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CABRIOS [ <strong>Ariel</strong> <strong>Atom</strong> 2 <strong>300</strong> ]<br />
> von Johannes Böhm > Fotos: Christian Houdek<br />
Rendezvous<br />
der leichten Art<br />
Englischer Auto-Fanatismus kreuzt sich mit besonnenem<br />
vorarlberger Gemüt – Klaus A. Kreil hielt uns exklusiv seinen Partikelbeschleuniger<br />
<strong>Ariel</strong> <strong>Atom</strong> unter die Nase.<br />
Soll noch einer sagen Vorarlberger<br />
sind konservativ<br />
und nicht weltoffen. Klaus<br />
Kreil belehrt uns eines Besseren.<br />
Auf den ersten Blick scheint der<br />
Geschäftsführer eines wiener<br />
Bankensoftwarehauses nicht<br />
hoffnungslos mit Benzin infiziert<br />
zu sein, aber weit gefehlt. Er<br />
nennt nämlich neben dem <strong>Ariel</strong><br />
<strong>Atom</strong> auch einen KTM X-Bow<br />
Dallara sein eigen, steigt unter<br />
der Woche allerdings ebenso beherzt<br />
in die Tramway wie ins<br />
36 A U T O A K T U E L L [3·2009]<br />
Gaspedal seiner Vierrad-Spielzeuge.<br />
Klaus Kreil gehört zu einem<br />
spärlich gesäten Menschenschlag,<br />
lebt quasi die Extrema,<br />
bleibt aber dennoch auf den Boden<br />
der Tatsachen und schätzt<br />
auch die öffentlichen Verkehrsmittel<br />
einer Großstadt. Besitzt<br />
daher auch kein Alltagsauto. „In<br />
Wien braucht man eigentlich<br />
kein Auto“. Stimmt. Der <strong>Ariel</strong><br />
<strong>Atom</strong> ist ja auch kein Auto.<br />
Dach, Verkleidung, Heizung,<br />
Scheiben, Türen - Fehlanzeige.<br />
Im Grunde besteht der Brite aus<br />
vier Rädern, einem Motor und einem<br />
Gitterrohrrahmen, der von<br />
einem unerschrockenen Piloten<br />
über den Asphalt gejagt wird.<br />
Der Name ist sozusagen Programm,<br />
und die britische Kleinmanufaktur<br />
<strong>Ariel</strong> rund um Simon<br />
Saunders – einst bei GM<br />
und Aston Martin beschäftigt –<br />
hätte seinen Asphaltjäger kaum<br />
treffender betiteln können. Neben<br />
einem üppigen Sparschwein<br />
sollte man aber auch ordentlich<br />
Geduld in die malerische Grafschaft<br />
Somerset mitbringen.<br />
Nicht nur wegen der ziemlich genau<br />
200 km Entfernung von<br />
London Heathrow, über den zu<br />
Stoßzeiten berüchtigtsten „Parkplatz“<br />
Englands, der „Autobahn“<br />
M25, durch das Raubvogelschutzgebiet<br />
Hawk Conservancy<br />
Trust und vorbei am Weltkulturerbe<br />
Stonehenge. Zu allem Überfluss<br />
sind nämlich weite Teile der<br />
Route mit Speed Cameras oder<br />
Section Control Bereichen be-
Etwa 550 Kilogramm treffen auf <strong>300</strong> Pferdestärken – es braucht kein Rechengenie, um den Wahnsinn zu erahnen.<br />
> www.arielmotor.co.uk<br />
stückt. Über schmale Nebenstraßen<br />
mit meterhohen Hecken zu<br />
beiden Seiten erreicht man<br />
schließlich <strong>Ariel</strong> Works in der<br />
verschlafenen Yeovil Road außerhalb<br />
des Ortskerns von Crewkerne.<br />
Ist die Anreise geschafft, dauert<br />
es im besten Fall 24 endlos<br />
scheinenden Monate bis zur Fertigstellung<br />
seines von Hand gefertigten<br />
<strong>Ariel</strong>. Die Konfiguration<br />
bringt überdies noch ein paar<br />
schlaflose Nächte mit sich.<br />
Nehm´ ich den Kompressor oder<br />
reichen die 245 PS des Saugmotors?<br />
Welche Felgen und Reifen,<br />
welche Bremsen, Dämpfer und<br />
Federn und wie soll der Rahmen<br />
beschichtet werden? Nicht zuletzt<br />
die Sicherheitsgurte – 4 Punkt<br />
oder 6 Punkt? Dafür erübrigen<br />
sich „klassische“ Ausstattungs-<br />
Fragen.<br />
Der Versuch über einen Rabatt<br />
oder eine kostenfreie Zusatzausstattung<br />
zu verhandeln, wird nur<br />
müde lächelnd ignoriert. Termin-<br />
zusagen sind unverbindlich. Abgeholt<br />
werden kann, wenn das<br />
Auto fertig ist. Punkt. Und in<br />
Crewkerne gehen die Uhren ohnedies<br />
anders.<br />
Beim <strong>Ariel</strong> <strong>Atom</strong> erhält das<br />
Wort „Einsteigen“ wieder seine<br />
Ursprungsbedeutung, der Vorgang<br />
ähnelt übrigens dem Stieg in<br />
eine prall gefüllte Badewanne.<br />
Der Tritt ist vorsichtig und die Erwartung<br />
auf das Kommende groß.<br />
Die überraschend bequeme Sitzschale<br />
für die beiden Passagiere<br />
Die Einfachheit des Seins: Eine fix verschraubte<br />
Sitzschale und ein Sechs-Punktgurt machen <strong>Atom</strong> plus<br />
Fahrer zur Einheit.<br />
besteht aus einem Stück und wird<br />
mit dem Rahmen verschraubt,<br />
fünf Löcher sorgen für Verstellmöglichkeiten.<br />
Mehrpunktgurt<br />
anlegen, verzurren, Helm überstreifen,<br />
Motor starten und ab<br />
geht´s. Ach ja, es gibt auch einen<br />
Kofferraum. Ein Staufach unter<br />
der Frontplatte, wo sich kleine<br />
Alltagsutensilien sicher verstauen<br />
lassen. Innerhalb des <strong>Atom</strong> sind<br />
nämlich Schlüssel oder Handy<br />
ähnlich sicher aufgehoben wie<br />
kopfüber in der Achterbahn.<br />
Sonor brabbelt der Vierzylinder-Honda<br />
im Rücken, Rahmen<br />
und Sitzschale vibrieren<br />
leicht. Der zweite Gang – ja, angefahren<br />
wird im zweiten, der erste<br />
wird eigentlich nie, allenfalls<br />
zum Rangieren, verwendet – des<br />
Sechsganggetriebes rastet exakt<br />
ein und bereits eine Millimeter-<br />
Bewegung des Gaspedals setzt<br />
den <strong>Atom</strong> in Bewegung.<br />
Etwa 550 Kilogramm treffen auf<br />
<strong>300</strong> Pferdestärken, und man<br />
braucht kein Rechengenie zu<br />
sein, um resultierende Fahrleistungen<br />
zu erahnen. Von Null auf<br />
Hundert in etwa drei Sekunden,<br />
dazu keine Fahrhilfen, weder ABS,<br />
noch Servolenkung oder Bremskraftverstärker<br />
und schon gar<br />
kein ESP. Die Fahrt im <strong>Ariel</strong><br />
gleicht dem Ritt auf der Kanonenkugel.<br />
Man sitzt praktisch<br />
komplett im Freien, die Umwelteindrücke<br />
stürmen auf einen zu<br />
und der <strong>Atom</strong> katapultiert sich<br />
vorwärts durch Zeit und Raum.<br />
Der Luftwiderstand bremst den<br />
Vortrieb erst bei gut 250 km/h, bis<br />
dahin gibt es Schub ohne Ende.<br />
www.auto<strong>aktuell</strong>.at 37
CABRIOS [ <strong>Ariel</strong> <strong>Atom</strong> 2 <strong>300</strong> ]<br />
> von Johannes Böhm > Fotos: Christian Houdek<br />
8.000 U/min? Kein Problem, der Honda-Motor ist bekannt als „drehfest“ – selbst mit Kompressor.<br />
Der Captain des Raumschiffs<br />
<strong>Ariel</strong> <strong>Atom</strong> sollte im Portfolio<br />
seiner Eigenschaften somit Besonnenheit,<br />
Feingefühl und Beherrschtheit<br />
vermerkt haben. Da<br />
passt unser „Benzin-verrückter“<br />
DATEN > ARIEL ATOM2 <strong>300</strong><br />
Motor: Vierzylinder-Ottomotor von Honda,<br />
i-VTEC, Kompressor-Aufladung.<br />
Hubraum in ccm: 1.998<br />
Max. Leistung: 221 kW/ <strong>300</strong> PS<br />
Max. Drehmom.: k.A.<br />
Fahrleistungen: 0-100 km/h in ca. 3,0 sec.<br />
V-max: 248 km/h<br />
Kraftübertragung: Hinterradantrieb, manuelles<br />
Sechsganggetriebe.<br />
Reifen/Felgen: 195/50 R15, 225/45 R16<br />
auf Dymag Magnesiumfelgen<br />
Bremsen: Alcon 290mm mit 4 Kolben vorne,<br />
240mm mit 2 Kolben hinen.<br />
Leergewicht in kg: ca. 550 (ohne Fahrer)<br />
L/B/H in mm: 3.410/1.798/1.195<br />
Tankinhalt in L: 40<br />
Verbrauch nach MVEG in L (gesamt): k.A.<br />
Testverbrauch in L: 8,0 bis 11,0<br />
Basispreis <strong>Ariel</strong> <strong>Atom</strong>2 <strong>300</strong>:<br />
ab ca. € 60.000,- Euro inkl. MWSt. und<br />
NoVA, abhängig von Wechselkurs EUR-GBP,<br />
exkl. Abholung und Einzeltypisierung.<br />
38 A U T O A K T U E L L [3·2009]<br />
Vorarlberger wieder gut ins Bild.<br />
Seine Findung der Balance zwischen<br />
„Anrauchen“ und Vernunft<br />
driftet den <strong>Ariel</strong> <strong>Atom</strong> für Österreich<br />
exklusiv in unser Heft. ●<br />
Der „Kofferrum“ des <strong>Ariel</strong> <strong>Atom</strong>.<br />
Klaus A. Kreil<br />
KTM X-Bow oder <strong>Ariel</strong> <strong>Atom</strong>?<br />
Zum Abschluss noch die entscheidende<br />
Frage: „Welches<br />
ist denn jetzt das bessere Auto<br />
– der <strong>Ariel</strong> oder der KTM?“<br />
„Eine schwierige Frage …, der<br />
<strong>Atom</strong> ist wesentlich leichter<br />
und hat mehr Leistung, das<br />
Fahrwerk ist aber auch giftiger.<br />
Der X-Bow verzeiht<br />
mehr, gibt mehr Rückmeldung,<br />
macht aber mindestens<br />
gleich viel Spaß. Er ist wesentlich<br />
besser durchdacht,<br />
moderner, durch das Carbon<br />
Monocoque sicherer und enthält<br />
viele Details die beim<br />
<strong>Ariel</strong> einfach schlecht gelöst<br />
sind – beispielsweise die Beleuchtung.<br />
Bei Problemen ist<br />
KTM überdies praktisch vor<br />
der Haustür, nicht, wie <strong>Ariel</strong>,<br />
nahezu 2.000 km entfernt,<br />
man spricht Deutsch – im Fall<br />
der Fälle ein nicht zu unterschätzender<br />
Vorteil – und es<br />
gibt europaweit Servicepartner.<br />
Das Idealauto für mich<br />
wäre ein KTM X-Bow auf<br />
Diät mit mehr Leistung – und<br />
für beides gibt es beim<br />
X-Bow vielversprechende Ansatzpunkte.<br />
Wobei für mich aber eines<br />
klar ist: Beide Autos, in Profihand<br />
und professionell bewegt,<br />
bieten einen derart hohe<br />
Fahrdynamik, dass die<br />
meisten Fahrer, mich eingeschlossen,<br />
den Grenzbereich<br />
kaum jemals erreichen werden.<br />
Wenn man damit trotzdem<br />
abfliegt, ist in aller Regel<br />
der Fahrer und nicht das Auto<br />
schuld.“<br />
Liegt satt am Asphalt, praktisch wie festgeklebt. Aber auch der <strong>Atom</strong> unterwirft sich den Gesetzen der Physik.