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Ein Tag in der Jugendwerkstatt

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Zwei an<strong>der</strong>e Lehrl<strong>in</strong>ge machen laut Blöds<strong>in</strong>n und <strong>der</strong> e<strong>in</strong>enennt den an<strong>der</strong>en e<strong>in</strong>en „Arsch“. Und schon gibt es denersten Ärger: Der Meister nimmt die beiden aus <strong>der</strong> Arbeit herausund geht mit ihnen vor die Türe. Ziemlich betreten kommensie nach kurzer Zeit zurück und ziehen lange Gesichter.Die Stimmung <strong>der</strong> Gruppe hat darunter gelitten, schade.Jetzt ist alles abgedeckt und es geht los: Zwei fangen an,Risse und Dübellöcher zu verspachteln, die an<strong>der</strong>en vier Lehrl<strong>in</strong>geholen Farbe, P<strong>in</strong>sel, Roller, leere Eimer aus dem Auto undbereiten alles für den Anstrich vor.Die Rettung: Endlich ist Pause! Alle holen ihre Rucksäckeund setzen sich irgendwo h<strong>in</strong>, auf Farbeimer o<strong>der</strong> auf denBoden, und packen ihre Brote aus. Manche haben nichtsdabei, wahrsche<strong>in</strong>lich ist zu Hause <strong>der</strong> Kühlschrank leer o<strong>der</strong>sie s<strong>in</strong>d am Morgen zu spät aufgestanden und hatten ke<strong>in</strong>eZeit mehr, sich etwas herzurichten.Dann wollen e<strong>in</strong>ige <strong>in</strong> den Garten des K<strong>in</strong><strong>der</strong>gartensgehen, um zu rauchen. Der Meister erklärt ihnen, dass im gesamtenBereich des K<strong>in</strong><strong>der</strong>gartens das Rauchen verboten ist,was die Raucher nicht erheitert.Weiter geht es, jetzt wird geweißelt. Wie üblich wird herumdiskutiert,wer rollen muss und wer mit dem P<strong>in</strong>sel streichendarf. Das Rollen ist anstrengend und man wird sehrschmutzig dabei, darum will es ke<strong>in</strong>er gerne machen. Wie<strong>der</strong>muss <strong>der</strong> Meister e<strong>in</strong>greifen und die Arbeit noch e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>teilen.Plötzlich wird es unruhig, m<strong>in</strong>destens zehn kle<strong>in</strong>e K<strong>in</strong><strong>der</strong>stehen an dem großen Fenster und lachen, klopfen an dieScheibe und ziehen lustige Grimassen. Die Lehrl<strong>in</strong>ge machensofort mit, klopfen zurück und machen ebenfalls Grimassen,es wird gelacht, es wird laut ... da ruft schon wie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Meisterdazwischen und mahnt zur Arbeit. Stunde um Stunde wirdgestrichen, die Arme unseres Azubis schmerzen schon, se<strong>in</strong>Gesicht und se<strong>in</strong>e Arme s<strong>in</strong>d weiß gesprenkelt, er schwitzt.Und schon ist Mittagspause. Die Raucher gehen spazieren,weg vom K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten.„Seid aber Punkt e<strong>in</strong>s wie<strong>der</strong> da, ja?“, er<strong>in</strong>nert <strong>der</strong> Meistersie, als sie gehen.Die Mittagspause ist schnell vorüber und die Arbeit fällt jetztnoch schwerer als vorher. Der Meister macht jetzt Druck:„Gebt Gas, Leute“, solche Sprüche halt. Ke<strong>in</strong>er liebt sie, aberes hilft e<strong>in</strong>em, wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> die Arbeit h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>zuf<strong>in</strong>den. Endlich istalles fertig gestrichen und schon werden das Werkzeug unddie Farben aufgeräumt, <strong>in</strong>s Auto gepackt, die Abdeckungenentfernt und entsorgt.Und jetzt wird gekehrt und geputzt, das gehört zum Jobdazu, sagt <strong>der</strong> Meister. „Wer patzt, <strong>der</strong> putzt“ – wie<strong>der</strong> so e<strong>in</strong>Spruch!Endlich ist alles sauber, die Möbel s<strong>in</strong>d an ihrem Platz und<strong>der</strong> Meister holt die Gruppenleiter<strong>in</strong>. Diese ist ganz glücklichund so ist es auch <strong>der</strong> Meister. Die Lehrl<strong>in</strong>ge freuen sich, dennjetzt wird <strong>in</strong> die Werkstatt zurückgefahren. Dort wird alles ausgeladen,e<strong>in</strong>er wäscht die P<strong>in</strong>sel, an<strong>der</strong>e saugen das Auto undes wird alles wie<strong>der</strong> ordentlich aufgeräumt.Der Sozialpädagoge hat sich unseren Azubi <strong>in</strong> se<strong>in</strong> Bürogeholt. Dieser hat zwei Handyverträge laufen und konnte monatelangse<strong>in</strong>e Rechnungen nicht bezahlen. Der Betreuer versuchtjetzt, mit den Netzbetreibern e<strong>in</strong>e Ratenzahlung zuvere<strong>in</strong>baren. Auch wenn es ihm irgendwie pe<strong>in</strong>lich ist, aberunser Azubi ist heilfroh, dass ihm geholfen wird. Alle<strong>in</strong>e würdeer das nie h<strong>in</strong>kriegen, das weiß er.Der Meister macht se<strong>in</strong>e Kontrollrunde und endlich sagter: „So, jetzt schreibt euren <strong>Tag</strong>esbericht“. Das ist schnell erledigtund dann ist Feierabend. Und alle stürmen aus <strong>der</strong>Werkstatt, müde, aber zufrieden. Auch <strong>der</strong> Meister und <strong>der</strong>Sozialpädagoge s<strong>in</strong>d müde und zufrieden. Wie<strong>der</strong> mal e<strong>in</strong>guter <strong>Tag</strong>, ohne Schwierigkeiten und ohne Ärger.So vergehen vier <strong>Tag</strong>e <strong>in</strong> <strong>der</strong> Woche, Montag bis Donnerstag,mit verschiedenen Aufträgen und auch mit Übungen <strong>in</strong><strong>der</strong> Werkstatt.Am Freitag ist Stütz- und För<strong>der</strong>unterricht. Da wird <strong>der</strong> Berufsschulstoff<strong>der</strong> letzten Blockwoche wie<strong>der</strong>holt, um zu gewährleisten,dass möglichst je<strong>der</strong> die Lern<strong>in</strong>halte verstandenhat. Außerdem gibt es Zeit, selbst zu lernen, zum Beispiel mite<strong>in</strong>em Lernprogramm am PC, mit selbst gemachten Lernkarteikarteno<strong>der</strong> <strong>in</strong>dem man e<strong>in</strong>e M<strong>in</strong>dmap erstellt. Für Fragenund Hilfestellung je<strong>der</strong> Art s<strong>in</strong>d <strong>der</strong> Ausbil<strong>der</strong> und e<strong>in</strong>e Fachlehrkraftvor Ort.Am Ende des Lerntages wird noch das Berichtsheft kontrolliertund vom Meister unterschrieben und dann ist es geschafft:endlich Wochenende!Der Meister macht jetzt Druck: „Gebt Gas,Leute“. Ke<strong>in</strong>er liebt solche Sprüche, aber es hilfte<strong>in</strong>em, wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> die Arbeit h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>zuf<strong>in</strong>den.SchlussbemerkungEs gibt noch viel mehr Punkte, <strong>der</strong>en Beschreibung lohnenswertwäre, vor allem aus fachlicher, professioneller Sicht. DieSeiten e<strong>in</strong>es ganzen Buches könnte man füllen, wollte manalle Facetten unseres pädagogischen Handelns auch nur annäherndausführlich beschreiben, unser Tun begründen undwissenschaftlich untermauern. Auf vier Seiten kann man nure<strong>in</strong> Schlaglicht liefern, quasi e<strong>in</strong>e Momentaufnahme unsererArbeit, die so vielgestaltig ist wie die Menschen, um die esuns geht. Ich hoffe, me<strong>in</strong>e kurze Beschreibung war e<strong>in</strong> wenigerhellend und anregend genug, Interesse an diesem Arbeitsfeldzu wecken.

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