Baurekurskommission des Kantons Basel-Stadt ENTSCHEID
Baurekurskommission des Kantons Basel-Stadt ENTSCHEID
Baurekurskommission des Kantons Basel-Stadt ENTSCHEID
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<strong>Baurekurskommission</strong> <strong>des</strong> <strong>Kantons</strong> <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong><br />
<strong>ENTSCHEID</strong><br />
vom 24. Juni 2009<br />
versandt am 20. August 2009<br />
Es wirken mit:<br />
Dr. iur. Agnes Dormann (Präsidentin), Dr. iur. Roland Strauss (Vizepräsident),<br />
dipl. Arch. HTL/BSA Esther Brogli, Baumeister Felix Oehri,<br />
Architekt BSA/SIA Mathis Müller,<br />
eidg. dipl. Baumpflegespezialist Mark Bridge (Experte für Baumschutz),<br />
dipl. Arch. BSA/SIA Werner Hartmann (Experte für <strong>Stadt</strong>bildschutz),<br />
lic. iur. & dipl. geogr. Julia Afheldt (Juristische Sekretärin)<br />
1. Rekurrent 1<br />
2. Rekurrent 2<br />
In der Rekurssache<br />
beide vertreten durch Dr. Caspar Zellweger, Advokat, Elisabethenstrasse 2, 4010 <strong>Basel</strong><br />
gegen<br />
den Bau-Entscheid <strong>des</strong> Bauinspektorats Nr. BBG 9'022’774 (1) vom 27. März 2009<br />
betreffend<br />
Umbau MFH mit Anbau und Aufstockung Liegenschaft Bernoullistrasse 6, <strong>Basel</strong><br />
Beigeladen: Anna Elisabeth Rapp-Buri und Samuel Buri, Mühlenberg 20, 4052 <strong>Basel</strong>
<strong>Baurekurskommission</strong> <strong>des</strong> <strong>Kantons</strong> <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong> Seite 2<br />
SACHVERHALT<br />
A. Am 4. November 2008 reichte die Eigentümerschaft der Liegenschaft Bernoullistrasse 6<br />
beim Bauinspektorat ein Baubegehren für den Umbau und die Aufstockung <strong>des</strong> Mehrfamilienhauses<br />
Bernoullistrasse 6 ein. Das Bauvorhaben umfasste einen hofseitigen verglasten<br />
Anbau und einen Dachaufbau. Die heutigen Rekurrenten erhoben dagegen Einsprache.<br />
B. Das Baubegehren wurde mit Entscheid Nr. BBG 9'022’774 (1) vom 27. März 2009 unter<br />
dem Vorbehalt von Bedingungen und Auflagen bewilligt und die dagegen erhobene Einsprache<br />
gleichentags abgewiesen.<br />
C. Gegen diesen Entscheid erhoben die Rekurrenten am 6. April 2009 Rekurs, welchen sie<br />
mit Schreiben vom 13. Mai 2009 begründeten. Auf die in den Rechtsschriften enthaltenen<br />
Anträge sowie deren Begründung wird, soweit erforderlich, im Rahmen der nachfolgenden<br />
Erwägungen einzugehen sein.<br />
D. Im Rahmen <strong>des</strong> Vernehmlassungsverfahrens nahm das Bauinspektorat mit Schreiben<br />
vom 8. Juni 2009 Stellung zum Verfahren und reichte gleichzeitig die Stellungnahmen<br />
der <strong>Stadt</strong>gärtnerei vom 5. Juni 2009, <strong>des</strong> Hochbau- und Planungsamtes vom<br />
29. Mai 2009 und der <strong>Stadt</strong>bildkommission vom 26. Mai 2009 ein. Die Beigeladenen<br />
äusserten sich mit Schreiben vom 27. Mai 2009 zum Rekurs. Die Stellungnahmen der<br />
Vor- und Fachinstanzen und der Beigeladenen wurden den Rekurrenten zur Kenntnis<br />
zugestellt.<br />
E. Am heutigen Tag führte die <strong>Baurekurskommission</strong> eine Augenscheinverhandlung durch,<br />
an welcher der Vertreter der Rekurrenten, der Rekurrent Nr. 2, der Baumexperte der Rekurrenten,<br />
die Beigeladenen, sowie die Vertreterinnen und Vertreter der Vor- und Fachinstanzen<br />
ihre Standpunkte dargetan haben.
<strong>Baurekurskommission</strong> <strong>des</strong> <strong>Kantons</strong> <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong> Seite 3<br />
DIE BAUREKURSKOMMISSION ZIEHT IN ERWÄGUNG:<br />
Formelles<br />
1. Gegen den Bau-Entscheid Nr. BBG 9'022’774 (1) vom 27. März 2009 und den dazugehörigen<br />
Einspracheentscheid erhoben die Rekurrenten mit Eingabe vom 6. April 2009<br />
Rekurs. Die Rekursanmeldung entspricht den Form- und Fristerfordernissen gemäss<br />
§ 16 Abs. 1 und 2 <strong>des</strong> Gesetzes über die Verfassungs- und Verwaltungsrechtspflege<br />
vom 14. Juni 1928 (VRPG), auf welches § 5 Abs. 4 <strong>des</strong> Gesetzes betreffend die <strong>Baurekurskommission</strong><br />
vom 7. Juni 2000 (BRKG) verweist. Die Rekursbegründung wurde am<br />
13. Mai 2009 innert erstreckter Frist und in der dafür vorgesehenen Form eingereicht.<br />
2. Gemäss § 13 VRPG i.V.m. § 5 Abs. 4 BRKG kann gegen Verfügungen <strong>des</strong> Bauinspektorats<br />
rekurrieren, wer durch die angefochtene Verfügung berührt ist und ein schutzwürdiges<br />
Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat. Als Miteigentümer der an die strittige<br />
Liegenschaft angrenzenden Nachbarliegenschaft haben die Rekurrenten ein<br />
schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung oder Änderung der angefochtenen Verfügung.<br />
Sie haben sich zudem am Einspracheverfahren als Partei beteiligt und sind durch<br />
die angefochtene Verfügung berührt. Auf den Rekurs ist somit einzutreten.<br />
3. Die <strong>Baurekurskommission</strong> überprüft die Rekurssache gemäss § 5 Abs. 2 BRKG in tatsächlicher<br />
und rechtlicher Hinsicht umfassend, ohne dabei an die Beurteilung eines Projektes<br />
durch die Vor- bzw. Fachinstanzen oder die Parteivorbringen gebunden zu sein.<br />
Gemäss § 2 Abs. 3 BRKG wird die <strong>Baurekurskommission</strong> bei Bedarf durch Sachverständige<br />
erweitert. Demgemäss wirkten beim vorliegenden Entscheid ein Sachverständiger<br />
für <strong>Stadt</strong>bildschutz und ein Experte für Baumschutz mit.<br />
Materielles<br />
Gefährdung der Linde durch das Bauvorhaben<br />
4. Das Bauvorhaben sieht gartenseitig einen weitgehend verglasten Anbau mit Terrasse<br />
sowie einen modernen Dachaufbau mit Künstleratelier vor. Der geplante Anbau soll im<br />
Erdgeschoss und in den Obergeschossen eine Ausdehnung von 4 Metern haben. Auf<br />
der Parzelle befindet sich eine grosse geschützte Linde. Der Abstand zu der Linde würde<br />
sich durch den geplanten Umbau im Bodenbereich um 180 cm auf 360 cm verringern<br />
und die Baumkrone müsste zurückgeschnitten werden. Nach Ansicht der <strong>Stadt</strong>gärtnerei<br />
kann der Rückschnitt der Baumkrone durch einen ausgewiesenen Baumpflegespezialisten<br />
baumverträglich ausgeführt und das Baubegehren somit in dieser Hinsicht bewilligt<br />
werden.<br />
5. Die Rekurrenten bestreiten die Einschätzung der <strong>Stadt</strong>gärtnerei, dass der Rückschnitt<br />
der Baumkrone baumverträglich durchgeführt werden kann. Sie stützen ihre Position auf<br />
die Stellungnahme eines von ihnen beigezogenen Baumsachverständigen. Gemäss diesem<br />
ist der Baum zwar leicht geschwächt, verfügt aber noch über eine lange Lebenserwartung,<br />
wenn er weiterhin richtig gepflegt und keinen übermässigen Gefahren ausge-
<strong>Baurekurskommission</strong> <strong>des</strong> <strong>Kantons</strong> <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong> Seite 5<br />
lung einer Bewilligung für die Kappung eines Baumes erforderlich, wenn diese voraussichtlich<br />
die Lebensfähigkeit eines geschützten Baumes gefährdet oder dadurch sein<br />
Kronengleichgewicht empfindlich gestört wird. Eine Kappbewilligung wird aus den gleichen<br />
Gründen erteilt wie eine Fällbewilligung. Eine Fällbewilligung kann nach § 6 Baumgesetz<br />
unter anderem erteilt werden, wenn in Würdigung <strong>des</strong> Interesses <strong>des</strong> Gesuchstellers<br />
das Festhalten am öffentlichen Interesse der Erhaltung <strong>des</strong> Baumes unverhältnismässig<br />
erscheint. Einen Schutz vor Veränderungen <strong>des</strong> Aussehens gibt es entgegen<br />
den Ausführungen der Rekurrenten im Baumschutz nicht.<br />
9. Die <strong>Baurekurskommission</strong> und der beigezogene Baumschutzexperte haben die Situation<br />
anhand der Unterlagen und Stellungnahmen der Parteien und der Vorinstanzen sowie<br />
anhand der durchgeführten Augenscheinverhandlung vor Ort geprüft. Wie der Augenschein<br />
ergeben hat, sind die räumlichen Verhältnisse im Hinterhof der betroffenen Liegenschaft<br />
äusserst eng. Bereits in der heutigen Situation reichen die oberen, kräftigen<br />
Äste der Linde sehr nahe an die Fassade <strong>des</strong> Gebäu<strong>des</strong> der Beigeladenen. Diese Fassade<br />
würde mit der grösseren Gebäudetiefe weiter in den Hinterhof hineinragen und käme<br />
dementsprechend noch näher an den Baum zu liegen. Die <strong>Baurekurskommission</strong><br />
beurteilt den durch den geplanten gartenseitigen Anbau notwendigen Rückschnitt der<br />
Baumkrone im Gegensatz zur <strong>Stadt</strong>gärtnerei als so gravierend, dass dadurch die Lebensfähigkeit<br />
<strong>des</strong> Baumes gefährdet wird. Sie lehnt <strong>des</strong>halb die Erteilung einer Bewilligung<br />
für die Kappung im vorgesehenen Ausmass ab. Aus diesem Grund verlangt sie eine<br />
Redimensionierung <strong>des</strong> Anbaus, um die grosse Gefährdung der Linde zu verringern.<br />
Eine Sicherheit, das Überleben der Linde damit zu gewährleisten, gibt es zwar nicht,<br />
doch mit einer Zurückversetzung <strong>des</strong> vorspringenden Teils <strong>des</strong> obersten Vollgeschosses<br />
um etwa einen Meter wird die Gefährdung der Linde durch das Bauvorhaben deutlich reduziert.<br />
Bei der zu beurteilenden Linde handelt es sich um einen grossen, vitalen und<br />
raumprägenden Baum mit einer noch beachtlichen Lebenserwartung, den es unbestritten<br />
zu erhalten gilt. Diese Ansicht teilen auch die Beigeladenen. Das Interesse, den Erhalt<br />
<strong>des</strong> Baumes zu sichern, ist <strong>des</strong>halb höher zu gewichten als das Interesse der Beigeladenen,<br />
den Anbau mit dem eingegebenen Volumen durchführen zu können. Eine Redimensionierung<br />
<strong>des</strong> Bauvorhabens im genannten Sinne ist nach Ansicht der <strong>Baurekurskommission</strong><br />
für das Überleben der Linde erforderlich und stellt eine geeignete<br />
Massnahme dar, deren Überlebenschance deutlich zu verbessern. Die Beschränkung<br />
der Eigentumsfreiheit durch die angeordnete Anpassung ist zudem als verhältnismässig<br />
zu beurteilen. Das Bauvorhaben wird dadurch nicht verunmöglicht, sondern lediglich reduziert,<br />
um das Überleben der Linde zu gewährleisten. Der Rekurs wird damit in diesem<br />
Punkt gutgeheissen. Das Verfahren wird an das Bauinspektorat zurückgewiesen.<br />
Harmonisierung der Zonenübergänge<br />
10. Weiter berufen sich die Rekurrenten auf § 44 Abs. 2 BPG, wonach bei Randbebauungen<br />
die Bauweise den Vorschriften der Zone mit der kleineren Geschosszahl anzupassen<br />
sei. Diese Vorschrift enthalte den Gedanken, dass Zonenübergänge zu harmonisieren<br />
seien. Im vorliegenden Fall hätten die Vorschriften der Zone 5 gegenüber denjenigen der<br />
Schutzzone zurückzutreten.
<strong>Baurekurskommission</strong> <strong>des</strong> <strong>Kantons</strong> <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong> Seite 6<br />
11. Die Liegenschaft der Bauherrschaft befindet sich in der Zone 5. Im Unterschied zur<br />
Nachbarliegenschaft grenzt sie aber nicht direkt an die <strong>Stadt</strong>- und Dorfbildschutzzone,<br />
sondern ist vollständig von Zone 5 umgeben. Demnach liegt hier keine Bebauung am<br />
Zonenrand im Sinne von § 44 Abs. 2 BPG vor, so dass die Vorschrift von vornherein<br />
nicht zur Anwendung gelangt. Dazu kommt, dass die Vorschrift ausschliesslich für die<br />
Zonen 5a, 4, 3 und 2 Gültigkeit hat und nicht für die Übergänge zu Schutz- und Schonzone<br />
vorgesehen ist, was eine Anwendung im vorliegenden Fall ebenfalls ausschliesst.<br />
Ausserdem betrifft § 44 Abs. 2 BPG gemäss klarem Wortlaut Gebäude auf Grenzen und<br />
nicht, wie die Rekurrenten behaupten, Gebäude an Grenzen. Zonengrenzen werden<br />
bisweilen nach anderen Gesichtspunkten als nach Grundstücksgrenzen und nach der<br />
Ausrichtung der Bebauung festgelegt und können <strong>des</strong>halb mitten durch Grundstücke<br />
und Gebäude verlaufen; besonders in Ecklagen folgen sie häufig der Winkelhalbierenden.<br />
Die in § 44 BPG enthaltene Regel soll sicherstellen, dass ein Gebäude, welches<br />
sich auf einer Parzelle mit zwei geltenden Zonen befindet, nicht nach verschiedenen Zonenvorschriften<br />
projektiert werden muss. Eine Harmonisierung von Zonenübergängen<br />
schreibt § 44 BPG hingegen nicht vor. Die Liegenschaft der Beigeladenen darf <strong>des</strong>halb<br />
grundsätzlich nach den Vorschriften der Zone 5 überbaut werden. Der Rekurs ist in diesem<br />
Punkt abzuweisen.<br />
Einhaltung der guten Gesamtwirkung nach § 58 BPG<br />
12. Die Rekurrenten sind der Ansicht, der geplante Umbau der Liegenschaft habe eine unvorteilhafte<br />
Gesamtwirkung und erfülle nicht die Kriterien gemäss § 58 BPG. Sie beziehen<br />
sich dafür auf eine Stellungnahme der <strong>Stadt</strong>bildkommission zu einem Neubauprojekt<br />
auf der Nachbarliegenschaft, gemäss welcher ein Projekt betreffend der Gebäudetiefe<br />
auf der Basis der bestehenden Bauvolumen entwickelt werden sollte, um die Verträglichkeit<br />
im Hinblick auf § 58 BPG einlösen zu können. Gemäss Rekurrenten muss<br />
dies auch für das vorliegende Projekt gelten. Dieses schliesse sich in Höhe und Tiefe an<br />
den aus den 60er oder 70er Jahren stammenden Nachbarbau Bernoullistrasse 8 an. Das<br />
vorliegende Projekt würde einzeln, sicherlich aber mit dem benachbarten Neubauprojekt<br />
zusammen betrachtet, einen unerwünschten Sperrriegel erzeugen, vor allem gegen die<br />
sensible Hofseite hin.<br />
13. Die <strong>Stadt</strong>bildkommission führt dazu aus, das vorliegende Bauvolumen sei von ihr in einem<br />
längeren Planungsprozess mit diversen Überarbeitungen bis zum vorliegenden<br />
Stand begleitet worden. Die nun vorgesehene Lösung sei auch in Respekt zur umliegenden<br />
Bebauung als realisierbar eingestuft und genehmigt worden.<br />
14. § 58 BPG sieht vor, Bauten, Anlagen, Reklamen, Aufschriften und Bemalungen seien mit<br />
Bezug auf die Umgebung so zu gestalten, dass eine gute Gesamtwirkung entstehe. Anders<br />
als ein blosses Verunstaltungsverbot schützt diese von der grossrätlichen Kommission<br />
für Raumplanungsfragen eingefügte positive Ästhetikgeneralklausel nicht nur das<br />
Bestehende. Jede bauliche Veränderung soll sowohl für die Baute selbst als auch für die<br />
bauliche Umgebung zu einer guten Gesamtwirkung beitragen (vgl. Bericht der Grossratskommission<br />
für Raumplanungsfragen zum Ratschlag und Entwurf zu einem Baugesetz<br />
vom 1. September 1999, III. Bemerkungen zum Entwurf der Kommission, S. 33).<br />
Massgebend für die Beurteilung der Zulässigkeit der Gestaltung sind die jeweiligen örtli-
<strong>Baurekurskommission</strong> <strong>des</strong> <strong>Kantons</strong> <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong> Seite 7<br />
chen Verhältnisse, insbesondere die städtebaulichen Strukturen in ihrer Abhängigkeit<br />
von der konkreten Umgebung und ihrer geschichtlichen Entwicklung.<br />
15. Aus dem Wortlaut der Bestimmung sowie aus dem dazugehörenden Bericht ergibt sich,<br />
dass bei der Beurteilung der Ästhetik die Umgebung miteinzubeziehen ist. Die bestehenden<br />
Gebäude in der Umgebung eines Bauprojekts sind <strong>des</strong>halb bei der Beurteilung der<br />
Ästhetik zu berücksichtigen, wobei nicht die Zone, in welcher sie sich befinden, im Vordergrund<br />
steht, sondern vielmehr ihre sichtbare Gestaltung. Zu dieser gehört unter anderem<br />
auch die architektonische und kubische Form eines Bauwerks. Das Verwaltungsgericht<br />
hat in seinem Entscheid vom 8. Dezember 2004 i. S. P. AG dementsprechend festgehalten,<br />
grundsätzlich unterliege auch das Volumen eines Gebäu<strong>des</strong> den Vorgaben der<br />
ästhetischen Generalklausel. Da bei der Zonenordnung bereits Erwägungen ästhetischer<br />
Natur mitveranschlagt seien, sei aber im Zusammenhang mit zonenkonformen Baukörpern<br />
§ 58 Abs. 1 BPG zurückhaltend anzuwenden.<br />
16. Die <strong>Baurekurskommission</strong> und der beigezogene Experte für <strong>Stadt</strong>bildschutz beurteilen<br />
die gute Gesamtwirkung gemäss § 58 BPG als eingehalten. Die Tatsache, dass das Projekt<br />
der Beigeladenen die an der Bernoullistrasse bereits vorhandene Bautiefe aufnimmt,<br />
ist im Hinblick auf die Ästhetik nicht zu beanstanden. Dies umso weniger, als dass es<br />
sich um eine zonenkonforme Bautiefe handelt. Dass die Beigeladenen – beabsichtigt<br />
oder unbewusst - zusammen mit der Eigentümerschaft der Liegenschaft Bernoullistrasse<br />
4, welche auf ihrer Liegenschaft einen Neubau vorsieht, eine Hinterhofstrategie entworfen<br />
haben, ist zu begrüssen. Das vorliegend zu beurteilende Bauvorhaben muss jedoch<br />
unabhängig vom benachbarten Neubauprojekt beurteilt werden, das zufällig zeitgleich<br />
zur Beurteilung vorliegt. Im Übrigen befindet sich das vorliegend zu beurteilende Bauvorhaben<br />
im Unterschied zum Neubauprojekt nicht direkt am Zonenübergang. Die<br />
Einhaltung der guten Gesamtwirkung gemäss § 58 BPG ist eingehalten. Der Rekurs wird<br />
auch in diesem Punkt abgewiesen.<br />
Lichteinfallswinkel<br />
17. Schliesslich machen die Rekurrenten geltend, an den Rändern der Zone 5 habe sich der<br />
zulässige Lichteinfallswinkel nach den Vorschriften der angrenzenden Zone zu richten.<br />
Der geplante Umbau habe <strong>des</strong>halb den Lichteinfallswinkel der <strong>Stadt</strong>- und Dorfbild-<br />
Schutzzone einzuhalten; „im Zweifel“ gelte dort analog der Zone 2a bis 5a ein Lichteinfallswinkel<br />
von 45°.<br />
18. Das Bauinspektorat führt dazu aus, die geplante Aufstockung befinde sich, ebenso wie<br />
der angrenzende Teil der Nachbarparzelle mit dem „Schuppen“ der Rekurrenten, in der<br />
Zone 5. Ausserdem lege das BPG für die Schutzzone keinen Lichteinfallswinkel fest,<br />
weswegen der Neubau gegen die Nachbarparzelle der Rekurrenten auch keinen solchen<br />
Winkel einhalten müsse. Sei es dennoch notwendig, einen Winkel anzunehmen, werde<br />
in der Schutzzone praxisgemäss ein Lichteinfallswinkel von 60° angewandt; dies da die<br />
Schutzzone hauptsächlich in der Innenstadt vorkomme, wo aufgrund der <strong>Stadt</strong>entwicklungsgeschichte<br />
enge Verhältnisse herrschten.
<strong>Baurekurskommission</strong> <strong>des</strong> <strong>Kantons</strong> <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong> Seite 8<br />
19. Räume, in welchen Menschen arbeiten oder wohnen, sollen über eine genügende Beleuchtung<br />
verfügen, insbesondere auch über Tageslicht. Die entsprechende Regel lässt<br />
sich auf Bun<strong>des</strong>ebene in Art. 15 der Verordnung 3 vom 18. August 1993 zum Arbeitsgesetz<br />
und im kantonalen Recht in § 4 <strong>des</strong> Wohnungsgesetzes vom 18. April 1907 finden.<br />
Hintergrund dieser Bestimmungen ist die Erkenntnis, dass Tageslicht für das Wohlbefinden<br />
und die Gesundheit der Menschen und somit für die Wohnhygiene unerlässlich ist.<br />
Um zu garantieren, dass bewohnte Räume wie Wohn- und Schlafzimmer oder Küchen<br />
und Wohnküchen genügend Licht aufweisen, sieht § 65 BPG vor, die Fensterfläche dieser<br />
Räume dürfe nicht kleiner als ein Zehntel der Bodenfläche sein. An diese Fläche angerechnet<br />
werden jedoch nur Fenster, welche einen bestimmten Lichteinfallswinkel zur<br />
Horizontalen aufweisen. In den Zonen 6 und 5 beträgt der Lichteinfallswinkel höchstens<br />
60°/360, in den anderen mit Ziffern bezeichneten Zonen 45°/360. Der Lichteinfallswinkel<br />
ist zu den angrenzenden Grundstücken einzuhalten; befindet sich ein Gebäude an einer<br />
Zonengrenze, muss es demnach denjenigen Lichteinfallswinkel einhalten, welcher für<br />
die Zone <strong>des</strong> Nachbargrundstücks gilt.<br />
20. Für die <strong>Stadt</strong>- und Dorfbild-Schutzzone legt das BPG keinen Lichteinfallswinkel fest. Darüber<br />
besteht entgegen der Wortwahl der Rekurrenten kein „Zweifel“; eine analoge Anwendung<br />
<strong>des</strong> für die Zone 2a bis 5a geltenden Lichteinfallswinkel widerspräche dem Willen<br />
<strong>des</strong> Gesetzgebers, für die <strong>Stadt</strong>- und Dorfbildschutzzone eben gerade keinen Lichteinfallswinkel<br />
festzulegen, und ist <strong>des</strong>halb ausgeschlossen. Dies bedeutet in<strong>des</strong> nicht,<br />
dass Gebäude in der Schutzzone, bzw. ihre Bewohner und Bewohnerinnen durch Nachbargebäude<br />
verursachte Schattenimmissionen unbeschränkt ertragen müssten. Vielmehr<br />
sind Art. 15 der Verordnung 3 zum Arbeitsgesetz und § 4 <strong>des</strong> Wohnungsgesetzes<br />
auch in dieser Zone anwendbar. Das Gebäude der Rekurrenten wird soweit bekannt zu<br />
Wohnzwecken genutzt, weswegen im vorliegenden Fall insbesondere die letztgenannte<br />
Bestimmung ausschlaggebend ist. Die Maximalhöhe der geplanten Aufstockung ist <strong>des</strong>halb<br />
so festzulegen, dass die Räume der Liegenschaft der Rekurrenten weiterhin „„hinreichend“<br />
beleuchtet werden. Bei der Auslegung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs<br />
darf berücksichtigt werden, dass der Gesetzgeber durch die Festlegung eines Lichteinfallswinkels<br />
von 60° in anderen Zonen die Meinung geäussert hat, der bei einem solchen<br />
Winkel verursachte Schattenwurf sei nicht übermässig und die Räume eines davon<br />
betroffenen Nachbargebäu<strong>des</strong> würden bei Einhaltung eines solchen Winkels hinreichend<br />
belichtet.<br />
21. Um zu entscheiden, ob die Liegenschaft der Rekurrenten auch nach erfolgter Erstellung<br />
<strong>des</strong> geplanten Umbaus hinreichend belichtet wäre, muss nicht zwingend auf Zahlen zurückgegriffen<br />
werden. Will man dies dennoch tun, kann festgestellt werden, dass der geplante<br />
Umbau eine Höhe aufweist, bei welcher gegenüber der Liegenschaft der Rekurrenten<br />
ein Lichteinfallswinkel von 60° eingehalten wird. Wie oben dargelegt wurde, darf<br />
davon ausgegangen werden, dass bei einem solchen Winkel die Schattenimmissionen<br />
das zulässige Mass nicht überschreiten. Das Recht der Anwohner und Anwohnerinnen<br />
auf eine hinreichende Belichtung wird mit dem Umbauprojekt demnach respektiert. Ein<br />
Recht auf eine über das Min<strong>des</strong>tmass hinausgehende Belichtung existiert aber nicht. Es<br />
ist <strong>des</strong>halb kein Grund ersichtlich, weswegen im vorliegenden Fall ein kleinerer Lichteinfallswinkel<br />
angewandt, bzw. auf eine tiefere Gebäudehöhe bestanden werden sollte.<br />
Dies umso weniger, als die Bauherrschaft gestützt auf ihre Eigentumsfreiheit grundsätz-
<strong>Baurekurskommission</strong> <strong>des</strong> <strong>Kantons</strong> <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong> Seite 9<br />
lich das Recht hat, in der Zone 5 ein fünfstöckiges Gebäude zu errichten. Zudem sind<br />
die örtlichen Gegebenheiten am betroffenen Ort sehr eng, was ebenfalls für die Anwendung<br />
eines grösseren Lichteinfallswinkels spricht.<br />
22. Der Vorinstanz ist <strong>des</strong>halb zuzustimmen, dass die projektierte Gebäudehöhe die Bestimmungen<br />
über eine hinreichende Belichtung der Nachbargebäude einhält und demnach<br />
nicht reduziert werden muss. Der Rekurs ist auch in dieser Hinsicht abzuweisen.<br />
Fazit<br />
23. Die Liegenschaft der Beigeladenen befindet sich in der Zone 5 und darf grundsätzlich<br />
den Zonenvorschriften entsprechend überbaut werden. Das geplante Bauvorhaben erfordert<br />
jedoch einen zu starken Rückschnitt der nach Baumgesetz geschützten Linde im<br />
Hinterhof der betroffenen Liegenschaft, der das Überleben <strong>des</strong> Baumes gefährden würde.<br />
Aus diesem Grund wird zum Schutz <strong>des</strong> Baumes eine Redimensionierung <strong>des</strong> Bauvorhabens<br />
im Sinne der Erwägungen verlangt und der Rekurs in diesem Punkt gutgeheissen.<br />
Im Übrigen wird der Rekurs abgewiesen.<br />
24. Bei diesem Ausgang <strong>des</strong> Verfahrens wird den Parteien gemäss § 5 Abs. 4 BRKG und in<br />
Verbindung mit § 30 Abs. 1 Verfassungs- und Verwaltungsrechtspflegegesetz (VRPG)<br />
und § 11 Ziff. 14 der Verordnung über die Gerichtsgebühren eine Spruchgebühr von<br />
CHF 2’500.- auferlegt, die sie je zur Hälfte zu tragen haben. Der Beigeladenen wird eine<br />
Parteientschädigung zugunsten der Rekurrenten in Höhe von CHF 1250.- auferlegt.
<strong>Baurekurskommission</strong> <strong>des</strong> <strong>Kantons</strong> <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong> Seite 10<br />
Demgemäss hat die <strong>Baurekurskommission</strong><br />
e r k a n n t :<br />
://: 1. Der Rekurs wird teilweise gutgeheissen. Das Bauprojekt darf keinen so starken<br />
Rückschnitt der Baumkrone vorsehen, dass die Lebensfähigkeit der Linde gefährdet<br />
wird.<br />
2. Die Sache wird an das Bauinspektorat zurückgewiesen.<br />
3. Die Pläne sind durch die Bauherrschaft dahingehend abzuändern, als der vorspringende<br />
Teil <strong>des</strong> obersten Vollgeschosses im Vergleich zu den heutigen Plänen im<br />
Sinne der Erwägungen so zurückgesetzt wird, dass das Überleben der Linde gewährleistet<br />
ist.<br />
4. Die Rekurrenten und die Beigeladenen haben die Spruchgebühr von CHF 2'500.-<br />
je zur Hälfte zu tragen.<br />
5. Die Beigeladenen haben dem Vertreter der Rekurrenten eine Parteientschädigung<br />
von CHF 1250.- zu zahlen.<br />
6. Dieser Entscheid wird zugestellt an:<br />
- den Vertreter der Rekurrenten (eingeschrieben)<br />
- die Beigeladenen (eingeschrieben)<br />
- das Bauinspektorat<br />
- die <strong>Stadt</strong>bildkommission<br />
- die <strong>Stadt</strong>gärtnerei<br />
- das Hochbau- und Planungsamt<br />
<strong>Baurekurskommission</strong> <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong><br />
Julia Afheldt<br />
Juristische Sekretärin<br />
Rechtsmittelbelehrung<br />
Gegen den vorliegenden Entscheid kann beim Verwaltungsgericht Rekurs erhoben werden.<br />
Der Rekurs ist innert 10 Tagen nach Zustellung <strong>des</strong> Entschei<strong>des</strong> schriftlich anzumelden. Innert<br />
30 Tagen, vom gleichen Zeitpunkt an gerechnet, ist die Rekursbegründung einzureichen,<br />
welche die Anträge der Rekurrierenden und deren Begründung mit Angabe der Beweismittel<br />
zu enthalten hat.