Dezember 2010
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In der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 brannten<br />
jüdische Synagogen in ganz Deutschland.<br />
Schaufenster jüdischer Geschäfte wurden zertrümmert,<br />
die Wohnungen jüdischer Bürger demoliert<br />
und die Bewohner misshandelt. 91 Tote, 267 zerstörte<br />
Gottes- und Gemeindehäuser und 7.500 verwüstete<br />
Geschäfte - das war die "offizielle" Bilanz<br />
des Terrors. Tatsächlich starben während und<br />
unmittelbar in Folge der Ausschreitungen weit<br />
mehr als 1.300 Menschen, mit mindestens 1.400<br />
wurden über die Hälfte aller Synagogen oder<br />
Gebetshäuser in Deutschland und Österreich stark<br />
beschädigt oder ganz zerstört. (1)<br />
Was geschah aber am 9. November<br />
in Greifswald? Wie erging es den<br />
Juden in unserer Hansestadt?<br />
Juden gab es seit dem Mittelalter nachweislich in<br />
Greifswald. Erst im 19. Jahrhundert gründete sich<br />
eine kleine Synagogengemeinde. Im September<br />
1935 leitete der Nürnberger NSDAP-Parteitag eine<br />
neue Phase der Judenverfolgung ein. (2) So wurde<br />
in der Folge dieser Gesetze unter anderem an der<br />
Greifswalder Universität "nichtarischen" Professoren<br />
die Prüfungsberechtigung entzogen, was z. B.<br />
den Mediziner Wilhelm Steinhausen oder den<br />
Historiker Fritz Curschmann traf. Den Prodekan der<br />
Rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät, Professor<br />
Hermann Jahrreiss, enthob man seines Amtes.<br />
Nachweislich meldeten bis 1938 viele jüdische<br />
Greifswalder Geschäftsleute ihr Gewerbe ab, weil sie<br />
Greifswald verließen oder ihnen wegen der antisemitischen<br />
Schikanen die Geschäftsbasis entzogen<br />
war. Unter ihnen waren Julius Futter, Georg<br />
Feldmann oder auch Josef Brandwein.(3) Im<br />
Hinterhaus seines Geschäfts, im Seitenflügel des<br />
Hauses Steinbecker Straße 27, befand sich der letzte<br />
Greifswalder Betraum der immer kleiner werdenden<br />
Greifswalder Synagogengemeinde.<br />
Der 9. November - ein unvergessener<br />
schwarzer Tag des Antisemitismus<br />
Auch in Greifswald kam es am Abend des 9.<br />
November 1938 zu Randalen. In der Greifswalder<br />
Zeitung hieß es am folgenden Tag nur: "Vor allen<br />
jüdischen Geschäften und Wohnungen der Juden<br />
fanden spontane Kundgebungen und Demonstrationen<br />
statt,…wenn es trotz alledem zu ernsthaften<br />
Ausschreitungen gegen die Juden nirgends gekommen<br />
ist, so ist dies nur der unerhörten Disziplin<br />
unserer Volksgenossen zu danken" (4) Weniger verklärt<br />
hielt der Greifswalder Otto Wobbe die<br />
Geschehnisse in seinem Tagebuch fest: "In der<br />
Nacht vom 9. auf den 10. werden die Läden der jüdischen<br />
Firmen Joel und Biermann demoliert." (5)<br />
Auch Zeitzeuge Hans Futter erinnert sich an die<br />
Reichspogromnacht in Greifswald anders. 1922 in<br />
Greifswald geboren ging er seit Sommer 1937 in<br />
Berlin in eine Schule, auf der vor allem jüdische<br />
Kinder unterrichtet wurden. An einer Greifswalder<br />
Schule durfte er nicht verbleiben, er wurde isoliert.<br />
"Während der Kristallnacht wurde mein Vater<br />
gewarnt, dass die jüdischen Männer verhaftet werden<br />
sollten. Zusammen mit Georg Feldmann verließ<br />
er für einige Tage Greifswald. Nach ihrer<br />
Rückkehr wurden sie aber dann doch verhaftet und<br />
für etwa drei Monate ins Konzentrationslager<br />
Sachsenhausen bei Berlin gebracht. Wer Papiere<br />
nachweisen konnte, dass er bald Deutschland verlassen<br />
würde, wurde entlassen. Da meine Mutter<br />
inzwischen falsche Einreisepapiere des kubanischen<br />
Konsulats besorgt hatte, wurde auch Vater entlassen.<br />
Meine Eltern gaben noch Wohnung und<br />
Geschäft auf und zogen nach Berlin." (6)<br />
Ein Jahr später emigrierte Hans Futter mit seinem<br />
Bruder nach England. Während der ersten<br />
Kriegsjahre mussten seine Eltern in der<br />
Rüstungsproduktion bei Siemens arbeiten. 1942<br />
brachte man sie nach Auschwitz, wo sie ein Jahr<br />
später ermordet wurden.<br />
Text: BeKa, Quellen:<br />
(1)www.dhm.de/lemo/html/nazi/antisemitismus/<br />
kristallnacht/index.html (2) Wolfgang<br />
Wilhelmus:"Geschichte der Juden in Greifswald<br />
und Umgebung : von den Anfängen bis zum<br />
Holocaust", Kückenshagen: Scheunen-Verl., 1999,<br />
S.9 / (3) s. o. S. 81 / (4) s. o. S. 86, Greifswalder<br />
Zeitung, 10.11.1938 / (5) s. o. S.86 / (6) s. o. S. 86<br />
Fotos aus Wolfgang Wilhelmus: "Geschichte der<br />
Juden in Greifswald und Umgebung : von den<br />
Anfängen bis zum Holocaust", Kückenshagen:<br />
Scheunen-Verl., 1999<br />
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den 03.01.2011 wieder von 9.00 bis 17.30 Uhr geöffnet.<br />
Informationszentrum am Haupteingang der EWN<br />
Geschäft von Josef Brandwein in der Steinbecker Straße nach 1945<br />
Im Hinterhaus befand sich der letzte Greifswalder Betraum<br />
Die Reichspogromnacht 1938 in Greifswald<br />
17509 Lubmin · Tel.: 038354-480 29 · Fax: 038354-480 34 · E-Mail: info@ewn-gmbh.de · www.ewn-gmbh.de<br />
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