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Aufbruch Gemeinde - Pfarrer- und Pfarrerinnenverein

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B 4297KORRESPONDENZBLATTHerausgegeben vom <strong>Pfarrer</strong>- <strong>und</strong> <strong>Pfarrer</strong>innenvereinin der evangelisch-lutherischen Kirche in BayernNr. 12 Dezember 2008 123. JahrgangChrist <strong>und</strong> SozialistHelmut Gollwitzer zum 100. GeburtstagZu erinnern ist an Helmut Gollwitzer,der am 29. Dezember 1908 geborenwurde. Fragt man heute Studierendeder Theologie im Examen nach HelmutGollwitzer, so ist man erschrocken überviel Unwissenheit, ja Unverständnis, dieeinem entgegenschlagen. Zum Prüfungswissengehört die Kenntnis von Theologenwie Gollwitzer offenbar schon langenicht mehr. Man hat kein Glück,wenn man nach dem großen TheologenGollwitzer fragt – etwa den Dialogenmit der Bultmann-Schule oder den Auseinandersetzungenmit Dorothee Söllewie auch den Debatten mit GerhardEbeling, Paul Tillich, Wolfhart Pannenbergoder den Schülern Karl Barths.Ebenso wenig wird man fündig bei derFrage nach dem Zeitzeugen HelmutGollwitzer, der weit über ein halbesJahrh<strong>und</strong>ert für viele auch kontroversesteAuseinandersetzungen in Politik,Gesellschaft <strong>und</strong> Kirche gesorgt hat.Woran kann es liegen, dass HelmutGollwitzer schon wenige Jahre nachseinem Tod am 17. Oktober 1993 fastvöllig in Vergessenheit geraten konnte?Oder ist es eher Verdrängung denn Vergessen?Unbequeme Mahner oder garkritische Bußprediger haben keine Konjunkturin einer Kirche, die weitgehenddem Zeitgeist verfallen zu sein scheint:wo in überbetonter K<strong>und</strong>enorientierung»Wohlfühlgottesdienste« gefeiert werden,da verkommt die »theologia crucis«allzuleicht zu billiger Folklore (dasKreuz gehört zu Bayern wie der Chiemsee...);Gottes echte Menschenfre<strong>und</strong>lichkeitmit ihrem Zuspruch <strong>und</strong> Anspruchauf das ganze Leben hat keineChance bei Kirchenleitungen, derenGötzen Effizienz <strong>und</strong> Produktmarketingheißen. Dabei wünschte man sich in einerSituation, wo Mittelmaß offenbarallenthalben die Oberhand gewonnenhat, erst recht eine Stimme wie die vonHelmut Gollwitzer, die mit analytischemScharfsinn Vorgänge kommentiert,Misstände kompromisslos anprangert<strong>und</strong> mit charismatischer Ausstrahlungnach Wegen aus der Gefahr suchenhilft.Wo die Repression in der Eindimensionalitätunserer Gesellschaft offenbarbereits so perfekt ist, dass sie nichtmehr als solche empf<strong>und</strong>en wird, da istkein Platz für Nonkonformisten vomSchlage Gollwitzers, der sich selbst einmalbezeichnete als »Kommunist ökologischer,christlicher, lukanischer, lutherischer,barthscher <strong>und</strong> sozialdemokratisch-sozialistischerPrägung.« 1 EinNonkonformist, der in sich scheinbarUnvereinbares oder doch Widersprüchlichesmiteinander versöhnte. Nicht umein theoretisches oder ideologischesSystem geht es bei ihm, das alle dieseElemente gleichmäßig umfasste, sondernum einen Menschen in seinemWiderspruch, <strong>Aufbruch</strong> <strong>und</strong> Widerstand.Die Verwirrung, die Gollwitzeroftmals stiftete, sie war allemal eineheilsame – <strong>und</strong> könnte es heute wiedersein, nötig hätten wir es.Wegmarken – Prägungen –KlärungenAm 29.12.1908 als <strong>Pfarrer</strong>ssohn imbayerischen Pappenheim geboren, verbrachteHelmut Gollwitzer seine Kindheit<strong>und</strong> Jugend – den Wirkungsfeldern■■■■■InhaltArtikelDr. Wieland Zademach,Christ <strong>und</strong> Sozialist 169Christoph Jahn,Dank für Steine <strong>und</strong> Brot 174A. Kemnitzer,Stafette der Menschlichkeit 175Martin Ost,Liebe Leserin, lieber Leser 189Forum <strong>Aufbruch</strong> <strong>Gemeinde</strong>Dr. Martin Hoffmann,Vorwort 179Gruppenarbeit 179Dr. Christian Möller,»Dass eine christliche <strong>Gemeinde</strong>Recht <strong>und</strong> Macht habe...« 180Dr. Martin Hoffmann u.a.,Von der Betreuungskirchezur Beteiligungskirche 185AusspracheMartin Schlenk,Remember September 188Götz von Egloffstein,Just November 188HinweisHochschule f. KirchenmusikEignungsprüfungen 187BerichtGVEE,Aktuell 187BücherArne Langbein,Thiede, Der gekreuzigte Sinn 188■ Ankündigungen 190KORRESPONDENZBLATT S. 169Nr. 12 Dez. 2008


S. 170 KORRESPONDENZBLATTNr. 12 Dez. 2008der Eltern folgend – in Bad Steben,Lindau <strong>und</strong> Augsburg, wo er 1928 Abiturmachte. Anschließend begann er inMünchen das Studium der Theologie<strong>und</strong> Philosophie. Begeistertes Mitgliedder Jugendbewegung wurde der Wandervogelbald anfällig für den Nationalsozialismus,um sich alsbald zum Radikalsozialistenzu wandeln, wie er späterselbst bekennt: »Ich war als bayerischerlutherischer <strong>Pfarrer</strong>ssohn von derrechtesten Seite der Hitlerverehrung imLaufe meiner Studienjahre nach linksgerutscht unter Einfluss auch von KarlBarth. Und als Karl Barth mir 1931 sagte,er sei jetzt, weil er ständig als Soziangegriffen wurde, der deutschen Sozialdemokratiebeigetreten, habe ichentrüstet gesagt: Wie können Sie zudiesem ›stinkenden Leichnam‹ gehen?Ein Wort von Rosa Luxemburg! So warmeine Position.« 2Im Sommersemester 1930 kommt derbayerische Lutheraner – ein »Jüngelchenmit zerknitterten Hosen« - nachBonn, um bei dem renommierten reformiertenTheologen Karl Barth zu studieren,später dessen Assistent zu werden<strong>und</strong> 1937, dann schon in Basel, promoviertzu werden mit seiner Arbeit»Coena Domini. Die altlutherischeAbendmahlslehre in ihrer Auseinandersetzungmit dem Calvinismus, dargestelltan der lutherischen Frühorthodoxie.«Mit dieser Arbeit nimmt Gollwitzertheologisch etwas vorweg, wasdann zwanzig Jahre später in dieArnoldshainer Thesen von 1957 – anderen Erarbeitung er auch beteiligt war– einmündet: jenen geschichtsträchtigenVersuch einer lutherisch-reformiertenÜbereinkunft zum ProblemkreisAbendmahl. Wie weit Gollwitzer derZeit voraus war – oder umgekehrt wielangwierig der kirchliche Rezeptionsprozesstheologischer Erkenntnisse sichgestaltet -, kann man daraus ersehen,dass es noch bis zum Jahre 1973 dauernsollte, ehe endlich die LeuenbergerKonkordie Abendmahlsgemeinschaftzwischen diesen Kirchen feststellte... Ineiner glücklichen Weise kamen in seinerDissertation Gollwitzers biographischeHerkunft <strong>und</strong> seine theologischePrägung durch Karl Barth in einen kompositorischenZusammenhang. Spätestensab diesem Zeitpunkt »verstehtsich Gollwitzer als Barths Schüler – aberauch als Lehrling Luthers.« 3Als Karl Barth 1935 aus Deutschlandausgewiesen wurde, musste auch Gollwitzerals sein Assistent die BonnerTheologische Fakultät verlassen. Inzwischenhatte er die Bekanntschaft MartinNiemöllers gemacht, der ihn alsbaldnach Berlin holte zum Bruderrat der altpreußischenUnion als Ausbildungsreferentenfür die jungen Theologen derBekennenden Kirche. Dort in Berlin-Dahlem versuchte Gollwitzer, Kirche<strong>und</strong> <strong>Gemeinde</strong> in einer Weise zu leben,»die quer, subversiv, in Frage stellend,unterhöhlend <strong>und</strong> umformend zur gesellschaftlichenWirklichkeit <strong>und</strong> helfend<strong>und</strong> begleitend zu deren insbesonderejudenchristlichen <strong>und</strong> jüdischenOpfern stehen sollte.« 4 Als Martin Niemölleram 1. Juli 1937 verhaftet wird,übernimmt Gollwitzer dessen Nachfolge.Am Abend des der Verhaftung folgendenSonntags fand ein Fürbittgottesdienststatt, bei dem Gollwitzer überApostelgeschichte 12,5 predigte: »UndPetrus ward im Gefängnis gehalten,aber die <strong>Gemeinde</strong> betete ohne Aufhörenfür ihn zu Gott.« Von da an kamdie Dahlemer <strong>Gemeinde</strong> jeden Abend zudiesen Fürbittgottesdiensten zusammen– acht Jahre hindurch ohne Unterbrechung.Die Langzeitwirkung dieserstärkenden Erfahrung erstreckt sichbis in das Jahr 1989 hinein zu denMontagsgebeten in der DDR Nicht nur,dass man zurückgreifen konnte auf dieTradition von Dahlem in der Kriegszeit<strong>und</strong> davor, der Bogen spannte sich ineinzelnenn noch lebenden Personen sowiein den Generationen vieler Familien.Der Kriegsdienst, der den überzeugtenPazifisten vor unmittelbarer Verfolgungdurch die Nazis wegen seines Engagementsin der Bekennenden Kirche bewahrte– Gollwitzer hatte Gönner unterhohen Militärs, die ihn zu diesemSchritt rieten - , führte ihn in russischeGefangenschaft <strong>und</strong> damit in intensivsteAuseinandersetzung mit stalinistischerPraxis <strong>und</strong> marxistischer Theorie,die ihn in Anknüpfung <strong>und</strong> Widerstandein Leben lang prägen sollte. So etwa,als in den Zeiten des heftig tobendenKalten Krieges seine Berufung nach Baselauf den Lehrstuhl seines Lehrers KarlBarth politisch verhindert wurde, weil dieSchweiz sich kein »trojanisches Pferd desKommunismus« leisten könne <strong>und</strong> wolle.Davon profitierte schließlich Berlin,wo Gollwitzer bis an sein Lebensendelehrte – auch hier heftigst umstritten,nicht nur politisch, sondern fast mehrnoch innerkirchlich.In intellektueller Anstrengung des Begriffswie auch in der persönlichen <strong>und</strong>praktischen politischenVermittlung hatGollwitzer Theologie sich <strong>und</strong> anderennicht leicht gemacht: am Schreibtisch,im Hörsaal, auf der Kanzel, in Mutlangenbeim Sitzstreik vor den Raketendepots,in der Seelsorge, wenn er UlrikeMeinhof zu Grabe geleitete. Bei Gollwitzerist nie als Gegensatz erschienen,was andere ständig gegeneinanderausspielten: Kirchenkampf <strong>und</strong> Klassenkampf,Glaube <strong>und</strong> Politik, Nächstenliebe<strong>und</strong> strukturverändernde marxistischeTheorie <strong>und</strong> Praxis des Sozialismusexistieren bei ihm in einer einmaligenIdentität des Nichtidentischen. KeineBewegung, keine Partei, keine Institutionkonnte ihn je vereinnahmen odergar domestizieren. Fast alle, die ihm begegneten,spürten den kräftigen Wärmestromder Solidarität, der sich wieein roter Faden durch Gollwitzers Lebenzog. Auch viele, die ihn sachlichscharf angriffen oder die er in Wort <strong>und</strong>Tat bekämpfte, aber nie menschlich verachtete,beschämte er durch seine hartnäckigeMenschenfre<strong>und</strong>lichkeit. Sokonnte er für viele zum Mutmacherwerden, auch in Zeiten theologischerDürre <strong>und</strong> politischer Restauration.Sprung über die Mauer – oderder »Dritte Weg«Zur Komplexität des Wirkens von HelmutGollwitzer gehört seine Teilnahmean zwei sich zunächst vollkommen unabhängigvoneinander entwickelndenBewegungen, die unsere Gegenwartnoch mehr bestimmen als manche meinen,<strong>und</strong> die umgekehrt Gollwitzersweiteren Weg entscheidend mitbestimmensollten: die »Christliche Friedenskonferenz«(CFK) <strong>und</strong> die 68er Bewegung,die weit mehr war als eine Studentenrevolte.In Person <strong>und</strong> Werk vonHelmut Gollwitzer schnitten sich beidegeradezu <strong>und</strong> befruchteten sich wechselseitig.Der zentrale Zusammenhangvon Theologie <strong>und</strong> Biographie wird hierbesonders deutlich. Richtige Ideen fallennicht vom Himmel, ihr Wurzelgr<strong>und</strong>sind gesellschaftliche Auseinandersetzungen<strong>und</strong> biographisch damit vermittelteErfahrungen. So entsteht im reflektiertenZusammenspiel Authentizität– das, was K. Barth »theologischeExistenz heute« nannte.Die CFK oder auch Prager Friedenskonferenzverdankt ihre Existenz einer Lükkeoder einem Defizit im Gefüge des imJahre 1948 mit einer ersten Vollversammlungins Leben gerufenen »ÖkumenischenRates der Kirchen« (ÖRK).Gehörte anfangs der »Weltb<strong>und</strong> fürFre<strong>und</strong>schaftsarbeit der Kirchen« nochzum ÖRK dazu, so blieb nach dessen


Auflösung das Feld der konkreten Friedensarbeitder Kirchen weitgehend unbesetzt.Hinzu kam der Konflikt um dieAusrichtung des ÖRK bereits bei seinerGründung in Amsterdam. Der spätereamerikanische Außenminister John FosterDulles stellte damals den Versuchan, den Weltrat der Kirchen »in diewestliche Kreuzzugsfront einzugliedern<strong>und</strong> damit die falsche Gleichsetzungvon Nationalsozialismus <strong>und</strong> Bolschewismusim Weltmaßstab zu wiederholen«(E.Wolf). Die gewünschte Verlagerungnach New York verhinderte dertschechische Theologe Josef L. Hromadka,der unter Berufung auf die gr<strong>und</strong>sätzlicheDistanz der Kirche zur Welt dieUnabhängigkeit des ÖRK wenigstensorganisatorisch rettete.Helmut Gollwitzer kam zur CFK im Zugeseiner politisch-ethischen Entwicklungvon der Antiatom- zur Friedensbewegung.Im Atomzeitalter gehören Kriege,an denen Christen notfalls untergewissen Bedingungen teilnehmenkonnten, endgültig der Vergangenheitan. Konsequente Ablehnung des Militärseelsorgevertragesvon 1957 war dieFolge dieser Haltung wie eben die Mitarbeitin der CFK ab der Gründung 1958.Seit der ersten »Allchristlichen Friedensversammlung«in Prag 1961 fandauf der Plattform der CFK mit ihremPräsidenten Hromadka ein reger Dialogüber die Gefahr der Atomwaffen, überdie Abrüstung, über die Anerkennungder Grenzen in Europa, über den Sozialismus,die ungerechten ökonomischenStrukturen in der Dritten Welt <strong>und</strong> überviele andere Fragen statt. Jenseits derantisowjetischen Hysterie des Westensebenso wie eines dogmatischen Realsozialismusim Osten wurden hier »DritteWege« entwickelt <strong>und</strong> diskutiert, dieteilweise einige Jahre später im »PragerFrühling« von 1968 ihren konkretenVerwirklichungsversuch erlebten. DieBewegung der CFK erlebte Gollwitzerals eine riesige Horizonterweiterung,brachte sie doch Christen aus fast allenKirchen in sozialistischen Ländern mitChristen aus dem Westen <strong>und</strong> bald auchaus Ländern der Dritten Welt zusammen.Hierher gehören schließlich die Ostermärsche,die Gollwitzer verstanden hatals eine sichtbare Ermutigung für dieKirche, »durch Vorangehen mitzuwirkenan der neuen Moral, die dem Atomzeitalter<strong>und</strong> seinen Risiken gemäß ist.«Glaube <strong>und</strong> Vernunft, Vernunft <strong>und</strong> GebotGottes fallen zusammen bei derFrage der Atomwaffen. Wer aufstehtgegen die atomare Rüstung, der »praktiziertOstern.« Hinzu kommt die immerdrängender werdende Erkenntnis, dassnicht erst am Krieg, sondern schon ander Rüstung »die Entwicklung des hungerndenWeltteils stirbt.« - Eigentlichsind hier bereits alle Themen des späterenökumenischen »konziliaren Prozessesfür Gerechtigkeit, Frieden <strong>und</strong>Bewahrung der Schöpfung« in ihremZusammenhang erkannt <strong>und</strong> ausgesprochen...Die 68er BewegungDen entscheidenden Ertrag der 68er Bewegungfür Kirche <strong>und</strong> Theologie seheich in einer doch ziemlich gr<strong>und</strong>stürzendenErkenntniserweiterung in doppelterHinsicht. Zum einen in der Überwindungdes unheilvollen Gegenübersvon Kirche <strong>und</strong> Welt, das lange Zeit beherrschendwar für die Volksfrömmigkeitebenso wie für die kirchliche Praxis.Fortan jedoch erschienen Kirche<strong>und</strong> Theologie eben auch als gesellschaftlicheFunktionszusammenhänge<strong>und</strong> wurden als solche mit dem entsprechendenkategorialen Rüstzeug reflektier-<strong>und</strong> kritisierbar. Zum anderen inder Aufhebung des historisch so verhängnisvollenGegensatzes von Christentum<strong>und</strong> Marxismus als einanderausschließende Weltanschauungen mitumfassendem Absolutheitsanspruch.Dass bei der Studentenrevolte als derVorstufe der 68er Bewegung von Anfangan erstaunlich viele Patorenkinder<strong>und</strong> Thelogiestudierende aktiv waren,das deutet darauf hin, dass hier zumindestunterschwellig ein Gespür dafürvorhanden war, dass ureigenste Anliegenauf dem Spiel stehen. Hierher gehörenauch die Vermittlungsbemühungenvon Gollwitzer <strong>und</strong> Bischof KurtScharf bei den Berliner Auseinandersetzungenvom Sommer 1967.Die eigentliche Politisierung <strong>und</strong> derdamit verb<strong>und</strong>ene erkenntnistheoretischeDurchbruch gelangen erst 1968unter dem Einfluss der Vollversammlungdes Weltkirchenrates in Uppsala,die seinerzeit die Entwicklungsproblematikder Dritten Welt ins Bewußtseinder kirchlichen Öffentlichkeit rückte.Die sich landauf landab bildenden kritischenGruppierungen in Landeskirchen<strong>und</strong> Synoden stießen lange Zeit auf entschiedenenWiderstand im kirchlichen»Establishment«. Bestätigt jedoch fühltensie sich durch den französischenTheologieprofessor Georges Casalis, derdie Unruhen an der Pariser Sorbonnenicht nur in die Linie der Aufklärung <strong>und</strong>der Französischen Revolution rückte,sondern auch theologisch als »Exodusgeschehen«deutete: als den »Auszugaus der Knechtschaft <strong>und</strong> der Sekuritäteiner Gesellschaftsordnung, die allesbeim alten lassen will <strong>und</strong> oft genugnichts ist als ein System der Unordnung.«Weg von »den FleischtöpfenÄgyptens« habe der »Vormarsch auf dasverheißeneLand« begonnen, »auf eineneue Stadt zu, die Stadt der Menschlichkeit<strong>und</strong> Brüderlichkeit, in der Christusdas Herzstück ist.« 5Der zeitgleich sich abzeichnende politischePrager Frühling – begleitet vomverheißungsvollen marxistisch-christlichenDialog - , der Protest gegen denKrieg der USA in Vietnam, die Wiederentdeckungder Psychoanalyse in ihrerlinken Variante bei Wilhelm Reich, ErichFromm etc.: all dies waren Faktoren, dieeine »Funktionsanalyse der Kirche imSpätkapitalismus« möglich werden ließen.Reich Gottes als KompassEs dauerte eine Weile, bis aus demunterschwelligen Gespür die sichere Erkenntniswurde, dass man mit seinerGesellschaftskritik theologisch ja durchausbei sich selbst war: lutherischerseitsetwa mit der Neuentdeckung der Oppositiondes Reformators gegen den Frühkapitalismusseiner Zeit; in der reformiertenTradition der Bekennenden Kirchemit der Wiederentdeckung des langeZeit verschütteten »DarmstädterWortes« von 1947, das seinerzeit das»Stuttgarter Schuldbekenntnis« von1945 konkretisieren wollte <strong>und</strong> denSatz enthielt: »Wir sind in die Irre gegangen,als wir übersahen, dass derökonomische Materialismus der marxistischenLehre die Kirche an den Auftrag<strong>und</strong> die Verheißung der <strong>Gemeinde</strong>für das Leben <strong>und</strong> Zusammenleben derMenschen im Diesseits hätte gemahnenmüssen.« In Weiterentwicklung der Positionenim »Darmstädter Wort« ist derMarxismus weltanschaulich jetzt nichtmehr ein bloßes Gegenüber – auchwenn er diese Funktion im Sinne einerMahnung zu bußfertiger Umkehr auchweiterhin behält - , sondern er wird zueiner unentbehrlichen Begrifflichkeit<strong>und</strong> Methodologie der Theologie selber,ein entscheidendes »Werkzeug zur Analyseder gesellschaftlichen, kirchlichen,persönlichen <strong>und</strong> biblischen Wirklichkeit«(Casalis).Die Nach-68er führen eigentlich keinenchristlich-marxistischen Dialog mehr,sie wenden die marxistische Methodo-KORRESPONDENZBLATT S. 171Nr. 12 Dez. 2008


logie auf ihr eigenes Gebiet an. Mehrnoch: so wie wir es von Paulus, von Luther<strong>und</strong> in jüngster Zeit sehr eindringlichbei Ernst Bloch oft schmerzlich lernenmussten, dass der Atheismus immerauch eine Dimension innerhalb desGlaubens ist, so wird Marxismus nunzum wesensnotwendigen Strukturelementvon Theologie. Von nun an wirdHelmut Gollwitzer auch terminologischmit größter Selbstverständlichkeit dieEbenen wechseln, die sich in einer Symbiosedurchdringen. Biblische Sachverhaltekann er ebenso mit marxistischenKategorien auf den Punkt bringen wieer Einsichten marxistischer Analyse mitbiblischen Bildern veranschaulicht; seinean der Dialektischen Theologie geschulteFähigkeit, sich in Widersprüchenzu bewegen, kam ihm dabei zugute– nie aber verlor er den Kompass:das Reich Gottes für diese Welt.Zeit seines Lebens war für Gollwitzerdas Lukasevangelium von existentiellerWichtigkeit <strong>und</strong> Dringlichkeit. Bereits1940 erschien unter dem Titel »DieFreude Gottes« seine Einführung <strong>und</strong>gepredigt hat er dieses Evangeliumschon während der 30er Jahre in seinerersten Berliner Zeit <strong>und</strong> dann immer<strong>und</strong> immer wieder bezogen auf die jeweiligenZeitumstände. Dabei hat Gollwitzerdas Geschehen um Kreuz <strong>und</strong>Auferstehung Jesu Christi immer in vollerbiblischer Radikalität behauptet <strong>und</strong>unter der Kategorie des Reiches Gottesals dessen Anspruch <strong>und</strong> Zuspruch aufdie konkrete Gegenwart bezogen. Ortbleibender Entscheidung ist eben das irdischeLeben; darin stimmt Jesus mitdem Alten Testament überein. KeinerleiMilderungen oder Projektionen in einSpäter wie Fegefeuer, Seelenwanderungoder Ähnliches mindern den kritischenErnst des irdischen AnspruchsGottes, der keinerlei abstrakte Trennungvon Kirchlichem <strong>und</strong> Weltlichem, vonReligion <strong>und</strong> Politik gelten lässt. Zuspruch<strong>und</strong> Anspruch des Reiches Gotteszielen auf Dienst. Gottesdienst ist»das reale, leibhaftige Leben der <strong>Gemeinde</strong>,durch ihre tätigen Entscheidungen<strong>und</strong> Bekenntnisse im Bereichder äußeren Wirklichkeit.« 6Krummes Holz – aufrechterGangS. 172 KORRESPONDENZBLATTNr. 12 Dez. 2008Mit der Erkenntnis der unausweichlichenVerstrickung von Kirche <strong>und</strong> Theologiein die jeweiligen gesellschaftlichenVerhältnisse werden deren Erforschung<strong>und</strong> damit die Einsicht in dieökonomischen <strong>und</strong> politischen Zusammenhängemehr <strong>und</strong> mehr zum zentralenArbeitsfeld Gollwitzers. Eine seinerwichtigsten Schriften, die »wie Leuchttürmeder Orientierung aus den Stürmen<strong>und</strong> Wogen theologischer Debatten«herausragen (J.M.Lochman), erscheint1970 mit »Krummes Holz–aufrechterGang«, in der er sich mit der»Frage nach dem Sinn des Lebens« beschäftigt.»Krummes Holz«, so sprachImmanuel Kant demütig vom Menschen.»Aufrechter Gang«, das ist ErnstBlochs Sinnbild für das stets anzustrebende,wohl niemals ganz zu erreichendeZiel geschichtlicher Menschwerdung.Zwischen beiden Polen oszilliertdie urmenschliche, nie erledigte Sinnfrage.Während Kant der Meinung war,dass aus krummem Holz letztlich nichtsGerades gezimmert werden könnte,versuchte Bloch mit diesem Begriff denMarxismus aus seiner intellektualistischenEngführung zu befreien <strong>und</strong> ihmeinen »utopischen Wärmestrom« zuzuführen.Gut lutherisch interpretiertGollwitzer diese Spannung als eine zwischen»Pessimismus des Verstandes <strong>und</strong>Optimismus des Willens« <strong>und</strong> fragt: Wiekommt krummes Holz zu aufrechtemGang?Ausgerechnet während seiner russischenGefangenschaft hatte Gollwitzersich dazu aufgerafft, die Bände vonMarx, Engels <strong>und</strong> Lenin zu studieren –oft unter dem Hohn vieler seiner Mitgefangener.Als Reaktion auch auf seineErfahrungen <strong>und</strong> Studien favorisierteer nach seiner Rückkehr als ordnungspolitischegesellschaftliche Option zunächsteinen »Kapitalismus mit menschlichemAntlitz«; er sah darin eine »durchrealistische Resignation sich empfehlendeHoffnung.« Diese Möglichkeitwird er später als untauglichen Reformversuchendgültig ablehnen, wobei seineUmorientierung entscheidend zusammenhängtmit Berichten <strong>und</strong> Analysen,die Gollwitzer durch ökumenischeKanäle <strong>und</strong> seine Verbindung mit »linken«Wissenschaftlern über die tödlichenAuswirkungen des Kapitalismus inder Dritten Welt erhielt. Das Ergebnisseiner Reflexionen legt er 1968 nachder Weltkirchenkonferenz in Uppsala inseiner Monographie »Die reichen Christen<strong>und</strong> der arme Lazarus« vor. Gollwitzerwidmet diese Schrift ausdrücklichden Studierenden der damaligenAPO – diesmal unter dem Hohn vielerseiner professoralen Kollegen <strong>und</strong> derb<strong>und</strong>esdeutschen Öffentlichkeit.Ohne seinen Blick hinaus über die»westliche Provinz der Arbeiteraristokratie«<strong>und</strong> hinein in die wirtschaftspolitischenZusammenhänge <strong>und</strong> Entwicklungenin der Dritten Welt wäreGollwitzers sozialistische Entscheidungnicht erklärlich. Mit ausgelöst wurde sieeben durch das Entsetzen über die Erkenntnisdarüber, was der gleiche Kapitalismus,dem wir in Europa doch auchsolche sozialen Errungenschaften zuverdanken haben, in der Dritten Weltanrichtet. Ein Schlüsselerlebnis war ihmdabei, als auf der Weltkonferenz für Kirche<strong>und</strong> Gesellschaft des ÖRK 1966 inGenf ein Kirchenvertreter aus Mozambiqueihm auf den Kopf zusagte: Du bistnicht mein Bruder, solange Du Dich ausDeinen Verstrickungen in das Ausbeutungssystemder Ersten Welt nicht lösenkannst. Und ein besonderes Lehrstückwar ihm hierbei der Militärputschin Chile von 1973 mit der Ermordungdes demokratisch gewählten PräsidentenSalvador Allende. Hier wurde Gollwitzerendgültig klar, dass »Klassenkampfnicht begonnen wird von irgendwelchenböswilligen Rädelsführern,nicht von den Sozialisten, er ist vonoben her ständig im Gange, mit denverschiedensten Methoden, unblutigen<strong>und</strong>, wenn es sein muss, blutigen...«Spätestens jetzt kann »jeder wissen,was Klassenkampf ist: immer zuerst derKlassenkampf von oben, der Klassenkampfder Privilegierten, zäh entschlossenzu jeder Brutalität, zu jedem Rechtsbruch,zu jedem Massaker, auch zur Abschaffungder Demokratie, wenn sienicht mehr zur Sicherung der Klassenherrschafttaugt... Kapitalismus greiftnotwendig zum Faschismus, wenn dieLage für ihn gefährlich wird....« 7 Nichtshat Gollwitzer jemals von der Schärfedieser Analyse zurückgenommen, lediglichmodifiziert hat er sie im Blick aufeuropäische Verhältnisse.Christ <strong>und</strong> SozialistVon vielen engagierten Theologen insbesondereder westlichen Welt unterscheidetsich Gollwitzer dadurch, dasser es nicht bei moralischer Empörungüber weltweites Unrecht beläßt, sonderneine Analyse des Ausbeutungssystemsvorlegt, die nicht von vornhereindavon ausgeht, dass es keine Alternativegibt, sondern allenfalls systemimmanenteVerbesserungen. »Sozialistenkönnen Christen sein, Christen müssenSozialisten sein« - mit diesem Zitat vonAdolf Grimme beginnt Gollwitzer 1972seine berühmt gewordene Streitschrift»Muss ein Christ Sozialist sein?« Unbestrittendabei ist wohl der erste Satz:


Nach der Sturmflutkatastrophe im Februar1962 in Hamburg sagte tags daraufan einem Schihang im nördlichenFichtelgebirge einer, den ich von Jugendauf im Dorf kannte, unvermittelt: »Jetztwissen die da oben, wenigstens, wo sieunser Geld hintun können.«Die staatliche Entwicklungshilfe war»bei den Leuten« in Verruf gekommen<strong>und</strong> die kirchliche geriet in diesen Sog.Zu jener Zeit kam auch das unqualifizierteReden auf, von »goldenen Betten«im Süden, von Indiens »Heiligen Kühen«,die man erst einmal schlachten sollte,<strong>und</strong> vom Kinderreichtum, »der an allemElend schuld ist«. Bilder der Bürgerkriegein Afrika flimmerten in die deutschenWohnzimmer. Sie lieferten gute Gründe,die Menschen mit Gleichgültigkeitzu verachten. Die Hungernden das Herzfinden lassen...? dazu hätte gehört, dieInformationen zu lesen, die in Kirche<strong>und</strong> <strong>Gemeinde</strong>briefen lagen, oder inVeranstaltungen zu diesem Thema –damals sagte man noch »Dritte Welt« –zu gehen, oder sich gründliche Recherchenanzuhören. Vorurteile kosten nichts.Seit ein paar Jahren gesellt sich zu dieserabwehrbereiten Einstellung im Landder Biedermänner der Ekel vor derKrankheit Aids. Sie geißelt besondersAfrika südlich der Sahara. VerwaisteKinder bleiben zu H<strong>und</strong>erttausendenzurück.Für die 1970er Jahre stellt O. Kallscheuerin seinem Buch »Die Wissenschaftvom lieben Gott« (S. 18) fest:Heinrich Böll trat aus der Kirchensteuerverwaltenden öffentlich-rechtlichen Institutionaus. Bald kamen politischeNachtgebete auf, mit lateinamerikanischenBasiskatholiken oder protestantischenFriedensfrauen. Da spielte Gottfür mich, für meine Welt-Wahrnehmungschon keine eigenständige Rollemehr. Jesus hatte sich eingereiht in dieMenschenkette der internationalen Solidarität.Für solche Nächsten- <strong>und</strong>Fernstenliebe brauchten wir gar keinenGott mehr – nur noch die Räume derEvangelischen Studentengemeinde.Wieso verschwand der »Liebe Gott« inden Siebzigern? Plötzlich redete inDeutschland kein Mensch mehr von IHM...... Die Gottesfrage war einfach weg!Wieso eigentlich?Der Autor drückt in wenigen Zeilen aus,was der Kirche mit der Haltung: »Wirübersehen <strong>und</strong> ignorieren euch bewusst!«,an Gleichgültigkeit <strong>und</strong> blankemUnverständnis entgegenschlug.Durch Teile der sog. 1968er setzte zugleichein verbissener Antiamerikanismusein. (Der Vietnameinsatz der US-Armee trug wesentlich dazu bei.) Weildie B<strong>und</strong>esrepublik damals als einer derengsten Vasallen der US-Regierunggalt, bezog das Establishment in Westdeutschlandgehörige Prügel. Die, diesich revolutionär verstanden <strong>und</strong> gebärdeten,zählten die Kirchen zu einer Säuledes (verhassten) Staates. Um diesezu schwächen, schob man ungenierteine Austrittswelle an. Sie war gespeistvon der Ablehnung jeglicher Obrigkeit,die das System der Unterdrückung derTriebe (hier im Land), oder der Befreiungsbewegungendraußen in der DrittenWelt mittrug. Die Gegner der Kirchenhatten für Opas BROT FÜR DIE WELTaußer Zynismus <strong>und</strong> besserwisserischemGerede nichts übrig. Damals <strong>und</strong>heute diffamierte man, unausrottbar,jene, die das Herz noch bei den Schwachenhatten, als »Gutmenschen« mit einemfast krankhaftem »Helfersyndrom«.Für kurze oder längere Zeit stiegen urplötzlichseltsame Ideologien auf:Maoisten winkten mit der »Roten Bibel«des Tyrannen. Trotzkisten träumten vonder proletarischen Weltrevolution. Danebenlockte Indien mit seinem fremden,absolut unchristlichen Zauber. ImDunst seiner Gerüche <strong>und</strong> im Nebel derDrogen nahmen Rucksacktouristen gernenichts von der Armut wahr, die daheimin der Adventszeit in den <strong>Gemeinde</strong>ngeschildert wurde. Der Club of Romeschließlich prophezeite das Ende derResourcen in wenigen Jahrzehnten. DieAnti-Atom- <strong>und</strong> Pro-Umwelt-Wogeschwoll an – gelegentlich um den Preisdes Vergessens der Hungernden. Öffnetder Wille, eine erwartete Klimakatastrophezu dämpfen, den Blick auf die Bewohnerjener Landstriche, wo Dürren<strong>und</strong> Überschwemmungen drohen, oderbewirken die Szenarien ein interessiertesAufhorchen an physikalischen Phänomenennur, so weit es die eigeneHeimat berührt?BROT FÜR DIE WELT wurde alljährlich in denKirchen manchmal mit neuem Schwung»gepredigt« oder auch nur erwähnt. Beidenen, die sie nicht verloren hatte, fanddie Aktion weiterhin w<strong>und</strong>erbar offeneHerzen <strong>und</strong> Hände für die Hungernden<strong>und</strong> Unterdrückten. Wenn nur eine <strong>Gemeinde</strong>ernsthaft begann, mit dem Materialaus Stuttgart zu arbeiten, erreichtesie Gewissen <strong>und</strong> Geldbeutel. Nunflossen in den goldenen 70er <strong>und</strong> 80erJahren Zinsen auf angelegtes Geld <strong>und</strong>Sparkonten zum Jahresende. Die reichlichenWeihnachtsgratifikationen erreichtendie Höhe eines Monatsgehaltes.Von diesem Überfluss ließ sichschon ein Teil abzwacken für die Hungerhilfe,die in feinen Projekten vorgestelltwurde. Das rührende »Mantel-Kauf-Verschieben« der ersten Aktion erschienwie ein verstaubtes Relikt auseiner versunkenen Zeit. Die Gottesdiensteam Heiligen Abenden brachten beachtlicheSummen für die Aktion ein.Sie lebte weitgehend, von Ausnahmenabgesehen, im innerkirchlichen Raum.In der Öffentlichkeit wirkte BROT FÜR DIEWELT, das seine Plakate aushängt, wieeine alte Frau der Zeugen Jehovas, diestumm ihren Wachturm den Passantenhinhält. Sie eilen schnell vorüber. Ohneden »Wurzelboden kirchliches Bewusstsein«wäre BROT FÜR DIE WELT im Gegenwindaus Gleichgültigkeit <strong>und</strong> Ablehnungallem Christlichen <strong>und</strong> Protestantischengegenüber wohl als Randerscheinunguntergegangen. Daran dürftesich auch in Zukunft nichts ändern.In der Zentrale, in deren Ideenwerkstatt,in den <strong>Gemeinde</strong>n wurde die Stafette:unter den Slogans »Hilf«, »Den Friedenentwickeln«, »Schritte zu den Armen«,»Gott behüte – Mensch bewahre« (....)weitergegeben. Neue Mitarbeitendeverwandelten das Gesicht der Aktion.Sie ging mit ihrer Sprache, ihren Bildern,ihren Materialien so weit wiemöglich mit der Zeit, ohne die eigeneMitte zu verlassen: dieses unbändigeDrängen danach, Menschen beizustehen,diese Sehnsucht durch gute Projekte,fernen Mitmenschen in derenHeimat Leben <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong>Menschenrechte zu ermöglichen. Dabeileiteten stets der Ansatz: »Hilfe zurSelbsthilfe« <strong>und</strong> das evangelische Wissen,»dass ein rechter Glaube gute Werkevon sich aus schafft.«Im eisernen Ringen nach den »besten«Themen, <strong>und</strong> den dazu gehörenden hilfreichstenProjekten, entstanden soherrliche Kampagnen wie die für indigeneVölker <strong>und</strong> für das MenschenrechtWasser. Kinder bekamen eigene Materialien.Sie lernten die Welt der Wichisam Rio Pilcomayo kennen <strong>und</strong> das Lebenshausin Lomé.In einem Kindergarten sangen die Kleinenbald unermüdlich auf die Melodie:Weißt du, wo die Sternlein stehen?, dasLied der Wichis: »Weißt du, wo dieWichis wohnen, Argentinien ist ihrLand...« Durch die Beschäftigung mitdem Thema aus BROT FÜR DIE WELT erwarbihre kindliche Neugierde erste Kontinent-<strong>und</strong> Länderk<strong>und</strong>e unter demAspekt, wie Menschen dort ihr Lebenmeistern. Barmherzigkeit <strong>und</strong> die Le-KORRESPONDENZBLATT S. 177Nr. 12 Dez. 2008


enswelt anderer wird in solcher Elementarerziehunggeleistet.Die Aktion ist nun 50 Jahre alt, ein halbesJahrh<strong>und</strong>ert. So lang währt dieSchaffenszeit fast zweier Generationen.Wie oft haben uns »Der Spiegel« <strong>und</strong>andere den Untergang der evangelischenKirche <strong>und</strong> damit unseres WerkesBROT FÜR DIE WELT an die Wand gemalt.Wir bestehen noch. Die Aktionmag in die Jahre gekommen sein – dochsie ist stets jung <strong>und</strong> dynamisch mitIdeen für die Ärmsten, deren Kinder <strong>und</strong>Mütter.Im Rückblick auf die sich ständig verändertenZeitumstände erkennt man,wie großartig BROT FÜR DIE WELT seinemAuftrag treu geblieben ist, den 1959 dieevangelische Christenheit in Deutschlandergriffen hat. Mit Realitätssinn,Nüchternheit <strong>und</strong> heißem Herzen, Intelligenz<strong>und</strong> Einfallsreichtum hat sieSchritte zu den Armen <strong>und</strong> Wege ersonnenfür jene, die sich Hungerschmerzausmalen können. Sie fandPfade durch das Dickicht aus Nichtwahrnehmen<strong>und</strong> Nichtverstehen, ausVergesslichkeit <strong>und</strong> Hartherzigkeit. DieAkteure der Aktion wurden ständig gefordert<strong>und</strong> herausgefordert von denEreignissen der Gegenwart. Zugleichgestalteten sie von sich aus wesentlicheVerbesserungen ihres Entwicklungsdienstes<strong>und</strong> ihrer, durch klugeArgumente gesicherten, Werbung inunserem Land.Als <strong>Gemeinde</strong>pfarrer durfte ich den unsichtbarenStab der Aktion vor r<strong>und</strong> 33Jahren übernehmen. Ich habe BROT FÜRDIE WELT unendlich viel zu verdanken: Esgab meinem Pfarrdienst auch dannSinn, wenn ich in der <strong>Gemeinde</strong> wenigzu spüren wähnte von gelebtem Glauben,Bibelwissen, Bekenntnistreue <strong>und</strong>charakterlicher Festigkeit, was die Verantwortungfür unsere Kirche anbelangt.Doch meine Frau <strong>und</strong> ich habennie Glieder unserer <strong>Gemeinde</strong> vergeblichum Mitwirken <strong>und</strong> Mithelfen beiBROT FÜR DIE WELT gebeten. BROT FÜR DIEWELT schuf sich immer seinen Kreis. Esstrahlte von da aus in das Dorf <strong>und</strong> seineHäuser. Engagierte erreichten dortin vielen Gesprächen auch mancheFernstehende.Irgendwann war selbstverständlich,dass in der Adventszeit vom Kirchturmdie BROT FÜR DIE WELT-Fahne grüßte. DasDorf hätte sich den Titel einer »BROT FÜRDIE WELT-<strong>Gemeinde</strong>« erworben, wenn esihn denn (endlich!!) gäbe.S. 178 KORRESPONDENZBLATTNr. 12 Dez. 2008Als Staffelträger der Aktion in einer<strong>Gemeinde</strong> ging mir eines Tages überdeutlichauf, dass durch die Bibel mitder Bitte: Brich dem Hungrigen deinBrot! eine herrliche Stafette läuft: DasSchöpfungsepos atmet das dankbareStaunen, dass der Mensch <strong>und</strong> sein Viehfür eine zugemessene LebensspanneNahrung auf der Erde findet. Die Erzvätermüssen als frühe Hungerwanderernach Ägypten ziehen <strong>und</strong> erhalten Speise.Mose kann die entsprungenen, murrendenSklaven in der Wüste sättigen<strong>und</strong> ihren Durst stillen. In seinem Gesetzwird angeordnet, dass an den Ekkender Felder <strong>und</strong> in den Weinbergenfür die Armen etwas zu ernten übrigbleiben soll. Die Fürsorge wird in dieHände der Besitzenden gelegt. Ruthdarf Ähren auflesen <strong>und</strong> verdirbt mitihrer Schwiegermutter nicht. Prophetensetzen die Hungerhilfe als wahren Gottesdienstfest. Paulus sammelt für dieArmen in Jerusalem: Er prägt die zeitlosenWorte: Euer Überfluss diene ihremMangel. Nicht dass die andern guteTage haben sollen <strong>und</strong> ihr Not leidet,sondern dass ein Ausgleich geschehe:Jetzt helfe euer Überfluss ihrem Mangelab ... Wie jubelt schließlich der Versim Markusevangelium: Sie aßen alle<strong>und</strong> wurden satt. Bei <strong>und</strong> durch Jesusfanden jene Nahrung, die ihn gejammerthatten, weil sie so verschmachtet<strong>und</strong> ohne Hirten waren. Der Vater imGleichnis nimmt seinen schier verhungertenSohn in die Arme <strong>und</strong> ordnetsouverän ein Festmahl an. Zartes Kalbfleischdarf der Sohn zur Schonung seinesMagens als Aufbaukost bekommen:Lasst uns essen <strong>und</strong> fröhlich sein.Ein heißes Verlangen atmet die Bibel,dass Menschen gemäß der Vaterunserbitteschlicht täglich satt werden.Diese Gr<strong>und</strong>voraussetzung ist der Vorgeschmackdes himmlischen Mahles.Jesus teilt <strong>und</strong> teilt aus vor seinem Fortgehenin den Tod das Elementarste:Brot <strong>und</strong> Wein: Brot zum Leben, das imBlick auf IHN für immer geheilt <strong>und</strong> erlöstbleibt; Wein zur Freude. Sie lässtdie Seele in der Erinnerung an ihn träumenvon seiner Vergebung, die allesumfasst – auch die Schuld, die man sichselbst nie vergisst, dieses eigene Versäumender Hungerhilfe, das man sichimmer wieder vorhalten muss.Am Ende meiner Dienstzeit erfüllt mich,dass ich dankbar bin für die geistigenAnregungen aus dem Materialien derAktion <strong>und</strong> für den Reichtum an Bildernaus den BROT FÜR DIE WELT-Ländern, mitden oft lächelnden Gesichtern einzelnerMenschen jenseits der Ozeane. Wieklein wurde mancher dienstlicher Ärger,wenn die Vorbereitung <strong>und</strong> Durchführungeines Vorhabens für BROT FÜR DIEWELT die Seele weitete. Ich fühle micherleichtert, dass ich mit vielen dabeisein durfte, damit mir unbekannte <strong>und</strong>doch nahegebrachte Geschwister, diese»fernen Nächsten«, aus der Tiefe ihresElendes emporklimmen können. Ichkonnte ja nicht in die Hungergebietegehen <strong>und</strong> anpacken, Kinder füttern<strong>und</strong> Brunnen bohren. Für ein eigenesProjekt reichten die Kräfte unserer <strong>Gemeinde</strong>,ja unseres Dekanates, niemalsaus. Diese Organisation meiner Kircheerfüllte stellvertretend die Pflicht, diezu allererst an mich mit der FeststellungJesu gerichtet ist: Ich bin hungriggewesen <strong>und</strong> ihr habt mich gespeist. –Was ihr getan habt einem unter diesenmeinen geringsten Brüdern, das habtihr mir getan. Ich bin erfüllt von derWahrheit, »wenn du die Hungrigen deinHerz finden lässt, wird dein Licht in derFinsternis aufgehen <strong>und</strong> dein Dunkelwird sein wie der Mittag.«Das Eingewobensein in das Netz BROTFÜR DIE WELT darf ich zur Habenseite meinerberuflichen Existenz ohne jeglichenfalschen Stolz (Lukas 17,10!) rechnen.Ich konnte am Ende meiner Dienstzeitden Stab innerhalb meiner Familie weitergeben.Zugleich habe ich ihn in dermir anvertrauten Kirchengemeinde»hinterlegt«. Andere werden ihn aufnehmen– hier oder an anderen Orten.Denn BROT FÜR DIE WELT läuft durchDeutschland <strong>und</strong> in die Welt hinaus,solange die Worte der Heiligen Schriftvon Erbarmen mit den Elenden <strong>und</strong> gegendas Verhungernlassen der Ärmstenfür unseren Glauben unerlässlich sind.Er gilt in Christus ja nur, wenn er in derLiebe tätig ist.Mit unserer alljährlich neu gestartetenAktion besitzen wir über die gesamteFläche der Evangelischen Kirche inDeutschland eine Organisation, die vielenbeisteht darin, ein weiteres Wortdes Herrn zu erfüllen: Arme habt ihr allezeitbei euch, wenn ihr wollt, könntihr ihnen Gutes tun.Wir dürfen darauf vertrauen, dass Christiguter Geist 1959 in unsere Kirchehineinwehte. Mit diesem Wind im Segelwird BROT FÜR DIE WELT weitertreiben<strong>und</strong> getrieben werden. Noch ist kein Zielin Sicht, das es überflüssig macht. ImGegenteil: Die Aktion ist der unverzichtbare,ideologiefreie Beitrag derEvangelischen in den Turbulenzen derGlobalisierung, die bislang die Lage der


Ärmsten kaum oder gar nicht verbessert– eher verschlechtert – hat.So geht die BROT FÜR DIE WELT-Staffelunbeirrt weiter ..... Sie muss <strong>und</strong> wirdLäufer <strong>und</strong> Läuferinnen finden, die ihrenStab weitertragen solange der Hungertobt <strong>und</strong> gleichzeitig Geist JesuMenschen durchdringt. Bei ihm, imkirchlichen Leben, mit GlockenklangForum <strong>Aufbruch</strong> <strong>Gemeinde</strong>VorwortAm 11. Oktober fand in der Gustav-Adolf-Gedächtnis-Kirche in Nürnbergein <strong>Gemeinde</strong>tag statt. Das »Forum <strong>Aufbruch</strong><strong>Gemeinde</strong>« hatte über die Vertrauensleutefränkische Kirchenvorständeeingeladen <strong>und</strong> immerhin r<strong>und</strong>160 Menschen waren gekommen. Menschen,die haupt- oder ehrenamtlich inunserer Kirche engagiert sind <strong>und</strong> diesich mit den Initiatoren (Pfr. Dr. GerhardSchoenauer, Pfr. Dieter Schlee, Pfr.Dr. Martin Hoffmann, Pfr. Hans-UlrichPschierer) Gedanken machen wolltenüber die Zukunft der Kirche als ganzer<strong>und</strong> der einzelnen <strong>Gemeinde</strong>n als derenBasis. Im Anschluss an einen Vortragvon Prof. Christian Möller, der die theologischenGr<strong>und</strong>lagen für ein evangelisch-lutherischesKirchen- <strong>und</strong> <strong>Gemeinde</strong>bildin Erinnerung rief, stelltendie Initiatoren ihre gr<strong>und</strong>legenden Thesenvor, die dann diskutiert wurden.Seitdem gab es zahlreiche Reaktionen,viel Zustimmung, aber auch Widerspruch.Darum sei Einiges vorneweg gesagt:Es geht uns nicht »nur umsGeld«,wie uns gerne vorgeworfen wird. ImAufgreifen der Finanzfrage reagierenwir auf die jüngsten Analysen (etwa desEKD-Papiers »Kirche der Freiheit«), dieder Kirche für die Zukunft immer wenigerKirchenmitglieder <strong>und</strong> drastisch geringerwerdende finanzielle Mittel inAussicht stellen. Es geht uns darum, wieman auf diesen Mangel in einer Kirche,die auf dem Priestertum aller Getauftenfußt, reagieren kann. Und da erscheintes uns naheliegend, die zentralistischeLogik der Finanzverteilung umzukehren,damit <strong>Gemeinde</strong>n, aber auchWerke <strong>und</strong> Dienste nicht immer bangnach oben blicken müssen mit der Frage:»Was werden wir noch bekommen<strong>und</strong> Orgelspiel, Bibel, Gesangbuch <strong>und</strong>Gebet, ist unverzichtbar Liebe verwobenmit der Zeile ... <strong>und</strong> Ihr habt michgespeist.A. Kemnitzer,<strong>Pfarrer</strong> i.R., Jochsbergvon München?« Deshalb ist die Finanzfragewichtig, weil die Rede vom »AllgemeinenPriestertum« sonst zum schönenEtikett verkommen wird. Die Menschenmit ihrem Glauben <strong>und</strong> ihremEngagement, die unsere Kirche ausmachen,würden ihre Kraft im Lobbyismusverzehren. Die Kirchenleitung, vor derman sich um des Geldes willen legitimierenmuss, wäre vom Prioritätenstreitüberfordert. Die ganze Kirchewürde immer mehr das Bild abgeben,für das sie am wenigsten geliebt wird:das einer auf sich selbst fixierten Institution.Ein erster Schritt in diese Richtung ist,dass <strong>Gemeinde</strong>n erfahren, welches Kirchensteueraufkommensie haben. Wirsind realistisch genug, zu sehen, dasseine Umstellung des Finanzflusses nichtvon heute auf morgen geschehen kann,aber wenn die finanziellen Aussichtenso düster sind, wie das EKD-Papier siebeschreibt, dann ist es höchste Zeit alternativeModelle zu entwickeln, durchzurechnen<strong>und</strong> zu erproben.Es geht uns auch nicht umdie Geringschätzung überparochialerAufgaben.Wir wissen, dass die Kirche vor komplexengesellschaftlichen Herausforderungensteht, sei es der religiöse Traditionsabbruch,der interreligiöse Dialog, dieÜberalterung oder die Wertedebatteu.a.m. Damit sind aber zuerst die Kirchengemeindenkonfrontiert, in jedemKindergarten, in jeder Schulklasse oderim Konfirmandenkurs. Dort müssen dieProbleme bewusst angegangen werden<strong>und</strong> verantwortliche <strong>Gemeinde</strong>n werdensich von selbst überparochiale Partnersuchen <strong>und</strong> kooperieren, um ihremAuftrag noch gerecht zu werden. Dafürmüssen sie aber auch verantwortlichgemacht werden, damit ihr Blick sichauch auf die zahlenden Distanziertenrichten kann, die im kerngemeindlichenLeben wenig auftauchen.Das soll als Vorwort genügen. Wir sinddem KORRESPONDENZBLATT dankbar für denAbdruck der Texte, damit sich möglichstviele selbst eine Meinung bilden, mitdiskutieren<strong>und</strong> dann auch handelnkönnen zum Wohl unserer Kirche. Denndarum geht es uns.Dr. Martin Hoffmann, Rektor desPredigerseminars, NürnbergGrupenarbeitAktion 1Die Kirchenvorstände wenden sichschriftlich an den Landeskirchenrat<strong>und</strong> bitten um Auskunft über dieHöhe des Kirchensteueraufkommensihrer <strong>Gemeinde</strong>, um einerseits dieGr<strong>und</strong>lage für ihr eigene Wirtschaftenzu kennen <strong>und</strong> andererseits zuerfahren, was anderen Zwecken zufließt.Aktion 2Die Kirchenvorstände laden ihre Landessynodalenein <strong>und</strong> bitten umAuskunft über landeskirchliche Projekte<strong>und</strong> Initiative. Sie fragen nach,in welchem Verhältnis Kostenaufwand<strong>und</strong> Ergebnis zueinander stehen.Sie nehmen Verantwortung dafürwahr, was mit ihrem Geld geschieht,auch im Hinblick auf die Errichtungvon Projektstellen.Aktion 3Die Kirchenvorstände beantragen beider Synode, die Pfarrstellenbesetzungsordnungso zu verändern, dassfür Funktionsstellen <strong>und</strong> Stellen imüberparochialen Dienst keine Bewerberin/keinBewerber zum Zuge kommenkann, der nicht mindestens übereine 6-jährige <strong>Gemeinde</strong>erfahrungverfügt, wobei die Dienstzeit alsPfrin. z. A. bzw. Pfr. z. A. angerechnetwerden kann.Aktion 4Die Kirchenvorstände beantragen,dass Visitationen nach der neuenoberfränkischen Ordnung durch Mitgliederdes Dekanatsausschusses<strong>und</strong> der Dekanin/dem Dekan stattfinden.Sie sorgen so dafür, dass die<strong>Gemeinde</strong>n von der Kirchenleitungmit Chancen <strong>und</strong> Möglichkeiten, natürlichauch mit Sorgen <strong>und</strong> Problemen,vertieft <strong>und</strong> umfänglich wahrgenommenwerden.Das sind mögliche erste vier Schrittezur Stärkung der <strong>Gemeinde</strong>n. WennSie den einen oder anderen Vorschlaghaben, bringen Sie ihn ein!KORRESPONDENZBLATT S. 179Nr. 12 Dez. 2008


»Dass eine christliche <strong>Gemeinde</strong> Recht <strong>und</strong> Macht habe…«(Martin Luther)Eigentlich müsste es für die Evangelisch-LutherischeKirche in Bayern einGr<strong>und</strong> zur Freude sein, dass ein Aktionstagfränkischer Kirchengemeinden unterdem Motto »<strong>Aufbruch</strong> <strong>Gemeinde</strong>«stattfindet. Dass aus »Betreuungsgemeinden«endlich »Beteiligungsgemeinden«werden, die bewusst den Weg derKirche vor Ort selber gestalten, indemsie sich als Basis der Kirche begreifen<strong>und</strong> daraus Konsequenzen ziehen –diese Forderung beginnt in dem »<strong>Aufbruch</strong><strong>Gemeinde</strong>« heute konkrete Gestaltanzunehmen. Wenn dieser Anfangsich in der ganzen Landeskirche <strong>und</strong>dann gar in der ganzen EvangelischenKirche in Deutschland mit ähnlichenAktionstagen ausbreitete, könnten sichdie Kirchenleitungen glücklich preisen,dass sie es mit aktiven Beteiligungsgemeindenzu tun bekommen, die voreiner Verantwortung für die ganze Kirchenicht zurückscheuen.Auch die »überparochialen Dienste«müssten sich darauf freuen, dass sie esin selbstbewusst gewordenen Ortsgemeindenmit einer nachbarschaftlichenGestalt der Kirche zu tun bekommen,einer »Kirche der kurzen Wege«, inder sich über den Gartenzaun oder beiStraßenbegegnungen vieles so einfach<strong>und</strong> rasch klären lässt, was auf demDienstweg <strong>und</strong> bei größeren Distanzenoft schwierig sein kann. Es gilt in derKirche wieder die Nähe zu entdecken inden einfachen, sinnlichen, nächstliegendenVorgängen, wie sie eben vor Ortoft so leicht möglich sind. Das ist jaauch der ursprüngliche Sinn von Parochieals nachbarschaftliche Gestalt einer»Kirche der kurzen Wege«! Wie dieseKirche ihre Gestalt gewonnen hat,will ich zunächst kurz an einigen Gr<strong>und</strong>entscheidungender Heiligen Schrift, anMartin Luther <strong>und</strong> an der Barmer Bekenntnissynodevon 1934 in Erinnerungrufen. 11.Biblische OrientierungS. 180 KORRESPONDENZBLATTNr. 12 Dez. 2008Der Apostel Paulus richtet seine Briefean die »<strong>Gemeinde</strong> Gottes in Korinth«(1.Kor.1,2) oder »an alle Geliebten <strong>und</strong>berufenen Heiligen in Rom« (Röm 1,7)oder »an alle Heiligen in Christus Jesusin Philippi« (Phil 1,1) »Geheiligt« sind dieChristen durch die Taufe. Von der Taufeher wächst die <strong>Gemeinde</strong> an diesemoder an jenem Ort. Die christlichen <strong>Gemeinde</strong>ntauschen allmählich die Briefeder Apostel untereinander aus <strong>und</strong>bewähren Solidarität in der Kollekte mitder Jerusalemer <strong>Gemeinde</strong> (2. Kor.8f.)So wächst eine untereinander verb<strong>und</strong>ene,vernetzte Kirche von unten heran,die als Leib Christi ökumenischeWeite gewinnt hat. In der Offenbarungdes Johannes gibt es schließlich Sendschreibenan die <strong>Gemeinde</strong>n Kleinasiens,deren Siebenzahl das Ganze derKirche symbolhaft darstellen soll. Unddoch ist ein Sendschreiben an die <strong>Gemeinde</strong>in Ephesus oder eins an die <strong>Gemeinde</strong>in Sardes usw. gerichtet, alswären es schon Ortsgemeinden, währendsie doch meist noch im Untergr<strong>und</strong>als Hausgemeinden leben müssen. JedesSendschreiben beginnt mit demSätzchen »An den Engel der <strong>Gemeinde</strong>schreibe« <strong>und</strong> endet mit dem bezeichnendenSatz: »Wer Ohren hat zu hören,der höre!« Es geht um die bei den Ohrengenommene <strong>und</strong> zum Hören aufgerichtete<strong>Gemeinde</strong> vor Ort, die im Lichtihres Engels angesprochen wird. Jededieser <strong>Gemeinde</strong>n wird auf spezifischeWeise bei den Ohren genommen, dieeine in Philadelphia wird ermutigt, dieandere in Sardes gewarnt, die dritte inLaodicea getadelt. 2 Und doch sind alle<strong>Gemeinde</strong> vor Ort füreinander geöffnetzur Ökumene des Leibes Christi.2.Reformatorische Orientierung»Dass eine christliche Versammlungoder <strong>Gemeinde</strong> Recht <strong>und</strong> Macht habe,alle Lehre zu beurteilen <strong>und</strong> Lehrer zuberufen, ein -<strong>und</strong> abzusetzen, Gr<strong>und</strong><strong>und</strong> Ursache aus der Schrift« (1523). 3 -das ist eine der frühesten <strong>und</strong> zugleichradikalsten Schriften Luthers zur reformatorischenOrdnung der Kirche. Erbetenwurde diese Schrift von dem kleinensächsischen Städtchen Leisnig, dasangesichts einer Pfarrvakanz von Luthergutachtlich wissen will, ob <strong>und</strong> inwieweitsie (vergeblich) darauf wartenmuss, bis sie von Rom über den Bischof<strong>und</strong> das nahe gelegene Kloster Brucheinen Priester eingesetzt bekommt,oder ob sie selbst das Recht dazu hat,nach vorher erfolgter Anhörung derKandidaten selbst einen <strong>Pfarrer</strong> zu berufen.Weiterhin will der Rat der StadtLeisnig wissen, wie mit dem Geld, dasin einem gemeinen Kasten für die Besoldungdes <strong>Pfarrer</strong>s zusammenkommt,verantwortlich umgegangen werdenkann. Eine dazu in Leisnig erarbeiteteOrdnung wird von Luther begutachtet<strong>und</strong> mit einem Vorwort versehen.Schließlich will die Leisniger <strong>Gemeinde</strong>von Luther wissen, wie der Gottesdienstneu geordnet werden soll. Alle drei AntwortenLuthers sind insofern radikal, alssie die bisher von oben her erfolgte Ordnungder Kirche umkehren <strong>und</strong> die <strong>Gemeinde</strong>von Leisnig in die Lage versetzen,nach biblischen Maßstäben nunselbst zu urteilen, zu wählen, zu ordnen<strong>und</strong> ihr Geld selbständig zu verwalten.Den biblischen Maßstab, den Lutherzur Geltung bringt, findet Lutherin Jesu Wort aus Joh.10, 27: »MeineSchafe kennen meine Stimme« Darausfolgert er: »Hier siehst du ganz klar, werdas Recht hat, über die Lehre zu urteilen:Bischof, Papst, Gelehrte <strong>und</strong> jedermannhat die Vollmacht zu lehren, aberdie Schafe sollen urteilen, ob sie dieStimme Christi oder die Stimme derFremden lehren.« Im Hören der versammelten<strong>Gemeinde</strong> kommt für Lutherheraus, was Stimme Christi oder Stimmeeines Fremden ist. Die hör- weil urteilsfähige<strong>Gemeinde</strong> ist die eigentlicheBasis einer reformatorisch gereinigten<strong>und</strong> vom Kopf auf die Beine gestellteKirche. Deshalb tut Luther durch Bibelübersetzung,Katechismen, Lieder <strong>und</strong>Volksschriften alles dafür, dass urteilsfähige<strong>Gemeinde</strong>n entstehen.Die Schriften an die Leisniger <strong>Gemeinde</strong>sind freilich kein Flächen deckenderPlan für eine mögliche Kirchenreform,wie ihn 1526 der reformierte TheologeFranz Lambert von Avignon auf Bittendes hessischen Landgrafen Philipp zurReform der hessischen <strong>Gemeinde</strong>n entworfenhatte. Als der Landgraf diesenReformplan an Luther sandte, um dessenMeinung zu erbitten, bekam er am7.1.1527 eine denkwürdige Antwort ausWittenberg:»Ich bin bisher noch nicht so kühn gewesen,einen solchen Haufen von Gesetzenmit so gewaltigen Worten beiuns einzuführen…Eure Fürstlichen Gnadensollte zuerst die Pfarren <strong>und</strong> Schulenmit tüchtigen Personen versehen<strong>und</strong> zuvor erproben, mit mündlichenBefehlen <strong>und</strong> schriftlichen Mandaten –<strong>und</strong> das alles aufs Kürzeste <strong>und</strong> Notwendigstebeschränkt, was sie tun sollen.Und noch viel besser wäre es, wenndie <strong>Pfarrer</strong> zuerst einer, drei, sechs,neun untereinander eine einheitliche


Weise in einem oder drei, fünf, sechsStücken anfingen, bis sie in Übung <strong>und</strong>Gebrauch kommen, <strong>und</strong> danach weiter<strong>und</strong> mehr, wie sich die Sache wohlselbst geben <strong>und</strong> überzeugen wird, solange, bis alle <strong>Pfarrer</strong> nachfolgen. Dannerst könnte man es in einem Büchleinzusammenfassen. Denn weiss es wohl<strong>und</strong> habe es auch wohl erfahren, dassdie Gesetze, wenn sie zu früh <strong>und</strong> vorder Gewohnheit <strong>und</strong> der Übung festgesetztwerden, selten gut geraten. DieLeute sind nicht für das befähigt, wasdiejenigen für richtig halten, die amgrünen Tisch sitzen <strong>und</strong> mit Worten <strong>und</strong>Gedanken sich ausmalen, wie es gehensollte. Vorschreiben <strong>und</strong> Befolgen istweit auseinander.« (WA Br 4, 157f. Nr.1071).Hier wird geradezu klassisch LuthersWeise deutlich, mit den evangelischaufwachenden <strong>Gemeinde</strong>n wie Leisnigu.a. umzugehen: Er gibt ihnen einenRatschlag, falls er darum gebeten wird<strong>und</strong> wartet dann ab, ob <strong>und</strong> wie sichdieser Ratschlag bewährt, zuerst beidieser <strong>Gemeinde</strong>, dann bei zwei oderfünf oder sieben anderen <strong>Gemeinde</strong>n,bis endlich der Zeitpunkt kommt, dasssich aus der erprobten Praxis herauseine gemeinsame Ordnung ergibt, diein aller Vorläufigkeit aufgeschriebenwerden kann. »Eine <strong>Gemeinde</strong> ahme dieandere frei nach.« Das ist der evangelischeZugang zu einer Ordnung in Freiheit,wie sie sich jeweils vor Ort im Hörenauf das Evangelium langsam einstellt,ganz im Gegensatz zu der bishervon oben verordneten <strong>und</strong> rechtlich fixiertenrömischen Ordnung. 43.Urteilsfähige <strong>Gemeinde</strong>n1934Erinnern will ich noch kurz 5 an die BekennendeKirche im Dritten Reich, dieentscheidend von urteilsfähigen <strong>Gemeinde</strong>nvor Ort geprägt wurde wie z.B.der Kirchengemeinde in Berlin-Dahlem,der die Ohren <strong>und</strong> der kritische Verstanddurch das Hören auf die Predigten MartinNiemöllers geschärft wurden. <strong>Gemeinde</strong>ndieser Art gab es besonderszahlreich im Wuppertal, die sich im Mai1934 zur Barmer Synode zusammentaten,lutherisch wie reformiert, <strong>und</strong>hier u.a. in einer »Erklärung zur Rechtslageder Kirche« zum Ausdruck brachten:»Die hierarchische Gestaltung derKirche widerspricht dem reformatorischenBekenntnis. Ihre echte kirchlicheEinheit kann die Deutsche EvangelischeKirche nur auf dem Weg gewinnen, dasssie der <strong>Gemeinde</strong> als der Trägerin derWortverkündigung den ihr gebührendenPlatz lässt.« Gr<strong>und</strong>sätze dieser Arthaben dann auch den Wiederaufbau derEvangelischen Kirche in Deutschlandnach dem 2. Weltkrieg bestimmt. Gr<strong>und</strong>legendwaren die Ortsgemeinden, auf diealle anderen Dienste der Kirche ausgerichtetwaren.Die Kritik an der OrtsgemeindeDie Kritik an der Ortsgemeinde als demtragenden F<strong>und</strong>ament der EvangelischenKirche setzte etwa um 1960 ein<strong>und</strong> fand ihren ersten Höhepunkt in der1967 veröffentlichten Studie des ÖRK»Die Kirche für andere <strong>und</strong> die Kirchefür die Welt im Ringen um Strukturenmissionarischer <strong>Gemeinde</strong>n«, Genf 1967.Da heißt es programmatisch: »Solangedie Kirchen dabei beharren, die Parochieoder die Ortsgemeinde als die normativeStruktur zu betrachten, werden siedem Leben in seinen wichtigsten Aspektennicht begegnen.« (ebd.33f.)Es hatte freilich schon seit dem 18.Jahrh<strong>und</strong>erterweckte Kreise, Schloss- <strong>und</strong>Hausgemeinden, landeskirchliche oderfreikirchliche Gemeinschaften gegeben,die sich von der Ortsgemeinde separierten,weil hier Gläubige <strong>und</strong> Ungläubigeals ein »corpus permixtum« (eine gemischteGesellschaft von Gläubigen<strong>und</strong> Ungläubigen, vgl. CA VIII) beisammenseien. Es hat im 19. Jahrh<strong>und</strong>ertDiakonievereine gegeben, die die Liebestätigkeitder Kirche betonten <strong>und</strong>die Ortsgemeinde als diakonisch trägekritisierten. Auch blühte im 20. Jahrh<strong>und</strong>ertdie Ordensgestalt in der EvangelischenKirche mit immer mehr Kommunitätenwie Selbitz oder den Schwesterndes Casteller Ring wieder auf. Diese<strong>und</strong> ähnliche Gruppen rüttelten abernicht an der Parochie als tragendemF<strong>und</strong>ament der Kirche, sondern versuchendie Parochie zu ergänzen <strong>und</strong> zuerweitern, <strong>und</strong> das in der Regel so, dasssie für die Kirche keine neuen Kostenverursachen, weil sie sich selbst finanzieren<strong>und</strong> nicht an der Kirchensteuerder Ortsgemeinden profitieren wollen.Die von der ÖRK-Studie ausgehendeKritik war f<strong>und</strong>amentaler, denn siestellte die Parochie als das tragendeF<strong>und</strong>ament der Kirche in Frage, weil sie»nur einen kleinen Sektor des Lebens«ausmache, während der viel größereSektor des Lebens in einer pluralistischenGesellschaft ausgeblendet bleibe.Um den zu erreichen, müssten neuekirchliche Organisationen aufgebautwerden. Deshalb sollen Industriepfarrämter,Sozialpfarrämter, Akademiearbeit,Umweltpfarrämter, Schulpfarrämter,Beratungsstellen, Citypfarrstellen,Diakoniepfarrämter usw. eingerichtetwerden. Stets wurde <strong>und</strong> wird betont,dass durch die Neueinrichtungüberparochialer Stellen keineswegs dieparochiale Arbeit abgebaut <strong>und</strong> die<strong>Gemeinde</strong>pfarrstellen gestrichen werdensollen.Ein Impulspapier der EKD »Kirche derFreiheit«, Hannover 2006, hat diese Kritikdes ÖRK-Papiers noch verschärft <strong>und</strong>mit radikalen Perspektiven zur »Weiterentwicklung«versehen. Die klassischeParochialgemeinde solle »fortentwickelt«werden, weil sie »im Blick aufmissionarische Herausforderungen <strong>und</strong>geistliche Qualitätsansprüche der Weiterentwicklungwie der Ergänzung« (54)bedürfe. In den Orts- <strong>Gemeinde</strong>n stehezu oft »eine vereinsmäßige Ausrichtungmit deutlicher Milieuverengung einermissionarischen Öffnung entgegen«(54). Deshalb brauchten evangelische<strong>Gemeinde</strong>n eine »Qualitätsoffensive«,die einerseits die Ortsgemeinden »missionarischausrichten« <strong>und</strong> ihre Arbeitauf »anspruchsvollem Niveau gestalten«,andererseits aber weitere Standortechristlichen Lebens entstehen lassenwie z.B. eine »Kirche bei Gelegenheit«,Passantengemeinden, Profilgemeinden,Mediengemeinden, City-, Jugendoder Kulturkirchen. Als Ziel derWeiterentwicklung sei deshalb ins Augezu fassen, dass die <strong>Gemeinde</strong>n rein parochialerStruktur von bisher 80 auf 50%gesenkt werden, während Profilgemeindenwie City-, Jugend- oder Kulturkirche<strong>und</strong> netzwerkorientierte Angebotewie z.B. Tourismuskirchen, Akademiegemeindenoder Passantengemeindeninsgesamt auf 50% erhöht werden.Die Ortsgemeinde solle also »Gr<strong>und</strong>formvon <strong>Gemeinde</strong>« bleiben, »aber ihre Bedeutungwird sich zugunsten anderer<strong>Gemeinde</strong>formen relativieren.«(57).Diese Vorschläge zur Reform bzw. zumAbbau der Parochie sind von Kommissionenam »grünen Tisch« erarbeitet, zudenen <strong>Gemeinde</strong>pfarrerInnen gar nichtgeladen waren, damit sie ihre Erfahrungenmit der <strong>Gemeinde</strong> vor Ort geltendmachen konnten. Ob <strong>und</strong> inwieweit dieKirchenleitungen der einzelnen Landeskirchen,die ja die Verteilungsmacht deraus den Ortsgemeinden einkommendenKirchensteuern haben, diese EKD-Vorschlägezur »Fortentwicklung« der alten<strong>und</strong> neuen <strong>Gemeinde</strong>formen aufgreifen<strong>und</strong> umsetzen werden, gilt es nunmehrsorgfältig zu beobachten. In den erstenKORRESPONDENZBLATT S. 181Nr. 12 Dez. 2008


entstehenden »<strong>Gemeinde</strong>bünden« (s.u.)scheint sich bereits Widerstand zu formieren.»<strong>Aufbruch</strong> <strong>Gemeinde</strong>«S. 182 KORRESPONDENZBLATTNr. 12 Dez. 2008»Aufklärung«, so definiert I. Kant, »istder Ausgang des Menschen aus seinerselbstverschuldeten Unmündigkeit.«Das könnte auch das Motto eines »Aktionstages«sein, der sich die Parole»<strong>Aufbruch</strong> <strong>Gemeinde</strong>« auf die Fahnenschreibt. In diesem Fall hieße »selbstverschuldeteUnmündigkeit«, dass zuersteinmal gefragt wird, wie denn dieOrtsgemeinden mitsamt ihren <strong>Pfarrer</strong>n<strong>und</strong> <strong>Pfarrer</strong>innen selbst zum Verlust ihresAnsehens beigetragen haben. Sindsie nicht allzu selbstverständlich davonausgegangen, dass das biblisch-reformatorischeErbe der Parochie sich vonselbst durchsetzen werde? Müssen sienicht ständig – <strong>und</strong> gegenwärtig besondersheftig - für dieses Erbe streiten?Haben sie nicht allzu sorglos Kompetenzender Ortsgemeinde abgegebenoder sich nehmen lassen? Ging es umDiakonie, dann hieß es: »Das könnenFachverbände <strong>und</strong> Diakonische Werkebesser als die Ortsgemeinde!« Ging esum Seelsorge, dann wurde der Ortsgemeindeeingeredet: »Das könnenSeelsorgeberatungsstellen professionellerals die Ortsgemeinde!« Ging esum pädagogische Probleme, so wurdendie Religionspädagogischen Ämter eingerichtetusw? So ging eine Aufgabenach der anderen an die überparochialenStellen, die sich nicht selbst finanzieren,sondern aus den in den Ortsgemeindeneingehenden Kirchensteuernbezahlt werden müssen. Die Ortsgemeindeaber verlor eine Aufgabe nachder anderen oder gab sie manchmal sogargern ab. Nun aber bleibt für die entleerteOrtsgemeinde noch eine »rituelleGr<strong>und</strong>versorgung«, <strong>und</strong> die soll nachneuester Kirchenreformplanung z.B. inden ländlichen Bereichen der Kirche vonBerlin-Brandenburg etwa so aussehen,wie sie mir von dem gerade in Berlingegründeten »<strong>Gemeinde</strong>b<strong>und</strong>« mitgeteiltwurden:Alle <strong>Gemeinde</strong>n des Kirchenkreises bildeneinen einzigen Pfarrsprengel, deraus fünf Großgemeinden besteht. Diesewerden von sog. »Gr<strong>und</strong>versorgern«betreut, die nicht mehr im klassischenSinn <strong>Gemeinde</strong>pfarrer sind. Sie suchendie Menschen nicht auf. Sie sind an einemzentralen Ort ansprechbar. Die Kirchensollen fortan »leere Hüllen« sein,sofern die Ältesten nicht selbst dortLesegottesdienste halten wollen. Danebengibt es <strong>Pfarrer</strong> im Spezialdienst: Einenfür die Jugend, einen für die Ehrenamtlichenusw. Diese tauchen punktuellauf, nicht in den Dörfern, sondernwieder nur an ausgewählten, zentralenOrten. Vollständige liturgische Gottesdienstemit Orgelmusik etc. soll es nurnoch in den Stadtkirchen geben. Die Deviseheißt: »Schwerpunktsetzung stattVollständigkeit«. Gegen diese Reformpläne,die möglichst zügig seit 2007umgesetzt werden sollten, gab es einMinderheitenvotum von zwei Kirchengemeinden,die vor das Kirchenverwaltungsgerichtzogen <strong>und</strong> mit ihrem Einspruchgewannen. Da aber zu erwartenist, dass die Kirchenleitung mit neuenGesetzen <strong>und</strong> Erlassen das geplante Zielder Kirchenreform anstrebt, hat sich am20.9.2008 ein »<strong>Gemeinde</strong>b<strong>und</strong>« von 29<strong>Gemeinde</strong>n in Berlin gegründet, die sichim Widerstand gegen die Auflösung derOrtsgemeinden gegenseitig Beistandleisten wollen (vgl www.gemeindeb<strong>und</strong>-online.de). Einen ähnlichen »<strong>Gemeinde</strong>b<strong>und</strong>«gibt es bereits in Kurhessen,der kleine <strong>und</strong> kleinste Dorfgemeindenvor der Auflösung zu bewahren <strong>und</strong>deshalb z.B. mit Landessynodalen insGespräch zu kommen versucht (ev-pfarramt-kleinenglis@t-online.de).-Ob es nun auch in Bayern so einen »<strong>Gemeinde</strong>b<strong>und</strong>«gibt, wird sich in den weiterenPlanungen dieses Nürnberger Aktionstageszeigen.Bedenkenswert erscheinen mir in diesemZusammenhang die Überlegungen,die der Journalist <strong>und</strong> Theologe ChristianNürnberger in seinem Vortrag »WarumMcKinsey für die Kirche keine Lösungist« 2003 in Bonn ausführte: »Ichwäre nicht der, der ich geworden bin,wenn es in meinem fränkischen Dorfnicht einen <strong>Pfarrer</strong>, eine <strong>Gemeinde</strong> <strong>und</strong>die damit verb<strong>und</strong>ene Infrastruktur gegebenhätte. Ich blicke dankbar aufmeine Kindheit zurück, <strong>und</strong> weil ich will,dass jedes Dorf seine Kirche <strong>und</strong> seinen<strong>Pfarrer</strong> haben soll, bleibe ich in der Kirche<strong>und</strong> zahle gerne meine Kirchensteuer.- Nun höre ich aber von verschiedenenSeiten, zum Beispiel aus der LandeskircheHannover, oder auch ausMecklenburg, dass auf den Rat der Unternehmensberaterhin jetzt Pfarrstellengestrichen <strong>und</strong> <strong>Gemeinde</strong>n zusammengelegtwerden, <strong>und</strong> zwar unter demStichwort ›Regionalisierung‹. Ortsgemeindensolle es auch noch geben, abervon Ehrenamtlichen geleitet. Hauptamtlichesollen nur noch übergemeindlichin der Region tätig sein, <strong>Pfarrer</strong>brauche man nur noch für die lokale»Gr<strong>und</strong>versorgung«. Das Einsparen vonPfarrstellen würde man in den <strong>Gemeinde</strong>nnicht merken, denn durch »Kooperationin der Region« entstünden »Synergieeffekte«.So könne der Konfirmandenunterrichtim Kurssystem gehaltenwerden. Jede Mitarbeiterin hat ein Thema,mit dem sie herumreist <strong>und</strong> dieGruppen in der Region unterrichtet.Jede <strong>Pfarrer</strong>in, jeder <strong>Pfarrer</strong> macht imMonat nur noch eine Predigt <strong>und</strong> hältsie vier Mal an verschiedenen Orten inder Region. Die Osterpredigt wird dannalso zum letzten Mal kurz vor Pfingstengehalten, die Weihnachtspredigt kurzvor Beginn des Karnevals.— Wenn ichdas Wort ›Regionalisierung‹ höre, dannerinnere ich mich an die Gebietsreformin Bayern vor r<strong>und</strong> 30 Jahren. Ich wohntedamals in meinem fränkischen Dorf,<strong>und</strong> das war politisch eine selbständige<strong>Gemeinde</strong> mit einem eigenen Bürgermeister<strong>und</strong> <strong>Gemeinde</strong>rat, die von denDorfbewohnern direkt gewählt wurden.Durch diese politische Selbständigkeitherrschte in dem Dorf eine Verwaltungder kurzen Wege. Hatte man ein neuesAuto anzumelden, ging man zu Fußzum Bürgermeister, holte sich die Nummernschilderab, <strong>und</strong> abends brachteeinem der Bürgermeister den KfZ-Brief<strong>und</strong> den Schein persönlich vorbei.Samstag kehrte man die Strasse. Wennirgendwo ein Wasserbruch war, wussteman sofort, wer ihn schnellstens behebenkann. Wenn eine Dorflaterne nichtbrannte, sagte man es abends dem Bürgermeisteroder <strong>Gemeinde</strong>diener imWirtshaus, <strong>und</strong> am nächsten Morgenwurde die Lampe ausgetauscht. Wenndem Zaun ums Feuerwehrhaus eine Lattefehlte, hat sie derjenige, dem dasFehlen auffiel, einfach wieder eingesetzt.Kurz <strong>und</strong> gut: Man fühlte sich inseinem Dorf für das Dorf verantwortlich.—Dann kam die Gebietsreform, dasDorf wurde Stadtteil <strong>und</strong> Vorort, <strong>und</strong>plötzlich fühlten sich die Leute nichtmehr so verantwortlich für ihr Dorf,denn dafür war ja jetzt die Stadt zuständig.Man kehrte samstags nichtmehr die Strasse, weil alle zwei Wochendie Kehrmaschine der Stadt kam. Wenndie Dorflaterne nicht mehr brannte,brannte sie längere Zeit nicht mehr,weil niemand genau wusste, wo in derStadt man anrufen sollte, <strong>und</strong> außerdemwars ja wurscht, das ging einenjetzt ja nicht mehr so viel an, weil es jajetzt eine Angelegenheit der Stadt ist…Und nun will auch noch die Kirche dieDörfer verlassen, will die vor 30 Jahrengemachten Fehler wiederholen <strong>und</strong>


kommt sich dabei modern vor. Es istaber nicht modern, wenn jetzt jede einzelne<strong>Gemeinde</strong> ihre Existenzberechtigungnachweisen muss. Wenn irgendjemand in der Kirche keines Nachweisesseiner Existenzberechtigung bedarf,dann ist das die <strong>Gemeinde</strong>. Und wer zubeweisen hat, dass seine Existenz fürdie Kirche unbedingt nötig ist, das sindRegionalbischöfe, Bischöfe, Landeskirchenämter<strong>und</strong> Stabsstellen für Öffentlichkeitsarbeit.Die Urkirche hat sich aus<strong>Gemeinde</strong>n entwickelt <strong>und</strong> ist bestensausgekommen ohne all diese Häuptlinge<strong>und</strong> Wasserkopf-Bürokratien. DieKirche kann auf Landeskirchenämter<strong>und</strong> Stabsstellen für Öffentlichkeitsarbeit<strong>und</strong> auf vieles andere verzichten,aber nicht auf <strong>Gemeinde</strong>n« (abgedrucktin: Badisches Pfarrvereinsblatt 3, 2005,59-76, ebd. 71f.).Was sich seit 1975 in der Kirche anNeubildung von Spezialstellen unter derForderung von Spezialisierung <strong>und</strong> Professionalisierungereignet hat, ist ähnlichauch im medizinischen Bereich passiert,wo die Hausärzte ihre Kompetenzverloren, als jedes Problem an die Fachärztedelegiert wurde, weil diese fürKopf oder Fuß, Ohr oder Nase mehrKompetenz hätten. Und was blieb nochvon den Hausärzten? Doch es scheintsich in der Medizin eine gegenläufigeEntwicklung anzubahnen, die von derGes<strong>und</strong>heitspolitik <strong>und</strong> den Krankenkassengefördert wird. Es wird offenbarauf Dauer unbezahlbar, wenn die Leutesich bei jedem Problem zu Fachärztenflüchten <strong>und</strong> dabei regelrecht atomisiertwerden. Der Hausarzt soll den ganzenMenschen wieder entdecken. Er sollerstinstanzlich, wie in Skandinavienlängst üblich, entscheiden, ob einMensch wirklich den Facharzt braucht,oder ob sein Problem nicht viel rascher<strong>und</strong> ebenso gut beim Allgemeinmedizinergelöst werden kann.Was ich mit diesem Beispiel sagen will,ist die je verschiedene Kompetenz desSpezialisten <strong>und</strong> des Generalisten. DieParochie ist falsch beraten, wenn siesich an der Professionalität des Spezialistenmessen lässt – <strong>und</strong> umgekehrt!Ihre Kompetenz ist generalistischer Art<strong>und</strong> d.h. sie ist »Kirche der kurzenWege« <strong>und</strong> lebt davon, dass ihr weithindie Haustüren bei Besuchen offen stehen,weil sie nachbarschaftlich strukturierteKirche ist. Da geht vieles überden Gartenzaun hinweg <strong>und</strong> an derStraßenecke oder am Tresen. Wie einfach,unkompliziert <strong>und</strong> schnell lässtsich hier vieles lösen! Christian Nürnbergerhat das treffend beschrieben(s.o.)!Ich will jedoch Seelsorgeberatungsstellenin ihrer Kompetenz nicht verkennen,denn es kann ein Segen sein,wenn alkoholabhängige oder in eineandere Sucht gefallene Menschen aneine spezielle Beratungsstelle überwiesenwerden können, weil die Ortsgemeindeüberfordert ist. Wie gut ist esdann aber auch für die therapeutischeArbeit in den Suchtberatungsstellen,wenn sie einen halbwegs Genesenenwieder in örtliche AA-gruppen einerKirchengemeinde zurückgeben <strong>und</strong> indie alltäglichen Zusammenhänge desLebens überweisen können, wie sie sichin einer Ortsgemeinde abspielen. Esmuss also nicht zu einer Blockade zwischenparochialer <strong>und</strong> überparochialerArbeit in der Kirche kommen, wenn beideum ihre Kompetenz, um ihren Ort<strong>und</strong> um ihre Grenzen wissen. Parochiehat es mit den alltäglichen, nachbarschaftlichenZusammenhängen derMenschen zu tun, überparochiale Arbeitmit den speziellen Fällen, in die einMensch geraten kann, so dass er sichselbst <strong>und</strong> seiner Umgebung eine Qualwird. Wie gut, dass es beides in der Kirchegibt, die spezielle Beratung <strong>und</strong> denAlltag einer <strong>Gemeinde</strong> vor Ort!Ähnlich ist es mit den Menschen imUrlaub, die am Campingplatz auf eine<strong>Gemeinde</strong> stoßen, welche sich mit Hilfeder Tourismusseelsorge gebildet hat.So eine Kirche auf Zeit kann zur Wiederbegegnungmit Kirche führen, einerfreilich noch ganz unbestimmten Kircheauf Probe, in der ich es mit kirchlichenMitarbeitern zu tun bekomme, diemit mir <strong>und</strong> vielen anderen Gottesdienstam See feiern, für mich da sind,falls ich sie ansprechen möchte, kurz:Kirche ganz nah <strong>und</strong> auf Zeit! Wie gut,dass es dann aber auch in den OrtsgemeindenKirche auf Dauer gibt fürMenschen, die im Urlaub wieder auf denGeschmack des Evangeliums gekommensind <strong>und</strong> davon zu Hause mehrkosten wollen. Dann wird deutlich, wiebeides zusammengehört, die Kirche aufZeit <strong>und</strong> bei Gelegenheit, wie auch dieKirche auf Dauer <strong>und</strong> in Stetigkeit; dieKirche mit Urlaub, Event <strong>und</strong> Sahnetorteebenso wie die Schwarzbrotkirche, inder ich vielleicht sogar mit meinemziemlich schwierigen Nachbarn zusammenauf einer Kirchenbank sitze <strong>und</strong>das Abendmahl mit ihm feiern <strong>und</strong> denFriedensgruß gegenseitig zusprechenmuss. Gäbe es freilich nur noch diemobile Kirche auf Zeit, die bei Urlaubsevents<strong>und</strong> bei Gelegenheiten vielleichtpräsent ist, so würden Mobilität, Stress<strong>und</strong> Hektik unserer Zeit durch die Kirchenur noch vermehrt. Die Kirche vorOrt ist ein Gegengewicht, indem sie einfachda ist, den Tagesrhythmus durchihre Glocken prägt <strong>und</strong> so eine Stetigkeitfür die Lebenden <strong>und</strong> die Sterbendenschafft, nicht zuletzt auch durchihren Friedhof. Es kann <strong>und</strong> soll alsodurchaus spezielle Angebote der Kirchegeben, die aber die Kirche vor Ort nurergänzen können, weil die Ortskirche alsKirche für alle am Ort das eigentlicheF<strong>und</strong>ament der Kirche ist, das hier <strong>und</strong>da durch spezielle, zeitlich befristeteAngebote ergänzt werden mag. Die Stetigkeitist der ursprüngliche Sinn derParochie, die als Gegengewicht zur Unruhe<strong>und</strong> unsteten Rastlosigkeit in Zeitender Völkerwanderung entstandenist, um den Menschen wieder einenRuhepol für ihr Wohnen <strong>und</strong> Bleiben aneinem Ort zu geben, damit ihr Lebenwieder Stabilität <strong>und</strong> Kontinuität gewinne.Wie tief sich dieser ursprüngliche Sinnvon Parochie in die Menschen bis heuteeingeprägt hat, kam heraus, als dieEvangelische Kirche unter Einfluss derschon genannten ÖRK-Studie »Kirchefür andere..« drauf <strong>und</strong> dran war, einemobile »Kirche in der Region« zu werden,in der die Ortsgemeinde nur nocheinen begrenzten Sinn haben sollte. Alsdann aber mit Hilfe einer großenMitgliederbefragung 1974 6 erk<strong>und</strong>etwurde, was eigentlich die Menschenvon ihrer Kirche erwarten, kam heraus,dass es 1. Die Ortspfarrer- <strong>und</strong> pfarrerinnen,2. Die Kasualien Taufe, Trauung<strong>und</strong> Beerdigung, 3. die diakonischenAngebote wie Kindergarten <strong>und</strong> 4. derlokale Kirchturm mit seinen Glockensind, womit die Menschen »Kirche« verbinden.Die geplante »Weiterentwicklung«der Ortskirche zur »Kirche in derRegion« wurde damals einstweilen gestoppt.Der an der Erarbeitung der ÖRK-Studie maßgeblich beteiligte MagdeburgerBischof Werner Krusche gestanddenn auch 1981 freimütig ein, dass essich als Irrweg erwiesen hätte, von derparochial verfassten Kirche wegzukommen.Zwar treffe es zu, dass die Menschenmobiler geworden seien. Trotzdem,nein, gerade deshalb hielten sie ander Wohngemeinde als stabilem Gegengewichtum so mehr fest.Wie konnte trotz solcher empirischerErgebnisse der Plan einer Weiterentwicklungvon der parochial zu einer pluralistischverfassten Kirche wie z.B. inKORRESPONDENZBLATT S. 183Nr. 12 Dez. 2008


dem schon genannten Impulspapier derEKD »Kirche der Freiheit« wieder auftauchen?(ebd.37, 50, 53) Es ist die behauptete»Milieuverengung«, die denOrtsgemeinden vorgeworfen wird. In ihrsei eine »vereinsmäßige Ausrichtungmit deutlicher Milieuverengung« (54)festzustellen. Man wünschte sich, dassdie Planer am grünen Tisch nur eineWoche lang einmal an der Seite einer<strong>Gemeinde</strong>pastorin mitgingen, von einemGeburtstagsbesuch über einenVormittag im Lehrerzimmer der Schulezum Konfirmandenunterricht am Nachmittagbis zu einem Beerdigungsgesprächam Abend oder einer Sitzung imKirchenvorstand, von einer Trauung amSamstag über einen Festgottesdienstam Sonntag bis zu einer Beerdigung amMontag. Dann könnten sie mitverfolgen,wie hier ständig die Milieuswechseln <strong>und</strong> ein vielfältiges Beziehungsnetzgeknüpft wird. 7Treffend gibt der Bochumer EthikerGünter Thomas in seinem Aufsatz »10Klippen auf dem Reformkurs der EKDoder: Warum die Lösungen die Problemevergrößern« gegenüber dem Vorwurfeiner Milieuverengung der Ortsgemeindenzu bedenken: Der geplanteAusbau der Profilgemeinden auf 25%der Gesamtkirche sei »nichts anderes alseine konsequente <strong>und</strong> programmatischvorangetriebene Milieuverengung: Wereinmal in einer Kulturkirche war, werdie Besucher von Citykirchen beobachtenkonnte, wer das Akademieleben voninnen kennt oder das Angebot einesTouristenpfarrers, der weiß, was die imZukunftspapier nur den Ortsgemeindenangehängte vereinsmäßige Ausrichtungmit deutlicher Milieuverengung ist.«Demgegenüber stelle die Ortsgemeinde»die integrativste Sozialform der Kirche«8 dar.»Liebhaber« der <strong>Gemeinde</strong>kircheam OrtMit meinem Referat möchte ich gerndie Ortsgemeinden mitsamt ihren <strong>Pfarrer</strong>n<strong>und</strong> <strong>Pfarrer</strong>innen wie auch ihrenKirchenvorstehern <strong>und</strong> Kirchenvorsteherinnenzu einem neuen Selbstbewusstseinermutigen, damit sie denpermanenten Diffamierungen der Ortsgemeindewiderstehen können, die sichdann auch handfest in Stellenkürzungen<strong>und</strong> verminderten Mittelzuweisungenauswirken. 9 Schlimmer aber als dieseKürzungen erscheint mir die Resignation,die häufig durch die Ortsgemeindenschleicht <strong>und</strong> dazu führt, dasseiner nach der anderen sich zu fragenS. 184 KORRESPONDENZBLATTNr. 12 Dez. 2008beginnt: Vielleicht sind wir ja wirklich»milieuverengt«, »immobil« <strong>und</strong> zu wenig»professionell«? Vielleicht sind wirja wirklich nur »Amateure«, die mit denProfis nicht mithalten können!?Bei einem »<strong>Aufbruch</strong> <strong>Gemeinde</strong>« könnteetwas Ähnliches wie in Max FrischsTheaterstück »Andorra« geschehen, woeinem Jungen permanent vorgeworfenwird, er sei wie ein Jude. Schließlichbricht es aus diesem Jungen heraus:»Dann bin ich eben ein Jude!« In dieserWeise könnten die Ortsgemeinden aufbrechen<strong>und</strong> sagen: »Dann sind wir ebenAmateure!« Und das heißt im ursprünglichenSinn des Wortes nichts anderesals Liebhaber, Liebhaber der Kirche amOrt! Die <strong>Gemeinde</strong>briefe von Amateurenmüssen nicht professionelle Hochglanzbroschürensein, sondern dürfengern einfachen Briefen ähneln, die vonLiebhabern an mögliche Liebhaber geschriebensind. Kirchenchöre von Amateurenmüssen keine Konzertchöre sein,sondern dürfen gern den Gesangvereinenim Dorf ähneln oder Gospelchörevon begeisterten Anfängern sein. Gottesdienstevon Amateuren sind keine1 Vgl.auch G.Holtz, Die Parochie. Geschichte<strong>und</strong> Problematik, HfG 40, 1967; U.Pohl-Patalong, Von der Ortskirche zukirchlichen Orten. Ein Zukunftsmodell,Göttingen 2006.2 Natürlich sammeln <strong>und</strong> bauen sich die<strong>Gemeinde</strong>n der ersten Christen in derVerfolgungszeit der ersten drei Jahrh<strong>und</strong>ertenoch ganz vielfältig, wie es die jeweiligeSituation vor Ort jeweils zulässt.Daraus nun aber den mit normativem Interessegeleiteten Schluss zu ziehen: »DieChristenheit ist also in den ersten beidenJahrh<strong>und</strong>erten nicht systematisch<strong>und</strong> schon gar nicht territorial organisiert.Eine verbindliche Sozialform gibt esnicht« ( Pohl-Patalong(38), liest das NTetwa so ungeschichtlich, als wenn mandie im NT noch nicht vorhandene Trinitätslehrein Frage stellen oder durch einenUnitarismus pluralisieren wollte. Sobalddas Christentum als öffentliche Religionim 3. <strong>und</strong> 4. Jh. zugelassen wurde,strebte es die territorial verfasste Kircheals Sozialform an, um Kirche für alle jeweilsan ihrem Ort zu werden. Wer dieBibel nicht wirkungsgeschichtlich liest,verfällt zwangsläufig einem beliebig benutzbarenBiblizismus.3 WA 11, 408-416. (Ich zitiere alle dreiSchriften Luthers an die Stadt Leisnig ausInselausgabe Frankfurt 1982, Bd.V, 7-32)4 Es trifft nicht zu, Luther habe »die kirchlichenOrdnungen <strong>und</strong> Strukturen als irdischzweckmäßige, nicht aber als theologischeFragen betrachtet« (Pohl-Patalong,48). Wie es eine »theologische Frage«für Luther ist, wenn er die Ordensgemeindeverwirft, weil sie zu einem bigottenChristsein verführt, so ist es ebenso»eine theologische Frage«, wenn Lutherdie in seiner Vorrede zur Deutschen Messeerwogene Idee einer Hausgemeindewieder verwirft, »denn ich habe die Leutenicht.« Diese Begründung ist keineswegsquantitativer, sondern qualitativerArt <strong>und</strong> blickt auf die in jedem Sündersteckende Gefahr der »Rotterei«.(WA 19,75ff.) Luther blieb ausschließlich (<strong>und</strong>keineswegs zufällig) bei der »christlichenGemeine« am Ort, weil ihre Struktur amehesten dem corpus permixtum von CAVIII entspricht, Kirche für alle ist <strong>und</strong> dasEvangelium in seiner alltäglichen <strong>und</strong>nächstliegenden Weise zur Geltung bringt,wie es ja auch dem sachlichen Ursprungvon »gemeyne« entspricht: das, was allenam Ort »gemeyne« ist, wie es dasdeutsche Wort »Allmende« heute nochweiss.5 Aus Platzgründen wird Wilhelm Löhes Arbeitin Neuendettelsau übergangen, diedeshalb eine so tiefgehende <strong>und</strong> langfristigeWirkung hat, weil sie von der Ortsgemeindeausgeht <strong>und</strong> mit der Kraft derOrtsgemeinde rechne. Vgl. G. Schoenauer,Kirche lebt vor Ort. Wilhelm Löhes <strong>Gemeinde</strong>prinzipals Widerspruch gegenkirchliche Großorganisation, Stuttgart1990.6 Helmut Hild (Hg.), Wie stabil ist die Kirche?Bestand <strong>und</strong> Erneuerung. Ergebnisseeiner Meinungsbefragung, 1974. Natürlichlassen sich die Fragen auch andersstellen, damit die Antworten nichtso eindeutig sind, wie weitere Mitgliederbefragungenvon 1994 <strong>und</strong> 2004 zeigen.7 Natürlich hat es im Laufe der Kirchengeschichteimmer wieder Zeiten gegeben,in denen dieses oder jenes Milieu in dieseroder jener Ortsgemeinde zurücktratoder ganz verschwand, bis dann eineneue Konstellation oder neue Personendafür sorgten, dass neue oder gar alleMilieus wieder zur Geltung kamen. Austemporär defizitären Erscheinungen nunaber gleich zu gr<strong>und</strong>sätzliche Feststellungeneiner »deutlichen Milieuverengung«der Parochie zu kommen, aus denenauch noch praktische Konsequenzenfür den Umbau der Kirche gezogen werden,erscheint mir als ein Trugschluss, derdie biblisch-reformatorische Idee derParochie als Kirche für alle am Ort gleichmit vernichtet.8 Ev Theol 67, 2007, 361-387, ebd. 3649 Hilfreich gegen das Kaputtreden derOrtsgemeinde erscheint mir das neueBuch von W.Härle, J.Augenstein, S.Rolf<strong>und</strong> A. Siebert, Wachsen gegen denTrend. Analysen von <strong>Gemeinde</strong>n, mit denenes aufwärts geht, Leipzig 2008. Hierwird erfolgreiche <strong>Gemeinde</strong>arbeit vor Ortnachgezeichnet, so dass deutlich wird,welche Zukunftschancen die Ortsgemeindehat.10 Das scheint mir auch die Gefahr des inAnm. 9 genannten Buches »Wachsen gegenden Trend« zu sein. Hilfreich erscheintmir dagegen Reiner Knieling, Plädoyerfür unvollkommene <strong>Gemeinde</strong>n.Heilsame Impulse, Göttingen 2008.


professionell gestalteten Eventangebotefür lustige Leute. Hier wird vielmehrdas Geheimnis der MenschwerdungChristi am Kreuz gefeiert, <strong>und</strong> das soeinfach <strong>und</strong> klar wie möglich, denn hierwird mit allen am Ort Gottesdienst gefeiert<strong>und</strong> mit allen gemeinsam am Ortgelebt, die sich durch den Ruf der Glokkeneinladen lassen.Wenn bei dem »<strong>Aufbruch</strong> <strong>Gemeinde</strong>« soein Selbstbewusstsein in den <strong>Gemeinde</strong>nwächst, werden sich die praktischenFolgen wie von selbst einstellen:Einer <strong>Gemeinde</strong> gelingt dies, der anderengelingt das. »Eine <strong>Gemeinde</strong> ahmedie andere frei nach« (M.Luther) <strong>und</strong>lasse sich zugleich durch besonders erfolgreiche<strong>und</strong> wachsende <strong>Gemeinde</strong>nnicht unter Druck setzen! 10 Das giltauch für die praktischen Konsequenzen,die ich für einen »<strong>Aufbruch</strong> <strong>Gemeinde</strong>«als möglich ansehe. Nur drei seien exemplarischgenannt:1. Es gilt, die Evangelische Kirche alseine von unten her aufgebaute <strong>Gemeinde</strong>kirchewieder zu entdecken,die ihre nachbarschaftliche Gestaltin den Ortsgemeinden als Kirche derkurzen Wege, ihr Gesicht in denfestlich gefeierten Gottesdiensten,ihren Klang in den zum Gebet rufendenGlocken, ihren M<strong>und</strong> inmündigen Haus- <strong>und</strong> Initiativkreisen,ihre Hände in aktiven Gruppen<strong>und</strong> Besuchsdiensten <strong>und</strong> ihre Ohrenin der Aufmerksamkeit für GottesGegenwart gewinnen. Es ist allesdagegen zu tun, dass die EvangelischeKirche immer gesichtsloserwird, je mehr sie sich in mittlere <strong>und</strong>höchste Ebenen, in Verwaltung <strong>und</strong>in Gremien zurückzieht <strong>und</strong> dabeiin inhaltsloser Werbesprache, inVerwaltungserlassen <strong>und</strong> in technokratischenFachbegriffen verstummt.2. Dem Auseinanderdriften von überparochialenDiensten <strong>und</strong> Parochienkann dadurch gewehrt werden,dass möglichst jeder übergemeindlicheDienst mit einem begrenzten<strong>Gemeinde</strong>dienst vor Ort verb<strong>und</strong>enwird. Dadurch könnte auch manchekleinere Pfarrstelle vor Halbierungoder gar Streichung bewahrt werden,wenn der Spezialist oder dieSpezialistin zugleich mit einer halbenPfarrstelle vor Ort angestelltwerden.3. Das Geld der Kirche wird dort verwaltet<strong>und</strong> verteilt, wo es herkommt:in den Ortsgemeinden. Inder Lutherischen Kirche Schwedensz.B. gibt es nur Mitgliedsbeiträge andie Ortsgemeinden. Sie bleiben zu90 % in der <strong>Gemeinde</strong>. 10 % werdenan die Gesamtkirche abgegeben.Ein erster Schritt in diese Richtungsollte in der Evangelischen KircheDeutschlands unverzüglich darinbestehen, dass einer Ortsgemeindevom Landeskirchenamt mitgeteiltwird, wie hoch ihr Kirchensteueraufkommenist. Weitere Schritte biszu einer endgültigen Finanzhoheit derVon der Betreuungskirche zurBeteiligungskircheIn der bestehenden Krise der Kirche, ihremMitgliederschw<strong>und</strong>, ihrer Überalterung,ihrem Verlust an finanzieller Stärke<strong>und</strong> an Relevanz in der Gesellschaft,reicht eine Reform der Finanzverteilungnicht aus. Die Kirche steht insgesamtvor einem Systemwandel:Die Kirche muss sich verändern, umwieder Glaubwürdigkeit in der Gesellschaftzu erlangen. Sie muss sich wandelnvon einer Betreuungskirche hin zueiner Beteiligungskirche. Eine Betreuungskirchedenkt von oben her: Wiesteuern wir die Kirche von der Zentraleaus, wie versorgen wir das Volk religiös,wie verteilen wir die vorhandenen Finanzen?Das ist ein paternalistischesSystem, das das Kirchenvolk letztlichzum Versorgungsobjekt degradiert. EineBeteiligungskirche denkt von unten her:Sie ist Kirche durch das Volk. Sie bestehtaus selbstständigen <strong>Gemeinde</strong>n,zu denen sich Menschen aufgr<strong>und</strong> ihresGlaubens halten, bewusst Ja sagen <strong>und</strong>darum auch dazu bereit sind, diese <strong>Gemeinde</strong>finanziell mit zu tragen. Beteiligungheißt, dass Menschen in den <strong>Gemeinde</strong>nauch die Freiheit haben, überihre aufgebrachten Finanzen selbst zuentscheiden. Beteiligung heißt ebensodie Verantwortung zu übernehmen,auch für unangenehme Maßnahmenoder Einschnitte, wenn es darauf ankommt.Erst dann wird die Beteiligungauch zur Mündigkeit. Dieses <strong>Gemeinde</strong>prinzipmüssen wir in der Kirche starkmachen – weil es unserem evangelischenGlauben entspricht <strong>und</strong> weil esauch finanziell einen Weg in dürftigerenZeiten weisen kann. Wie kann daskonkret aussehen?<strong>Gemeinde</strong>n werden folgen, damitaus Betreuungsgemeinden ganzkonkret <strong>und</strong> materiell Beteiligungsgemeindenwerden <strong>und</strong> reichere mitärmeren <strong>Gemeinde</strong>n in einer Regionteilen können.Dr. Christian Möller,HeidelbergReferat bei dem Aktionstag fränkischer Kirchengemeinden»<strong>Aufbruch</strong> <strong>Gemeinde</strong>« am 11.Oktober 2008 im Lichtenhof, Gustav-Adolf-Gedächtniskirche zu Nürnberg1. Wir brauchen die Finanzhoheitder <strong>Gemeinde</strong>n.Seit einem Jahrh<strong>und</strong>ert praktizieren wirdas Gegenteil: Die Kirchensteuer wirdvon den Mitgliedern per Steuer eingezogen<strong>und</strong> fließt in den großen Kirchentopf,die Allgemeine Kirchenkasse. Vondort wird ein geringer Teil an die <strong>Gemeinde</strong>nwieder ausgeschüttet. Damitmuss jede <strong>Gemeinde</strong> ihren Haushaltbestreiten. Dieser Prozentsatz ist in denletzten Jahren von 37 Prozent auf 27,8Prozent abgesenkt worden. Vom Restbetragwerden vor allem die Personalkostender Kirche bestritten <strong>und</strong> alleanderen übergemeindlichen Aufgaben.Würde man die Personalkosten umlegenauf die <strong>Gemeinde</strong>n, käme man etwaauf einen Prozentsatz von 58 Prozent,der an die <strong>Gemeinde</strong>n zurückfließt.Wenn man weitere Leistungen an dieDekanatsbezirke, Verwaltungsstellen<strong>und</strong> übergemeindliche Dienste für die<strong>Gemeinde</strong>n einbezieht, kann man bisauf 71,5 Prozent des Kirchensteueraufkommenshochrechnen. Es bleibt aberdabei: Nur über 27,8 Prozent kann eine<strong>Gemeinde</strong> selbstständig verfügen <strong>und</strong>über die Verwendung mitentscheiden.Das ist der springende Punkt. (Die Zahlenberuhen auf den Angaben von OKRDr.Böttcher auf der Landessynode inAmberg 2004 <strong>und</strong> auf dem Haushaltvon 2008). Das macht die <strong>Gemeinde</strong> zurBittstellerin <strong>und</strong> erzeugt überdies eineKonsumentenhaltung. Man verwaltethalt so gut man kann das, was man bekommt.Dann fängt das Jammern anoder der Bruderkrieg im Dekanatsausschuss.Warum traut man einer <strong>Gemeinde</strong> nichtzu, dass sie ihr komplettes Kirchensteueraufkommen,also die 100 Prozent,selbständig verwalten kann? Na-KORRESPONDENZBLATT S. 185Nr. 12 Dez. 2008


türlich kann sie nicht alles für sich behalten.Ein gewisser Prozentsatz mussabgegeben werden für übergemeindlicheAufgaben <strong>und</strong> auch für einen Finanzausgleichzwischen ärmeren <strong>und</strong>reicheren <strong>Gemeinde</strong>n. So wird das invielen Kirchen dieser Welt praktiziert.Der große Vorteil, wenn man den Finanzflussumkehrt, wäre der, dass eine<strong>Gemeinde</strong> genau weiß, was ihre Mitgliederan Kirchensteuer aufbringen,welches Budget man damit zur Verfügunghat <strong>und</strong> dass man eben nicht mehrausgeben kann, als man eingenommenhat. Wenn das Geld nicht mehr ausreicht,dann ist die <strong>Gemeinde</strong>verantwortungbesonders gefordert: Dannwird man von selbst an die <strong>Gemeinde</strong>gliederherantreten, die längst keineKirchensteuer mehr zahlen, z.B. wegenAbschreibungen, <strong>und</strong> sie um ihren Mitgliedsbeitragbitten. Dann wird man vonselbst auf die Idee kommen, sich eventuellmit einer Nachbargemeinde einen<strong>Pfarrer</strong> zu teilen oder gar eine gemeinsamePfarrei zu bilden. Jeder selbständigeKirchenvorsteher <strong>und</strong> jede verantwortlicheKirchenvorsteherin handelt inihrem privaten Bereich, z.B. bei einemeigenen Geschäft oder Betrieb, genauso.Ein weiterer Vorteil wäre, dass viele vermögendere<strong>Gemeinde</strong>glieder, die miteinem Kirchenaustritt liebäugeln oderihn längst vollzogen haben, durchausbereit wären, für die Ortsgemeinde einenBeitrag zu leisten. Sie wollen wissen,wohin ihr Geld fließt <strong>und</strong> was damitgeschieht. Sie würden sich viel eherengagieren <strong>und</strong> beteiligen, wenn sie mitentscheiden könnten.Es ist auf Dauer nicht mehr einzusehen,dass wir allein auf das Instrument derKirchensteuer setzen; denn selbst derFinanzreferent unserer Kirche bestätigt,dass nur noch ca. 35 Prozent der Kirchenmitgliederüberhaupt Kirchensteuerzahlen. Dabei kommen 85 Prozentder Kirchensteuer von den Lohnsteuerzahlern,nur 15 Prozent von den Einkommensteuerzahlern.Das heißt doch.:Die Kirche finanziert sich vorwiegenddurch die geringer Verdienenden. Dasist eine Ungerechtigkeit, die wohl kaumzu unserer Botschaft von Frieden <strong>und</strong>Gerechtigkeit passt.Andere Finanzierungssysteme sind janichts Neues. Der Landeskirchenrat warerst kürzlich auf einer Schweden-Reise<strong>und</strong> hat das dortige System kennen gelernt.Dort gehen die Mitgliederbeiträgean die Ortsgemeinden. Sie bleiben zu90 Prozent in der <strong>Gemeinde</strong>. 10 ProzentS. 186 KORRESPONDENZBLATTNr. 12 Dez. 2008werden an die Gesamtkirche abgegeben.Und das System funktioniert. Davonsollte unser Sonntagsblatt einmalausführlich berichten.Unsere erste Forderung lautet darum:Lasst uns endlich alternative Finanzierungssystemediskutieren <strong>und</strong> durchrechnen!Lasst uns das Geld unserer<strong>Gemeinde</strong>n so verwalten, dass die Verantwortungdafür dort liegt, wo dasGeld herkommt, nämlich aus den <strong>Gemeinde</strong>n.2. Wir brauchen die Personalhoheitder <strong>Gemeinde</strong>n.Die zweite Forderung heißt: Ebensomuss die Personalhoheit an die Geldgeberzurückgegeben werden. Warum solleine <strong>Gemeinde</strong> nicht selbst entscheiden,ob sie sich eine <strong>Pfarrer</strong>in leistenkann <strong>und</strong> wie viele Stellen zu finanzierensind? Das gilt ebenso für Kantoren,<strong>Gemeinde</strong>diakoninnen, Sekretärin <strong>und</strong>Mesner. Dadurch muss noch lange keinGefeilsche um Gehälter aufkommen,wenn diese landeskirchlich festgelegtsind.3. Wir brauchen die Bauhoheitder <strong>Gemeinde</strong>n.Die dritte Forderung betrifft die Immobilien-<strong>und</strong> Bauangelegenheiten. Auchdafür gehört die Verantwortung in dieHand der <strong>Gemeinde</strong>n. Landeskirchlichkann man mit Beratungsservice <strong>und</strong>Empfehlungen zur Hilfe kommen, aberdie Entscheidungen müssen an der Basisfallen.Auch hier kann es Ausnahmen geben,z.B. beim Erhalt überregionaler Gebäudevon landesweiter Bedeutung <strong>und</strong>hohem Sanierungsaufwand, wie etwaSt. Lorenz <strong>und</strong> St. Sebald in Nürnberg.Das übersteigt natürlich eine bloße<strong>Gemeinde</strong>zuständigkeit.4. Wir brauchen die Verzahnungvon <strong>Gemeinde</strong>n <strong>und</strong>übergemeindlichen Diensten.Ämter <strong>und</strong> Einrichtungen wie ein Bildungswerkauf Dekanatsebene oder eineAkademie auf Landesebene, das ZentrumMission/Eine Welt oder ein Predigerseminarhaben keine eigenen <strong>Gemeinde</strong>glieder<strong>und</strong> folglich auch keineEinkünfte. Trotzdem könnte auch für siedas <strong>Gemeinde</strong>prinzip gelten; nämlich inder Weise, dass sie zurückgeb<strong>und</strong>enwerden an entsprechende synodaleGremien auf ihrer jeweiligen Ebene, Bildungswerkez.B. an die Dekanatssynode,landeskirchliche Einrichtungen andie Landessynode. In diesen Gremienmuss entschieden werden über Schwerpunktsetzungen<strong>und</strong> Budgets gemäßdem von den <strong>Gemeinde</strong>n zur Verfügunggestellten Etat. Auf diesen Ebenen kanndann auch eine sachgerechte Entscheidungfallen über Sparmaßnahmen, Kürzungenoder sogar Schließungen. Wasin Berchtesgaden richtig ist, kann inNaila falsch sein. Solche Entscheidungenlassen sich nicht landesweit <strong>und</strong>zentral verordnen.Die vierte Forderung lautet also: Lasstuns unsere übergemeindlichen Dienste<strong>und</strong> Einrichtungen synodal zurückbinden<strong>und</strong> finanzieren!5. Wir brauchen eine stärkereVertretung der <strong>Gemeinde</strong>nin der Kirchenleitung.Um zu einer solchen Beteiligungskirchezu kommen, braucht es Initiativen <strong>und</strong>Aktionen von unten. Unsere Kirche istsynodal verfasst, das heißt: Das gesetzgebendeOrgan unserer Kirche, dieLandessynode, ist demokratisch gewählt<strong>und</strong> besteht zu zwei Dritteln aussogen. Laien, also eigentlich den <strong>Gemeinde</strong>vertretern.Wenn in diesem Gremiumbisher keine Alternativen zumKirchenbild <strong>und</strong> zur Finanzierung erwogen<strong>und</strong> diskutiert werden, ist das eintrauriges Zeugnis. Für die notwendigeDiskussion kann man aber sorgen, wenngenügend Kirchenvorsteher <strong>und</strong> Kirchenvorsteherinnen,genügend <strong>Gemeinde</strong>n,ihre Rechte einfordern.Eigentlich müsste das auch im Interesseunserer Kirchenleitung liegen. Einguter Haushalter sorgt vor. Dazu gehörtauch Alternativpläne zu entwickeln <strong>und</strong>in der Schublade zu haben. Die <strong>Gemeinde</strong>nbrauchen die Finanzabteilung, dieKirchensteuerämter <strong>und</strong> das Rechnungsprüfungamt,um solide Berechnungenanzustellen. Und wir werdensicher Probeläufe brauchen in Modellgemeinden<strong>und</strong> –dekanaten. Dort kannman Neues zwei, drei Jahre erproben,dann korrigieren <strong>und</strong> verändern, bevorman an das Ganze geht. Ich schließedarum mit der fünften Forderung: Hörtauf zu jammern <strong>und</strong> zu klagen! Werdetaktiv!Dr. Martin Hoffmann –Dr. Gerhard Schoenauer –Hans-Ulrich Pschierer –Dieter Schleevorgetragen von M. Hoffmann am 11.10.2008


GVEE aktuellBegegnungstagung des GVEEmit Vertreter/innen des GCLE Thüringen<strong>und</strong> GCLE Sachsen in KlosterBanz, 3. – 5.10.08Für die Tagung, die unter dem Thema»Christlicher Religionsunterricht – einAngebot in einer säkularisierten Welt«stand, konnte Anna-Katharina Szagungewonnen werden. Sie ist Professorinan der Universität Rostock <strong>und</strong> hat eineLangzeitstudie über das Gottesverständnis<strong>und</strong> die Gottesbeziehung vonKindern <strong>und</strong> Jugendlichen durchgeführt,die in mehrheitlich konfessionslosemKontext aufwachsen. Dabei hat sieKinder zehn Jahre lang im Religionsunterrichtselbst unterrichtet, gestaltenlassen, interviewt <strong>und</strong> begleitet.Zunächst gab die Referentin den TeilnehmendenGelegenheit, selbst Erfahrungenmit den Arbeitsformen zu machen,die sie für Ihre Studie mit den Kinderneingesetzt hatte. Dann stellte sieVerlauf, Inhalte <strong>und</strong> Ergebnisse ihrerStudie vor. Die Teilnehmenden konntenEinblick gewinnen in die Entwicklungder Gottesvorstellungen <strong>und</strong> -beziehungeinzelner Kinder, die an der Studieteilgenommen hatten.Anna-Katharina Szagun zog Konsequenzenaus ihren Beobachtungen imBlick auf etablierte Stufentheorien zurreligiösen Entwicklung <strong>und</strong> stellte fest:»Ich konnte keine solche Stufen beobachten.«Vielmehr seien diese Entwicklungsstufenschon Ergebnis einer bestimmtenreligiösen Umwelt <strong>und</strong> – Sozialisation.Sie stellte ein eigenes Modellreligiöser Entwicklung vor, das sichmit ihren Beobachtungen deckt. Auchstellte sie praktische Beispiele vor, wiefachdidaktische Konsequenzen aus denErgebnissen ihrer Studie zu ziehen sei-en. Sie machte den Anwesenden Lust,sich mit den Kindern im Religionsunterrichtmit neuen Impulsen auf denWeg zu machen. Frau Szagun veröffentlichteauch Bücher über ihre Studie.Die Tagung wurde begleitet durch spirituelleAngebote sowie Erfahrungsaustauschüber die bildungspolitische Situationin Thüringen, Sachsen <strong>und</strong> Bayern.Renate RöthleinAus dem LandesvorstandAm Vormittag der Landesvorstandssitzungim Oktober referierte ReinholdOstermann, der als Referent für Konzeptionsentwicklungbeim Amt fürevangelische Jugendarbeit beschäftigtist, zum Thema »Lebensmilieu von Jugendlichen.«Reihold Ostermann stellte eine Studievon Lebensmilieus von Jugendlichen inder evangelischen Jugendarbeit vor.Zunächst wurden die Teilnehmer in dieBegrifflichkeit der Sinus-Milieus <strong>und</strong>über die veränderten Dimensionen»Gr<strong>und</strong>orientierung« <strong>und</strong> »Gottesbild«von den Fünfziger Jahren bis heute eingeführt.Anschließend wurden die verschiedenenLebenswelten von Jugendlichenzwischen 14 <strong>und</strong> 19 Jahren vorgestellt,denen viele der Teilnehmer in ihremDienst in der Schule begegnen.Dargestellt wurde die Gruppierungen»Bürgerliche Mitte«, »Konsum-Materialisten«,»Postmaterielle«, »Hedonisten«,»Performer-Jugendlichen« <strong>und</strong> »Experimentalisten«.Innerhalb jeder Gruppe wurde mit derFrage nach Schlüsselbegriffen innerhalbdieser Gruppe, der Art der Gotteserfahrung<strong>und</strong> dem persönlichen Zugang immernach der Anschlussfähigkeit von Jugendarbeitgefragt. Deutlich wurdeu.a., dass nur ein bestimmter Teil dieserGruppen innerhalb der Jungendarbeiterreicht wird.Auch wenn diese Studie nicht auf Schuleausgerichtet war, können viele dieserErgebnisse doch für das Zugehen auf dieSchüler innerhalb des Religionsunterrichtvon Bedeutung sein.Anke Rothem<strong>und</strong>Delegiertenversammlung am31. Januar 2009Im Januar findet turnusmäßig wiederdie GVEE-Delegiertenversammlung mitNeuwahlen statt. Die Vormittagsveranstaltung,zu der auch Interessierte Kollegen,die nicht Delegierte sind herzlichwillkommen sind, wird unter dem Thema»Im Religionsunterricht mit Kindernvon Gott reden« stehen. Hierfür konnteProf. Dr. Michael Fricke von der UniversitätGießen als Referent gewonnenwerden.Anke Rothem<strong>und</strong>Eignungsprüfungenan der HochschuleDie Eignungsprüfungen zum Studienbeginnim Sommersemester2009 für die C/B-Ausbildung <strong>und</strong> dieAufbaustudiengänge an der Hochschulefür evangelische Kirchenmusik, Bayreuth, finden amSamstag, 7. März 2009statt (Anmeldeschluss: 6. Februar).Schulabgänger/innen mit Abitur,oder bei besonderer musikalischerBegabung mit Realschulabschluss,<strong>und</strong> der entsprechenden Vorbildungkönnen sich um einen Studienplatzim B-Diplom-Kirchenmusik-Studiengangbewerben. Für ein Aufbaustudiumkönnen sich Absolventen/innen mit einem abgeschlosseneneinschlägigen Musikstudium bewerben.Die Ausbildung zum/zur B-Kirchenmusiker/inan der Hochschule fürevangelische Kirchenmusik dauert inder Regel vier Jahre <strong>und</strong> erfolgt imVollzeitstudium. Die Hochschule fürevangelische Kirchenmusik kann imWohnheim ausreichend Plätze zurVerfügung stellen.Die Ausbildung zum/zur C-Kirchenmusiker/inist an der Hochschule fürevangelische Kirchenmusik auf zweiWegen möglich:1. Als Gaststudium, Prüfung nachein oder zwei Jahren.2. Im Rahmen des B-Studienganges.Die Eignungsprüfung erstreckt sichauf die Fächer Orgel einschließlichLiturgisches Orgelspiel, Chorleitung,Klavier, Gesang, Tonsatz (Musiktheorie/AllgemeineMusiklehre) <strong>und</strong>Gehörbildung.Informationen <strong>und</strong> Aufnahmeanträgeerhalten Sie von derHochschule für evangelischeKirchenmusik, Wilhelminenstr. 9,95 444 BayreuthTel.: 09 21 - 7 59 34 17,Fax: 0 9 21 - 7 59 34 36,e-mail mail@hfk-bayreuth.deKMD Prof. i. K. Karl RathgeberKORRESPONDENZBLATT S. 187Nr. 12 Dez. 2008


AusspracheRemember SeptemberZur Vergütung des Religionsunterrichts- Überst<strong>und</strong>enJa, ich gebe es zu: Ich gehöre auch zudenen, die eigentlich recht gerne Religionsunterrichtgeben. Nach anfänglichenSchwierigkeiten macht es mir seitlangem <strong>und</strong> immer noch mehr Freudeals Verdruss. Deshalb halte ich, obwohlich es nicht mehr müsste mit 52 Jahren,auch zwei St<strong>und</strong>en mehr Unterrichtüber mein Regelst<strong>und</strong>enmaß hinaus.Vier St<strong>und</strong>en habe ich an der HauptschuleGoldbach: Zwei St<strong>und</strong>en für diefünften <strong>und</strong> sechsten Klassen jahrgangsübergreifend,zwei St<strong>und</strong>en fürdie siebten bis neunten Klassen. Es sindfast alle meine <strong>Gemeinde</strong>glieder (bis auf1- 2 Heiden = Ungetaufte). Sie bekommenmich in der fünften Klasse <strong>und</strong> müssenmich bis zur neunten (oder zehnten,wenn es einen M-Zug gibt) ertragen,denn ich bin der einzige evangelischeReligionslehrer dort. Die zusammen-gelegtenKlassen ergeben trotzdem nur 12- 15 Schüler, das ist angenehm. Ich ärgeremeine Schüler nicht <strong>und</strong> sie ärgernmich nicht; ich bastele jedes Jahr für einenbis drei Schüler einen schönen Qualizusammen <strong>und</strong> einmal pro Woche habeich auch eine Pausenaufsicht. Ich liebediese Schule. Bei 170 Schülern <strong>und</strong>knapp 20 Lehrern kennt man sich nochpersönlich. Demnächst ist dort Evaluation,bei welcher ich auch besucht werde.Schön, dass sich mal jemand interessiert,was für einen guten Unterricht ich halte.Damit ich geistig beweglich bleibe trotzvorgerücktem Alter, darf ich auch nocham größten bayerischen Gymnasium inHösbach (über 1800 Schüler, 130 Lehrer)Unterricht geben. Hier sind es jeweilsdrei zusammengelegte sechste<strong>und</strong> drei achte Klassen. Für die sechstengibt es ein funkelnagelneues Religionsbuch,für welches <strong>und</strong> mit Hilfedessen ich fast jede St<strong>und</strong>e neu planenmuss. Auch da ist es schön. Mein Wegvon den achten bis zu den sechstenKlassen führt mich über die Realschule,die Turnhalle <strong>und</strong> die Mensa zum Ganztagesgymnasiumsbau.Da bin ich gutdrei Minuten unterwegs, meine Schülerauch. Ach, tut die frische Luft gutzwischendurch! Auch da habe ich netteSchüler, zum Teil sind es eigene Konfirmanden.Wie aufmerksam von derSchulleitung, das zu berücksichtigen!Das freut mich.Sie sehen also, liebe Schwestern <strong>und</strong>Brüder, mir geht es gut. Deswegen fehleich fast nie krankheitsbedingt <strong>und</strong> niewegen Trauerfeiern etc., da meine St<strong>und</strong>enmeist am Anfang des Tages liegen.Nur Schulunterricht wäre mir zu einseitig,aber acht Wochenst<strong>und</strong>en Schule<strong>und</strong> zweimal Konfirmandenunterrichtmit 12 <strong>und</strong> 15 Konfirmanden pro Woche,das ist okay. Begehrlichkeiten von<strong>Gemeinde</strong>gliedern nach neuen Grüppchen,Kreislein usw. begegne ich mitdem Hinweis, dass der Unterricht schonfast meine halbe Wochenarbeitszeitausmacht <strong>und</strong> ich für weitere Gesprächskreise– außer Senioren - keineZeit habe.Alles wäre w<strong>und</strong>erbar, aber eines regtmich doch auf: Für September bekommeich keine Religionsunterrichtsvergütungausbezahlt! Diese Überst<strong>und</strong>envergütunggibt es nur von Oktober bisJuli des Folgejahres. Diese Vergütung istja eigentlich sowieso nicht hoch: 52Euro brutto für vier oder fünf Religionsst<strong>und</strong>enim Monat; das sind netto vielleicht7,50 Euro die St<strong>und</strong>e. Es geht mirnicht um die paar Euro, sondern umsPrinzip: Soll das motivierend sein, unshier eine Monatszulage zu kürzen? Istdas ein wertschätzender Umgang mitden Mitar-beitenden? Sagt das nicht:Der Religionsunterricht ist uns eigentlichnicht viel wert? In diesem Schuljahrhabe ich bereits am 1. Schultag inder 3. <strong>und</strong> 4. St<strong>und</strong>e lehrplanmäßig imGymnasium Unterricht gehalten – dasgab es noch nie! Ich sollte vielleicht malmeine Dienstauffassung überprüfen.Vielleicht bin ich zu pflichtbewusst?Bleibe nicht zuhause bei ein bisschenSchnupfen oder Husten. Aber man wirdja älter <strong>und</strong> ich merke, wie mich dieseSache mit der Vergütung doch aufregt.Wer weiß, vielleicht so sehr, dass ich amnächsten Dienstag krank machen muss?Martin Schlenk,<strong>Pfarrer</strong> in GoldbachJust Novemberzu: Mein Lohn ist, dass ich darf?in Nr. 11/08Ausgerechnet im November musste dieKorrespondenz über Juden <strong>und</strong> Palästinenserzum Schweigen gebracht werden,damit wir <strong>Pfarrer</strong>Innen uns wiedermit uns selber beschäftigen <strong>und</strong> internettsehen lassen können?Götz von Egloffstein,<strong>Pfarrer</strong> i.R, MünchenBücherWerner Thiede: Der gekreuzigte Sinn.Eine trinitarische Theodizee, Gütersloh2007, 272 S., Euro 29.95Wie kann Gott das zulassen? Ist Gottgerecht? Wie kann man angesichts desLeids in der Welt an den guten Gottglauben? Eine alte <strong>und</strong> immer aktuelleFrage, die manchem Seelsorger, mancherSeelsorgerin im kirchlichen oderdezidiert nicht-kirchlichen Alltag begegnet.Werner Thiede, Privatdozent fürSystematische Theologie in Erlangen<strong>und</strong> Theologischer Referent des RegensburgerRegionalbischofs, hat sichdieser Frage neu ausgesetzt – so neuartig,dass sein Buch gleich auch insSpanische übersetzt wird. Auf r<strong>und</strong> 270Seiten untersucht er, wie dem Problemtheologisch verantwortlich begegnetwerden kann.Zunächst eine Einschränkung: Auchnach der Lektüre dieses Buches werdennur wenige eine »direkte« Antwort amKrankenbett, am Sterbebett oder bei derDiskussion mit Gott-kritischen Menschenparat haben. Aber darum geht esvorrangig auch nicht. Das Buch leitetvielmehr auf gute Weise dazu an, dieTheodizee-Frage in christlicher Hinsichtzuerst einmal sinnvoll zu stellen <strong>und</strong> fürsich gewinnbringend zu meditieren.Dies aber nicht nur auf der rein abstraktenEbene. Thiede möchte mit seinemBuch gleichermaßen »den Geist bewegen<strong>und</strong> das Herz berühren.« Dazu greifter in christlicher Perspektive nicht zufälligauf das Diktum der Trinität zurück.So ist das Buch gegliedert in vier übersichtlicheHauptteile.S. 188 KORRESPONDENZBLATTNr. 12 Dez. 2008


Im ersten Teil geht der Autor auf diegängigen Fragen des Theodizee-Problemsein – <strong>und</strong> auch auf Versuche, siezu unterdrücken. Breiten Raum nimmtdabei in einem eigenen Kapitel die FragestellungFriedrich Nietzsches ein.In den folgenden drei Hauptteilen entfaltetThiede die Lehre von der kenosisGottes, indem er die Selbstentäußerungdes Vaters, des Sohnes <strong>und</strong> des HeiligenGeistes darstellt <strong>und</strong> in Hinblick aufdie Frage des Leidens zu durchdringensucht. Hierzu greift er auf klassische<strong>und</strong> aktuelle Denk- <strong>und</strong> Glaubenspositionenzurück, um diese mit seinem eigenenAnsatz ins Gespräch zu bringen.Letztlich geht es ihm darum, das Kreuzals das Symbol zu sehen, in dem Gott<strong>und</strong> das Leid auf einen Nenner gebrachtwerden. »Ist doch Gott … in seiner Liebeschwerpunktmäßig präsent, wo gelittenwird!« (S. 174). Der »gekreuzigteSinn« lädt die vernehmende Vernunftein, sich auf die Logik der Liebe Gotteseinzulassen, die dementsprechend eine– nach wie vor zu diskutierende –Theodizee zulässt: »Christen erblickenim Gekreuzigten ... ›Gottes Kraft <strong>und</strong>Gottes Weisheit‹ (1. Kor 1,24), kurz:Gottes Antwort auf die Theodizee-Frage«(S.180).Nicht zuletzt stellt das Buch eine prof<strong>und</strong>eDarstellung der Theologie- <strong>und</strong>Philosophiegeschichte im Hinblick aufdas Thema dar. Auch wer sich mit demaktuellen Thema der »Sühnopfer«-Problematikhinsichtlich des Todes Jesubefasst, erhält hier neuen Gesprächsstoff.Zudem ist Thiedes Ansatz einmodernes Beispiel für die Weiterführungder theologia crucis Martin Luthers.Das schon erwähnte Kapitel überFriedrich Nietzsche reizt zu neuer odervertiefender Beschäftigung mit demmeistgelesenen Philosophen unsererZeit.Werner Thiedes neues Buch ist allen zuempfehlen, die sich angesichts einergewissen Sprachlosigkeit zum Thema»Theodizee« neu orientieren oder erreichtePositionen überdenken wollen.Auch für Studierende kann der »gekreuzigteSinn« eine hilfreiche Lektüre sein,um einen Überblick bezüglich zentralerFragestellungen <strong>und</strong> einen Lösungsansatzzu gewinnen.Arne Langbein,<strong>Pfarrer</strong> in SchwandorfLiebe Leserin, lieber Leser!Nein, ich habe keine Lust, über dasLandeskirchliche Archiv zu diskutieren.Oder darüber, ob Komma fünfoder Komma sieben Prozent Kirchensteueran die <strong>Gemeinde</strong>n gehen odervielleicht sogar h<strong>und</strong>ert Prozent, weildoch alles, was Kirche tut, den Menschen<strong>und</strong> also den <strong>Gemeinde</strong>n zugutekommt.Nicht, dass das keine Themen wären,über die man reden könnte <strong>und</strong> müsste.Nur: ich werde den Eindruck nichtlos, dass es sich um Scheindebattenhandelt, wie sie zwischen Menschenöfter statt finden: man redet über einThema <strong>und</strong> kommt sich keinen Millimeternäher, weil es nicht um das Thema,sondern die Stimmung, das Gefühldes Unverstandenseins geht. Mantauscht Argumente aus, immer <strong>und</strong>immer wieder dieselben, ärgert sich,weil der/die andere nicht verstehenwill, was doch auf der Hand liegt <strong>und</strong>geht zornig auseinander. Bei jedemneuen Zusammentreffen werden dieAbläufe mehr zum Ritual, bis jederlange vorher schon weiß, was alsübernächstes kommt.Ich denke, der »<strong>Aufbruch</strong> <strong>Gemeinde</strong>«ist das Symptom einer Wahrnehmungsdifferenz:Da sehen Menschender verschiedenen Ebenen unsere Kircheunterschiedlich <strong>und</strong> ärgern sichüber sie Sicht des anderen, die ihnenvoll Unverständnis scheint – aber dassagen sie nicht. Manche, weil sie glauben,es ginge wirklich ums Archiv (<strong>und</strong>Manchen geht es auch wirklich darum!),manche schweigen wohl auch,weil sie Nachteile fürchten, wenn sieauf die wirklichen Themen kommen.Wenn wir nicht den Mut aufbringen,über die wirklichen Themen zu sprechen,führt uns jeder »<strong>Aufbruch</strong>« nurweiter auseinander, egal wer von wem<strong>und</strong> gegen wen aufbricht.Also: Was sagt es über die Art, wie <strong>Gemeinde</strong>nKirchenleitung wahrnehmen,wenn sie Kirchenleitenden <strong>Gemeinde</strong>erfahrungauferlegen wollen? Wasüber die üpDs, wenn dasselbe gefordertwird? Man kann den »üpD« umbenennen– er rückt den <strong>Gemeinde</strong>ndurch einen neuen Namen nicht näher.Es hilft nicht, immer neu zu betonen,wie wichtig die Synode ist <strong>und</strong>gekränkt zu sein, wenn sie anderswahrgenommen wird, die Frage ist,wie man das ändern kann: Die Einstimmigkeitder meisten Beschlüsse,vorbereitet in Ausschüssen (das siehtman aber nicht!), im Plenum eher ritualisierteDebatten – wie kann mandeutlich machen, dass hier wirklich<strong>und</strong> wirklich hier (<strong>und</strong> man muss auchdie Frage ertragen, ob das wirklich soist!) diskutiert <strong>und</strong> entschieden wird?Wie kann die Synode so viel Selbstbewusstseinentwickeln, dass sie nichtbei irgend Ersatzfrage die Stachelnausfährt, sondern wenn es wichtig ist?Unsere Kirche hat sich in den letztenJahren rasant verändert – es ist nichtwirklich gelungen, die <strong>Gemeinde</strong>nmitzunehmen. Zu reden wäre überLeitungsstil <strong>und</strong> Stil der Leitung, dieöffentliche Präsentation unserer Kirche,über Personalpolitik <strong>und</strong> mancheAktionen, die von den <strong>Gemeinde</strong>nnicht wirklich verstanden <strong>und</strong> alswichtig empf<strong>und</strong>en werden. Da müsstendann freilich alle offen reden <strong>und</strong>ungekränkt hören.Und dann hätte ich auch Lust, darüberzu streiten, ob wir <strong>Pfarrer</strong> uns wirklichwünschen, dass unsere <strong>Gemeinde</strong>nuns anstellen <strong>und</strong> zahlen <strong>und</strong> vonihrem eigenen Kirchensteueraufkommenleben. Ersatzdebatten führennicht weiter. Man kann sich das allesauch schenken - dann aber brauchtman keine Evaluation, um herauszubringen,warum die gut gemeintenAktionen <strong>und</strong> Programme zur »missionarischenDimension« nichts bringen:ich kenne keine Mission ohne Begeisterung....Ihr Martin OstKORRESPONDENZBLATT S. 189Nr. 12 Dez. 2008


AnkündigungenEvang. BildungszentrumHesselberg■ Warum siehst Du das nicht so wieich?Enneagramm-Einführungsseminar20.02.09 (18.00 Uhr) – 22.02.09 (13.00 Uhr)Das Enneagramm ist ein wirksames Werkzeugzur Selbst- <strong>und</strong> Menschenerkenntnis, das sichseit Jahrh<strong>und</strong>erten in der Seelsorge als hilfreicherwiesen hat. Es handelt sich dabei um neunCharaktergr<strong>und</strong>muster mit jeweils gr<strong>und</strong>sätzlichverschiedenartigem Denken, Fühlen <strong>und</strong>Handeln. Methodisch beinhaltet das Einführungsseminar:• gezielt <strong>und</strong> behutsam angeleitete Selbsterfahrung• persönlichen Austausch auf der Basis gegenseitigenRespekts• kompetente Wissensvermittlung in wohlwollend-humorvollerAtmosphäre.Die Charaktermuster werden nicht nur alsTheorie vorgestellt, sondern unmittelbar lebendigerfahrbar.Leitung: Hildegard Holoubek-Reichold, Enneagramm-TrainerinIPE■ Perlen des Glaubens – ein Rettungsringim Strom des Alltags27.02.09 (18.00 Uhr) – 01.03.09 (13.00 Uhr)Achtzehn bunte Perlen aus Glas, vom schwedischenBischof Martin Lönnebo zu einem Gebetsarmbandzusammengefügt, symbolisierenjede für sich eine Gr<strong>und</strong>essenz des christlichenGlaubens. Als zuverlässige Lebensbegleiterwollen sie Raum für meditative Unterbrechungendes Alltags schaffen. Die Teilnehmendenstellen sich im Seminar ihr eigenes Band zusammen,lernen die Symbolik der Perlen mit ihrertheologischen Tiefendimension kennen <strong>und</strong>entwickeln gemeinsam Ideen, wie man sie miteigenen Lebens- <strong>und</strong> Glaubenserfahrungen,Gebeten <strong>und</strong> Liedern verknüpfen kann.Leitung: Pfr. Dr. Marcus Döbert■ O Haupt voll Blut <strong>und</strong> W<strong>und</strong>en -Liedtexte zur Passionszeit6.03.09 (18.00 Uhr) – 8.03.09 (13.00 Uhr)Herr, stärke mich, dein Leiden zu bedenken,/mich in das Meer der Liebe zu versenken,/ diedich bewog, von aller Schuld des Bösen/ uns zuerlösen. Die Texte wichtiger Passionslieder hören,in der Stille auf sich wirken lassen, sie miteinandersingen <strong>und</strong> gemeinsam zu verstehenversuchen – das erwartet Interessierte an diesemWochenende.Leitung: Pfr. Bernd ReutherStudienreise■ Auf den Spuren der HugenottenZehn Tage durch die Provence, die Camargue<strong>und</strong> das Elsass2.06.09 – 11.06.09Reiseveranstalter: Biblische Reisen, StuttgartGruppenleitung: Pfr. Dr. Marcus Döbert■ Kultur- <strong>und</strong> Tanzreise nach Griechenland1.06.09 – 10.06.09Griechenland <strong>und</strong> seine Menschen intensivkennen lernen, nicht nur durch den Besuch seinerberühmten touristischen Attraktionen, sondernauch in seiner Seele <strong>und</strong> in seinen Tänzen!Die 10-tägige Reise, die Bildung <strong>und</strong> Erlebnisvereint, führt von Thessaloniki über Philippi, dieMeteoraklöster, Delphi, Korinth, Mykenae <strong>und</strong>Epidauros nach Athen. Neben der Besichtigungwichtiger Stätten der Antike <strong>und</strong> des frühenChristentums gehören auch tägliche Tanzeinheitenmit unserem Tanzexperten ThomasChamalidis zum Programm.Über die Einzelheiten der Reise informiert einSonderprospekt, der kostenlos angefordert werdenkann.Reiseveranstalter: Naturama Holidays, AthenGruppenleitung: Thomas ChamalidisAnsprechpartner: Pfr. Dr. Marcus DöbertAusblick:■ LandfrauentagFrausein auf dem LandLebenswege – Lebensziele – LebensinhalteDo, 12.02.09, 09.30 – 15.30 UhrLeitung: Pfr. Dr. Marcus Döbert & TeamSeniorensternfahrt■ W<strong>und</strong>er der Natur – ganz nah12.03.09, 14.00 – 17.00 UhrReferent: Werner HajekLeitung: Pfr. Dr. Marcus Döbert■ »Unser ganzes Leben Christus unseremGott überliefern«Orthodoxen Gottesdienst feiernSeminar im Kloster Niederalttaich3.04.09 (18.15 Uhr) – 5.04.09 (ca. 13.00 Uhr)Leitung: Pfr. Bernd Reuther■ Aus der gewohnten Spur treten...Mit Tänzen aus den Finnischen Messen unterwegssein <strong>und</strong> sich auf Ostern einrichten3.04.09 (16.00 Uhr) – 4.04.09 (18.00 Uhr)Leitung: Ingeborg Lenz-SchikoreAnmeldung <strong>und</strong> Information: EvangelischesBildungszentrum Hesselberg, Hesselbergstr. 26,91726 Gerolfingen; Tel.: 0 98 54 - 10-0; Fax:10 -50; E-Mail: info@ebz-hesselberg.deGeistliches ZentrumSchwanberg■ Die letzten Amtsjahre, der Übergang– <strong>und</strong> was dann ?20.04. (14.00 Uhr) bis 24.04. 2009 (13.30 Uhr)Der Abschied aus dem beruflichen Leben istanders als alle bisherigen Veränderungen. Dieletzten Amtsjahre, der Übergang <strong>und</strong> die Zeitdanach können vorher bedacht, geplant <strong>und</strong> ingute Wege geleitet werden. Dazu gibt dieseFortbildung Gelegenheit. Sie ist geeignet für<strong>Pfarrer</strong>innen <strong>und</strong> <strong>Pfarrer</strong> im Alter ab 60 Jahren<strong>und</strong> für deren Partner bzw. Partnerinnen, die jaebenso betroffen sind. Der Kurs bietet auch Informationenüber rechtliche <strong>und</strong> finanzielleFragen <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>heitliche Aspekte. Die Geborgenheitauf dem Schwanberg, die herrlicheNatur, die zu Spaziergängen einlädt, <strong>und</strong> einestressfreie Arbeitsatmosphäre sind gute Voraussetzungenfür die Planung des Übergangsin die Zeit nach der Berufstätigkeit.Leitung: Birgit Pischetsrieder, ChristianPischetsriederReferenten: Priorin Sr. Dr. med. FriederikePopp, CCR <strong>und</strong> Georg Tautor, Landeskirchenamt,Referent für Rente <strong>und</strong> Versorgung.Kosten: UK <strong>und</strong> Verpfl. Im Schloss: 206,50 Euro.Kursgebühr: 150 Euro. Alle Teilnehmenden ausder ELKB können im Landeskirchenamt(Fortbildungsreferat) einen Zuschuß in Höhevon 70% der Tagungskosten beantragen.Anmeldung <strong>und</strong> Information: Geistliches ZentrumSchwanberg, 97348 Rödelsee,Tel.: 0 93 23 -320; Fax: 0 93 23 -116;E-Mail: anmeldung@schwanberg.deKirche mit Kindern■ Landeskonferenz Pappenheim:Wie Werbung wirklich wirkt26. 1. 09, 15.30 Uhr bis 28. 1., 12.15 Uhr.Ort: Landvolkshochschule PappenheimWir wollen für den Kindergottesdienst werben- aber wo sollen wir ansetzen? Wie passt unserAngebot zu den Bedürfnissen unserer »Zielgruppe«:Kinder, deren Eltern, potentielle Mitarbeitende?Wie können wir diese am bestenansprechen – persönlich, aber auch über dieverschiedenen Medien, die uns heute zur Verfügungstehen? Welches Selbstbild haben wirdabei, welche Bilder <strong>und</strong> welche Inhalte wollenwir nach außen vermitteln?Wir nähern uns dem Thema Werbung <strong>und</strong> ihreWirkung unter professioneller Anleitung, wirerarbeiten uns Gr<strong>und</strong>lagen <strong>und</strong> erproben derenpraktische Umsetzung in verschiedenen Workshops.Zielgruppe: Dekanatsbeauftragte für Kindergottesdienstsowie Mitarbeitende, die einKindergottesdienstteam leiten / begleiten.Leitung: Team des Landesarbeitskreises fürEvang. Kindergottesdienstarbeit unter Vorsitzvon Astrid Blechschmidt <strong>und</strong> Hartmut KlausfelderHauptreferent: Jürgen Bauer, Werbepsychologe,KarlsruheAnmeldung bis zum 16. Januar 2009 s.u.S. 190 KORRESPONDENZBLATTNr. 12 Dez. 2008


■ Fachtag:Wo bleiben nur die Jungs?Samstag, 17. Januar 2009, 9.30 bis 16.00 UhrOrt: Evangelisches <strong>Gemeinde</strong>haus, WiesethJungen im Kindergottesdienst – Männer imTeam. Beides oft Mangelware. Oder irgendwieschwierig. Warum ist das so <strong>und</strong> lässt sich dasändern?Zielgruppe: Mitarbeitende im Kindergottesdienst<strong>und</strong> der kirchlichen Arbeit mit Kindern,FEA.Leitung: Markus Hildebrandt RambeReferent: Erhard Reschke-Rank, AachenKosten: 20,00 Euro Kursgebühr <strong>und</strong> VerpflegungAnmeldung bis 2. Januar 2009 s.u.■ Fachtag: Erzählen purSamstag, 10. Januar 2009, 9.30 bis 16.00 UhrOrt: <strong>Gemeinde</strong>haus Apostelkirche München-SollnAus dem biblischen Text den Kern der Botschaftfinden, daraus meine persönliche Erzählung anschaulich<strong>und</strong> lebendig entwickeln. Wie freidarf ich erzählen, was hinzufügen, was weglassen?Anhand konkreter Erzählbeispiele wirddazugehöriges Handwerkszeug vorgestellt.Zielgruppe: Haupt- <strong>und</strong> ehrenamtlich Mitarbeitendeim Kindergottesdienst <strong>und</strong> in derkirchlichen Arbeit mit Kindern, FEA.Referent: Frieder HarzLeitung: Ruth-Andrea WendebourgKosten: 20,- Euro für Kursgebühr <strong>und</strong> Verpflg.Die weiteren drei Fachtage der Erzählreihe »Lebendigerzählen« finden in München statt am:02.03.2009, 19.00-22.00 Uhr, 10,- Euro /25.09.2009, 18.00-21.00 Uhr, 10,- Euro /21.11.2009, 9.30-16.00 Uhr, 20,- Euro. Jederdieser Fachtage kann auch einzeln gebuchtwerden. Bei Teilnahme an allen vier Fachtagenist die Teilnahme am vierten Fachtag kostenlos.Anmeldung bis zum 22.12.2008: Amt für<strong>Gemeinde</strong>dienst der Evang.-Luth. Kirche in Bayern,Team Kinderkirche, Sperberstraße 70,90461 Nürnberg, Tel.; 09 11 - 43 16 -130,Fax: 09 11 - 43 16 -103,E-Mail: kinderkirche@afg-elkb.deDiakonisches WerkBayernInternationales Symposium■ »Es muss alsdann gestorben sein...«Hospizkultur <strong>und</strong> Palliativsorge im Alter28. - 30. April 200928.04.2009 14:00 - 18:30 Uhr29.04.2009 09:00 - 18.30 Uhr, Abendprogramm30.04.2009 09:00 - 14:00 UhrOrt: Meistersingerhalle, NürnbergWichtige Fragen der Versorgung älterer, demenzkranker<strong>und</strong> sterbender Menschen werdenvon zahlreichen Referierenden, u. a. SteinHusebø (Norwegen), Marina Kojer (Wien),Reimer Gronemeyer (Giessen), Karin Wilkening(Braunschweig, Zürich), Katharina Heimerl(Wien), Andreas Heller (Wien) <strong>und</strong> anderen inden Blick genommen. Verschiedene vertiefendeSessions bieten die Möglichkeit, Herausforderungender praktischen Arbeit mit den Referierenden<strong>und</strong> ExpertInnen aus dem Feld zubearbeiten.Preis: Euro 290,- (inkl. Kulturprogramm, Lunchbuffet<strong>und</strong> Pausengetränken)Anmeldung ab sofort: anna.hostalek@uniklu.ac.at- Programm Ende Januar 2009 .die gemeindeakademie■ Wind spüren <strong>und</strong> Segel setzen!Schwerpunkte im Kirchenvorstand <strong>und</strong> in der<strong>Gemeinde</strong>arbeitTagung für Kirchenvorstände20. - 22. Februar 200913. - 15. November 2009Anmeldung: Evang.-Luth. <strong>Gemeinde</strong>akademie,Rummelsberg 19, 90592 Schwarzenbruck,Tel.: 0 91 28 - 91 22 0,Fax: 0 91 28 - 91 22 20,e-mail: gemeindeakademie@elkb.deStudienzentrumJosefstal■ Bibliolog Gr<strong>und</strong>kurse für 200919.-23. Januar 2009Leitung: Rainer Brandt, Jens Uhlendorf, GerborgDrescherKosten: 314,00 Euro incl. Vollpension im EZDetail-Info online: http://www.josefstal.de/theologie/2009-01-19.htm22.-26. Juni 2009Leitung: Rainer Brandt, Andrea Felsenstein-RoßbergKosten: 314,00 EUR incl. Vollpension im EZDetail-Info online: http://www.josefstal.de/theologie/2009-06-22.htm02.-06. November 2009Leitung: Rainer Brandt, Jens UhlendorfKosten: 314,00 EUR incl. Vollpension im EZDetail-Info online: http://www.josefstal.de/theologie/2009-11-02.htmBibliolog Aufbaukurse für 200914.-16. Januar 2009■ Nicht narrative TexteLeitung: Rainer Brandt, Uta Pohl-Patalong,Jens UhlendorfKosten: 185,00 EUR incl. Vollpension im EZDetail-Info online http://www.josefstal.de/theologie/2009-01-14.htm5.- 7. Oktober 2009■ Encounter - Begegungen bibliologischgestaltenLeitung: Rainer Brandt, Prof. Dr. Uta Pohl-Patalong, Gerborg DrescherKosten: 185,00 EUR incl. Vollpension im EZDetail-Info online: http://www.josefstal.de/theologie/2009-10-05.htm■ Von der Urgemeinde zur Kirche fürheuteGeschichte der Kirche der Jugend(sozial)arbeit<strong>und</strong> Theologie der <strong>Gemeinde</strong>eLearning im Aufbauprogramm Theologie IVZeitraum 2. Februar bis 26. März 2009Wer in Kirche arbeitet, hat 2000 Jahre Geschichteim Kreuz, eine faszinierende Welt nötigerReformationen, oft durch Einzelne. DerKurs will - in Auseinandersetzung mit demSelbstverständnis von Kirche <strong>und</strong> <strong>Gemeinde</strong> -Mut machen zum eigenen Standpunkt in <strong>und</strong>für eine Kirche von heute.Voraussetzung zur Teilnahme ist ein PC-Arbeitsplatzmit Internetzugang <strong>und</strong> eMail-Adresse.Leitung: Rainer Brandt, Karl FoitzikKosten: 269,– EuroDetail-Info online: http://www.josefstal.de/theologie/2009-02-02.htm■ Zukunft sichern mit Qualitäts<strong>und</strong>OrganisationsentwicklungWorkshop mit Modulen für die Praxis der Jugendarbeit11. – 13.02.2009Ob eine Neuausrichtung ansteht oder nur überKorrekturen nachgedacht werden soll, ob esVeränderungen bei den verantwortlichen Personengibt oder bei Konflikten strukturelle Antwortengef<strong>und</strong>en werden sollen, ob man aufAnfragen von außen reagieren muss oder überlegtwird, in Qualitätsmanagement einzusteigen– es gibt viele Gründe, in einen Prozess derOrganisations- <strong>und</strong> Qualitätsentwicklung einzusteigen.Mit einzelnen Modulen kann Innovation, Veränderung<strong>und</strong> Verbesserung verwirklicht werden.Dabei geht es nicht um ein komplexes odertheoretisches Gesamtkunstwerk, sondern umModule für die Praxis des Alltags, die sich amBedarf der Teilnehmenden orientieren.Der Workshop ist ausgerichtet auf Mitarbeiter/innen der Jugendarbeit auf <strong>Gemeinde</strong>- <strong>und</strong>Dekanatsebene. Bei Arbeit in kleinen Gruppenwird es möglich sein mit praxisnahen Bezügenden konkreten Arbeitsalltag der Teilnehmendenzu arbeiten, die auch selbst im Seminar dieSchwerpunkte setzen können.Diese ergeben sich aus den Feldern Führen <strong>und</strong>Steuern, Personalentwicklung, Organisation,Arbeitsabläufe <strong>und</strong> Prozesse, Ziele, Aufgaben<strong>und</strong> Leitbild, Schnittstellenanalysen, ZusammenwirkenEhrenamtliche <strong>und</strong> Hauptamtliche,Kommunikation – immer in Bezug auf die tatsächlichenHerausforderungen der Organisationseinheit<strong>und</strong> des Aufgabenfeldes der Teilnehmenden.Leitung: Gerhard EngelKosten: 179,– Euro VP im EZDetail-Info online: http://www.josefstal.de/sozial/2009-02-11.htmAnmeldung: www.josefstal.de bzw. per Mail:Studienzentrum@josefstal.de■ Wenn Himmel <strong>und</strong> Erde sich berühren– Spiritualität erfahren, entwickeln,(er)lebenWeiterbildung »Spirituelle Begleitung Jugendlicher«(Basiskurs 1)30.03. – 2.04.2009Wer Jugendliche in das Land der Religion führenwill, muss sich darin auskennen, brauchterlernbare Sprachen- <strong>und</strong> Geschichtskenntnissesowie eigene Erk<strong>und</strong>ungen in <strong>und</strong> mit Land <strong>und</strong>Leuten.In diesem Teil liegt der Schwerpunkt auf dereigenen religiösen Sozialisation <strong>und</strong> gegenwärtigenspirituellen Situation meiner Person. Worauslebe ich? Was sind meine Quellen? WelcheBedeutung hat die christliche Tradition inmeinem Leben? Was verstehe ich unter religiöserKompetenz? Wie kann diese (weiter-) entwickelt<strong>und</strong> genährt werden?KORRESPONDENZBLATT S. 191Nr. 12 Dez. 2008


PostvertriebsstückDt. Post AGEntgelt bezahlt<strong>Pfarrer</strong>- <strong>und</strong><strong>Pfarrer</strong>innenvereinRinnig 896264 AltenkunstadtFreud & Leidaus unseren PfarrhäusernGeboren:Seraphina Ruth Christina Groß, 4.Kind von <strong>Pfarrer</strong>in z.A. Miriam Groß <strong>und</strong>Dipl. Phys. Herbert Groß am 24.09.2008in Holm, Orkney (Großbritannien)Geheiratet haben:Kathrin Wild, verw. Burger, geb. Kleinschmidt<strong>und</strong> Dr. Michael Wild, am31.05.2008 in Bad TölzGestorben sind:Albert Waller, 84 Jahre, zuletzt in Altdorfb. Nbg., am 24.8. in Neuendettelsau(Witwe: Sigrid)Wilhelm Ruckdeschel, 94 Jahre, zuletztin Tennenlohe, am 2.9. in Schwabach(Witwe: Martha)Leitung: Rainer Brandt, Dr. Barbara HanusaKosten: 255,– Euro VP im EZMehr zur Weiterbildung http://www.spirituellbegleiten.infoArbeitskreis fürevangelistische<strong>Gemeinde</strong>arbeit■ Glauben-Beten-Handeln imKraftfeld des dreieinigen Gottes.Zur missionarischen Dimension evangelischerSpiritualität.Studientag2. Februar 2009Ort: Amt für <strong>Gemeinde</strong>dienst in Nürnbergmit Prof. Dr. Peter Zimmerling (Leipzig)»Spiritualität«: Ob Jakobsweg oder Designer-Möbel, Wellness-Produkte oder politische Parteien– für fast alles <strong>und</strong> jedes kann heute unterdiesem Etikett geworben werden. »Spiritualität«hat sich inzwischen etabliert. Doch dieSehnsucht richtet sich häufig eher auf esoterischeoder fernöstliche Erscheinungsformen desReligiösen. Auch viele Menschen in unseren<strong>Gemeinde</strong>n fragen danach, die Quellen derchristlichen Spiritualität scheinen weithin verschüttetoder in Vergessenheit geraten zu sein.Der Studientag will Impulse geben, solcheQuellen <strong>und</strong> Gestaltformen christlicher Spiritualitätin der Spannung von »Glauben-Beten-Handeln« <strong>und</strong> »im Kraftfeld des dreieinigenGottes« neu zu entdecken <strong>und</strong> für das geistlicheLeben von Haupt- <strong>und</strong> Ehrenamtlichen wieauch von <strong>Gemeinde</strong>n fruchtbar zu machen. Dabeisoll besonders auch die missionarische Dimensionevangelischer Spiritualität im Gegenüberzu einer oft konturenlosen »Wohlfühl-Spiritualität«in den Blick genommen werden.Neben einem Gr<strong>und</strong>satzreferat wird der Referentkonkrete Impulse für Gruppengespräche<strong>und</strong> Anregungen zur Einübung individueller <strong>und</strong>gemeinschaftlicher Spiritualität geben.Kosten: 10 EuroAnmeldung bis 16.01.2009 an: AfG, Team Missionarische<strong>Gemeinde</strong>entwicklung,Postfach 44 04 65, 90209 Nürnberg, Fragen an:Tel. 09 11 – 43 16 -280 Fax: 43 16 -296,eMail: evangelisation@afg-elkb.deLetzte Meldung»Zur Probe aufgenommen - befristetbeurlaubt - in den Ruhestand versetzt- in die Ewigkeit abgerufen wurden.«aus: Kirchl. AmtsblattInitiativkreisGolli.21■ Golli.reloaded.1:Die kapitalistische RevolutionMontag, 29.12.2008, 10-16 UhrOrt: ESG NürnbergWie kein anderer bayerischer Theologe des 20.Jahrh<strong>und</strong>erts steht »Golli« für eingreifendestheologisches Denken in die (Über-)Lebensfragenseiner Zeit: Antifaschismus, Marxismusdialog,christlich-jüdische Versöhnung, Studentenbewegung,Kapitalismuskritik, Frieden, Ökologie.Eine Stimme, die uns fehlt. Bevor er zumKirchenvater der greisen Kirchen-Linken erstarrtoder gar zu den Akten der Kirchengeschichtegelegt wird, wollen wir sein Denken,seine Fragen <strong>und</strong> Methoden reformulieren fürdas neue Jahr<strong>und</strong>ert.Beim Studientag an seinem 100.Geburtstagwerden wir seine Schrift »Die kapitalistischeRevolution« von 1974 wieder lesen <strong>und</strong> mit deraktuellen Krise des finanzmarktbasierten Kapitalismusabgleichen. Am Nachmittag wird auchZeit sein, sich über das weitere Arbeiten dieserInitiative zu verständigen.An alle, die eine theologische Existenz in derTradition Gollwitzers für lebensnotwendig fürdiese Kirche halten!Kosten: 10 EuroAnmeldung bis 23.12.08 an:susanne.gutmann@gmx.deoder th_zeitler@gmx.deDieser Ausgabe liegt als Beilage eine Informationder Bayerischen Pfarrbruderschaft bei.ImpressumSchriftleitung: Martin Ost, Kirchplatz 3, 97348 Markt Einersheim,Tel. 0 93 26/9 99 80, Fax 9 99 82, eMail: Martin.Ost@t-online.dein Gemeinschaft mit Karin Deter (Erlangen), Rosemarie Leipolz (Erlangen),Bernd Seufert (Nürnberg).Erscheint 11mal im Jahr (außer September) jeweils zum Monatsanfang.Den Text finden Sie auch auf der Internetseitewww.pfarrverein-bayern.deRedaktionsschluß ist der 15. des Vormonats.Anzeigen <strong>und</strong> Druck: Freim<strong>und</strong> Druck <strong>und</strong> Medien GmbH Neuendettelsau,Ringstr. 15, 91 564 Neuendettelsau, Tel. 0 9874 / 6 89 39-0, Telefax -29.Bezug: Der Bezugspreis beträgt vierteljährlich 4,60 Euro einschließlich Postzustellgebühr.Bestellung über den <strong>Pfarrer</strong>- <strong>und</strong> <strong>Pfarrer</strong>innenverein in Bayern.Änderungen der ständigen Anschrift (bei Wechsel der Wohnung) – auch vonMitgliedern des <strong>Pfarrer</strong>- <strong>und</strong> <strong>Pfarrer</strong>innenvereins – sind zu richten an denHerausgeber: <strong>Pfarrer</strong>/innenverein in der Evang.-Luth. Kirche in Bayern e.V.,<strong>Pfarrer</strong> Klaus Weber, Rinnig 8, 96 264 Altenkunstadt,Telefon 0 95 72/79 05 00, Fax 79 05 01, e-Mail: info@pfarrerverein.deS. 192 KORRESPONDENZBLATTNr. 12 Dez. 2008

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