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Einführung in das Steuerrecht - Teil 1 - Prof. Dr. Christian Waldhoff

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<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. C. <strong>Waldhoff</strong>, E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> <strong>das</strong> <strong>Steuerrecht</strong> I, Folie 5Die Bundesrepublik Deutschlandals Steuerstaat1. Steuerstaat als historische Beschreibung:Die Ausbildung des modernen Staates <strong>in</strong> der Frühen Neuzeit (ab 1450/1500) geht e<strong>in</strong>her mit derAusbildung des Steuerstaates 2. Steuerstaat als empirische Bestandsaufnahme:Der überwiegende Anteil der Staatse<strong>in</strong>nahmen (neben den Sozialversicherungsbeiträgen undKrediten) besteht aus Steuern 3. Steuerstaat als verfassungsrechtliches Postulat:Das Grundgesetz verlangt den Vorrang der Steuerf<strong>in</strong>anzierung:Nichtsteuerliche Abgaben (Gebühren; Beiträge; Sonderabgaben etc.) unterliegen e<strong>in</strong>er besonderenRechtfertigungsbedürftigkeit


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. C. C. <strong>Waldhoff</strong>, Staatsrecht E<strong>in</strong>führung I, <strong>in</strong> Folie <strong>das</strong> 37 <strong>Steuerrecht</strong> I, Folie 8„Steuerwissenschaften“<strong>Steuerrecht</strong>F<strong>in</strong>anzwissenschaftbetrieblicheSteuerlehreRechtswissenschaftVolkswirtschaftslehre (VWL)BetriebswirtschaftslehreFrage nach den normativenVoraussetzungen undBed<strong>in</strong>gungen derSteuererhebungVolkswirtschaftliche Analyseder Staatsf<strong>in</strong>anzierung unddes SteuersystemsFrage nach der optimalenSteuergestaltung des e<strong>in</strong>zelnenUnternehmens


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. C. <strong>Waldhoff</strong>, E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> <strong>das</strong> <strong>Steuerrecht</strong> I, Folie 9Rechtsquellen des <strong>Steuerrecht</strong>s vgl. § 4 AO: „Gesetz ist jede Rechtsnorm“ 1. Das SteuergesetzSteuergesetze als förmliche (Bundes- oder Landes-)Gesetze stellen die zentrale Rechtsquelle des <strong>Steuerrecht</strong>sdar; aufgrund des strengen Steuergesetzesvorbehalts (<strong>Steuerrecht</strong> als E<strong>in</strong>griffsrecht!) müssen alle wesentlichenElemente des Steuertatbestands im förmlichen Parlamentsgesetz selbst geregelt se<strong>in</strong> Bsp.: EStG; AO; ErbStG 2. RechtsverordnungenRechtsverordnungen s<strong>in</strong>d von der Exekutive erlassene Gesetze im materiellen S<strong>in</strong>ne; es handelt sich umdelegierte Rechtsetzung (vgl. Art. 80 Abs. 1 GG).Wegen des Steuergesetzesvorbehalts können nicht ohne weiteres Elemente des Steuertatbestands auf die Ebeneder Rechtsverordnung delegiert werden; die steuergesetzliche Rechtsverordnungen betreffen daher vorrangigFragen des Steuerverfahrens Bsp.: E<strong>in</strong>kommensteuerdurchführungsverordnung 2000; Lohnsteuer-Durchführungsverordnung


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. C. <strong>Waldhoff</strong>, E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> <strong>das</strong> <strong>Steuerrecht</strong> I, Folie 10Rechtsquellen des <strong>Steuerrecht</strong>s 3. SatzungenAutonome Satzungen s<strong>in</strong>d Gesetze im materiellen S<strong>in</strong>ne, die der Rechtsetzung von Selbstverwaltungskörperschaftendienen;für <strong>das</strong> <strong>Steuerrecht</strong> ergehen kommunale Abgabensatzungen auf der Ermächtigungsgrundlage der Landes-KAGund der jeweiligen Geme<strong>in</strong>deordnung (die ihrerseits durch Art. 105 Abs. 2a GG ermächtigt s<strong>in</strong>d) vgl. für Brandenburg § 1 Abs. 1 KAG:„Die Geme<strong>in</strong>den und Geme<strong>in</strong>deverbände s<strong>in</strong>d berechtigt, nach Maßgabe dieses Gesetzes Abgaben (Steuern,Gebühren und Beiträge) zu erheben, soweit nicht geltende Gesetze etwas anderes bestimmten.“§ 2 Abs. 1 KAG: „Abgaben dürfen nur auf Grund e<strong>in</strong>er Satzung erhoben werden. Die Satzung muss den Kreis derAbgabenschuldner, den die Abgabe begründende Tatbestand, den Maßstab und den Satz der Abgabe sowie denZeitpunkt ihrer Fälligkeit angeben.“Vgl. für Berl<strong>in</strong> § 1 GebG: „Die Verwaltung Berl<strong>in</strong>s hat nach den Vorschriften dieses Gesetzes Anspruch auf Entrichtung von Gebühren(Verwaltungsgebühren, Benutzungsgebühren) und Beiträgen sowie auf Erstattung von Barauslagen.“


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. C. <strong>Waldhoff</strong>, E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> <strong>das</strong> <strong>Steuerrecht</strong> I, Folie 11Rechtsquellen des <strong>Steuerrecht</strong>s 4. Verwaltungsvorschriften (Steuerrichtl<strong>in</strong>ien)Verwaltungsvorschriften s<strong>in</strong>d sog. Innenrecht, d.h. sie verpflichten nur die (Steuer-)Verwaltung, nicht denBürger / die Bürger<strong>in</strong> (Verpflichtungsgrund für die Verwaltungsbeamt_<strong>in</strong>nen ist die Weisungshierarchie <strong>in</strong> deröffentlichen Verwaltung);erst über die Rechtsfigur der sog. Selbstb<strong>in</strong>dung der Verwaltung, d.h. über e<strong>in</strong>e ständige Verwaltungspraxisi.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG erlangen sie faktisch „Außenwirkung“;gleichwohl ist die praktische Bedeutung steuerlicher Verwaltungsvorschriften, <strong>in</strong>sbes. von Steuerrichtl<strong>in</strong>ienkaum zu überschätzen, da sich die Verwaltung im Massenverwaltungsbereich <strong>Steuerrecht</strong> daran ausrichtet undausrichten muss; jedes Jahr werden rund 2000 Verwaltungsvorschriften erlassen, der Gesamtbestand bewegt sichum 40.000! Nach Art. 108 Abs. 7 GG besitzt die Bundesregierung <strong>das</strong> Recht, mit Zustimmung des Bundesrats auch für dieLandessteuerverwaltungen allgeme<strong>in</strong>e Verwaltungsvorschriften zu erlassen.Wichtige Beispiele:• E<strong>in</strong>kommensteuerrichtl<strong>in</strong>ien mit Interpretationsh<strong>in</strong>weisen für zahlreiche Rechtsbegriffe und Situationen • AfA-Tabellen, d.h. Zahlentabellen für Abschreibungen als typisierende Verwaltungsvorschriften


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. C. <strong>Waldhoff</strong>, E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> <strong>das</strong> <strong>Steuerrecht</strong> I, Folie 12Rechtsquellen des <strong>Steuerrecht</strong>s 5. sog. NichtanwendungserlasseBesondere und besonders umstrittene Form steuerlicher Verwaltungsvorschriften, mit denen dieF<strong>in</strong>anzverwaltung angewiesen wird, bestimmte Entscheidungen des BFH nicht anzuwenden Gerichtsentscheidungen wirken grds. „<strong>in</strong>ter pares“, d.h. nur zwischen den Parteien des jeweiligen Verfahrens;faktisch haben sie jedoch Präjudizienwirkung; diese wird durch sog. Nichtanwendungserlasse wiederumausgeschaltet, da sich die Steuerverwaltung dann nicht nach dem betreffenden Urteil richten darf Davon abzugrenzen: faktische Beh<strong>in</strong>derung der Umsetzung von BFH-Rechtsprechung durchNichtveröffentlichung im BStBl.


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. C. <strong>Waldhoff</strong>, E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> <strong>das</strong> <strong>Steuerrecht</strong> I, Folie 13Überblick über <strong>das</strong> Steuersystem1. Direkte und <strong>in</strong>direkte SteuernDirekte Steuern: Steuerschuldner_<strong>in</strong> und tatsächlich Belastete_r stimmen übere<strong>in</strong>• Vorteil: Berücksichtigung der <strong>in</strong>dividuellen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit • Nachteil: gegenüber <strong>in</strong>direkten Steuern erheblicher Erklärungs- und Ermittlungsmehraufwand • Beispiele: E<strong>in</strong>kommensteuer; Körperschaftsteuer; Gewerbesteuer; Erbschafts- undSchenkungsteuer Aufkommen 2010:Aufkommen 2011:Aufkommen 2012:<strong>in</strong>sgesamt 256 Mrd. €(48% der Steuere<strong>in</strong>nahmen <strong>in</strong>sgesamt); davon 192 Mrd. € ESt- u. KSt. (36%)<strong>in</strong>sgesamt 281 Mrd. € (49% der Steuere<strong>in</strong>nahmen <strong>in</strong>sgesamt) davon 212 Mrd. € ESt.- u. KSt. (37%)<strong>in</strong>sgesamt 296 Mrd. € (50% der Steuere<strong>in</strong>nahmen <strong>in</strong>sgesamt) davon 244 Mrd. € ESt.- u. KSt. (38%)


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. C. <strong>Waldhoff</strong>, E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> <strong>das</strong> <strong>Steuerrecht</strong> I, Folie 14Überblick über <strong>das</strong> SteuersystemIndirekte Steuern: Steuerschulder_<strong>in</strong> (z.B. bei der Umsatzsteuer die Unternehmer_<strong>in</strong>nen) undtatsächlich Belastete_r (idR Verbraucher_<strong>in</strong>)• Vorteil:• Nachteil:• Beispiele:ger<strong>in</strong>ger Erhebungs- und Erklärungsaufwand ke<strong>in</strong>e Berücksichtigung der <strong>in</strong>dividuellen Leistungsfähigkeit Prototyp: Umsatzsteuer, aber auch Biersteuer; Tabaksteuer;M<strong>in</strong>eralölsteuer; Versicherungsteuer etc.Aufkommen 2010:Aufkommen 2011:Aufkommen 2012:<strong>in</strong>sgesamt 275 Mrd. €(52% der Steuere<strong>in</strong>nahmen <strong>in</strong>sgesamt); davon 180 Mrd. € Umsatzsteuer (34%)<strong>in</strong>sgesamt 290 Mrd. € (51% der Steuere<strong>in</strong>nahmen <strong>in</strong>sgesamt) davon 190 Mrd. € Umsatzsteuer (33%)<strong>in</strong>sgesamt 296 Mrd. € (50% der Steuere<strong>in</strong>nahmen <strong>in</strong>sgesamt) davon 195 Mrd. € Umsatzsteuer (33%)


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. C. <strong>Waldhoff</strong>, Staatsrecht E<strong>in</strong>führung I, <strong>in</strong> Folie <strong>das</strong> <strong>Steuerrecht</strong> 37 I, Folie 152. Ertragsteuern und VermögenssteuernBesitzsteuernErtragsteuern:E<strong>in</strong>kommensteuer Körperschaftsteuer Gewerbesteuer Zuschlagsteuern (Solidaritätszuschlag, Kirchensteuer) Vermögensteuern:Vermögensteuer (wird nicht erhoben) Grundsteuer Erbschaftsteuer (str.) Weitere E<strong>in</strong>teilungsmöglichkeiten:1. Personen (= Subjekt-)steuern und Real (= Objekt)steuern Bsp.: E<strong>in</strong>kommensteuer/ Grundsteuer 2. Laufende (Besteuerungsabschnitte) und e<strong>in</strong>malige SteuernBsp.: E<strong>in</strong>kommensteuer/ Grunderwerbsteuer u. Erbschafts- und Schenkungsteuer


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. C. C. <strong>Waldhoff</strong>, Staatsrecht E<strong>in</strong>führung I, <strong>in</strong> Folie <strong>das</strong> 37 <strong>Steuerrecht</strong> I, Folie 8<strong>Dr</strong>ei Zeitpunkte des Steuerzugriffs E<strong>in</strong>kommensentstehungVermögenE<strong>in</strong>kommensverwendungSteuern auf dieE<strong>in</strong>kommensentstehungSteuern auf <strong>das</strong> Vermögen Steuern auf dieE<strong>in</strong>kommensverwendung


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. C. <strong>Waldhoff</strong>, Staatsrecht E<strong>in</strong>führung I, <strong>in</strong> Folie <strong>das</strong> <strong>Steuerrecht</strong> 37 I, Folie 17<strong>Steuerrecht</strong>Allgem. <strong>Steuerrecht</strong>Bes. <strong>Steuerrecht</strong>„Internat. <strong>Steuerrecht</strong>“• AO • FGO • E<strong>in</strong>zelsteuergesetze (Bsp.:EStG, KStG etc.) • AStG• DBA • EStG • EuropaR Überlagerung (soweit grenzüberschreitenderSachverhalt) durch Europarecht


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. C. <strong>Waldhoff</strong>, E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> <strong>das</strong> <strong>Steuerrecht</strong> I, Folie 18Der Steuertatbestand „Tatbestand“ umschreibt im Recht allgeme<strong>in</strong> diejenigen Voraussetzungen(„Tatbestandsmerkmale“), die erfüllt se<strong>in</strong> müssen, damit die gewünschte Rechtsfolge e<strong>in</strong>tritt (vgl.etwa bei § 242 StGB; § 323 Abs. 1 BG, sog. konditional programmierte Rechtssätze). vgl. für <strong>das</strong> <strong>Steuerrecht</strong> § 38 AO: „Die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis entstehen,sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den <strong>das</strong> Gesetz die Leistungspflicht knüpft.“ e<strong>in</strong>ziger vollständiger Steuertatbestand <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Rechtsnorm sche<strong>in</strong>t § 10 Abs. 1 Rennwett- undLotteriegesetz zu se<strong>in</strong>:„Von den am Totalisator gewetteten Beträgen hat der Unternehmer des Totalisators e<strong>in</strong>e Steuervon von sechzehn zwei <strong>Dr</strong>ittel vom Hundert an <strong>das</strong> Reich entrichten.“Bei den meisten Steuergesetzen s<strong>in</strong>d die Elemente des Steuertatbestands über e<strong>in</strong>e Mehrzahl vonParagraphen verteilt.


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. C. <strong>Waldhoff</strong>, E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> <strong>das</strong> <strong>Steuerrecht</strong> I, Folie 19Der Steuertatbestand 1. SteuersubjektSteuersubjekt betrifft die Steuerpflicht, d.h. die Person, welche die Steuer schuldet (vgl. §1 Abs. 1 EStG) sog. subjektive oder persönliche Steuerpflicht 2. SteuerobjektSteuerobjekt ist der Gegenstand, welcher der Steuer unterliegt( teilweise - term<strong>in</strong>ologisch allerd<strong>in</strong>gs unglücklich – als sachliche Steuerpflicht bezeichnet).Die Steuerbemessungsgrundlage ist <strong>das</strong> zahlenmäßig aufbereitete Steuerobjekt zur Anwendung des Steuertarifs(<strong>das</strong> „konkrete Steuerobjekt“) durch den Abzug von Vergünstigungen usw.Steuerobjekt der E<strong>in</strong>kommensteuer ist <strong>das</strong> „E<strong>in</strong>kommen“; die Steuerbemessungsgrundlage wird durch § 2 EStGund zahlreiche Hilfsnormen geformt.3. SteuersatzSteuersatz ist die Rechengröße, durch deren Anwendung auf die Steuerbemessungsgrundlage sich der konkreteE<strong>in</strong>zelfall zu zahlende Steuerbetrag ergibt Der Steuersatz ergibt sich aus dem Steuertarif, e<strong>in</strong>er mathematischen Formel; der Steuertarif kann proportionaloder progressiv ausgestaltet se<strong>in</strong> vgl. §§ 32 a ff. EStG


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. C. <strong>Waldhoff</strong>, E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> <strong>das</strong> <strong>Steuerrecht</strong> I, Folie 20E<strong>in</strong>kommensteuerDie E<strong>in</strong>kommensteuer ist die aufkommensmäßig wichtigste (2012 ca. 180,7 Mrd. €)und für die <strong>Steuerrecht</strong>sdogmatik zentrale Steuer („König<strong>in</strong> der Steuern“);sie will die Gesamt-Leistungsfähigkeit der natürlichen Person erfassen. hist. (vgl. bereits Folie 2 ff.): Entstehen der modernen E<strong>in</strong>kommensteuer <strong>in</strong> England imGefolge der Kriege gegen Napoleon an der Wende vom 18. zum 19. Jh. „The tax that beat Napoleon“ Preußen: 1808/1812 im Zusammenhang mit den Befreiungskriegen Preußen: 1891/93, sog. Miquelschen Steuerreformen(nach dem preußischen F<strong>in</strong>anzm<strong>in</strong>ister Johannes von Miquel) Bis heute fortwirkend:Erzbergersche F<strong>in</strong>anzreform 1920; Reichse<strong>in</strong>kommensteuergesetz 1934


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. C. <strong>Waldhoff</strong>, E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> <strong>das</strong> <strong>Steuerrecht</strong> I, Folie 21E<strong>in</strong>kommensteuer I. Steuersubjekt Folie 19 II. SteuerobjektDas „E<strong>in</strong>kommen“ Die F<strong>in</strong>anzwissenschaften kennen zwei Theorien, wie <strong>das</strong> E<strong>in</strong>kommen zu bestimmen ist: sog. Quellentheorie (Bernhard Fuist<strong>in</strong>g): Nur Zuflüsse aus vorher konkret def<strong>in</strong>ierten Quellen können vonder Steuer erfasst werden sog. Re<strong>in</strong>vermögenszugangstheorie (Georg von Schanz): jeglicher Vermögenszufluss wird erfasst Deutsches EStG: ke<strong>in</strong>e re<strong>in</strong>e Durchführung, sondern Mischsystem § 2 und §§ 13 ff. EStG unterscheiden verschiedene E<strong>in</strong>kunftsarten


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. C. <strong>Waldhoff</strong>, E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> <strong>das</strong> <strong>Steuerrecht</strong> I, Folie 22E<strong>in</strong>kommensteuer Die Unterscheidung zwischen den verschiedenen E<strong>in</strong>kunftsarten ist für die Ermittlung des E<strong>in</strong>kommens wichtig:sog. E<strong>in</strong>künftedualismus im E<strong>in</strong>kommensteuerrecht, vgl. § 2 Abs. 2; § 4 EStG: • Gew<strong>in</strong>ne<strong>in</strong>künfte: Ermittlung durch e<strong>in</strong>e Vermögensübersicht, die sog. Bilanz bilanzielle Ermittlung: „Gew<strong>in</strong>n ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluß desWirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluß des vorangegangenen Wirtschaftsjahres...“ §§ 4 – 7k EStG E<strong>in</strong>künfte aus Land- und Forstwirtschaft E<strong>in</strong>künfte aus dem Gewerbebetrieb E<strong>in</strong>künfte aus selbständiger Arbeit • Überschusse<strong>in</strong>künfte: Ermittlung des Überschusses der E<strong>in</strong>nahmen über die Werbungskosten §§ 8, 9 EStG E<strong>in</strong>künfte aus nichtselbständiger Arbeit E<strong>in</strong>künfte aus Kapitalvermögen E<strong>in</strong>künfte aus Vermietung und Verpachtung sonstige E<strong>in</strong>künfte


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. C. <strong>Waldhoff</strong>, E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> <strong>das</strong> <strong>Steuerrecht</strong> I, Folie 23III. Steuersatz Folie 19 E<strong>in</strong>kommensteuer Kapitalertragsteuer und Lohnsteuer s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e eigenständigen Steuerarten, sondern besondereErhebungsformen der E<strong>in</strong>kommensteuer (sog. Quellenabzugsverfahren...) Die E<strong>in</strong>kommensteuer ist e<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>schaftsteuer i.S.v. Art. 106 Abs. 3 GG, d.h. ihr Ertrag steht nach festenAnteilen Bund, Ländern und Geme<strong>in</strong>den geme<strong>in</strong>sam zu Der Solidaritätszuschlag ist e<strong>in</strong>e „Ergänzungsabgabe zur E<strong>in</strong>kommensteuer“ i.S.v. Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GGund steht im Ertrag alle<strong>in</strong> dem Bund zu Zur Verfassungsmäßigkeit der fehlenden Befristung: BFH, BStBl II 2006, 632;BVerfG, DStZ 2008, 229Die Kirchensteuer ist e<strong>in</strong>e Annexsteuer zur E<strong>in</strong>kommensteuer, die von ertragsberechtigten Kirchen oderReligionsgeme<strong>in</strong>schaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5, 6WRV) <strong>in</strong> Höhe von regelmäßig 8 oder 9 % der E<strong>in</strong>kommensteuerschuld von ihren Mitgliedern mit Hilfestaatlicher F<strong>in</strong>anzbehörden erhoben wird (sog. res mixtae, geme<strong>in</strong>same Angelegenheiten von Staat und Kirche)


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. C. <strong>Waldhoff</strong>, E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> <strong>das</strong> <strong>Steuerrecht</strong> I, Folie 24Individualbesteuerung/Unternehmensbesteuerung PersonengesellschaftKörperschaftE<strong>in</strong>zelunternehmer_<strong>in</strong>LeitbildTransparenzpr<strong>in</strong>zip Trennungspr<strong>in</strong>zip Gesellschafter_<strong>in</strong>Anteilseigner_<strong>in</strong>


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. C. <strong>Waldhoff</strong>, E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> <strong>das</strong> <strong>Steuerrecht</strong> I, Folie 25Körperschaftsteuer Die Körperschaftsteuer ist die „E<strong>in</strong>kommensteuer juristischer Personen“, <strong>in</strong>sbesondere für dieKapitalgesellschaften (GmbH; AG) Abgrenzung zu sog. Mitunternehmerschaften i.S.v. § 15 EStG erforderlich (Personengesellschaften) I. SteuersubjektDie <strong>in</strong> § 1 KStG aufgezählten Körperschaften: - Kapitalgesellschaften (AG; KgaA; Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften; VVG; sonstige jur. Pers. d.Privatrechts; nichtrechtsfähige privatrechtliche Vere<strong>in</strong>e, Anstalten und Stiftungen, soweit diesekörperschaftlich organisiert s<strong>in</strong>d; gewerbliche Betriebe jur. Pers. d. Öffentlichen Rechts) - Auch die KSt unterscheidet zwischen unbeschränkter und beschränkter (Körperschafts-)steuerpflicht;entscheidend ist der Sitz (§ 11 AO) oder der Ort der Geschäftsleitung (§ 10 AO) im Inland II. SteuerobjektSteuerobjekt ist <strong>das</strong> E<strong>in</strong>kommen, welches die Körperschaft im Steuerjahr erzielt hat, § 7 KStG; was alsE<strong>in</strong>kommen gilt und wie <strong>das</strong> E<strong>in</strong>kommen zu ermitteln ist, bestimmt sich nach dem EStG, modifiziert durchspezielle Regelungen des KStG (§ 8 KStG)


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. C. <strong>Waldhoff</strong>, E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> <strong>das</strong> <strong>Steuerrecht</strong> I, Folie 26Körperschaftsteuer III. Steuersatzbis 1989: 56 %1990: 50 % 1994: 45 % 1995: 40 % 2001: 25 % 2008: 15 % E<strong>in</strong> steuerrechtliches und steuerpolitisches Hauptproblem stellt die Koord<strong>in</strong>ation desKSt mit der ESt der Anteilseigner_<strong>in</strong>nen dar (sog. Kapitalertragsteuer als besondereErhebungsform der ESt) die „Ebene der Körperschaft“ und die „Ebene der Anteilseigner_<strong>in</strong>nen“ (etwa derAktionär_<strong>in</strong>nen) muss ause<strong>in</strong>andergehalten werden: 1. Fall:2. Fall:Die Gew<strong>in</strong>ne der Körperschaft werden nicht ausgeschüttet (sog.Thesaurierung): es verbleibt bei der KSt Die Gew<strong>in</strong>ne werden ausgeschüttet seit 2001 gilt <strong>das</strong> sog. Halbe<strong>in</strong>künfteverfahren: Die Dividenden derAnteilseigner_<strong>in</strong>nen werden nur zur Hälfte <strong>in</strong> die Bemessungsgrundlagefür die persönliche E<strong>in</strong>kommensteuer der Anteilseigner_<strong>in</strong>nene<strong>in</strong>bezogen Versuch die Doppelbelastung von der Körperschaft ausgeschütteterGew<strong>in</strong>ne durch e<strong>in</strong>e Pauschalisierung zu vermeiden (von 1977 bis 2000:sog. Anrechnungsverfahren) Ab 2009: erneute Neuregelung: Abgeltungssteuer und sog.<strong>Teil</strong>e<strong>in</strong>künfteverfahrenDie Körperschaftsteuer wird von den Landesf<strong>in</strong>anzbehörden erhoben und erzielte2011 ca. 14,8 Mrd. €, 2012 ca. 19,2 Mrd. €


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. C. <strong>Waldhoff</strong>, E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> <strong>das</strong> <strong>Steuerrecht</strong> I, Folie 27GewerbesteuerDie Gewerbesteuer ist die wichtigste steuerliche E<strong>in</strong>nahmequelle der Geme<strong>in</strong>den; Bund und Länder werdendurch die sog. Gewerbesteuerumlage an ihrem Ertrag beteiligt; sie ist seit 1998 durch Art. 28 Abs. 2 S. 3 GGverfassungsrechtlich abgesichert: „Die Gewährleistung der [kommunalen] Selbstverwaltung umfaßt auch dieGrundlagen der f<strong>in</strong>anziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört e<strong>in</strong>e den Geme<strong>in</strong>den mitHebesatzrecht zustehende wirtschaftsbezogene Steuerquelle.“ § 1 GewStG: „Die Geme<strong>in</strong>den erheben e<strong>in</strong>e Gewerbesteuer als Geme<strong>in</strong>desteuer.“;§ 4 GewStG: sog. Betriebsstättenpr<strong>in</strong>zip Zerlegung nach Betriebstätten Die Gewerbesteuer wird als Real- und Objektsteuer charakterisiert: Es kommt nicht auf die „h<strong>in</strong>ter“ demGewerbeunternehmen stehenden Personen an, deren Leistungsfähigkeit nicht besteuert wird; abzustellen ist stetsauf <strong>das</strong> „Objekt“ Gewerbebetrieb Historisch: Preußisches Gewerbesteueredikt 1810 (Ste<strong>in</strong>-Hardenbergsche Reformen) Gewerbefreiheit;Rechtfertigung: Äquivalenzpr<strong>in</strong>zip die Gewerbebetriebe sollen sich an dem Aufwand beteiligen, den dieGeme<strong>in</strong>den im H<strong>in</strong>blick auf diese haben (zweifelhaft)


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. C. <strong>Waldhoff</strong>, E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> <strong>das</strong> <strong>Steuerrecht</strong> I, Folie 28GewerbesteuerI. Steuersubjekt§ 2 GewStG: „Der Gewerbesteuer unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird.Unter Gewerbebetrieb ist e<strong>in</strong> gewerbliches Unternehmen im S<strong>in</strong>ne des E<strong>in</strong>kommensteuergesetzes zuverstehen. ...“ ausgenommen s<strong>in</strong>d:• Land- und Forstwirtschaft • sog. freie Berufe II. SteuerobjektBesteuerungsgrundlage ist der Gewerbebetrag, d.h. der nach den Vorschriften des EStG oder des KStG zuermittelnde Gew<strong>in</strong>n aus dem Gewerbebetrieb, vermehrt und verm<strong>in</strong>dert um bestimmte Beträge


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. C. <strong>Waldhoff</strong>, E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> <strong>das</strong> <strong>Steuerrecht</strong> I, Folie 29GewerbesteuerIII. SteuersatzBei der Berechnung der Gewerbesteuer ist von e<strong>in</strong>em Steuermessbetrag auszugehen. Dieser ist durch dieAnwendung e<strong>in</strong>es Hundertsatzes von regelmäßig 5 % (sog. Steuermesszahl) auf den Gewerbeertrag zu ermitteln.Dabei s<strong>in</strong>d Freibeträge zu berücksichtigen. Auf den so ermittelten Steuermessbetrag wendet die Geme<strong>in</strong>de denvon ihr festgesetzten Hundertsatz (sog. Hebesatz) an; dieser muss seit 2004 m<strong>in</strong>destens 200 % betragen(verfassungsgerichtliches Verfahren gegen die Ausschaltung von Wettbewerb <strong>in</strong>soweit abhängig). Erhebungsverfahren:Für die Besteuerungsgrundlagen und für die Festsetzung und Zerlegung des Steuermessbetrags s<strong>in</strong>d dieF<strong>in</strong>anzämter, also die Landesf<strong>in</strong>anzbehörden zuständig. Die Gewerbesteuer wird dann auf dieser Grundlage unter Anwendung des von ihnen durch Satzung festgelegtenHebesatzes erhoben. Das Aufkommen ist stark konjunkturabhängig, es betrug 2008 ca. 42,2 Mrd. €2009 ca. 40,5 Mrd. € 2010 ca. 35,7 Mrd. € 2011 ca. 39,9 Mrd. € 2012 ca. 42,3 Mrd. €


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. C. <strong>Waldhoff</strong>, E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> <strong>das</strong> <strong>Steuerrecht</strong> I, Folie 30Erbschaft- und Schenkungsteuer Zwei theoretische Konzepte s<strong>in</strong>d denkbar: (1.) Nachlasssteuer: Vermögensbesteuerung des Gesamtnachlasses (2.) Erbanfallsteuer: Bereicherung des e<strong>in</strong>zelnen Erwerbenden (Erben oder Erb<strong>in</strong>) wird besteuert entspricht dem geltenden Recht Steuersubjektd.h. steuerpflichtig ist der/die Erwerbende (Erbe/Erb<strong>in</strong> oder beschenkte Person) • unbeschränkte Steuerpflicht, sofern der/die Erblassende/Schenkende oder der/die Erwerbende Inländer_<strong>in</strong> ist • unbeschränkte Steuerpflicht für Inlandsvermögen, sofern ke<strong>in</strong>e_r der Beteiligten Inländer_<strong>in</strong> istSteuerobjektBesteuert wird der Erwerb von Todes wegen (§ 3 ErbStG), d.h. Erbanfall oder Vermächtnis, Schenkungen aufden Todesfall u.ä., nicht jedoch der güterrechtliche Zugew<strong>in</strong>nausgleich; besteuert werden auch Schenkungenunter Lebenden (§ 7 ErbStG) Steuertarif/ SteuersatzSteuerklassen nach dem Verhältnis des/der Erwerbenden zum/zur Erblassenden Die Erbschaftssteuer folgt e<strong>in</strong>em Stufentarif; die Steuerbelastung richtet sich nach der Steuerklasse sowie nachdem Wert des steuerpflichtigen Erwerbs (jenseits von Freibeträgen zwischen 7 und 50 %)


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. C. <strong>Waldhoff</strong>, E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> <strong>das</strong> <strong>Steuerrecht</strong> I, Folie 31VerbrauchsteuernBelastung der E<strong>in</strong>kommens- und Vermögensverwendung durch Besteuerung des Erwerbs von Gütern oderDienstleistungen Allgeme<strong>in</strong>e Verbrauchsteuer ist die Umsatzsteuer Besondere Verbrauchsteuern auf:• Tabakwaren (Tabaksteuergesetz) • Bier (Biersteuergesetz) • Schaumwe<strong>in</strong>e (Gesetz zur Besteuerung von Schaumwe<strong>in</strong>en und Zwischenerzeugnissen) • Branntwe<strong>in</strong> (Branntwe<strong>in</strong>monopolgesetz) • Alkopops (Alkopopsteuergesetz) • M<strong>in</strong>eralöl (Energiesteuergesetz) • Erdgas (Energiesteuergesetz • Kaffee (Kaffeesteuergesetz) • Strom (Stromsteuergesetz) Steuerschuldner_<strong>in</strong> (Steuersubjekt) ist i.d.R. der/die Inhaber_<strong>in</strong> des Steuerlagers, <strong>in</strong> denen sich <strong>das</strong> Steuerobjektbef<strong>in</strong>det. Steuerbemessungsgrundlage ist i.d.R. der Wert oder die Menge des Steuerobjekts. Der Steuersatz ist zumeist e<strong>in</strong> Prozentsatz des Wertes. Der Steuertatbestand wird erfüllt, wenn der Steuergegenstand aus dem Steuerlager entfernt wird.


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. C. <strong>Waldhoff</strong>, E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> <strong>das</strong> <strong>Steuerrecht</strong> I, Folie 32VerkehrsteuernBelastung des wirtschaftlichen Leistungsaustausches durch Anknüpfung an Vorgängedes Rechtverkehrs • Grunderwerbsteuer • Versicherungsteuer • Feuerschutzsteuer • Rennwett- und Lotteriesteuer


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. C. <strong>Waldhoff</strong>, E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> <strong>das</strong> <strong>Steuerrecht</strong> I, Folie 33UmsatzsteuerAllgeme<strong>in</strong>e Verbrauchsteuer, ergiebigste <strong>in</strong>direkte Steuer(Aufkommen 2011: 190,3 Mrd. €; 2012: 195,2 Mrd. €) Geme<strong>in</strong>schaftsteuer i.S.v. Art. 106 Abs. 3, 4, und 7 GG, Bund, Länder und Geme<strong>in</strong>den s<strong>in</strong>d beteilig; flexibleAnteile von Bund und Ländern, geregelt durch <strong>das</strong> FAG („bewegliches Element der bundestaatlichenF<strong>in</strong>anzverfassung“) Steuersubjekt zur F<strong>in</strong>anzierung der EG; starke Harmonisierung(Art. 93 EGV enthält e<strong>in</strong>en ausdrücklichen Harmonisierungsauftrag: wichtig die 6.Umsatzsteuerrichtl<strong>in</strong>ie von 1977, die die Bemessungsgrundlage europaweit vere<strong>in</strong>heitlicht;ungelöst die Problematik der grenzüberschreitenden Umsatzbesteuerung im B<strong>in</strong>nenmarkt:Bestimmungslandpr<strong>in</strong>zip vs. Ursprungslandpr<strong>in</strong>zip)hist.: 1918 – 1967 sog. Allphasen-Bruttoumsatzsteuer (Johannes Popitz):jeder e<strong>in</strong>zelne Wirtschaftsvorgang – erfolgt er e<strong>in</strong>em Unternehmer/e<strong>in</strong>er Unternehmer<strong>in</strong> oder e<strong>in</strong>emEndverbraucher/e<strong>in</strong>er Endverbraucher<strong>in</strong> gegenüber – wird besteuert; je mehr Handelsstufen durchlaufen werden, desto höher summiert sich die Belastung mit Umsatzsteuer, da dieSteuer von „Phase“ zu „Phase“ ohne Korrektur weitergegeben wird.seit 1968: Allphasen-Nettoumsatzsteuer mit Vorsteuerabzug: nur die Wertschöpfung auf der jeweiligenHandelsstufe soll erfasst werden (sog. Mehrwert; <strong>in</strong> der Sache wird jedoch <strong>das</strong> jeweilige Gesamtentgelt ohneUmsatzsteuer als Bemessungsgrundlage erfasst);der/die Unternehmer_<strong>in</strong> erhält die ihm/ihr <strong>in</strong> Rechnung gestellte Fremd-Umsatzsteuer vom F<strong>in</strong>anzamt zurück(sog. Vorsteuerabzug); damit trägt letztlich nur der Endverbraucher/die Endverbraucher<strong>in</strong> die Steuer


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. C. <strong>Waldhoff</strong>, Staatsrecht E<strong>in</strong>führung I, <strong>in</strong> Folie <strong>das</strong> <strong>Steuerrecht</strong> 37 I, Folie 34Steuerbegriffverfassungsrechtlicher Steuerbegriffe<strong>in</strong>fachgesetzlicher SteuerbegriffLiegt den Art. 105, 106 GG zugrunde § 3 Abs. 1 AO• Otto Mayer • Reichsabgabenordnung 1919 dient der verfassungsrechtlichen Kompetenzabgrenzung dient i.V.m. § 1 AO der Bestimmung desAnwendungsbereichs der AOabzugrenzen von Gebühren, Beiträgen, Sonderabgaben und sonstigen Abgaben


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. C. <strong>Waldhoff</strong>, E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> <strong>das</strong> <strong>Steuerrecht</strong> I, Folie 35Steuern s<strong>in</strong>d:Die Merkmale des Steuerbegriffs( § 3 Abs. 1 Satz 1 AO)(1.) Geldleistungen Abgrenzung zu Naturalleistungen (Sachleistungen; Dienstleistungspflichten wie dieWehrpflicht) (2.) ke<strong>in</strong>e Gegenleistung für besondere Leistung Steuern s<strong>in</strong>d „voraussetzungslos“ geschuldet; sie stellennicht Gegenleistungen für spezielle, <strong>in</strong>dividualisierte Leistungen dar (spezielleÄquivalenz), sondern für die Gesamtheit der Staatsleistungen (generelle Äquivalenz) Abgrenzung zu Gebühren, Beiträgen und Sonderabgaben(3.) Auferlegung durch e<strong>in</strong> öffentlich-rechtliches Geme<strong>in</strong>wesen die Besteuerung erfolgt hoheitlich Abgrenzung zu freiwilligen Leistungen und privatrechtlichen Verpflichtungen (4.) E<strong>in</strong>nahmeerzielungszweck (der Nebenzweck se<strong>in</strong> kann, vgl. Hs. 2; sog. Lenkungsteuern)schon ke<strong>in</strong> Begriffsmerkmal mehr: Abgrenzung zu re<strong>in</strong> erdrosselnden Abgaben (5.) zu entrichten von denjenigen, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den <strong>das</strong> Gesetz die Leistungspflichtknüpft Verweis auf den jeweiligen Steuertatbestand aus Steuersubjekt, Steuerobjekt und Steuersatz(vgl. § 38 AO)


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. C. <strong>Waldhoff</strong>, Staatsrecht E<strong>in</strong>führung I, <strong>in</strong> Folie <strong>das</strong> <strong>Steuerrecht</strong> 37 I, Folie 36Steuergesetzgebungskompetenzen, Art. 105 GGausschließliche Bundeskompetenz Abs. 1Zölle F<strong>in</strong>anzmonopoleausschließliche Landeskompetenz Abs. 2a örtliche Verbrauch- und Aufwandsteuern konkurrierende Kompetenz Abs. 2alle übrigen,d. h. alle wichtigen Steuern Art. 105 Abs. 3 GG: Zustimmungspflichtigkeit für diesog. Geme<strong>in</strong>schaftsteuern (vgl. Art. 106 Abs. 3 GG) als Kompensationfür fehlende Steuergestaltungsmöglichkeiten der Länder


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. C. <strong>Waldhoff</strong>, E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> <strong>das</strong> <strong>Steuerrecht</strong> I, Folie 37Steuerverwaltungshoheit nach Art. 108 GGBunddurch Bundesf<strong>in</strong>anz- behörde Länderdurch Länderf<strong>in</strong>anz- behörde Art. 108 Abs. 1• F<strong>in</strong>anzmonopole • vom Bund geregelteVerbrauchsteuern • E<strong>in</strong>fuhrumsatzsteuer • EG – AbgabenArt. 108 Abs. 3:im Auftrag des Bundes• von den Bundessteuern:Versicherungssteuer, Soli-Zuschlag • Geme<strong>in</strong>schaftsteuern:E<strong>in</strong>kommen-,Körperschaft-,Umsatzsteuer Art. 108 Abs. 2:als eigene Angelegenheiten• Ländersteuern (ohne die vomBund verwaltete Biersteuer) • Geme<strong>in</strong>desteuern, soweit nichtnach Art. 108 Abs. 4 S. 2 aufGeme<strong>in</strong>den/Geme<strong>in</strong>deverbändeübertragen derivativGeme<strong>in</strong>den/Geme<strong>in</strong>deverbände• Geme<strong>in</strong>desteuern, soweitVerwaltung nach Art. 108 Abs.4 S. 2 übertragen


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. C. <strong>Waldhoff</strong>, E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> <strong>das</strong> <strong>Steuerrecht</strong> I, Folie 38Verwaltung durch Bundesoberbehörden (Art. 108 I GG)Bundesm<strong>in</strong>isteriumder F<strong>in</strong>anzen(§ 3 I FVG)Leitung der Bundesf<strong>in</strong>anzverwaltung Bundesamt fürF<strong>in</strong>anzen(§ 5 FVG) Aufgaben, deren zentraleErledigung zweckmäßig ist (z.B. § 19 FVG) Hauptzollämter(§ 12 FVG) Verwaltung der Zölle, EG-Abgabenund bundesgesetzlich geregeltenVerbrauchsteuern Oberf<strong>in</strong>anzdirektionen (§ 8 FVG)Leitung und F<strong>in</strong>anzverwaltung des Bundes und der Länder <strong>in</strong> ihrem Bezirk(deshalb Bundes- und Landesbehörden)


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. C. <strong>Waldhoff</strong>, E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> <strong>das</strong> <strong>Steuerrecht</strong> I, Folie 39Verwaltung durch Landesbehörden (Art. 108 II, III GG)Landesf<strong>in</strong>anzm<strong>in</strong>isterienbzw. -senatoren(§ 3 II FVG): Leitung der Landesf<strong>in</strong>anzverwaltung F<strong>in</strong>anzämter (§ 17 FVG)Bundesauftragsverwaltunggem. Art. 108 III GG:ESt. u. KSt. e<strong>in</strong>schl. Soli-Zuschlag, Ust. ohne E<strong>in</strong>fuhr-USt.; Geme<strong>in</strong>schaftsteuerni.S.d. Art. 106 III GGu. VersicherungsSt.Verwaltung gem. Art. 108 II GG:VSt., ErbSt., FeuerschutzSt.,GrunderwerbSt., KfZSt., Rennwett.u. Lott.St., Spielbankabgabe ______________________________ Bzgl. der RealSt. Ermittlung undFestsetzung derBesteuerungsgrundlagen Erlassvon GrundlagenbescheidenSteuerämter:Delegiert durch Kommunalabgabengrenze:Örtliche Verbrauch- u. AufwandsteuernFestsetzung u. Erhebung der RealSt. durchAnwendung des Hebesatzes (§ 184 III AO) Erlass des Folgenbescheids


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. C. <strong>Waldhoff</strong>, Staatsrecht E<strong>in</strong>führung I, <strong>in</strong> Folie <strong>das</strong> <strong>Steuerrecht</strong> 37 I, Folie 40Rechtsstaatliche Maßstäbe für die BesteuerungSteuergesetzes- vorbehaltBestimmtheit undNormenklarheit Verbot rückwirkender Besteuerung


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. C. <strong>Waldhoff</strong>, Staatsrecht E<strong>in</strong>führung I, <strong>in</strong> Folie <strong>das</strong> <strong>Steuerrecht</strong> 37 I, Folie 41Vorbehalt des Gesetzes(E<strong>in</strong>griffe <strong>in</strong> Freiheit und Eigentum und alle wesentlichen Staatshandlungen bedürfen der Grundlage <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Parlamentsgesetz)rechtsstaatliche Wurzel demokratische Wurzel grundrechtliche Wurzel<strong>das</strong> Staatshandeln sollan Gesetze gebunden se<strong>in</strong> <strong>das</strong> Handeln derVerwaltung istdemokratisch rückzukoppelnund zulegitimieren; dies erfolgtdurch <strong>das</strong> Gesetz <strong>in</strong> Grundrechte darf nurdurch oder auf Grunde<strong>in</strong>es Gesetzese<strong>in</strong>gegriffen werden(„grundrechtlicheGesetzesvorbehalte“)


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. C. <strong>Waldhoff</strong>, E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> <strong>das</strong> <strong>Steuerrecht</strong> I, Folie 42Besonderheiten des Steuergesetzesvorbehalts 1. Der allgeme<strong>in</strong>e Vorbehalt des Gesetzes hat historisch e<strong>in</strong> Vorbild im steuerlichen GesetzesvorbehaltRömisches Recht / Mittelalter:„Quod omnes tangit ab omnibus approbetur“ - „Was alle angeht, muss von allen gebilligt werden“ Frühe Neuzeit: Steuerbewilligungsrecht der Stände „No taxation without representation“ als Schlachtruf im nordamerikanischen Unabhängigkeitskampf Ende des 18. Jh.Deutscher Konstitutionalismus: Steuern als „E<strong>in</strong>griffe <strong>in</strong> Freiheit und Eigentum“ bedürfen e<strong>in</strong>er formalgesetzlichen Grundlage, vgl.nur Art. 100 Preußische Verfassungsurkunde von 1850: „Steuern und Abgaben für die Staatskasse dürfen nur, soweit sie <strong>in</strong> denStaatshauhalts-Etat aufgenommen oder durch besondere Gesetze angeordnet s<strong>in</strong>d, erhoben werden.“ 2. unter dem GrundgesetzBVerfGE 13, 318 (328): Das <strong>Steuerrecht</strong> „lebt aus dem Diktum des Gesetzgebers“ besondere Gesetzesgebundenheit des <strong>Steuerrecht</strong>s steuerlicher Gesetzesvorbehalt Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung:„Der Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit als Ausdruck des Rechtsstaatspr<strong>in</strong>zips im Bereich des Abgabenwesens fordert, <strong>das</strong>ssteuerbegründende Tatbestände so bestimmt se<strong>in</strong> müssen, <strong>das</strong>s der Steuerpflichtige die auf ihn entfallende Steuer vorausberechnenkann.“ (BVerfGE 19, 253 (267) E<strong>in</strong>schränkungen h<strong>in</strong>sichtlich der Möglichkeit der Delegation von <strong>Steuerrecht</strong>ssetzungskompetenzen <strong>in</strong> RichtungRechtsverordnung und Satzungen (vgl. Folien 10 ff. „Rechtsquellen des <strong>Steuerrecht</strong>s“) kaum Ermessensentscheidungen im <strong>Steuerrecht</strong> Leseh<strong>in</strong>weis: Klaus Vogel/<strong>Christian</strong> <strong>Waldhoff</strong>, <strong>in</strong> BK-GG, Vorb zu Art. 104a – 115, Rn. 471 ff.(= dies., Grundlagen des F<strong>in</strong>anzverfassungsrechts, 1999, Rn. 471 ff.)


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. C. <strong>Waldhoff</strong>, Staatsrecht E<strong>in</strong>führung I, <strong>in</strong> Folie <strong>das</strong> <strong>Steuerrecht</strong> 37 I, Folie 43Rückwirkung von Gesetzen und VertrauensschutzEchte Rückwirkung(Rückbewirkung vonRechtsfolgen)unechte Rückwirkung(tatbestandlicheRückanknüpfung)normale„zukunftsgerichteteGesetze“grds. unzulässig, es sei denn: • ke<strong>in</strong> Vertrauenstatbestandgegeben • Vertrauen nicht schutzwürdig • überwiegendeGeme<strong>in</strong>wohl<strong>in</strong>teressen stehenentgegen grds. zulässig, es sei dennausnahmsweise Vertrauensschutz ( Abwägung)grds. une<strong>in</strong>geschränkt zulässig(Demokratiepr<strong>in</strong>zip;„lex posterior derogat legi priori“) (Abnahme des Gedankens des Vertrauensschutzes) Leseh<strong>in</strong>weis: Ra<strong>in</strong>er Wernsmann, Grundfälle zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit rückwirkender Gesetze,JuS 1999, 1177 ff. und 2000, 39 ff.


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. C. <strong>Waldhoff</strong>, E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> <strong>das</strong> <strong>Steuerrecht</strong> I, Folie 44Besonderheiten bei Rückwirkung von Steuergesetzen1. Bei periodisch erhobenen Steuern (E<strong>in</strong>kommensteuer; Körperschaftsteuer; vgl. §§ 2 Abs. 7; 25; 36 Abs. 1EStG: „Die E<strong>in</strong>kommensteuer entsteht ... mit Ablauf des Veranlagungszeitraums.“) sollen Änderungen desSteuergesetzes <strong>in</strong> der laufenden Veranlagungsperiode (nur) den Tatbestand e<strong>in</strong>er unechten Rückwirkungbzw. tatbestandliche Rückanknüpfung erfüllen, da e<strong>in</strong> <strong>in</strong> der Vergangenheit begonnener, jedoch noch nichtabgeschlossener Sachverhalt vorliege (vgl. etwa BVerfGE 13, 274 (278); 13, 279 (284f.); 72, 200 (253)) nach der Rechtsprechung gibt es kaum Gegengründe <strong>in</strong> der laufenden Veranlagungsperiode mit Wirkungfür diese <strong>das</strong> Steuergesetz zu ändern, <strong>in</strong>sbes. zu verschärfen (<strong>in</strong> der Lit. sehr stark kritisiert) 2. demgegenüber besonderer Vertrauensschutz bei Lenkungssteuern, da der Staat hier den Bürger/dieBürger<strong>in</strong> = Steuerpflichtige motiviert sich <strong>in</strong> bestimmter Weise zu verhalten; vgl. BVerfGE 97, 67 Leitsatz1 – „Schiffsabschreibungen“:„Bietet e<strong>in</strong> Steuergesetz dem Steuerpflichtigen e<strong>in</strong>e Verschonungssubvention (Sonderabschreibung) an, dieer nur während des Veranlagungszeitraums annehmen kann, so schafft dieses Angebot für diese Disposition<strong>in</strong> ihrer zeitlichen B<strong>in</strong>dung e<strong>in</strong>e schutzwürdige Vertrauensgrundlage, auf die der Steuerpflichtige se<strong>in</strong>eEntscheidung über <strong>das</strong> subventionsbegünstigte Verhalten stützt.“3. Vermeidung von „Ankündigungseffekten“; BVerfGE 97, 67 Leitsatz 2 – „Schiffsabschreibungen“:„Dem Steuerpflichtigen darf nach Ankündigung des Wegfalls e<strong>in</strong>er für verfehlt erachteten Subventionverwehrt werden, die Gestaltungskompetenzen und den Gestaltungswillen des Gesetzgebers zu unterlaufen,wenn dieser die Steuervergünstigung für Verträge entfallen lassen will, die zwischen dem Bekanntwerdender beabsichtigten Gesetzesänderung und deren Beschluß durch den Gesetzgeber geschlossen worden s<strong>in</strong>d,deren steuererheblicher Vollzug aber erst nach dem Gesetzesbeschluß zu erwarten ist.“


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. C. <strong>Waldhoff</strong>, E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> <strong>das</strong> <strong>Steuerrecht</strong> I, Folie 45GleichheitsrechteGleichheitFreiheit„Gleichheit“ und „Freiheit“ bef<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Konflikt zue<strong>in</strong>ander; <strong>das</strong> GG verlangt allerd<strong>in</strong>gs ke<strong>in</strong>e(aktive) Herstellung nicht vorhandener Gleichheit (anders nur Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG!) Geme<strong>in</strong>samkeiten von Freiheits- und Gleichheitsrechten:beides s<strong>in</strong>d für den Bürger/ die Bürger<strong>in</strong> durchsetzbare GrundrechteUnterschied: der Gleichheitssatz besitzt ke<strong>in</strong>en gegenständlichen Schutzbereich, es ist nicht e<strong>in</strong> bestimmterBereich der gesellschaftlichen Sphäre unter e<strong>in</strong>en besonderen Schutz gestellt, vielmehr werden für alledenkbaren Lebensbereiche grundlose Ungleichbehandlungen seitens des Staates verbotenAllgeme<strong>in</strong>er Gleichheitssatz: Art. 3 Abs. 1 GGEntgegen dem Wortlaut („... s<strong>in</strong>d vor dem Gesetz gleich“) ist auch der Gesetzgeber an den Gleichheitssatzgebunden; Arg.: Art. 1 Abs. 3 GG ke<strong>in</strong>e bloße Rechtsanwendungsgleichheit, sondern auch Rechtsetzungsgleichheit


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. C. <strong>Waldhoff</strong>, E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> <strong>das</strong> <strong>Steuerrecht</strong> I, Folie 46Gleichheitsrechtebesondere Gleichheitssätze / Diskrim<strong>in</strong>ierungsverbote:• Gleichheit von Männern und Frauen, Art. 3 Abs. 2 und 3 GG • Gleichheitsschutz von Ehe und Familie, Art. 6 Abs. 1 GG • Staatsbürgerliche Gleichheit, Art. 33 Abs. 1 bis 3 GG • Politische Gleichheitssätze: Wahlgleichheit; Chancengleichheit politischer Parteien usw.Geme<strong>in</strong>samkeit:Verbot grundloser Ungleichbehandlung Unterschied: die besonderen Gleichheitssätze s<strong>in</strong>d sehr viel „strenger“ <strong>in</strong> der Handhabung, da bestimmteDifferenzierungen von vornhere<strong>in</strong> verboten s<strong>in</strong>d Historisch hat sich (<strong>in</strong> Deutschland) der allgeme<strong>in</strong>e Gleichheitssatz erst allmählich aus dem Zusammenfügenbesonderer Gleichheitssätze (Wehrgleichheit; Besteuerungsgleichheit) ausbilden können; die zudem nur für dieStaatsbürger galten;demgegenüber stellt er <strong>in</strong> den natur- und menschenrechtlich fundierten Verfassungsordnungen (USA;revolutionäres Frankreich) e<strong>in</strong>e Basis der gesamten Grundrechtsordnung dar („Alle Menschen s<strong>in</strong>d von Naturaus frei und gleich an Rechten“)


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. C. <strong>Waldhoff</strong>, E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> <strong>das</strong> <strong>Steuerrecht</strong> I, Folie 47Abweichend vom Freiheitsrechtsschema:Prüfungsschema allgeme<strong>in</strong>er GleichheitssatzI. Feststellung der Ungleichbehandlung:Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem oder Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem MERKE: Verfassungsrechtliche „Gleichheit“ bedeutet nicht „Identität“, sondern „Vergleichbarkeit“Da von Natur aus alle Menschen ungleich s<strong>in</strong>d (nur als Menschen s<strong>in</strong>d sie gleich!), und auch Situationen undMenschengruppen allenfalls vergleichbar, bedarf es zunächst der Vergleichsgruppenbildung, um e<strong>in</strong>e Ungleich- behandlung festzustellen: der Bezugspunkt für die Vergleichsgruppenbildung ist <strong>das</strong> sog. Tertiumcomparationis Bsp. 1: Ungleichbehandlung der Bahnhofsapotheke <strong>in</strong> BVerfGE 13, 225 im Vergleich zu anderenBahnhofsläden, Gleichbehandlung im Vergleich zu anderen Apotheken; Tertium comparationis ist e<strong>in</strong>mal„Bahnhofsgeschäfte“, <strong>das</strong> andere Mal „Apotheke“ (weil <strong>in</strong> manchen Vergleichsgruppen Gleichheit, <strong>in</strong> deranderen Ungleichheit zwischen den verglichenen Sachverhalten besteht, ist verfassungsrechtliche „Gleichheit“ke<strong>in</strong>e „Identität“)


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. C. <strong>Waldhoff</strong>, E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> <strong>das</strong> <strong>Steuerrecht</strong> I, Folie 48Abweichend vom Freiheitsrechtsschema:Prüfungsschema allgeme<strong>in</strong>er GleichheitssatzBsp. 2: Nachtbackverbot für weibliche Arbeiter<strong>in</strong>nen, wonach weibliche Arbeiter<strong>in</strong>nen nach der AZO 1938nicht zwischen 20.00 Uhr und 6.00 Uhr beschäftigt werden durften (BVerfGE 85, 19): (a) erste Ungleichbehandlung <strong>in</strong> der Vergleichsgruppe zu männlichen Arbeiter Art. 3 Abs. 2 / Abs. 3 GG (b) zweite Ungleichbehandlung <strong>in</strong> der Vergleichsgruppe zu weiblichen Angestellten Art. 3 Abs. 1 GG Bestimmte Differenzierungskriterien s<strong>in</strong>d von vornhere<strong>in</strong> verboten (vgl. v.a. Art. 3 Abs. 3: Rasse, Religion,Herkunft usw.; sog. Absolute Differenzierungsverbote); die Unterscheidung nach der Staatsangehörigkeit istdemgegenüber grds. zulässig, muss sich jedoch ebenfalls rechtfertigen (vgl. verfehlt BVerwGE 22, 66: ErhöhteSchankerlaubnissteuer für ausländische Wirte) Der Gleichheitssatz kann immer nur bzgl. desselben Rechtsetzers angewendet werden; Günter Dürig: DieBundesstaatlichkeit ist e<strong>in</strong>e „offene Flanke“ der Gleichheit (ke<strong>in</strong> Gegenargument <strong>in</strong>soweit: „Gleichwertigkeitder Lebensverhältnisse im Bundesgebiet“, Art. 72 Abs. 2 GG)


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. C. <strong>Waldhoff</strong>, E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> <strong>das</strong> <strong>Steuerrecht</strong> I, Folie 49Abweichend vom Freiheitsrechtsschema:Prüfungsschema allgeme<strong>in</strong>er GleichheitssatzII. Rechtfertigung der Ungleichbehandlungfrüher: sog. Willkürformel der allgeme<strong>in</strong>e Gleichheitssatz als Willkürverbot:gibt es e<strong>in</strong>en sachlichen Grund für die Ungleichbehandlung,oder ist sie „willkürlich“? (vgl. etwa BVerfGE 4, 144 (155)): Willkür liegt vor, wenn sich für die Ungleichbehandlung „ke<strong>in</strong>evernünftigen Erwägungen f<strong>in</strong>den lassen, die sich aus der Natur der Sacheergeben oder sonst wie e<strong>in</strong>leuchtend s<strong>in</strong>d“ d.h. weiter Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, da jeder nicht völligabwegige Grund die Ungleichbehandlung rechtfertigt [Achtung:dieses grundrechtliche Willkürverbot ist vom allgeme<strong>in</strong>en rechtsstaatlichen Willkürverbot zu unterscheiden] sog. „neue Formel“ (BVerfGE 55, 72) e<strong>in</strong> Gleichheitsverstoß liegt vor, „wenn e<strong>in</strong>e Gruppe vonNormadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten andersbehandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen ke<strong>in</strong>e Unterschiedesolcher Art und solchen Gewichts bestehen, <strong>das</strong>s sie die ungleicheBehandlung rechtfertigen könnten“ etwas strengere Anforderungen an die Rechtfertigung, da Abwägungerforderlich (nach h.M. jedoch nicht i.S.e. Verhältnismäßigkeitsprüfung!alles str.)


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. C. <strong>Waldhoff</strong>, E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> <strong>das</strong> <strong>Steuerrecht</strong> I, Folie 50Besteuerungsgleichheit(als bereichsspezifische Konkretisierung des allgeme<strong>in</strong>en Gleichheitssatzes)Besteuerungsgleichheit ist stets relative Gleichheit: es sollen nicht alle Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger „gleich viel“Steuern zahlen, sondern angemessen viel 1. historisch seit Beg<strong>in</strong>n des 19. Jh. ausdrückliche Verankerung des Postulats der Steuergleichheit<strong>in</strong> den Verfassungstexten;durch die Abschaffung von Steuerprivilegien (etwa des Adels) Verwirklichung desGrundsatzes der Allgeme<strong>in</strong>heit der Besteuerung;vgl. zuletzt Art. 134 WRV: „Alle Staatsbürger ohne Unterschied tragen im Verhältnisihrer Mittel zu den öffentlichen Lasten nach Maßgabe der Gesetze bei.“ 2. unter dem GrundgesetzBVerfG: Besteuerungsgleichheit Steuergerechtigkeit Besteuerung nach der <strong>in</strong>dividuellenwirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (sog. Leistungsfähigkeitspr<strong>in</strong>zip)


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. C. <strong>Waldhoff</strong>, E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> <strong>das</strong> <strong>Steuerrecht</strong> I, Folie 51Besteuerungsgleichheit(als bereichsspezifische Konkretisierung des allgeme<strong>in</strong>en Gleichheitssatzes)Steuergleichheit und Steuergerechtigkeit ist <strong>in</strong> zweierlei H<strong>in</strong>sicht zu gewährleisten: vertikal und horizontal vertikale Steuergleichheit:unterschiedliche Leistungsfähige s<strong>in</strong>d entsprechend ihrer unterschiedlichenLeistungsfähigkeit unterschiedlich zu besteuern horizontale Steuergleichheit:gleich Leistungsfähige müssen gleich besteuert werden In den Worten des BVerfGE 82, 60 (89):„In vertikaler Richtung muß die Besteuerung höherer E<strong>in</strong>kommen im Vergleich mit der Steuerbelastungniedrigerer E<strong>in</strong>kommen dem Gerechtigkeitsgebot genügen. In horizontaler Richtung muß daraufabgezielt werden, daß Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch besteuert werden.“


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. C. <strong>Waldhoff</strong>, E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> <strong>das</strong> <strong>Steuerrecht</strong> I, Folie 52Besteuerungsgleichheit(als bereichsspezifische Konkretisierung des allgeme<strong>in</strong>en Gleichheitssatzes)Das Leistungsfähigkeitspr<strong>in</strong>zip wird für <strong>das</strong> E<strong>in</strong>kommensteuerrecht durch <strong>das</strong> zweistufige sog.Nettopr<strong>in</strong>zip konkretisiert:objektives Nettopr<strong>in</strong>zip (= objektive Leistungsfähigkeit):Alle Aufwendungen, die für die E<strong>in</strong>kommenserzielung erforderlich s<strong>in</strong>d, müssen abzugsfähig se<strong>in</strong>(Werbungskosten / Betriebsausgaben, vgl. § 9 EStG) subjektives Nettopr<strong>in</strong>zip (= subjektive Leistungsfähigkeit):Alle persönlichen Merkmale des/der Steuerpflichtigen, die se<strong>in</strong>e/ihre Leistungsfähigkeit m<strong>in</strong>dern, müssenrealitätsgerecht steuerlich berücksichtigt werden (vgl. Sonderausgaben gem. § 10 EStG); besondereAusprägung: <strong>das</strong> steuerliche Existenzm<strong>in</strong>imum – auch der Familie – ist zu berücksichtigen (vgl. etwaBVerGE 82, 60; 216; 99, 246) die Tarifgestaltung (Steuerprogression usw.) ist demgegenüber weitgehend e<strong>in</strong>e politische Entscheidung


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. C. <strong>Waldhoff</strong>, E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> <strong>das</strong> <strong>Steuerrecht</strong> I, Folie 53Besteuerungsgleichheit(als bereichsspezifische Konkretisierung des allgeme<strong>in</strong>en Gleichheitssatzes)Vermögensbesteuerung nach E<strong>in</strong>heitswerten – BVerfGE 93, 121:bei e<strong>in</strong>er Jahresbelastung von 0,5% (=Steuersatz) wurde Grundvermögen nach den E<strong>in</strong>heitswerten von1964 bewertet, Kapital- und sonstiges bewegliches Vermögen nach dem aktuellen Verkehrswert nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung Z<strong>in</strong>sbesteuerung – BVerfGE 84, 239 : nicht nur „normative Steuergleichheit“, sondern „Gleichheit im tatsächlichen Belastungserfolg“ istverlangt e<strong>in</strong> Steuergesetz kann wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz auch deshalb verfassungswidrigwerden, weil es nicht durchgesetzt, d.h. gleichheitsgerecht vollzogen werden kann Systemgerechtigkeit/ Folgerichtigkeit – BVerfGE 122, 210: die e<strong>in</strong>mal getroffene Belastungsentscheidung muss folgerichtig umgesetzt werden


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. C. <strong>Waldhoff</strong>, Staatsrecht E<strong>in</strong>führung I, <strong>in</strong> Folie <strong>das</strong> <strong>Steuerrecht</strong> 37 I, Folie 54Eigentumsgarantie des Art. 14 GG:Dimensionen des SchutzesAbwehrrecht (= Bestandsgarantie) Institutsgarantie Enteignung / EigentumswertgarantieRechtswidrige Inhalts- undSchrankenbestimmungen s<strong>in</strong>dabzuwehren der Gesetzgeber muss bei der InhaltsundSchrankenbestimmung <strong>das</strong>Privateigentum als solches erhalten Art. 14 Abs. 3 GG:Enteignung nur gegen Entschädigung Leitentscheidung:BVerfGE 58, 300 –„Naßauskiesung“ Leitentscheidung: BVerfGE 24, 367 –„Hamburger Deiche“


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. C. <strong>Waldhoff</strong>, E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> <strong>das</strong> <strong>Steuerrecht</strong> I, Folie 55Grundrecht der Eigentumsfreiheit,Art. 14 GGgeschützt werden soll e<strong>in</strong> Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich und damit e<strong>in</strong>eeigenverantwortliche Gestaltung des Lebens ermöglicht werdenI. Schutzbereich1. personal: Jedermannsrecht 2. sachlich: die spezifische Problematik von Art. 14 GG liegt dar<strong>in</strong>, <strong>das</strong>s der Schutzgegenstand (<strong>das</strong>„Eigentum“) nicht wie Glauben, Me<strong>in</strong>ungen oder Leben und Gesundheit „vorf<strong>in</strong>dlich“ s<strong>in</strong>d, derRechtsordnung vorausliegen, sondern durch die Rechtsordnung erst konstruiert wird sog. normgeprägtes Grundrecht(Schlagwort: „Eigentum ist <strong>das</strong>, was die Rechtsordnung als Eigentum bestimmt“) Eigentum i.S.v. Art. 14 GG ist jedes vermögenswerte Recht, <strong>das</strong> die Rechtsordnung hervorbr<strong>in</strong>gt Eigentum im verfassungsrechtlichen S<strong>in</strong>n geht weit über <strong>das</strong> zivilrechtliche Sacheigentum der §§ 903ff. BGB h<strong>in</strong>aus Bsp.: sog. „geistiges Eigentum“: Patente, Urheberrechte, Gebrauchs- und Geschmacksmusterrechte(„Immaterialgüterrechte“ / „Recht des gewerblichen Rechtsschutzes“) [BVerfGE 31, 229 – „Schulbuchprivileg“] Bsp: privatrechtliche Forderungen; Eigentum an Wertpapieren, etwa Aktien[BVerfGE 50, 290 – „Mitbestimmungsurteil“]


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. C. <strong>Waldhoff</strong>, E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> <strong>das</strong> <strong>Steuerrecht</strong> I, Folie 56Grundrecht der Eigentumsfreiheit,Art. 14 GGstr.: der Besitz (etwa an der Mietsache; bejahend BVerfGE 89, 1) nicht: bloße Chancen oder Erwerbserwartungen e<strong>in</strong>es Unternehmens (etwa: Lage e<strong>in</strong>er Gaststätte ane<strong>in</strong>er Durchgangsstraße; Höhe e<strong>in</strong>es Schutzzolls o.ä.) öffentlich-rechtliche Rechtspositionen, <strong>in</strong>sbesondere sozialversicherungsrechtliche Ansprüche, soweit diese(1.) dem/der Berechtigen „ausschließlich und privatnützig zugeordnet s<strong>in</strong>d“,(2.) maßgeblich auf eigenen Leistungen beruhen und(3.) der Existenzsicherung dienen [BVerfGE 69, 272 (300ff.)] Rentenanwartschaften s<strong>in</strong>d „Eigentum“ <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne die Sozialhilfe, <strong>das</strong> K<strong>in</strong>dergeld oder Subventionen nicht


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. C. <strong>Waldhoff</strong>, E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> <strong>das</strong> <strong>Steuerrecht</strong> I, Folie 57Grundrecht der Eigentumsfreiheit,Art. 14 GGaktueller Hauptstreitpunkt:greifen öffentliche Abgaben, <strong>in</strong>sbesondere Steuern, <strong>in</strong> die Eigentumsgarantie e<strong>in</strong>? a) traditionelle Auffassung (<strong>in</strong>sbesondere des Ersten Senats):da <strong>das</strong> „Vermögen als solches“ nicht geschützt se<strong>in</strong> soll, berühren öffentliche Abgaben Art. 14 GG nicht;nur „erdrosselnde“ Steuern, die den Betroffenen „schwer und unerträglich belasten“ verletzen <strong>das</strong>Grundrecht („klassisch“: BVerfGE 4, 7 – „Investitionshilfeurteil“) b) Zweiter Senat im Vermögensteuerbeschluß: BVerfGE 93, 121 (138): jede öffentliche Abgabe berührt den Schutzbereich des Eigentumsgarantie, weil die persönlicheEntfaltung im vermögensrechtlichen Bereich tangiert ist; sog. Halbteilungsgrundsatz fordert, <strong>das</strong>s <strong>das</strong>Eigentum „zugleich“ dem privaten Nutzen und dem Wohl der Allgeme<strong>in</strong>heit dient die Hälfte des privatErworbenen müsse m<strong>in</strong>destens beim Bürger verbleiben c) jetzt: BVerfG, NJW 2006, 1191 Steuern und Abgaben greifen <strong>in</strong> Art. 14 GG e<strong>in</strong> und s<strong>in</strong>d entsprechend zu rechtfertigen; derHalbteilungsgrundsatz als allgeme<strong>in</strong>er Maßstab wird jedoch aufgegeben


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. C. <strong>Waldhoff</strong>, E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> <strong>das</strong> <strong>Steuerrecht</strong> I, Folie 58Grundrecht der Eigentumsfreiheit,Art. 14 GGII. E<strong>in</strong>griffezwei Typen von E<strong>in</strong>griffen <strong>in</strong> die Eigentumsgarantie s<strong>in</strong>d von vornhere<strong>in</strong> und durchgehendause<strong>in</strong>anderzuhalten: 1. sog. Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums durch den Gesetzgeber („Sozialb<strong>in</strong>dung desEigentums“), Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG:der Gesetzgeber bestimmt, was als Eigentum anzuerkennen ist und welche Grenzen dieses Eigentumf<strong>in</strong>det, er legt generell und abstrakt die Rechte und Pflichten der Eigentümer fest Bsp.: Abspaltung des Grundwassers vom Grundeigentum durch <strong>das</strong> WHG[BVerfGE 58, 300 – „Naßauskiesung]2. die Enteignung gem. Art. 14 Abs. 3 GG:die gezielte Wegnahme von eigentumsrechtlichen Rechtspositionen durch <strong>das</strong> Gesetz (sog.Legalenteignung) oder aufgrund e<strong>in</strong>es Gesetzes (sog. Adm<strong>in</strong>istrativenteignung) zur Erfüllung öffentlicherAufgaben gegen Entschädigung (vollständige oder teilweise Entziehung des Eigentums durch E<strong>in</strong>zelaktim S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es „Güterbeschaffungsvorgangs“)[BVerfGE 58, 300 – „Naßauskiesung]: es gibt ke<strong>in</strong>en nahtlosen Übergang von derunverhältnismäßigen und daher verfassungswidrigen Inhalts- und Schrankenbestimmung zurentschädigungspflichtigen Enteignung; die verfassungswidrige – da unverhältnismäßige – Inhalts- undSchrankenbestimmung ist vor den Verwaltungsgerichten abzuwehren; der alte Grundsatz „Dulde undliquidiere“ gilt nicht mehr!


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. C. <strong>Waldhoff</strong>, E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> <strong>das</strong> <strong>Steuerrecht</strong> I, Folie 59Grundrecht der Eigentumsfreiheit,Art. 14 GGIII. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung1. die Inhalts- und Schrankenbestimmung (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) muss verhältnismäßig se<strong>in</strong>; siehat sich zudem an der Institutsgarantie auszurichten („es muss stets so etwas wie Privateigentum geben“);ist die Inhalts- und Schrankenbestimmung unverhältnismäßig oder aus sonstigen Gründenverfassungswidrig, ist sie anzugreifen und aufzuheben die Verhältnismäßigkeit des E<strong>in</strong>griffs ist sachbereichsspezifisch zu bestimmen: <strong>das</strong> Grundeigentum istnicht vermehrbar und zeichnet sich <strong>in</strong>sbesondere durch se<strong>in</strong>e Situationsgebundenheit aus hier s<strong>in</strong>d weiterreichende E<strong>in</strong>griffe noch verhältnismäßig als bei Mobilien Ausnahme: sog. entschädigungspflichtigen Inhalts- und Schrankenbestimmung(eigentumsrechtlicher Ausgleichsanspruch, [BVerfGE 58, 137 – „Pflichtexemplar“]) Umschlagen der Eigentumsbestands- <strong>in</strong> die Eigentumswertgarantie


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. C. <strong>Waldhoff</strong>, E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> <strong>das</strong> <strong>Steuerrecht</strong> I, Folie 60Grundrecht der Eigentumsfreiheit,Art. 14 GG2. die Enteignung (Art. 14 Abs. 3 GG) ista) nur zum Wohl der Allgeme<strong>in</strong>heit und zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben gestattet; ausnahmsweise istauch e<strong>in</strong>e Enteignung zugunsten Privater zulässig, wenn <strong>das</strong> Gesetz entsprechende Sicherungen zurWahrung des Allgeme<strong>in</strong><strong>in</strong>teresses vorsieht[BVerfGE 74, 264 – „Boxberg“] b) sie kann durch Gesetz oder aufgrund Gesetzes erfolgen (für die Legalenteignung gelten besondereRestriktionen, da die Rechtschutzmöglichkeiten der Bürger_<strong>in</strong>nen entscheidend beschränkt s<strong>in</strong>d und dieEnteignung dadurch unverhältnismäßig werden kann:[BVerfGE 24, 367 (398ff.) - „Hamburger Deiche“; BVerfGE 95, 1 (22f.) – „SüdumfahrungStendal“] c) stets ist e<strong>in</strong>e gesetzliche Regelung der Enteignungsentschädigung erforderlich (sog. Junktimklausel <strong>in</strong>Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG) (vgl. zur Kompetenzsituation bei der Enteignung: BVerfGE 56, 249 – „Bad Dürkheimer Gondelbahn“ die Gesetzgebungskompetenz zur Enteignung folgt der Sachgesetzgebungskompetenz; vgl. Art. 74Abs. 1 Nr. 14 GG

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