Leben wie ein Maharadscha Eine 3 5 1
Leben wie ein Maharadscha Eine 3 5 1
Leben wie ein Maharadscha Eine 3 5 1
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4<br />
1. Good Guide: Anil Kumar vor dem India Gate<br />
2. Delhis Stardesignerin: Hochzeitskleid von Ritu Beri,<br />
www.rituberi.com 3. Palasthotel: Rambagh Palace Hotel in<br />
Jaipur, www.tajhotels.com 4. Luxus auf Rädern: Palace on Wheels<br />
5. Kulinarisches Surprise: das „Maharani“-Restaurant im POW /<br />
1. Good guide: Anil Kumar at India Gate 2. Delhi’s star designer: A wedding<br />
dress by Ritu Beri, www.rituberi.com 3. Fairy-tale castle: Rambagh Palace<br />
Hotel in Jaipur, www.tajhotels.com 4. Palace on Wheels 5. Culinary surprise:<br />
The POW’s Maharani Restaurant<br />
3<br />
1<br />
5<br />
<strong>Leben</strong> <strong>wie</strong> <strong>ein</strong> <strong>Maharadscha</strong> <strong>Eine</strong><br />
märchenhafte Reise in die luxuriöse<br />
Vergangenheit Rajasthans.<br />
The life of a maharaja: A fairy-tale<br />
journey to Rajasthan’s luxurious past.<br />
Text II Sabine Lachinger Fotos II Philipp Horak
40<br />
1<br />
3<br />
1. Abenteuer: Elefantenritt zum Amber-Fort 2. Wahrzeichen:<br />
Palast der Winde 3. Before Dinner Drink: in<br />
der Bar-Lounge des POW 4. Edeljuwelen: Bhandari<br />
Jewellers, www.bhandarijewellers.com 5. Prunkvoll:<br />
„Maharani Suite“ im Rambagh Palace Hotel<br />
6. Streetlife: Alltag in Jaipur 7. Sterngucker: „Jantar<br />
Mantar“-Observatorium / 1. Adventure: Elephant ride to<br />
the Amber Fort 2. Landmark: Hall of Winds 3. Pre-dinner<br />
drink: In the POW’s lounge 4. Fine gems: Bhandari Jewellers,<br />
www.bhandarijewellers.com 5. Magnificent: The<br />
Maharani Suite at the Rambagh Palace 6. Everyday life<br />
in Jaipur 7. Star-gazer: Jantar Mantar Observatory<br />
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6<br />
5<br />
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42<br />
1<br />
1. Edle Stoffe: bei „Craft Palace“ in Jaisalmer 2. Schlafen <strong>wie</strong> <strong>ein</strong> <strong>Maharadscha</strong>:<br />
Suite im POW 3. Wunderwerk: „Raj Mahal“, der Stadtpalast von Jaipur<br />
4. Tradition: Begrüßung mit Blütenblättern 5. Desert City: die Gassen von<br />
Jaisalmer 6. Das tägliche Brot: „Dhal“, Brei aus schwarzen und gelben Linsen<br />
2<br />
3<br />
4<br />
5<br />
1. Dreamy fabrics: Craft Palace<br />
in Jaisalmer’s loveliest building<br />
2. Sleeping like a maharaja: POW<br />
suite 3. Marvel: The city palace Raj<br />
Mahal 4. Tradition: Welcome with flower<br />
petals 5. Desert city: the narrow streets of<br />
Jaisalmer 6. Daily bread: Dhal, a puréed<br />
mixture of black and yellow lentils<br />
6
3<br />
1<br />
2<br />
1. Nobel: Terrasse des Hotels „Umaid Bhawan Palace“, www.welcomheritage.net<br />
2. Kuppelhalle des Umaid Bhawan 3. One-Man-Show. Haarkünstler in Jodhpur 4. Indiens<br />
coolster Drink: Lemon Soda mit Salz 5. Korridor durch den Luxus: POW / 1. Elegant: Terrace<br />
of the Umaid Bhawan Palace Hotel, www.welcomheritage.net 2. Domed vault of the Umaid Bhawan<br />
3. One-man show: Barber in Jodhpur 4. Refreshing: Lemon squash with salt 5. The corridors of luxury: POW<br />
4<br />
TAG 1: DELHI DILEMMA Ich bin spätnachts<br />
gelandet in der 15-Millionen-Stadt Delhi und<br />
habe mich gerade mit dem herben Charme des<br />
staatlich geführten „Ashok Hotel“ angefreundet,<br />
das die Ausmaße <strong>ein</strong>er gottverlassenen<br />
Kl<strong>ein</strong>stadt hat. Vorfreudig schlichte ich<br />
m<strong>ein</strong>e müden Glieder in <strong>ein</strong>e zu kurz geratene<br />
Badewanne, presse m<strong>ein</strong> Ohr an die Muschel<br />
des Telefons im Badezimmer und lerne die<br />
wichtigste aller indischen Lektionen: In <strong>ein</strong>em<br />
Land, wo es 16 Amtssprachen, 330.000 Götter<br />
und 200 verschiedene Arten gibt, <strong>ein</strong>en Turban<br />
zu binden, muss man es mit den fünf Gs<br />
halten: Gelassenheit, Genügsamkeit, Gutmütigkeit,<br />
Geduld und Gandhi.<br />
Der Ablauf <strong>ein</strong>es landesüblichen zwischenmenschlichen<br />
Diskurses ist schnell erklärt:<br />
Wer beharrlich und freundlich darauf besteht,<br />
kriegt am Ende, was er will. Zum Beispiel zwei<br />
Tickets für <strong>ein</strong>e Zugfahrt mit dem luxuriösen<br />
„Palace on Wheels“, um deren Übergabe ich<br />
seit Monaten zunehmend fassungslos kämpfte.<br />
Knapp vor dessen Abfahrt und m<strong>ein</strong>em nervlichen<br />
K. o. darf ich durchatmen. Weil der<br />
Inder in der Regel die gegebenen Zustände als<br />
selbst verursacht betrachtet und sich klaglos<br />
in die gottgewollte Ordnung <strong>ein</strong>fügt. Wer will<br />
schon negatives Karma anhäufen und im nächsten<br />
<strong>Leben</strong> zu <strong>ein</strong>er niedrigeren Wiedergeburt<br />
verdammt s<strong>ein</strong>, bloß weil er s<strong>ein</strong>e Pflichten<br />
vernachlässigt? Grund genug also, um im<br />
Ernstfall auf jeden Kompromiss <strong>ein</strong>zugehen.<br />
Am nächsten Tag mache ich mich mit m<strong>ein</strong>em<br />
Guide Anil und s<strong>ein</strong>em Ambassador auf,<br />
um die letzten zarten Spuren der nächtlichen<br />
Debatte mit <strong>ein</strong>em Big-Smile zu beseitigen.<br />
Kurz vor dem India Gate wird die Luft gefähr-<br />
5<br />
lich dick – tief in diesen faszinierenden Straßenschluchten<br />
rund um Chandni Chowk, das<br />
Einkaufsparadies in Old Delhi, braut sich das<br />
spannendste Verkehrschaos auf dem Globus<br />
zusammen. Der rüdeste Sprössling der Straßenschlacht<br />
ist <strong>ein</strong>e grün-schwarze Kreuzung<br />
zwischen neurotischem Kamel und motorisierter<br />
Hollywoodschaukel. Phut Phut heißt<br />
diese dreirädrige Motorrad-Rikscha im Volksmund,<br />
die knattert, dass es k<strong>ein</strong>e Freude ist.<br />
Die rasanten Busse der „Red Line“ tragen den<br />
etwas smarteren Nickname: Blood Line – und<br />
mittendurch schlendern im Schutz ihrer Heiligkeit<br />
gemächlich Kühe durch das Chaos, trotten<br />
Elefanten zu Festlichkeiten, werden Ochsenkarren<br />
und Pferdefuhrwerke zum unüberwindbaren<br />
Hindernis für die im Lastenverkehr<br />
tätigen Jhota-Buggis, Jalli-Wallahs und Rehra-<br />
Rehris. Sieger in der neuzeitlichen Arena sind<br />
die Bajaj, indische Vespa-Plagiate. Dass die Rotlichter<br />
der meist inaktiven Ampeln den beruhigenden<br />
Schriftzug „Relax“ tragen, bekommt<br />
hier leider niemand mit. Wer also den halsbrecherischen<br />
Wunsch hegt, per pedes <strong>ein</strong>en<br />
Spießrutenlauf zu starten, sollte sich möglichst<br />
noch vor dem Jahr 2020 dazu entschließen,<br />
denn dann wird – so lese ich in der Nachmittags-Zeitung<br />
„Today“ – die Anzahl der Fahrzeuge<br />
in Delhi von 3,8 Millionen auf 22 angestiegen<br />
s<strong>ein</strong>. Spätestens dann sollten Fußgänger<br />
<strong>ein</strong> Testament bei sich tragen.<br />
Elf Kilometer von diesem Szenario entfernt,<br />
geht am lauschigen Bahnhof Delhi Cantonment<br />
langsam die Sonne unter. Während draußen die<br />
Fahrgäste die Dächer der überfüllten Züge<br />
erklimmen, versinken im bewachten Warteraum<br />
sieben Paare aus aller Herren Länder in<br />
45
1. Schönster Sonnenuntergang: Blick vom Fort auf Chittaurgarh<br />
2. Dienstbare Geister: die Cabin Captains Tulsi und Mohan 3. Süße<br />
Versuchung: der letzte Gang im POW 4. Rollende Wellness: Ayurveda-<br />
Package für Zuggäste 5. Wildlife: Safari im Ranthambore Resort<br />
46<br />
2<br />
3<br />
1<br />
4<br />
5<br />
1. Lovely sunset: View of Chittaurgarh<br />
from the Fort 2. Willing<br />
servants: Cabin captains Tulsi and<br />
Mohan 3. Final course on the POW:<br />
Tempting sweets 4. Rolling wellness:<br />
Ayurveda package for train<br />
passengers 5. Wildlife: Safari at<br />
Ranthambore Resort<br />
den dicken Polsterungen der Sofas. Verstohlen<br />
beäugen sie die Mitreisenden und deren<br />
Gepäckstücke, um Rückschlüsse auf den<br />
Umfang der Garderobe zu ziehen. Ab sofort<br />
gibt es <strong>ein</strong>en Dresscode, denn die kl<strong>ein</strong>e f<strong>ein</strong>e<br />
Truppe reist um 350 Dollar pro Tag und Nase<br />
zurück in die Zeit des Überflusses. In <strong>ein</strong>e märchenhafte<br />
Ära, in der die Züge gemütlich durchs<br />
Land zuckelten und die <strong>Maharadscha</strong>s ihre eigenen<br />
Eisenbahnen betrieben – mit holzvertäfelten<br />
„Saloon Cars“, Veranda am <strong>ein</strong>en und Dienstbotenabteil<br />
am anderen Ende. Acht Tage lang<br />
– so garantieren die Betreiber dieser Reise durch<br />
Rajasthan, dessen Fläche in etwa jener Deutschlands<br />
entspricht – wird den Gästen jeder<br />
Wunsch von den Augen abgelesen, besichtigen<br />
sie Märchenschlösser, lunchen in prächtigen<br />
Palasthotels und erleben, <strong>wie</strong> Städte sich <strong>ein</strong>er<br />
Fata Morgana gleich aus der Wüste erheben.<br />
Tulsi und Mohan, unsere persönlichen Cabin<br />
Captains, wissen, was jetzt losbricht. Nachdem<br />
man über <strong>ein</strong>en roten Teppich schreitet und s<strong>ein</strong>en<br />
Salonwagen bezieht, gibt es zwei Möglichkeiten:<br />
Entweder man schafft es noch in die<br />
exquisite Schlafkabine mit WC und Dusche,<br />
wo man <strong>ein</strong> hysterisches „Das-gibt-es-dochalles-nicht!!!“<br />
in die mit Samt und Seide bezogenen<br />
Pölster presst. Oder man lässt s<strong>ein</strong>en Gefühlen<br />
freien Lauf und teilt den ersten Eindruck<br />
mit den anderen nicht minder bewegten Gästen.<br />
Hilfreich ist es jetzt zu wissen, dass Diener<br />
in Indien ganz selbstverständlich zu <strong>ein</strong>em „besseren“<br />
Haus gehören. Dem „Westler“ mag das gegen<br />
den Strich gehen, in Indien wird auf Grund<br />
der alten Kastenregeln, die noch immer tief in<br />
der indischen Psyche verankert sind, <strong>ein</strong> „Oben“<br />
und „Unten“ akzeptiert. Tulsi und Mohan werden<br />
während der kommenden Tage alles tun,<br />
um uns auf Rosen zu betten: Frühstück bereiten,<br />
Tee servieren, die Betten aufdecken und<br />
mit <strong>ein</strong>er Tasse Suppe neben uns ausharren, falls<br />
wir zu erschöpft sind, um am allabendlichen<br />
zehngängigen Dinner teilzunehmen.<br />
TAG 2: DIE ROSA ELEFANTEN VON JAIPUR In<br />
den Dörfern und Gehöften hat der Tag längst<br />
begonnen. Frauen balancieren Wasserkrüge,<br />
Kinder treten vor die Lehmhäuser, reiben sich<br />
die Augen und winken dem Zug hinterher.<br />
Schließlich kommen wir an in Jaipur, Indiens<br />
untypischer rosafarbener Reißbrettstadt, umgeben<br />
von <strong>ein</strong>er zinnengekrönten Stadtmauer. Wer<br />
in Jaipur nicht shoppt, ist selbst schuld. Denn<br />
dem entgehen vor allem geschäftstüchtige<br />
Lokalkauze <strong>wie</strong> Tony Lobo, PR-Manager von<br />
„Bhandari Jewellers“. Stolzgeschwellt zeigt er<br />
auf die gerahmten Bilder bei der Kasse. Boris<br />
Becker und Prinzessin Diana haben hier schon<br />
nach edlen St<strong>ein</strong>en gesucht. Indira Gandhi und<br />
Sir Paul McCartney auch.<br />
Nächste Lektion: Dieselben Inder, die das<br />
übelste Schicksal so nebenbei zu meistern verstehen,<br />
drehen durch, wenn es darum geht,<br />
den Zug oder Bus zu besteigen. Oder Fahrkarten<br />
zu kaufen. In Indien muss man drängen,<br />
mogeln und schubsen. „Indian-style-queuing“<br />
nennt man das, wobei <strong>ein</strong> Teil europäischer<br />
Sensibilität draufgeht. Im schönsten Kino<br />
Indiens, dem Raj Mandi in Jaipur, können Sie<br />
das mal versuchen. Bevor Sie in opulentem Ambiente<br />
verschwenderisch inszenierte Bollywood-<br />
Schinken genießen können, müssen Sie sich<br />
erstmal Karten an der Kinokasse erkämpfen.<br />
TAG 3: JAISALMER – DIE FATA MORGANA<br />
DER WÜSTE Mohan klopft an die Tür m<strong>ein</strong>er<br />
Kabine und rät mir, die Vorhänge des Panoramafensters<br />
neben m<strong>ein</strong>em Bett zu lüften.<br />
Den Anblick muss man erst verkraften: Wir<br />
rasen durch die endlose Weite der Wüste Thar.<br />
Vorbei an den seltsam geformten Nim-Bäumen,<br />
dessen Zweige die abergläubischen Rajasthani<br />
als Zahnbürsten nutzen, weil sie an die<br />
entzündungshemmende Wirkung glauben.<br />
Und urplötzlich erhebt sich, <strong>wie</strong> <strong>ein</strong>e Fata Morgana,<br />
das auf <strong>ein</strong>em achtzig Meter hohen Felsen<br />
gelegene Fort von Jaisalmer aus der hitzeflimmernden<br />
Wüste; die „Goldene Stadt“, mit<br />
ihren aus hellbraunem Sandst<strong>ein</strong> kunstvoll<br />
gefertigten Häusern. Im Patwon ki Haveli, dem<br />
schönsten der Stadt, ist der Craft Palace versteckt,<br />
<strong>ein</strong>er der exklusivsten Stoffläden Rajasthans.<br />
Mit treuem Blick verkauft man hier<br />
Ware zu Wucherpreisen und murmelt etwas<br />
von „No Profit“. Die filmreife Show und das<br />
Gejammere über den durch das Handeln „verloren<br />
gegangenen“ Gewinn gehören auch im<br />
Craft Palace zum Handwerk. Jetzt heißt es<br />
rasten – in <strong>ein</strong> paar Stunden sitzen wir schließlich<br />
auf dem Rücken von Kamelen und traben<br />
durch die Wüste. Mr. und Mrs. Smithson aus<br />
London erweisen sich hierbei als absolut stilsicher:<br />
In weißen L<strong>ein</strong>engewändern besteigt<br />
das Paar <strong>ein</strong> Höckergetier. Mrs. Smithson rückt<br />
gerade ihren riesigen Strohhut inklusive mondänem<br />
Seidenschal zurecht, als das Wüstenschiff<br />
plötzlich <strong>ein</strong>en strengen Galopp in den<br />
Sand legt. An<strong>ein</strong>ander geklammert enteilen<br />
47
48<br />
2<br />
1. Wasserwelt: Lake Pichola 2. Topspot: die Dachterrassen von Udaipur 3. Handwerk:<br />
Schuhmacher 4. Autorikscha: Sightse<strong>ein</strong>g auf drei Rädern 5. Octopussys Nachtlager: Suite im<br />
Lake Palace Hotel, www.tajhotels.com 6. Udaipur: das Venedig Indiens / 1. Water world: Lake Pichola<br />
2. Top spot: Roof terrace in Udaipur 3. Craft professional: Shoemaker 4. Auto rickshaw: Sightse<strong>ein</strong>g on three<br />
wheels 5. Octopussy’s bedroom: Suite at the Lake Palace Hotel, www.tajhotels.com 6. Udaipur: Indian Venice<br />
3<br />
4<br />
1<br />
5<br />
5<br />
6<br />
die beiden gen Sonnenuntergang, gefolgt von<br />
ihrem verzweifelten Kameltreiber. Man trifft<br />
sich <strong>wie</strong>der wohl behalten auf <strong>ein</strong>er Düne, wo<br />
den Gästen des POW Tee und Biscuits gereicht<br />
werden und wir träge dem Sonnenuntergang<br />
entgegen dämmern.<br />
TAG 4: JODHPUR, SO BLAU In Jodhpur, dem<br />
„Tor zur Wüste“, bietet sich der Blick von<br />
<strong>ein</strong>em trutzigen Fort auf die blauen Häuser der<br />
Stadt. Blau ist die Farbe der ehemals herrschenden<br />
Priester-Kaste Indiens, der Brahmanen.<br />
Im Hotel „Umaid Bhawan Palace“, <strong>ein</strong>er<br />
grotesken, vom britischen Architekten H. W.<br />
Lancaster entworfenen Mischung aus Buckingham<br />
Palace und Petersdom, sitze ich auf der<br />
Gartenterrasse, trinke <strong>wie</strong>der <strong>ein</strong>mal <strong>ein</strong>en<br />
Chai, den traditionellen Gewürztee mit viel<br />
Milch und Zucker, und widme mich <strong>ein</strong>em<br />
Kapitel für sich – den Heiratsannoncen in der<br />
Hindustan Times. Den meisten westlich geprägten<br />
Indern, denen sonst im Alltag die<br />
Kastenschranken nahezu nichts mehr bedeuten,<br />
ist es nach <strong>wie</strong> vor undenkbar, ihre Kinder<br />
mit Angehörigen <strong>ein</strong>er niedrigeren Kaste<br />
zu verheiraten. Deshalb liest sich auch heute<br />
<strong>ein</strong>e Heiratsanzeige oftmals <strong>wie</strong> folgt: „Studierender<br />
(39 Jahre, sieht aus <strong>wie</strong> 29), weizenfarbene<br />
Haut, 163 cm/55 kg/1.800 Rupien<br />
Gehalt, sucht V V. Hindu Nader (Anm.: Kaste)<br />
bevorzugt. Foto und detailliertes Horoskop<br />
erwünscht.“ Das Kürzel „V V“ weist die<br />
Annonceuse übrigens als „Vegetarian Virgin“,<br />
also als vegetarische Jungfrau, aus. Nun ja.<br />
TAG 5: DAS MÄRCHEN VON CHITTAURGARH<br />
Um fünf Uhr früh ist Tagwache. Wir fahren<br />
mit dem Jeep auf Tigersuche in den Ranthambore<br />
National Park. So angestrengt wir auch<br />
die wenigen Wasserstellen inspizieren – der versprochene<br />
Tiger will sich nicht blicken lassen.<br />
Dafür jede Menge Sambahirsche und Antilopen.<br />
Als tröstlich erweist sich später die betörende<br />
Romantik der 5 km langen Festungsanlage<br />
von Chittaurgarh. Nach etwa anderthalb<br />
Kilometern gelangt man zu den Überresten des<br />
Padmini Palastes – inmitten des angrenzenden<br />
Sees liegt malerisch <strong>ein</strong> Wasserschloss. Der<br />
Legende zufolge soll hier Sultan Alla-ud-din-<br />
Khalji auf den Treppenstufen des Palastes<br />
schmachtend, das Spiegelbild der sich im Schloss<br />
aufhaltenden Padmini gesehen haben.<br />
TAG 6: OCTOPUSSYS FENSTERSPRUNG IN<br />
UDAIPUR In Udaipur, der weißen Stadt, versteht<br />
sich Narendra Singh Mewar als <strong>ein</strong> „Ma-<br />
haradscha zum Anfassen“. Er hat <strong>ein</strong>e prachtvolle<br />
Homepage unter www.hrhindia.com,<br />
züchtet bei Udaipur wertvolle Marwari-Pferde<br />
und führt das Gästehaus „Pratap Country Inn“<br />
– s<strong>ein</strong>e <strong>ein</strong>stige Jagdlodge. Singh Mewar veranstaltet<br />
Reitsafaris und bietet auch Ayurveda-<br />
Behandlungen an. James-Bond-Fans ist Udaipur<br />
bestens bekannt. Der legendäre 007-Film<br />
„Octopussy“ wurde vor den Kulissen Udaipurs<br />
gedreht, im und um den Lake Palace (Wohnsitz<br />
von Octopussy) und dem Monsun-Palast<br />
(Wohnsitz des Kamal Khan). Wem das alles<br />
nichts sagt, der kann s<strong>ein</strong> mangelndes Fachwissen<br />
per Video auf <strong>ein</strong>em der Dachterrassen-<br />
Restaurants nachholen. James Bond läuft dort<br />
nämlich rund um die Uhr.<br />
TAG 7: TAJ MAHAL ODER: LIEBE IST STÄRKER<br />
ALS DER TOD 20.000 Menschen haben Tag und<br />
Nacht daran gearbeitet, das 7. Weltwunder zu<br />
errichten: das Taj Mahal. Dieses prächtige Bauwerk<br />
aus dem 17. Jahrhundert ist wohl der<br />
schönste Beweis, dass Liebe über den Tod hinausgehen<br />
kann. Kaiser Schah Jahan ließ es in<br />
zwanzigjähriger Arbeit als Mausoleum für<br />
s<strong>ein</strong>e Lieblingsfrau Mumtaz Mahal in weißem<br />
Marmor als Symbol der Liebe erbauen. Je nach<br />
Tageszeit komponiert das Licht andere Farbsinfonien<br />
auf den weißen Marmor und vor<br />
dem Taj warten Menschenschlangen – streng<br />
getrennt nach Männern und Frauen – darauf,<br />
<strong>ein</strong>gelassen zu werden. Selbstverständlich sind<br />
es vor allem Liebespaare, die sich vom Besuch<br />
dieses überraschend stillen Ortes alles Glück<br />
der Welt versprechen.<br />
TAG 8: DELHI DELIGHT Um 8.30 Uhr nehmen<br />
wir unser letztes Frühstück im Palace on<br />
Wheels und verlassen Tulsi und Mohan, die<br />
sich nach drei Wochen Luxus am Stück nun<br />
<strong>ein</strong> <strong>ein</strong>wöchiges Heimspiel gönnen, um dann<br />
<strong>wie</strong>der loszustarten. Zum Abschluss stürzen<br />
wir uns in das Delhi der „Now-Generation“,<br />
die ihre Sehnsüchte auf das Hier und Jetzt konzentriert<br />
und nicht erst auf das nächste <strong>Leben</strong>.<br />
Eherne Gesetze gelten nicht mehr. Nachts tummeln<br />
sie sich in den angesagten Clubs <strong>wie</strong> dem<br />
„Djinns Club“ im Hyatt Regency, dem „My<br />
Kind of Place“ im Hotel Taj Palace und dem<br />
„Dublin“ im Sheraton. Singles sind hier allerdings<br />
unerwünscht – Einlass ist zur Sicherheit<br />
der Gäste nur für Paare. Ein schöner Abschluss<br />
ist <strong>ein</strong> Dinner im „Village Bistro“ in Hauz Khas,<br />
dem Trendviertel Süd-Delhis, <strong>ein</strong>em Restaurant<br />
auf drei Stockwerken mit <strong>ein</strong>em wunder-<br />
49
50<br />
3<br />
2<br />
1. Größte Moschee Indiens: Jamia Masjid 2. Säule<br />
des Islam: Qutab Minar 3. Delhi Traffic: 24-Stunden-<br />
Rush-Hour 4. Ruheoase: United Coffee House; E-15,<br />
Connaught Place, Inner Circle 5. Guru Shopping:<br />
neben dem Shri Sai Memorial in New Delhi<br />
6. Indische Designer: Carma, Mehrauli Road<br />
H-5/6 7. Ayurveda: verwöhnen lassen – bei<br />
Shahnaz Husain, www.shahnaz-husain.com /<br />
1. India’s largest mosque: Jamia Masjid 2. Tower of<br />
Islam: Qutab Minar 3. Delhi traffic: 24-hour rushhour<br />
4. Tranquil oasis: United Coffee House<br />
5. Best of guru shopping: Shri Sai Memorial<br />
6. Indian designer: Carma, Mehrauli Road H-5/6<br />
7. Ayurveda: Pamper yourself at Shahnaz Husain,<br />
www.shahnaz-husain.com<br />
4<br />
1<br />
6<br />
PALACE ON WHEELS<br />
Website: www.palaceonwheelsindia.com<br />
Information & Booking: Palace on Wheels<br />
Rajasthan Tourist Development Corpn. Ltd., Bikaner House,<br />
Pandara Road, New Delhi 110 011,<br />
Tel.: +91/11/338 60 69, 338 18 84, 338 38 37<br />
Fax: +91/11/338 28 23, E-Mail: powrtdc@mantramail.com<br />
BEST OF GUIDE<br />
DELHI & RAJASTHAN: www.indiabycar.com<br />
Individuelle Touren mit Anil Kumar und s<strong>ein</strong>em Ambassador /<br />
Individual tours with Anil Kumar and his Ambassador<br />
RAJASTHAN: Braj Raj Singh Siras.<br />
Er ist Rajasthan-Insider, vor allem in Sachen indisches Kino. /<br />
He’s a Rajasthan insider, especially when it comes to Indian cinema.<br />
Tel.: +91/131/63 24 46, E-Mail: brajrajguide@hotmail.com<br />
BEST OF WEBSITES<br />
www.india-tourism.com<br />
Alle Infos zu Hotels etc. / Information about hotels, etc.<br />
www.nic.in Verzeichnis staatlicher indischer Websites<br />
(Botschaften etc.) / List of all official Indian websites (embassies, etc.)<br />
www.indien-newsletter.de Infos über das moderne Indien. Filmund<br />
Buchbesprechungen, Restauranttipps und Indien-Linkliste. /<br />
Information about modern India. Films and books, restaurant tips<br />
and list of India links.<br />
BEST OF BOOKS<br />
Reise-Know-how: Kulturschock Indien. Alltagskultur &<br />
Verhaltensregeln – <strong>ein</strong> echter Survival-Guide. /<br />
Everyday life & customs: a real survival guide.<br />
Lonely Planet: Delhi und Rajasthan. Übersichtliche Karten<br />
und viele Tipps abseits der Beaten Tracks. /<br />
Clear maps and lots of tips for off the beaten track.<br />
Bollywood Showplaces. Cinema Theatres in India:<br />
(www.decorumbooks.co.uk) Die Seele Indiens offenbart sich durch<br />
dessen Kinopaläste. / A look behind the scenes of Indian Cinema.<br />
5<br />
7<br />
baren Blick über die Stadt, wo man sich noch<br />
<strong>ein</strong>mal <strong>wie</strong> <strong>ein</strong> <strong>Maharadscha</strong> fühlen kann …<br />
THE SPICE OF INDIA DAY 1: DELHI DILEMMA<br />
I land in Delhi late at night and head straight for the<br />
Ashok Hotel, where I pick up the phone and learn<br />
that most important of Indian lessons: in a nation<br />
with 16 official languages, 330,000 gods and 200 ways<br />
to tie a turban, you have to remain calm and, above<br />
all, patient. Be firm but friendly, and in the end you’ll<br />
get what you want. For example: two tickets for a<br />
luxury train ride. I finally get them shortly before my<br />
train departs, just in time to prevent a nervous<br />
breakdown. Indians take these things more calmly,<br />
I learned, as part of the cosmic scheme of things.<br />
Why would you want to mess up your karma and<br />
doom yourself to a lower r<strong>ein</strong>carnation. Better to<br />
accept things as they are.<br />
The next day I set off for the train station with<br />
my guide, Anil, in his Ambassador. The traffic is incredible:<br />
a wild mixture of rickshaws, Red Line busses,<br />
horse-drawn carts, cows and elephants. Not to mention<br />
the cars: there are currently 3.8 million of them<br />
in Delhi, and there will be 22 million by the year 2020.<br />
At Delhi’s Cantonment station, passengers are<br />
climbing onto the roofs of overfilled trains. But inside<br />
Waiting Room 7, people are leaning back and ey<strong>ein</strong>g<br />
other travellers’ luggage for signs of wealth and social<br />
status. This crowd is spending 350 dollars a day to<br />
travel on the Palace on Wheels to that fairy-tale time<br />
when maharajas ran their own railways, with a veranda<br />
at one end of the saloon car and a compartment for<br />
servants at the other. For the next eight days, the<br />
modern versions will read every wish in our eyes as<br />
we cross the state of Rajasthan, visiting fairy-tale<br />
castles, dining at palace hotels and watching the<br />
cities rise mirage-like from the desert.<br />
Our personal attendants, Tulsi and Mohan, are<br />
waiting, and it helps to know that servants are still<br />
a given in every “better” Indian home. We Westerners<br />
may have problems with it, but India’s ancient<br />
caste system is still deeply rooted in the national<br />
psyche. In the coming days, Tulsi and Mohan will do<br />
everything possible to prepare us a bed of roses:<br />
serve our breakfast and tea and make our beds.<br />
DAY 2: THE PINK ELEPHANTS OF JAIPUR The day<br />
is well underway as we approach Jaipur. The “Pink<br />
City” has shopping to offer in addition to its Hall of<br />
Winds and the Jantar Mantar Observatory. Bhandari<br />
Jewellers, for example, proudly display framed pictures<br />
of Boris Becker and Princess Di, who have<br />
chosen gemstones here.<br />
DAY 3: JAISALMER OR THE FATA MORGANA OF THE<br />
DESERT Mohan knocks on the door of my compart-<br />
51
Graphik: Mario Gegenhuber<br />
52<br />
AF<br />
PK<br />
Indien<br />
Jaisalmer<br />
NP<br />
CH<br />
BD<br />
Jodhpur<br />
RAJASTHAN<br />
Chittaurgarh<br />
Udaipur<br />
Jaipur<br />
Delhi<br />
Bharatpur<br />
RAJASTHAN<br />
Agra<br />
Sawai Madhopur<br />
ANREISE Austrian Airlines fliegen fünfmal wöchentlich nach Delhi.<br />
GETTING THERE Austrian Airlines fly five times a week to Delhi.<br />
ment and advises me to open the curtains. Amazing:<br />
we’re travelling across the seemingly endless Thar<br />
Desert. And then suddenly the fort of Jaisalmer rises<br />
like a mirage from the burning sands. Jaisalmer is<br />
called the “golden city” for its lovely sandstone buildings.<br />
In the loveliest of them all, Patwon ki Haveli,<br />
is the Craft Palace, one of the most exclusive fabric<br />
shops in Rajasthan. A few hours later we’re riding<br />
across the desert on camel’s back. I watch a couple<br />
from London, smartly clad in white linen, as their<br />
camel breaks into a gallop and races away towards<br />
the sunset. They rejoin us as we assemble atop a<br />
dune, to be served tea and biscuits and catch the<br />
last rays of the fading sun.<br />
DAY 4: JODHPUR, SO BLUE The fort of Jodhpur<br />
offers a fine view of the city’s blue buildings, the<br />
colour of the priestly caste, the Brahmans. At the<br />
Umaid Bhawan Palace Hotel I sip a cup of chai on<br />
the garden terrace and turn to the ads for marriage<br />
partners in the Hindustan Times. Most Indians give<br />
little thought to the caste system in everyday life but<br />
would still never dream of letting their children marry<br />
someone beneath them.<br />
DAY 5: THE FAIRY STORY OF CHITTAURGARH We rise<br />
at five in order to set out in search of tigers in<br />
Ranthambore National Park. They fail to appear, but<br />
we see lots of deer and antelope. The fortress of<br />
Chittaurgarh, with its palaces, temples and pillars,<br />
helps compensate for our disappointment.<br />
DAY 6: OCTOPUSSY IN UDAIPUR In Udaipur,<br />
Narendra Singh Mewar sees himself as a “modern<br />
maharaja”. He runs the Pratap Country Inn, raises<br />
Marwari horses and offers horseback safaris. James<br />
Bond fans know all about Udaipur. Octopussy was<br />
filmed in and around the Lake Palace and the<br />
Monsoon Palace.<br />
DAY 7: TAJ MAHAL, OR: LOVE IS STRONGER THAN<br />
DEATH Some 20,000 people worked day and night<br />
to complete the 7th wonder of the world. The magnificent<br />
17th-century mausoleum was built by Emperor<br />
Shah Jahan for his favourite wife, Mumtaz Mahal, in<br />
white marble as a symbol of their love.<br />
DAY 8: DELHI DELIGHT At 8.30 we have our final<br />
breakfast on the POW and say goodbye to Tulsi and<br />
Mohan. After a week of history, we visit the Delhi of<br />
here and now. We head for dinner at the Village Bistro<br />
in Hauz Khas, the trendy area of southern Delhi,<br />
where for one last time we can feel like a maharaja.