10.08.2012 Aufrufe

Modewort oder Warnzeichen

Modewort oder Warnzeichen

Modewort oder Warnzeichen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

aufgeblättert<br />

12<br />

<strong>Modewort</strong><br />

<strong>oder</strong> <strong>Warnzeichen</strong><br />

Das Burnout-Syndrom geriet in den letzten Jahren zunehmend ins<br />

Blickfeld der öffentlichen und betrieblichen Aufmerksamkeit.<br />

von Margit Bauer


Ob es heutzutage häufiger vorkommt,<br />

weiß niemand genau,<br />

es wird jedoch zweifellos mehr<br />

darüber geredet. Und es gibt zahlreiche<br />

Studien, die belegen, dass Burnout weder<br />

eine spezielle Manager-Krankheit ist<br />

noch eine, die besonders bei Menschen<br />

in helfenden Berufen auftritt, wie zu<br />

Beginn der Burnout-Forschung in den<br />

70er Jahren des vorigen Jahrhunderts<br />

vermutet wurde. Denn jede und jeder<br />

kann davon betroffen sein. Burnout<br />

kann an jedem Arbeitsplatz, im Privat-<br />

leben und auch in der Arbeitslosigkeit<br />

auftreten. Die Krankheitshäufigkeit des<br />

Burnout-Syndroms lässt sich derzeit<br />

nicht genau erfassen, es ist jedoch mit<br />

einer Steigerung des Burnout-Risikos<br />

zu rechnen, auf Grund der zunehmend<br />

herausfordernden Lebens- und Arbeitsbedingungen.<br />

Was ist Burnout<br />

Das Burnout-Syndrom hat in den letzten<br />

Jahren beständig mehr Aufmerksamkeit<br />

in der Öffentlichkeit und auch in den Un-<br />

papierausösterreich eins | 11<br />

Im Gegensatz zu anderen psychischen Problemen lässt sich Burnout<br />

im betrieblichen Umfeld leichter thematisieren.<br />

ternehmen der Papierindustrie erhalten.<br />

Es handelt sich dabei um einen Prozess<br />

zunehmender bis völliger Erschöpfung.<br />

Diese körperliche, emotionale und geistige<br />

Erschöpfung entsteht meist aus<br />

einem Mix von mehreren Belastungen,<br />

die berufliche, individuelle, private und<br />

sozialgesellschaftliche Aspekte betreffen.<br />

Die Belastungen führen zu innerer<br />

und/<strong>oder</strong> äußerer Überforderung, begleitet<br />

von übermäßigem Stress, der<br />

die Motivation, die Einstellungen und<br />

das Verhalten der betroffenen Personen<br />

© alle Bilder Fotolia<br />

13


aufgeblättert<br />

14<br />

Mag. Margit Bauer<br />

ist Unternehmensberaterin in der<br />

Betrieblichen Gesundheitsförderung<br />

und Trainerin beim Fonds<br />

Gesundes Österreich.<br />

The burn out syndrome<br />

is in public<br />

discussion. Now<br />

paper mills start to<br />

pay attention to this<br />

perturbing sickness.<br />

beeinträchtigt. Dies zeigt sich in reduzierter<br />

Leistungsfähigkeit, die als Endzustand<br />

einer Entwicklungslinie steht,<br />

die mit idealistischer Begeisterung begonnen<br />

hat, über frustrierende Erlebnisse<br />

zur Desillusionierung führt, einher<br />

gehen kann mit psychosomatischen<br />

Krankheiten und erhöhter Suchtgefährdung<br />

und im Vollbild des Übermüdungs-<br />

syndroms in Depression und Suizid-<br />

gefahr enden kann.<br />

Menschen zeigen unterschiedliche<br />

Burnout-Symptome, unterschiedliche<br />

Krankheitsverläufe und unterschiedliche<br />

Genesungsprozesse. In der Forschung<br />

wurden verschiedene Phasenmodelle<br />

zur Entwicklung von Burnout erarbeitet,<br />

die einerseits in Teilbereichen<br />

übereinstimmen und doch wieder andere<br />

Aspekte betonen. Psychologischmetaphorisch<br />

meint Matthias Burisch,<br />

dass Burnout eine langdauernd zu hohe<br />

Energieabgabe ist, mit einer zu geringen<br />

Wirkung und dies bei ungenügendem<br />

Energienachschub. Dies bedeutet, ein<br />

Mensch möchte beziehungsweise sollte<br />

weiterhin (Höchst)-Leistungen vollbringen,<br />

wird jedoch von seiner Umwelt<br />

nicht genährt, durch beispielsweise<br />

geringe bis keine soziale Anerkennung<br />

und Unterstützung <strong>oder</strong> Entfall notwendiger<br />

Ressourcen <strong>oder</strong> nimmt sich selbst<br />

zu wenig Zeit für die persönliche Rege-<br />

12 Stadien von Burnout (nach Freudenberger & North, 1992)<br />

Stadium 11:<br />

Depression<br />

Stadium 10:<br />

Innere Leere<br />

Stadium 9:<br />

Depersonalisation<br />

Stadium 12:<br />

Erschöpfung<br />

Stadium 8:<br />

Beobachtbare<br />

Verhaltensänderung<br />

Stadium 7:<br />

Rückzug<br />

Stadium 1:<br />

Der Zwang,<br />

sich zu beweisen<br />

Stadium 2:<br />

Verstärkter Einsatz<br />

Stadium 3:<br />

Vernachlässigung<br />

eigener Bedürfnisse<br />

Stadium 4:<br />

Verdrängung<br />

von Konflikten<br />

Stadium 5:<br />

Umdeutung<br />

von Werten<br />

Stadium 6:<br />

Leugnung<br />

der Probleme<br />

© Bauer<br />

Burnout ist keine Krankheit mit eindeutigen diagnostischen Kriterien, wurde<br />

jedoch 1991 in der Internationalen Klassifikation der Erkrankungen als Ausgebranntsein<br />

und Zustand der totalen Erschöpfung aufgenommen.<br />

neration. Technisch erläutert etwa so,<br />

als würde eine Autobatterie nicht mehr<br />

über die Lichtmaschine nachgeladen<br />

werden, müsste aber dennoch Höchstleistungen<br />

abgeben.<br />

Keine allgemein<br />

gültige Definition<br />

Als Quintessenz vieler Definitionsversuche,<br />

einer von Schaufeli & Enzmann,<br />

1998:<br />

„Burnout ist ein dauerhafter, negativer,<br />

arbeitsbezogener Seelenzustand<br />

normaler Individuen. Er ist<br />

in erster Linie von Erschöpfung<br />

gekennzeichnet, begleitet<br />

von Unruhe und<br />

Anspannung, einem Gefühl<br />

verringerter Effektivität, gesunkener<br />

Motivation und<br />

der Entwicklung disfunktionaler<br />

Einstellungen und<br />

Verhaltensweisen bei der<br />

Arbeit. Diese psychische<br />

Verfassung entwickelt sich<br />

nach und nach, kann dem<br />

betroffenen Menschen aber<br />

lange unbemerkt bleiben. Sie<br />

resultiert aus einer Fehlpassung<br />

von Intentionen und<br />

Berufsrealität. Burnout er-<br />

hält sich wegen ungünstiger Bewältigungsstrategien,<br />

die mit dem Syndrom<br />

zusammenhängen, oft selbst aufrecht.“<br />

Wobei auch in dieser Definition Unschärfen<br />

enthalten sind, wie die alleinige<br />

Ausrichtung auf die Berufswelt, da Burnout<br />

doch auch arbeitssuchende Menschen<br />

treffen kann <strong>oder</strong> Belastungen<br />

aus dem Privatleben der Auslöser sein<br />

können. Der Seelenzustand, bei dem wir<br />

nicht klar wissen, was dies eigentlich<br />

ist, und die Bewältigungsstrategien,<br />

die mehr dem Individuum zugerechnet<br />

werden, wobei das Umfeld auch<br />

mitgestalten könnte. Es gibt keine allgemein<br />

gültige Definition, jedoch viele<br />

Versuche und große wissenschaftliche<br />

Anstrengung das Burnout-Syndrom beschreibbarer<br />

zu machen.<br />

Seit 2006 gibt es auch Forschungen<br />

zum Boreout, wobei dies eine starke Unzufriedenheit<br />

am Arbeitsplatz infolge<br />

Langeweile beschreibt und zu ähnlichen<br />

Symptomen wie beim Burnout führen<br />

kann, hier jedoch durch ständige Unterforderung.<br />

Hinzu kommen ungünstige<br />

Bewältigungsstrategien, da Betroffene<br />

oft besonders beschäftigt am Arbeitsplatz<br />

wirken, obwohl sie dies gar nicht<br />

sind. Diese Personen könnten mehr leisten,<br />

deren Kompetenzen werden jedoch


nicht ausreichend eingesetzt. Sie verlieren<br />

dabei die Kraft zur Veränderung der<br />

Situation konstruktiv beizutragen.<br />

Schon lange bekannt<br />

Im Alten Testament findet sich die Geschichte<br />

des Propheten Elias, der nach<br />

zahlreichen im Namen des Herrn vollbrachten<br />

Wundern und Siegen, beim ersten<br />

Anzeichen einer drohenden Niederlage<br />

in tiefe Verzweiflung stürzt, sich den<br />

Tod herbeiwünscht und in einen tiefen<br />

Schlaf verfällt. Diese Form der Krise wurde<br />

später als Elias-Müdigkeit bezeichnet.<br />

Das Verb to burn out (ausbrennen) verwendete<br />

schon Shakespeare Ende des<br />

16. Jahrhunderts und um 1900 wurde<br />

der Begriff in der Bedeutung von „Überarbeitung<br />

und früher Tod“ ins Standardenglisch<br />

übernommen. Durch zahlreiche<br />

Forschungen insbesondere von Herbert<br />

Freudenberger, Christina Maslach und<br />

Ayla Pines in Amerika ab den 70er Jahren<br />

und erste Veröffentlichungen deutscher<br />

Autoren in den 80er Jahren wurde Burnout<br />

zu einem Phänomen, dass in über 60<br />

Berufsgruppen erforscht wurde und der<br />

Begriff zunehmend popularisiert wurde.<br />

Die deutsche Übersetzung des Begriffs<br />

als Ausgebranntsein wird zwar verwendet,<br />

es hat sich jedoch im allgemeinen<br />

Sprachgebrauch der englische Begriff<br />

durchgesetzt.<br />

Wenn es anfängt,<br />

ernst zu werden<br />

Jede Person, die Belastungen im Lebens-<br />

und Arbeitskontext erlebt, hat die<br />

Aufgabe, mit diesen umzugehen und<br />

die Belastungen zu verarbeiten. Findet<br />

sie dafür keine konstruktiven Bewältigungsstrategien,<br />

so entsteht ein Risiko.<br />

Zum Ausgleich dieser Anforderungen<br />

braucht es einen Gegenpol, demnach<br />

Erholung und das Auffüllen der Reserven.<br />

In drei Bereichen kann sich ein Burnout-Risiko<br />

entwickeln: lang anhaltender<br />

Stress, ineffiziente Stressverarbeitung<br />

<strong>oder</strong> mangelhafte Erholung.<br />

Lang anhaltender Stress<br />

Das Burnout-Risiko entsteht aus einem<br />

Mix von mehreren Belastungen<br />

• im Betrieb: Zeitdruck, Arbeitsüberlastung,<br />

mangelnde Pausen, schlechtes<br />

Führungsverhalten, ungünstige<br />

Arbeitsorganisation<br />

• in der Person: ineffektives Stressmanagement,<br />

mangelnde Entspannungsfähigkeit<br />

• im privat-familiären Bereich: Belastungen<br />

durch Beziehungskrisen, Betreuungspflichten<br />

von Kindern und<br />

Pflegebedürftigen<br />

• im sozial-gesellschaftlichen Bereich:<br />

Leistungsgesellschaft, hohe Arbeitslosigkeit<br />

bei problematischer wirtschaftlicher<br />

Lage<br />

Psychische Belastungen sind Einflüsse,<br />

die von außen auf den Menschen<br />

zukommen und auf ihn psychisch einwirken.<br />

Diese können bei den Menschen<br />

unterschiedlich Stress (etwa Zeitdruck)<br />

auslösen und andererseits reagieren wir<br />

(mit persönlichen Stressbewältigungsstrategien)<br />

unterschiedlich darauf.<br />

Ineffiziente Stressbewältigung<br />

Relevant ist hier die Unterscheidung<br />

zwischen positiver, zielführender und<br />

negativer (Grübeln, Zynismus, Rückzug)<br />

Stressverarbeitung, die häufig im<br />

Kontext depressiver Verstimmungen<br />

sichtbar wird. Wir benötigen mehrere<br />

Formen, Stress zu bewältigen. Im Rahmen<br />

einer Studie des Fonds Gesundes<br />

Österreich wurde untersucht, welche<br />

Auswirkungen die Anwendung der vier<br />

Arten (aktiv, inaktiv, direkt, indirekt) von<br />

Stressbewältigung bei schichtarbeitbezogenen<br />

Belastungen hatten. Es zeigte<br />

sich, dass aktive (mit Vertrauten sprechen)<br />

und direkte Strategien (Änderung<br />

der Schichtpläne) erleichternd wirken<br />

und passive (stresshafte Situationen<br />

ignorieren, Alkohol trinken) Strategien<br />

mit höheren Stresswerten und mehr<br />

Burnout-Gefährdung verbunden waren.<br />

Mangelnde Erholung<br />

Erholung ist mehr als ausruhen, nichts<br />

tun und schlafen. Es ist ein ganzheitlicher<br />

Prozess, der körperliche und<br />

psychische Aktivitäten umfasst, um<br />

die persönlichen Ressourcen wieder<br />

aufzubauen und zu optimieren. Dies<br />

sind Entspannungs- und Meditationstechniken<br />

wie m<strong>oder</strong>ate Bewegung<br />

und Sport, Aktivitäten mit der Familie<br />

und Freunden <strong>oder</strong> Zeit für Hobbys.<br />

Diese drei Bereiche greifen ineinander<br />

und machen eine hohe Leistungsfähigkeit<br />

aus. Das bedeutet, dass wir<br />

durch unsere Möglichkeiten Stress<br />

Wer Betroffene kennt <strong>oder</strong> selbst Burnout durchlebt hat,<br />

weiß um das persönliche Leid und die Schwierigkeiten, die<br />

dadurch in einem Unternehmen entstehen können.<br />

15


aufgeblättert<br />

16<br />

Burnout-Prävention auf mehreren Ebenen<br />

Individuum/<br />

Mitarbeitende<br />

Betrieb/<br />

Strukturen<br />

Gesellschaft/<br />

Betriebskultur<br />

Primärprävention Sekundärprävention Tertiärprävention<br />

Information, Sensibilisierung,Stressmanagement,<br />

Entspannung<br />

Passende Anforderungen,<br />

Möglichkeiten zur<br />

Erholung<br />

Information, Sensibilisierung,Stressmanagement,<br />

Entspannung<br />

zu bewältigen, Einfluss haben auf die<br />

Wirkung der Belastungen, insofern<br />

bestimmt dies den Grad der Beanspruchung<br />

mit. Verfügen wir über die Möglichkeit<br />

aktiv und direkt Stresssituationen<br />

zu beeinflussen, Beanspruchungen gut<br />

zu verarbeiten und können wir hocheffiziente<br />

Erholung gewährleisten, so wird<br />

ein hohes Ausmaß an Belastung ohne<br />

negative Konsequenzen möglich. Es<br />

braucht jedoch das Zusammenspiel dieser<br />

drei Bereiche. Wobei auf betrieblicher<br />

Ebene dafür einiges an Unterstützung<br />

geboten werden kann.<br />

Entstehung von Burnout<br />

Burnout ist nicht leicht zu erkennen, eine<br />

hohe Beanspruchungssituation schon<br />

eher und insofern ist es entscheidend,<br />

dass Führungskräfte, Betriebsräte und<br />

Personalverantwortliche und die Belegschaft<br />

an sich für die Entstehungsfaktoren<br />

von Burnout sensiblisiert werden.<br />

Im Modell über die 12 Stadien von Burnout<br />

von Freudenberger und North wird der<br />

Entwicklungsverlauf von Burnout und<br />

Leitfaden<br />

Arbeitspsychologische<br />

bzw. -medizinische Beratung,<br />

Coaching, Urlaub,<br />

Krankenstand<br />

Reduktion von Belastungen,<br />

Unterstützung<br />

bei Stressmanagement,<br />

Fördern von Erholung<br />

Kooperation mit ExpertInnen,Erfahrungsaustausch<br />

Psychotherapie, Behandlung,<br />

Rückfallprophylaxe<br />

Wiedereingliederungsmanagement,Neu-Anpassung<br />

von Belastungen<br />

und Arbeitszeit<br />

Enttabuisierung, Akzeptanz<br />

für Burnout und<br />

Prävention schaffen<br />

dessen Symptome verdeutlicht. Wesentlich<br />

dabei ist, dass die Phasen und Symptome<br />

von der betroffenen Person meist<br />

nicht bewusst wahrgenommen werden<br />

und dass die angegebene Reihenfolge<br />

nicht zwingend eingehalten wird. Wichtig<br />

ist auch, das die vier ersten Stadien<br />

normale Erscheinungen unseres herausfordernden<br />

Arbeits- und Lebensalltags<br />

sind, die wir immer wieder erleben und<br />

bei entsprechend guter Erholung und<br />

dem Einsatz unterstützender Stressbewältigungsmethoden<br />

auch gut meistern<br />

können.<br />

Erst die letzten drei Stadien zeigen<br />

das Vollbild der Burnout-Symptomatik<br />

auf allen Ebenen: körperlich, psychisch,<br />

geistig und sozial. Insofern ist es auch von<br />

großer Bedeutung, dass der Begriff Burnout<br />

nicht zu schnell verwendet wird, sondern<br />

mit Bedacht und der Achtsamkeit,<br />

was dieses Krankheitsbild tatsächlich an<br />

Schwere mit sich bringt. Der Prozess kann<br />

durch innere und äußere Veränderungen<br />

gestoppt werden, nicht immer ohne bleibende<br />

Narben.<br />

Der Fonds Gesundes Österreich ist in Österreich die Regierungsinstitution,<br />

die sich für Gesundheitsförderung und<br />

Prävention im Allgemeinen und für Betriebliche Gesundheitsförderung<br />

im Speziellen einsetzt. Das Institut für<br />

humanökologische Unternehmensführung hat im Auftrag<br />

des Fonds in den Jahren 2007 bis 2009 eine Praxis-Studie<br />

zur „Burnout-Gefährdung in Großbetrieben & die Rolle von<br />

Führung und Schicht umgesetzt und 2010 einen Leitfaden<br />

zu Burnout veröffentlicht.<br />

Betriebliche<br />

Handlungsmöglichkeiten<br />

Der Betrieb ist ein zentraler Ort für die<br />

Burnout-Prävention. Einerseits, um dort,<br />

wo dies möglich ist, Belastungen zu reduzieren<br />

und andererseits die gesundheitsförderlichen<br />

Quellen zu stärken.<br />

Dies sind passende Anforderungen, die<br />

weder unter- noch überfordern, positive<br />

Herausforderungen, die ein Erfolgserlebnis<br />

ermöglichen, eine Atmosphäre<br />

der Wertschätzung und der sozialen<br />

Unterstützung, eine sinnvolle Pausengestaltung<br />

und -kultur, Unterstützung<br />

der Führung beim Umgang mit Anforderungen<br />

und im Gestalten der Erholung<br />

und vieles mehr.<br />

Die Stärkung der gesundheitsförderlichen<br />

Ressourcen und die Verminderung<br />

von Belastungen kann im Unternehmen<br />

auf verschiedenen Handlungsebenen<br />

und durch unterschiedliche Formen<br />

der Prävention – Primärprävention (vor<br />

Eintritt von Burnout-Symptomen), Sekundärprävention<br />

(zur Entdeckung von<br />

Burnout-Symptomen und ihre Frühtherapie)<br />

und Tertiärprävention (nach<br />

Entdeckung von Burnout-Symptomen<br />

und deren wirkungsvolle Behandlung)<br />

erreicht werden.<br />

Präventive Maßnahmen<br />

auf Ebene der Unternehmenskultur<br />

• Burnout enttabuisieren (Leitbild)<br />

• Verständnis für Pausen während der<br />

Arbeitszeit<br />

• Kommunikation und Information<br />

fördert sinnstiftende Zusammenarbeit<br />

• zentraler Stellenwert von Wertschätzung<br />

und Anerkennung im Unternehmen<br />

• Sensiblisierung der Führungskräfte für<br />

Gesundheitsthemen<br />

auf betrieblicher Ebene<br />

• Arbeitsbedingungen und -organisation<br />

optimieren<br />

• Sozialräume, die Entspannung zulassen<br />

• vertrauensvolle Beziehungen aufbauen<br />

• regelmäßige Teambesprechungen<br />

• Weiterbildungsmöglichkeiten bieten<br />

• innerbetriebliche Ansprechperson installieren<br />

• arbeitspsychologische Beratung ermöglichen<br />

• Einhaltung von Pausen<br />

• Überstundenabbau<br />

• bedürfnisorientierte Urlaubsplanung


auf individueller Ebene<br />

• Entspannungstechniken erlernen<br />

• Stressmanagement-Training absolvieren<br />

und im Alltag umsetzen<br />

• begleitende Beratung anbieten<br />

• soziale Unterstützung geben und annehmen<br />

Führungsgespräche<br />

und rasche Abklärung<br />

Gespräche mit Menschen, bei denen eine<br />

Burnout-Gefährdung vermutet wird,<br />

sind wichtig. Diese Form der sozialen<br />

Unterstützung kann eine große Hilfestellung<br />

für die Betroffenen darstellen.<br />

Im Gespräch wird die Möglichkeit geboten,<br />

dass sich die Person aussprechen<br />

kann, dafür ist es wichtig, dass die Führungskraft<br />

Interesse und Aufmerksamkeit<br />

signalisiert. Danach stellt sie ihre<br />

Wahrnehmungen und Eindrücke zur<br />

Verfügung und bietet Unterstützung<br />

an (Verminderung der Belastung, effizienter<br />

Umgang mit Belastung, mehr Erholung).<br />

Belastendes und Entlastendes<br />

deutlich hervorheben. In weiterer Folge<br />

wird auf innerbetriebliche und externe<br />

Angebote hingewiesen. Bei Bedarf einen<br />

Folgetermin vereinbaren.<br />

Wie bemerke ich erste <strong>Warnzeichen</strong><br />

bei mir selbst? Was kann ich tun, wenn<br />

ich Burnout-Anzeichen bei mir feststelle?<br />

Wie bemerke ich erste Anzeichen bei<br />

meinen Mitarbeitern und Kollegen?<br />

Was kann ich als Führungskraft tun,<br />

wenn ich erste Anzeichen bei meinen<br />

Mitarbeitern und Kollegen wahrnehme?<br />

Diese konkreten Fragestellungen und<br />

die dazugehörenden Checklisten (siehe<br />

Info unten) dienen zur persönlichen<br />

Sensibilisierung und zur ersten Standortbestimmung.<br />

Für eine individuelle Diagnostik<br />

muss die Expertise der klinischen<br />

Psychologie, Psychotherapie <strong>oder</strong> Medizin<br />

in Anspruch genommen werden. �<br />

Die Fragebögen und Checklisten finden<br />

Sie unter:<br />

www.fgoe.org/presse-publikationen/<br />

downloads/forschung<br />

Literatur:<br />

Theresa Gabriel, Burnout – Leitfaden zur<br />

betrieblichen Gesundheitsförderung in Großbetrieben.<br />

Erhältlich beim Fonds Gesundes<br />

Österreich.<br />

Matthias Burisch, Das Burnout-Syndrom.<br />

Theorie der inneren Erschöpfung.<br />

Springer-Verlag<br />

Maßnahmen bei Burnout<br />

STADiEN DES<br />

SoForTMASSNAhMEN<br />

BurNouT ZykLuS<br />

FordErndEr (ArbEits- Und LEbEns) ALLtAg<br />

1. der Zwang sich zu<br />

beweisen<br />

papierausösterreich eins | 11<br />

in der Tabelle sind Maßnahmen angeführt, die ein Aussteigen aus dem<br />

Burnout-Zyklus ermöglichen. Sie zeigen positive Stressbewältigungsmöglichkeiten<br />

auf, die jedoch von Betroffenen meist lange nicht genutzt werden.<br />

• eigenes Tempo/eigenen Rhythmus finden<br />

• Punkt feststellen, wo Leistungswunsch in Zwang umschlägt<br />

2. Verstärker Einsatz • bewusster Einsatz der psychischen und physischen Kraft<br />

• Delegation von Verantwortung<br />

3. subtile Vernachlässigung<br />

eigener bedürfnisse<br />

4. Verdrängung von Konflikten<br />

und bedürfnissen<br />

• Beachtung von Ernährung, Ruhe und Pflege, Zärtlichkeit<br />

• Auflistung der Bedürfnisse, die ich versäumt habe<br />

• sich selbst verwöhnen und etwas gönnen<br />

• Humor mit anderen teilen<br />

• Hören auf warnende Stimmen<br />

• Zeit für Gespräche mit anderen, Aussprache suchen<br />

• Selbstreflexion<br />

• häufiger auftretende Fehlleistungen hinterfragen<br />

• belastende Umstände, wenn möglich verändern<br />

VorstUFEn Von bUrnoUt<br />

5. Umdeutung von Werten • Grundwerte überdenken (Wahrnehmungsveränderung und Prioritätensetzung<br />

reflektieren – von Entwertung und Umwertung hin zur<br />

Wertschätzung)<br />

• Verbindung mit lieb gewonnenen Menschen<br />

• Klärung von Beziehungskrisen<br />

6. Verstärkte Verleugnung<br />

von Problemen<br />

• Erkennen der eigenen Verleugnungsmechanismen<br />

• Zynismus, Bitterkeit, Intoleranz und Ungeduld können ein Zeichen für beginnendes<br />

Burnout sein, positive Perspektiven einnehmen<br />

• Leistungseinbußen und körperliche Beschwerden ernst nehmen<br />

• keine Übernahme von weiteren Aufgaben, nein sagen<br />

• werden soziale Kontakte als sehr anstrengend erlebt, reflektieren, warum<br />

dies so ist<br />

7. sozialer rückzug • keine weitere Überforderung, um zu beweisen, dass es gut geht<br />

• den Rückzug, positiv für sich selbst und zur Regeneration nutzen, etwas<br />

suchen, das Freude bereitet<br />

• Alkohol und Tabletten (außer von ExpertInnen verordnete) sind keine Lösung<br />

– persönliches Suchtverhalten reflektieren<br />

• eigene Ziele und Ansprüche reflektieren und reduzieren<br />

• Orientierung erarbeiten, Zukunftsbilder entwickeln und mögliche Schritte<br />

dorthin – Coaching<br />

8. beobachtbare Verhaltensänderungen<br />

9. depersonalisation –<br />

Verlust des gefühls der<br />

eigenen Persönlichkeit<br />

• Hören auf andere! Kritik von Besorgnis unterscheiden, Aufmerksamkeit<br />

anderer nicht als Angriff, sondern als Unterstützung werten<br />

• neue Perspektiven gewinnen<br />

• andere Stressbewältigungsmethoden ausprobieren<br />

• sofortige fachliche Beratung und Unterstützung, um Entwurzelung und<br />

Sinnlosigkeit zu hinterfragen<br />

• Funktionieren im Alltag reflektieren und Eigenzeit einplanen<br />

• Gefühl für Nähe zur eigenen Person und zu anderen Menschen wieder<br />

erarbeiten<br />

bUrnoUt<br />

10. innere Leere • konsequentes Arbeiten mit TherapeutIn<br />

• Akzeptanz der inneren Leere<br />

• Sinnorientierung aufbauen<br />

• exzessive Ersatzbefriedigungen umwandeln in sinnvoll genutzte Eigenzeit<br />

11. depression • sofortige therapeutische Hilfe/Unterstützung um Verzweiflung, Erschöpfung<br />

und Suizidgedanken besprechbar und bearbeitbar zu machen<br />

12. Völliges burnout<br />

Erschöpfung<br />

• Krisenintervention, da Selbstmordgefahr<br />

• Behandlung des geistigen, körperlichen und emotionalen Zusammenbruchs<br />

17

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!