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Kindlers Literatur Lexikon - Buchkatalog

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Gesellschaftssatire, Abenteuer- und Detektiverzählungen. Die Kurzgeschichten zeugen von seiner<br />

Auseinandersetzung mit Idealismus, Transzendentalismus, den zeitgenössischen Medien, technologischem<br />

Fortschritt, Expansion, naturwissenschaftlichen Theorien, <strong>Literatur</strong>- und Ästhetiktheorie. Auch wenn Poe, u. a.<br />

wegen seiner Rückbezüge auf deutsche und britische Romantiker, wegen seines Einflusses auf den<br />

Symbolismus und besonders wegen seiner Rezeption durch Baudelaire, immer noch der Ruch anhaftet, ein<br />

>unamerikanischer< Autor zu sein, lässt sich festhalten, dass er nicht nur auf frühe nordamerikanische<br />

Traditionen wie Puritanismus und Republikanismus Bezug nahm, sondern sehr bewusst auch die kulturellen<br />

Eigenheiten der 1840er Jahre reflektierte. Auf diese Weise gelang es ihm, die Phänomene der sich<br />

ankündigenden US-amerikanischen Moderne um einiges präziser und weitblickender zu erfassen als manche<br />

zeitgenössische literarische Berühmtheit.<br />

Schon mit Rufus Griswolds moralisierendem Nachruf beginnt die lange Geschichte der biographischen<br />

Erklärung des Poe'schen Werkes, darunter auch viele psychoanalytische Analysen (etwa durch Marie<br />

Bonaparte). Tendenziell werfen diese Lektüren jedoch mehr Schatten als Licht auf das komplexe Gesamtwerk.<br />

Betrachtet man die beschriebenen epistemologischen, thanatologischen und ästhetischen Fragestellungen von<br />

Poes >effektvollen< Kurzgeschichten, so zeigt sich ein spannenderes Gesamtbild, das weit über das des<br />

Gruselautors hinausgeht und erklärt, warum Poe nachhaltigen Einfluss auf so unterschiedliche Autoren wie<br />

Walt Whitman, Jules Verne, Fëdor Dostoevskij, Oscar Wilde, H. P. Lovecraft, F. Scott Fitzgerald, William<br />

Faulkner, Jorge Luis Borges, Vladimir Nabokov, Ralph Ellison und Stephen King ausübte. Wann immer Poes<br />

Erzähler hartnäckig nach einer höheren Realität suchen oder sich in ein vorindustrielles Zeitalter<br />

zurückträumen, holt das gleichzeitig heraufbeschworene Poe'sche Nichts, aus dem alles entspringt und in das<br />

alles zurückkehrt, sie ein. In fast postmoderner Manier überlagern sich im Widerstreit stehende<br />

Realitätssysteme, wird besessen nach Zeichen gesucht, die sich jedoch klarer Zuweisungen entziehen. Bei<br />

Poe, dessen Erzählungen vielfach von Roger Corman, aber auch von Federico Fellini, Louis Malle und Roger<br />

Vadim verfilmt wurden, liegt die einzige Möglichkeit der Aneignung von Objekten, der Teilhabe an Offenbarung,<br />

Erhabenheit und eindeutiger Sinnzuweisung in der kunstvollen, oft auch explizit schriftlichen, selbstbewussten<br />

Simulation.<br />

Lit.: D. Hoffman: P. P. P. P. P. P. P., 1972. • J. G. Kennedy: P., Death, and the Life of Writing, 1987. • F.<br />

Kelleter: Zusammen-Fall und Aufhebung. E. A. P. und das spätromantische Todesbild, in: F. K.: Die Moderne<br />

und der Tod, 1997, 159-292. • The Cambridge Companion to E. A. P., Hg. K. J. Hayes, 2002.<br />

Stephanie Sommerfeld<br />

Die schönsten<br />

Erzählungen, Aufbau<br />

Edgar Allan Poe<br />

Der entwendete Brief Detektivgeschichten<br />

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