Werkstatt Frieden & Solidarität - Friedenswerkstatt Linz
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4 Militarisierung Österreichs guernica 5/2004<br />
ÖSTERREICH<br />
Die Aufrüstung geht weiter<br />
Das Verteidigungsministerium kauft<br />
20 Fahrzeuge vom Typ „Dingo 2“<br />
für die Auslandseinsätze des österreichischen<br />
Bundesheeres. Hersteller<br />
ist die Münchner Firma Krauss-<br />
Maffei Wegmann. Das Vorgänger-<br />
Modell des Fahrzeuges habe sich bei<br />
der deutschen Bundeswehr bereits<br />
im Kosovo und in Afghanistan bewährt,<br />
so das Verteidigungsministerium.<br />
Die Lieferung des ersten<br />
„Dingo 2“ ist noch im Dezember<br />
2004 vorgesehen. Die übrigen 19<br />
Fahrzeuge werden 2005 ausgeliefert<br />
und dann den Truppen im Ausland<br />
zugeführt. Platter: „Diese Beschaffung<br />
erfolgte im Zuge des Sicherheitspaketes,<br />
das ich zusätzlich zu<br />
meinem Budget für 2004 erhalten<br />
habe“ (BMLV, 3.10.2004). Zur Erinnerung:<br />
Mit dem Jahreswechsel<br />
2003/2004 erhielt Platter zusätzlich<br />
zum offiziellen Militärbudget 17<br />
Millionen Euro für die „Internationalisierung<br />
des Bundesheeres“. Die<br />
Beschaffung der 20 „Dingo 2“ ist<br />
nur ein „Vorgriff“, nötig seien weitere<br />
derartige Fahrzeuge. Ebenfalls<br />
Bestandteil der Planungsüberlegungen<br />
sei die Beschaffung weiterer<br />
„Pandur“-Radpanzer, so Platter (vgl.<br />
Der Standard Online, 24.10.2004).<br />
Militärbefugnisgesetz vor<br />
Korrektur?<br />
Mit Jahresende muss das Militärbefugnisgesetz<br />
vom Parlament korrigiert<br />
werden, da der Verfassungsgerichtshof<br />
Ende Jänner 2004 Teile davon<br />
für verfassungswidrig erklärt<br />
hat. Derzeit fehlen aber ÖVP und<br />
FPÖ die dafür notwendige Zwei-<br />
Drittel-Mehrheit, da sich die SPÖ<br />
noch sperrt (vgl. Der Standard Online,<br />
22.10.2004). Mit dem Militärbefugnisgesetz<br />
wird den Bundesheer-<br />
Geheimdiensten die Bespitzelung<br />
von BürgerInnen auf bloßen Verdacht<br />
erlaubt. Gemeinden und alle<br />
Körperschaften öffentlichen Rechts<br />
(z. B. Sozialversicherungen, Arbeiterkammern,<br />
Hochschülerschaften)<br />
werden verpflichtet, Auskunft über<br />
BürgerInnen bzw. Mitglieder zu erteilen,<br />
wenn Bundesheer-Geheimdienste<br />
dies verlangen. Die <strong>Werkstatt</strong><br />
<strong>Frieden</strong> & <strong>Solidarität</strong> fordert<br />
weiterhin die Abschaffung des Militärbefugnisgesetzes.<br />
Weitere Infos: www.friwe.at<br />
Die Grünen verabschieden<br />
sich von der Neutralität<br />
Am 29. Oktober 2004, an dem Tag,<br />
an dem Bundeskanzler Schüssel in<br />
Rom die EU-Verfassung, die mit der<br />
österreichischen Neutralität unvereinbar<br />
ist, unterzeichnet hat, fasste<br />
der erweiterte Bundesvorstand der<br />
Grünen einen Beschluss, in dem er<br />
sich von der österreichischen Neutralität<br />
verabschiedet. Ein europäisches<br />
Heer unter einem europäischen<br />
Verteidigungsminister solle<br />
die nationalen Armeen ablösen.<br />
„Vergemeinschaftung heißt, es gibt<br />
keinen nationalen Sonderstatus<br />
mehr. Es gibt weder Neutralität<br />
noch eine Bündnismitgliedschaft“,<br />
so der grüne Sicherheitssprecher Peter<br />
Pilz, der sich schon seit langem<br />
als reaktionärer Vorkämpfer einer<br />
militärischen Supermacht EU hervortut.<br />
Was die grüne Basis wohl<br />
zum Treiben ihrer Führung sagt?<br />
(vgl. Der Standard, 8.11.2004)<br />
Militärbudget<br />
Mehr Geld für Kriegskurs<br />
„In der Zeit des Kalten Krieges war der primäre Zweck des Bundesheeres die Abhaltewirkung, das heißt, es sollte<br />
gar nicht so weit kommen, dass das Bundesheer tatsächlich eingesetzt werden müsste. Heute hingegen<br />
entwickeln wir das Bundesheer immer mehr in Richtung einer Einsatzarmee weiter.“<br />
(Verteidigungsminister Platter)<br />
Höheres Militärbudget für<br />
Auslandseinsätze, ... Das<br />
offizielle Militärbudget wurde erneut<br />
um 70 Millionen Euro erhöht<br />
und beträgt für das Jahr 2005 nun<br />
1,810 Milliarden Euro. Verteidigungsminister<br />
Platter ist begeistert:<br />
„In Zeiten der knappen Staats-Kassen<br />
bedeutet dieses Verhandlungsergebnis<br />
ein klares 'Ja' der Bundesregierung<br />
zur Umsetzung der größten<br />
Heeresreform der Zweiten Republik“.(1)<br />
Und da diese Budgeterhöhung<br />
auch für das Jahr 2006 gilt<br />
und damit insgesamt 140 Millionen<br />
Euro ausmacht, freut sich Platter:<br />
„In Schilling wäre das die Reformmilliarde<br />
für das Bundesheer“.(2)<br />
Damit ist das offizielle Militärbudget<br />
in den letzten 10 Jahren um<br />
knapp 25 % angestiegen (siehe Grafik<br />
1). Zusätzlich kommen dem<br />
Bundesheer die Erlöse aus den Verkäufen<br />
von Liegenschaften und Rüstungsgütern<br />
direkt zugute. Dem<br />
Budgetbericht 2005 ist zu entnehmen,<br />
wofür das zusätzliche Geld<br />
konkret verwendet werden soll:<br />
„Der Mehrbedarf wird für den Aufbau<br />
des - auch an die EU gemeldeten<br />
- Einsatzrahmens für Auslandseinsätze,<br />
für Investitionsausgaben<br />
zum Aufbau der Auslandskapazitäten<br />
[...] benötigt“.(3) Dies korrespondiert<br />
mit den „Empfehlungen“<br />
der Bundesheer-Reformkommission,<br />
die in Richtung „Kriegseinsätze<br />
im Ausland statt Neutralität“ zielen<br />
(siehe guernica 2/2004, S. 5). So<br />
wurde jüngst die Teilnahme an der<br />
Europäischen Verteidigungsagentur<br />
fixiert, die Besatzungstruppen-Präsenz<br />
auf dem Gebiet des ehemaligen<br />
Jugoslawien soll weiter ausgebaut<br />
werden und an der Teilnahme Österreichs<br />
an den „Schlachtgruppen“ der<br />
EU wird fleißig gearbeitet.<br />
... um mit den „Großen“ mitzumarschieren,<br />
... Im Juni 2004<br />
hat die Bundesregierung die volle<br />
Beteiligung an der Europäischen<br />
Verteidigungsagentur beschlossen.<br />
Diese hat u. a. eine zentrale Rolle<br />
bei der militärischen Beschaffung<br />
und der Koordinierung der Streitkräfteentwicklung<br />
sowie der militärischen<br />
Fähigkeiten der EU-Mitgliedstaaten.<br />
Und obwohl sie erst in<br />
der EU-Verfassung verankert wurde<br />
und diese noch nicht in Kraft ist,<br />
wird die Europäische Verteidigungsagentur<br />
bereits mit Jahresbeginn<br />
2005 ihre Arbeit aufnehmen. Beim<br />
informellen Treffen der EU-Verteidigungsminister<br />
am 17. September<br />
2004 fand auch die erste Sitzung des<br />
Lenkungsausschusses der Europäischen<br />
Verteidigungsagentur (EDA)<br />
statt. Dabei wurden das Arbeitsprogramm<br />
und Fragen zu Statuten, Personal<br />
und Budget besprochen. Verteidigungsminister<br />
Platter benutzte<br />
die Gelegenheit um kundzutun, dass<br />
auch österreichische VertreterInnen<br />
an der EDA mitwirken werden und<br />
sprach von einem „Meilenstein“ für<br />
die „Weiterentwicklung der Europäischen<br />
Sicherheits- und Verteidigungspolitik“,<br />
die auch einen<br />
„Impuls für die österreichische Industrie“<br />
bringen wird.(4)<br />
... fremde Länder zu besetzen<br />
... Mit 1. Jänner 2005 übernimmt<br />
die EU die SFOR-Mission der<br />
NATO in Bosnien-Herzegowina.<br />
Das ist nach Mazedonien und Kongo<br />
im Jahr 2003 die dritte eigenständige,<br />
militärische Operation der EU.<br />
Sie wird den euphemistischen Namen<br />
„Althea“ (griechisch: „die Heilende“)<br />
tragen. Vorausblickend hat<br />
Österreich deshalb im Juni 2004 bereits<br />
135 SoldatInnen dort stationiert.<br />
Dieses Kontingent soll mit<br />
Jahreswechsel um weitere 100 aufgestockt<br />
werden.(5) Damit wird die<br />
österreichische Besatzungstruppen-<br />
Präsenz auf dem Gebiet des ehemaligen<br />
Jugoslawien weiter ausgebaut.<br />
Bei diesem Auslandseinsatz des<br />
österreichischen Bundesheeres handelt<br />
es sich nicht um einen klassischen<br />
UNO-Blauhelm-Einsatz. An<br />
solchen beteiligt sich ja Österreich<br />
schon seit dem Jahr 1960, die prominentesten<br />
Beispiele sind der Golan<br />
und bis vor kurzem Zypern.<br />
Merkmale dieser klassischen UNO-<br />
Blauhelm-Einsätze sind, dass sie mit<br />
einem Beschluss des UNO-Sicherheitsrates<br />
unter Führung der UNO<br />
stattfinden und auf Kapitel VI der<br />
UN-Charta basieren, d. h. es handelt<br />
sich bei ihnen um sogenannte Peace-<br />
Keeping-Einsätze. Alle Streitparteien<br />
müssen einen Waffenstillstand<br />
ausverhandelt haben und dem UNO-<br />
Einsatz zustimmen. Die UNO-Blauhelme<br />
dürfen Waffengewalt lediglich<br />
zur Selbstverteidigung anwenden.<br />
Die Auslandseinsätze des österreichischen<br />
Bundesheeres in der<br />
Grafik 2 finden aber unter Führung<br />
der NATO, der EU oder einer sogenannten<br />
Lead-Nation statt; wenn<br />
diese durch einen Beschluss des<br />
UNO-Sicherheitsrates gedeckt sind,<br />
basieren sie auf Artikel VII der UN-<br />
Charta, d. h. es handelt sich um<br />
Kampfeinsätze (Peace-Making, Peace-Enforcement).<br />
Bis Anfang der<br />
1990er Jahre galten solche Einsätze<br />
als mit der österreichischen Neutralität<br />
nicht vereinbar. Aber auch hier<br />
wurde die Neutralität ausgehend von<br />
geänderten politischen Kräfteverhältnissen<br />
einfach uminterpretiert.<br />
... und gegebenenfalls auch zu<br />
überfallen. Dass sich Österreich in<br />
Zukunft nicht nur mit der Besetzung<br />
fremder Länder zufrieden geben<br />
will, zeigen die jüngsten Entwicklungen<br />
rund um die „Battle Groups“<br />
- zu deutsch bezeichnenderweise<br />
„Schlachtgruppen“ - der EU. Bei<br />
den „Schlachtgruppen“ der EU handelt<br />
es sich um bis zu neun, hochspezialisierte<br />
Kampf-Verbände mit<br />
jeweils ca. 1.500 SoldatInnen, die<br />
innerhalb von 5 bis 30 Tagen global<br />
einsatzbereit sein sollen. Sie werden<br />
zusätzlich zur EU-Interventionstruppe<br />
aufgebaut, an der Österreich<br />
mit seinen „Kräften für internationale<br />
Operationen“ (KIOP)<br />
ebenfalls beteiligt ist. Der deutsche<br />
Verteidigungsminister Peter Struck<br />
informierte, dass sich Deutschland<br />
an drei „Battle Groups“ beteiligen<br />
will. Eine „Schlachtgruppe“ solle<br />
zusammen mit Österreich und<br />
Tschechien gestellt werden. Diesbe-<br />
1.900<br />
1.800<br />
1.700<br />
1.600<br />
1.500<br />
1.400<br />
1.300<br />
1.463<br />
Die Auslandseinsätze des österreichischen Bundesheeres<br />
(ohne klassische UNO-Blauhelm-Einsätze)<br />
Land Einsatz Jahr Kont. Führung<br />
Bosnien-<br />
Herzegowina<br />
IFOR/SFOR 1996-<br />
2001<br />
zügliche Gespräche würden bereits<br />
laufen.(6) Bereits im Mai dieses<br />
Jahres verlautbarte das österreichische<br />
Verteidigungsministerium:<br />
„Der Verteidigungsminister strebt<br />
eine Kooperation im Rahmen einer<br />
Europäischen Battle-Group an“.(7)<br />
Kriegskurs. Worum es den österreichischen<br />
Eliten mit dieser Orientierung<br />
geht, hat Verteidigungsminister<br />
Platter bei seiner Rede beim Europäischen<br />
Forum Alpbach auf den<br />
Punkt gebracht: „In der Zeit des<br />
Kalten Krieges war der primäre<br />
Zweck des Bundesheeres die Abhaltewirkung,<br />
das heißt, es sollte gar<br />
nicht so weit kommen, dass das Bundesheer<br />
tatsächlich eingesetzt werden<br />
müsste. Heute hingegen entwickeln<br />
wir das Bundesheer immer<br />
mehr in Richtung einer Einsatzarmee<br />
weiter“. Und weil Österreich<br />
ein Kleinstaat ist, ist es bei diesen<br />
imperialen Ambitionen auf größere<br />
Partner in einem Verbund angewiesen:<br />
„Hierbei denken wir nicht mehr<br />
rein national sondern vor allem europäisch.<br />
Der Leitgedanke ist also<br />
die 'Europäisierung' des Bundesheeres.<br />
Und Europäisierung meint<br />
auch, dass diese Strukturen so geschaffen<br />
und geplant werden müssen,<br />
dass sie tatsächlich zur Verfügung<br />
stehen und eingesetzt werden<br />
können“.(8) Damit wird erneut do-<br />
300 NATO<br />
SFOR 2004 150 NATO<br />
EUFOR-<br />
ALTHEA<br />
ab<br />
2005<br />
250 EU<br />
Kosovo KFOR<br />
seit<br />
1999<br />
600<br />
Mazedonien<br />
EUFOR-<br />
2003<br />
CONCORDIA<br />
15 EU<br />
Kongo<br />
EUFOR-<br />
ARTEMIS<br />
2003 3 EU<br />
Afghanistan<br />
Ausgaben des Bundes<br />
Militärische Angelegenheiten<br />
(in Mio. EUR, Quelle: BMF)<br />
1.487 1.504 1.536 1.552<br />
1.603<br />
1.734<br />
1.666 1.665<br />
1.761 1.740<br />
NATO (-><br />
EU?)<br />
ISAF 2002 70 NATO<br />
ISAF 2004 3 NATO<br />
1.810<br />
1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005<br />
Grafik 1: Das offizielle Militärbudget wurde erneut um 70 Millionen<br />
Euro erhöht und beträgt für das Jahr 2005 nun 1,810 Milliarden Euro.<br />
Damit ist es in den letzten 10 Jahren um knapp 25 % angestiegen.<br />
Zusätzlich kommen dem Bundesheer die Erlöse aus den Verkäufen von<br />
Liegenschaften und Rüstungsgütern direkt zugute.<br />
Anmerkung: bis 2003 = reale Ausgaben, 2004 = Budget, 2005 = Budget-Entwurf;<br />
die realen Ausgaben für 2004 und 2005 werden erfahrungsgemäß höher<br />
ausfallen; so wurden z. B. für 2003 (so wie für 2004) 1,740 Milliarden Euro<br />
budgetiert (real: 1,761 Milliarden Euro)<br />
Grafik 2: Die Auslandseinsätze des österreichischen Bundesheeres, die<br />
keine klassischen UNO-Blauhelm-Einsätze sind, nehmen rasch zu.<br />
kumentiert, wie weit sich die offizielle<br />
Politik bereits vom völker- und<br />
verfassungsrechtlichen Boden der<br />
Neutralität entfernt hat. Kämpfen<br />
wir für die bedingungslose Verteidigung<br />
der österreichischen Neutralität,<br />
deren Kern die Verpflichtung<br />
ist, sich prinzipiell an keinen Kriegen<br />
zu beteiligen. Österreichische<br />
SoldatInnen haben im Ausland<br />
nichts verloren - weder als Besatzungs-<br />
noch als Interventionstruppen.<br />
Günter Reder<br />
Anmerkungen:<br />
(1) Platter: Heer startet 2005 voll<br />
durch! (BMLV, www.bmlv.gv.at,<br />
13.10.2004)<br />
(2) ebd.<br />
(3) Budgetbericht 2005 (BMF, S. 15)<br />
(4) vgl. Verteidigungsagentur bringt<br />
wichtigen Impuls für Österreich<br />
(BMLV, www.bmlv.gv.at, 17.09.2004)<br />
(5) Bundesheer entsendet mehr Soldaten<br />
nach Bosnien (BMLV,<br />
www.bmlv.gv.at, 27.09.2004)<br />
(6) vgl. Die Welt, 17./18.09.2004<br />
(7) Platter: Headline-Goal 2010 bedeutet<br />
neue Qualität militärischer Zielsetzungen<br />
(BMLV, APA OTS, 17.05.2004)<br />
(8) Minister Platter beim Forum Alpbach:<br />
EU-Verteidigungspolitik mitgestalten<br />
(BMLV, www.bmlv.gv.at,<br />
01.09.2004)