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Werkstatt Frieden & Solidarität - Friedenswerkstatt Linz

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guernica 5/2004 „Krieg gegen den Terror“/Zivildienst 13<br />

Den Teufel nicht mit dem Beelzebub austreiben,<br />

das Teuflische nicht mit dem Teufel besiegen<br />

Von Klaus Heidegger (Pax Christi Tirol)<br />

Teufel und Terror beginnen nicht<br />

nur mit dem gleichen Buchstaben.<br />

Das Teuflische hat in unserer<br />

Zeit Bilder und Namen: Die toten<br />

Kinder von Beslan, die einstürzenden<br />

Türme des World Trade Center,<br />

die täglich neuen Bombardierungen<br />

irakischer Städte durch US-Kampftruppen<br />

und die täglich neuen Gegenanschläge<br />

islamistischer Gruppen,<br />

der Mauerbau zwischen Israel und<br />

dem Westjordanland und die zerfetzten<br />

Körper von Israelis nach einem<br />

Selbstmordattentat palästinensischer<br />

Killerkommandos, die Häuserskelette<br />

von Grosny, die den Bildern<br />

von Dresden nach den Flächenbomardements<br />

der Alliierten gleichen,<br />

die blutverschmierten Körper<br />

auf Bahngeleisen in Madrid. Terror<br />

tritt im Gewand fanatisierter Todespiloten<br />

über unschuldige Flugreisende<br />

und Büroangestellte herein<br />

ebenso wie im Gewand von Bomben<br />

aus Tarnkappenjets auf Kleinhändler<br />

und Marktfrauen in sogenannten<br />

„Schurkenstaaten“. Der gemeinsame<br />

Nenner lautet: unermessliches<br />

Leid, Zerstörung.<br />

Krieg selbst ist Terror. Was<br />

zeichnet Terror aus? Immer geht es<br />

um kaltblütige Abschreckung, Einschüchterung,<br />

Rache oder Vergeltung,<br />

die auf die bewusste Vernichtung<br />

unschuldiger Menschen zielt,<br />

in der Sprache der Kriegsanalytiker:<br />

auf die „weichen Ziele“. Kaltblütiges<br />

Ermorden zählt zur Taktik. Terror<br />

findet außerhalb jedes formalen<br />

Rechtes statt und missachtet bewusst<br />

die Menschenrechte. Auf der einen<br />

Seite steht der Terror fundamentalistischer<br />

Organisationen, die<br />

außerhalb einer staatlichen Autorität<br />

agieren, auf der anderen Seite kann<br />

von „Staatsterror“ gesprochen werden,<br />

der sich ebenfalls im Wider-<br />

spruch zu den Grundsätzen der UN-<br />

Charta befindet.<br />

Die vergangenen drei Jahren haben<br />

das Versagen der US-Administration<br />

und ihrer Verbündeten offenbart.<br />

Krieg ist keine adäquate<br />

Antwort auf den Terror, sondern<br />

treibt die Eskalation des Terrors<br />

weiter. Krieg selbst ist Terror! Die<br />

Kriegsrufe des US-Präsidenten stärken<br />

den Kampfgeist der Terrorgruppen.<br />

Die gigantischen Mittel für das<br />

Militär verdrängen die zivilen Möglichkeiten.<br />

Die „Bush-Doktrin“ mit<br />

Präventivoptionen gegen die Infrastruktur<br />

ganzer Nationen ohne jegliches<br />

völkerrechtliches Mandat hat<br />

versagt. Bush und seine Gesinnungsgenossen<br />

nützen den von ihnen<br />

proklamierten „Krieg gegen den<br />

Terror“, um von den großen Problemen<br />

abzulenken: der zunehmend<br />

größeren Konzentration von Kapital<br />

und Vermögen in den Händen weniger,<br />

der steigenden Gefahren durch<br />

Umweltkatastrophen im Gefolge eines<br />

verschwenderischen Lebensstils<br />

des Nordens.<br />

Der Terror in Russland und den<br />

von Putin-Russland kontrollierten<br />

Republiken beruht auf Gegenseitigkeit.<br />

Es gibt keine Rechtfertigung<br />

für die Brutalität, für die Kaltblütigkeit<br />

und den Horror, der durch Terroranschläge<br />

verübt wird. Deutlich<br />

wie sonst nirgends zeigt das Beispiel<br />

Tschetschenien, dass Präsident Putin<br />

mit seiner Politik der Missachtung<br />

tschetschenischer Interessen und mit<br />

fortlaufenden Menschenrechtsverletzungen<br />

die Saat für den Terror sät.<br />

Terrorbekämpfung wird zum Löschen<br />

von Feuer mit Öl. Im Hintergrund<br />

der Politik von Moskau stehen<br />

letztlich ökonomische Interessen,<br />

die zuvorderst einen Namen tragen:<br />

Öl. Folglich ist die causa prima<br />

gegeben, der Kampf um den Ein-<br />

fluss auf die letzten Erdölressourcen<br />

dieser Welt. So ist die vom Terror<br />

und Wüten des Krieges verschonte<br />

westliche Welt in ihrem unermesslichen<br />

Hunger nach Öl mit Kriegsursache.<br />

EU-Verfassung auf der Linie<br />

der Bush-Doktrin. Ob Israel-Palästina,<br />

Russland-Tschetschenien oder<br />

Irak-USA, der globale Krieg gegen<br />

den Terrorismus hat die Fundamentalismen<br />

verstärkt, je mehr die staatliche<br />

Gewalt unter dem Anspruch<br />

der Terrorbekämpfung zugenommen<br />

hat.<br />

Die EU-Verfassung liegt in ihrer<br />

sicherheitspolitischen Ausrichtung<br />

ganz auf der Linie der Bush-Doktrin<br />

und der herrschenden Terrorbekämpfung<br />

mit den Mitteln des<br />

Krieges. Auch dort wird der Kampf<br />

gegen den Terror als Hauptbedrohungsbild<br />

genannt, dem mit Festlegungen<br />

auf preemptives Engagement<br />

- sprich Präventivschläge ohne<br />

UN-Mandat - zu begegnen ist.<br />

Die Antwort auf den Terror muss<br />

immer <strong>Solidarität</strong> mit den Opfern,<br />

konsequente Verfolgung der Täter<br />

und Herrschaft des Rechts sein. Dies<br />

ist kein Appeasement, sondern Boden<br />

für eine nachhaltige Lösung des<br />

Terrors.<br />

Jeder Staat hat das Recht und die<br />

Pflicht, seine Bevölkerung vor Terror<br />

zu schützen. Terrorbekämpfung<br />

kann nur auf dem Boden der universalen<br />

und allgemein gültigen Menschenrechte<br />

geschehen. Der Schutz<br />

der Menschen vor Terror ist Aufgabe<br />

der Polizei und kann nicht zur<br />

Aufgabe der Militärs werden, wie<br />

dies von Bush über Sharon und Blair<br />

bis Putin praktiziert wird und verfassungsrechtlich<br />

auch in der EU-Verfassung<br />

festgeschrieben werden soll.<br />

Es ist bedenklich, wenn überall die<br />

Funktionen von Militär und Polizei<br />

vermischt werden.<br />

Wurzeln des Terrors bekämpfen.<br />

Es gibt die Alternativen zum<br />

globalisierten Militarismus mit seinen<br />

falschen Versprechungen. Sicherheit<br />

wird versprochen, kommt<br />

aber durch noch so gigantische Aufrüstungen<br />

und Krieg gegen ganze<br />

Nationen nicht zustande. Die Antwort<br />

auf den Terror muss ein verstärktes<br />

Eintreten für Gerechtigkeit<br />

und <strong>Frieden</strong> sein. Eine Welt, die zunehmend<br />

mehr in Reich und Arm<br />

gespalten ist, bietet Nährboden für<br />

terroristische Ideologien. Terror ist<br />

Symptom. Terrorbekämpfung kann<br />

nicht Symptombekämpfung bleiben,<br />

sondern die Ursachen des Terrors<br />

sind anzupacken.<br />

Die Kirchen und Religionsgemeinschaften<br />

haben eine besondere<br />

Aufgabe: Weil im Namen Gottes fanatisierte<br />

Mörderbanden abscheuliche<br />

Gewalttaten begehen und auch<br />

die Staaten des Westens ihren Krieg<br />

mit religiösen Motiven untermauern<br />

- der Kampf des Guten gegen das<br />

Böse - können religiöse Menschen<br />

dagegen halten: Der Glaube an den<br />

Einen Gott verbindet Juden, Christen<br />

und Muslime. Alle großen Religionsgemeinschaften<br />

gehen von der<br />

Heiligkeit des Menschen aus und<br />

begründen daher seinen Schutz.<br />

Auch wenn viele der jüngsten Terrorangriffe<br />

von islamistischen Organisationen<br />

verübt wurden, kann Terrorbekämpfung<br />

nicht ein Kampf gegen<br />

den Islam sein.<br />

Wer <strong>Frieden</strong> schaffen will, muss<br />

Feindbilder zerstören: Nicht der Islam<br />

ist der Feind, sondern eine Religion<br />

mit einer großartigen Zivilisation;<br />

nicht Israel ist der Feind, sondern<br />

das jüdische Volk hat ein Recht<br />

auf einen Staat.<br />

Wehrersatzdienst - anachronistisches Auslaufmodell<br />

oder Sinnbild einer modernen Solidargemeinschaft?<br />

Bis Ende Jänner 2005 beschäftigt sich die Zivildienstreformkommission mit dem Umbau des 1975 eingeführten<br />

Wehrersatzdienstes und wird dann eine Empfehlung zu formulieren haben. Welche gesellschaftspolitische Bewertung<br />

der Zivildienst darin erfährt bleibt weitgehend fragwürdig.<br />

Zukunftsweisende Neuformulierung?<br />

Die Einsetzung einer<br />

Reformkommission für den Zivildienst<br />

ist grundsätzlich überaus<br />

wünschenswert, um die über die<br />

Jahre angehäuften Fragestellungen<br />

und Veränderungen in einem möglichst<br />

breiten gesellschaftlichen<br />

Rahmen kontrovers zu diskutieren.<br />

Doch welche konkreten Ausformungen<br />

die Kommission mit ihren Fachausschüssen<br />

über die letzten Wochen<br />

angenommen hat, wirkt aus<br />

Sicht der Zivildiener immer befremdender.<br />

Denn es scheint, als werden<br />

Grundsatzfragen des Zivildienstes,<br />

derer sich eine Gesellschaft zu stellen<br />

hat, immer mehr auf Kosten betriebswirtschaftlicher<br />

Kalkulationen<br />

verdrängt. Die Kommission lässt dadurch<br />

implizit durchblicken, dass es<br />

ihr an einer Vision für den zukünfti-<br />

gen Zivildienst und dessen Bedeutung<br />

für ein sinnstiftendes Gemeinwesen<br />

schlicht und einfach fehlt.<br />

Denn diese Fragestellungen verblassen<br />

im Lichte statistischer Zahlen,<br />

staatlicher Kameralistik und betriebswirtschaftlicher<br />

Berechnungen<br />

der Trägerorganisationen. Dabei ist<br />

eine solche Schwerpunktverlagerung<br />

mehr als problematisch. Eine<br />

Gesellschaft, die Zivildiener nur<br />

noch als billige Arbeitskräfte betrachtet<br />

und bei jedem Vorstoß zu<br />

deren „Besserstellung“ den Zusammenbruch<br />

des Sozialsystems ins<br />

Feld führt, darf letztlich die Illusions-<br />

und Perspektivenlosigkeit der<br />

jungen Menschen nicht beklagen.<br />

Man klammert sich an ein historisch<br />

gewachsenes Modell, das ganz unbeabsichtigt<br />

plötzlich zum Lösungsansatz<br />

für dringende sozialpolitische<br />

Herausforderungen geworden ist.<br />

Dabei übersieht man sowohl die gesellschaftspolitischen<br />

und demographischen<br />

Entwicklungen als auch<br />

die Anliegen der jungen Menschen.<br />

Denn diese stehen ja einem Dienst<br />

an der Gesellschaft bei entsprechenden<br />

Konditionen durchaus nicht ablehnend<br />

gegenüber, wie eine kürzlich<br />

veröffentlichte Erhebung zu<br />

freiwilligen Sozialdiensten belegt.<br />

Quantität vor Qualität. Dass<br />

man aber gerade in der Frage dieser<br />

Rahmenbedingungen aufgrund des<br />

Kostenfaktors kaum Spielraum<br />

sieht, lässt auch die Politik, bei Max<br />

Weber noch die „Kunst des Möglichen“,<br />

die aber immer auch nach<br />

dem Unmöglichen greifen muss, zu<br />

einer determinierten Subkategorie<br />

ökonomischer Kalküle verkommen.<br />

Und welche Qualität hat letztlich die<br />

Arbeit einer Kommission, die aus<br />

Kostenüberlegungen zwar die Trägereinrichtungen<br />

befragt, für die Befragung<br />

der Zivildienstleistenden jedoch<br />

keine Mittel zur Verfügung<br />

stellen will? (Diese Befragung wird<br />

jetzt auf Initiative und Kosten der<br />

Zivildienervertreter durchgeführt:<br />

www.zivildienst.at/fragebogen). Sie<br />

erscheint dann kaum mehr als ein<br />

Tummelplatz semiprofessioneller<br />

Betriebswirte, die unwissend der<br />

Beschränkungen der statistischen<br />

Analyse, der Bedeutung der zugrundeliegenden<br />

Datenbasis und eines<br />

methodisch einseitigen als auch<br />

wertenden wissenschaftlichen Zugangs,<br />

trotzdem auf dieser Grundlage<br />

über die Zukunft des Zivildienstes<br />

entscheiden.<br />

So bleibt zu befürchten, dass<br />

Militärblöcke spalten -<br />

Neutralität verbindet!<br />

Besondere Möglichkeiten des<br />

Neutralen. Österreich könnte als<br />

neutraler Staat in besonderer Weise<br />

ein Anwalt für die skizzierten nichtmilitärischen<br />

und nicht-kriegerischen<br />

Wege der Terrorbekämpfung<br />

sein: Nicht durch Ankauf von Kriegstechnologien,<br />

z. B. Kampfjets,<br />

nicht durch Erhöhung von Militäretats,<br />

sondern durch Eintreten für internationale<br />

Abrüstung, durch Aufwerten<br />

der Gremien der Vereinten<br />

Nationen, durch eine Umlenkung<br />

der frei gewordenen Mittel für einen<br />

groß angelegten Feldzug gegen Armut<br />

und Not.<br />

Dr. Klaus Heidegger<br />

(Diskussions-Unterlage für<br />

Pax Christi Österreich)<br />

auch die Reformkommission am gegenwärtigen<br />

Konzept festhält: sich<br />

an den Meriten des Zivildienstes als<br />

soziales Leistungsmodell zu sonnen,<br />

während die konkrete Situation Tausender<br />

Zivildienstleistender weiterhin<br />

ausgeblendet bleibt. Doch dies<br />

hat den entscheidenden Vorteil, dass<br />

man sich mit der wirklich drängenden<br />

Frage bezüglich des Beitrags<br />

des Zivildienstes zu unserem Gemeinwesen<br />

und zur <strong>Frieden</strong>ssicherung<br />

nicht auseinandersetzen muss.<br />

Dr. Michael Gerhard Kraft<br />

(Sozialwissenschaftler, gegenwärtig<br />

Zivildienstleistender und<br />

Vertrauensmann im Archiv der<br />

KZ-Gedenkstätte Mauthausen beim<br />

BMI. Sitzt für die „Plattform für<br />

Zivildiener“ in zwei Fachausschüssen<br />

der Reformkommission.)

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