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Opfer der NS-Psychiatrie aus Osnabrück - Dr. Raimond Reiter

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<strong>Opfer</strong> <strong>der</strong> <strong>NS</strong>-<strong>Psychiatrie</strong> <strong>aus</strong> OsnabrückEine weitere, wenn auch vergleichsweise kleine <strong>Opfer</strong>gruppe waren jüdische Patienten<strong>aus</strong> psychiatrischen Anstalten, die 1940 <strong>aus</strong> Norddeutschland in <strong>der</strong> damaligenLandes-Heil- und Pflegeanstalt Wunstorf zusammengefasst wurden. Etwa 160 wurdenvon dort <strong>aus</strong> im September 1940 einer Tötungsstätte zugeführt. Aus <strong>der</strong> AnstaltOsnabrück stammen acht dieser Patienten. 3 Eine ähnliche geheim durchgeführteAktion gab es 1944, als <strong>aus</strong>ländische Anstaltspatienten <strong>aus</strong> Norddeutschland in <strong>der</strong>Anstalt Lüneburg zusammengeführt und ebenfalls einer Tötungsstätte überstelltwurden. Es waren vermutlich über 60, darunter auch <strong>Opfer</strong> <strong>aus</strong> Osnabrück. ImAufnahmebuch <strong>der</strong> Anstalt Lüneburg finden sich mindestens vier „Ostarbeiter“ <strong>aus</strong>Osnabrück. Zur Verlegung heißt es in allen Fällen: 20.11.1944 m. Sammeltransp.(Stempel). In <strong>der</strong> Regel waren es Arbeiter bzw. landwirtschaftliche Arbeiter. 4Neben den bereits erwähnten <strong>Opfer</strong>n <strong>der</strong> „T4-Aktion“ gab es weiterhin mindestens13 geistig und körperlich behin<strong>der</strong>te Kin<strong>der</strong> <strong>aus</strong> Osnabrück und Umgebung, die von„Geheimen Reichssachen“ zu Patiententötungen betroffen waren. 5 Diese wenig bekannteGruppe soll näher dargestellt werden. Zunächst wird allerdings <strong>der</strong> Fragenachgegangen, wie eigentlich <strong>der</strong> <strong>Opfer</strong>status in <strong>der</strong> <strong>NS</strong>-<strong>Psychiatrie</strong> zu betrachten ist,denn immerhin haben sich Ermittlungsbehörden und Gerichte damit ab 1945 Jahrzehntelang befasst, oft ohne Erfolg.Wer war <strong>Opfer</strong> <strong>der</strong> <strong>NS</strong>-<strong>Psychiatrie</strong>?Zu den Verbrechen <strong>der</strong> <strong>NS</strong>-Zeit gehörten Massentötungen an Anstaltspatienten. Etwa71.000 Menschen wurden 1940/1941 in den sechs zentralen TötungsanstaltenBernburg, Brandenburg, Grafeneck, Hadamar, Hartheim und Sonnenstein getötet,über 5.000 im Rahmen <strong>der</strong> so genannten „Kin<strong>der</strong>-Aktion“ im Zweiten Weltkrieg undüber 200.000 von 1941 bis Kriegsende während <strong>der</strong> so genannten „wilden Euthanasie“,in <strong>der</strong> neueren Forschung auch „dezentrale Euthanasie“ genannt. Alle dieseAktionen sollten geheim verlaufen, einige waren <strong>aus</strong>drücklich als „Geheime Reichssache“gekennzeichnet.Die dazugehörigen Verbrechen sind umfassend und teilweise bis in regionalgeschichtlicheDetails erforscht und dargestellt. Auch in <strong>der</strong> Gedenkkultur ist dasSchicksal vieler <strong>Opfer</strong> erarbeitet worden, so dass immer mehr von ihnen ein Gesichtund ein Profil bekommen haben. Dabei spielt <strong>der</strong> <strong>Opfer</strong>begriff eine Rolle. Ein Beispielmag dies anschaulich machen. In Bremen gibt es schon seit längerem eineReihe von „Stolpersteinen“ für <strong>Opfer</strong> <strong>der</strong> <strong>NS</strong>-<strong>Psychiatrie</strong>. 2009 wurde <strong>der</strong> Autorgebeten, den <strong>Opfer</strong>status einer Patientin festzustellen. Die Patientin war im Sommer1941 in <strong>der</strong> Landes-Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg gestorben und es sollte ein„Stolperstein“ für sie verlegt werden.3 <strong>Raimond</strong> REITER, <strong>Psychiatrie</strong> im <strong>Dr</strong>itten Reich in Nie<strong>der</strong>sachsen, Hannover 1997, S. 195,230ff; BERGER (wie Anm. 2), S. 257ff.4 Nie<strong>der</strong>sächsisches Landesarchiv - Hauptstaatsarchiv Hannover (weiterhin HStAH),Hann. 155 Lüneburg Acc 56/83 Nr. 15; REITER, <strong>Psychiatrie</strong> (wie Anm. 3) S. 195, 280ff.5 Patientenakten <strong>aus</strong> <strong>der</strong> „Kin<strong>der</strong>fachabteilung“ Lüneburg: HStAH Hann. 155 LüneburgAcc 56/83 Nr. 37, 108, 135, 182, 239, 268, 283, 309, 315, 329, 348, 396, 446.161

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