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Aufbruch Gemeinde - Pfarrer- und Pfarrerinnenverein

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»Dass eine christliche <strong>Gemeinde</strong> Recht <strong>und</strong> Macht habe…«(Martin Luther)Eigentlich müsste es für die Evangelisch-LutherischeKirche in Bayern einGr<strong>und</strong> zur Freude sein, dass ein Aktionstagfränkischer Kirchengemeinden unterdem Motto »<strong>Aufbruch</strong> <strong>Gemeinde</strong>«stattfindet. Dass aus »Betreuungsgemeinden«endlich »Beteiligungsgemeinden«werden, die bewusst den Weg derKirche vor Ort selber gestalten, indemsie sich als Basis der Kirche begreifen<strong>und</strong> daraus Konsequenzen ziehen –diese Forderung beginnt in dem »<strong>Aufbruch</strong><strong>Gemeinde</strong>« heute konkrete Gestaltanzunehmen. Wenn dieser Anfangsich in der ganzen Landeskirche <strong>und</strong>dann gar in der ganzen EvangelischenKirche in Deutschland mit ähnlichenAktionstagen ausbreitete, könnten sichdie Kirchenleitungen glücklich preisen,dass sie es mit aktiven Beteiligungsgemeindenzu tun bekommen, die voreiner Verantwortung für die ganze Kirchenicht zurückscheuen.Auch die »überparochialen Dienste«müssten sich darauf freuen, dass sie esin selbstbewusst gewordenen Ortsgemeindenmit einer nachbarschaftlichenGestalt der Kirche zu tun bekommen,einer »Kirche der kurzen Wege«, inder sich über den Gartenzaun oder beiStraßenbegegnungen vieles so einfach<strong>und</strong> rasch klären lässt, was auf demDienstweg <strong>und</strong> bei größeren Distanzenoft schwierig sein kann. Es gilt in derKirche wieder die Nähe zu entdecken inden einfachen, sinnlichen, nächstliegendenVorgängen, wie sie eben vor Ortoft so leicht möglich sind. Das ist jaauch der ursprüngliche Sinn von Parochieals nachbarschaftliche Gestalt einer»Kirche der kurzen Wege«! Wie dieseKirche ihre Gestalt gewonnen hat,will ich zunächst kurz an einigen Gr<strong>und</strong>entscheidungender Heiligen Schrift, anMartin Luther <strong>und</strong> an der Barmer Bekenntnissynodevon 1934 in Erinnerungrufen. 11.Biblische OrientierungS. 180 KORRESPONDENZBLATTNr. 12 Dez. 2008Der Apostel Paulus richtet seine Briefean die »<strong>Gemeinde</strong> Gottes in Korinth«(1.Kor.1,2) oder »an alle Geliebten <strong>und</strong>berufenen Heiligen in Rom« (Röm 1,7)oder »an alle Heiligen in Christus Jesusin Philippi« (Phil 1,1) »Geheiligt« sind dieChristen durch die Taufe. Von der Taufeher wächst die <strong>Gemeinde</strong> an diesemoder an jenem Ort. Die christlichen <strong>Gemeinde</strong>ntauschen allmählich die Briefeder Apostel untereinander aus <strong>und</strong>bewähren Solidarität in der Kollekte mitder Jerusalemer <strong>Gemeinde</strong> (2. Kor.8f.)So wächst eine untereinander verb<strong>und</strong>ene,vernetzte Kirche von unten heran,die als Leib Christi ökumenischeWeite gewinnt hat. In der Offenbarungdes Johannes gibt es schließlich Sendschreibenan die <strong>Gemeinde</strong>n Kleinasiens,deren Siebenzahl das Ganze derKirche symbolhaft darstellen soll. Unddoch ist ein Sendschreiben an die <strong>Gemeinde</strong>in Ephesus oder eins an die <strong>Gemeinde</strong>in Sardes usw. gerichtet, alswären es schon Ortsgemeinden, währendsie doch meist noch im Untergr<strong>und</strong>als Hausgemeinden leben müssen. JedesSendschreiben beginnt mit demSätzchen »An den Engel der <strong>Gemeinde</strong>schreibe« <strong>und</strong> endet mit dem bezeichnendenSatz: »Wer Ohren hat zu hören,der höre!« Es geht um die bei den Ohrengenommene <strong>und</strong> zum Hören aufgerichtete<strong>Gemeinde</strong> vor Ort, die im Lichtihres Engels angesprochen wird. Jededieser <strong>Gemeinde</strong>n wird auf spezifischeWeise bei den Ohren genommen, dieeine in Philadelphia wird ermutigt, dieandere in Sardes gewarnt, die dritte inLaodicea getadelt. 2 Und doch sind alle<strong>Gemeinde</strong> vor Ort füreinander geöffnetzur Ökumene des Leibes Christi.2.Reformatorische Orientierung»Dass eine christliche Versammlungoder <strong>Gemeinde</strong> Recht <strong>und</strong> Macht habe,alle Lehre zu beurteilen <strong>und</strong> Lehrer zuberufen, ein -<strong>und</strong> abzusetzen, Gr<strong>und</strong><strong>und</strong> Ursache aus der Schrift« (1523). 3 -das ist eine der frühesten <strong>und</strong> zugleichradikalsten Schriften Luthers zur reformatorischenOrdnung der Kirche. Erbetenwurde diese Schrift von dem kleinensächsischen Städtchen Leisnig, dasangesichts einer Pfarrvakanz von Luthergutachtlich wissen will, ob <strong>und</strong> inwieweitsie (vergeblich) darauf wartenmuss, bis sie von Rom über den Bischof<strong>und</strong> das nahe gelegene Kloster Brucheinen Priester eingesetzt bekommt,oder ob sie selbst das Recht dazu hat,nach vorher erfolgter Anhörung derKandidaten selbst einen <strong>Pfarrer</strong> zu berufen.Weiterhin will der Rat der StadtLeisnig wissen, wie mit dem Geld, dasin einem gemeinen Kasten für die Besoldungdes <strong>Pfarrer</strong>s zusammenkommt,verantwortlich umgegangen werdenkann. Eine dazu in Leisnig erarbeiteteOrdnung wird von Luther begutachtet<strong>und</strong> mit einem Vorwort versehen.Schließlich will die Leisniger <strong>Gemeinde</strong>von Luther wissen, wie der Gottesdienstneu geordnet werden soll. Alle drei AntwortenLuthers sind insofern radikal, alssie die bisher von oben her erfolgte Ordnungder Kirche umkehren <strong>und</strong> die <strong>Gemeinde</strong>von Leisnig in die Lage versetzen,nach biblischen Maßstäben nunselbst zu urteilen, zu wählen, zu ordnen<strong>und</strong> ihr Geld selbständig zu verwalten.Den biblischen Maßstab, den Lutherzur Geltung bringt, findet Lutherin Jesu Wort aus Joh.10, 27: »MeineSchafe kennen meine Stimme« Darausfolgert er: »Hier siehst du ganz klar, werdas Recht hat, über die Lehre zu urteilen:Bischof, Papst, Gelehrte <strong>und</strong> jedermannhat die Vollmacht zu lehren, aberdie Schafe sollen urteilen, ob sie dieStimme Christi oder die Stimme derFremden lehren.« Im Hören der versammelten<strong>Gemeinde</strong> kommt für Lutherheraus, was Stimme Christi oder Stimmeeines Fremden ist. Die hör- weil urteilsfähige<strong>Gemeinde</strong> ist die eigentlicheBasis einer reformatorisch gereinigten<strong>und</strong> vom Kopf auf die Beine gestellteKirche. Deshalb tut Luther durch Bibelübersetzung,Katechismen, Lieder <strong>und</strong>Volksschriften alles dafür, dass urteilsfähige<strong>Gemeinde</strong>n entstehen.Die Schriften an die Leisniger <strong>Gemeinde</strong>sind freilich kein Flächen deckenderPlan für eine mögliche Kirchenreform,wie ihn 1526 der reformierte TheologeFranz Lambert von Avignon auf Bittendes hessischen Landgrafen Philipp zurReform der hessischen <strong>Gemeinde</strong>n entworfenhatte. Als der Landgraf diesenReformplan an Luther sandte, um dessenMeinung zu erbitten, bekam er am7.1.1527 eine denkwürdige Antwort ausWittenberg:»Ich bin bisher noch nicht so kühn gewesen,einen solchen Haufen von Gesetzenmit so gewaltigen Worten beiuns einzuführen…Eure Fürstlichen Gnadensollte zuerst die Pfarren <strong>und</strong> Schulenmit tüchtigen Personen versehen<strong>und</strong> zuvor erproben, mit mündlichenBefehlen <strong>und</strong> schriftlichen Mandaten –<strong>und</strong> das alles aufs Kürzeste <strong>und</strong> Notwendigstebeschränkt, was sie tun sollen.Und noch viel besser wäre es, wenndie <strong>Pfarrer</strong> zuerst einer, drei, sechs,neun untereinander eine einheitliche

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