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42 45_KAL MEN Gilles 04.05.2005 14:17 Uhr Seite 42<br />

<strong>MENSCHEN</strong> <strong>PORTRÄT</strong><br />

Michael Gilles Nach Lehrjahren bei teNeues in<br />

Kempen hält der Kalenderexperte seit April 2004<br />

das Geschäft mit den Zeitläufen bei DuMont<br />

in Schwung. Sein Gespür für Zahlen, Trends und<br />

Traditionen kommt in Köln gut an.<br />

42 | 4-2005 börsenblatt SPEZIAL<br />

Geübt im<br />

VON EMMANUEL VAN STEIN (TEXT UND FOTOS)<br />

Seine früheste Erinnerung an einen Kalender?<br />

Die Frage scheint Michael Gilles tatsächlich zu<br />

überraschen. Der Geschäftsführer des Kölner<br />

DuMont Kalenderverlags legt Messer und Gabel beiseite<br />

und überlegt einen Moment, dann ist er sich<br />

ziemlich sicher: »Bei meinen Eltern in Kempen hing<br />

immer ein Picasso-Kalender in der Küche.« An derselben<br />

Wand prangt inzwischen der »Küchenkalender«,<br />

natürlich von DuMont. Dieses Prachtexemplar<br />

würde sich wahrscheinlich auch in Grubers Restaurant<br />

prima machen. In dem stilvollen österreichischen<br />

Bistro in Rheinnähe, nur ein paar<br />

Autominuten entfernt vom gläsernen DuMont-Verlagsgebäude<br />

an der Amsterdamer Straße, haben wir<br />

uns zum Gespräch verabredet.<br />

Gilles bestellt ohne lange die Speisekarte zu studieren<br />

ein Wiener Schnitzel. Dann plaudert er über<br />

sein Elternhaus in Kempen, eine charmante Kleinstadt<br />

am Niederrhein nahe der holländischen Grenze.<br />

In der Familie von Michael Gilles scheint man auf<br />

Tradition Wert zu legen – jedenfalls schickte sie ihre<br />

männlichen Vertreter drei Generationen lang zum<br />

Kempener Verlag teNeues. Der Großvater arbeitete<br />

als Drucker, der Vater als Verkaufsleiter bei der te-<br />

Neues Druckerei, Michael Gilles ließ sich nach dem<br />

Abitur beim teNeues Kalender-Verlag zum Verlagskaufmann<br />

ausbilden.<br />

Wie kam es zu dieser Entscheidung? Halb zog es<br />

ihn, halb sank er hin? »Nein, nein«, energisch winkt<br />

der 31-Jährige ab, »mein Berufsweg wurde mir nicht<br />

diktiert, mein Vater hat mich aber oft in die Druckerei<br />

mitgenommen, auch schon mal über Nacht.«<br />

Und so fand Gilles rasch Gefallen an der Branche:<br />

»Nach dem Abitur stand mein Entschluss dann ➤


42 45_KAL MEN Gilles 04.05.2005 14:17 Uhr Seite 43<br />

Spagat


42 45_KAL MEN Gilles 04.05.2005 14:18 Uhr Seite 44<br />

<strong>MENSCHEN</strong> <strong>PORTRÄT</strong><br />

ZUR PERSON<br />

Michael Gilles, geboren am<br />

5. April 1974 in Kempen /<br />

Niederrhein, absolvierte nach<br />

dem Abitur eine Ausbildung<br />

zum Verlagskaufmann im<br />

Verlag teNeues. Nach einer<br />

Fortbildung zum Verlagsfachwirt<br />

/ Marketing und<br />

verschiedenen Stationen im<br />

Vertrieb bei teNeues<br />

wechselte er 2001 als Key<br />

Accounter zum DuMont<br />

monte Verlag. Seit April 2004<br />

ist Gilles Geschäftsführer des<br />

DuMont Kalenderverlags. Er<br />

lebt mit seiner Lebensgefährtin<br />

in Kempen am<br />

Niederrhein.<br />

44 | 4-2005 börsenblatt SPEZIAL<br />

➤ endgültig fest, aber eigentlich war er schon<br />

lange vorher klar. Autos zu verkaufen, hätte ich<br />

mir zum Beispiel nicht vorstellen können.«<br />

Auch ein Studium wurde nicht in Erwägung gezogen?<br />

Michael Gilles antwortet offen und ehrlich:<br />

»Mir war damals die Praxis wichtiger als die<br />

Theorie.« Ein Schritt, den er jedoch nie bereut<br />

hat: »Als Auszubildender war ich mitten im Geschehen.«<br />

Und er lernte sehr schnell sämtliche<br />

Facetten des Kalendergeschäfts kennen: Bei te-<br />

Neues betreute Gilles den Verkauf an Museen<br />

und Galerien, an Nebenmärkte wie beispielsweise<br />

Supermarktketten, und fand zunehmend<br />

Freude an der Kunst. Schade nur, meint er, dass<br />

die Kunden eigentlich immer die gleichen Kalendermotive<br />

bevorzugen: »Bei Monet müssen es<br />

halt die Seerosen sein.«<br />

In Kempen bei teNeues brachte Gilles es bis<br />

zum Abteilungsleiter der Werbe- und Industrieproduktionen.<br />

Nach acht Jahren und nach einer<br />

Fortbildung zum Verlagsfachwirt mit Schwerpunkt<br />

Marketing sei er in eine Art »Sinn- und<br />

Schaffenskrise« geraten: »Deshalb wollte ich mal<br />

etwas anderes als immer nur Kalender machen.«<br />

Allerdings nicht außerhalb des Verlagswesens.<br />

Als ihm im Jahr 2001 der DuMont monte Verlag<br />

eine Anstellung als Key Accounter für das damals<br />

noch junge MA-Programm anbot, griff<br />

Gilles sofort zu. Und pendelt seither zwischen<br />

Kempen und Köln. 150 Kilometer jeden Tag,<br />

insgesamt jeweils anderthalb Stunden Fahrzeit<br />

und somit auch weniger Freizeit. Eine Entscheidung,<br />

die er gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin<br />

getroffen hat, die ebenfalls in der Ver-<br />

lagsbranche tätig ist. Am Niederrhein, vor allem<br />

im gemütlichen Kempen, ist es am schönsten –<br />

darauf schwören beide und reservieren die Wochenenden<br />

füreinander.<br />

An seinem Kölner Arbeitsplatz erklomm<br />

Michael Gilles flink die Karriereleiter: Als die<br />

Buchproduktion von DuMont monte Ende 2003<br />

aus wirtschaftlichen Gründen eingestellt wurde,<br />

firmierte der 1956 gegründete Programmbereich<br />

Kalender der DuMont Verlage kurz darauf<br />

unter dem eigenständigen Namen DuMont Kalenderverlag,<br />

seit April vergangenen Jahres mit<br />

Michael Gilles an der Spitze. Mit großem Engagement<br />

kümmert er sich seither um die Kunden,<br />

entwickelt Programme und trägt die wirtschaftliche<br />

Verantwortung. Unterstützt wird Gilles<br />

dabei von acht Mitarbeitern, »ohne die ich das<br />

alles auch gar nicht schaffen würde – wir sind ein<br />

gutes Team«.<br />

Kalender hin, Kalender her, was ist bei Du-<br />

Mont anders als bei den Mitbewerbern? Vor allem<br />

die großen Kalenderverlage, erklärt Gilles,<br />

sind Vollsortimenter, die Kalender zu jedem<br />

Thema und fast überall vertreiben. DuMont hingegen<br />

habe nicht den Anspruch, alles und jedes<br />

zu machen. »Ein Bayern-München-Kalender mit<br />

DuMont-Logo drauf«, beschreibt der Geschäftsführer<br />

die Verlagsphilosophie, »das geht einfach<br />

nicht.«<br />

Von Trends und Traditionen<br />

Was geht und bei DuMont Tradition hat, das<br />

sind Kunst- und Fotokalender, darunter auch der<br />

»DuMont Art-Kalender«, »DuMonts Großer<br />

Kunstkalender« und »Der Goldene DuMont-<br />

Kunstkalender«, ein beliebter Klassiker seit<br />

rund fünf Jahrzehnten. Insbesondere diese drei<br />

Titel betreut nach wie vor Altverleger Ernst<br />

Brücher - zur großen Freude von Michael Gilles:<br />

»Ernst Brücher steht uns immer noch zur Seite<br />

und wirkt mit all seiner Erfahrung aktiv im Hintergrund<br />

mit.« Langsam gerät Gilles ins Schwärmen,<br />

vom »immer spannenden Kalendergeschäft,<br />

das nicht so staubtrocken und stets im<br />

Fluss« sei. Kalender sind nun einmal jedes Jahr<br />

neu. Die Programmplanung sei immer wieder<br />

mit einem hoffnungsfrohen Blick in die Zukunft<br />

verbunden, meint Gilles. Gegen Ende des Jahres<br />

treibe ihn der Job allerdings in einen Spagat:<br />

»Dann kann ich die aktuellen Kalender nicht<br />

mehr sehen und die neuen Titel kaum abwarten«,<br />

so Gilles. Momentan ist die Produktion<br />

2006 so gut wie fertig, sind die Kalender 2007<br />

bereits in der Planung. Doch woher weiß Gilles<br />

eigentlich, was die Deutschen im Jahr nach der


42 45_KAL MEN Gilles 04.05.2005 14:18 Uhr Seite 45<br />

Lesen, Reisen, Kochen: Kalenderexperte Michael Gilles hat viele Leidenschaften.<br />

Als Ausgleich zum Schnitzel gibt es zu Hause mediterrane Küche<br />

Fußball-Weltmeisterschaft kalendertechnisch bevorzugen<br />

werden? »Man muss lernen, Gespür zu<br />

entwickeln und gleichzeitig eigene Vorstellungen<br />

zurückzustellen«, versichert der noch junge,<br />

freilich schon recht erfahrene Experte. Umfangreiche<br />

Marktforschung und langfristige Trends<br />

geben dabei die Richtung vor: »Wenn das Volk<br />

Katzenkalender haben will, dann bekommt es<br />

sie, Katzen gehen immer«, meint Gilles und ergänzt:<br />

»Viele DuMont-Kalender begleiten unsere<br />

Kunden seit Jahrzehnten – darauf sind wir<br />

stolz. Aus dem Programm 2006 laufen besonders<br />

die Küchen- und Gartenkalender gut an.«<br />

Kaufmann mit Leidenschaften<br />

Jetzt ist es an der Zeit, dass der Kalenderexperte<br />

Farbe bekennt: Welche Kalender hängen<br />

bei ihm zu Hause an der Wand? Seine Antwort<br />

kommt unerwartet: »Kein einziger!« Das muss<br />

er uns aber genauer erklären. »Ich wüsste nicht,<br />

für welchen ich mich entscheiden sollte«, formuliert<br />

er diplomatisch. Im nächsten Jahr aber<br />

werde er vermutlich mit der Tradition der heimischen<br />

kalenderfreien Zone brechen: »Ich liebäugele<br />

mit einem Edition-Panorama-Kalender.«<br />

Ungewöhnliche Formate sind derzeit nämlich<br />

angesagt, »denn die Kalenderthemen sind fast<br />

ausgereizt« – extrem hoch oder sehr breit, so lautet<br />

die Devise. Und weil DuMont gerade eine<br />

Kooperation mit dem Mannheimer Verlag Edition<br />

Panorama eingegangen ist, kann er aus einem<br />

umfangreichen Sortiment wählen. Gilles ist<br />

stolz auf die Kooperation mit der Edition Pan-<br />

orama, die »exzellente Fotografie, individuelles<br />

Design und höchste Anforderungen an Druck<br />

und Verarbeitung miteinander verbinden.«<br />

Noch also ist das Gillessche Heim bar jeden<br />

Kalenderschmucks. Stattdessen gibt es an den<br />

Wänden zahlreiche Bücherregale. Gelesen wird<br />

an den Wochenenden, gern klassische Werke von<br />

Hemingway bis Dürrenmatt und »aus Zeitgründen<br />

oft nur die gerade aktuellen Titel aus<br />

den Bestsellerlisten«. Auch wenn Michael Gilles<br />

im »Grubers« zumeist ein Schnitzel bestellt,<br />

zum Ausgleich wird zu Hause mediterran gekocht.<br />

Die Kalorien purzeln dann wieder beim<br />

Spazierengehen und beim Radfahren.<br />

Ein Blick in die DuMont-Kalender-Produktion<br />

2006 lässt auch Reiselust aufkommen:<br />

»Schönheit des Nordens«, »Poetische Landschaften«,<br />

»Rügen und Hiddensee«, um nur einige<br />

Titel zu nennen. Gilles zieht es in die Ferne:<br />

Zuletzt standen eine USA-Reise auf dem Programm<br />

und ein Ägypten-Besuch. Immer mit einer<br />

Rundreise verbunden. »Wenn ich unterwegs<br />

bin, dann will ich auch etwas sehen«, sagt er.<br />

Kalender-Motive zum Beispiel. Wir sind wieder<br />

beim Thema. Gilles: »Das Kalendergeschäft<br />

läuft zwar nach wie vor sehr gut, die Verlage<br />

müssen aber aufpassen, dass sie sich nicht selbst<br />

das Leben schwer machen. Es kann nicht im Interesse<br />

der Branche sein, dass ohne Not immer<br />

billigere Kalender auf den Markt geworfen werden.«<br />

Da spricht wieder der Kaufmann aus<br />

Michael Gilles, der sich bei DuMont »sehr zu<br />

Hause fühlt« – und über die weiteren Pläne des<br />

Kalenderverlags noch nichts verraten will. b<br />

DUMONT<br />

KALENDERVERLAG<br />

Verleger: Ernst Brücher<br />

Geschäftsführer: Michael<br />

Gilles<br />

Gegründet: 1956 als Teil des<br />

DuMont Buchverlags<br />

Schwerpunkte: Kunst- und<br />

Fotokalender<br />

Novitäten: ca. 140 Kalender<br />

für 2006<br />

Mitarbeiter: 9<br />

Umsatz: keine Angabe<br />

Amsterdamer Straße 192<br />

50735 Köln<br />

Telefon: 0221 / 224-1823<br />

Fax: 0221 / 224-1812<br />

E-Mail:<br />

info@dumontkalender.de<br />

Internet:<br />

www.dumontkalender.de<br />

4-2005 börsenblatt SPEZIAL | 45

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