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Der Maibaum und seine Geschichte<br />
Brauchtum um ein altes Symbol<br />
Von Monika Stolzenberger und Joachim Bay, OG Engstlatt<br />
In ganz Deutschland ist der Maibaum das Symbol für den<br />
Wonnemonat Mai und <strong>Kultur</strong> und Tradition zugleich.<br />
Bereits in der Antike finden sich Zeugnisse, die auf ihn<br />
verweisen. Vielfach findet man auf altägyptischen Siegeln<br />
Zweige und mit frischem Grün umwundene Stäbe in<br />
verkürzter Form. Die Römer weihten den Monat Mai der<br />
Göttin des Wachstums, der Fruchtbarkeit und des<br />
Gedeihens der Pflanzen. Sie hieß Maia und gab dem<br />
Monat ihren Namen. Der Tanz um einen zentral<br />
aufgestellten großen Maibaum, in dem auch die Römer<br />
ein Phallussymbol sahen, gehörte zur Maifeier, die<br />
jedenfalls von den römischen Floralia, dem Blumenfest,<br />
herrührte. So soll der Maibaum, der heute noch in der<br />
Mitte des Ortes aufgestellt wird, seine ganze Segenskraft<br />
ausbreiten.<br />
Diese Tradition geht zurück bis ins 13. Jahrhundert, denn<br />
im Jahre 1225 ließ der Stadtvogt von Aachen einen mit<br />
Kränzen behangenen Baum aufrichten. Fröhlich und ausgelassen<br />
tanzten nahezu alle Gemeindemitglieder um einen<br />
großen Maibaum. Der Pfarrer nahm an diesem Brauch, der<br />
für ihn eindeutig heidnischen Ursprungs war, derart Anstoß,<br />
dass er kurzerhand zur Axt griff und den Baum fällte. 1334<br />
wird erstmals erwähnt, dass junge Burschen ihren Mädchen<br />
den Liebesmaien steckten. Dieser Brauch wird auch heute<br />
noch gepflegt, und oft sind diese Bäumchen sehr<br />
phantasievoll gestaltet. Im 15./16. Jahrhundert festigte sich<br />
zusehends der Brauch des Maiensteckens. Die Burschen<br />
steckten die mit Bänderschmuck versehenen Bäumchen<br />
dann vor das Haus ihres Mädchens. Maibäume in der<br />
heutigen Form sind erstmals zu Beginn des 16. Jahrhunderts<br />
in Franken erwähnt. Seit der ersten Hälfte des 17.<br />
Jahrhunderts ist das regelmäßige, termingebundene Aufrichten<br />
von Maibäumen als Ehrenzeichen für die Obrigkeit<br />
überliefert. In Bayern entstanden figurengeschmückte Maibäume<br />
von enormer Größe. In den 1930er Jahren wurden<br />
zum „Tag der Arbeit“ (1. Mai) geschmückte Bäume<br />
aufgestellt und nach 1933 mit Symbolen des Handwerks und<br />
des Bauerntums geschmückt.<br />
Dieses Brauchtum wurde einige Zeit in Engstlatt nicht<br />
gepflegt und erst in den 1960er Jahren wieder zum Leben<br />
erweckt, nun auch im Sinne einer folkloristischen<br />
Wertschätzung durch den Tanz mit Bändern. Mit Pferdefuhrwerk<br />
war das Maibaumaufstellen damals noch eine<br />
rustikal-zünftige Angelegenheit. Der Club 68 hat von 1969<br />
bis 1973 diese Tradition des Maibaumaufstellens in<br />
Engstlatt wieder eingeführt.<br />
Nach dessen Auflösung übernahm 1974 die Albvereinsortsgruppe<br />
das Aufstellen des Maibaumes, und Hunderte<br />
von Menschen lassen jedes Mal dieses Ereignis zu etwas<br />
Besonderem werden. Der Festzug zum Aufstellplatz und das<br />
Aufstellen des Maibaumes wird alljährlich durch den<br />
Musikverein Engstlatt begleitet. In den 1970er Jahren bis<br />
1985 umrahmte die damalige Jugendgruppe das Programm,<br />
die sich leider später auflöste.<br />
Zum 100-jährigen Bestehen der Albvereinsortsgruppe<br />
Engstlatt 1993 und zum 20-jährigen Aufstellen des<br />
Maibaumes wurden von der Langwiesenschule Wappen aus<br />
OG Engstlatt<br />
Zentraler Ort neben Rathaus und Kirche für den<br />
Engstlatter Maibaum<br />
20<br />
Holz geschnitzt, die seither den Maibaum zieren. Seit 1996<br />
beteiligt sich ebenfalls der junge Narrenverein „Sandsäcke“<br />
an der Ausgestaltung dieses Festes.<br />
Ein besonderer Anlass zum Feiern bot das 25-jährige<br />
Jubiläum 1998. Wie bereits beim 20-jährigen, umrahmte die<br />
Volkstanzgruppe der Albvereinsortsgruppe Heuberg-Baar-<br />
Gau das Programm mit Tänzen. In Engstlatt ist nun seit 29<br />
Jahren die Albvereinsortsgruppe der Initiator und<br />
Organisator dieser Veranstaltung.<br />
Für die Sicherheit der Helfer hat die Ortsgruppe 1996 und<br />
1997 Aluschwalben angeschafft. Dies war deshalb<br />
erforderlich, da der Maibaum in Engstlatt noch nach alter<br />
Väter Sitte – per Muskelkraft – aufgestellt wird. 1993 hatte<br />
Schlossermeister Erwin Schlaich die Idee, dass es etwas<br />
geben müsste, um das Baumende gefahrlos in das dafür<br />
vorgesehene Halterungsloch einzuführen. Aus dieser Idee<br />
hat sich der so genannte „Schuhlöffel“ entwickelt, der immer<br />
zuverlässig seinen Dienst versieht.