<br />

Mandat durchzuführen“. Ganz abgesehen<br />

davon, dass ein Kriegseinsatz<br />

auch mit UNO-Mandat völkerrechts-<br />

und neutralitätswidrig sein<br />

kann. Wem schlägt Petrovic das eigentlich<br />

vor? Dem Papst, Joschka<br />

Fischer oder gar dem zukünftigen<br />

Verteidigungsminister Pilz? Ist das<br />

absolut realistisch?<br />

Die <strong>Frieden</strong>swerkstatt <strong>Linz</strong> kann<br />

nicht gemeint sein. In einem Brief<br />

teilt uns Frau Petrovic am 23.6.1998<br />

(!) mit, sie werde „selbstverständlich<br />

auch unter Ausnutzung aller<br />

parlamentarischen Mittel und Möglichkeiten<br />

gegen die vorgesehene<br />

Verfassungsänderung (23f BVG)<br />

stimmen. Wir ersuchen Euch aber,<br />

uns in der Öffentlichkeitsarbeit entsprechend<br />

zu unterstützen und die<br />

Informationen über den Inhalt der<br />

Verfassungsänderung wie die Vorgangsweise<br />

Euren Mitgliedern auch<br />

mitzuteilen“.<br />

Das machen wir seit nunmehr<br />

6 Jahren. Etwas anderes von uns zu<br />

erwarten, wäre auch absolut unrealistisch.<br />

Amsterdam und Irland im Vertrag von Nizza<br />

Sonderklauseln bezüglich der Gemeinsamen<br />

Verteidigung zugesprochen bekommen? Entscheidet<br />

über die Frage, was vereinbar und<br />

was nicht vereinbar ist, letztlich, ob und wie<br />

lange man den Leuten ein M für ein N vormachen<br />

kann? „Will man den Austritt aus der<br />

Europäischen Union diskutieren, so sollte<br />

man dies nach Meinung von Frau Bayr auch<br />

offen deklariert tun“, schreibt ihre Mitarbeiterin.<br />

Gilt das nicht vielmehr dafür, wenn man<br />

Aufrüstung und Krieg nicht nur diskutiert,<br />

sondern praktisch vorbereitet?


8 <strong>Frieden</strong>svolksbegehren guernica 5/2004<br />

Unterstützen auch Sie das<br />

<strong>Frieden</strong>svolksbegehren!<br />

Wer die Neutralität direkt oder indirekt über EU-„Beistandspflicht“<br />

(EU-Verfassung, Euro-Armee) oder NATO-<br />

Anbindung im Namen der „<strong>Frieden</strong>ssicherung“ abschaffen<br />

will, hintergeht die Bevölkerung und betreibt Landesverrat.<br />

Dr. Wilfried Leisch<br />

(GewerkschafterInnen gegen Atomenergie und Krieg)<br />

Ich engagiere mich für das <strong>Frieden</strong>svolksbegehren, weil<br />

ich finde, dass die österreichischen VertreterInnen in der<br />

EU sich für eine aktive <strong>Frieden</strong>spolitik einsetzen und<br />

Österreich nicht sukzessive in eine Kriegspolitik hineinziehen<br />

sollen.<br />

Hilde Grammel<br />

(Lehrerin, Botschaft der besorgten BürgerInnen)<br />

Ich bin sehr froh und dankbar, dass der Gedanke des Pazifismus<br />

durch Initiativen wie das <strong>Frieden</strong>svolksbegehren<br />

weitergetragen wird. Bush und seine Waffenhändler-<br />

Freunde sind beileibe nicht die einzigen Kriegstreiber;<br />

solche finden sich, nur besser verkleidet, auch in Österreich<br />

und der EU.<br />

Leo Lukas (Kabarettist)<br />

Ich bin froh, dass es das <strong>Frieden</strong>svolksbegehren gibt. Es<br />

gibt die Möglichkeit, etwas gegen Aufrüstung und die Abschaffung<br />

unserer Neutralität zu tun. Außerdem lebe ich<br />

im Aichfeld mit dem Militärflughafen Zeltweg. Ein Nein<br />

zum Ankauf der Eurofighter, soziale Sicherheit statt Aufrüstung,<br />

sind mir deshalb ein besonderes Anliegen.<br />

Renate Pacher (Gemeinderätin in Knittelfeld)<br />

Wie kann man nicht für ein <strong>Frieden</strong>svolksbegehren sein?<br />

Die Menschheit hat noch nie aus der Vergangenheit<br />

gelernt. „Die Waffen nieder!“ - leider nur ein prämierter<br />

Spruch!<br />

Fritz Machac<br />

(SeniorInnenvertreter, Wien)<br />

Gerade jetzt, da die EU militärisch aufrüstet, ist es notwendig,<br />

dass sich neutrale Staaten aktiv für eine <strong>Frieden</strong>spolitik<br />

und für präventive Maßnahmen zur Konfliktvermeidung<br />

einsetzen. Daher unterstütze ich das <strong>Frieden</strong>svolksbegehren.<br />

Reidun Ott<br />

(Gemeinderätin in Hart bei Graz)<br />

Die österreichische Bundesregierung kauft Abfangjäger,<br />

demontiert die Neutralität und gefährdet durch ungerechte<br />

Reformen die soziale Sicherheit. Das <strong>Frieden</strong>svolksbegehren<br />

wendet sich gegen diese Entwicklung. Das unterstütze<br />

ich voll und ganz.<br />

Jürgen Himmelbauer<br />

(Mobilitätsstadtrat in <strong>Linz</strong>)<br />

Durch Krieg kann heute kein Problem der Welt gelöst<br />

werden. Unser Geld muss verwendet werden für soziale<br />

Gerechtigkeit, nicht für Waffen und für Einsatz von<br />

Militär. Alle Kriege, die ich miterlebt habe, waren sinnlos<br />

und brachten unendliches Leid.<br />

Erika Zendron<br />

(Aktivistin des <strong>Frieden</strong>svolksbegehrens, <strong>Linz</strong>)<br />

Seit ich in Österreich lebe, habe ich die Neutralität schätzen<br />

gelernt. Die NATO, eines der aggressivsten Bündnisse<br />

der Welt ist auch nach dem Wegfall des Kalten Krieges<br />

die größte Bedrohung für den Weltfrieden. Deshalb keine<br />

Beteiligung an NATO, EU-Armee, für eine aktive <strong>Frieden</strong>spolitik.<br />

Gerhard Elitzer (Betriebsratsvorsitzender<br />

Roche Diagnostics GmbH Graz)<br />

Das Leben in <strong>Frieden</strong> ist für mich ein wichtiges Ziel!<br />

Dies ist dann möglich, wenn wir bereits jungen Menschen<br />

ein Zusammenleben in <strong>Frieden</strong> vorleben und sie bei einer<br />

friedvollen Konfliktbewältigung begleiten.<br />

Renate Kriegl<br />

(Kindergarten- und Gestaltpädagogin)<br />

Wieviele „Feinde“ müssen auf dieser Erde noch getötet<br />

werden, damit kapiert wird, das Geld für Waffen nur zu<br />

immer dickeren Brettern vor unseren Augen führt. Wir<br />

bezahlen´s mit fehlgeleitetem Steuergeld, dem Leben unserer<br />

Söhne und Töchter und wir sind die Kollateralschäden<br />

- danach, weil vorher nicht verhindert!<br />

Rudi Schober (<strong>Frieden</strong>svolksbegehren, Ottensheim)<br />

FRIEDENSVOLKSBEGEHREN<br />

Volksbegehren für <strong>Frieden</strong>spolitik durch aktive Neutralität<br />

statt NATO-Anbindung und Beteiligung an einer EU-Armee<br />

Wir beantragen gesetzliche Maßnahmen, mit denen die Bundesregierung zu einer <strong>Frieden</strong>spolitik<br />

im Sinne folgender Zielstellungen verpflichtet wird:<br />

Die Republik Österreich bekennt sich im Sinne des Bundesverfassungsgesetzes über die<br />

Neutralität Österreichs BGBl 1955/211 zu einer aktiven Neutralitätspolitik. In diesem Sinne orientiert<br />

sich die Außen- und Sicherheitspolitik an den Prinzipien des Dialogs, der Konfliktvermeidung, der<br />

friedlichen Konfliktregelung und der internationalen <strong>Solidarität</strong>.<br />

Die Republik Österreich darf keine SoldatInnen, keine Waffen, keinen Euro für eine EU-Armee<br />

bereitstellen. Sämtliche Zusagen der Bundesregierung in diesem Zusammenhang werden<br />

widerrufen. Die Republik Österreich wird keine militärische Beistandsverpflichtung in der<br />

Europäischen Union eingehen. Der Nationalrat streicht den neutralitätswidrigen Artikel 23f B-VG<br />

aus der Verfassung.<br />

Die Republik Österreich beendet die Beteiligung an der „NATO-Partnerschaft für den <strong>Frieden</strong>“<br />

und wird auch der NATO nicht beitreten. Sämtliche gesetzliche und verwaltungsrechtliche<br />

Bestimmungen in diesem Zusammenhang werden außer Kraft gesetzt.<br />

Alle Vorhaben, das Bundesheer in Richtung Angriffsfähigkeit umzurüsten, und die dazugehörenden<br />

Aufrüstungspläne (Kampfjets, Großraumtransporter, etc.) werden gestoppt und jegliche Vorbereitungshandlungen<br />

rückgängig gemacht. Wir fordern soziale Sicherheit statt Aufrüstung.<br />

Weitere Informationen im Internet unter www.friedensvolksbegehren.at


guernica 5/2004 Krieg gegen den Irak 9<br />

Ein Herz für 200 $, ein Kopf für 50 $<br />

Horror in Bagdad: Handel mit menschlichen Organen<br />

(Leicht gekürzt aus: La Stampa, 27.9.2004; Autor: Guiseppe Zaccaria)<br />

Seit Monaten wird im Irak der<br />

Rohstoff verkauft, der im Land<br />

reichlich vorhanden ist - menschliche<br />

Körper. Vollständige Leichen,<br />

Organe für Transplantationen, abgetrennte<br />

Köpfe für die Ausbildung<br />

von Zahnärzten werden täglich auf<br />

Kühlwagen Richtung Kuwait und<br />

Irak transportiert und landen<br />

schließlich in australischen, japanischen<br />

und schweizer Kliniken. Bei<br />

diesem Geschäft geht es um Milliarden<br />

Dollar, es werden enorme Bestechungsgelder<br />

gezahlt und moralische<br />

oder religiöse Bedenken existieren<br />

nicht mehr. Die ersten Spuren<br />

fand man vor einigen Wochen,<br />

als ein Transport im Ort Qaime an<br />

der syrischen Grenze gestoppt worden<br />

war. Hinter einer Ladung Rindfleisch<br />

waren menschliche Leichenteile<br />

versteckt. Der Lenker versuchte,<br />

die Beamten zu bestechen, es gab<br />

eine längere Diskussion und schließlich<br />

wurden die menschlichen Überreste<br />

in der Wüste verstreut, da es<br />

keine Gefrieranlagen gab, und man<br />

die Herkunft der Leichen nicht<br />

kannte.<br />

„Wenn besonders blutige Anschläge<br />

stattfinden, fallen die<br />

Preise“. Diese Geschichte klingt<br />

wie ein Horrorfilm, aber ein Besuch<br />

in der Leichenschauhalle und Gespräche<br />

mit Ärzten und Polizisten<br />

bestätigen, dass der Handel straff organisiert<br />

ist. Im Spital Al Adli, Sitz<br />

des gerichtsmedizinischen Institutes,<br />

erzählte der Arzt Selim Abbas,<br />

dass viele der eintreffenden Leichen<br />

merkwürdige Verstümmelungen<br />

aufweisen. „Es ist uns klar geworden,<br />

als im vergangenen Winter unzählige<br />

Autobomben explodiert sind,<br />

und die Leichen von Zivilisten in<br />

Der US-Krieg gegen den Irak<br />

und die seither andauernde Besatzung<br />

haben etwa 100.000 Iraker-<br />

Innen das Leben gekostet. Zu diesem<br />

Ergebnis kommt eine unabhängige<br />

Studie, die Ende Oktober 2004<br />

in der britischen Medizinzeitschrift<br />

„The Lancet“ veröffentlicht wurde.<br />

Die Studie basiert auf einer Umfrage,<br />

die im Auftrag der renommierten<br />

US-Hochschulen Johns Hopkins<br />

(Baltimore) und Columbia (New<br />

York) sowie der Al-Mustansirija-<br />

Universität in Bagdad im September<br />

von amerikanischen und irakischen<br />

Wissenchaftlern, vorwiegend Ärzten,<br />

durchgeführt wurde. Die Wissenschaftler<br />

befragten knapp tausend<br />

Haushalte in 33 zufällig ausgewählten<br />

Gegenden im Irak und umfassten<br />

ingesamt 7.800 IrakerInnen.<br />

Die Familien wurden gebeten, die<br />

Zahl der seit Anfang 2002 gestorbenen<br />

Angehörigen sowie die Toedesumstände<br />

zu nennen. Die Experten<br />

berechneten auf Grund dieser Daten<br />

„Der Organhandel in den<br />

vergangenen Jahren entwickelte<br />

sich auf Grund<br />

der Korruption einiger<br />

Funktionäre und dem verheerenden<br />

Effekt des Embargos.<br />

Es ist logisch, dass<br />

sich der Handel jetzt immer<br />

weiter ausbreitet, da<br />

die Armut immer größer<br />

wird und es immer mehr<br />

Tote gibt.“<br />

Scharen eingeliefert worden sind.<br />

Einige waren durch die Explosionen<br />

verstümmelt, andere durch Schnittverletzungen.<br />

Es war eindeutig und<br />

es geschah in den folgenden Monaten<br />

immer häufiger, dass jemand die<br />

Opfer einsammelte, um sie in<br />

Spitäler oder Privatkliniken zu bringen,<br />

wo in aller Eile Herz, Nieren<br />

und Leber entfernt wurden. Was<br />

übrig blieb, wurde zu uns gebracht.<br />

Auch der Chef der Kriminalpolizei<br />

bestätigt diese Vorkommnisse.<br />

Schon vor einigen Jahren hätte ein<br />

Räuber, der in eine Villa eingedrungen<br />

sei, statt Wertgegenständen eine<br />

Reihe von Kühlschränken gefüllt mit<br />

menschlichen Überresten vorgefunden.<br />

Damals waren die Zeitungen<br />

voll davon. Es gab Verhaftungen<br />

und man entdeckte einen Organhandel<br />

zwischen dem Irak und den Emiraten.<br />

Endziel war der Westen. Der<br />

Organhandel in den vergangenen<br />

Jahren entwickelte sich auf Grund<br />

der Korruption einiger Funktionäre<br />

und dem verheerenden Effekt des<br />

Embargos. Es ist logisch, dass sich<br />

der Handel jetzt immer weiter ausbreitet,<br />

da die Armut immer größer<br />

wird und es immer mehr Tote gibt“.<br />

„An manchen Tagen“, sagt der<br />

Polizeichef, „wenn besonders blutige<br />

Anschläge stattfinden, fallen die<br />

Preise. Ein Herz ist dann gerade<br />

200 Dollar wert [...] Vor ein paar<br />

Monaten haben wir ein paar Händler<br />

verhaftet, aber es waren kleine<br />

Fische, nämlich Krankenträger. Jedoch<br />

hat jede Bande Helfer unter<br />

den Ärzten und Transportorganisationen.<br />

Andere Banden beschäftigen<br />

professionelle Menschenräuber, die<br />

Menschen entführen, vor allem Kinder“.<br />

(Halb-)tote Iraker - Ware für<br />

den Weltmarkt der Organtransplantationen.<br />

Wie der Diebstahl<br />

der Leichen funktioniert, erzählt die<br />

Ärztin Tahrid Mohammned, Gynäkologin<br />

an der Klinik al Beyah:<br />

„Unter den Ärzten von Bagdad<br />

spricht man viel über diese Sache.<br />

Offensichtlich existieren in der Stadt<br />

mindestens vier Banden. Sie haben<br />

entweder Kleinlastwagen und Ambulanzen<br />

oder sie erpressen die<br />

Fahrer der Spitäler. Wo immer ein<br />

Anschlag geschieht, tauchen diese<br />

Verbrecher auf, wählen die Opfer<br />

aus - die jüngsten, die am wenigsten<br />

zerfetzten, solche die eventuell noch<br />

atmen - und schleppen sie davon.<br />

Wenn die Reste in den gerichtsmedizinischen<br />

Instituten auftauchen,<br />

wird den Angehörigen gesagt, der<br />

Körper sie unidentifizierbar gewesen<br />

und sofort begraben worden. So<br />

verwandeln sich Dutzende oder hunderte<br />

Iraker in Ware für den Weltmarkt<br />

der Organtransplantationen“.<br />

Kinderentführungen für Organhandel?<br />

2.000 Dinar (ca. 1.500<br />

Dollar) für eine Niere, 1.000 Dinar<br />

für eine Leber in gutem Zustand, 50<br />

Dollar für einen Kopf, der in den<br />

Zahnkliniken des Westens für den<br />

Unterricht verwendet wird, sind unglaublich<br />

niedrige Preise - ungefähr<br />

ein Zehntel dessen, was man in Europa<br />

zahlen müsste. Es geht das<br />

Gerücht um, dass ein türkischer<br />

Händler im vergangenen Juni<br />

menschliche Organe im Wert von 4<br />

Millionen Dollar exportiert hätte.<br />

Letzten Endes ist das kein Wunder,<br />

denn die strengen Gesetze eines<br />

Landes, das in ein Spielfeld und einen<br />

Tempel des Hyperliberalismus<br />

verwandelt worden ist, verlangen ja,<br />

dass die Rohstoffe exportiert werden,<br />

die im Überfluss vorhanden<br />

sind.<br />

„Leider“, sagt der Polizeichef,<br />

„fürchten wir seit Monaten, dass die<br />

Verbrecher auch entführte Kinder<br />

zum Zwecke des Organhandels exportieren“.<br />

Das allerdings ist zuviel,<br />

auch für jemand, der sich an den alltäglichen<br />

Horror in dieser Todesfabrik<br />

gewöhnt hat.<br />

Medizinerstudie im Auftrag von US-Universitäten kommt zu grauenhaftem Ergebnis<br />

100.000 Iraker durch Krieg und Besatzung getötet<br />

Medizinerstudie im Auftrag von US-Hochschulen offenbart Grauenhaftes: nach vorsichtigen<br />

Schätzungen hat der Krieg und die Besatzung des Iraks 100.000 IrakerInnen<br />

das Leben gekostet. Vor allem Zivilisten sind Opfer von Gewalt und Militäreinsätzen.<br />

die durchschnittliche Sterberate im<br />

Irak in den Moanten vor und nach<br />

dem 20. März 2003 und rechneten<br />

die Ergebnisse auf die Gesamtbevölkerung<br />

hoch.<br />

58 Mal höheres Todesrisiko als<br />

vor dem Krieg. Die meisten Todesfälle<br />

gehen laut Studie auf Gewalteinwirkung<br />

zurück. 84 % der<br />

Toten resultieren aus Gewalteinsätzen<br />

der Besatzungstruppen und davon<br />

wieder 95 % durch Angriffe der<br />

US-Luftwaffe bzw. Artillerie. Les<br />

Roberts von der John Hopkins<br />

Bloomberg School of Public Helath<br />

weist ausdrücklich darauf hin, dass<br />

es sich um „vorsichtige Schätzungen“<br />

handelt. Denn die Zahlen wurden<br />

zweimal kalkuliert, einmal mit<br />

den Angaben aus der Stadt Falludscha,<br />

in der es zu exzessiver Gewaltanwendung<br />

der US-Truppen gekommen<br />

ist, und einmal unter deren<br />

Ausschluss. Die Daten von Falludscha<br />

außer Acht gelassen, kommt<br />

die Studie zu dem Schluss, dass in<br />

den vergangenen eineinhalb Jahren<br />

vermutlich etwa 98.000 IrakerInnen<br />

mehr starben als zu erwarten gewesen<br />

wäre, hätte die Invasion nicht<br />

stattgefunden. Rechnet man Falludscha<br />

- nur für das Umland - hoch,<br />

müsste man von mehr als 200.000<br />

Toten ausgehen. „Die Gefahr, gewaltsam<br />

zu Tode zu kommen, war in<br />

der untersuchten Zeit nach der Invasion<br />

58 Mal höher als in der Vorperiode“,<br />

heißt es in der Studie.<br />

Hälfte der Toten sind Frauen<br />

und Kinder. Die Bombardierung<br />

der Zivilbevölkerung ist Teil eines<br />

brutalen Kalküls, um einen Keil<br />

zwischen die Bevölkerung und den<br />

kämpfenden Banden zu treiben. Die<br />

Hälfte der Toten sind laut der Ärztestudie<br />

Frauen und Kinder. Gilbert<br />

Burnham, der ebenfalls an der Untersuchung<br />

teilnahm, erklärt, dass<br />

die US-Militäraktionen „sehr<br />

schlecht für die irakischen Zivilisten<br />

waren. Wir haben nicht so ein hohes<br />

Maß an Todesfällen durch Gewalt<br />

erwartet, wie wir es in der Studie gefunden<br />

haben“. Die US-Besatzungsmacht<br />

selbst weigert sich nach wie<br />

vor, Angaben über die getöteten Iraker<br />

zu machen.<br />

Studie im Internet:<br />

www.thelancet.com<br />

IRAK<br />

Befehlsverweigerung von<br />

US-Soldaten<br />

Die US-Armee hat nach eigenen Angaben<br />

Ermittlungen gegen 19 US-<br />

Soldaten im Irak wegen Befehlsverweigerung<br />

eingeleitet. Die Angehörigen<br />

eines Versorgungszuges<br />

haben Anfang November den Befehl<br />

verweigert, einen Treibstoffkonvoi<br />

zu bewachen. Die Tageszeitung Clarion-Ledger<br />

im US-Bundesstaat<br />

Mississippi berichtete unter Berufung<br />

auf Angehörige der Befehlsverweigerer,<br />

die Soldaten seien verhaftet<br />

worden, weil sie sich geweigert<br />

hätten, auf eine Selbstmordmission<br />

zu gehen.<br />

Deutsches Arbeitsamt vermittelt<br />

Arbeitslose in den Irak<br />

Die Bundesagentur für Arbeit bietet<br />

Jobsuchenden nun auch Beschäftigungsmöglichkeiten<br />

im Irak an. Gesucht<br />

werden Sicherheitskräfte, die<br />

den Flughafen in Mossul im Norden<br />

des Landes bewachen. Bewerber<br />

müssen den Angaben zufolge Englisch<br />

sprechen können, körperlich<br />

fit sein und sich mit Waffen auskennen.<br />

Zudem bräuchten sie ein Zertifikat<br />

der Industrie- und Handelskammer,<br />

das ihnen bescheinigt, eine<br />

„geprüfte Sicherheitsdienstleistungskraft“<br />

zu sein. Neben einem<br />

überdurchschnittlichen Gehalt und<br />

Unterkunft bietet der Arbeitgeber<br />

auch eine Lebensversicherung an.<br />

Nach Angaben der Sprecherin der<br />

Zentralstelle werden auch nach Afghanistan<br />

„Fachkräfte“ vermittelt.<br />

Mikrowellenwaffen gegen<br />

Demonstranten<br />

Der Irak dient immer mehr als Testgelände<br />

für die Erprobung neuartiger<br />

Waffen. Die US-amerikanische<br />

Militärzeitschrift „Stars and Stripes“<br />

berichtet in ihrer aktuellen Ausgabe,<br />

dass bis zum kommenden Sommer<br />

vier bis sechs neuartige Strahlenkanonen<br />

in den Irak geschafft werden.<br />

Auf Geländewagen montierte Antennen<br />

werden dort bei Bedarf Mikrowellen<br />

mit einer Frequenz von<br />

95 Gigaherz abstrahlen, die knapp<br />

einen Millimeter in die Haut eindringen.<br />

Eingesetzt werden soll die<br />

neue Wunderwaffe gegen Demonstranten<br />

und Aufständische. Von den<br />

Strahlen getroffen, verspürten sie einen<br />

„unerträglichen Schmerz“ und<br />

liefen auseinander.<br />

Kriegskosten laufen davon<br />

Die Washington Post berichtet Ende<br />

Oktober, dass die Regierung plane,<br />

nach den US-Wahlen weitere 70<br />

Milliarden US-Dollar für den Irak-<br />

Krieg freizugeben. Damit würden<br />

die Gesamtkosten seit dem Einmarsch<br />

in den Irak auf 225 Milliarden<br />

steigen. Während der Kriegsvorbereitungen<br />

2002 waren die<br />

Kriegskosten noch auf 40 Milliarden<br />

US-Dollar geschätzt worden.<br />

Kein Trinkwasser<br />

Laut Angaben des irakischen Gesundheitsministers<br />

Ala´din Alwan<br />

haben 20 % der städtischen Bevölkerungen<br />

keinen Zugang zu sicherem<br />

Trinkwasser, am Land müssen<br />

mehr als die Hälfte der Haushalte<br />

ohne frisches Wasser bzw. Sanitäranlagen<br />

leben.


10 Nord-Süd guernica 5/2004<br />

Cotonou - ein Tabu?<br />

Das im Jahr 2000 unterzeichnete Cotonou-Abkommen löst die bisherigen Lomé-Abkommen ab, die den 77 mit der EU assoziierten AKP-Staaten<br />

(Afrika, Karibik, Pazifik) Handelspräferenzen ihrer Exportgüter einräumen. Mit dem im April 2003 ratifizierten Cotonou-Abkommen entfallen die<br />

Handelspräferenzen, darüber hinaus dürfen diese Länder in Zukunft auch keine Zölle mehr auf importierte Waren erheben.<br />

Das Cotonou-Abkommen sieht<br />

die graduelle Liberalisierung<br />

des Handels mit Dienstleistungen<br />

gemäß den Bestimmungen des<br />

WTO-Dienstleistungsabkommens<br />

(GATS) vor. Handelsrelevante Bereiche<br />

im Rahmen des Cotonou-Abkommens<br />

sind die Wettbewerbspolitik,<br />

intellektuelle Eigentumsrechte,<br />

Fragen der Standardisierung und<br />

Zertifizierung, sanitäre und phytosanitäre<br />

Standards, Umweltaspekte,<br />

Arbeitsnormen sowie die Verbraucherpolitik.<br />

Unter den „Standards“<br />

werden die Bananen-produzierenden<br />

Länder verpflichtet, sich an bestimmte<br />

Normen (z. B. Größe der<br />

Bananen) zu halten, ähnlich wie die<br />

„Gurken-Verordnung“ innerhalb der<br />

EU. Darüber hinaus werden im Rahmen<br />

des Abkommens regionale<br />

Handelsabkommen (sog. Regional<br />

Economic Partnership Agreements,<br />

EPA) abgeschlossen, die zwischen<br />

2008 und 2020 implementiert werden<br />

sollen.<br />

Beim letzten Gipfeltreffen der<br />

AKP-Staaten und der EU im Juni in<br />

Mosambik wurde die EU heftig kritisiert,<br />

da sie auf einige AKP-Staaten<br />

großen Druck ausübt, um die Zustimmung<br />

zu solchen Handelsabkommen<br />

durchzusetzen.<br />

Auf einem Parallel-Treffen der<br />

Zivilgesellschaften wurde mit dem<br />

Slogan „Stoppt die EPAs“ Protest<br />

gegen die Handelsabkommen<br />

geäußert: „Die EU-Kommission begründet<br />

die EPAs als ´Entwicklungsinstrumente´,<br />

während alle genaueren<br />

Untersuchungen bisher gezeigt<br />

haben, dass die Lasten der Anpassung<br />

ausschließlich seitens der<br />

AKP-Länder getragen werden. Die<br />

EU hat die Ziele des Cotonou-Vertrags<br />

- die Beseitigung der Armut<br />

und die nachhaltige Entwicklung -<br />

auf einen Fahrplan zur Selbstbedienung<br />

in Handel und zur Deregulierung<br />

eigener Investitionen reduziert.<br />

Die EPA werden den sozial-ökonomischen<br />

Niedergang und die politische<br />

Brüchigkeit vertiefen und verlängern,<br />

die die meisten AKP-Länder<br />

kennzeichnen“.(1)<br />

Durch die erzwungene Marktöffnung<br />

durch IWF und Weltbank sank<br />

die Zahl der Beschäftigten in der<br />

verarbeitenden Industrie in Ghana<br />

von 78.000 (1987) auf 28.000 im<br />

Jahr 1993 durch die billigen Importe<br />

aus Industrieländern. Einen ähnlichen<br />

Effekt könnten die Freihandelsabkommen<br />

der EU haben.<br />

Anlässlich eines Hearings in<br />

Brüssel äußerte sich der Gewerkschaftsführer<br />

der ghanaischen Geflügelfarmer<br />

sehr besorgt über die<br />

wachsenden Importe aus der EU.<br />

„Wie in Kamerun ist eine große Zunahme<br />

von Hühnerfleischimporten<br />

durch den Zollabbau zu erwarten,<br />

die die ärmste Schicht unserer Gesellschaft<br />

aus dem Arbeitsmarkt verdrängt<br />

- das sind die Kleinbauern,<br />

und vor allem Frauen, die völlig abhängig<br />

von dem Geflügelsektor sind.<br />

Es ist schwer vorstellbar, dass im<br />

Namen des Freihandels das Dumping<br />

von Geflügelteilen wie Hühnerbeine,<br />

-flügel und -hälse, die sowieso<br />

keinen Absatzmarkt in der EU<br />

haben, erlaubt wird“.(2)<br />

Der Staatspräsident Benins wies<br />

im September 2003 in seiner Rede<br />

vor dem Europäischen Parlament<br />

darauf hin, dass sein Land bis zu 20<br />

% der Staatseinnahmen verlieren<br />

könnte, wenn es seine Wirtschaft<br />

nicht mehr durch Importzölle schützen<br />

darf. „Das wird Konsequenzen<br />

für die Investitionen im Sozialbereich<br />

haben und steht im krassen<br />

Missverhältnis zur Empfehlung von<br />

UNDP, dass Benin seine Steuerbasis<br />

erhöhen und mehr in den öffentlichen<br />

sozialen Sektor investieren<br />

muss, wenn es eine nachhaltige<br />

Entwicklung erreichen will“.(3)<br />

Aber nicht nur die Liberalisierung<br />

von Waren ist im Visier der<br />

EU, sondern auch der Investitionsbereich.<br />

Obwohl es eine breite Ablehnung<br />

gegen die Aufnahme von<br />

Verhandlungen über die sog. Singapurthemen<br />

(Wettbewerb, öffentliches<br />

Beschaffungswesen, Investitionen<br />

und Handelserleichterungen) innerhalb<br />

der WTO gibt, beabsichtigt<br />

die EU, diese Themen quasi „durch<br />

die Hintertür“ in regionale und bilaterale<br />

Handelsverträge mit Entwicklungsländern<br />

einzubringen. Damit<br />

ignoriert die EU nicht nur die ausdrückliche<br />

Ablehnung eines multilateralen<br />

Investitionsabkommens innerhalb<br />

der WTO, sondern übersieht,<br />

dass ein Investitionsrahmenabkommen<br />

nicht notwendigerweise<br />

zur Schaffung nachhaltiger Entwicklungsimpulse<br />

in den AKP-Staaten<br />

beiträgt. Im Gegenteil: Eine<br />

kürzlich erschienene Studie der<br />

Weltbank kommt zu dem Schluss,<br />

dass Länder, die bilaterale Investitionsabkommen<br />

abgeschlossen haben,<br />

nicht stärker am Fluss ausländischer<br />

Direktinvestitionen teilhaben,<br />

als solche ohne entsprechende Abkommen.<br />

Vielmehr zeigt die Erfahrung,<br />

dass die Investitionsliberalisierung<br />

eine Folge wirtschaftlicher<br />

Entwicklung ist, sobald ein Land<br />

eine gewisse Konkurrenzfähigkeit<br />

erreicht hat. Dazu gehört, durch positive<br />

Diskriminierung einheimische<br />

Unternehmen zu unterstützen und<br />

den Ausbau der nationalen Industrie<br />

durch protektionistische Staatsinterventionen<br />

zu stützen. Prinzipien<br />

übrigens, derer sich die EU sowie<br />

andere heute führende Wirtschaftsblöcke<br />

in ihrer wirtschaftlichen Expansionsphase<br />

ebenfalls bedient haben.<br />

Partizipation der Nicht-Regierungs-Akteure.<br />

Gemäß Artikel 4<br />

des Cotonou-Abkommens sollen<br />

Nicht-Regierungs-Akteure (NRA),<br />

wie die Zivilgesellschaften und der<br />

private Unternehmersektor, nicht<br />

nur über den Cotonou-Prozess informiert,<br />

sondern auch aktiv daran beteiligt<br />

sein.<br />

Um die NRAs über Inhalte und<br />

Schwerpunktsetzungen des Cotonou-Abkommens<br />

zu informieren<br />

und sie einzubeziehen, werden Gelder<br />

von der EU für capacity building<br />

zur Verfügung gestellt. Allerdings<br />

muss dieser Haushaltsposten im sog.<br />

National Indicative Programmes<br />

(NIP), den Cotonou-Länderprogrammen,<br />

enthalten sein, und das<br />

scheint in vielen Staaten nicht der<br />

Fall zu sein.<br />

Eine Analyse von CONCORD,<br />

einem europäischen Dachverband<br />

von NROs über die Einbeziehung<br />

der Nicht-Regierungs-Akteure in<br />

den Cotonou-Prozess kommt zu<br />

dem Schluss, dass deren Partizipation<br />

nur in einigen wenigen Ländern<br />

gelungen ist. In den meisten ACP-<br />

Staaten haben viele NSAs, vor allem<br />

die „Zivilgesellschaften“ noch nicht<br />

die Tragweite von Cotonou erfasst,<br />

viele haben auch davon noch nie<br />

gehört.<br />

Europäische Handelspolitik.<br />

Die Handelspolitik gehört zu den<br />

Politikfeldern, in denen die „exklusive<br />

Kompetenz“ auf EU-Ebene<br />

liegt. Mit Ausnahme von Handelsverträgen,<br />

die den Bereich der Auslandsinvestitionen<br />

und einige sensible<br />

Dienstleistungsbereichen wie<br />

Bildung und Gesundheit betreffen,<br />

brauchen die Verträge keine Zustimmung<br />

durch nationale Parlamente.<br />

Diese Mitbestimmung fällt mit dem<br />

EU-Verfassungsentwurf. In Zukunft<br />

werden alle Handelsverträge allein<br />

auf EU-Ebene ratifiziert werden und<br />

der EU-Handelskommissar hätte<br />

freie Bahn, um eigenmächtig bilaterale<br />

Investitionsabkommen oder<br />

Verträge wie das gescheiterte multilaterale<br />

Investitionsabkommen MAI<br />

zu verhandeln. „Dieser Machtzuwachs<br />

für die Kommission ist angesichts<br />

der intransparenten und undemokratischen<br />

handelspolitischen<br />

Entscheidungsprozesse in Brüssel<br />

skandalös“ kommentiert WEED.<br />

Die europäische Handelspolitik<br />

wird im sog.133er Ausschuss koordiniert;<br />

der Ministerrat, das formal<br />

höchste Entscheidungsgremium der<br />

EU, genehmigt die Vorlagen aus<br />

dem 133er Ausschuss in der Regel<br />

ohne weitere Diskussion. Zugang<br />

zu den Sitzungen haben neben den<br />

Vertretern der Wirtschafts- und Handelsministerien<br />

auch Vertreter von<br />

zwei Interessenverbänden von privaten<br />

Dienstleistungskonzernen, das<br />

European Services Forum (ESF)<br />

und die European Services Leaders<br />

Group (ESLG), aber NICHT die<br />

Mitglieder des Europäischen Parlaments.<br />

Kürzlich hat der WWF eine<br />

Klage gegen den Ministerrat vor<br />

dem Europäischen Gerichtshof eingereicht,<br />

weil der sog. 133er Ausschuss<br />

keine festen Regeln bezüglich<br />

Mitgliedschaft, Geschäftsordnung,<br />

Veröffentlichung von Tagesordnungen,<br />

Protokollen und dgl. wie<br />

andere Ministerrats-Ausschüsse hat<br />

und deshalb der Ausschuss mehr<br />

oder weniger im rechtsfreien Raum<br />

agiert. Selbst das britische Ministerium<br />

für Handel und Industrie<br />

scheint sich über die Rolle des 133er<br />

Ausschusses nicht im Klaren zu<br />

sein. Auf seiner Webseite heißt es,<br />

dass die Gemeinsame Handelspolitik<br />

im 133er Ausschuss entschieden<br />

wird, weiter unter steht, dass dieser<br />

Ausschuss eine Arbeitsgruppe des<br />

Ministerrats ist.<br />

Viel deutet daraufhin, dass innerhalb<br />

der Kommission die Unterordnung<br />

der Entwicklungspolitik unter<br />

die Außen- und Sicherheitspolitik<br />

vorangetrieben wird. Letztes Jahr<br />

hat die EU beschlossen, den Europäischen<br />

Entwicklungsfonds in<br />

den EU-Haushalt zu integrieren. Es<br />

besteht also die Gefahr, dass eine<br />

Vermischung der Gelder für Entwicklungszusammenarbeit<br />

und Armutsbekämpfung<br />

mit den Mitteln<br />

für außen- und sicherheitspolitische<br />

Belange stattfindet. Ein Beleg dafür<br />

ist die Entscheidung der EU im November<br />

2003, 250 Millionen Euro<br />

GRENZEN WELTWEIT<br />

Zonen, Linien, Mauern<br />

im historischen Vergleich<br />

Joachim Becker / Andrea Komlosy (Hrsg.)<br />

PROMEDIA-Verlag, EUR 22,90<br />

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Durch die erzwungene Marktöffnung durch IWF und<br />

Weltbank sank die Zahl der Beschäftigten in der<br />

verarbeitenden Industrie in Ghana von 78.000 (1987)<br />

auf 28.000 im Jahr 1993 durch die billigen Importe aus<br />

Industrieländern. Einen ähnlichen Effekt könnten die<br />

Freihandelsabkommen der EU haben.<br />

aus bisher nicht beanspruchten Mitteln<br />

des Europäischen Entwicklungsfonds<br />

für die Finanzierung einer<br />

schnellen Eingreiftruppe der<br />

Afrikanischen Union zur Verfügung<br />

zu stellen. Und weitere 126,4 Millionen<br />

sollen durch Kürzungen der<br />

bereits bewilligten Länderallokationen<br />

und durch bisher nicht verplante<br />

Mittel aus dem Entwicklungsfonds<br />

für friedensschaffende Maßnahmen<br />

bereit gestellt werden.<br />

Abschließend ist zu bemerken,<br />

dass europäische Handels- und Entwicklungspolitik<br />

kaum öffentlich<br />

debattiert werden. Wichtige EU-Abkommen<br />

wie das Cotonou-Abkommen<br />

und die EU-Verfassung, deren<br />

Inhalte auch nur wenig in der Öffentlichkeit<br />

diskutiert werden, scheinen<br />

Tabu für die Medien zu sein.<br />

Nur Zufall oder absichtliches Tabu?<br />

Annette Groth<br />

(ATTAC Deutschland, Stuttgart)<br />

Anmerkungen:<br />

(1) Zeitschrift Entwicklungspolitik<br />

16/2004, S. 16<br />

(2) New ACP-EU Trade Arrangements:<br />

New Barriers to Eradicating Poverty?,<br />

Brüssel, März 2004, www.eurostep.org<br />

(3) ebd.<br />

(4) WEED: „Mehr Demokratieverlust<br />

wagen? WEED warnt vor weiterer Entdemokratisierung<br />

der Europäischen<br />

Handelspolitik durch EU-Verfassung“,<br />

29.11.2003<br />

Allerorts ist seit dem Fall des Eisernen Vorhanges von der<br />

Aufhebung von Grenzen die Rede, von Integratin und Freizügigkeit<br />

als Ausdruck eines zusammenwachsenden „Global<br />

Village“. Die Vervielfachung und Beschleunigung der<br />

Kapital-, Waren- und Migrationsströme gilt dafür als Indikator.<br />

Es scheint, als gehörten Grenzen der Vergangenheit an.<br />

Bei näherem Hinsehen springen gleichwohl alte und neue<br />

Barrieren ins Auge. Zwar gibt es keinen Eisernen Vorhang mehr. „Schengen“ und die Befestigungslinie<br />

zwischen den USA und Mexiko grenzen indes Zentralräume von Randgebieten ab. Zudem<br />

existieren Mauern zwischen Stadtvierteln unterschiedlicher religiöser und ethnischer Gruppen von<br />

Belfast über Ustinad Labem bis Jerusalem.<br />

Die AutorInnen des vorliegenden Bandes diskutieren die unterschiedlichen Funktionen von<br />

regional sowie sozial zunehmend schärfer gezogenen Grenzen in einer Welt, deren<br />

Selbstverständnis gleichwohl ein grenzenloses ist.<br />

AutorInnen: Joachim Becker, Hannes Hofbauer, Karen Imhof, Andrea Komlosy, Henning Melber,<br />

Hans-Heinrich Notle, Asli E. Odman, Helga Schultz, Paola Visca, Viktoria Waltz


guernica 5/2004 Osteuropa 11<br />

Kolonialverwaltung in der Republika Srpska<br />

Gefeuert für „kulturelles Schweigen“<br />

Interview mit Zoran Zuza.<br />

Zoran Zuza wurde 1967 in der mittelbosnischen Industriestadt Zenica geboren, studierte Sprachwissenschaften in<br />

Sarajevo, wo er auch zum Lehrer ausgebildet wurde. Mit Beginn des bosnischen Bürgerkrieges kam der inzwischen<br />

als Journalist arbeitende Serbe nach Pale, wo er bis 1997 im staatlichen Fernsehen und nebenbei für Radio Free<br />

Europe arbeitete. Im Team von Dragan Kalinic, dem Parlamentspräsidenten der Republika Srpska und Vorsitzenden<br />

der Serbischen Demokratischen Partei (SDS), war Zoran Zuza von Ende 2003 bis Mitte 2004 als Kabinettschef tätig.<br />

Heute lebt er als Privatmann in Pale. Hannes Hofbauer traf ihn dort Mitte September.<br />

HH: Am 30. Juni 2004 hat der<br />

von EU und NATO unterstützte<br />

so genannte „Hohe Repräsentant“<br />

(OHR) von Bosnien-Herzegowina<br />

die gesamte Führungsmannschaft<br />

der „Republika Srpska“ ihrer Ämter<br />

enthoben und ihnen jede politische<br />

Tätigkeit für die Zukunft verboten.<br />

Was sagt man dazu in Pale, der<br />

früheren Hauptstadt der „Republika<br />

Srpska“?<br />

Zuza: Ich bin einer von den 59 serbischen<br />

Politikern und Beamten, die<br />

von Paddy Ashdown, dem „Hohen<br />

Repräsentaten“, per Erlass aus ihren<br />

Ämtern entfernt worden sind. Ein<br />

knappes halbes Jahr war ich als Kabinettschef<br />

von Dragan Kalinic für<br />

Außenkontakte tätig.<br />

HH: Welche Gründe wurden für die<br />

erzwungene Demission genannt?<br />

Zuza: In der einsam und ohne jede<br />

Debatte getroffenen Entscheidung<br />

ist davon die Rede, dass wir<br />

„Kriegsverbrechern geholfen“ und<br />

Erinnerungstafel an die ersten<br />

Toten im Bürgerkrieg um Sarajevo<br />

uns am „kulturellen Schweigen“ beteiligt<br />

hätten. In Wahrheit weiß freilich<br />

niemand von uns, wo sich Radovan<br />

Karadzic aufhält, auf ihn zielen<br />

OHR und SFOR.<br />

HH: Was ist „kulturelles Schweigen“?<br />

Zuza: Damit ist gemeint, dass politische<br />

Funktionäre sich weigern, Karadzic<br />

als Kriegsverbrecher zu titulieren.<br />

HH: Das heißt, wenn man nichts<br />

sagt, ist das bereits ein Grund für<br />

das Einschreiten von Herrn Ashdown<br />

und seiner Kolonialverwaltung.<br />

Zuza: In meinem Fall war es so. Und<br />

dies ist umso widersinniger, weil gerade<br />

ich in der Republika Srpska das<br />

Thema Kriegsverbrechen immer<br />

wieder thematisiert habe. Als Journalist<br />

für Radio Free Europe und die<br />

liberale serbische TV-Station „B 92“<br />

machte ich zahlreiche Reportagen,<br />

die zur Enttabuisierung dieses Themas<br />

beitragen sollten. Von „kulturellem<br />

Schweigen“ kann bei mir sicherlich<br />

keine Rede sein.<br />

HH: Was war also dann der Grund<br />

für das Demissionsdekret?<br />

Zuza: Es war als Rache von SFOR<br />

und OHR gedacht, die von ihrem eigenen<br />

Unvermögen ablenken soll,<br />

Karadzic habhaft zu werden. Bis<br />

1997 lebte Radovan Karadzic unbehelligt<br />

hier in Pale mit seiner Familie.<br />

Alle wussten das, niemand kümmerte<br />

sich. Jetzt sollen plötzlich<br />

Mitglieder der SDS (Serbische-demokratische<br />

Partei, von Karadzic<br />

gegründet, gewinnt bisher regelmäßig<br />

die Wahlen in der Republika<br />

Srpska, HH) Schuld<br />

sein, dass er nicht arretiert<br />

werden kann.<br />

HH: Was hat sich nach<br />

Ihrer Zwangsabsetzung<br />

geändert?<br />

Zuza: Für mich alles, für<br />

die Jagd nach Karadzic<br />

nichts. Er wurde nicht<br />

gefangen, aber 59 Familien<br />

haben mit einem<br />

Schlag große Probleme,<br />

ganz zu schweigen vom<br />

politischen Klima im<br />

Land, das mit solchen<br />

Maßnahmen nicht demokratischer<br />

wird.<br />

HH: Was machen Sie<br />

jetzt?<br />

Zuza: Ich suche Arbeit.<br />

Und das ist nicht einfach.<br />

Was meinen Rausschmiss<br />

durch Ashdown<br />

betrifft, so habe ich<br />

keinerlei Rechte, dagegen<br />

Einspruch zu erheben, weder<br />

hier in der Republika Srpska, noch<br />

auf bosnischer Ebene und auch nicht<br />

beim Internationalen Gerichtshof<br />

für Menschenrechte in Straßburg.<br />

Diese Endgültigkeit der Politik des<br />

„Hohen Repräsentanten“ wurde<br />

1995 im Vertrag von Dayton festgelegt.<br />

Ashdown kann hier walten wie<br />

ein Gott. In den bosnischen Medien<br />

finde ich nach diesem öffentlichen<br />

Rausschmiss schwer Arbeit und als<br />

Lehrer habe ich zugleich mit der<br />

Zwangsdemission Berufsverbot erhalten,<br />

ich darf weder in den Staatsdienst,<br />

noch mich politisch betätigen;<br />

sogar das passive Wahlrecht<br />

habe ich verloren.<br />

Kruder Wiederaufbau nach Granatentreffer<br />

HH: Im Zentrum von Pale patroullieren<br />

ständig zwei, drei Fahrzeuge<br />

der SFOR mit italienischen Carbinieri<br />

in schusssicheren Westen, über<br />

der Stadt kreist ein Hubschrauber.<br />

Von anderen Teilen Bosniens kennt<br />

man eine solche Atmosphäre nicht.<br />

Zuza: Die Lage in der Stadt ist ständig<br />

angespannt. Täglich fliegen sie<br />

hier herum, um das Haus von Karadzic<br />

im Auge zu behalten, in dem<br />

seine Familie wohnt. Anfang April<br />

hat es beispielsweise eine brutale<br />

Aktion der SFOR gegeben. Mit Explosivstoff<br />

hat sich ein Sondereinsatzkommando<br />

in den Pfarrhof der<br />

örtlichen Kirche hineingebombt und<br />

den Priester sowie seinen Sohn<br />

schwer misshandelt und verletzt.<br />

Nach einem Spitalsaufenthalt in<br />

Tuzla ist der Priester wieder nach<br />

Hause gekommen, aber er hat bleibende<br />

gesundheitliche Schäden davongetragen.<br />

Die Messe kann er<br />

nicht mehr lesen.<br />

HH: Was wollte die SFOR vom orthodoxen<br />

Priester?<br />

Zuza: Wahrscheinlich haben sie geglaubt,<br />

er wüsste, wo sich Karadzic<br />

aufhält. Oder es war einfach eine<br />

Einschüchterungsaktion für die<br />

ganze Stadt. Immer wieder kommt<br />

es vor, dass Menschen - meist Politiker<br />

- von der SFOR gefangengenommen<br />

und zum Verhöhr gebracht<br />

werden. Bis zu einem Monat werden<br />

sie festgehalten und niemand weiß,<br />

wo sie sind. Herr Bjelica, der frühere<br />

Bürgermeister des Bezirks Serbisch-Sarajevo,<br />

wozu auch Pale<br />

gehört, ist gerade das zweite Mal auf<br />

diese Weise verschwunden. Paddy<br />

Ashdown hat ihn Ende Juni 2004<br />

seines Amtes enthoben, dann war eines<br />

Tages ein Verhaftungstrupp vorgefahren<br />

und hat ihn zum Verhör<br />

mitgenommen. Bjelica saß in einem<br />

völlig verdunkelten Gefängnis und<br />

wusste nicht, wo er war. Vor wenigen<br />

Tagen haben sie ihn ein zweites<br />

Mal abgeholt.<br />

HH: Sie selbst sind auch bedroht?<br />

Zuza: Das weiß man nicht. Freilich<br />

habe ich Angst, dass eines morgens<br />

auch an meiner Tür geklopft wird.<br />

Der physische und politische Druck<br />

von SFOR und OHR gilt aber nicht<br />

nur den politisch tätigen Personen,<br />

er wird durch einen ökonomischen<br />

Druck auf das ganze Land ergänzt.<br />

IWF und Weltbank haben erst kürzlich<br />

wieder neue Bedingungen gestellt,<br />

damit der Republika Srpska<br />

geholfen werden kann. Die Löhne<br />

für unsere Staatsbediensteten sind<br />

angeblich zu hoch, das Budget wird<br />

nicht restriktiv genug gehandhabt.<br />

Da finden sich immer wieder so genannte<br />

Verfehlungen unsererseits,<br />

die dazu beitragen, dass das Geld<br />

der internationalen Gemeinschaft<br />

zum größten Teil in die kroatischmuslimische<br />

Föderation fließt.<br />

HH: Das klingt alles so, als ob der<br />

Krieg in Bosnien noch nicht wirklich<br />

zu Ende wäre.<br />

Zuza: Krieg gibt es keinen mehr.<br />

Die Serben hier verstehen nur nicht,<br />

warum die internationale Gemeinschaft<br />

in Gestalt von EU oder IWF<br />

in Serbien eine andere Politik als in<br />

Bosnien macht. Serbien-Montenegro<br />

wird zersplittert, indem Kosovo<br />

abgespalten wurde und in Montenegro<br />

ein Referendum über die Unabhängigkeit<br />

zugelassen wird. Letzteres,<br />

ein Referendum über die Unabhängigkeit<br />

der Republika Srpska,<br />

wäre in Bosnien völlig undenkbar.<br />

Dayton und OHR verbieten ein solches<br />

für unser Land.<br />

HH: Wie wird es mit Ihnen persönlich<br />

weitergehen?<br />

Zuza: Zur Zeit kümmere ich mich<br />

um meine Familie. Mein Berufsverbot<br />

im Staatsdienst ist zwar formal<br />

zeitlich begrenzt, aber de facto kann<br />

ich nicht mit seiner baldigen Aufhebung<br />

rechnen. Es heißt dort, dass ich<br />

erst wieder arbeiten darf, wenn zwei<br />

Bedingungen erfüllt sind (lacht laut<br />

auf): Karadzic muss verhaftet sein<br />

und die Republika Srpska mit Den<br />

Haag voll kooperieren.<br />

DIVERSES<br />

Rüstungsausgaben - 10faches<br />

der Entwicklungshilfe<br />

956 Milliarden Dollar wurden im<br />

vergangenen Jahr weltweit für<br />

Kriegsgerät ausgegeben. Das sind<br />

11 Prozent mehr als im Jahr zuvor.<br />

Letztes Jahr lag die Steigerungsrate<br />

noch bei 6,5 Prozent. Das geht aus<br />

dem Jahrbuch 2003 des internationalen<br />

<strong>Frieden</strong>sforschungsinstituts<br />

Sipri hervor, das gestern in Stockholm<br />

veröffentlicht wurde. Hauptexportländer<br />

waren 2003 Russland<br />

und die USA. Dahinter folgen<br />

Frankreich und Deutschland. Auf 16<br />

Prozent der Weltbevölkerung entfallen<br />

75 Prozent der Rüstungsausgaben.<br />

Die Ausgaben der hoch entwickelten<br />

Staaten für militärische<br />

Zwecke zusammen liegen dabei derzeit<br />

zehnmal so hoch wie ihre Leistungen<br />

für die Entwicklungshilfe<br />

und höher als alle Auslandsschulden<br />

der armen Länder zusammen, heißt<br />

es in dem Jahrbuch.<br />

Jede Sekunde ein Hungertoter<br />

In jeder Sekunde stirbt ein Mensch<br />

an den Folgen von Unterernährung.<br />

Bis zu 100.000 Hungertote werden<br />

jeden Tag registriert. Der Hunger<br />

nimmt weltweit zu. 842 Millionen<br />

Menschen leiden an chronischer Unterernährung.<br />

Vor zwei Jahren waren<br />

es noch 826 Millionen. Der Hunger<br />

fordert mehr Opfer als alle Kriege<br />

zusammen, mehr Opfer auch als die<br />

großen Seuchen unserer Zeit, AIDS,<br />

Malaria und Tuberkulose. Diese<br />

Zahlen wurden anlässlich des Welternährungstages<br />

am 16. Oktober<br />

bekannt. Sie stehen im Mittelpunkt<br />

der Bilanz von Jean Ziegler, UNO-<br />

Berichterstatter für das Recht auf<br />

Nahrung. Jean Ziegler: „Die Lage<br />

ist nicht nur verheerend, sondern<br />

absurd“. Denn nach Angaben der<br />

UN-Organisation für Landwirtschaft<br />

und Ernährung (FAO) könnten heute<br />

zwölf Milliarden Menschen, die<br />

doppelte Weltbevölkerung, ernährt<br />

und täglich mit 2.700 Kilokalorien<br />

versorgt werden. Es sei einerseits<br />

eine Frage der Verteilung, andererseits<br />

würden tonnenweise Nahrungsmittel<br />

vernichtet.<br />

Durchbruch für das Recht auf<br />

Nahrung in der FAO<br />

Das Komitee für weltweite<br />

Ernährungssicherung (World Food<br />

Security) der UN-Organisation für<br />

Landwirtschaft und Ernährung<br />

(FAO) hat im September den Text<br />

für Freiwillige Richtlinien für die<br />

Umsetzung des Rechts auf angemessene<br />

Nahrung angenommen. Das<br />

Recht auf Nahrung erlaubt jeder<br />

Person, deren Schicksal von Regierungen<br />

nie zur Kenntnis genommen<br />

wurde oder deren Recht auf Nahrung<br />

durch Regierungsmaßnahmen<br />

negativ betroffen ist, ihre Regierung<br />

zur Verantwortung zu ziehen und<br />

eine angemessene Behandlung zu<br />

verlangen. „Die heutige Annahme<br />

der Richtlinien bedeutet einen wirklichen<br />

Durchbruch geschafft zu haben“,<br />

meint Michael Windfuhr, geschäftsführender<br />

Direktor von<br />

FIAN, der internationalen Menschenrechtsorganisation,<br />

die für das<br />

Recht sich zu ernähren arbeitet und<br />

den zivilgesellschaftlichen Begleitprozess<br />

federführend organisiert hat.<br />

Nähere Infos:<br />

windfuhr@fian.org


12 Erster Weltkrieg guernica 5/2004<br />

Geschichte<br />

Vor 90 Jahren begann der erste Weltkrieg<br />

Der erste Weltkrieg unterschied sich hinsichtlich seiner territorialen Ausdehnung, der Zahl der beteiligten Staaten, der Kriegsziele, der Rolle<br />

des Hinterlandes, des massenhaften Einsatzes der Technik und der Zahl der Opfer qualitativ von allen anderen vorangegangenen Kriegen. Er<br />

war die „Ursache aller Ursachen“, die „Urkatastrophe“, die „Ursünde des 20. Jahrhunderts“, ein Ereignis, dessen Ergebnisse die Entwicklung<br />

der Menschheit bis heute bestimmen.<br />

Von Univ.-Prof. Dr. Hans Hautmann<br />

Militärkamarilla schmiedete<br />

„Präventivkriegspläne“.<br />

Als am 28. Juni 1914 der serbische<br />

Gymnasiast Gavrilo Princip den<br />

österreichisch-ungarischen Thronfolger<br />

Franz Ferdinand und seine<br />

Frau in Sarajevo erschoss, erregte<br />

das Attentat nur für wenige Tage<br />

Aufsehen. Die europäische Öffentlichkeit<br />

ging bald wieder zur Tagesordnung<br />

über und war davon überzeugt,<br />

dass die Schüsse in der bosnischen<br />

Landeshauptstadt keine<br />

schwerwiegenden Folgen nach sich<br />

ziehen würden. Hatten in den Jahren<br />

vorher nicht weit gefährlichere Krisen<br />

die internationalen Beziehungen<br />

erschüttert, ohne dass es zu einem<br />

Krieg zwischen den Großmächten<br />

gekommen war? Selbst in der Habsburgermonarchie<br />

ließ die Ermordung<br />

des allseits unbeliebten Erzherzogs<br />

Franz Ferdinand die Menschen<br />

unberührt.<br />

Während man sich wieder dem<br />

Hauptgesprächsthema, der Klage<br />

über die sommerliche Hitzewelle,<br />

zuwandte, schürzte sich jedoch unter<br />

der Oberfläche, in den Kabinetten<br />

in Wien und Berlin, der Knoten<br />

für die Katastrophe. Die österreichisch-ungarischeMilitärkamarilla<br />

und der sie ermunternde deutsche<br />

Imperialismus sahen im Attentat<br />

die erwünschte Gelegenheit, den<br />

Krieg gegen Serbien vom Zaun zu<br />

brechen. Seit dem Jahr 1903 war die<br />

Vernichtung des serbischen Staates<br />

und die Errichtung der Hegemonie<br />

auf dem Balkan das Hauptziel der<br />

Großbourgeoisie und der adlig-klerikal-militaristischen<br />

Kreise der Donaumonarchie<br />

gewesen. Generalstabschef<br />

Conrad von Hötzendorf,<br />

ein Günstling Franz Ferdinands,<br />

schmiedete von 1907 an unentwegt<br />

Präventivkriegspläne mit der Absicht,<br />

die Auseinandersetzung mit<br />

dem hinter Serbien stehenden Russland<br />

auszutragen, solange das Zarenreich<br />

sich von der Niederlage gegen<br />

Japan und von den Auswirkungen<br />

der Revolution von 1905 noch<br />

nicht erholt hatte. Österreich-Ungarn<br />

war aber ökonomisch und militärisch<br />

zu schwach, um seine Aggressionsziele<br />

auf dem Balkan aus<br />

eigener Kraft erreichen zu können.<br />

Es war auf die Unterstützung durch<br />

den deutschen Imperialismus angewiesen.<br />

Weltkrieg als Fortsetzung des<br />

Kampfes um Kolonien, Rohstoffe,<br />

Absatzmärkte und Kapitalanlagen.<br />

Die landläufige Geschichtsschreibung<br />

über den Ausbruch<br />

des ersten Weltkrieges will<br />

weismachen, dass alle beteiligten<br />

Mächte in ihn mehr oder minder ungewollt<br />

„hineingeschlittert“ seien.<br />

Oft wird auch die „Geheimdiplomatie“<br />

und das „persönliche Versagen“<br />

einzelner „frivol verblendeter“ Politiker<br />

und Militärs verantwortlich gemacht.<br />

In Wahrheit entstand der erste<br />

Weltkrieg aufgrund der tiefen<br />

Widersprüche zwischen den impe-<br />

rialistischen Mächten. Er war die<br />

militärische Fortsetzung ihres jahrzehntelangen<br />

erbitterten Kampfes<br />

um Kolonien, Rohstoffquellen, Absatzmärkte,<br />

Kapitalanlagesphären<br />

und strategische Stützpunkte. Dieser<br />

Konkurrenzkampf hatte sich durch<br />

die ungleichmäßige ökonomische<br />

Entwicklung der einzelnen kapitalistischen<br />

Länder verschärft.<br />

Zwischen den Großmächten war<br />

seit dem Beginn der Ära des Imperialismus,<br />

dem Krieg der USA gegen<br />

Spanien im Jahr 1898, nach und<br />

nach ein neues ökonomisches, politisches<br />

und militärisches Kräfteverhältnis<br />

entstanden, dem der territoriale<br />

und wirtschaftliche status quo<br />

nicht mehr entsprach. Die Neuaufteilung<br />

der Welt, die nur durch einen<br />

Krieg möglich war, wurde von allen<br />

imperialistischen Mächten von langer<br />

Hand vorbereitet. Dabei trat der<br />

junkerlich-bürgerliche deutsche Imperialismus<br />

besonders angriffslustig<br />

auf, weil er bei der Aufteilung der<br />

Welt zu spät gekommen war und der<br />

preußische Militarismus dem gesellschaftlichen<br />

Leben in Deutschland<br />

in besonders krasser Form den<br />

Stempel aufdrückte. Der deutsche<br />

Imperialismus entwickelte sich ökonomisch<br />

schneller und dynamischer<br />

als der seiner Hauptkonkurrenten<br />

Großbritannien und Frankreich und<br />

begann beide auf wichtigen Gebieten<br />

vom Weltmarkt zu verdrängen.<br />

Die Größe seiner Kolonien und Einflusssphären<br />

stand aber in keinem<br />

Verhältnis zu seinem Expansionspotenzial<br />

und seiner Raubgier. Seit<br />

dem Ende des 19. Jahrhunderts forderte<br />

er immer aggressiver einen<br />

„Platz an der Sonne“, mit anderen<br />

Worten: die radikale Neuaufteilung<br />

der Welt mit gewaltsamen Mitteln<br />

zu seinen Gunsten. Dabei stieß er<br />

mit den Interessen des englischen,<br />

französischen und russischen Imperialismus<br />

zusammen.<br />

Die Zuspitzung der Gegensätze<br />

zwischen den Großmächten und den<br />

beiden Bündnisblöcken Entente und<br />

Mittelmächte ging in den Jahren vor<br />

1914 mit einem Aufschwung der internationalen<br />

Arbeiterbewegung und<br />

einem Anwachsen des Befreiungskampfes<br />

der kolonialen und abhängigen<br />

Länder gegen die imperialistische<br />

Fremdherrschaft einher. Russland,<br />

Deutschland und Österreich-<br />

Ungarn befanden sich am Vorabend<br />

großer Klassenauseinandersetzungen.<br />

Deshalb sahen die herrschenden<br />

Kreise dieser Staaten in der Entfesselung<br />

eines Krieges zugleich ein<br />

Mittel, die inneren Schwierigkeiten<br />

zu überwinden und den revolu-<br />

tionären Massenkampf zu lähmen.<br />

Kriegsentscheidung fiel in Berlin.<br />

Den Diplomaten des Ballhausplatzes<br />

und dem k. u. k. Armeeoberkommando<br />

war klar, dass der Krieg<br />

gegen Serbien unweigerlich den<br />

Mechanismus der imperialistischen<br />

Bündnisse in Gang setzen und den<br />

großen Krieg auslösen musste, denn<br />

hinter Serbien stand Russland. Dieses<br />

Risiko konnte man nicht eingehen,<br />

solange man sich nicht der Unterstützung<br />

durch das Deutsche<br />

Reich rückversichert hatte. Die Entscheidung<br />

über Krieg und <strong>Frieden</strong><br />

fiel daher nicht in Wien, sondern in<br />

Berlin. Nach Beratungen am 5. und<br />

6. Juli 1914 in Potsdam stellte die<br />

deutsche Regierung Wien den<br />

berüchtigten „Blankoscheck“ aus,<br />

und der deutsche Generalstab, der<br />

durch die forcierten Rüstungsprogramme<br />

Frankreichs und Russlands<br />

seinen militärischen Vorsprung auf<br />

einigen Gebieten gefährdet sah, stachelte<br />

den österreichisch-ungarischen<br />

Generalstab zum Losschlagen<br />

an.<br />

Am 23. Juli 1914 übergab Österreich-Ungarn<br />

an Serbien ein Ultimatum,<br />

das mit Absicht unannehmbar<br />

formuliert war und mit der Souveränität<br />

Serbiens unvereinbare, die nationale<br />

Würde beleidigende Forderungen<br />

enthielt. Ihre Ablehnung<br />

nahm die Wiener Regierung zum<br />

Vorwand, Serbien am 28. Juli 1914<br />

den Krieg zu erklären. Daraufhin er-<br />

folgte am 30. Juli die Mobilmachung<br />

der russischen Streitkräfte,<br />

die wiederum der deutschen Regierung<br />

als Anlass diente, Russland am<br />

1. August 1914 den Krieg zu erklären.<br />

In der Endphase der Krise, die<br />

den Konflikt Deutschlands mit<br />

Frankreich und, nach dem deutschen<br />

Überfall auf das neutrale Belgien,<br />

den Kriegseintritt Großbritannien<br />

nach sich zog, sahen die herrschenden<br />

Kreise in Deutschland und<br />

Österreich-Ungarn aus innenpolitischen<br />

Motiven ihr Hauptziel darin,<br />

dem zaristischen Russland die Verantwortung<br />

für den Ausbruch des<br />

Krieges zuzuschieben. Die Führer<br />

der deutschen und österreichischen<br />

Sozialdemokratie griffen die Propaganda<br />

von der Notwendigkeit der<br />

„Vaterlandsverteidigung“, der Bewahrung<br />

der „höheren deutschen<br />

Kultur“ vor der „zaristischen Barbarei“<br />

sofort auf, konnten sie doch<br />

damit ihre Burgfriedenspolitik wirkungsvoll<br />

bemänteln. Wie alle anderen<br />

Parteien der II. Internationale<br />

mit Ausnahme der russischen Bol-<br />

schewiki, der serbischen und der<br />

bulgarischen Sozialdemokraten sagten<br />

sie sich von den feierlich beschworenen<br />

Antikriegsbeschlüssen<br />

der Kongresse von Stuttgart (1907)<br />

und Basel (1912) los. Mit dem<br />

Überbordwerfen der Prinzipien des<br />

proletarischen Klassenkampfes und<br />

Die landläufige Geschichtsschreibung über den Ausbruch des ersten Weltkrieges will<br />

weismachen, dass alle beteiligten Mächte in ihn mehr oder minder ungewollt<br />

„hineingeschlittert“ seien. In Wahrheit entstand der erste Weltkrieg aufgrund der<br />

tiefen Widersprüche zwischen den imperialistischen Mächten. Er war die<br />

militärische Fortsetzung ihres jahrzehntelangen erbitterten Kampfes um Kolonien,<br />

Rohstoffquellen, Absatzmärkte, Kapitalanlagesphären und strategische Stützpunkte.<br />

Über 10 Millionen Tote, mehr als 20 Millionen<br />

Verwundete und Verkrüppelte und mehrere Millionen<br />

während des Krieges an Hunger und Seuchen<br />

Gestorbene waren die Bilanz des ersten Weltkriegs.<br />

der internationalen <strong>Solidarität</strong> gaben<br />

die Reformisten den Herrschenden<br />

die Sicherheit im Inneren des Landes,<br />

die sie für einen Eroberungskrieg<br />

nach außen brauchten. Ganze<br />

Tintenmeere wurden in der Julikrise<br />

1914 und danach verspritzt, um den<br />

Krieg als gerechten, „heiligen Verteidigungskrieg“<br />

hinzustellen, seinen<br />

räuberischen Charakter zu verschleiern<br />

und die Volksmassen dazu<br />

zu motivieren, sich freiwillig an<br />

falschen, gegen ihre ureigensten Interessen<br />

gerichteten Fronten gruppieren<br />

zu lassen. Dass das gelang,<br />

war einer der größten Triumphe, den<br />

Herrschende in der Geschichte je<br />

feiern, und eine der bittersten Niederlagen,<br />

die Beherrschte je erleiden<br />

mussten.<br />

Nach wie vor aktuelle Bedeutung.<br />

Der Konflikt zwischen Österreich-Ungarn<br />

und Serbien im Sommer<br />

1914 ging in einen weltweiten<br />

Krieg über, der mehr als vier Jahre<br />

dauerte und zuletzt 33 Staaten der<br />

Erde umfasste. Er vernichtete gewaltige<br />

gesellschaftliche Reichtü-<br />

mer und hatte für die Völker Europas<br />

unermessliche Opfer, Not und<br />

Verelendung zur Folge. Millionen<br />

Soldaten wurden für die Weltherrschaftspläne<br />

und Profitinteressen einer<br />

kleinen Schicht von Monopolund<br />

Bankherren, Großgrundbesitzern,<br />

reaktionären Politikern und<br />

Militärs auf den Schlachtfeldern<br />

hingemordet und verstümmelt. Über<br />

10 Millionen Tote, mehr als 20 Millionen<br />

Verwundete und Verkrüppelte<br />

und mehrere Millionen während des<br />

Krieges an Hunger und Seuchen Gestorbene<br />

waren die Bilanz der Jahre<br />

von 1914 bis 1918.<br />

Der erste Weltkrieg erschütterte<br />

die kapitalistische Ordnung zutiefst.<br />

1917/18 standen die Volksmassen<br />

gegen die Herrschenden auf, stürzten<br />

sie in einem Land, Russland, und<br />

brachten sie in mehreren anderen,<br />

darunter Deutschland, Österreich,<br />

Ungarn und Italien, an den Rand des<br />

Abgrunds.<br />

In einer Zeit, in der die Bush-<br />

Administration in den USA alles<br />

daransetzt, imperialistische Ziele<br />

gewaltsam unter dem Vorwand zu<br />

verfolgen, die zivilisierte Menschheit<br />

vor den Gefahren des „Terrorismus“<br />

zu bewahren, wäre es verfehlt,<br />

die Beschäftigung mit dem ersten<br />

Weltkrieg als eine Sache anzusehen,<br />

die nur die akademische Geschichtswissenschaft<br />

etwas angeht. Das<br />

Wissen um seine Ursachen, seinen<br />

Verlauf und seine Folgen hat für die<br />

<strong>Frieden</strong>sbewegung in aller Welt aktuelle<br />

politische Bedeutung.<br />

Der Autor:<br />

Dr. Hans Hautmann<br />

(ao. Univ.-Prof. am Institut für<br />

Neuere Geschichte und Zeitgeschichte<br />

der Universität <strong>Linz</strong>)


guernica 5/2004 „Krieg gegen den Terror“/Zivildienst 13<br />

Den Teufel nicht mit dem Beelzebub austreiben,<br />

das Teuflische nicht mit dem Teufel besiegen<br />

Von Klaus Heidegger (Pax Christi Tirol)<br />

Teufel und Terror beginnen nicht<br />

nur mit dem gleichen Buchstaben.<br />

Das Teuflische hat in unserer<br />

Zeit Bilder und Namen: Die toten<br />

Kinder von Beslan, die einstürzenden<br />

Türme des World Trade Center,<br />

die täglich neuen Bombardierungen<br />

irakischer Städte durch US-Kampftruppen<br />

und die täglich neuen Gegenanschläge<br />

islamistischer Gruppen,<br />

der Mauerbau zwischen Israel und<br />

dem Westjordanland und die zerfetzten<br />

Körper von Israelis nach einem<br />

Selbstmordattentat palästinensischer<br />

Killerkommandos, die Häuserskelette<br />

von Grosny, die den Bildern<br />

von Dresden nach den Flächenbomardements<br />

der Alliierten gleichen,<br />

die blutverschmierten Körper<br />

auf Bahngeleisen in Madrid. Terror<br />

tritt im Gewand fanatisierter Todespiloten<br />

über unschuldige Flugreisende<br />

und Büroangestellte herein<br />

ebenso wie im Gewand von Bomben<br />

aus Tarnkappenjets auf Kleinhändler<br />

und Marktfrauen in sogenannten<br />

„Schurkenstaaten“. Der gemeinsame<br />

Nenner lautet: unermessliches<br />

Leid, Zerstörung.<br />

Krieg selbst ist Terror. Was<br />

zeichnet Terror aus? Immer geht es<br />

um kaltblütige Abschreckung, Einschüchterung,<br />

Rache oder Vergeltung,<br />

die auf die bewusste Vernichtung<br />

unschuldiger Menschen zielt,<br />

in der Sprache der Kriegsanalytiker:<br />

auf die „weichen Ziele“. Kaltblütiges<br />

Ermorden zählt zur Taktik. Terror<br />

findet außerhalb jedes formalen<br />

Rechtes statt und missachtet bewusst<br />

die Menschenrechte. Auf der einen<br />

Seite steht der Terror fundamentalistischer<br />

Organisationen, die<br />

außerhalb einer staatlichen Autorität<br />

agieren, auf der anderen Seite kann<br />

von „Staatsterror“ gesprochen werden,<br />

der sich ebenfalls im Wider-<br />

spruch zu den Grundsätzen der UN-<br />

Charta befindet.<br />

Die vergangenen drei Jahren haben<br />

das Versagen der US-Administration<br />

und ihrer Verbündeten offenbart.<br />

Krieg ist keine adäquate<br />

Antwort auf den Terror, sondern<br />

treibt die Eskalation des Terrors<br />

weiter. Krieg selbst ist Terror! Die<br />

Kriegsrufe des US-Präsidenten stärken<br />

den Kampfgeist der Terrorgruppen.<br />

Die gigantischen Mittel für das<br />

Militär verdrängen die zivilen Möglichkeiten.<br />

Die „Bush-Doktrin“ mit<br />

Präventivoptionen gegen die Infrastruktur<br />

ganzer Nationen ohne jegliches<br />

völkerrechtliches Mandat hat<br />

versagt. Bush und seine Gesinnungsgenossen<br />

nützen den von ihnen<br />

proklamierten „Krieg gegen den<br />

Terror“, um von den großen Problemen<br />

abzulenken: der zunehmend<br />

größeren Konzentration von Kapital<br />

und Vermögen in den Händen weniger,<br />

der steigenden Gefahren durch<br />

Umweltkatastrophen im Gefolge eines<br />

verschwenderischen Lebensstils<br />

des Nordens.<br />

Der Terror in Russland und den<br />

von Putin-Russland kontrollierten<br />

Republiken beruht auf Gegenseitigkeit.<br />

Es gibt keine Rechtfertigung<br />

für die Brutalität, für die Kaltblütigkeit<br />

und den Horror, der durch Terroranschläge<br />

verübt wird. Deutlich<br />

wie sonst nirgends zeigt das Beispiel<br />

Tschetschenien, dass Präsident Putin<br />

mit seiner Politik der Missachtung<br />

tschetschenischer Interessen und mit<br />

fortlaufenden Menschenrechtsverletzungen<br />

die Saat für den Terror sät.<br />

Terrorbekämpfung wird zum Löschen<br />

von Feuer mit Öl. Im Hintergrund<br />

der Politik von Moskau stehen<br />

letztlich ökonomische Interessen,<br />

die zuvorderst einen Namen tragen:<br />

Öl. Folglich ist die causa prima<br />

gegeben, der Kampf um den Ein-<br />

fluss auf die letzten Erdölressourcen<br />

dieser Welt. So ist die vom Terror<br />

und Wüten des Krieges verschonte<br />

westliche Welt in ihrem unermesslichen<br />

Hunger nach Öl mit Kriegsursache.<br />

EU-Verfassung auf der Linie<br />

der Bush-Doktrin. Ob Israel-Palästina,<br />

Russland-Tschetschenien oder<br />

Irak-USA, der globale Krieg gegen<br />

den Terrorismus hat die Fundamentalismen<br />

verstärkt, je mehr die staatliche<br />

Gewalt unter dem Anspruch<br />

der Terrorbekämpfung zugenommen<br />

hat.<br />

Die EU-Verfassung liegt in ihrer<br />

sicherheitspolitischen Ausrichtung<br />

ganz auf der Linie der Bush-Doktrin<br />

und der herrschenden Terrorbekämpfung<br />

mit den Mitteln des<br />

Krieges. Auch dort wird der Kampf<br />

gegen den Terror als Hauptbedrohungsbild<br />

genannt, dem mit Festlegungen<br />

auf preemptives Engagement<br />

- sprich Präventivschläge ohne<br />

UN-Mandat - zu begegnen ist.<br />

Die Antwort auf den Terror muss<br />

immer <strong>Solidarität</strong> mit den Opfern,<br />

konsequente Verfolgung der Täter<br />

und Herrschaft des Rechts sein. Dies<br />

ist kein Appeasement, sondern Boden<br />

für eine nachhaltige Lösung des<br />

Terrors.<br />

Jeder Staat hat das Recht und die<br />

Pflicht, seine Bevölkerung vor Terror<br />

zu schützen. Terrorbekämpfung<br />

kann nur auf dem Boden der universalen<br />

und allgemein gültigen Menschenrechte<br />

geschehen. Der Schutz<br />

der Menschen vor Terror ist Aufgabe<br />

der Polizei und kann nicht zur<br />

Aufgabe der Militärs werden, wie<br />

dies von Bush über Sharon und Blair<br />

bis Putin praktiziert wird und verfassungsrechtlich<br />

auch in der EU-Verfassung<br />

festgeschrieben werden soll.<br />

Es ist bedenklich, wenn überall die<br />

Funktionen von Militär und Polizei<br />

vermischt werden.<br />

Wurzeln des Terrors bekämpfen.<br />

Es gibt die Alternativen zum<br />

globalisierten Militarismus mit seinen<br />

falschen Versprechungen. Sicherheit<br />

wird versprochen, kommt<br />

aber durch noch so gigantische Aufrüstungen<br />

und Krieg gegen ganze<br />

Nationen nicht zustande. Die Antwort<br />

auf den Terror muss ein verstärktes<br />

Eintreten für Gerechtigkeit<br />

und <strong>Frieden</strong> sein. Eine Welt, die zunehmend<br />

mehr in Reich und Arm<br />

gespalten ist, bietet Nährboden für<br />

terroristische Ideologien. Terror ist<br />

Symptom. Terrorbekämpfung kann<br />

nicht Symptombekämpfung bleiben,<br />

sondern die Ursachen des Terrors<br />

sind anzupacken.<br />

Die Kirchen und Religionsgemeinschaften<br />

haben eine besondere<br />

Aufgabe: Weil im Namen Gottes fanatisierte<br />

Mörderbanden abscheuliche<br />

Gewalttaten begehen und auch<br />

die Staaten des Westens ihren Krieg<br />

mit religiösen Motiven untermauern<br />

- der Kampf des Guten gegen das<br />

Böse - können religiöse Menschen<br />

dagegen halten: Der Glaube an den<br />

Einen Gott verbindet Juden, Christen<br />

und Muslime. Alle großen Religionsgemeinschaften<br />

gehen von der<br />

Heiligkeit des Menschen aus und<br />

begründen daher seinen Schutz.<br />

Auch wenn viele der jüngsten Terrorangriffe<br />

von islamistischen Organisationen<br />

verübt wurden, kann Terrorbekämpfung<br />

nicht ein Kampf gegen<br />

den Islam sein.<br />

Wer <strong>Frieden</strong> schaffen will, muss<br />

Feindbilder zerstören: Nicht der Islam<br />

ist der Feind, sondern eine Religion<br />

mit einer großartigen Zivilisation;<br />

nicht Israel ist der Feind, sondern<br />

das jüdische Volk hat ein Recht<br />

auf einen Staat.<br />

Wehrersatzdienst - anachronistisches Auslaufmodell<br />

oder Sinnbild einer modernen Solidargemeinschaft?<br />

Bis Ende Jänner 2005 beschäftigt sich die Zivildienstreformkommission mit dem Umbau des 1975 eingeführten<br />

Wehrersatzdienstes und wird dann eine Empfehlung zu formulieren haben. Welche gesellschaftspolitische Bewertung<br />

der Zivildienst darin erfährt bleibt weitgehend fragwürdig.<br />

Zukunftsweisende Neuformulierung?<br />

Die Einsetzung einer<br />

Reformkommission für den Zivildienst<br />

ist grundsätzlich überaus<br />

wünschenswert, um die über die<br />

Jahre angehäuften Fragestellungen<br />

und Veränderungen in einem möglichst<br />

breiten gesellschaftlichen<br />

Rahmen kontrovers zu diskutieren.<br />

Doch welche konkreten Ausformungen<br />

die Kommission mit ihren Fachausschüssen<br />

über die letzten Wochen<br />

angenommen hat, wirkt aus<br />

Sicht der Zivildiener immer befremdender.<br />

Denn es scheint, als werden<br />

Grundsatzfragen des Zivildienstes,<br />

derer sich eine Gesellschaft zu stellen<br />

hat, immer mehr auf Kosten betriebswirtschaftlicher<br />

Kalkulationen<br />

verdrängt. Die Kommission lässt dadurch<br />

implizit durchblicken, dass es<br />

ihr an einer Vision für den zukünfti-<br />

gen Zivildienst und dessen Bedeutung<br />

für ein sinnstiftendes Gemeinwesen<br />

schlicht und einfach fehlt.<br />

Denn diese Fragestellungen verblassen<br />

im Lichte statistischer Zahlen,<br />

staatlicher Kameralistik und betriebswirtschaftlicher<br />

Berechnungen<br />

der Trägerorganisationen. Dabei ist<br />

eine solche Schwerpunktverlagerung<br />

mehr als problematisch. Eine<br />

Gesellschaft, die Zivildiener nur<br />

noch als billige Arbeitskräfte betrachtet<br />

und bei jedem Vorstoß zu<br />

deren „Besserstellung“ den Zusammenbruch<br />

des Sozialsystems ins<br />

Feld führt, darf letztlich die Illusions-<br />

und Perspektivenlosigkeit der<br />

jungen Menschen nicht beklagen.<br />

Man klammert sich an ein historisch<br />

gewachsenes Modell, das ganz unbeabsichtigt<br />

plötzlich zum Lösungsansatz<br />

für dringende sozialpolitische<br />

Herausforderungen geworden ist.<br />

Dabei übersieht man sowohl die gesellschaftspolitischen<br />

und demographischen<br />

Entwicklungen als auch<br />

die Anliegen der jungen Menschen.<br />

Denn diese stehen ja einem Dienst<br />

an der Gesellschaft bei entsprechenden<br />

Konditionen durchaus nicht ablehnend<br />

gegenüber, wie eine kürzlich<br />

veröffentlichte Erhebung zu<br />

freiwilligen Sozialdiensten belegt.<br />

Quantität vor Qualität. Dass<br />

man aber gerade in der Frage dieser<br />

Rahmenbedingungen aufgrund des<br />

Kostenfaktors kaum Spielraum<br />

sieht, lässt auch die Politik, bei Max<br />

Weber noch die „Kunst des Möglichen“,<br />

die aber immer auch nach<br />

dem Unmöglichen greifen muss, zu<br />

einer determinierten Subkategorie<br />

ökonomischer Kalküle verkommen.<br />

Und welche Qualität hat letztlich die<br />

Arbeit einer Kommission, die aus<br />

Kostenüberlegungen zwar die Trägereinrichtungen<br />

befragt, für die Befragung<br />

der Zivildienstleistenden jedoch<br />

keine Mittel zur Verfügung<br />

stellen will? (Diese Befragung wird<br />

jetzt auf Initiative und Kosten der<br />

Zivildienervertreter durchgeführt:<br />

www.zivildienst.at/fragebogen). Sie<br />

erscheint dann kaum mehr als ein<br />

Tummelplatz semiprofessioneller<br />

Betriebswirte, die unwissend der<br />

Beschränkungen der statistischen<br />

Analyse, der Bedeutung der zugrundeliegenden<br />

Datenbasis und eines<br />

methodisch einseitigen als auch<br />

wertenden wissenschaftlichen Zugangs,<br />

trotzdem auf dieser Grundlage<br />

über die Zukunft des Zivildienstes<br />

entscheiden.<br />

So bleibt zu befürchten, dass<br />

Militärblöcke spalten -<br />

Neutralität verbindet!<br />

Besondere Möglichkeiten des<br />

Neutralen. Österreich könnte als<br />

neutraler Staat in besonderer Weise<br />

ein Anwalt für die skizzierten nichtmilitärischen<br />

und nicht-kriegerischen<br />

Wege der Terrorbekämpfung<br />

sein: Nicht durch Ankauf von Kriegstechnologien,<br />

z. B. Kampfjets,<br />

nicht durch Erhöhung von Militäretats,<br />

sondern durch Eintreten für internationale<br />

Abrüstung, durch Aufwerten<br />

der Gremien der Vereinten<br />

Nationen, durch eine Umlenkung<br />

der frei gewordenen Mittel für einen<br />

groß angelegten Feldzug gegen Armut<br />

und Not.<br />

Dr. Klaus Heidegger<br />

(Diskussions-Unterlage für<br />

Pax Christi Österreich)<br />

auch die Reformkommission am gegenwärtigen<br />

Konzept festhält: sich<br />

an den Meriten des Zivildienstes als<br />

soziales Leistungsmodell zu sonnen,<br />

während die konkrete Situation Tausender<br />

Zivildienstleistender weiterhin<br />

ausgeblendet bleibt. Doch dies<br />

hat den entscheidenden Vorteil, dass<br />

man sich mit der wirklich drängenden<br />

Frage bezüglich des Beitrags<br />

des Zivildienstes zu unserem Gemeinwesen<br />

und zur <strong>Frieden</strong>ssicherung<br />

nicht auseinandersetzen muss.<br />

Dr. Michael Gerhard Kraft<br />

(Sozialwissenschaftler, gegenwärtig<br />

Zivildienstleistender und<br />

Vertrauensmann im Archiv der<br />

KZ-Gedenkstätte Mauthausen beim<br />

BMI. Sitzt für die „Plattform für<br />

Zivildiener“ in zwei Fachausschüssen<br />

der Reformkommission.)


14 frauen.stimmen.gegen krieg. guernica 5/2004<br />

Frauen in der Schweizer Armee<br />

Ein Beispiel für die Funktionalisierung<br />

der Frauenrechte, die der Legitimation<br />

der Militarisierung dient<br />

Seit einigen Jahren gilt für die<br />

Schweizer Armee die völlige<br />

Gleichstellung der Frauen. Der<br />

Frauenanteil an der Armee ist jedoch<br />

sehr gering. Frauen leisten in der<br />

Schweiz traditionell Hilfsdienste<br />

beim Roten Kreuz, seit dem zweiten<br />

Weltkrieg erfolgte die Aufnahme<br />

von Frauen zu waffenlosen Hilfsdiensten<br />

in der Armee. In den 80er<br />

und 90er Jahren wurde die Gleichstellungspolitik<br />

betrieben, es wurde<br />

damit begonnen, Frauen zu Soldatinnen<br />

auszubilden, seit zwei Jahren<br />

sind Frauen auch zu Kampfeinsätzen<br />

zugelassen. Diese Entwicklung<br />

erfolgt - kaum zufällig - parallel<br />

zum Umbau der Armee. Angesichts<br />

der Rückschrittlichkeit der Frauenpolitik<br />

verweist die Gleichstellungspolitik<br />

im militärischen Bereich auf<br />

die Notwendigkeit, der Sinnhaftigkeit<br />

der Armee und dem Richtungswechsel<br />

der Sicherheits- und Verteidigungspolitik<br />

eine breitere gesellschaftliche<br />

Akzeptanz verschaffen<br />

zu müssen, abgesehen davon, dass<br />

Frauen als Lückenbüßerinnen sowohl<br />

quantitativ als auch qualitativ<br />

der Kompensation der Rekrutierungsschwierigkeiten<br />

einer Armee<br />

mit steigender Berufsheerkomponente<br />

dienen. Denn die Politik reagiert<br />

sehr verlangsamt oder gar nicht<br />

auf Forderungen der Frauenbewegungen<br />

nach Anerkennung grundlegender<br />

Frauenrechte: zwar gibt es<br />

das Frauenwahlrecht, es dauerte jedoch<br />

bis zum Ende der 90er Jahre,<br />

bis die letzte Gemeinde in der<br />

Schweiz dies auch zur Kenntnis genommen<br />

hat; zwar gibt es eine gesetzliche<br />

Grundlage dafür, Mutterschutzgeld<br />

zu bezahlen, diese wird<br />

aber erst seit 2004 vollzogen. Denn:<br />

Frauen wehren sich. Seit Monaten<br />

wird in Bern eine permanente Installation,<br />

die „Frauenwache“ aufrechterhalten,<br />

mit einem Lesebereich,<br />

der Zitate von Feministinnen umfasst,<br />

von diversen kulturellen Rahmenprogrammen<br />

begleitet, die einen<br />

Wohnwagen beinhaltet, in dem täglich<br />

Frauen aus den unterschiedlichsten<br />

Lebenszusammenhängen übernachten:<br />

symbolisch gewacht wird<br />

über die Politik, die Frauenrechte<br />

missachtet: im Herbst 2004 hat das<br />

Parlament darüber entschieden, dass<br />

die öffentliche Hand endlich das<br />

Recht der Frauen auf Mutterschutzgeld<br />

(nicht Karenzgeld!!!) umsetzt.<br />

Und: Frauen wehren sich gegen die<br />

Armee. Es gibt nun die erste zivildienstleistende<br />

Frau in der Schweiz,<br />

ihre Gründe, eine Alternative zu einem<br />

Heer zu benötigen, welches sie<br />

in seiner frauenfeindlichen, sexistischen<br />

Ausprägung erlebt hatte, wurden<br />

von der Gewissenskommission<br />

anerkannt.<br />

Patriarchat und Krieg. Der Begriff<br />

Patriarchat benennt das Geschlechterverhältnis<br />

als ungleiches<br />

Macht- und Herrschaftsverhältnis.<br />

Simone de Beauvoir formulierte:<br />

„Die Menschheit ist männlich, und<br />

der Mann definiert die Frau nicht<br />

als solche, sondern im Vergleich zu<br />

sich selbst: sie wird nicht als autonomes<br />

Wesen angesehen [...] sie ist<br />

das Unwesentliche gegenüber dem<br />

Wesentlichen. Er ist das Subjekt, er<br />

ist das Absolute, sie ist das Andere“.<br />

Das vom <strong>Frieden</strong>sforscher Johan<br />

Galtung entwickelte Gewaltmodell,<br />

welches Gewalt auf einer systemischen,<br />

kulturellen und personalen<br />

Ebene verortet, lässt sich in bezug<br />

auf das Geschlechterverhältnis anwenden:<br />

die Ebene der strukturellen<br />

Gewalt bezieht sich auf das Patriarchat,<br />

kulturelle Gewalt auf Sexismus<br />

und direkte Gewalt zusätzlich<br />

auf sexualisierte Gewalt.<br />

Strukturelle Gewalt gegen<br />

Frauen in Zeiten negativen<br />

<strong>Frieden</strong>s. Mit absoluter Deutlichkeit<br />

verweist der nach wie vor gültige<br />

UNO-Bericht, nach dem Frauen<br />

weltweit zwei Drittel der gesamten<br />

Arbeit leisten, ein Zehntel des Einkommens<br />

beziehen und ein Hundertstel<br />

des Weltvermögens besitzen<br />

auf das globale Ausmaß einer Gesellschaft,<br />

die auf der Ausbeutung<br />

von Frauen, auf ihrer schlecht und<br />

unbezahlten Arbeit beruht. Ohne<br />

Frauen keine neoliberale Globalisierung!!!<br />

Eine Voraussetzung für die<br />

Durchsetzung einer globalen neoliberalen<br />

Wirtschaftspolitik, die verantwortlich<br />

zeichnet für einen dramatischen<br />

Anstieg der Ungleichheit<br />

- 1965 war das persönliche Durchschnittseinkommen<br />

in den G7-Ländern<br />

20 Mal so hoch wie jenes in<br />

Rosi Krenn<br />

Frauen und Militarismus<br />

Frauen Gesellschaft Kritik<br />

Band 38, 1. Auflage 2002,<br />

140 Seiten<br />

ISBN 3-8255-0376-3<br />

Centaurus Verlag<br />

Kriege machen patriarchale<br />

Beziehungen patriarchaler. Es<br />

geht darum, jene Gewaltstrukturen,<br />

die dem Kriege zugrunde<br />

liegen aufzudecken, um den<br />

Krieg als soziales Phänomen<br />

unmöglich zu machen. Und:<br />

es geht um die Thematisieung<br />

des widerständigen Potentials,<br />

um Publizität für Frauenfriedensbewegungen.<br />

den 7 ärmsten Ländern der Welt,<br />

1995 war die Differenz 35 Mal<br />

größer, während gleichzeitig die<br />

Kluft innerhalb der Länder steigt -<br />

liegt in der Aufrechterhaltung der<br />

Ausbeutung und Unterdrückung von<br />

Frauen. Wir sind weltweit mit der<br />

Feminisierung von Armut konfrontiert.<br />

Selbstgefällig wird oft das<br />

frauenfreundliche Klima in den reichen<br />

Industriestaaten betont. Dass<br />

es den Frauen in den Industriestaaten<br />

besser geht, ist primär darauf<br />

zurückzuführen, dass es den Menschen<br />

infolge von Kolonialismus<br />

und Neokolonialismus „besser“<br />

geht. Der Prozess der Hausfrauisierung<br />

impliziert, dass die Hausfrau<br />

zusätzlich zum männlichen Ernährer<br />

das Familieneinkommen lediglich<br />

verbessert. Der Lohn der Frauen<br />

liegt deutlich unter dem der Männer.<br />

Die Frauen sind die optimalen Arbeitskräfte<br />

für das globalisierte Kapital.<br />

In Europa erfahren Frauen zusehends<br />

die negativen Folgen der<br />

neoliberalen Wirtschaftspolitik: Abbau<br />

des Sozialstaates, höhere Frauenarbeitslosigkeit,<br />

zunehmend ungeschützteBeschäftigungsverhältnisse<br />

im informellen Sektor, Rücknahme<br />

der eigenständigen Existenzsicherung.<br />

Diese Entwicklung ist im<br />

Zusammenhang mit der Ausbeutung<br />

der Frauen in den Ländern des Südens<br />

zu sehen. Frauen werden dem<br />

internationalen Kapital überall dort<br />

angeboten, wo die billigsten, gefügigsten<br />

und gehorsamsten Arbeitskräfte<br />

gesucht werden, für die Industrien<br />

mit hoher Arbeitsintensität,<br />

etwa die Spielzeug- oder Textilindustrie.<br />

Für die Freiheit des Kapitals<br />

haben Regierungen vielerorts sog.<br />

„Sonderwirtschaftszonen“ eingerichtet,<br />

etwa die Macquiladoras an<br />

der mexikanischen Grenze: 90 %<br />

der Arbeitskräfte sind junge unverheiratete<br />

Frauen, es gibt keinen<br />

Mindestlohn, Gewerkschaften sind<br />

verboten, die Arbeitszeit kann bis zu<br />

14 Stunden pro Tag, mit Schichtarbeit<br />

bis 2 Uhr nachts dauern, ohne<br />

ausreichende Pausen, manchmal<br />

werden die Arbeiterinnen eingesperrt,<br />

bis sie ein bestimmtes Pensum<br />

an Produkten fertig gestellt haben.<br />

Legitimiert bzw. moralisch unterfüttert<br />

wird die Unterdrückung<br />

von Frauen auf der Ebene der kulturellen<br />

Gewalt.<br />

Der Krieg ist männlich. Der<br />

Krieg ist systemimmanenter Bestandteil<br />

einer ökonomischen Existenzweise,<br />

die auf Ausbeutung, Kapitalakkumulation,<br />

Eroberung und<br />

Unterwerfung basiert. Ohne Krieg<br />

ist ein auf Raub und Reichtumsanhäufung<br />

aufgebautes ökonomisches<br />

System auch in seiner heutigen globalen<br />

neoliberalen Ausprägung<br />

nicht durchsetzbar. Der Krieg ist der<br />

Vater aller Dinge. Dies bezeichnet<br />

das Prinzip des Männlichen bis heute.<br />

Die Entstehungsgeschichte des<br />

Krieges ist im Kontext der kulturellen<br />

Konstruktion des Männlichen als<br />

kriegerischen Helden zu sehen. Die<br />

Konstruktion des Weiblichen stellt<br />

eine Bedrohung für das Prinzip einer<br />

Männlichkeit dar, das sich der Ag-<br />

FRAUEN.<br />

gression und Gewalt bedient, um ein<br />

Machtverhältnis aufzubauen und<br />

aufrechtzuerhalten.<br />

Die Armee: das Mittel des Krieges.<br />

Mit Ausnahme der Kirche ist in<br />

keinem anderen Bereich der Gesellschaft<br />

die Zementierung des ungleichen<br />

Geschlechterverhältnisses so<br />

stabil wie in den Armeen, unabhängig<br />

davon, ob nun Frauen dem Krieg<br />

als Soldatinnen dienen oder nicht.<br />

Die Armee basiert auf dem Prinzip<br />

des männlichen Kriegers. Klaus<br />

Theweleit hat die Entstehung des<br />

soldatischen Körperpanzers anhand<br />

der Freikorpsliteratur der Zwischenkriegszeit<br />

und im Rahmen der<br />

Faschismusgenese beschrieben. Askese,<br />

Schmerz und schließlich<br />

Kampf werden unter enormen<br />

Druck einer psychologisch ausgeklügelten<br />

Dressur als Lusterleben<br />

gesetzt, da Schmerz das einzig zugelassene<br />

Lebens-Lust-Gefühl darstellt,<br />

ein brüchiges und fragmentierendes<br />

Ich schafft, das sich im Krieg<br />

bzw. Kampf als Ganzheit zusammensetzt,<br />

im Zerstören als Existenzweise<br />

nur empfinden kann, wobei<br />

sich der einzelne Soldat als Teil einer<br />

Ganzheitsmaschine, repräsentiert<br />

durch die Truppe wahrnimmt:<br />

Selbstzeugung und Selbstgeburt einer<br />

formierten Männlichkeitsorganisation,<br />

der Körperpanzer dient dem<br />

Schutz vor der Frau, ist gegen den<br />

Körper bzw. gegen die Körperlichkeit<br />

der Frau gerichtet, die als Entgrenzung<br />

gesetzt ist, somit gegen<br />

die Wunschproduktion des eigenen<br />

Unbewussten: „Der 'Neue Mensch',<br />

gezeugt aus dem vom Drill organisierten<br />

Kampf des alten Menschen<br />

gegen sich selbst, ist lediglich der<br />

Maschine verpflichtet, die ihn geboren<br />

hat. Er ist eine wirkliche Zeugung<br />

der Drillmaschine, gezeugt<br />

ohne Zuhilfenahme der Frau, ohne<br />

Eltern. Verbindungen, Beziehungen,<br />

hat er zu anderen Exemplaren des<br />

neuen Menschen, mit denen er sich<br />

zusammenfügen lässt zur Makromaschine<br />

Truppe. Alle anderen passen<br />

nur 'unter', nicht neben, vor oder<br />

hinter ihn“. Chaim Shatan hat eine<br />

'pschodynamische Theorie des<br />

Kampfes entworfen und aufgezeigt,<br />

dass in der Soldatenausbildung die<br />

tyrannischen Beziehungsstrukturen,<br />

die die Fähigkeit zum Töten entwickeln,<br />

auf der Ausgrenzung und<br />

Entwürdigung des Weiblichen basieren.<br />

Einerseits werden junge<br />

Männer als Frau, als weibisch beschimpft,<br />

wenn sie Schwächen zeigen<br />

oder Fehler machen, andererseits<br />

wird Gewalt, als Teil des männlichen<br />

Selbstbildes im Zusammenhang<br />

mit sexuellen Phantasien, erotisiert.<br />

Der Sexualtrieb wird in den<br />

Dienst des Tötens gestellt, die Waffe,<br />

die Braut des Soldaten, wird mit<br />

sexuellen Kräften ausgestattet. Der<br />

Ausbildung zum Krieger geht nicht<br />

nur körperlicher Drill und Brutalisierung<br />

des Geistes voraus, er wird<br />

erst möglich auf der Grundlage einer<br />

systematischen Verächtlichmachung<br />

alles Weiblichen. Zur systematischen<br />

Anwendung direkter Gewalt<br />

gegen Frauen bedarf es nur noch ei-<br />

STIMMEN.<br />

GEGEN KRIEG.<br />

nes kleinen Schrittes in der Dynamik<br />

der Konflikteskalation.<br />

Frauen: Opfer, Nutznießerinnen<br />

und Mittäterinnen des<br />

kriegerischen Patriarchats.<br />

Frauen werden in einem gesellschaftlichen<br />

System, welches im<br />

Rahmen seiner militaristischen<br />

Komponente in Zeiten negativen<br />

<strong>Frieden</strong>s Kriege vorbereitet sowie in<br />

Kriegszeiten, die patriarchale Gewalt<br />

auf allen Ebenen verstärken,<br />

Opfer, Nutznießerinnen und Mittäterinnen.<br />

In Zeiten negativen <strong>Frieden</strong>s<br />

akkumuliert eine Gesellschaft genügend<br />

Mehrwert, um einen Krieg und<br />

die Abwesenheit der Krieger von der<br />

Heimatfront verkraften zu können,<br />

in Kriegszeiten sind Frauen mit unterschiedlichen<br />

Rollenangeboten<br />

konfrontiert. Nach Astrid Albrecht-<br />

Heide können Frauen Söldnerinnen<br />

und Kollaborateurinnen, Assistentinnen,<br />

Claqueurinnen und hegende<br />

und pflegende Florence-Nightingales<br />

und Widerständige sein, die auf<br />

verschiedenen Beziehungsebenen<br />

betrachtet werden können: als Mütter,<br />

Ehefrauen und Partnerinnen sind<br />

sie Produzentinnen und Reproduzentinnen<br />

militärischer Arbeitskraft,<br />

als den vom Krieg heimkehrenden<br />

Soldaten Zujubelnde sind sie Gewalt-Claqueurinnen,<br />

als zivile Mitarbeiterinnen<br />

des Militärs Gewaltassistentinnen,<br />

infolge der Mitarbeit in<br />

der Rüstungsindustrie wird, eingeholt<br />

über Verteidigungsauftrag und<br />

Sicherheitskonzept aus Gewaltassistenz<br />

Gewalttäterinnenschaft. Frauen<br />

und Kinder dienen als ideologisches<br />

Verteidigungsmotiv, Frauen<br />

leisten geistig-ideologische Kollaboration,<br />

solange sie dem Verteidigungsauftrag<br />

nicht widersprechen.<br />

Frauen, die Soldatinnen werden,<br />

können letztlich als Söldnerinnen<br />

des Patriarchats betrachtet werden.<br />

Frauenbefreiung braucht <strong>Solidarität</strong>.<br />

Kriege werden nicht für<br />

Frauen geplant. Kriege werden nicht<br />

für die Ziele der Frauenbefreiung<br />

geführt. Kriege forcieren Gewalt gegen<br />

Frauen. Wir sind weltweit mit<br />

einem System der Unterdrückung<br />

und Verarmung der Mehrheit der<br />

Menschen konfrontiert. Als Frauen<br />

sind wir in mehrfacher Hinsicht von<br />

Großmachtpolitik und Profitmaximierung<br />

betroffen. Frauen wehren<br />

sich: zahlreiche Frauen und Frauenorganisationen<br />

schließen sich zu internationalen<br />

solidarischen Netzwerken<br />

zusammen. Beim Weltsozialforum<br />

2004 in Mumbai war Krieg<br />

und <strong>Frieden</strong> das bestimmende Thema,<br />

sowie eine geschlechtsspezifische<br />

Sicht auf neoliberale Globalisierung<br />

und ihre Folgen. Wir sind<br />

viele. Und: wir arbeiten daran, das<br />

Patriarchat zu überwinden. Auch<br />

und vor allem in seinem kriegerischen<br />

Gesicht. Weil wir leben wollen.<br />

Rosi Krenn<br />

ARGE Wehrdienstverweigerung &<br />

Gewaltfreiheit<br />

A-1010 Wien<br />

Schottengasse 3a/1/4/59<br />

Tel. (01) 535 91 09


guernica 5/2004 Sage niemand .../LeserInnenbriefe/Wir über uns 15<br />

SAGE NIEMAND, ER/SIE HABE<br />

ES NICHT WISSEN KÖNNEN<br />

Euro-Schlachtgruppen marsch!<br />

„Die Konzeption ist also folgende: Wenn ein Konflikt in Europa oder außerhalb von Europa auftritt, dann<br />

wollen wir schnell eine solche Battlegroup einsetzen.“<br />

(BRD-„Verteidigungsminister“ Peter Struck zum Einsatz der geplanten EU-Schlachtgruppen („Battle-Groups“),<br />

in: Deutscher Bundestag, Stenografischer Bericht 126. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 23. September 2004;<br />

Plenarprotokoll 15/126. Siehe auch Europäischer Krieg article/1070672678)<br />

Bundesverteidigungsminister Peter Struck (SPD) hält weitere <strong>Frieden</strong>seinsätze der Bundeswehr in Afrika für<br />

möglich. Deutschland habe zusammen mit Großbritannien, Frankreich und Belgien eine besondere Verantwortung<br />

für den afrikanischen Kontinent, sagte Struck am Donnerstag im Inforadio Berlin-Brandenburg. Die Bundeswehr<br />

besitze zudem die notwendigen Kapazitäten. „Ich würde bei einer Größe der Bundeswehr von 270.000 Soldatinnen<br />

und Soldaten und etwa 8.000 in einem Auslandseinsatz nicht sagen, ich kann keinen weiteren Auslandseinsatz<br />

mehr verkraften“, betonte er.<br />

(in: Yahoo-Nachrichten-Deutschland, 26.8.2004)<br />

„Ich möchte, dass Afrika die höchste Priorität für die neuen schnell einsetzbaren Schlachtgruppen der EU wird;<br />

wir müssen sie so rasch wie möglich im Jahr 2005 einsatzfähig machen.“<br />

(Tony Blair, britischer Premierminister, Rede in Addis Abbaba, 8.10.2004, zit. nach Sudan Tribune, 8.10.2004)<br />

Präventivkriege<br />

„Mehr globale Verantwortung zu übernehmen [...] und eine Strategie präventiven Engagements zu übernehmen,<br />

wird nicht erreicht werden, wenn die gegenwärtige Kluft zwischen Endziel und Mittel andauert [...] Diese Ziele<br />

rufen nach rasch einsetzbaren und auf lange Zeit aufrechtzuerhaltenden Streitkräften.“<br />

(Institut für Sicherheitsstudien, Europäische Verteidigung. Vorschlag für ein Weißbuch; Paris, Mai 2004,<br />

vom EU-Rat in Auftrag gegeben)<br />

Warum wir den Eurofighter kaufen ...<br />

„Alle großen europäischen Armeen mit Ausnahme Frankreichs fliegen den Eurofighter, der damit ein erster<br />

Schritt in Richtung gemeinsame europäische Rüstung und Sicherheitspolitik ist [...] Mit dem Eurofigher passt das<br />

Bundesheer nahtlos in EU-Militäreinsätze. Die zwei Milliarden Euro für die Eurofighter sind also unser Eintrittspreis<br />

in das euroäische Sicherheitssystem.“<br />

(Salzburger Nachrichten, 22.10.2004; in: Warum wir den Eurofighter kaufen, Alexander Purger)<br />

... und wofür<br />

„Der Eurofighter ist sowohl bei BVR-Aktivitäten (Beyond Visual Range) als auch im Nahkampf überlegen;<br />

gleichzeitig können bei jeder Witterung und unter Einsatz diverser Waffensysteme hohe Angriffsquoten gegen Luft-,<br />

See- und Bodenziele erzielt werden.“<br />

(Presseaussendung Eurofighter GmbH, OTS, 6.10.2004)<br />

bezahlte Anzeige<br />

Neuer Vorstand und neuer Vorsitz<br />

LeserInnenbriefe<br />

<strong>Frieden</strong>svolksbegehren statt Dienst an der Waffe<br />

Ich unterstütze das <strong>Frieden</strong>svolksbegehren mit großer Begeisterung! Vor<br />

ca. 6 Wochen begann ich, beim Bundesheer meinen Wehrdienst abzuleisten.<br />

Doch nach 2½ Wochen verweigerte ich den Dienst an der Waffe. Ich<br />

hatte, um es klar zu sagen, Angst vor diesem Gerät. Daher lehne ich jede<br />

Form solcher Gewalt ab und hoffe, dass Ihr Volksbegehren zustande<br />

kommt.<br />

Manuel Raingruber, Pucking<br />

Seliger Kaiser Karl von Habsburg,<br />

sei Fürsprecher für Deinen treuen Diener und unseren österreichischen<br />

Bruder Engelbert [Dollfuß, Anm. d. Red.], damit auch er eines Tages zum<br />

Märtyrer, erhoben zur Ehre der Altäre, werde, und uns arme, sündige, aber<br />

fiedliebende und pazifistische Österreicher Nachsicht zuteil komme, wegen<br />

unserer aufmüpfigen Haltung gegen die Obrigkeit.<br />

Matthias Hertz, <strong>Linz</strong><br />

„Heimatschutz“<br />

Ich möchte einen Ausschnitt eines Leserbriefes in der Furche Nr. 40<br />

(30.9.2004, S. 12) zitieren. Er stammt vom Generaltruppeninspektor a. D.,<br />

Karl Majecen: „An Begriffen - wie Heimatschutz [...] darf die Mitwirkung<br />

des Bundesheeres an dieser eindeutig gegebenen Aufgabenstellung im Interesse<br />

Österreichs und seiner Bürger nicht scheitern. Es ist ja unbestritten,<br />

dass dabei in erster Linie die Assistenzleistung gemeint ist - Daher sind negative<br />

Bemerkungen dazu, von wem auch immer, fehl am Platz und<br />

zurückzuweisen“. Wahrscheinlich kauft jetzt das Bundesheer aus diesem<br />

Geiste heraus und ganz in der Tradition der Hahnenschwanzler 20 Dingos<br />

für den Fall einer Ausweitung eines potenziellen Assistenzeinsatzes auf das<br />

Inland! Seliger Karl bitt für uns!<br />

Kurt-Georg Strohmaier, Graz<br />

Finger weg!<br />

Wir leben derzeit wieder in einer kriegsträchtigen Zeit. Die Kriege werden<br />

von Terroristen geführt, gegen diese ist die stärkste Armee zu schwach. Dagegen<br />

kann man sich nur schützen durch eine aktive <strong>Frieden</strong>spolitik, denn<br />

die Terroristen wehren sich gegen jene fremden Mächte, die ihr Land ausbeuten<br />

wollen und jene, die anderen dabei helfen. Also Finger weg von<br />

derlei Hilfeleistung.<br />

Ing. Josef Garscha, Paudorf<br />

Über Briefe freut sich die Redaktion immer, behält sich aber Kürzungen vor.<br />

Briefe per e-mail an friwe@servus.at<br />

Briefe per Post an <strong>Werkstatt</strong> <strong>Frieden</strong> & <strong>Solidarität</strong>,<br />

Waltherstr. 15b, A-4020 <strong>Linz</strong><br />

WIR ÜBER UNS<br />

Bei der letzten Vollversammlung der <strong>Werkstatt</strong> wurde Elke Renner,<br />

Wien, in den Vorstand gewählt. Elke Renner arbeitet aktiv bei den<br />

LehrerInnen für den <strong>Frieden</strong> und ist Vorsitzende des Österreichischen<br />

<strong>Frieden</strong>srates. Dadurch soll die Kommunikation mit beiden Organisationen<br />

noch intensiviert werden. Weiters wurden Stefan Daxner, Ulrike<br />

Koushan, Boris Lechthaler, Gerald Oberansmayr, Günter Reder und<br />

Siegfried Schmidtberger wieder in den Vorstand gewählt. Bei der Konstituierung<br />

des Vorstandes wurde Günter Reder zum Vorsitzenden gewählt.<br />

Günter Reder ist seit Gründung 1993 Mitglied der <strong>Frieden</strong>swerkstatt<br />

und war über Jahre verantwortlich für die Herausgabe der guernica.<br />

Er arbeitet zur Zeit als Software-Ingenieur bei einem privaten EDV- Günter Reder<br />

Dienstleister. Wir schätzen besonders seine Konzentration aufs Wesentliche<br />

in komplexen Zusammenhängen. Gerald Oberansmayr hat nach drei Jahren die Vorsitzfunktion<br />

zurückgelegt. Nicht nur seine Recherchen, seine Analysen und Dokumente sind für unsere<br />

Arbeit völlig unverzichtbar und werden uns glücklicherweise auch weiterhin erhalten bleiben.<br />

Auf bessere Zusammenarbeit!<br />

Seit langem leistet die <strong>Frieden</strong>swerkstatt <strong>Linz</strong> eine überregionale <strong>Frieden</strong>sarbeit,<br />

die sich jetzt auch im neuen Namen „<strong>Werkstatt</strong> <strong>Frieden</strong> &<br />

<strong>Solidarität</strong>“ ausdrückt. Initiativen wie das <strong>Frieden</strong>svolksbegehren oder<br />

die Initiierung einer Volksabstimmung über die Ratifizierung der EU-<br />

Verfassung brauchen eine österreichweite Unterstützung. Die <strong>Frieden</strong>sarbeit<br />

der <strong>Werkstatt</strong> setzt konkret dort an, wo demokratiepolitisch noch<br />

Chancen zur Veränderung bestehen. Als Obfrau der „LehrerInnen für<br />

den <strong>Frieden</strong>“ bin ich gerne in den Vorstand der <strong>Werkstatt</strong> gegangen, weil<br />

ich hoffe, mit vereinten Kräften mehr Menschen zu erreichen und weil<br />

uns die <strong>Frieden</strong>swerkstatt ohnehin schon lange durch ihre Publikationen<br />

und Aktionen eine Orientierungshilfe und Informationsquelle geboten Elke Renner<br />

hat. Vielleicht können wir in Wien zukünftig mehr MitarbeiterInnen und<br />

Interessierte finden. Die Schwerpunkte der <strong>Frieden</strong>sarbeit: für Neutralität, gegen Militarisierung<br />

und die neoliberale Wirtschaftsdominanz der EU, gegen atomare Bedrohung, gegen Sozial- und<br />

Bildungsabbau, Arbeitslosigkeit und Pauperisierung und gegen die ständige Entdemokratisierung<br />

gehen uns ja alle an. (Elke Renner)<br />

Projektgruppe „Öffentliches Eigentum“<br />

Auch bisher gab es schon die Möglichkeit, Projektgruppen einzurichten. Eine solche Projektgruppe<br />

wollen wir z. B. zum Thema „Öffentliches Eigentum“ aufbauen. Mit unserem neuen Statut<br />

wird auch die Bildung von Ortsgruppen ermöglicht. Wer in diese Richtung Überlegungen hat<br />

oder in anderer Form in der <strong>Werkstatt</strong> mitarbeiten will, den/die ersuchen wir, mit dem Büro Kontakt<br />

aufzunehmen.<br />

<strong>Werkstatt</strong> <strong>Frieden</strong> & <strong>Solidarität</strong>


16 Termine & Kontakt & Antwortkupon guernica 5/2004<br />

Termine<br />

Mo, 15. November 2004, 19-20 Uhr<br />

Sendung guernica auf Radio FRO (105,0 MHz)<br />

(Wiederholung: Di, 16. November 2004, 14-15 Uhr)<br />

Di, 16. November 2004, 18 Uhr<br />

Waltherstr. 15b, A-4020 <strong>Linz</strong><br />

Plenum der <strong>Werkstatt</strong> <strong>Frieden</strong> & <strong>Solidarität</strong><br />

Schwerpunkt: EU-Beitritt der Türkei<br />

Fr, 19. November 2004<br />

Kunstuniversität <strong>Linz</strong> (Hörsaal AB), Hauptplatz 8, A-4020 <strong>Linz</strong><br />

Symposion „EU-Verfassung - <strong>Frieden</strong>?“<br />

Die EU im Spannungsfeld zwischen <strong>Frieden</strong>sauftrag und<br />

Kriegsbeteiligung<br />

15.15 Uhr<br />

Wozu noch eine Bürgerdabatte über die EU-Verfassung?<br />

Prof. Dr. Ekkehart Krippendorff (Berlin)<br />

17 Uhr Streitgespräch<br />

Der neue EU-Verfassungsvertrag:<br />

Förderung oder Bedrohung des <strong>Frieden</strong>s?<br />

Dr. Eva Lichtenberg (Mitglied EU-Konvent, Abg. des EUP)<br />

Mag. Gerald Oberansmayr (<strong>Werkstatt</strong> <strong>Frieden</strong> & <strong>Solidarität</strong>)<br />

18.30 Uhr<br />

Die gemeinsaem Außen- und Sicherheitspolitik der EU:<br />

Verfassungsvorschriften und absehbare Verfassungsrealität<br />

Dr. Carola Bielefeldt (Universität Innsbruck)<br />

19.45 Uhr<br />

Der Beitrag der österreichischen Neutralität zur europäischen<br />

<strong>Frieden</strong>spolitik und <strong>Frieden</strong>skultur<br />

BM a. D. Prof. Dr. Heinrich Neisser (Universität Innsbruck)<br />

Dr. Gerald Mader (ÖSFK)<br />

21 Uhr<br />

Selbstbindungen neu denken<br />

Europa muss sich hinterfragen lassen<br />

Prof. Dr. Hanne M. Birckenbach (Gießen)<br />

Veranstaltungstournee<br />

In welcher Verfassung ist Europa?<br />

EU: Militarisierung und Flüchtlingsabwehr<br />

Mit Buchautor Rudi Friedrich von der Connection e.V.<br />

Salzburg: Dienstag, 23. November 2004, 19.30 Uhr<br />

Geswi (Kultur- und Gesellschaftswissenschaftliche Fakultät)<br />

Uni Salzburg, Rudolfskai 42<br />

Wien: Montag, 29. November 2004, 20.00 Uhr<br />

Neues Institutsgebäude, Universität Wien,<br />

Universitätsstr. 7, A-1010 Wien<br />

Di, 7. Dezember 2004, 19 Uhr<br />

Waltherstr. 15b, A-4020 <strong>Linz</strong><br />

Plenum der <strong>Werkstatt</strong> <strong>Frieden</strong> & <strong>Solidarität</strong><br />

Schwerpunkt: Sozialversicherung<br />

Sa, 18. und So, 19. Dezember 2004 am Alten Markt<br />

Happening am Salzburger Christkindlmarkt<br />

besinnungslos besinnlich: die antimilitaristische alternative zum<br />

traditionellen advent:<br />

glühweintrinken für das friedensvolksbegehren<br />

Aktuelle Termine laufend im Internet unter www.friwe.at<br />

Kontakt<br />

<strong>Werkstatt</strong> <strong>Frieden</strong> & <strong>Solidarität</strong><br />

Waltherstr. 15b<br />

A-4020 <strong>Linz</strong><br />

Tel. (0732) 77 10 94<br />

Fax (0732) 79 73 91<br />

E-Mail friwe@servus.at<br />

Internet www.friwe.at<br />

Kontoverbindung<br />

Konto 6274146, BLZ 34777<br />

Raiffeisenbank Perg<br />

Bürozeiten<br />

Mo 9-15 Uhr, Di 9-15 Uhr, Mi 9-18 Uhr,<br />

Do 9-18 Uhr, Fr 9-18 Uhr<br />

Vortrag und Diskussion mit Annette Groth (ATTAC Deutschland)<br />

Steyr: Mo, 22.11.2004, 19.30 Uhr: Arbeiterkammer (Kleiner Saal)<br />

<strong>Linz</strong>: Di, 23.11.2004, 19.30 Uhr: Universität (Hörsaal 6, Kepler-Gebäude)<br />

Graz: Mi, 24.11.2004, 19.30 Uhr: Universität (Hörsaal 0602/HS B)<br />

Freistadt: Do, 25.11.2004, 19.30 Uhr: Pfarramt (Pfarrsaal, Dechanthofplatz 1)<br />

Seit Anfang der 90er Jahre schwappt eine mächtige Privatisierungswelle über die Welt. Betroffen sind viele<br />

mit Steuergeldern finanzierte öffentliche Einrichtungen in den Sektoren Gesundheit, Telekommunikation,<br />

Energie- und Wasserversorgung sowie der öffentliche Nahverkehr, um nur einige zu nennen. Kommunales<br />

Eigentum wird in private Hände transferiert, wobei dieser Privatisierungsprozess von Weltbank,<br />

Internationalem Währungsfonds und Europäischer Union angeschoben wird.<br />

Da mit der Unterzeichnung der EU-Verfassung die neoliberale Wirtschaftspolitik Verfassungsrang erhält,<br />

steht zu befürchten, dass die Privatisierung öffentlicher Güter und Dienstleistungen institutionalisiert und<br />

weiter forciert werden soll. Aus dem „Weißbuch über die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse“ geht<br />

hervor, dass eine „Rahmenrichtlinie für die Dienstleistungen“ - bekannt unter der Bezeichnung Bolkestein<br />

Richtlinie - bis nach Inkrafttreten der neuen europäischen Verfassung zurückgestellt werden soll.<br />

Die Bolkestein Richtlinie ist der bisher radikalste und umfassendste Angriff auf die Sozialsysteme der EU-<br />

Staaten überhaupt. Ihren Deregulierungszweck verfolgt die Richtlinie mit einem Mix aus schrittweiser Beseitigung<br />

staatlicher Auflagen sowie dem systematischen Unterlaufen nationalen Rechts durch das sog.<br />

„Herkunftslandprinzip“. Danach unterliegen Dienstleistungsunternehmen in der EU nur noch den Anforderungen<br />

ihres Herkunftslandes. Höhere Umwelt- und Sozialstandards anderer EU-Mitgliedstaaten sollen<br />

negiert werden. Wenn dieser Entwurf Gesetz werden sollte, würde auf einen Schlag Dreiviertel der gesamten<br />

EU-Wirtschaft liberalisiert und beträfe sämtliche freien Berufe wie Wirtschaftsprüfer, Architekten oder<br />

Rechtsanwälte, öffentlicher Dienst, Gesundheitswesen und die freien Träger der Wohlfahrtspflege.<br />

<br />

Ja, ich will<br />

Antwortkupon<br />

o ein Schnupperabo (3 Nummern) der guernica (mind. EUR 4,80)<br />

o ein Jahresabo (6 Nummern) der guernica (mind. EUR 9,-)<br />

o ein <strong>Solidarität</strong>s-Jahresabo der guernica (mind. EUR 40,-)<br />

o ein Auslands-Jahresabo der guernica (mind. EUR 18,-)<br />

o Material zum <strong>Frieden</strong>svolksbegehren (kostenlos)<br />

__ Stk. Falter __ Stk. Plakate __ Stk. Pickerl __ Stk. Zahlscheine<br />

o Broschüre „EU-Verfassung ...“ __ Stk. (EUR 3,50/Stk. exkl. Porto)<br />

o __ M __ L __ XL __ XXL Stk. FriWe-T-Shirt(s) (EUR 10,-/Stk. exkl. Porto)<br />

o bei der <strong>Werkstatt</strong> mitarbeiten. Ruft mich an oder mailt mir!<br />

o <strong>Frieden</strong>ssteuer leisten. Schickt mir bitte ein Formular.<br />

o Mitglied der <strong>Werkstatt</strong> <strong>Frieden</strong> & <strong>Solidarität</strong> werden<br />

(mind. EUR 25,-/Jahr inkl. guernica-Abo)<br />

Name: ........................................................<br />

Adresse: .....................................................<br />

................................................................<br />

Telefon: .....................................................<br />

E-Mail: .......................................................<br />

Schickt ein kostenloses Probeexemplar der guernica an:<br />

................................................................<br />

An die<br />

Bitte<br />

ausreichend<br />

frankieren!<br />

<strong>Werkstatt</strong><br />

<strong>Frieden</strong> & <strong>Solidarität</strong><br />

Waltherstr. 15b<br />

A-4020 <strong>Linz</strong>

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