Werkstatt Frieden & Solidarität - Friedenswerkstatt Linz
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guernica 5/2004 Krieg gegen den Irak 9<br />
Ein Herz für 200 $, ein Kopf für 50 $<br />
Horror in Bagdad: Handel mit menschlichen Organen<br />
(Leicht gekürzt aus: La Stampa, 27.9.2004; Autor: Guiseppe Zaccaria)<br />
Seit Monaten wird im Irak der<br />
Rohstoff verkauft, der im Land<br />
reichlich vorhanden ist - menschliche<br />
Körper. Vollständige Leichen,<br />
Organe für Transplantationen, abgetrennte<br />
Köpfe für die Ausbildung<br />
von Zahnärzten werden täglich auf<br />
Kühlwagen Richtung Kuwait und<br />
Irak transportiert und landen<br />
schließlich in australischen, japanischen<br />
und schweizer Kliniken. Bei<br />
diesem Geschäft geht es um Milliarden<br />
Dollar, es werden enorme Bestechungsgelder<br />
gezahlt und moralische<br />
oder religiöse Bedenken existieren<br />
nicht mehr. Die ersten Spuren<br />
fand man vor einigen Wochen,<br />
als ein Transport im Ort Qaime an<br />
der syrischen Grenze gestoppt worden<br />
war. Hinter einer Ladung Rindfleisch<br />
waren menschliche Leichenteile<br />
versteckt. Der Lenker versuchte,<br />
die Beamten zu bestechen, es gab<br />
eine längere Diskussion und schließlich<br />
wurden die menschlichen Überreste<br />
in der Wüste verstreut, da es<br />
keine Gefrieranlagen gab, und man<br />
die Herkunft der Leichen nicht<br />
kannte.<br />
„Wenn besonders blutige Anschläge<br />
stattfinden, fallen die<br />
Preise“. Diese Geschichte klingt<br />
wie ein Horrorfilm, aber ein Besuch<br />
in der Leichenschauhalle und Gespräche<br />
mit Ärzten und Polizisten<br />
bestätigen, dass der Handel straff organisiert<br />
ist. Im Spital Al Adli, Sitz<br />
des gerichtsmedizinischen Institutes,<br />
erzählte der Arzt Selim Abbas,<br />
dass viele der eintreffenden Leichen<br />
merkwürdige Verstümmelungen<br />
aufweisen. „Es ist uns klar geworden,<br />
als im vergangenen Winter unzählige<br />
Autobomben explodiert sind,<br />
und die Leichen von Zivilisten in<br />
Der US-Krieg gegen den Irak<br />
und die seither andauernde Besatzung<br />
haben etwa 100.000 Iraker-<br />
Innen das Leben gekostet. Zu diesem<br />
Ergebnis kommt eine unabhängige<br />
Studie, die Ende Oktober 2004<br />
in der britischen Medizinzeitschrift<br />
„The Lancet“ veröffentlicht wurde.<br />
Die Studie basiert auf einer Umfrage,<br />
die im Auftrag der renommierten<br />
US-Hochschulen Johns Hopkins<br />
(Baltimore) und Columbia (New<br />
York) sowie der Al-Mustansirija-<br />
Universität in Bagdad im September<br />
von amerikanischen und irakischen<br />
Wissenchaftlern, vorwiegend Ärzten,<br />
durchgeführt wurde. Die Wissenschaftler<br />
befragten knapp tausend<br />
Haushalte in 33 zufällig ausgewählten<br />
Gegenden im Irak und umfassten<br />
ingesamt 7.800 IrakerInnen.<br />
Die Familien wurden gebeten, die<br />
Zahl der seit Anfang 2002 gestorbenen<br />
Angehörigen sowie die Toedesumstände<br />
zu nennen. Die Experten<br />
berechneten auf Grund dieser Daten<br />
„Der Organhandel in den<br />
vergangenen Jahren entwickelte<br />
sich auf Grund<br />
der Korruption einiger<br />
Funktionäre und dem verheerenden<br />
Effekt des Embargos.<br />
Es ist logisch, dass<br />
sich der Handel jetzt immer<br />
weiter ausbreitet, da<br />
die Armut immer größer<br />
wird und es immer mehr<br />
Tote gibt.“<br />
Scharen eingeliefert worden sind.<br />
Einige waren durch die Explosionen<br />
verstümmelt, andere durch Schnittverletzungen.<br />
Es war eindeutig und<br />
es geschah in den folgenden Monaten<br />
immer häufiger, dass jemand die<br />
Opfer einsammelte, um sie in<br />
Spitäler oder Privatkliniken zu bringen,<br />
wo in aller Eile Herz, Nieren<br />
und Leber entfernt wurden. Was<br />
übrig blieb, wurde zu uns gebracht.<br />
Auch der Chef der Kriminalpolizei<br />
bestätigt diese Vorkommnisse.<br />
Schon vor einigen Jahren hätte ein<br />
Räuber, der in eine Villa eingedrungen<br />
sei, statt Wertgegenständen eine<br />
Reihe von Kühlschränken gefüllt mit<br />
menschlichen Überresten vorgefunden.<br />
Damals waren die Zeitungen<br />
voll davon. Es gab Verhaftungen<br />
und man entdeckte einen Organhandel<br />
zwischen dem Irak und den Emiraten.<br />
Endziel war der Westen. Der<br />
Organhandel in den vergangenen<br />
Jahren entwickelte sich auf Grund<br />
der Korruption einiger Funktionäre<br />
und dem verheerenden Effekt des<br />
Embargos. Es ist logisch, dass sich<br />
der Handel jetzt immer weiter ausbreitet,<br />
da die Armut immer größer<br />
wird und es immer mehr Tote gibt“.<br />
„An manchen Tagen“, sagt der<br />
Polizeichef, „wenn besonders blutige<br />
Anschläge stattfinden, fallen die<br />
Preise. Ein Herz ist dann gerade<br />
200 Dollar wert [...] Vor ein paar<br />
Monaten haben wir ein paar Händler<br />
verhaftet, aber es waren kleine<br />
Fische, nämlich Krankenträger. Jedoch<br />
hat jede Bande Helfer unter<br />
den Ärzten und Transportorganisationen.<br />
Andere Banden beschäftigen<br />
professionelle Menschenräuber, die<br />
Menschen entführen, vor allem Kinder“.<br />
(Halb-)tote Iraker - Ware für<br />
den Weltmarkt der Organtransplantationen.<br />
Wie der Diebstahl<br />
der Leichen funktioniert, erzählt die<br />
Ärztin Tahrid Mohammned, Gynäkologin<br />
an der Klinik al Beyah:<br />
„Unter den Ärzten von Bagdad<br />
spricht man viel über diese Sache.<br />
Offensichtlich existieren in der Stadt<br />
mindestens vier Banden. Sie haben<br />
entweder Kleinlastwagen und Ambulanzen<br />
oder sie erpressen die<br />
Fahrer der Spitäler. Wo immer ein<br />
Anschlag geschieht, tauchen diese<br />
Verbrecher auf, wählen die Opfer<br />
aus - die jüngsten, die am wenigsten<br />
zerfetzten, solche die eventuell noch<br />
atmen - und schleppen sie davon.<br />
Wenn die Reste in den gerichtsmedizinischen<br />
Instituten auftauchen,<br />
wird den Angehörigen gesagt, der<br />
Körper sie unidentifizierbar gewesen<br />
und sofort begraben worden. So<br />
verwandeln sich Dutzende oder hunderte<br />
Iraker in Ware für den Weltmarkt<br />
der Organtransplantationen“.<br />
Kinderentführungen für Organhandel?<br />
2.000 Dinar (ca. 1.500<br />
Dollar) für eine Niere, 1.000 Dinar<br />
für eine Leber in gutem Zustand, 50<br />
Dollar für einen Kopf, der in den<br />
Zahnkliniken des Westens für den<br />
Unterricht verwendet wird, sind unglaublich<br />
niedrige Preise - ungefähr<br />
ein Zehntel dessen, was man in Europa<br />
zahlen müsste. Es geht das<br />
Gerücht um, dass ein türkischer<br />
Händler im vergangenen Juni<br />
menschliche Organe im Wert von 4<br />
Millionen Dollar exportiert hätte.<br />
Letzten Endes ist das kein Wunder,<br />
denn die strengen Gesetze eines<br />
Landes, das in ein Spielfeld und einen<br />
Tempel des Hyperliberalismus<br />
verwandelt worden ist, verlangen ja,<br />
dass die Rohstoffe exportiert werden,<br />
die im Überfluss vorhanden<br />
sind.<br />
„Leider“, sagt der Polizeichef,<br />
„fürchten wir seit Monaten, dass die<br />
Verbrecher auch entführte Kinder<br />
zum Zwecke des Organhandels exportieren“.<br />
Das allerdings ist zuviel,<br />
auch für jemand, der sich an den alltäglichen<br />
Horror in dieser Todesfabrik<br />
gewöhnt hat.<br />
Medizinerstudie im Auftrag von US-Universitäten kommt zu grauenhaftem Ergebnis<br />
100.000 Iraker durch Krieg und Besatzung getötet<br />
Medizinerstudie im Auftrag von US-Hochschulen offenbart Grauenhaftes: nach vorsichtigen<br />
Schätzungen hat der Krieg und die Besatzung des Iraks 100.000 IrakerInnen<br />
das Leben gekostet. Vor allem Zivilisten sind Opfer von Gewalt und Militäreinsätzen.<br />
die durchschnittliche Sterberate im<br />
Irak in den Moanten vor und nach<br />
dem 20. März 2003 und rechneten<br />
die Ergebnisse auf die Gesamtbevölkerung<br />
hoch.<br />
58 Mal höheres Todesrisiko als<br />
vor dem Krieg. Die meisten Todesfälle<br />
gehen laut Studie auf Gewalteinwirkung<br />
zurück. 84 % der<br />
Toten resultieren aus Gewalteinsätzen<br />
der Besatzungstruppen und davon<br />
wieder 95 % durch Angriffe der<br />
US-Luftwaffe bzw. Artillerie. Les<br />
Roberts von der John Hopkins<br />
Bloomberg School of Public Helath<br />
weist ausdrücklich darauf hin, dass<br />
es sich um „vorsichtige Schätzungen“<br />
handelt. Denn die Zahlen wurden<br />
zweimal kalkuliert, einmal mit<br />
den Angaben aus der Stadt Falludscha,<br />
in der es zu exzessiver Gewaltanwendung<br />
der US-Truppen gekommen<br />
ist, und einmal unter deren<br />
Ausschluss. Die Daten von Falludscha<br />
außer Acht gelassen, kommt<br />
die Studie zu dem Schluss, dass in<br />
den vergangenen eineinhalb Jahren<br />
vermutlich etwa 98.000 IrakerInnen<br />
mehr starben als zu erwarten gewesen<br />
wäre, hätte die Invasion nicht<br />
stattgefunden. Rechnet man Falludscha<br />
- nur für das Umland - hoch,<br />
müsste man von mehr als 200.000<br />
Toten ausgehen. „Die Gefahr, gewaltsam<br />
zu Tode zu kommen, war in<br />
der untersuchten Zeit nach der Invasion<br />
58 Mal höher als in der Vorperiode“,<br />
heißt es in der Studie.<br />
Hälfte der Toten sind Frauen<br />
und Kinder. Die Bombardierung<br />
der Zivilbevölkerung ist Teil eines<br />
brutalen Kalküls, um einen Keil<br />
zwischen die Bevölkerung und den<br />
kämpfenden Banden zu treiben. Die<br />
Hälfte der Toten sind laut der Ärztestudie<br />
Frauen und Kinder. Gilbert<br />
Burnham, der ebenfalls an der Untersuchung<br />
teilnahm, erklärt, dass<br />
die US-Militäraktionen „sehr<br />
schlecht für die irakischen Zivilisten<br />
waren. Wir haben nicht so ein hohes<br />
Maß an Todesfällen durch Gewalt<br />
erwartet, wie wir es in der Studie gefunden<br />
haben“. Die US-Besatzungsmacht<br />
selbst weigert sich nach wie<br />
vor, Angaben über die getöteten Iraker<br />
zu machen.<br />
Studie im Internet:<br />
www.thelancet.com<br />
IRAK<br />
Befehlsverweigerung von<br />
US-Soldaten<br />
Die US-Armee hat nach eigenen Angaben<br />
Ermittlungen gegen 19 US-<br />
Soldaten im Irak wegen Befehlsverweigerung<br />
eingeleitet. Die Angehörigen<br />
eines Versorgungszuges<br />
haben Anfang November den Befehl<br />
verweigert, einen Treibstoffkonvoi<br />
zu bewachen. Die Tageszeitung Clarion-Ledger<br />
im US-Bundesstaat<br />
Mississippi berichtete unter Berufung<br />
auf Angehörige der Befehlsverweigerer,<br />
die Soldaten seien verhaftet<br />
worden, weil sie sich geweigert<br />
hätten, auf eine Selbstmordmission<br />
zu gehen.<br />
Deutsches Arbeitsamt vermittelt<br />
Arbeitslose in den Irak<br />
Die Bundesagentur für Arbeit bietet<br />
Jobsuchenden nun auch Beschäftigungsmöglichkeiten<br />
im Irak an. Gesucht<br />
werden Sicherheitskräfte, die<br />
den Flughafen in Mossul im Norden<br />
des Landes bewachen. Bewerber<br />
müssen den Angaben zufolge Englisch<br />
sprechen können, körperlich<br />
fit sein und sich mit Waffen auskennen.<br />
Zudem bräuchten sie ein Zertifikat<br />
der Industrie- und Handelskammer,<br />
das ihnen bescheinigt, eine<br />
„geprüfte Sicherheitsdienstleistungskraft“<br />
zu sein. Neben einem<br />
überdurchschnittlichen Gehalt und<br />
Unterkunft bietet der Arbeitgeber<br />
auch eine Lebensversicherung an.<br />
Nach Angaben der Sprecherin der<br />
Zentralstelle werden auch nach Afghanistan<br />
„Fachkräfte“ vermittelt.<br />
Mikrowellenwaffen gegen<br />
Demonstranten<br />
Der Irak dient immer mehr als Testgelände<br />
für die Erprobung neuartiger<br />
Waffen. Die US-amerikanische<br />
Militärzeitschrift „Stars and Stripes“<br />
berichtet in ihrer aktuellen Ausgabe,<br />
dass bis zum kommenden Sommer<br />
vier bis sechs neuartige Strahlenkanonen<br />
in den Irak geschafft werden.<br />
Auf Geländewagen montierte Antennen<br />
werden dort bei Bedarf Mikrowellen<br />
mit einer Frequenz von<br />
95 Gigaherz abstrahlen, die knapp<br />
einen Millimeter in die Haut eindringen.<br />
Eingesetzt werden soll die<br />
neue Wunderwaffe gegen Demonstranten<br />
und Aufständische. Von den<br />
Strahlen getroffen, verspürten sie einen<br />
„unerträglichen Schmerz“ und<br />
liefen auseinander.<br />
Kriegskosten laufen davon<br />
Die Washington Post berichtet Ende<br />
Oktober, dass die Regierung plane,<br />
nach den US-Wahlen weitere 70<br />
Milliarden US-Dollar für den Irak-<br />
Krieg freizugeben. Damit würden<br />
die Gesamtkosten seit dem Einmarsch<br />
in den Irak auf 225 Milliarden<br />
steigen. Während der Kriegsvorbereitungen<br />
2002 waren die<br />
Kriegskosten noch auf 40 Milliarden<br />
US-Dollar geschätzt worden.<br />
Kein Trinkwasser<br />
Laut Angaben des irakischen Gesundheitsministers<br />
Ala´din Alwan<br />
haben 20 % der städtischen Bevölkerungen<br />
keinen Zugang zu sicherem<br />
Trinkwasser, am Land müssen<br />
mehr als die Hälfte der Haushalte<br />
ohne frisches Wasser bzw. Sanitäranlagen<br />
leben.