Arbeitsrecht/ Arbeitsschutzrecht
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1 Grundlagen<br />
20<br />
des <strong>Arbeitsrecht</strong>s<br />
und sonstige Arbeitsbedingungen festzulegen. Tariffähige<br />
Gewerkschaften müssen frei gebildet, gegnerfrei,<br />
auf überbetrieblicher Grundlage organisiert und<br />
unabhängig sein sowie das geltende Tarifrecht als für<br />
sich verbindlich anerkennen; ferner müssen sie in der<br />
Lage sein, durch Ausüben von Druck auf den Tarifpartner<br />
zu einem Tarifabschluss zu kommen.<br />
Tarifverträge<br />
71 Der Tarifvertrag ist ein Vertrag zur Regelung<br />
der Pflichten und Rechte der Tarifvertragsparteien<br />
(schuldrechtlicher Teil) und zur Festlegung von<br />
Rechtsnormen, insbesondere über den Abschluss,<br />
den Inhalt und die Beendigung der erfassten Arbeitsverhältnisse<br />
(normativer Teil). Er kann auf Arbeitnehmerseite<br />
nur von den Gewerkschaften, auf Arbeitgeberseite<br />
dagegen sowohl von Arbeitgeberverbänden<br />
(Verbandstarifvertrag) als auch von jedem einzelnen<br />
Arbeitgeber (Firmen-, Werk- oder Haustarifvertrag)<br />
abgeschlossen werden. Tarifverträge können nur von<br />
tariffähigen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften<br />
geschlossen werden.<br />
72 Die in Tarifverträgen vereinbarten Arbeitsbedingungen<br />
gelten grundsätzlich jedoch nur für die Arbeitsverhältnisse<br />
der tarifgebundenen Arbeitnehmer<br />
und Arbeitgeber, also wenn der Arbeitnehmer Mitglied<br />
der tarifschließenden Gewerkschaft und der<br />
Arbeitgeber Mitglied des tarifschließenden Arbeitgeberverbandes<br />
oder beim Firmentarifvertrag selbst<br />
Tarifvertragspartner ist. Kraft Tarifgebundenheit des<br />
Arbeitgebers kann in einem Betrieb auch für Arbeitsverhältnisse<br />
derselben Art mehr als ein Tarifvertrag<br />
gelten – sog. Tarifpluralität (BAG v. 7. Juli 2010<br />
– 4 AZR 537/08). Tarifverträge gelten auch für Arbeitnehmer<br />
und Arbeitgeber, die nicht den tarifschließenden<br />
Verbänden angehören, wenn das Arbeitsverhältnis<br />
unter den Geltungsbereich eines Tarifvertrags<br />
fällt, der vom Bundesminister für Arbeit und Soziales<br />
oder vom örtlich zuständigen Landesarbeitsminister<br />
für allgemein verbindlich erklärt wurde oder<br />
wenn aufgrund des Arbeitnehmerentsendegesetzes<br />
die Einhaltung der tarifvertraglichen Regelungen<br />
durch Rechtsverordnung des Bundesministeriums<br />
für Arbeit und Soziales zwingend vorgeschrieben<br />
wurde. Selbstverständlich kann die Anwendung von<br />
tarifvertraglichen Regelungen auch einzelvertraglich<br />
zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbart<br />
werden; tarifvertragliche Regelungen sind außerdem<br />
anzuwenden, wenn ihre Anwendung im Betrieb üblich<br />
ist.<br />
Betriebliche Übung<br />
73 Von betrieblicher Übung spricht man bei einer<br />
regelmäßigen Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen<br />
des Arbeitgebers, aus denen die Arbeitnehmer<br />
schließen können, ihnen soll eine Leistung oder eine<br />
Vergütung auf Dauer gewährt werden. Auch ohne<br />
ausdrückliche Vereinbarung oder Regelung kann ein<br />
Arbeitnehmer durch eine betriebliche Übung Rechte<br />
im Arbeitsverhältnis erwerben und Pflichten begründen.<br />
In der Regel reicht eine dreimalige vorbehaltlose<br />
Gewährung einer Leistung (Gratifikation, z.B.<br />
Weihnachtsgratifikation, Zusatzurlaub, Urlaubsgeld,<br />
Zulage, Prämie, z.B. Treueprämie). Aus einer dem<br />
Arbeitnehmer günstigen Betriebsübung kann sich<br />
für die Zukunft ein Rechtsanspruch auf die Leistung<br />
ergeben, aber nur wenn es an einer Grundlage<br />
für die Leistungsgewährung im Tarifvertrag, in einer<br />
Betriebsvereinbarung oder im Arbeitsvertrag fehlt<br />
(BAG v. 24. November 2004, BB 2005, S. 1745).<br />
Der Arbeitgeber kann das Entstehen einer betrieblichen<br />
Übung ausschließen, wenn er bei der Gewährung<br />
zusätzlicher Leistungen oder Vergünstigungen<br />
ausdrücklich darauf hinweist, dass sie freiwillig erfolgt<br />
und daraus kein Rechtsanspruch für die Zukunft<br />
hergeleitet werden kann. Dieser Hinweis kann auch<br />
in einem Formulararbeitsvertrag erfolgen (BAG v.<br />
21. Januar 2009 – 10 AZR 219/08). Eine unklare<br />
oder intransparente Klausel im Arbeitsvertrag kann<br />
das Entstehen eines zukünftigen Rechtsanspruchs<br />
allerdings nicht verhindern (BAG v. 8. Dezember<br />
2010 – 10 AZR 671/09). Eine einmal entstandene<br />
betriebliche Übung kann nicht durch eine geänderte<br />
betriebliche Übung aufgehoben werden (BAG vom<br />
16. März 2009 – 10 AZR 281/08).<br />
Die betriebliche Übung dient nicht nur als Grundlage<br />
stillschweigender Vereinbarungen, sondern sie<br />
wird auch zur Auslegung von Vereinbarungen und<br />
vor allem zur Ausfüllung der das Arbeitsverhältnis<br />
beherrschenden Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme<br />
herangezogen. Eine bestehende betriebliche<br />
Übung kommt auch neu eingestellten Arbeitnehmern<br />
zugute, mit denen unter der Geltung der Übung ein<br />
Arbeitsverhältnis begründet wird (BAG v. 10. August<br />
1988, BB 1989, S. 356). Wenn der Arbeitgeber<br />
verhindern will, dass aus der bereits bestehenden betrieblichen<br />
Übung eine Bindung auch gegenüber neu<br />
eingestellten Arbeitnehmern eintritt, muss er die betriebliche<br />
Übung vertraglich ausschließen. Eine dem<br />
Arbeitnehmer ungünstige Betriebsübung muss auch<br />
der neu Eintretende gegen sich gelten lassen, wenn