Dr. Roman Janssen - Schwaben-Kultur
Dr. Roman Janssen - Schwaben-Kultur
Dr. Roman Janssen - Schwaben-Kultur
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
„An einem so wichtigen Punkte und in so fruchtbarer Gegend gelegen“<br />
Diese Bemerkung der Oberamtsbeschreibung von 1855 fängt die Grundbedingungen<br />
der Anfänge Herrenbergs treffend ein: Zu Füßen der 1228 erstmals erwähnten, auf einem weit<br />
ins Gäu ragenden Sporn des Schönbuchs errichteten Burg war die Stadt um die Mitte des<br />
13. Jahrhunderts von den Pfalzgrafen von Tübingen planmäßig im Halbrund am Hang des<br />
„Berges der Herren“ angelegt und dann zu jenem unverwechselbaren Profil ausgebaut worden,<br />
wie es Merian 1643 in typisierender Überhöhung festgehalten hat.<br />
Zu jeder Zeit etwas Besonderes<br />
Herrenberg, Metropole des Gäus<br />
Von <strong>Dr</strong>. <strong>Roman</strong> <strong>Janssen</strong>, Stadtarchiv Herrenberg<br />
Tatsächlich wurde der Charakter als Residenz für das<br />
wirtschaftliche Leben bestimmend. Hofhaltung und<br />
kapitalkräftige Patrizierfamilien prägten die Frühzeit der<br />
Stadt, für die ein florierender Markt, Keltern, Weinbau und<br />
eine Anzahl Mühlen im nahen Ammertal sowie<br />
Wirtschaftshöfe der Klöster Hirsau und Bebenhausen<br />
bezeugt sind. Eine örtliche Judenschaft mit eigener<br />
Synagoge vor Mitte des 14. Jahrhunderts weist nicht zuletzt<br />
auf Kapitalbedarf wohl eben der Pfalzgrafen hin.<br />
Im Jahre 1382 kaufte Württemberg Stadt und zugehörige<br />
Herrschaft. Nunmehr Amtssitz, ging Herrenberg einer Zeit<br />
unverkennbaren Aufschwungs entgegen. Vollendung und<br />
Ausgestaltung der Stiftskirche, Schul- und Sozialwesen mit<br />
dem seit etwa 1400 bestehenden Spital, das zugleich die<br />
Aufgabe eines Kreditinstituts wahrnahm, Studien- und<br />
Armenstiftungen zeugen von wirtschaftlichem und kulturellem<br />
Niveau, der regionale Stellenwert des Marktes und der<br />
Zuzug von außen von wachsender Wirtschafts- und einiger<br />
Anziehungskraft.<br />
Das steigerte sich noch nach der Reformation, und am<br />
sprechendsten für diese große Zeit Herrenbergs ist wohl,<br />
dass keine der Katastrophen in dieser bewegten Epoche,<br />
weder ein verheerender Stadtbrand 1466 noch die Erstürmung<br />
im Bauernkrieg 1525, einen nennenswerten<br />
6<br />
Rückschlag brachte. Besitzbürgertum und zur Ehrbarkeit<br />
gehörende Familien übten Einfluss weit über die Stadt<br />
hinaus, die Verbindungen reichten insbesondere bis in die<br />
Schweiz und ins Elsass.<br />
Es blieb kennzeichnend für die Wirtschaft, dass sie keine<br />
Kumulierung einzelner Berufszweige aufwies, abgesehen<br />
von den Tuchern, Zeugmachern und Webern und den an<br />
der Selbstversorgung der Einwohnerschaft orientierten<br />
Berufen. Charakteristisch war vielmehr die Vielgestaltigkeit,<br />
ein breit gefächertes Handwerk und Gewerbe, dabei neben<br />
Kaufleuten gerade auch solche mit besonderer Qualifikation<br />
wie Goldschmiede, Messerschmiede oder Zinngießer.<br />
Zwei große Söhne<br />
Zudem beherbergte die Stadt in dieser Zeit eine ganze<br />
Reihe von weithin tätigen Künstlern. Bedeutend waren<br />
ferner die Impulse im Bereich der Wissenschaften, die von<br />
Herrenberg ausgingen. Zwei der größten Söhne der Stadt<br />
waren Heinrich Schickhardt, der bekannte und viel<br />
talentierte württembergische Baumeister (1558-1635), und<br />
sein Neffe, der Tübinger Professor Wilhelm Schickhardt<br />
(1592-1635), Orientalist, Astronom, Geodät und 1623, im<br />
Geburtsjahr Pascals, Erfinder der ersten funktionierenden<br />
Rechenmaschine der Welt (s. S. 9 „nachgefragt“).<br />
Stadtarchiv Herrenberg