Messfahrt auf dem Spaghettiteller
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i BauMagazin 12 | 10<br />
<strong>Messfahrt</strong> <strong>auf</strong><br />
<strong>dem</strong> <strong>Spaghettiteller</strong><br />
Rohre und Leitungen im Untergrund ohne Aufgraben finden, den<br />
Boden sozusagen transparent machen, das ist für Netzbetreiber<br />
eine Traumvorstellung. Nicht mehr lange, behauptet die<br />
Hildesheimer Firma Detectino und stellt interessierten<br />
Unternehmen eine Technik vor, die genau das ermöglichen soll.<br />
Marek Naser erregt immer noch Aufsehen,<br />
wenn er mit <strong>dem</strong> Detectino-Fahrzeug im Einsatz<br />
ist. Nicht selten bleiben Passanten stehen<br />
und fragen nach <strong>dem</strong> Sinn des ihnen unbekannten<br />
Fahrzeugs. Nein, mit Straßenreini-<br />
Marek Naser und ein Techniker machen das Detectino-Fahrzeug<br />
fit für den Einsatz. Dazu fahren sie<br />
zuallererst den Elektromagnetiksensor vorn am Antennenkasten<br />
heraus.<br />
gung habe das alles nichts zu tun, muss der Diplom-Ingenieur<br />
den Menschen dann oft erklären.<br />
Eine Dame fragt ganz unverblümt, ob Naser<br />
nicht schnell einmal ihr Grundstück vermessen<br />
könne. Der 35-jährige muss ihr aber zunächst<br />
Baumaschinen 31<br />
einen Korb geben. Die Detectino-Dienstleistung<br />
richtet sich in erster Linie an kommunale<br />
Auftraggeber und Versorgungsbetriebe.<br />
Allein die größere Gruppe von Männern, die<br />
sich an diesem Morgen in der Gemeinde Timmendorfer<br />
Strand zusammengefunden haben<br />
und mit nicht minder interessiertem Blick um<br />
das Fahrzeug herum stehen, sorgt für Aufmerksamkeit.<br />
Detectino ist <strong>dem</strong> Ruf des Zweckverbands<br />
Ostholstein (ZVO) in den Ferienort gefolgt,<br />
der einem Test der neuartigen Technik<br />
an einer besonders interessanten Stelle seines<br />
Leitungsnetzes zugestimmt hatte. Bewaffnet<br />
mit den Lageplänen der Ver- und Entsorgungsleitungen<br />
an verschiedenen Stellen des<br />
Ostseeufers stehen dessen Männer zusammen<br />
mit anderen Fachleuten neben <strong>dem</strong> Fahrzeug<br />
und verfolgen jeden Handgriff des Ingenieurs<br />
Naser. Sie wollen wissen, ob die Technik<br />
wirklich so genau arbeitet, wie Detectino<br />
behauptet, und dies anhand der Pläne überprüfen.<br />
Naser zeichnet bei Detectino für die Entwicklung<br />
des Sensor-Systems verantwortlich. Auch<br />
er weiß nicht genau, was ihn an diesem Vormittag<br />
erwartet und ob die Erwartungen der potenziellen<br />
Kunden erfüllt werden können. Auf<br />
die Frage hin, wie das System sich in salzwassergesättigten<br />
Böden wie diesem unmittelbar<br />
an der Ostseeküste verhalte, muss er den Hoffnungen<br />
der angereisten ZVO-Leute aber einen<br />
leichten Dämpfer verpassen. In elektrisch leitfähigen<br />
Böden wie diesem habe Detectino<br />
Schwierigkeiten mit der Messung, weil das enthaltene<br />
Salz zu viel von den eingeleiteten Radarwellen<br />
„schluckt“ und daher kein brauchbares<br />
Radarecho entsteht.<br />
Radar soll Leitungen <strong>auf</strong>spüren<br />
Der Zweckverband Ostholstein (ZVO) ist Herr<br />
über zwei Abwasserdruckrohrleitungen, die<br />
vom Hauptpumpwerk im Norden von Scharbeutz<br />
bis zur Kläranlage nach Timmendorfer<br />
Strand führen. Diese insgesamt etwa 5.500<br />
Meter langen, überwiegend parallel l<strong>auf</strong>enden<br />
Leitungen stammen aus den Jahren 1960 und<br />
1977, und insbesondere die ältere der beiden<br />
Leitungen bereitet <strong>dem</strong> ZVO nun Sorgen: „Wir<br />
haben gerade im vorderen Bereich in Schar
32 Baumaschinen<br />
bi BauMagazin 12 | 10<br />
Marek Naser (li.) zeigt Andreas Manzke vom ZVO, was<br />
die Mess-Echos <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> Display ihm über die Lage<br />
der Leitungen im Boden sagen. | Fotos: bi/Ste<br />
beutz die Befürchtung, dass die Leitung, die<br />
nun 50 Jahre alt ist, <strong>auf</strong>grund der Belastungen<br />
durch die ständigen wechselnden Grundwasserstände<br />
direkt im Ostseebereich das Ende<br />
ihrer Lebensdauer erreicht hat“, sagt Andreas<br />
Manzke, im ZVO zuständig für den Bereich Abwasseranlagen.<br />
„Da müssen wir was tun.“ Also<br />
steht in nächster Zeit die Sanierung eines etwa<br />
3,2 Kilometer langen Abschnitts von Scharbeutz<br />
bis zur Ostseetherme am Ortseingang<br />
von Timmendorfer Strand an.<br />
An einen kompletten Neubau sei schon aus<br />
wirtschaftlichen Gründen nicht zu denken, zum<br />
anderen hätten die Küstengemeinden ihre Promenaden<br />
in den letzten Jahren gerade erst mit<br />
Fördermitteln saniert. „Da können wir jetzt<br />
nicht hingehen und <strong>auf</strong> fünf Kilometern die<br />
Promenaden <strong>auf</strong>reißen“, sagt der 45-jährige.<br />
Aus diesem Grund rückten Close-fit oder Inline-<br />
Sanierungsverfahren in den Fokus.<br />
Zur Lokalisierung und Identifizierung der Abwasserrohre<br />
setzt der ZVO große Hoffnungen in<br />
das Detectino-System. Das tut er auch deshalb,<br />
weil die Dokumentation seines Leitungsnetzes<br />
den Anforderungen der heutigen Zeit nicht<br />
mehr genügt. Noch bis in die neunziger Jahre<br />
hinein wurden nämlich neu verlegte Leitungen<br />
nicht digital eingemessen, sondern von Hand<br />
in Karten eingetragen. Wenn Firmen Leitungen<br />
verlegt haben, erklärt Michael Vesper von der<br />
ZVO Energie GmbH, bekamen sie eine Mutterpause<br />
des Plans vom Katasteramt geschickt, in<br />
den sie den Verl<strong>auf</strong> der Leitungen mit Stift und<br />
Lineal „ungefähr“ eintrugen. Die Netzbetreiber<br />
hätten die Angaben dann in ihre Bestandspläne<br />
übernommen. Das heißt, die heute vorhandenen<br />
Pläne sind ungenau. Frühere Fixpunkte<br />
wie Straßenränder böten auch keine<br />
Schwieriges Messgelände: Unter <strong>dem</strong> Parkplatz der Holstentherme in Scharbeutz herrscht ein regelrechtes<br />
Leitungsgewirr. „Wir stehen hier wirklich <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> <strong>Spaghettiteller</strong>“, stellt Andreas Manzke fest.<br />
Orientierungshilfe mehr, weil sie sich durch<br />
Überbauung verändert hätten, ergänzt sein<br />
Kollege Andreas Manzke. So wie an der Ostseetherme<br />
in Timmendorfer Strand, wo der Zweckverband<br />
sich heute Klarheit über die Lage<br />
seiner Abwasserrohre verschaffen möchte.<br />
Aussagekräftige Ergebnisse<br />
Das erste Messfeld liegt aber zunächst im Kurpark<br />
des Ostseebades, <strong>auf</strong> einem Rasenstück<br />
in unmittelbarer Nähe der Trinkkurhalle. Naser<br />
bringt sein Fahrzeug in Stellung, setzt den Antennenkasten<br />
ab und fährt einige Meter quer<br />
zur vermuteten Lage der Leitungen ab. „Durch<br />
das rechtwinklige Überfahren der Leitungen erhält<br />
man diese schöne Hyperbelgeometrie“,<br />
sagt er und meint damit das typische Muster<br />
aus umgedrehten U’s oder V‘s, das <strong>auf</strong> seinem<br />
Bildschirm angezeigt wird. Die Positionierung<br />
funktioniere in diesem Bereich aber nicht gut,<br />
sagt Naser, weil Bäume den GPS-Empfang behinderten.<br />
In solchen Fällen müsse man das<br />
Messfeld ganz klassisch per Hand vermessen.<br />
Was Andreas Manzke <strong>auf</strong> Nasers Bildschirm<br />
sieht, sieht schon einmal vielversprechend<br />
aus: „Die Daten, die Detectino hier beim ersten<br />
Versuch geliefert hat, waren schon <strong>auf</strong>grund<br />
der Kurzinterpretation des Bildschirms aussagekräftig.“<br />
Der Zweckverband habe vor vielen<br />
Jahren schon einmal ein Produkt eines Georadar-Vermessers<br />
ausprobiert, dabei aber keine<br />
besonders zufriedenstellenden Ergebnisse erhalten,<br />
sagt er. Dass Detectino hier brauchbare<br />
Daten liefert, hat auch damit zu tun, dass mit<br />
14 Georadarsensoren gleichzeitig und <strong>auf</strong> zwei<br />
verschiedenen Frequenzen gemessen wird. Außer<strong>dem</strong><br />
ermöglicht die automatische Positionierung<br />
mithilfe von GPS deutliche bessere Ergebnisse.<br />
Neuer Schwung für bewährte Technik<br />
Andreas Manzke freut sich, dass die erste Messung<br />
an diesem Vormittag so erfolgversprechend<br />
verl<strong>auf</strong>en ist. Er traut der Technik in den<br />
nächsten Jahren einiges zu: „Die Nutzungszeit<br />
der AZ-Rohre [AZ=Asbestzement; Anm. d. Red.]<br />
nähert sich <strong>dem</strong> Ende, viele Netzbetreiber sind<br />
betroffen – da tut sich in Zukunft ein richtig<br />
großes Potenzial <strong>auf</strong>.“<br />
Für Marek Naser sind das erfreuliche Aus-<br />
Wiedererkennungswert: Die Georadar-Sensoren senden ihre Impulse kontinuierlich und in alle Richtungen aus.<br />
Dadurch entsteht beim Überfahren von Leitungen dieses charakteristische Muster. | Abbildung: Detectino
i BauMagazin 12 | 10<br />
Auf Erkundungsfahrt im Kurpark: Was hier wie eine neue Form der Rasenpflege<br />
aussieht, ist der Versuch, Schäden im Leitungsnetz schneller und vor allem mit<br />
weniger Erdaushub zu finden.<br />
sichten. Dennoch macht er keine Anstalten, übermütig zu werden. Er<br />
weiß um die Grenzen der Technik, weiß auch, dass sie nicht überall und<br />
zu 100 Prozent funktionieren wird. „Es wird möglicherweise vorkommen,<br />
dass wir in einigen wenigen Bereichen keine Ergebnisse erzielen können“,<br />
sagt er. „Es wird vielleicht auch enttäuschte Kunden geben.“ In<br />
vielen Bereichen könne man aber gute Informationen bekommen, und<br />
selbst dort, wo nicht alles zu erkennen sei, sei wenig immer noch besser<br />
als nichts, lautet seine Botschaft, die von den anwesenden Leitungsexperten<br />
mit einem Nicken quittiert wird. „Es gibt sonst niemanden, der<br />
das so kann wie wir“, sagt er selbstbewusst.<br />
Es ist diese Offenheit, mit der sich die Detectino-Väter ganz bewusst von<br />
den schlechten Beispielen der Vergangenheit abheben und den angekratzten<br />
Ruf des Georadars <strong>auf</strong>polieren wollen. Schon in den neunziger<br />
Jahren warben immer mal wieder Firmen mit den Möglichkeiten des Georadars,<br />
konnten ihre großen Versprechungen aber nie halten. Das habe<br />
<strong>dem</strong> Ruf der Georadar-Technik sehr geschadet. „Da haben viele Leute<br />
angefangen, sehr viel zu versprechen und dadurch auch viel kaputt gemacht<br />
für die Technik“, sagt Naser. Detectino hat deshalb frühzeitig Kontakt<br />
zu potenziellen Auftraggebern <strong>auf</strong>genommen und entwickelt unterdessen<br />
die Technik kontinuierlich weiter.<br />
Die technischen Voraussetzungen haben sich inzwischen deutlich verbessert,<br />
nicht so sehr bei den Sensoren – die wurden nur im Detail verändert<br />
– aber bei der Kapazität der Datenverarbeitung. Was Detectino<br />
heute in wenigen Stunden an Daten <strong>auf</strong>zeichne, hätten in den neunziger<br />
Jahren nur Großrechner bewältigen können, sagt Naser. Zwar hätten<br />
handelsübliche Rechner mit diesen Datenmengen heute keine Probleme<br />
mehr, dennoch könnten auch hier die Bearbeitungszeiten durch<br />
zusätzliche Rechnerkapazitäten noch gesenkt werden. „Der limitierende<br />
Faktor ist im Moment schon die Auswertung“, gesteht Naser ein. Das System<br />
brauche noch manuelle Eingriffe, um gute Ergebnisse zu liefern.<br />
Diese nähmen viel Zeit in Anspruch und begrenzten die Leistung von Detectino<br />
zurzeit <strong>auf</strong> etwa 800 Quadratmeter pro Tag. Das manuelle Nachjustieren<br />
soll aber in Zukunft deutlich weniger werden: „Unser Ziel ist:<br />
einen Tag messen, einen Tag auswerten.“ Damit Messen und Auswerten<br />
schneller vonstatten gehen, soll Naser in Zukunft von einem Kollegen unterstützt<br />
werden, der das Trägergerät und die Messapparatur bedienen<br />
soll. Er selbst könne sich dann voll <strong>auf</strong> die Entwicklung konzentrieren,<br />
sagt Naser. Hendrik Stellmach ❚<br />
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