Werkstatt Frieden & Solidarität - Friedenswerkstatt Linz
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14 frauen.stimmen.gegen krieg. guernica 5/2004<br />
Frauen in der Schweizer Armee<br />
Ein Beispiel für die Funktionalisierung<br />
der Frauenrechte, die der Legitimation<br />
der Militarisierung dient<br />
Seit einigen Jahren gilt für die<br />
Schweizer Armee die völlige<br />
Gleichstellung der Frauen. Der<br />
Frauenanteil an der Armee ist jedoch<br />
sehr gering. Frauen leisten in der<br />
Schweiz traditionell Hilfsdienste<br />
beim Roten Kreuz, seit dem zweiten<br />
Weltkrieg erfolgte die Aufnahme<br />
von Frauen zu waffenlosen Hilfsdiensten<br />
in der Armee. In den 80er<br />
und 90er Jahren wurde die Gleichstellungspolitik<br />
betrieben, es wurde<br />
damit begonnen, Frauen zu Soldatinnen<br />
auszubilden, seit zwei Jahren<br />
sind Frauen auch zu Kampfeinsätzen<br />
zugelassen. Diese Entwicklung<br />
erfolgt - kaum zufällig - parallel<br />
zum Umbau der Armee. Angesichts<br />
der Rückschrittlichkeit der Frauenpolitik<br />
verweist die Gleichstellungspolitik<br />
im militärischen Bereich auf<br />
die Notwendigkeit, der Sinnhaftigkeit<br />
der Armee und dem Richtungswechsel<br />
der Sicherheits- und Verteidigungspolitik<br />
eine breitere gesellschaftliche<br />
Akzeptanz verschaffen<br />
zu müssen, abgesehen davon, dass<br />
Frauen als Lückenbüßerinnen sowohl<br />
quantitativ als auch qualitativ<br />
der Kompensation der Rekrutierungsschwierigkeiten<br />
einer Armee<br />
mit steigender Berufsheerkomponente<br />
dienen. Denn die Politik reagiert<br />
sehr verlangsamt oder gar nicht<br />
auf Forderungen der Frauenbewegungen<br />
nach Anerkennung grundlegender<br />
Frauenrechte: zwar gibt es<br />
das Frauenwahlrecht, es dauerte jedoch<br />
bis zum Ende der 90er Jahre,<br />
bis die letzte Gemeinde in der<br />
Schweiz dies auch zur Kenntnis genommen<br />
hat; zwar gibt es eine gesetzliche<br />
Grundlage dafür, Mutterschutzgeld<br />
zu bezahlen, diese wird<br />
aber erst seit 2004 vollzogen. Denn:<br />
Frauen wehren sich. Seit Monaten<br />
wird in Bern eine permanente Installation,<br />
die „Frauenwache“ aufrechterhalten,<br />
mit einem Lesebereich,<br />
der Zitate von Feministinnen umfasst,<br />
von diversen kulturellen Rahmenprogrammen<br />
begleitet, die einen<br />
Wohnwagen beinhaltet, in dem täglich<br />
Frauen aus den unterschiedlichsten<br />
Lebenszusammenhängen übernachten:<br />
symbolisch gewacht wird<br />
über die Politik, die Frauenrechte<br />
missachtet: im Herbst 2004 hat das<br />
Parlament darüber entschieden, dass<br />
die öffentliche Hand endlich das<br />
Recht der Frauen auf Mutterschutzgeld<br />
(nicht Karenzgeld!!!) umsetzt.<br />
Und: Frauen wehren sich gegen die<br />
Armee. Es gibt nun die erste zivildienstleistende<br />
Frau in der Schweiz,<br />
ihre Gründe, eine Alternative zu einem<br />
Heer zu benötigen, welches sie<br />
in seiner frauenfeindlichen, sexistischen<br />
Ausprägung erlebt hatte, wurden<br />
von der Gewissenskommission<br />
anerkannt.<br />
Patriarchat und Krieg. Der Begriff<br />
Patriarchat benennt das Geschlechterverhältnis<br />
als ungleiches<br />
Macht- und Herrschaftsverhältnis.<br />
Simone de Beauvoir formulierte:<br />
„Die Menschheit ist männlich, und<br />
der Mann definiert die Frau nicht<br />
als solche, sondern im Vergleich zu<br />
sich selbst: sie wird nicht als autonomes<br />
Wesen angesehen [...] sie ist<br />
das Unwesentliche gegenüber dem<br />
Wesentlichen. Er ist das Subjekt, er<br />
ist das Absolute, sie ist das Andere“.<br />
Das vom <strong>Frieden</strong>sforscher Johan<br />
Galtung entwickelte Gewaltmodell,<br />
welches Gewalt auf einer systemischen,<br />
kulturellen und personalen<br />
Ebene verortet, lässt sich in bezug<br />
auf das Geschlechterverhältnis anwenden:<br />
die Ebene der strukturellen<br />
Gewalt bezieht sich auf das Patriarchat,<br />
kulturelle Gewalt auf Sexismus<br />
und direkte Gewalt zusätzlich<br />
auf sexualisierte Gewalt.<br />
Strukturelle Gewalt gegen<br />
Frauen in Zeiten negativen<br />
<strong>Frieden</strong>s. Mit absoluter Deutlichkeit<br />
verweist der nach wie vor gültige<br />
UNO-Bericht, nach dem Frauen<br />
weltweit zwei Drittel der gesamten<br />
Arbeit leisten, ein Zehntel des Einkommens<br />
beziehen und ein Hundertstel<br />
des Weltvermögens besitzen<br />
auf das globale Ausmaß einer Gesellschaft,<br />
die auf der Ausbeutung<br />
von Frauen, auf ihrer schlecht und<br />
unbezahlten Arbeit beruht. Ohne<br />
Frauen keine neoliberale Globalisierung!!!<br />
Eine Voraussetzung für die<br />
Durchsetzung einer globalen neoliberalen<br />
Wirtschaftspolitik, die verantwortlich<br />
zeichnet für einen dramatischen<br />
Anstieg der Ungleichheit<br />
- 1965 war das persönliche Durchschnittseinkommen<br />
in den G7-Ländern<br />
20 Mal so hoch wie jenes in<br />
Rosi Krenn<br />
Frauen und Militarismus<br />
Frauen Gesellschaft Kritik<br />
Band 38, 1. Auflage 2002,<br />
140 Seiten<br />
ISBN 3-8255-0376-3<br />
Centaurus Verlag<br />
Kriege machen patriarchale<br />
Beziehungen patriarchaler. Es<br />
geht darum, jene Gewaltstrukturen,<br />
die dem Kriege zugrunde<br />
liegen aufzudecken, um den<br />
Krieg als soziales Phänomen<br />
unmöglich zu machen. Und:<br />
es geht um die Thematisieung<br />
des widerständigen Potentials,<br />
um Publizität für Frauenfriedensbewegungen.<br />
den 7 ärmsten Ländern der Welt,<br />
1995 war die Differenz 35 Mal<br />
größer, während gleichzeitig die<br />
Kluft innerhalb der Länder steigt -<br />
liegt in der Aufrechterhaltung der<br />
Ausbeutung und Unterdrückung von<br />
Frauen. Wir sind weltweit mit der<br />
Feminisierung von Armut konfrontiert.<br />
Selbstgefällig wird oft das<br />
frauenfreundliche Klima in den reichen<br />
Industriestaaten betont. Dass<br />
es den Frauen in den Industriestaaten<br />
besser geht, ist primär darauf<br />
zurückzuführen, dass es den Menschen<br />
infolge von Kolonialismus<br />
und Neokolonialismus „besser“<br />
geht. Der Prozess der Hausfrauisierung<br />
impliziert, dass die Hausfrau<br />
zusätzlich zum männlichen Ernährer<br />
das Familieneinkommen lediglich<br />
verbessert. Der Lohn der Frauen<br />
liegt deutlich unter dem der Männer.<br />
Die Frauen sind die optimalen Arbeitskräfte<br />
für das globalisierte Kapital.<br />
In Europa erfahren Frauen zusehends<br />
die negativen Folgen der<br />
neoliberalen Wirtschaftspolitik: Abbau<br />
des Sozialstaates, höhere Frauenarbeitslosigkeit,<br />
zunehmend ungeschützteBeschäftigungsverhältnisse<br />
im informellen Sektor, Rücknahme<br />
der eigenständigen Existenzsicherung.<br />
Diese Entwicklung ist im<br />
Zusammenhang mit der Ausbeutung<br />
der Frauen in den Ländern des Südens<br />
zu sehen. Frauen werden dem<br />
internationalen Kapital überall dort<br />
angeboten, wo die billigsten, gefügigsten<br />
und gehorsamsten Arbeitskräfte<br />
gesucht werden, für die Industrien<br />
mit hoher Arbeitsintensität,<br />
etwa die Spielzeug- oder Textilindustrie.<br />
Für die Freiheit des Kapitals<br />
haben Regierungen vielerorts sog.<br />
„Sonderwirtschaftszonen“ eingerichtet,<br />
etwa die Macquiladoras an<br />
der mexikanischen Grenze: 90 %<br />
der Arbeitskräfte sind junge unverheiratete<br />
Frauen, es gibt keinen<br />
Mindestlohn, Gewerkschaften sind<br />
verboten, die Arbeitszeit kann bis zu<br />
14 Stunden pro Tag, mit Schichtarbeit<br />
bis 2 Uhr nachts dauern, ohne<br />
ausreichende Pausen, manchmal<br />
werden die Arbeiterinnen eingesperrt,<br />
bis sie ein bestimmtes Pensum<br />
an Produkten fertig gestellt haben.<br />
Legitimiert bzw. moralisch unterfüttert<br />
wird die Unterdrückung<br />
von Frauen auf der Ebene der kulturellen<br />
Gewalt.<br />
Der Krieg ist männlich. Der<br />
Krieg ist systemimmanenter Bestandteil<br />
einer ökonomischen Existenzweise,<br />
die auf Ausbeutung, Kapitalakkumulation,<br />
Eroberung und<br />
Unterwerfung basiert. Ohne Krieg<br />
ist ein auf Raub und Reichtumsanhäufung<br />
aufgebautes ökonomisches<br />
System auch in seiner heutigen globalen<br />
neoliberalen Ausprägung<br />
nicht durchsetzbar. Der Krieg ist der<br />
Vater aller Dinge. Dies bezeichnet<br />
das Prinzip des Männlichen bis heute.<br />
Die Entstehungsgeschichte des<br />
Krieges ist im Kontext der kulturellen<br />
Konstruktion des Männlichen als<br />
kriegerischen Helden zu sehen. Die<br />
Konstruktion des Weiblichen stellt<br />
eine Bedrohung für das Prinzip einer<br />
Männlichkeit dar, das sich der Ag-<br />
FRAUEN.<br />
gression und Gewalt bedient, um ein<br />
Machtverhältnis aufzubauen und<br />
aufrechtzuerhalten.<br />
Die Armee: das Mittel des Krieges.<br />
Mit Ausnahme der Kirche ist in<br />
keinem anderen Bereich der Gesellschaft<br />
die Zementierung des ungleichen<br />
Geschlechterverhältnisses so<br />
stabil wie in den Armeen, unabhängig<br />
davon, ob nun Frauen dem Krieg<br />
als Soldatinnen dienen oder nicht.<br />
Die Armee basiert auf dem Prinzip<br />
des männlichen Kriegers. Klaus<br />
Theweleit hat die Entstehung des<br />
soldatischen Körperpanzers anhand<br />
der Freikorpsliteratur der Zwischenkriegszeit<br />
und im Rahmen der<br />
Faschismusgenese beschrieben. Askese,<br />
Schmerz und schließlich<br />
Kampf werden unter enormen<br />
Druck einer psychologisch ausgeklügelten<br />
Dressur als Lusterleben<br />
gesetzt, da Schmerz das einzig zugelassene<br />
Lebens-Lust-Gefühl darstellt,<br />
ein brüchiges und fragmentierendes<br />
Ich schafft, das sich im Krieg<br />
bzw. Kampf als Ganzheit zusammensetzt,<br />
im Zerstören als Existenzweise<br />
nur empfinden kann, wobei<br />
sich der einzelne Soldat als Teil einer<br />
Ganzheitsmaschine, repräsentiert<br />
durch die Truppe wahrnimmt:<br />
Selbstzeugung und Selbstgeburt einer<br />
formierten Männlichkeitsorganisation,<br />
der Körperpanzer dient dem<br />
Schutz vor der Frau, ist gegen den<br />
Körper bzw. gegen die Körperlichkeit<br />
der Frau gerichtet, die als Entgrenzung<br />
gesetzt ist, somit gegen<br />
die Wunschproduktion des eigenen<br />
Unbewussten: „Der 'Neue Mensch',<br />
gezeugt aus dem vom Drill organisierten<br />
Kampf des alten Menschen<br />
gegen sich selbst, ist lediglich der<br />
Maschine verpflichtet, die ihn geboren<br />
hat. Er ist eine wirkliche Zeugung<br />
der Drillmaschine, gezeugt<br />
ohne Zuhilfenahme der Frau, ohne<br />
Eltern. Verbindungen, Beziehungen,<br />
hat er zu anderen Exemplaren des<br />
neuen Menschen, mit denen er sich<br />
zusammenfügen lässt zur Makromaschine<br />
Truppe. Alle anderen passen<br />
nur 'unter', nicht neben, vor oder<br />
hinter ihn“. Chaim Shatan hat eine<br />
'pschodynamische Theorie des<br />
Kampfes entworfen und aufgezeigt,<br />
dass in der Soldatenausbildung die<br />
tyrannischen Beziehungsstrukturen,<br />
die die Fähigkeit zum Töten entwickeln,<br />
auf der Ausgrenzung und<br />
Entwürdigung des Weiblichen basieren.<br />
Einerseits werden junge<br />
Männer als Frau, als weibisch beschimpft,<br />
wenn sie Schwächen zeigen<br />
oder Fehler machen, andererseits<br />
wird Gewalt, als Teil des männlichen<br />
Selbstbildes im Zusammenhang<br />
mit sexuellen Phantasien, erotisiert.<br />
Der Sexualtrieb wird in den<br />
Dienst des Tötens gestellt, die Waffe,<br />
die Braut des Soldaten, wird mit<br />
sexuellen Kräften ausgestattet. Der<br />
Ausbildung zum Krieger geht nicht<br />
nur körperlicher Drill und Brutalisierung<br />
des Geistes voraus, er wird<br />
erst möglich auf der Grundlage einer<br />
systematischen Verächtlichmachung<br />
alles Weiblichen. Zur systematischen<br />
Anwendung direkter Gewalt<br />
gegen Frauen bedarf es nur noch ei-<br />
STIMMEN.<br />
GEGEN KRIEG.<br />
nes kleinen Schrittes in der Dynamik<br />
der Konflikteskalation.<br />
Frauen: Opfer, Nutznießerinnen<br />
und Mittäterinnen des<br />
kriegerischen Patriarchats.<br />
Frauen werden in einem gesellschaftlichen<br />
System, welches im<br />
Rahmen seiner militaristischen<br />
Komponente in Zeiten negativen<br />
<strong>Frieden</strong>s Kriege vorbereitet sowie in<br />
Kriegszeiten, die patriarchale Gewalt<br />
auf allen Ebenen verstärken,<br />
Opfer, Nutznießerinnen und Mittäterinnen.<br />
In Zeiten negativen <strong>Frieden</strong>s<br />
akkumuliert eine Gesellschaft genügend<br />
Mehrwert, um einen Krieg und<br />
die Abwesenheit der Krieger von der<br />
Heimatfront verkraften zu können,<br />
in Kriegszeiten sind Frauen mit unterschiedlichen<br />
Rollenangeboten<br />
konfrontiert. Nach Astrid Albrecht-<br />
Heide können Frauen Söldnerinnen<br />
und Kollaborateurinnen, Assistentinnen,<br />
Claqueurinnen und hegende<br />
und pflegende Florence-Nightingales<br />
und Widerständige sein, die auf<br />
verschiedenen Beziehungsebenen<br />
betrachtet werden können: als Mütter,<br />
Ehefrauen und Partnerinnen sind<br />
sie Produzentinnen und Reproduzentinnen<br />
militärischer Arbeitskraft,<br />
als den vom Krieg heimkehrenden<br />
Soldaten Zujubelnde sind sie Gewalt-Claqueurinnen,<br />
als zivile Mitarbeiterinnen<br />
des Militärs Gewaltassistentinnen,<br />
infolge der Mitarbeit in<br />
der Rüstungsindustrie wird, eingeholt<br />
über Verteidigungsauftrag und<br />
Sicherheitskonzept aus Gewaltassistenz<br />
Gewalttäterinnenschaft. Frauen<br />
und Kinder dienen als ideologisches<br />
Verteidigungsmotiv, Frauen<br />
leisten geistig-ideologische Kollaboration,<br />
solange sie dem Verteidigungsauftrag<br />
nicht widersprechen.<br />
Frauen, die Soldatinnen werden,<br />
können letztlich als Söldnerinnen<br />
des Patriarchats betrachtet werden.<br />
Frauenbefreiung braucht <strong>Solidarität</strong>.<br />
Kriege werden nicht für<br />
Frauen geplant. Kriege werden nicht<br />
für die Ziele der Frauenbefreiung<br />
geführt. Kriege forcieren Gewalt gegen<br />
Frauen. Wir sind weltweit mit<br />
einem System der Unterdrückung<br />
und Verarmung der Mehrheit der<br />
Menschen konfrontiert. Als Frauen<br />
sind wir in mehrfacher Hinsicht von<br />
Großmachtpolitik und Profitmaximierung<br />
betroffen. Frauen wehren<br />
sich: zahlreiche Frauen und Frauenorganisationen<br />
schließen sich zu internationalen<br />
solidarischen Netzwerken<br />
zusammen. Beim Weltsozialforum<br />
2004 in Mumbai war Krieg<br />
und <strong>Frieden</strong> das bestimmende Thema,<br />
sowie eine geschlechtsspezifische<br />
Sicht auf neoliberale Globalisierung<br />
und ihre Folgen. Wir sind<br />
viele. Und: wir arbeiten daran, das<br />
Patriarchat zu überwinden. Auch<br />
und vor allem in seinem kriegerischen<br />
Gesicht. Weil wir leben wollen.<br />
Rosi Krenn<br />
ARGE Wehrdienstverweigerung &<br />
Gewaltfreiheit<br />
A-1010 Wien<br />
Schottengasse 3a/1/4/59<br />
Tel. (01) 535 91 09