zu teile, schließlich aber vielleicht dochzu einer etwas anderen Auffassungkommen müsse. Da wird dann allzuleichtaus einem gut Abgewogenen einfade Abgehangenes.Deshalb nimmt es nicht allzusehr W<strong>und</strong>er,dass die Synode in der Frage desDreiervorschlags zu keiner Entscheidungkam, sondern das – gerade für dieKirchenvorstände – drängende Problemvertagte.Dabei hatte Landesbischof JohannesFriedrich mit einem energischen Appell,bei dem er zum Erstaunen mancherSynodalen die ganze Wucht seines Amtes<strong>und</strong> seiner Person zum Tragenbrachte, mit guten Argumenten für dieBeibehaltung der bisherigen Praxis geworben.Pflicht genommen, sondern bekanntefrank <strong>und</strong> frei, dass er – wie jeder normaleMensch – diesen Termin gernewahrnehme. Wie überhaupt JohannesFriedrich immer noch den Eindruckmacht, dass ihm bei allen Schwierigkeitennicht (nur) eine Last auf die Schultergelegt sei, sondern dass er sein Amtimmer noch mit Freude ausübt. DieseHaltung sollte vielleicht dem ein oderanderen derzeit völlig niedergedrücktenKirchenmenschen zum Vorbild gereichen.Zum halbwegs guten Schluss: Die Synodehat sich nach ihrer ersten Amtshälftegef<strong>und</strong>en. Die wichtigen Themenfür die zweite Hälfte der Periode sindbenannt, die Bälle liegen zumindest aufdem Spielfeld. Jetzt ist es an der Synode,sie auch ins Tor zu schießen. DieChancen für einen erfolgreichen Abschluss– mitunter auch im Doppelpasszwischen Synode <strong>und</strong> Landeskirchenrat– sind jedenfalls nicht schlecht.Achim Schmid,epd-Redakteur in MünchenKleines Plädoyer für eine leidenschaftlicheKirchenmusikZu einer tragfähigen Entscheidung kamdie Synode immerhin bei der praktischenUmsetzung der VELKD-»Leitlinienkirchlichen Lebens«. Gerade bei derZulassung zum Patenamt oder der Beschränkungder Trausprüche auf die Bibelwurde evangelisch-lutherische Identitätspürbar, die sich wie ein Gr<strong>und</strong>tenordurch die ganze Synode zog.Bei den Beratungen zu den »Leitlinien«hatte die Synode ihre stärksten Momente,weil sie sich in diesen Diskussionenüberzeugend mit den Essentialsvon Kirche <strong>und</strong> Glauben befasste. Andiesen Punkten wurde offensichtlich,dass die Synode eben doch mehr ist alsein reines beschließendes »Kirchenparlament«.Diese spirituelle Dimensionwar auch bei den Mittagsgebeten,einigen Andachten <strong>und</strong> vor allem beidem liebevoll-theologisch formulierten»Reisesegen« der Ständigen BischofsvertreterinSusanne Breit-Keßler greifbar.Diese kurze Besinnung schlug eineBrücke zwischen den Synodenthemen<strong>und</strong> den Wurzeln des Glaubens. Da wardann nicht nur bei den Christbaum-Feuerwehrleuten ein Verweis auf Transzendenz,sondern auch im nüchternenPlenum.Eingesprungen war die Münchner Regionalbischöfinfür den Landesbischof,der am letzten Synodentag einen Terminmit dem B<strong>und</strong>espräsidenten imZusammenhang mit dessen Nahost-Reise hatte. Und dieser Vorgang konnte,wie auch die Andacht seiner Vertreterin,durchaus ein Motivationsschubsein. Denn der Bischof fühlte sich nichtsauertöpfisch-protestantisch in dieS. 2 KORRESPONDENZBLATTNr. 1 Jan. <strong>2005</strong>Beim Abschied von meiner letztenGemeindestelle spielten am Ende desGottesdienstes zu meiner riesigenÜberraschung unser Kantor <strong>und</strong> der Leiterdes Posaunenchors ein Stück vonGeorge Gershwin. Diesen Wunsch hatteich mal beiläufig erwähnt in der Überzeugung,dass er nicht zu verwirklichenist. Weil die beiden sich dennoch darangesetzt haben <strong>und</strong> ich diese Musik mag,erinnere ich mich heute noch gern <strong>und</strong>dankbar zurück. Viele liebevolle <strong>und</strong> mitMühe verfassten Abschiedsreden sindmir leider nicht mehr präsent. Die Erinnerungan die Musik ist geblieben.Musik ist ein eigener Bereich des Menschen,nahe an der Sprache, nahe amVerstand <strong>und</strong> nahe am Herzen. Sie isteigene <strong>und</strong> eigenständige Ausdrucksform.Sie verbindet, weil gemeinsameMusik in jeglicher Form von Liedern sogarSprachbarrieren überschreiten kann.Sie schafft Freiheit <strong>und</strong> Selbstsein, weiljeder Mensch eigene Melodien vor sichhinsummen oder trällern kann. Die Gedankensind frei, vor allem wenn siegesungen werden.Bei Rockkonzerten wie den Rolling Stonesoder Anastacia w<strong>und</strong>ere ich michmanchmal, wie gut die Fans scheinbarEnglisch können. Kaum klingen die erstenTöne bekannter Songs an, erhebensich abertausende Kehlen <strong>und</strong> singenmit. Musik <strong>und</strong> Text gehören zusammen.Wer die Musik kennt, eignet sichschnell auch den dazugehörigen Textan. Und umgekehrt: wer einen Liedtextkennt, kann meist auch die Musik dazuintonieren. Musik ist also nahe an derSprache. Sie ist wie eine eigene Sprachwelt.Deshalb verblassen manche Texteschnell, wenn sie von der Musik losge-löst abgedruckt oder vorgetragen werden.Dann wirken sie dünn, simpel oderschlicht befremdlich so wie die »Freude,schöner Götterfunken, Tochter ausElysium.« Nur in der Verbindung mit derMusik bekommen viele Liedtexte ihrenWert, werden zuweilen Ausdruck desLebensgefühls einer ganzen Generation.Übrigens: ohne die dazu gehörigeMusik verblassen die Englischkenntnissevieler Fans ganz schnell.Auch wenn berühmte Songs wie z.B.»Satisfaction« zufällig beim Herumklimpernmit der Gitarre entstanden sind,so ist Musik planbar <strong>und</strong> verlangt denVerstand. Die Reformation war geradeauch deshalb so erfolgreich, weil es ihrgelungen ist, ihre theologischen Überzeugungenin volksnahe Lieder umzusetzen.Nun konnte sich jeder <strong>und</strong> jedeauf den Glauben einen Reim machen. 1Die Reformation ist eine »Singbewegung«2 , »gewissermaßen eine Reformationvon unten«. 3 Theologie wird vonden Reformatoren in knappe Texte umgesetzt<strong>und</strong> mit (damals) gängigen Melodienverwoben. Musik <strong>und</strong> Text bildeneine enge hermeneutische Einheit.Deshalb ist es gewissermaßen auch problematisch,Liedtexte von ihrer Musikzu lösen <strong>und</strong> sie Distanz voraussetzendenliterarischen Analysemethoden zuunterwerfen. Zum wissenschaftlichenVerstehen ist eine solche Vorgehensweiseunerlässlich. Zur Adaption derBotschaft dieser Texte trägt eine solcheDifferenzierung nur wenig bei. Vielleichtwird man eines Tages auch dieSongs der Rolling Stones wissenschaftlichsezieren <strong>und</strong> prüfen. Die Fans werdenihren Hit jedoch nur im Originalso<strong>und</strong>lieben.
Kirchenlieder sind Verkündigung, indemsie einen Eindruck schaffen, Sänger <strong>und</strong>Sängerinnen ansprechen <strong>und</strong> als vonaußen kommendes Wort zur Begegnungmit Gesetz <strong>und</strong> Evangelium führen.In diesem Sinne haben die Reformatorenbiblische Worte <strong>und</strong> Motive inReimform gebracht. Diese Lieder greifendas Spannungsverhältnis von Indikativ<strong>und</strong> Imperativ auf, die Rechtfertigungsbotschaftwird verquickt mit demAppell zu geschwisterlichem Verhalten<strong>und</strong> angemessenem Dienen in der Welt.In Zeiten der konkurrierenden Konfessionendienten Kirchenlieder dadurchauch der Vergewisserung nach innenwie der Abgrenzung nach außen.Musik gibt Gestimmtheiten <strong>und</strong> Haltungenwider. Mit Spirituals haben sichunterdrückte Farbige die Seele von derFronherrschaft weißer Farmer frei gesungen.Mit Rock’n Roll ist eine ganzeGeneration der Spießigkeit ihrer Elternentflohen. Die Antiatomkraftbewegunghat der Idee des passiven Widerstandsin Mut machende Lieder gehüllt. AmKirchentag werden U-Bahn-Wagenzum Chorraum. Mit Hymnen haben dieMenschen aller Jahrtausende Gott gedanktfür Ernte <strong>und</strong> Wohlergehen, fürihr Leben <strong>und</strong> für das unverfügbare segensvolleHandeln seines machtvollenWirkens mitten in der Gegenwart.Danklieder sind Herzenslieder. Der einzelneMensch drückt seine Erleichterung<strong>und</strong> sein Glück aus, indem er singendden lobt, von der seine Lebensgemeinschaft<strong>und</strong> ihre geistlichen Repräsentantenbekennen, dass dieser derSchöpfer <strong>und</strong> Bewahrer des Lebens ist.So binden Lieder die Einzelnen in ihreGesinnungs- <strong>und</strong> Bekenntnisgruppe ein.Sie repräsentieren den common sense<strong>und</strong> gründen zugleich in tiefen Gefühlen<strong>und</strong> Überzeugungen derer, die sieanstimmen.Dass diese Bindung an die Gefühlsweltauch lebenszyklische <strong>und</strong> therapeutischeFunktion hat, wissen wir aus Ritualen.Im »Kind, du bist uns anvertraut«bek<strong>und</strong>et die Taufgemeinde ihre Hoffnungauf Christus angesichts der fragmentarischen<strong>und</strong> zerbrechlichen Welt.Trotz Lebkuchen <strong>und</strong> Zimtsternen, derenVerkaufsstände die Supermarktgängeab September versperren, beginnt fürviele traditionelle Kirchgänger emotionalder Advent <strong>und</strong> die Weihnachtsfestzeitin dem Moment, wenn die erstenerkennbaren Töne von »Macht hoch dieTür« in der Kirche erschallen. Im »Befiehldu deine Wege« können Kummer<strong>und</strong> Depression vor Gott getragen werden.»So nimm denn meine Hände« ist,selbst wenn es von hitze- <strong>und</strong> kältegeschädigtenKassetten verzerrt am Friedhofabgespielt wird, ein tiefer Anker angesichtsdes Todes sowie Ausdruck desBewusstseins der eigenen Machtlosigkeit<strong>und</strong> des Angewiesenseins auf Gotteshöhere Macht.Konsequenzen:Mut zu den Top 100!Wenn es stimmt, dass sich in Liedernder einzelne Mensch mit der Gestimmtheit,Haltung <strong>und</strong> Überzeugung seinerLebensgemeinschaft verbindet, dannsollten diese gemeinschaftlich vermittelten<strong>und</strong> bewährten, gern gesungenen<strong>und</strong> bekannten Lieder auch im Gottesdienstregelmäßig verwendet werden.Niemand käme auf den Gedanken, dasGlaubensbekenntnis, in dem sich in altkirchlicherZeit Gr<strong>und</strong>überzeugungendes christlichen Glaubens verdichtethaben, über Wochen (<strong>und</strong> Monate) wegenWiederholungsgefahr aus dem Gottesdienstzu verbannen. Bei gängigen,gern gesungenen Liedern ist eine solcheScheu eher zu beobachten. Warumeigentlich?Neue Lieder brauchen Zeit!Nicht jedes neue Lied erschließt sichbeim ersten Singen <strong>und</strong> schon gar nicht,wenn die Gemeinde es ohne vorherigesÜben vom Blatt singen soll. Deshalbkönnen Gottesdienste emotional enttäuschendwirken, wenn gut gemeintgleich mehrere neue <strong>und</strong> für die Mehrheitder Gottesdienstbesucher unbekannteLieder gesungen werden sollen.Dann freuen sich vielleicht noch dasBrautpaar oder die Konfirmanden, diediese Lieder unbedingt wünschten, aberim Kirchenschiff herrscht betretenesSchweigen.Lieder sollen Eindruck <strong>und</strong> Ausdrucksein!Bedauerlicherweise werden mancheLieder zu sehr unter dem Gesichtspunktder Verkündigung als verlängerte Predigtausgewählt, nicht jedoch als Antwortauf Evangelium <strong>und</strong> Predigt. Undleider entdecke ich nicht zuletzt auchin manchen neueren Liedern selbst kleine,allzu gesetzliche Predigten zu besserem,geheiligtem Leben <strong>und</strong> Handeln.Wird hier die Dosierung zu einseitig,kann die Balance zwischen Eindruck<strong>und</strong> Ausdruck verloren gehen. Wenn z.B.eine Aktionsgruppe sich ihr Handelndurch appellhafte Lieder bestätigt, hatdas seinen durchaus passenden Sitz imLeben. Falls aber in der gemischten Gottesdienstgemeindegesungene Appelleoder die Dauerverkündigung die Oberhandgewinnen, dürfte dies meist an derunterschiedlichen Gestimmtheit vorbeigehen<strong>und</strong> vorbeirauschen. Auf dieBalance kommt es an. Wenn das fremde,externe Wort mich ergreift, braucheich Raum, diesem Ereignis einenAusdruck zu geben.Lieder aus dem Religionsunterricht<strong>und</strong> der Kirchengemeinde vernetzen!Im Religionsunterricht lernen die Kinderviele neue <strong>und</strong> oft begeistert gesungeneLieder. Kommen die Kinder jedochin die Kirche, warten sie manchmalselbst in Familien- oder Kindergottesdienstenvergeblich darauf, auch hierdiese Lieder singen zu können. Schule<strong>und</strong> Gemeinde vermitteln nicht seltenaus Unkenntnis voneinander paralleleine eigene Liedwelt – <strong>und</strong> schwächensich dadurch gegenseitig. Warum nichtReligionslehrer <strong>und</strong> –lehrerinnen nachden von ihnen im Unterricht verwendetenLiedern fragen <strong>und</strong> in zeitlicherNähe im Gottesdienst berücksichtigen?Liedblätter müssen ansprechendsein!Liedblätter werden nicht selten als»Liedzettel« angekündigt <strong>und</strong> ihr Erscheinungsbildwird dieser Bezeichnungin trauriger Weise gerecht. Doch sindwohl die meisten von uns mit so vielen,hektisch beschriebenen Zetteln im Alltagarbeitsreich umgeben, dass Liedblättersich davon tunlichst unterscheidensollten. Es geht nicht nur um eineHommage an unsere designverwöhntenAugen. Es geht vielmehr um die Wertigkeitder sich in den Liedern vielfältigäußernden Glaubensbewegung. Wennauch optischer Eindruck zum Ausdruckführt, dann singt man einen schlampigenLiedzettel herunter, während eingut gestaltetes Liedblatt eben Spaßmacht, mitzusingen oder wenigstensmitzulauschen.Lieder in der Seelsorge?Liedtexte haben als Gebete einen festenPlatz in der Seelsorge. Lieder auch? Manmuss nicht nur auf Naturvölker verweisen,bei denen die Medizinmänner <strong>und</strong>Schamanen über den Hilfesuchendensingen. Fast natürlich wissen Erwachsene,wie sehr ein sanftes Lied oder einSummen ein weinendes Kind trösten<strong>und</strong> beruhigen kann. In meiner Ausbil-KORRESPONDENZBLATT S. 3Nr. 1 Jan. <strong>2005</strong>