Werkstatt Frieden & Solidarität - Friedenswerkstatt Linz
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2 Euro-Militarismus guernica 5/2004<br />
Der neue Vatikan von Rüstungskapital und Militärkamarilla<br />
Rüstungsagentur locuta, causa finita<br />
Abseits der Berichterstattung ist im Sommer 2004 einer der bedeutendsten Schritte<br />
zur weiteren Militarisierung der EU gesetzt worden. Am 18. Juni 2004 hat der Europäische<br />
Rat für Allgemeine Angelegenheiten und Auswärtige Beziehungen (RAA) die<br />
politische Einigung über eine Gemeinsame Aktion zur Schaffung einer Europäischen<br />
Agentur für die Bereiche Entwicklung der Verteidigungsfähigkeiten, Forschung, Beschaffung<br />
und Rüstung (Europäische Verteidigungsagentur) erzielt. Die formale rechtliche<br />
Annahme dieses Gründungsaktes erfolgte in der Ratssitzung vom 12. Juli 2004.<br />
Rüstungsagentur bekommt<br />
exekutive Befugnisse. Der<br />
strategische Charakter dieser Agentur<br />
lässt sich erahnen, wenn der Militärexperte<br />
Peter Albers in der militärpolitischen<br />
Zeitschrift „Europäische<br />
Sicherheit“ analysiert, dass damit<br />
„jahrzehntelange Bemühungen<br />
um eine europäische Rüstungsagentur<br />
zum Erfolg geführt“ werden<br />
konnten. Tatsächlich soll diese Rüstungsagentur<br />
die EU-Aufrüstung<br />
koordinieren und antreiben. In diese<br />
Richtung haben die EU-Verteidigungsminister<br />
im Sommer Struktur,<br />
Arbeitsweise und Aufgabenprofil<br />
konkretisiert. Der Militärexperte Albers:<br />
„Die Rüstungsagentur ist zur<br />
Durchführung ihrer Aufgaben und<br />
zur Erreichung ihrer Ziele mit eigener<br />
Rechtspersönlichkeit ausgestattet.<br />
Die Mitgliedstaaten stellen sicher,<br />
dass sie die weitestgehende<br />
Rechtsfähigkeit besitzt, die juristischen<br />
Personen nach ihrem Recht<br />
zuerkannt wird. Die Agentur kann<br />
insbesondere bewegliches und unbewegliches<br />
Vermögen erwerben und<br />
nutzen und vor Gericht auftreten.<br />
Sie ist befugt, Verträge mit privaten<br />
oder öffentlichen Einrichtungen<br />
oder Organisationen zu schließen“.<br />
Damit wird im Statut der Agentur<br />
konkretisiert, was in der EU-Verfassung<br />
angelegt ist. In dieser wird der<br />
Rüstungsagentur nicht nur die Aufgabe<br />
zugesprochen, den „operativen<br />
Bedarf“ an Kriegsgerät zu ermitteln,<br />
„Maßnahmen zur Bedarfsdeckung<br />
zu fördern“, „zur Ermittlung von<br />
Maßnahmen zur Stärkung der industriellen<br />
und technologischen<br />
Grundlage des Verteidigungssektors<br />
beizutragen“ sondern auch „diese<br />
Maßnahmen gegebenenfalls selbst<br />
durchzuführen“ (Art. I-41, 3). Dieses<br />
Rüstungsamt soll also auch exekutive<br />
Befugnisse erhalten. Weitgehend<br />
abgehoben von politischer und<br />
parlamentarischer Einflussnahme<br />
kann diese Agentur eigenständig<br />
Rüstungsprojekte durchziehen. Zustände<br />
wie 2002 in Österreich, wo<br />
durch massiven Widerstand der Be-<br />
Ein verrückter Traum<br />
Träum ich oder bin ich<br />
verrückt? Ich unterschreib eine<br />
Aufrüstungsverpflichtung!<br />
völkerung die Beschaffung der Eurofighter<br />
ins Trudeln gekommen ist,<br />
sollen damit der Vergangenheit angehören.<br />
Die Rüstungsagentur soll<br />
als Vatikan von Rüstungskapital und<br />
Militärkamarilla der Einflussnahme<br />
des Pöbels auf die Sicherheitspolitik<br />
einen Riegel vorschieben. Rüstungsagentur<br />
locuta, causa finita.<br />
Durchsetzung militärischer<br />
Gleichschaltung. In ganzseitigen<br />
Inseraten haben die Chefs der größten<br />
EU-Rüstungskonzerne BAE-Systems,<br />
EADS und Thales im Juni<br />
2004 klargelegt, dass nun im Gleichschritt<br />
marschiert werden soll: „Einfache<br />
und rasche Entscheidungsprozesse<br />
sowie eigene Investitionsmittel<br />
sind unverzichtbar, wenn die Agentur<br />
ihre Wirkung voll entfalten soll<br />
[...] Die Agentur wird daher die Mitgliedstaaten<br />
dazu anhalten müssen,<br />
gemeinsame Lösungen auch bei unterschiedlichen<br />
Anforderungen zu<br />
finden [...] Auf nationaler Ebene<br />
müssen die Verteidigungsbudgets<br />
den sicherheitspolitischen Realitäten<br />
und Verpflichtungen angepasst<br />
werden“.(3)<br />
Die effiziente Gleichschaltung<br />
der europäischen Rüstungspolitik<br />
soll gewährleistet werden, indem<br />
das Entscheidungsgremium der<br />
Agentur - der Lenkungsausschuss -<br />
mit qualifizierter Mehrheit entscheidet.<br />
Das sichert den Machteliten der<br />
großen Nationalstaaten, dass einerseits<br />
nichts gegen ihren Willen, aber<br />
fast alles in ihrem Interesse durchgesetzt<br />
werden kann. Der Lenkungsausschuss<br />
setzt sich zusammen aus<br />
den Verteidigungsministern der beteiligten<br />
EU-Staaten bzw. deren Vertretern.<br />
Er kann auch „je nach zu behandelndem<br />
Themenkreis [...] in besonderer<br />
Zusammensetzung (z. B.<br />
nationale Rüstungsdirektoren, nationale<br />
Verantwortliche für Verteidigungsplanung,<br />
nationale Direktoren<br />
für Verteidigungsforschung oder politische<br />
Direktoren)“ zusammentreten.<br />
Innerhalb dieses elitären Machtzirkels<br />
kann sich die militärische<br />
10 Grad nach links<br />
neigen - Schreiber ansetzen -<br />
U - s - u - l - verdammt - verschrieben<br />
- was für ein<br />
verrückter Traum?<br />
„Was unseren Vätern als verrückter Traum erschien,<br />
ist Realität geworden.“<br />
Silvio Berlusconi zur Unterzeichnung der EU-Verfassung, 29.10.2004<br />
Schüssel und<br />
Plassnik bei<br />
der Unterzeichnung<br />
der EU-Verfassung<br />
in<br />
Rom,<br />
29.10.2004<br />
Creme de la Creme dann in Form<br />
„geschlossener Projekte“ noch besonders<br />
zusammenmauscheln.<br />
Solana: „Unvergleichliche Dynamik“<br />
- Rüstungsbosse: „Historisches<br />
Ereignis“. Oberster<br />
Chef der Rüstungsagentur soll der<br />
Generalsekretär/Hohe Vertreter<br />
(GS/HV) für die Gemeinsame<br />
Außen- und Sicherheitspolitik<br />
(GASP), derzeit Javier Solana, sein.<br />
Im Angesicht solcher Karrieresprünge<br />
kennt Solana, dessen militärischer<br />
Stern als NATO-Generalsekretär<br />
beim Angriffskrieg gegen Jugoslawien<br />
aufgegangen war, nur<br />
mehr den Superlativ, wenn er von<br />
der Militarisierung der Union<br />
spricht. Von „sensationellen Fortschritten“<br />
und einer „unvergleichlichen<br />
Dynamik“ bei der EU-Militärpolitik<br />
schwärmt der sonst so nüchterne<br />
Spanier. Und mit Solana jubeln<br />
die Rüstungsbosse: „Die Gründung<br />
der Agentur ist ein historisches<br />
Ereignis [...] Für die Verteidigungsindustrie<br />
ist sie von allergrößter Bedeutung“.(3)<br />
Österreich ist der Rüstungsagentur<br />
per Ministerratsbeschluss im<br />
Juni 2004 beigetreten. Keine Informationen,<br />
keine öffentliche Debatte<br />
hat über diese Einbindung Österreichs<br />
in die EU-Aufrüstungspolitik<br />
stattgefunden. Die Spitzen der rotgrünen<br />
Opposition haben ihre Unterstützung<br />
der Regierungspolitik<br />
durch unüberhörbares Schweigen<br />
kundgetan.<br />
Gerald Oberansmayr<br />
Anmerkungen:<br />
(1) Solana Javier, Europ. Sicherheit<br />
6-2004<br />
(2) Albers Peter, Europ. Sicherheit<br />
9-2004<br />
(3) Eine starke europäische Verteidigungsagentur<br />
nützt allen - nutzen wir<br />
die Chance!, 15.6.2004<br />
(4) Sh. oben, und: www.europa-digital.de/aktuell<br />
... Fortsetzung von Seite 1<br />
gen die Haltung und Politik der eigenen<br />
Eliten durchgesetzt werden<br />
müssen. Dies wollen wir mit unserer<br />
Umbenennung unterstreichen.<br />
<strong>Frieden</strong> & <strong>Solidarität</strong> bezeichnen<br />
jedoch nicht nur Ziele, die gegen die<br />
eigenen Eliten durchgesetzt werden<br />
müssen. Sie beschreiben auch einen<br />
Weg, einen Prozess, in den wir als<br />
<strong>Werkstatt</strong> aktiv eingreifen wollen.<br />
Wir wollen die „<strong>Werkstatt</strong>“ zu einer<br />
Organisation weiterentwickeln, die<br />
entscheidend zur Durchsetzung eines<br />
neutralen, solidarischen und<br />
weltoffenen Österreichs beitragen<br />
kann. Das heißt wir wollen in diesen<br />
Auseinandersetzungen praktisch<br />
nützlich sein. Wir wollen keine Organisation<br />
werden, die sich allein in<br />
Lobbying und Politikberatung übt.<br />
Wir wollen aber auch keine Wahl-<br />
Tagebuch EU-Militarisierung<br />
17.09.2004<br />
Die Verteidigungsminister der Europäischen Union in Noordwijk haben<br />
die Aufstellung von sog. EU-Schlachtgruppen konkretisiert, die<br />
innerhalb von fünf Tagen global einsatzbereit sein sollen. Unter anderem<br />
wird am Aufbau einer deutsch-österreichisch-tschechischen<br />
Schlachtgruppe gearbeitet.<br />
17.09.2004<br />
Erste Sitzung des Lenkungsausschusses der Europäischen Rüstungsagentur.<br />
Dabei wurden das Arbeitsprogramm und Fragen zu Statuten,<br />
Personal und Budget besprochen. „Wir haben heute einen weiteren<br />
Meilenstein für eine effizientere ESVP gesetzt“, so Verteidigungsminister<br />
Platter.<br />
20.09.2004<br />
Die Verteidigungsminister von Frankreich, Spanien, Portugal, Italien<br />
und Niederlanden haben sich geeinigt, eine gemeinsame „Europäische<br />
Gendarmerie Streitmacht“ von 3.000 Mann aufzustellen, die „vor,<br />
während und nach Militärinterventionen“ unterstützend eingreifen<br />
soll.<br />
23.09.2004<br />
Nach Informationen der Financial Times plant die EU-Kommission<br />
die Liberalisierung des EU-Rüstungsmarktes. Dadurch sollen die<br />
Konzentrationsprozesse in der Rüstungsindustrie gefördert werden,<br />
um mit den USA „wettbewerbsfähig“ zu sein.<br />
29.09.2004<br />
Milliardenschwerer Auftrag der NATO an den deutsch-französischen<br />
Rüstungskonzern EADS. In Kooperation mit dem US-Rüstungskonzern<br />
Lockheed Martin soll das Raketenabwehrsystem MEADS errichtet<br />
werden.<br />
07.10.2004<br />
Die Europäische Kommission reicht einen Bericht an Rat und EU-<br />
Parlament weiter, in dem gefordert wird, bis 2007 die gemeinsamen<br />
Forschungsetats der Europäischen Union für militärische Projekte zu<br />
öffnen.<br />
08.10.2004<br />
Der britische Premierminister Tony Blair fordert bei einer Rede in<br />
Addis Ababa den möglichst raschen Einsatz der EU-Schlachtgruppen<br />
in Afrika, vorzüglich im Sudan.<br />
12.10.2004<br />
Großauftrag der britischen Armee über die Lieferung von 5.000 Militär-LKW<br />
ergeht an den deutschen Konzern MAN. Auftragsvolumen:<br />
1,6 Milliarden Euro.<br />
04.11.2004<br />
Der Rüstungskonzern EADS revidiert seine Umsatz- und Gewinnprognosen<br />
für das laufende Jahr weiter nach oben. Gegenüber dem Vorjahr<br />
wird ein Umsatzplus von 16 % und eine Gewinnsteigerung von<br />
91 % prognostiziert.<br />
07.11.2004<br />
Der erweiterte Bundesvorstand der Grünen beschließt, sich von der<br />
österreichischen Neutralität zu verabschieden. Für ein friedenspolitisches<br />
Konzept wie die Neutralität soll - wie der Sicherheitssprecher<br />
Peter Pilz betont - in der EU kein Platz mehr sein. Die Grünen wollen<br />
einen gemeinsamen europäischen Verteidigungsminister, der das<br />
Kommando über ein Europa-Heer führt.<br />
08.11.2004<br />
Der Finanzspekulant Mirko Kovats verkauft die VA-Tech-Anteile an<br />
den deutschen Rüstungs- und Atomkonzern Siemens.<br />
Alle bisherigen Tagebucheintragungen können im Internet unter<br />
www.friwe.at nachgelesen werden.<br />
initiative oder Partei werden. Wir<br />
formulieren keine letzten Ziele.<br />
Wir wollen zur Eigenaktivität ermuntern<br />
und dabei praktisch hilfreich<br />
sein. Das haben wir auch bisher<br />
schon versucht zu leisten. Das<br />
<strong>Frieden</strong>svolksbegehren ist ein Beispiel<br />
dafür. Wir wollen jedoch nicht<br />
nur zur Beteiligung an unseren<br />
Kampagnenvorschlägen einladen,<br />
sondern die Menschen dazu ermuntern,<br />
von sich aus für ihre Interessen<br />
aktiv zu werden und ihre Haltung<br />
zum Ausdruck zu bringen. Dafür<br />
müssen wir wichtige - sonst in der<br />
Öffentlichkeit verschwiegene - Infos<br />
zur Verfügung stellen. Dafür brauchen<br />
wir Medien, in denen diejenigen,<br />
deren Interessen an den Rand<br />
gedrängt werden, unzensiert zu Wort<br />
kommen können. Dafür braucht es<br />
praktische Alternativen.<br />
In unserem Programm „Für eine<br />
<strong>Frieden</strong>srepublik“ formulieren wir<br />
eine Politik entsprechend den Haltungen<br />
und Interessen der Mehrheit<br />
der Menschen. Mit unseren Kampagnen<br />
wollen wir dazu beitragen,<br />
dass sich diese Mehrheit als Mehrheit<br />
erkennt und damit gegenüber<br />
dem Establishment wirkmächtig<br />
werden kann. Wir brauchen solche<br />
Beispiele auch in anderen Bereichen,<br />
vor allem in der Frage österreichischen<br />
Eigentums.<br />
Unsere öffentliche Präsenz kann<br />
und darf nicht vom politisch-medialen<br />
Establishment abhängig sein. Eigenaktivität<br />
in konkreten Interessenskämpfen,<br />
Kampagnenfähigkeit<br />
hängen wesentlich davon ab, inwieweit<br />
wir über eigene Medien verfügen.<br />
Diese zu entwickeln dient unsere<br />
Öffentlichkeitsarbeit.