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Aufbruch Gemeinde - Pfarrer- und Pfarrerinnenverein

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entstehenden »<strong>Gemeinde</strong>bünden« (s.u.)scheint sich bereits Widerstand zu formieren.»<strong>Aufbruch</strong> <strong>Gemeinde</strong>«S. 182 KORRESPONDENZBLATTNr. 12 Dez. 2008»Aufklärung«, so definiert I. Kant, »istder Ausgang des Menschen aus seinerselbstverschuldeten Unmündigkeit.«Das könnte auch das Motto eines »Aktionstages«sein, der sich die Parole»<strong>Aufbruch</strong> <strong>Gemeinde</strong>« auf die Fahnenschreibt. In diesem Fall hieße »selbstverschuldeteUnmündigkeit«, dass zuersteinmal gefragt wird, wie denn dieOrtsgemeinden mitsamt ihren <strong>Pfarrer</strong>n<strong>und</strong> <strong>Pfarrer</strong>innen selbst zum Verlust ihresAnsehens beigetragen haben. Sindsie nicht allzu selbstverständlich davonausgegangen, dass das biblisch-reformatorischeErbe der Parochie sich vonselbst durchsetzen werde? Müssen sienicht ständig – <strong>und</strong> gegenwärtig besondersheftig - für dieses Erbe streiten?Haben sie nicht allzu sorglos Kompetenzender Ortsgemeinde abgegebenoder sich nehmen lassen? Ging es umDiakonie, dann hieß es: »Das könnenFachverbände <strong>und</strong> Diakonische Werkebesser als die Ortsgemeinde!« Ging esum Seelsorge, dann wurde der Ortsgemeindeeingeredet: »Das könnenSeelsorgeberatungsstellen professionellerals die Ortsgemeinde!« Ging esum pädagogische Probleme, so wurdendie Religionspädagogischen Ämter eingerichtetusw? So ging eine Aufgabenach der anderen an die überparochialenStellen, die sich nicht selbst finanzieren,sondern aus den in den Ortsgemeindeneingehenden Kirchensteuernbezahlt werden müssen. Die Ortsgemeindeaber verlor eine Aufgabe nachder anderen oder gab sie manchmal sogargern ab. Nun aber bleibt für die entleerteOrtsgemeinde noch eine »rituelleGr<strong>und</strong>versorgung«, <strong>und</strong> die soll nachneuester Kirchenreformplanung z.B. inden ländlichen Bereichen der Kirche vonBerlin-Brandenburg etwa so aussehen,wie sie mir von dem gerade in Berlingegründeten »<strong>Gemeinde</strong>b<strong>und</strong>« mitgeteiltwurden:Alle <strong>Gemeinde</strong>n des Kirchenkreises bildeneinen einzigen Pfarrsprengel, deraus fünf Großgemeinden besteht. Diesewerden von sog. »Gr<strong>und</strong>versorgern«betreut, die nicht mehr im klassischenSinn <strong>Gemeinde</strong>pfarrer sind. Sie suchendie Menschen nicht auf. Sie sind an einemzentralen Ort ansprechbar. Die Kirchensollen fortan »leere Hüllen« sein,sofern die Ältesten nicht selbst dortLesegottesdienste halten wollen. Danebengibt es <strong>Pfarrer</strong> im Spezialdienst: Einenfür die Jugend, einen für die Ehrenamtlichenusw. Diese tauchen punktuellauf, nicht in den Dörfern, sondernwieder nur an ausgewählten, zentralenOrten. Vollständige liturgische Gottesdienstemit Orgelmusik etc. soll es nurnoch in den Stadtkirchen geben. Die Deviseheißt: »Schwerpunktsetzung stattVollständigkeit«. Gegen diese Reformpläne,die möglichst zügig seit 2007umgesetzt werden sollten, gab es einMinderheitenvotum von zwei Kirchengemeinden,die vor das Kirchenverwaltungsgerichtzogen <strong>und</strong> mit ihrem Einspruchgewannen. Da aber zu erwartenist, dass die Kirchenleitung mit neuenGesetzen <strong>und</strong> Erlassen das geplante Zielder Kirchenreform anstrebt, hat sich am20.9.2008 ein »<strong>Gemeinde</strong>b<strong>und</strong>« von 29<strong>Gemeinde</strong>n in Berlin gegründet, die sichim Widerstand gegen die Auflösung derOrtsgemeinden gegenseitig Beistandleisten wollen (vgl www.gemeindeb<strong>und</strong>-online.de). Einen ähnlichen »<strong>Gemeinde</strong>b<strong>und</strong>«gibt es bereits in Kurhessen,der kleine <strong>und</strong> kleinste Dorfgemeindenvor der Auflösung zu bewahren <strong>und</strong>deshalb z.B. mit Landessynodalen insGespräch zu kommen versucht (ev-pfarramt-kleinenglis@t-online.de).-Ob es nun auch in Bayern so einen »<strong>Gemeinde</strong>b<strong>und</strong>«gibt, wird sich in den weiterenPlanungen dieses Nürnberger Aktionstageszeigen.Bedenkenswert erscheinen mir in diesemZusammenhang die Überlegungen,die der Journalist <strong>und</strong> Theologe ChristianNürnberger in seinem Vortrag »WarumMcKinsey für die Kirche keine Lösungist« 2003 in Bonn ausführte: »Ichwäre nicht der, der ich geworden bin,wenn es in meinem fränkischen Dorfnicht einen <strong>Pfarrer</strong>, eine <strong>Gemeinde</strong> <strong>und</strong>die damit verb<strong>und</strong>ene Infrastruktur gegebenhätte. Ich blicke dankbar aufmeine Kindheit zurück, <strong>und</strong> weil ich will,dass jedes Dorf seine Kirche <strong>und</strong> seinen<strong>Pfarrer</strong> haben soll, bleibe ich in der Kirche<strong>und</strong> zahle gerne meine Kirchensteuer.- Nun höre ich aber von verschiedenenSeiten, zum Beispiel aus der LandeskircheHannover, oder auch ausMecklenburg, dass auf den Rat der Unternehmensberaterhin jetzt Pfarrstellengestrichen <strong>und</strong> <strong>Gemeinde</strong>n zusammengelegtwerden, <strong>und</strong> zwar unter demStichwort ›Regionalisierung‹. Ortsgemeindensolle es auch noch geben, abervon Ehrenamtlichen geleitet. Hauptamtlichesollen nur noch übergemeindlichin der Region tätig sein, <strong>Pfarrer</strong>brauche man nur noch für die lokale»Gr<strong>und</strong>versorgung«. Das Einsparen vonPfarrstellen würde man in den <strong>Gemeinde</strong>nnicht merken, denn durch »Kooperationin der Region« entstünden »Synergieeffekte«.So könne der Konfirmandenunterrichtim Kurssystem gehaltenwerden. Jede Mitarbeiterin hat ein Thema,mit dem sie herumreist <strong>und</strong> dieGruppen in der Region unterrichtet.Jede <strong>Pfarrer</strong>in, jeder <strong>Pfarrer</strong> macht imMonat nur noch eine Predigt <strong>und</strong> hältsie vier Mal an verschiedenen Orten inder Region. Die Osterpredigt wird dannalso zum letzten Mal kurz vor Pfingstengehalten, die Weihnachtspredigt kurzvor Beginn des Karnevals.— Wenn ichdas Wort ›Regionalisierung‹ höre, dannerinnere ich mich an die Gebietsreformin Bayern vor r<strong>und</strong> 30 Jahren. Ich wohntedamals in meinem fränkischen Dorf,<strong>und</strong> das war politisch eine selbständige<strong>Gemeinde</strong> mit einem eigenen Bürgermeister<strong>und</strong> <strong>Gemeinde</strong>rat, die von denDorfbewohnern direkt gewählt wurden.Durch diese politische Selbständigkeitherrschte in dem Dorf eine Verwaltungder kurzen Wege. Hatte man ein neuesAuto anzumelden, ging man zu Fußzum Bürgermeister, holte sich die Nummernschilderab, <strong>und</strong> abends brachteeinem der Bürgermeister den KfZ-Brief<strong>und</strong> den Schein persönlich vorbei.Samstag kehrte man die Strasse. Wennirgendwo ein Wasserbruch war, wussteman sofort, wer ihn schnellstens behebenkann. Wenn eine Dorflaterne nichtbrannte, sagte man es abends dem Bürgermeisteroder <strong>Gemeinde</strong>diener imWirtshaus, <strong>und</strong> am nächsten Morgenwurde die Lampe ausgetauscht. Wenndem Zaun ums Feuerwehrhaus eine Lattefehlte, hat sie derjenige, dem dasFehlen auffiel, einfach wieder eingesetzt.Kurz <strong>und</strong> gut: Man fühlte sich inseinem Dorf für das Dorf verantwortlich.—Dann kam die Gebietsreform, dasDorf wurde Stadtteil <strong>und</strong> Vorort, <strong>und</strong>plötzlich fühlten sich die Leute nichtmehr so verantwortlich für ihr Dorf,denn dafür war ja jetzt die Stadt zuständig.Man kehrte samstags nichtmehr die Strasse, weil alle zwei Wochendie Kehrmaschine der Stadt kam. Wenndie Dorflaterne nicht mehr brannte,brannte sie längere Zeit nicht mehr,weil niemand genau wusste, wo in derStadt man anrufen sollte, <strong>und</strong> außerdemwars ja wurscht, das ging einenjetzt ja nicht mehr so viel an, weil es jajetzt eine Angelegenheit der Stadt ist…Und nun will auch noch die Kirche dieDörfer verlassen, will die vor 30 Jahrengemachten Fehler wiederholen <strong>und</strong>

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