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Die 9. Schweizer Case-Management-Tagung vom 14.

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<strong>9.</strong> <strong>Schweizer</strong>ische <strong>Case</strong>-<strong>Management</strong>-<strong>Tagung</strong><strong>Case</strong> <strong>Management</strong> der Zukunft – Wohin?<strong>Die</strong> <strong>9.</strong> <strong>Schweizer</strong> <strong>Case</strong>-<strong>Management</strong>-<strong>Tagung</strong> <strong>vom</strong> <strong>14.</strong> September 2011 in Biel war erstmals zweisprachigund wurde in Zusammenarbeit mit der Association Francophone de <strong>Case</strong> <strong>Management</strong> organisiert. Unterdem Titel «<strong>Case</strong> <strong>Management</strong> der Zukunft – Wohin?» analysierte die <strong>Tagung</strong> die Auswirkungen aktuellerEntwicklungen auf die Praxis des <strong>Case</strong> <strong>Management</strong>s und beleuchtete die Herausforderungen, die sichaus neuen Anwendungsfeldern einerseits und zunehmenden Forderungen nach Qualitäts- undWirkungsnachweisen andererseits ergeben. Das <strong>Case</strong> <strong>Management</strong> wird sich laut den Experten auch inZukunft im Spannungsfeld zwischen den Erwartungen der Auftraggebenden und den Möglichkeiten derBetroffenen bewegen. Kommunikation und Beziehungsarbeit bleiben daher zentrale Aspekte und dieinterinstitutionelle Zusammenarbeit muss verbindlicher werden. In vielen Fällen kann die Haltung derAkteure des <strong>Case</strong> <strong>Management</strong>s ebenso entscheidend für das Gelingen sein wie das Wissen. Gerät der<strong>Case</strong> <strong>Management</strong>-Prozess trotzdem ins Stocken, sind Mut zu innovativen Ansätzen und Querdenkengefragt. Das <strong>Case</strong> <strong>Management</strong> der Zukunft bleibt zweifellos spannend.Marie-France Fournier, Stellvertretende Leiterin der IV-Stelle im Kanton Wallis, ging in ihrem Referat «<strong>Case</strong><strong>Management</strong> umsetzen, wenn alle steuern wollen» der Frage nach, wie sich die Anliegen des Klienten und dieinstitutionellen Interessen in Einklang bringen lassen. <strong>Die</strong> Frage, wer das <strong>Case</strong> <strong>Management</strong> steuere, sei einzentraler Aspekt. <strong>Case</strong> <strong>Management</strong> definiere sich als Interventionsinstrument im <strong>Die</strong>nste des Klienten, innerhalbeines klar definierten Rahmens. Das Ziel sei die Koordination der Interventionen, um das bestmögliche Resultatzu erzielen. Letzteres sei aber nur möglich, wenn sich alle Akteure in Bescheidenheit üben, den Blick auf das Zielund nicht auf das Vorgehen richten und institutionelle Interessen drosseln. Marie-France Fournier plädierte daherfür einen Kulturwechsel.Sybille Schröder, Geschäftsführerin von Arsana GmbH, beschäftigte sich in ihrem Referat mit demSpannungsfeld zwischen den Erwartungen der Auftraggebenden und den Möglichkeiten der Betroffenen. Ineinem System mit mehreren Akteuren einerseits und unterschiedlichen, teilweise widersprüchlichen Interessenund Zeitvorstellungen andererseits gleiche die Rolle des <strong>Case</strong> Managers einem ständigen Balanceakt. <strong>Die</strong>sehöchst anspruchsvolle Aufgabe bedinge ferner die Mitarbeit des Klienten, der für den Prozess der Zielerreichunggewonnen werden muss. Vieles sei aber keine Frage des Wollens, sondern des Könnens. Der Druck müssedabei immer subjektiv und objektiv betrachtet werden. <strong>Die</strong> erfahrene Sozialarbeiterin und <strong>Case</strong> Managerinerinnerte daran, dass die Haltung des <strong>Case</strong> Managers immer auch das Vertrauen in Veränderung bedinge. Einegrosse Herausforderung im Umgang mit psychisch kranken Menschen sei der Faktor Zeit. <strong>Die</strong>se sei nicht nurindividuell in Bezug auf die Wahrnehmung, sondern auch notwendig für die Erschliessung von persönlichenRessourcen und neuen Perspektiven. Gemäss Sybille Schröder soll das <strong>Case</strong> <strong>Management</strong> in Zukunft keinpunktuelles Angebot sein, sondern sich stärker als Methode etablieren. Dafür sei es erforderlich, Leistungenunabhängig und neutral zu erbringen, die Fachlichkeit und die Qualität der <strong>Case</strong> Manager zu sichern und dieRahmenbedingungen verbindlich zu definieren.Doris Frei Rasting, Bereichsleiterin <strong>Die</strong>nstleistungen Deutschschweiz von Pro Infirmis, referierte zum Thema derWirkung von <strong>Case</strong> <strong>Management</strong> am Beispiel der Pro Infirmis. Das <strong>Case</strong> <strong>Management</strong> wurde im Jahr 2007 fürkomplexe Beratungssituationen eingeführt mit dem Ziel, Effizienz, Effektivität und Nachhaltigkeit durchsystematische Vorgehensweise und Organisationsentwicklung zu steigern. <strong>Die</strong> Besonderheit bei Pro Infirmis ist,dass das <strong>Case</strong> <strong>Management</strong> nicht an eine bestimmte (finanzielle) Leistung gekoppelt ist. Das Ziel sei vielmehr,einen Wirkungsnachweis im Zusammenhang mit den <strong>Die</strong>nstleistungen und der Lebensqualität der Klienten zuerbringen. Wichtig für die Umsetzung seien ein klares Modell, fachliches Verständnis und eine enge Begleitungder Wirkungsmessung sowie das Gewinnen der Mitarbeitenden für das Projekt. Ferner sei es wichtig, dieFührung einzubinden. <strong>Die</strong> bisherigen Erkenntnisse zeigen, dass institutionelle Rahmenbedingungen – wie einedezentrale Organisation im Falle der Pro Infirmis – die Durchführbarkeit der Wirkungsmessung erschweren undein Wirkungsnachweis mit grossem finanziellem und personellem Aufwand verbunden ist. Sie zeigen aber auch,dass sich die Wirkungsmessung positiv auf die Organisation auswirkt, da sie zu vermehrter Reflexion undsukzessiven Anpassungen führt. Individuelle, innovative Ansätze könnten helfen, tragende Lösungen zu finden,die sich positiv auf die Lebensqualität der Betroffenen auswirken. <strong>Die</strong> Pro Infirmis leistet gemäss Doris FreiRasting Pionierarbeit für andere Institutionen.


<strong>Die</strong> Möglichkeiten der Wirkungsmessung von <strong>Case</strong> <strong>Management</strong> wurden in einem Gespräch mit Doris FreiRasting und Prof. Dr. <strong>Die</strong>ter Haller, Dozent und Projektleiter Berner Fachhochschule, weiter diskutiert. <strong>Die</strong>Forderung des Leistungsnachweises gehöre zu jeder <strong>Die</strong>nstleistung. Auf der Systemebene trägt laut <strong>Die</strong>ter Hallerdie Wirkungsmessung dazu bei, dass sich Unterstützungsarbeit entwickelt, auf der operativen Ebene sorgt siedafür, dass Entwicklungen differenzierter wahrgenommen werden. Nicht-Kooperation könne so aufgedeckt undbehoben werden. Darüber hinaus zwinge sie alle Akteure zu einem überlegten Vorgehen. Anders als beiKrankenversicherungen gebe es in <strong>Case</strong> <strong>Management</strong>-Untersuchungen weder direkte Verlaufsvergleiche nochKontrollgruppen. Während sich nachhaltige Entwicklungen erst in Zeiträumen von 5 bis 7 Jahren beurteilenliessen, seien individuelle Entwicklungen durchaus früher in Statuswechseln bei den Klienten erkennbar.Am Nachmittag boten fünf Foren interessante Einblicke in weitere Aspekte des <strong>Case</strong> <strong>Management</strong>s, die derVollständigkeit halber hier aufgeführt werden: «<strong>Die</strong> Anforderungen für <strong>Case</strong> Manager bei Klienten mitMigrationshintergrund», «<strong>Case</strong> <strong>Management</strong> in der Altersarbeit», «Kompetenzprofil undQualifikationsanforderungen für <strong>Case</strong> Manager der Zukunft», «Erfahrungsaustauschgruppen, Bedingungen,Chancen, Grenzen» und «Quer denken im <strong>Case</strong> <strong>Management</strong>».Das abschliessende Referat «Vision einer nachhaltigen Sozial- und Gesellschaftspolitik» von Prof. Dr. JürgKrummenacher, Dozent und Projektleiter Hochschule Luzern, machte im Bezug auf das <strong>Case</strong> <strong>Management</strong> unteranderem die starke Segmentierung des Systems der sozialen Sicherheit in der Schweiz deutlich. Aus diesemGrund seien häufig mehrere Institutionen parallel oder nacheinander ins Geschehen involviert. <strong>Die</strong>interinstitutionelle Zusammenarbeit müsse daher verbindlicher werden. Das <strong>Case</strong> <strong>Management</strong> könne dabei wieim Walliser Modell des Medizinisch-Arbeitsmarktlichen Assessments mit <strong>Case</strong> <strong>Management</strong> (MAMAC) eineSchlüsselrolle einnehmen. Jürg Krummenacher sieht im <strong>Case</strong> <strong>Management</strong> ein wichtiges Instrument präventiverSozialpolitik, sofern es nicht zu technokratisch wird. <strong>Case</strong> <strong>Management</strong> dürfe sich nicht auf die Machbarkeitreduzieren, es habe immer mit Menschen zu tun und bedeute Beziehungsarbeit. Ziel sei es, ihnen neueLebensperspektiven und Lebensbewältigungsstrategien zu vermitteln. In der Arbeit mit Jugendlichen und jungenErwachsenen gelte es ausserdem zu berücksichtigen, dass die Jugendzeit auch eine Suchphase sei.<strong>Die</strong> <strong>Tagung</strong> schloss mit den Gedanken des <strong>Tagung</strong>sbeobachters Pierre-Yves Moret. Der freischaffendeSozialarbeiter erinnerte nochmals daran, dass Klienten des <strong>Case</strong> Managments Menschen mit enormenSchwierigkeiten sind. Um diesen gerecht zu werden, müsste man laut Moret im Grunde unabhängiger <strong>Case</strong>Manager sein. Klienten werden oft von einer Institution zur nächsten geschickt, es gelte daher denDrehtüreneffekt zu überwinden. Beteiligte Institutionen müssten in Zukunft lernen, die gleiche Sprache zusprechen und einen partnerschaftlichen Umgang zu finden. Es gelte, gemeinsam mit dem Klienten dessenRessourcen, Vorstellungen und Wünsche zu analysieren und Lösungen auszuhandeln. <strong>Case</strong> <strong>Management</strong>bedinge aber auch die Kritikfähigkeit der Klienten wie der <strong>Case</strong> Manager in Bezug auf die Umsetzbarkeit vonLösungen. Ohne die Motivation des Klienten sei der <strong>Case</strong> Manager verloren. Ferner müssten alle involviertenAkteure – Institutionen, <strong>Case</strong> Manager und Klient – Wege finden, mit dem steigenden Druck umzugehen. Undschliesslich dürfe man nie vergessen, dass das <strong>Case</strong> <strong>Management</strong> mit den Rahmenbedingungen der Realitätkonfrontiert ist. Es sei daher wichtig, die richtigen sozialpolitischen Weichen zu stellen. Der Effekt des <strong>Case</strong><strong>Management</strong>s lasse sich in Lebensqualität des Klienten messen und diese wiederum in der Lebensqualität derGemeinschaft.

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